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German Pages [721] Year 2018
VORREFORMATION UND REFORMATION AUF DEM LAND IN THÜRINGEN STRUKTUREN STIFTUNGSWESEN KIRCHENBAU KIRCHENAUSSTATTUNG
Martin Sladeczek
© 2018 Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln, Weimar ISBN Print: 9783412508104 — ISBN E-Book: 9783412504496
Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation Im Auftrag der »Historischen Kommission für Thüringen« herausgegeben von Werner Greiling und Uwe Schirmer in Verbindung mit Joachim Bauer, Enno Bünz, Ernst Koch, Armin Kohnle, Josef Pilvousek und Ulman Weiß Band 9
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Martin Sladeczek
Vorreformation und Reformation auf dem Land in Thüringen Strukturen – Stiftungswesen – Kirchenbau – Kirchenausstattung
2018 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Rektoratsblatt des Magisters Henning Hopfe für das Sommersemester 1546; gemalt vom sog. Meister der Crispinuslegende (Stadtarchiv Erfurt, 1-1/X B XIII-46, Bd. 2, fol. 179r).
© 2018 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Lindenstraße 14, D-50674 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Wissenschaftliche Redaktion: Dr. Alexander Krünes, Jena Korrektorat: Sara Zarzutzki, Düsseldorf
ISBN 978-3-412-50449-6
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Inhalt Vorwort ............................................................................................................................. 9 EINLEITUNG ..................................................................................................................11 Teil I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND (1470–1520) ..............................37 1. Fragestellungen ........................................................................................................37 2. Das Verhältnis zwischen Gemeinde und Pfarrer ..............................................39 3. Die Kirchenfabrik und der Einfluss der Gemeinde ..........................................54 3.1. Alterleute ...........................................................................................................58 3.2. Einnahmen........................................................................................................62 3.3. Ausgaben ...........................................................................................................72 3.4. Rechnungsführung ..........................................................................................76 3.5. Rechnungslegung .............................................................................................78 3.6. Kreditkassenfunktion ......................................................................................81 3.7. Küster ................................................................................................................82 4. Die Verdichtung des Sakralen durch Bauern und Adel ....................................90 4.1. Memorialstiftungen .........................................................................................90 4.2. Messstiftungen .................................................................................................97 4.3. Vikarien und Kommenden ......................................................................... 111 4.4. Kapellenstiftungen........................................................................................ 127 4.5. Spendenstiftungen ........................................................................................ 132 4.6. Hospitäler ....................................................................................................... 137 4.7. Laienbruderschaften und Kalande ............................................................. 142 4.8. Predigt............................................................................................................. 158 4.9. Prozessionen.................................................................................................. 162 4.10. Wallfahrten .................................................................................................. 170 4.11. Regionaler Vergleich innerhalb des Untersuchungsgebietes ............... 175 5. Die Dorfkirche und ihre Ausstattung ............................................................... 188 5.1. Kirchenbau .................................................................................................... 188 5.2. Beinhaus ......................................................................................................... 202 5.3. Bilder............................................................................................................... 207 6. Die Bauern und das landesherrliche Kirchenregiment .................................. 225 7. Ergebnisse ............................................................................................................. 242
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INHALT
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Teil II: DIE FRÜHE REFORMATION AUF DEM LAND. EINE WELT IM UMBRUCH? (1520–1526) ................................................. 247 1. Fragestellungen ..................................................................................................... 247 2. Zeugnisse der reformatorischen Bewegung vor dem Bauernkrieg .............. 250 2.1. Verweigerung der Abgaben ........................................................................ 250 2.2. Verhältnis zwischen Gemeinde und Pfarrer ............................................ 263 2.3 Ende der Stiftungen ...................................................................................... 271 2.4 Ende der Wallfahrten .................................................................................... 274 2.5 Bedeutungsverlust der geistlichen Gerichte .............................................. 280 3. 4. 5. 6.
Der Umgang mit dem Kirchenbau und den Bildern ..................................... 284 Die Beschwerdeartikel der Gemeinden von 1525 .......................................... 292 Der Niederadel in der frühen Reformationszeit ............................................. 297 Ergebnisse ............................................................................................................. 306
Teil III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN UND DER WANDEL DER FRÖMMIGKEIT (1526–1570) ............................................................. 311 1. Fragestellungen ..................................................................................................... 311 2. Der Pfarrer ............................................................................................................ 314 2.1. Einschätzung durch die Visitatoren .......................................................... 314 2.2. Einkommenssituation .................................................................................. 320 2.3. Pfarrwitwen.................................................................................................... 328 2.4. Verhältnis zwischen Gemeinde und Pfarrer ............................................ 329 2.5. Pfarrhaus ........................................................................................................ 338 3. Die Veränderung der Pfarrlandkarte ................................................................ 351 3.1. Klosterpfarreien ............................................................................................ 352 3.2. Bildung neuer Pfarreien ............................................................................... 354 3.3. Auflösung der Großpfarreien ..................................................................... 356 3.4. Zusammenlegung von Pfarreien ................................................................ 360 3.5. Dörfer mit mehreren Pfarrkirchen ............................................................ 365 3.6. Politische Gründe für Änderungen der Filialverhältnisse...................... 366 3.7. Regelungen mit Filialdörfern ...................................................................... 368 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Die Umwandlung der Stiftungsgüter ................................................................ 370 Der wachsende Einfluss der Herrschaft im Kurfürstentum......................... 386 Die unterdrückte Reformation im albertinischen Gebiet vor 1539............. 395 Der Niederadel und die landesherrliche Kirchenpolitik ................................ 402 Die Gemeinde und ihre Einflussmöglichkeiten .............................................. 417 Erfurter Dörfer in den ernestinischen Visitationen ....................................... 425
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INHALT
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10. Die Langlebigkeit der vorreformatorischen Frömmigkeit ............................ 436 11. Indizien für Andersgläubigkeit .......................................................................... 443 12. Der Klingelbeutel ................................................................................................. 452 13. Der Wandel an und in den Kirchen ................................................................. 456 13.1. Vasa Sacra .................................................................................................... 456 13.2. Bibliotheken ................................................................................................ 463 13.3. Kirchenbau .................................................................................................. 476 13.4. Beinhaus ....................................................................................................... 512 13.5. Bilder ............................................................................................................ 516 14. Ergebnisse ............................................................................................................. 537 FAZIT: UMBRUCH UND BEHARRUNG – DER SCHEINBARE WIDERSPRUCH DER REFORMATION AUF DEM LAND....................................................... 543 ANHÄNGE ................................................................................................................... 555 Anhang 1 – Stiftungen ............................................................................................... 556 Anhang 2 – Bruderschaften ...................................................................................... 608 Anhang 3 – Hospitäler .............................................................................................. 611 Anhang 4 – Dörfer mit zwei oder drei Pfarrkirchen ............................................ 613 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS..................................................................................... 620 QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS............................................................ 622 FARBABBILDUNGSTEIL.............................................................................................. 689 ABBILDUNGSNACHWEIS ........................................................................................... 705 ORTSREGISTER ........................................................................................................... 706
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VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 an der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertation eingereicht und im Januar 2018 verteidigt. Für Ratschläge, Anstöße und Unterstützung bin ich zahlreichen Menschen zu Dank verpflichtet, in erster Linie Prof. Dr. Uwe Schirmer für die stets fundierte und wohlwollende aber auch kritische Betreuung. Ich danke weiterhin Prof. Dr. Ulman Weiß für die Übernahme des Zweitgutachtens und manchen guten Hinweis in den zurückliegenden Jahren. Das Forschungsprojekt „Thüringen im Jahrhundert der Reformation“ und das damit verbundene Stipendium ermöglichten mir die konzentrierte Bearbeitung des Themas. Hierfür und für die Drucklegung in der Reihe „Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation“ möchte ich den Herren Professoren Uwe Schirmer und Werner Greiling nachdrücklich danken. Dankbar bin ich ebenso den Mitarbeitern und Stipendiaten des Projekts, insbesondere Julia Mandry, Andreas Dietmann und Dr. Alexander Krünes, für vielfältigen Austausch. Zu danken ist weiterhin den Mitarbeitern der aufgesuchten Archive, Bibliotheken und Museen sowie den vielen Pfarrern und Kirchenältesten, die mir ihre Kirchen geöffnet haben. Auf manche Objekte in den thüringischen Dorfkirchen wäre ich ohne die Hilfe des Fachreferats für Kunst- und Kulturgut der EKM in Person von Susanne Pohler, Sabine Konrad und Dr. Karen Schaelow-Weber nie aufmerksam geworden. Für gemeinsame Ausfahrten, die ihren Niederschlag zum Teil in dieser Arbeit gefunden haben, danke ich Dr. Rainer Müller, Dr. Thomas Nitz und Tim Erthel (alle Erfurt). Dank für Korrekturen und inhaltliche Hinweise gilt in erster Linie meinen Eltern sowie den Freunden und Kollegen Tim Erthel, Dr. Hartmut Kühne (Berlin), Dr. Rainer Müller, Dr. Thomas Nitz, Pascal Mauf (Ettersburg), Prof. Dr. Christel Köhle-Hezinger (Esslingen), Dr. Sabine Wefers (Jena), Prof. Dr. Ernst Koch (Leipzig), Udo Hopf (Weimar), Dr. Thomas T. Müller (Mühlhausen), Rolf-Torsten Heinrich (Dresden), Helga Hoffmann (Weimar), Martin Vieweg (Erfurt) sowie nicht zuletzt dem inzwischen leider verstorbenen Karl-Heinz Meißner (Riethnordhausen). Abschließend möchte ich meiner gesamten Familie und insbesondere meiner Katharina für viel Verständnis, Unterstützung und geteilte Freuden in den vergangenen Jahren danken. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Erfurt, im Januar 2018
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Martin Sladeczek
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EINLEITUNG
EINLEITUNG
Der Bawer wandert uber felt zu dreschen. indem er gehet, fellet im ein die groß zwancknus der welt und danckt got, das er sein wort also erleuchten thut, das er auch mit seinem flegel in einem festen glauben als vil erwecken kann als der cartheuser und munch mit seynem orden.1 Dieses Zitat stammt aus dem 1523 in Erfurt erschienenen „Dialogus zwischen Petro und einem Bauern“. Es wird zu zeigen sein, dass dieses Jahr für die Thematik dieser Arbeit ein entscheidendes war. Verfasst wurde diese Flugschrift von einer Person aus dem Umfeld des Weimarer Hofes. Der Bauer wird dabei als Objekt beschrieben und zugleich wird eine enge Verbindung zwischen dem bäuerlichen Alltag und der religiösen Entwicklung dieser Jahre deutlich. In der Schrift betritt in der Folge Petrus die Szenerie und überzeugt den Bauern von verschiedenen reformatorischen Positionen. So legt er unter anderem dar, dass die Nachfolge Petri des Papstes nicht rechtens sei und man von einer leistungsorientierten Frömmigkeit keine Vorteile zu erwarten habe. Eine ähnliche Szene zeigt die Titelabbildung (vgl. Farbtafelteil). Sie findet sich auf einem Rektoratsblatt der Erfurter Universität aus dem Jahr 1546 und wurde vom sogenannten „Meister der Crispinuslegende“ gemalt, einem Erfurter Künstler der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der durch die reformatorischen Ereignisse und die sinkende Nachfrage nach Kirchenausstattung gezwungen wurde, sich eine gänzlich neue Auftragsbasis zu sichern.2 In dieser Darstellung betritt ebenfalls ein Bauer mit einem Dreschflegel die Szene vor einer Berglandschaft mit einem Burgberg und trifft auf den auferstandenen Christus mit einem schlafenden und einem aufschauenden Wächter. Christus ist als typischer Auferstandener mit einer Siegesfahne und dem Segensgestus dargestellt, trägt einen wallenden, roten Mantel und steht auf dem versiegelten Sarkophag. Der Bauer trägt einen roten Rock und einen grünen Hut. Er zeigt mit zwei Fingern auf Christus, wiederholt so dessen Bewegung – über die Bedeutung dieser Geste ließe 1 2
STANBERGER, Dialogus, S. 200. Vgl. Kap. II.3 dieser Arbeit. Die Zuordnung verschiedener Rektoratsblätter zum Œuvre dieses Meisters, der diese Blätter mit dem Monogramm „DH“ versah, findet sich bei HOFFMANN, Crispinus, S. 403–406. Im konkreten Falle handelt es sich um das Rektoratsblatt des Magisters Henning Hopfe für das Sommersemester 1546; StAE, 1-1/X B XIII-46, Bd. 2, fol. 179r. Hopfe war seit 1537 Kanoniker am Erfurter Marienstift und wurde 1554 dessen Propst; vgl. PILVOUSEK, Prälaten, S. 132.
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EINLEITUNG
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sich spekulieren – und wirkt als Zeuge der Auferstehung. Die Bildaussage unterstreichend, ist eine Inschrift beigegeben: Resurrectio Christi initium Salutis – Die Auferstehung Christi ist der Anfang des Heils. Über den Gothaer Humanisten Mutianus Rufus wird berichtet, dass er am Tage vor seinem Tod, dem 29. März 1526, schrieb: Vieles weiss der Bauer, was der Philosoph nicht weiss. Christus aber ist für uns gestorben. Er ist unser Leben. Das glaube ich gewiss.3 Er wählte die Beschäftigung der Bauern mit religiösen Fragen ebenfalls als Thema, um seine eigenen Gedanken in Relation zu setzen. Wenngleich diese Beispiele völlig verschiedenen Quellengattungen und auch verschiedenen Jahrzehnten entstammen, belegen sie vor allem eines: Der Bauer mit seiner Stellung zu kirchlichen Fragen war ein wichtiges Thema der frühen Reformationszeit. Zeitgenossen bedachten selbstverständlich die zentrale Rolle der ländlichen Gesellschaft für die Ausbreitung der Reformation, die Auseinandersetzung mit kirchlichen Fragen und die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, die damit einhergingen; lebten doch über 80 % der Bevölkerung auf dem Land. Diese Selbstverständlichkeit steht in hochgradigem Widerspruch zur heutigen Forschungslage. Die Bedeutung von Bauern und Niederadel für die kirchliche Entwicklung des 15. und 16. Jahrhunderts ist kaum erforscht. Schwerpunkte der bisherigen Forschung Die Reformationsgeschichtsschreibung hat sich nichtsdestoweniger in den letzten Jahrzehnten von den Dikta der konfessionell geprägten älteren Forschung, wobei das Wirken Luthers und anderer Akteure im Mittelpunkt stand, zu lösen begonnen und zahlreiche neue Fragestellungen entwickelt.4 Dazu zählen etwa die Besonderheiten der vorreformatorischen Zeit, Fragen der städtischen Reformation, des landesherrlichen Kirchenregiments, Fragen zu theologischen Strömungen und Reformdiskussionen sowie zu kirchlicher Verwaltung und Ordensreform.5 3 4 5
KRAUSE, Briefwechsel, S. LXV. Vgl. zu der Auswirkung der Sozialgeschichte auf die Reformationsgeschichtsschreibung CONRAD, Elsass, S. 6–11. Überblicke in Handbüchern finden sich bei EHRENPREIS/LOTZ-HEUMANN, Reformation; JUNG, Reformation; KAUFMANN, Reformation; LEPPIN, Zeitalter; LUTZ, Reformation. Freilich kann die Fülle der relevanten Arbeiten hier nicht wiedergegeben werden. Für den mitteldeutschen Raum sind aus der stark zunehmenden jüngeren Forschung zu den kirchlichen Verhältnissen des 15. und 16. Jahrhunderts wichtig zu nennen: KAHLEYSS, Zwickau; LÖTHER, Prozessionen; MEISTER, Altenburg; MÖTSCH, Grimmenthal; SPEER, Görlitz; VOIGT, Beginen; VOLKMAR, Reform; WÜRTH, Geißler; weiterhin die Texte in den Sammelbänden BLAHA/SPEER, Reformation; BÜNZ/FOUQUET, Pfarrei; BÜNZ/FUCHS/ RHEIN, Buch; BÜNZ/KÜHNE, Alltag; EMIG/LEPPIN/SCHIRMER, Städte; GREILING/ KOHNLE/SCHIRMER, Implikationen; GREILING/SCHIRMER/SCHWALBE, Neustadt;
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EINLEITUNG
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Für eine Beschreibung der Zustände in den Dörfern erscheinen diese Ansätze wenig erfolgversprechend. Anders verhält es sich mit einem weiteren wichtigen Fokus der Forschung, gerade in jüngerer Vergangenheit: der Frömmigkeit breiter Bevölkerungsschichten und ihrer Entwicklung. 6 Dabei handelt es sich längst nicht mehr allein um eine Problematik der Theologie und Kirchengeschichte, sondern um ein interdisziplinäres Forschungsfeld, an dem sich die Landesgeschichte, die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte, aber auch Kunstgeschichte, Germanistik, Archäologie und Baugeschichte, Musikwissenschaften und Volkskunde beteiligen. Dem steht gegenüber, dass eine Bewertung der bäuerlichen Reformation meist zuerst über den Bauernkrieg erfolgt.7 Sie muss davon gelöst werden. Der Bauernkrieg war nicht die Reformation auf dem Land, sondern stand nur mittelbar mit ihr in Verbindung. Die Reformation in den Dörfern kann nur anhand der Veränderung der Zustände vor Ort untersucht und bewertet werden. Dass die Frömmigkeit des Spätmittelalters eine wichtige Voraussetzung der Reformationsrezeption war, wurde bereits festgestellt8 und wird mittlerweile wohl kaum in Frage gestellt. Auch die frühe marxistische Forschung räumte – wenngleich bei völlig anderer Bewertung – Bauern und Bürgern eine Rolle als Träger der reformatorischen Entwicklung ein.9 Für die Bewertung der Reformation auf dem Land war immer die Frage nach der Rezeption reformatorischer Ideen wegweisend. Dies gilt insbesondere für die sehr wichtige Flugschriftenforschung. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Wert dieser Quellen erkannt – wenngleich sie zu unkritisch als Ausdruck des Zeitgeistes in der Bevölkerung verstanden wurden.10 Mittlerweile hat sich dies geändert: die Kommunikations- und Rezeptionsvorgänge werden ebenso betrachtet.11 KOHNLE/SCHIRMER, Friedrich; SIEWERT, Stadtpfarrkirchen; sowie z. B. die Ausstellungskataloge KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT; KAT. SPALATIN; KAT. GLAUBE UND MACHT. Es ist eine weitere Zunahme durch das Reformationsjubiläum des Jahres 2017 zu erwarten. 6 Dies steht natürlich auch unter dem Einfluss der Alltagsgeschichte, vgl. etwa KÜHNEL, Alltag, S. 92–113. Vgl. auch die von Beat Kümin aufgeführte Literatur in der Einleitung von KÜMIN, Landgemeinde. 7 Vgl. HOLENSTEIN, Bauern, S. 113. Der Bauernkrieg wurde dabei auch als „Mißverständnis“ lutherischer Ideen gedeutet; LORTZ, Reformation, Bd. 1, S. 333. Zu diesem Verhältnis vgl. MARON, Bauernkrieg. 8 Vgl. MOELLER, Frömmigkeit, S. 8 f.; LORTZ, Reformation, Bd. 1, S. 97. 9 Vgl. SMIRIN, Volksreformation. 10 Vgl. BAUR, Flugschriften; JANSSEN, Zustände. 11 Vgl. etwa einen Tübinger Tagungsband von 1981: KÖHLER, Flugschriften; vgl. weiterhin WEISS, Flugschriften und die Forschungen Robert W. Scribners: SCRIBNER, Diffusion; SCRIBNER, Sake. Vgl. auch die Flugschriften gegen die Reformation; v. a. LAUBE, Flugschriften.
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EINLEITUNG
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Die größte Bedeutung für das Themenfeld der Untersuchung in der Forschung hat freilich Peter Blickles These der „Gemeindereformation“.12 Blickle und einige seiner Schüler versuchten anhand von Studien, die vorrangig den süddeutschen Raum betrafen, die Entwicklung der Gemeinden und ihrer Kirchen in dieser Zeit unter dem Schlagwort des Kommunalismus zu fassen.13 Allerdings ist in dieser Überspitzung keine Übertragung auf andere Regionen möglich.14 Neben der großen Rolle dieser Theorie für die Bewertung der Reformation auf dem Land versuchte Goertz im Antiklerikalismus eine Verbindung zwischen der spätmittelalterlichen Religiosität und der frühen Reformation zu sehen.15 Betrachtet man die bisherige Forschung, entsteht der Eindruck, dass die frühe Reformation auf dem Land von der Gemeindereformation direkt in die Phase der Fürstenreformation überging,16 ohne dass dieser Wandel von einem starken eigenen Engagement der Gemeinden hin zur völligen Unterordnung bisher in Frage gestellt worden wäre. C. Scott Dixon stellte 2002 fest, dass Großkonzepte, wie Gemeindereformation und Konfessionalisierung, wichtig für die Forschung seien, „aber sie können auch dazu führen, daß auf den ersten Blick vernachlässigbare Details der Geschichte ausgeschlossen werden.“17 Im Falle der ländlichen Reformation ist das sicher geschehen. Dabei stellten bereits frühe Forschungen dieses Problem fest, wenn sie nach der Bedeutung der Untertanen fragten.18 12 Vgl. BLICKLE, Gemeindereformation. 13 Vgl. BLICKLE, Hintergrund; BLICKLE, Kommunalismus sowie die Arbeiten einiger Schüler: CONRAD, Elsass; FUHRMANN, Kirche; HIPPENMEYER, Nachbarschaft. 14 Vgl. v. a. SCHLÖGL, Probleme; FRIEDEBURG, Überlegungen. Zu den oft wiederholten Kritikpunkten zählt außerdem die zu starke Betonung sozialer Aspekte gegenüber der religiösen Praxis, die postulierte Verbindung sozialer Probleme mit reformatorischen Ideen zu einer gesamtgesellschaftlichen Ideologie des „Gemeinen Mannes“ und die qualitativ geringere Selbstverwaltung in den Dörfern gegenüber den Städten. REITEMEIER, Gemeinden, untersuchte die Bedeutung der Gemeinden bei der Einführung der Reformation vergleichsweise in norddeutschen Städten. Er kam zu dem Ergebnis, dass genossenschaftliche Bewegungen dort nur eine untergeordnete Rolle hatten; ebd., S. 76. 15 GOERTZ, Pfaffenhaß, v. a. S. 244 f. Ähnlich: RAPP, Réformes; COHN, Anticlericalism; STAYER, Anticlericalism. 16 Ein Beispiel für eine solche Darstellung in einem Handbuch bietet HOLENSTEIN, Bauern, S. 116 f. In vielen Fällen wurden entsprechende Zugänge zu den Jahren vor den ersten Visitationen nicht einmal gesucht. So kommt JADATZ, Land, S. 210 zu folgender, völlig irriger Zusammenfassung: „Von einer evangelischen Bewegung, die auf dem Land bereits vor der landesherrlichen Einführung der Reformation einsetzt, kann kaum gesprochen werden. Als Träger der lutherischen Lehre treten zunächst allein einige Geistliche und Landadlige in Erscheinung.“ Auf welcher Grundlage diese und der Landesherr die Reformation hätten einführen können, wird nicht diskutiert. 17 DIXON, Transformation, S. 27. 18 So etwa DIEHL, Bewegung für das südliche Hessen.
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EINLEITUNG
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Wie verhielt sich aber die bäuerliche Gesellschaft gegenüber der obrigkeitlichen Religionspolitik? Ähnlich unbeantwortet sind diese Fragen für den landsässigen Niederadel. Das betrifft sowohl die kirchlichen Zustände vor der Reformation, die individuelle Frömmigkeit, die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation als auch die Behauptung eigener Interessenlagen in der landesherrlichen Religionspolitik. Jüngere Untersuchungen existieren nur zu einzelnen Familien;19 dabei kann auf einzelne Familienchroniken der älteren Forschung zurückgegriffen werden. 20 Über einen langen Zeitraum hatte ein Aufsatz von Volker Press geradezu Handbuchcharakter.21 Erst in jüngerer Vergangenheit rückt der Niederadel als Akteur der Reformation in den Fokus. 22 Sein kirchliches Engagement in der eigenen Herrschaft verdiente ebenfalls mehr Beachtung. In den Dörfern gab es zweifelsfrei ein Wechselspiel aus religiösen und mit der Kirche verbundenen Interessen der Bauern und des Adels. Für den mitteldeutschen Raum existieren nur wenige Untersuchungen, die die kirchlichen Zustände in den Dörfern im 15. und 16. Jahrhundert thematisieren.23 Die vorliegende Arbeit setzt an dieser Stelle an. Im überregionalen Vergleich soll in dieser Arbeit vor allem auf Forschungsarbeiten zum obersächsischen und zum fränkischen Raum zurückgegriffen werden. Es ist wichtig, die Entwicklungen vor Ort vom ‚big picture‘ der theologischen Fragen und der ‚Fürstenreformation‘ zu lösen, sie objektiv hermeneutisch zu betrachten und nach den ihnen eigenen „Sinnstrukturen“ in der Lebenspraxis zu suchen.24
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HELD, Brandenstein; MOLZAHN, Wangenheim. Z. B. WITZLEBEN/WITZLEBEN, Witzleben. PRESS, Adel. Vgl. weiterhin MIDELFORT, Nobility. Vgl. SCHATTKOWSKY, Reformation; BIRKLE, Reichsritterschaft; JENDORFF, Eigensinn; WIEDEN, Konfessionalisierung; BÜNZ/HÖROLDT/VOLKMAR, Adelslandschaft; VOLKMAR, Religiosität; VOLKMAR, Niederadel. In den letzten Jahren fanden verschiedene Tagungen zu diesem Aspekt statt (Osnabrück 2014, Mainz 2015). Die zu erwartenden Tagungsbände dürften weitere Anregungen für diesen sich entwickelnden Forschungsstrang beinhalten. 23 Vgl. etwa die Arbeiten von Rudolf Herrmann, Gustav Einicke und Ulman Weiß, die jeweils auch Dörfer betreffen; HERRMANN, Kirchengeschichte; EINICKE, Reformationsgeschichte; WEISS, Bürger; ferner die Forschungen von Enno Bünz unter den Titeln im Literaturverzeichnis und den Forschungsüberblick BÜNZ, Erforschung; vgl. auch BIRGELEN, Reformation. Zu grundsätzlichen Fragen, das Verhältnis Dorf und Kirche betreffend, vgl. SCHATTKOWSKY/KIRCHINGER, Editorial und das Überblickskapitel im Handbuch TROSSBACH/ZIMMERMANN, Geschichte, S. 96–101. 24 Zum Begriff der Sinnstrukturen und der Objektiven Hermeneutik vgl. den grundlegenden Text OEVERMANN/ALLERT/KONAU/KRAMBECK, Methodologie sowie OEVERMANN, Manifest.
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EINLEITUNG
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Überzeugend war vor diesem Hintergrund vor allem Beat Kümins Untersuchung der Entwicklung der englischen Pfarrei aus dem Spätmittelalter heraus.25 Franziska Conrad untersuchte die Aufnahme reformatorischer Ideen in den Dörfern des Elsass und verband dabei ebenfalls Erkenntnisse über die Religiosität breiter Bevölkerungsschichten mit Methoden der Sozialgeschichte. 26 C. Scott Dixon wollte unter Anwendung der historischen Anthropologie Mikrogeschichte rekonstruieren und anschließend zusammenfügen. 27 Der von ihm für Brandenburg-Ansbach-Kulmbach angewandte Ansatz wurde von der Forschung nicht aufgegriffen; dazu gehörten die Rezeption reformatorischer Inhalte, der Widerstand dagegen und „das Aufeinandertreffen der lokalen politischen Kultur und der Forderungen der Territorialkirche“.28 Untersucht werden soll im Rahmen dieser Arbeit nicht, was die Bauern jeweils von und unter einer Theologie verstanden, sondern ihr Handeln danach. Prinzipielle Vorurteile gegen Bauern und das Dorf dauern an; für eine Bewertung der Entwicklung ist jedoch unbedingt eine unvoreingenommene Betrachtung der ländlichen Gesellschaft nötig. Bereits im Mittelalter wurden dem Bauern an vielen Stellen Dummheit und Sünde nachgesagt. 29 In den untersuchten Quellen begegnen aber an vielen Stellen auch einzelne Bauern, die sehr konkrete Vorstellungen der sie umgebenden Strukturen hatten und auch in rechtlichen Kategorien dachten.30 Methodischer Ansatz und Quellenauswahl Es ist beinahe ein Topos der Geschichtswissenschaft, zu Beginn einer Arbeit die schlechte Quellenlage zu betonen. Dennoch kann dieses Problem hier nicht ausgeklammert bleiben. Akten, die aus den Gemeinden selbst stammen, muss die höchste Aussagekraft zu den kirchlichen Bedingungen vor Ort und den bäuerlichen Interessenlagen unterstellt werden, um die Bewohner des Landes als 25 KÜMIN, Parish. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte HIPPENMEYER, Nachbarschaft für Graubünden v. a. anhand der Stiftungen. 26 CONRAD, Elsass. Dies führt allerdings, ähnlich wie bei Peter Blickle, zu einer zu starken Bewertung sozialer Fragen für die Frühzeit der Reformation, die wie im Falle der „Gemeindereformation“ nicht direkt auf mittel- und norddeutsche Gebiete anzuwenden ist. Ebd., S. 43 f., beschreibt sie ein bäuerliches Rechtsdenken anhand der BundschuhBewegung. 27 DIXON, Transformation. 28 Ebd., S. 29. 29 FUHRMANN, Kirche, S. 171, Anm. 70. 30 Beispielsweise ein Bauer aus Großenlupnitz, der genau wusste, welche Personen in der Umgebung verschiedene Posten als herrschaftliche Amtsträger ausfüllten und sich in einem Rechtsstreit eine andere Schiedsperson wünschte; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 267.
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handelnde Akteure erkennbar werden zu lassen. Solche Quellen sind jedoch sehr selten in seriellen Beständen erhalten und nur schlecht systematisch zu erfassen. Viele Aktentypen, die zum kirchlichen Leben in den Städten mitunter vorhanden sind, fehlen.31 Die schlechte Quellenlage zur Reformation auf dem Land wurde bereits in der älteren Forschung hervorgehoben,32 ohne dass die Möglichkeiten bisher nur annähernd ausgeschöpft worden wären. Im Laufe der Arbeit soll so auf die verschiedenen Wege aufmerksam gemacht werden, die die vorhandenen Quellen zur Bearbeitung dieses Themas bieten, ohne dass Vollständigkeit erreicht werden kann. Über allem schwebt dabei ein landesgeschichtlicher Zugang, der nicht zuletzt eine methodische Offenheit gewährleistet.33 ‚Landesgeschichte‘ ist hier aber nicht als die Geschichte eines historisch-politischen Raumes zu verstehen, sondern im Kern als die der verschiedenen Territorien der historischen Landschaft Thüringen zwischen Harz und Thüringer Wald sowie Werra und Saale. Aus praktischen und arbeitsökonomischen Gründen entspricht das Untersuchungsgebiet den heutigen Grenzen des Freistaates Thüringen, lässt aber die Gebiete südlich des Rennsteiges und das Eichsfeld außen vor. In historischen Grenzen umfasst dies die thüringischen Gebiete der Wettiner (Ernestiner und Albertiner), Schwarzburger und Reußen sowie die städtischen Territorien Erfurts und Mühlhausens. Kirchlich gehörten diese Bereiche in vorreformatorischer Zeit zum Erzbistum Mainz und zum Bistum Naumburg. Dieses Gebiet eignet sich nicht nur aus landeshistorischer Sicht für das Thema der Untersuchung, sondern die frühe reformatorische Entwicklung in Thüringen lässt auch vermuten, dass Prinzipien für andere Regionen anwendbar wären. Gleichzeitig ermöglichen die verschiedenen Herrschaftsgebiete eine differenzierte Betrachtungsweise. Durch die unterschiedlichen Entscheidungen der Herrschaftsträger für oder gegen die Reformation wird ein Vergleich ermöglicht, welchen Einfluss diese jeweils auf die Ausbreitung und Verfestigung der Reformation auf dem Land hatten. Zudem ermöglicht die Wahl eines größeren Untersuchungsgebietes einen Vergleich zwischen Orten mit verschiedenen strukturellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen. Diese Vergleiche sollen breitere Aussagen hinsichtlich der Frage ermöglichen, was die reformatorische Entwicklung in den Dörfern auszeichnete. ‚Dorf‘ ist in der Definition der Arbeit alles, was ex negativo keine Stadt war. Das heißt, die Auswahl der Fallbeispiele orientiert sich an verfassungsrechtlichen Kriterien der Stadtbildung, in erster Linie dem Stadtrat. 31 Dazu gehören etwa Testamente, liturgische Quellen, Akten der Bruderschaften oder die Vielzahl der Stiftungsurkunden. 32 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 14. 33 Vgl. etwa die Beiträge in BUCHHOLZ, Landesgeschichte. Die Möglichkeiten aus Sicht der Reformationsforschung instruktiv bei HEIMANN, Handbuchdarstellungen.
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Durch diese Grenze zählen auch Mischformen zu den Untersuchungsgegenständen. Das betrifft hauptsächlich die in Thüringen in großer Zahl vorhandenen Flecken.34 Der zeitliche Rahmen umfasst die 100 Jahre von 1470 bis 1570, ist aber nicht absolut zu verstehen. Wenn es für die jeweilige Fragestellung und die Verständlichkeit von Zusammenhängen dienlich ist, werden gezielt Beispiele und Quellen aus der Zeit davor und danach herangezogen.35 Durch die gewählte Zeitspanne ist ein Vergleich des vorreformatorischen kirchlichen Systems mit den Jahren der Frühreformation und der weitgehend organisierten und gefestigten evangelischen Landgemeinde des späteren 16. Jahrhunderts möglich. Um das zu verdeutlichen, wurde eine entsprechende Kapiteleinteilung in drei Hauptteile (Vorreformation, Frühreformation, Zeit der Visitationen) gewählt. Diese wiederum folgt den Fragestellungen, ohne einen Bruchcharakter der Reformation zu präjudizieren. Der gewählte Zeitraum soll auch die in vielen entsprechenden Forschungsgebieten festzustellende Lücke zwischen den Arbeiten zum Spätmittelalter und jenen zur Frühen Neuzeit, die häufig erst mit dem 17. Jahrhundert beginnen, überbrücken. Ein besonderer Schwerpunkt soll gerade auf den vorreformatorischen Zuständen liegen, die offensichtlich die Grundlage für die weiteren Ereignisse aus ihrer eigenen Entwicklung heraus darstellten. Dies ist mitnichten mit der vorbestimmten Suche nach Ursachen für die Entwicklung nach 1517 gleichzusetzen. Vielmehr traf die historische Entwicklung auf gewisse Traditionen, auf die sie einwirkte, die aber auch ihren Verlauf beeinflussten. Die Basis dafür bildet der Versuch, die Sakraltopographie des thüringischen Landes um 1500 mit ihren einzelnen Elementen abzubilden. Die Ergebnisse dieser Zusammenstellungen fanden Eingang in die Tabellen im Anhang. Sie verstehen sich als Erweiterungen der bestehenden Forschungen zu diesem Thema.36 Die wichtigste Quellengrundlage stellen die Visitationsprotokolle dar. Ihr besonderer Reiz liegt in der annähernd zeitgleichen Erstellung der Aufzeichnungen für verschiedene Territorien und Gebiete nach ähnlichen Maßstäben.37 34 Vgl. den Abschnitt „Wirtschaftliche, soziale und rechtliche Grundlagen des dörflichen Lebens“ in diesem Kapitel. 35 Insgesamt folgt die Arbeit im Wesentlichen einer chronologischen Ordnung, die, etwa zwischen den einzelnen Unterkapiteln, jedoch nicht immer streng eingehalten werden kann. 36 Vgl. SUBSIDIENREGISTER 1506; HANNAPPEL, Archidiakonat. 37 Vgl. v. a. die jeweils umfangreichsten Visitationsprotokolle aus verschiedenen Herrschaften aus den 1530er Jahren: Ernestiner (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4); Albertiner (LASA, A 29a, II, Nr. 1b), Schwarzburger (LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2983), Reußen (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9). Für das Erfurter Landgebiet kann vergleichend das sog. „Pfarrlehenbuch auf dem Lande“ von 1524 herangezogen werden
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Sie ermöglichen somit einen Vergleich der Orte untereinander und haben eine hohe Aussagekraft bezüglich der Finanzen der verschiedenen kirchlichen Einrichtungen, da die primäre Aufgabe der Visitationen in der Klärung dieser Zustände vor Ort bestand. Einerseits sucht man Notizen über die Umsetzung des kirchlichen Lebens vor Ort und über alltägliche Fragen meist vergebens. Auf der anderen Seite gestatten die Protokolle aber vielfältige Einblicke in das vorreformatorische religiöse Leben in den Dörfern, beispielsweise wenn Patronatsrechte, Stiftungen oder Fragen des Verhältnisses der Bauern zu ihrem jeweiligen Pfarrer Erwähnung finden. Selbstverständlich müssen diese Aussagen im Einzelnen mit Vorsicht betrachtet werden, da die Zeit der frühen Reformation diese Strukturen bereits verändert hatte. Das gilt vor allem für kirchliche Rechte; auch mussten die Angaben der Dorfeinwohner keineswegs vollständig sein. Besonders die frühen Visitationen der 1520er und der ersten Hälfte der 1530er Jahre wurden aber – zieht man ein klassisches Reformationsbild heran – nicht nur in der Zeit der Entstehung der protestantischen Kirche, sondern auch in der Auflösung der ‚alten‘ Kirche erstellt und bieten so die breiteste Darstellung zur vorreformatorischen Sakraltopographie auf dem Land. Man muss diese Darstellung jedoch zwingend mit anderen Quellen wie Urkunden, Briefen und Rechnungen abgleichen, um die Angaben einordnen zu können.38 Was nun die Aussagekraft der Protokolle zur reformatorischen Entwicklung betrifft, ist ihre Bedeutung kaum zu überschätzen. Wie für die vorreformatorische Zeit bilden sie verschiedene Hinweise dazu für eine Vielzahl an Orten ab und können im Idealfall gleichzeitig Aussagen zu den Abläufen der frühen Reformation wie zu den Entwicklungen in den Visitationen selbst treffen. Folgte man ausschließlich diesen Berichten, gelangte man aber allzu schnell zu dem Bild einer primitiven, unbedarften Landbevölkerung und vor allem zu Ansichten einer überdeutlichen ‚Fürstenreformation‘, also der streng obrigkeitlich organisierten Durchsetzung eines neuen kirchlichen Systems, ohne die es keine Reformation vor Ort gegeben hätte.39 Erneut ist also der Abgleich mit verschiedenen anderen Quellentypen zentral. (StAE, 1-0, A VIII-3a). Lediglich für das Mühlhäuser Landgebiet existiert keine entsprechende Quelle. 38 Zur Quellenkritik der Visitationsprotokolle vgl. z. B. POHL, Jülich; ZEEDEN/LANG, Visitation. Zur Möglichkeit ihrer Auswertung vgl. z. B. LANG, Volksfrömmigkeit; RUPPRECHT, Volksfrömmigkeit. Zur Forschungsgeschichte der Auswertung der Visitationsprotokolle vgl. JADATZ, Land, S. 16–26. 39 So etwa bei JADATZ, Land. Klassisch sind auch die Formulierungen der älteren Forschung und vieler kirchenhistorischer Werke, dass die Reformation in einem Ort durch die Einsetzung eines neuen, mutmaßlich evangelischen Pfarrers „eingeführt“ worden sei. Oftmals wurde auch die Visitation selbst mit der finalen Reformation einer Pfarrei gleichgesetzt; so etwa ENGEL, Sieglitz.
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Außer den bereits genannten Quellen zählen dazu in erster Linie die Suppliken, also Beschwerdeschreiben an einen Machthaber. Zwar ist die Urheberschaft des konkreten Textes selten zu belegen, wenn ein Brief mit „die ganze Gemeinde zu XY“ unterzeichnet ist; es muss also meist offenbleiben, ob ein Bauer, der Küster, der Pfarrer oder ein Amtsbediensteter das Schreiben formulierte und schrieb. Dennoch bilden die Suppliken die Interessen der Petenten ab. Aus dem Untersuchungsgebiet hat sich eine hohe Zahl an Suppliken im Original oder implizit in den Reaktionen erhalten.40 Der folgende Prozess der Entscheidungsfindung findet sich selbstverständlich sehr selten in den Schriften, lässt sich mitunter aber aus den Ergebnissen selbst ableiten. Die Bedeutung der Suppliken wurde bisher, nicht zuletzt wegen der zunehmenden Quellenmenge, eher von der Frühneuzeitforschung erkannt.41 Dabei gibt es durchaus Bestände, die die Entwicklung dieses Instrumentes bereits seit dem 15. Jahrhundert erkennen lassen.42 Für die Reformationsforschung kann den Suppliken für viele Fragen eine hohe, bisher nicht ausgeschöpfte Bedeutung zukommen. Begibt sich eine solche Untersuchung leicht in Gefahr, Entwicklungen nur als Abfolge von äußeren Einflüssen zu verstehen und anhand der in den Quellenbeständen gut fassbaren Konflikte die Entwicklung in den Orten nachzeichnen zu wollen, soll diesem Methodenproblem wie folgt begegnet werden. Zunächst sollen diese großen Fragen und äußeren Einflüsse, wie etwa die Verbreitung reformatorischer Ideen oder die Visitationen, als Anknüpfungspunkte verstanden werden, von denen aus die folgenden Entwicklungen in den Blick genommen werden müssen. Außerdem werden neben den bisher vorgestellten Quellen in großer Zahl Kirchenrechnungen aus den Dörfern verwendet. Ihr besonderer Wert liegt darin, dass sie aus den Gemeinden selbst stammen und das Handeln der Bauern für ihre Kirche abbilden. Das kann etwa für Finanzgeschäfte, Stiftungen, Bauarbeiten, Anschaffung von Kirchenausstattung, aber auch für den kirchlichen Alltag gelten. Untersucht werden Rechnungen, die sich heute in Staatsarchiven, Stadtarchiven, aber auch Gemeinde- oder Pfarrarchiven befinden. Die Überlieferungslage ist allgemein nicht gut. Serielle Bestände über mehrere Jahre existieren nur von
40 Der größte Bestand findet sich in den Registranden Ii und Ll des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar; vgl. das Quellenverzeichnis der Arbeit. 41 Zur Forschungsgeschichte vgl. FUHRMANN/KÜMIN/WÜRGLER, Gemeinden und die Beiträge der Sammelbände NUBOLA/WÜRGLER, Bittschriften; BRAKENSIEK, Verwaltung. Beispielhaft: ULBICHT, Bittschriften; REHSE, Brandenburg sowie die Ausführungen Renate Blickles zu Bayern; BLICKLE, Supplikationen. 42 Zur Entwicklung in Württemberg aus rechtlicher Sicht FUHRMANN/KÜMIN/WÜRGLER, Gemeinden, S. 287–303.
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wenigen Dörfern. 43 Aus vorreformatorischer Zeit konnten aus dem Untersuchungsgebiet Rechnungen von knapp über zehn Dörfern festgestellt werden. Gerade in der Zeit der frühen Reformation, den 1520er Jahren, lässt sich eine auffällige Überlieferungslücke feststellen. Seit den 1530er Jahren, stärker noch seit der Jahrhundertmitte steigt die Zahl der erhaltenen Rechnungen deutlich an. Sicherlich liegen noch in vielen Pfarrarchiven Kirchenrechnungen und andere interessante Bestände aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die für diese Arbeit nicht aufgespürt werden konnten, selbst wenn ein enorm hoher Schwund in diesen Archiven festzustellen ist.44 Hinzu kommt, dass die Erfassung und Bearbeitung dieser Bestände sehr zeitaufwendig ist, da für Thüringen kein Repertorium der Pfarrarchive besteht. 45 Eine Aufnahme oder gar Zentralisierung dieses stark bedrohten Kulturgutes erfolgt nur bruchstückhaft in einigen Kirchenkreisen. Zu diesen wesentlichen Quellentypen gesellt sich eine Vielzahl an einzelnen schriftlichen Nachweisen. Die breiteste Quellenbasis zu den kirchlichen Verhältnissen in den Dörfern stellen zweifellos Kirchenbauten und -ausstattungen dar. Sie wurden gemessen daran bisher aber sehr unzureichend beachtet und bearbeitet. Ähnlich den Kirchenrechnungen können die Bauten und die Bilder zeigen, womit die Dorfeinwohner ihrem Glauben Ausdruck verliehen. Besonders die Kirchenausstattung hat dabei eine enorme Aussagekraft zur jeweiligen Frömmigkeit, wenngleich man dies nicht als Blick in emotionale Tiefen überinterpretieren darf.46 Dabei müssen Kunstwerke einer ähnlich genauen Quellenkritik wie Schriftstücke unterzogen werden, was freilich wegen fehlender Angaben zu Künstler, Auftraggeber oder Hintergrund nur selten möglich ist. Als Konsequenz muss eine erhöhte Vorsicht bei der Bewertung der Kunstwerke als historischer Quelle walten.47 Vor diesem 43 Vgl. SCHIRMER, Quellen zu den Möglichkeiten, die solche Archivbestände für die Reformationsgeschichte bieten. 44 HLAVÁČEK, Geschäftsgut, bes. S. 254 f.; HELBACH, Quellenwert; URBAN, Pfarrarchive; OEPEN, Pfarrarchive. Ein herausragendes Beispiel an Musikalien in einem Pfarrarchiv beschreibt VOSS, Udestedt. 45 Für Hessen existiert ein älteres Repertorium; HERRMANN, Pfarrarchive; für die jüngere Zeit kann für den Teil des heutigen thüringischen Gebietes, der zur Kirchenprovinz Sachsen gehörte, auf MACHHOLZ, Kirchenbücher zurückgegriffen werden. Einen in die Jahre gekommenen Überblick zu dieser Quellengattung gewährt auch GÜLDENAPFEL, Kirchenbücher. 46 So etwa in einem Klassiker der älteren Forschung das Kapitel „Wachsende Seelennot“; PREUSS, Frömmigkeit, S. 103–122. Dennoch kann dieses Werk als positives und frühes Beispiel angesehen werden, diese Verbindung zwischen der Kunst und der gelebten Frömmigkeit zu suchen. 47 BOOCKMANN, Bürgerkirchen, S. 189, stellt sich gegen nichtssagende Sätze bei der Verbindung von Kunstgeschichte und Geschichte und ruft zu erhöhter Quellenkritik im Umgang mit Bau- und Bildwerken auf. „Vor solchen Urteilen müßte […] geklärt werden,
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Hintergrund haben Bestände einen besonderen Reiz, bei denen Realbefund und Schriftquelle zusammengeführt werden können. In vielen Fällen können diese als Muster für allgemeine Vorgänge dienen; sie werden in verschiedenen Unterkapiteln besonders beachtet. Im Rahmen der Arbeit wurden knapp 160 Dorfkirchen gezielt wegen bestimmter Stücke oder Baulichkeiten aufgesucht. Freilich kann wegen der Fülle des Materials nicht auf jede Kirche und jedes Stück en détail eingegangen werden, wenngleich bereits die genaue Betrachtung einer einzelnen Dorfkirche einen großen Erkenntnisfortschritt mit sich bringen kann.48 Neben Schriftquellen, der bauhistorischen sowie archäologischen Untersuchung und Bewertung und kunsthistorischen bzw. restauratorischen Methoden können zu den verschiedenen Quellentypen insbesondere Inschriften zählen. Experten der einzelnen Bereiche werden somit sicher bestimmte Fragen und Diskussionen, aber auch Forschungsliteratur vermissen. Es wird versucht, verschiedene Forschungsstränge zu den Dorfkirchen zusammenzuführen und dieses gesamte Themenfeld zu erschließen. Dabei kann es nicht ausbleiben, dass bestehende Forschungstheorien, bestimmte Quellen oder Vergleiche mit anderen Landschaften unvollständig bleiben müssen. Die Kunstdenkmälerinventare des späten 19. Jahrhunderts stellen noch immer die wichtigste Basis bei der Beschäftigung mit der mittelalterlichen Kirchenausstattung auf dem Land dar.49 Zwar sind diese durch die Veränderungen der letzten Jahrhunderte an vielen Stellen bereits selbst zur Quelle geworden, man darf sie aber bei allem Wert keineswegs für bare Münze nehmen.50 Auch der jüngste thüringische Dehio ist trotz aller Mängel ein unverzichtbares Überblickswerk.51 Die vergleichende und übergreifende Erforschung der Dörfer und ihrer Kirchen anhand bestimmter Beispiele ist keineswegs mit Heimat- und Lokalgeschichte zu verwechseln. Es handelt sich vielmehr um ‚dichte Beschreibungen‘52 besser überlieferter Fallbeispiele, um mit anderen empirischen Daten
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wer denn die Ausstattung entworfen und bezahlt hat, wozu sie dienen sollte und an wen sie sich tatsächlich wandte.“ Vgl. interdisziplinäre Arbeiten zu einzelnen Bauwerken, etwa WITTMANN, Kapellendorf; MÜLLER, Lichtenhain. Von der Forschung wurde bereits festgestellt, wie sehr sich Dorfkirchen für solche übergreifende Studien anbieten; BÜNZ, Erforschung. Weiterhin sollte die mögliche Aussagekraft historischer Ortschroniken nicht unterschätzt werden. Zu einem positiven Beispiel historisch forschender Pfarrer vgl. KÖHLE-HEZINGER/MICHEL, Gebhardt. Siehe die Titel unter LEHFELDT, VOSS, OTTE/SOMMER, BERGNER und APFELSTEDT im Literaturverzeichnis. Vgl. z. B. die bereits zeitgenössischen Korrekturen Bergners zu einigen Bänden Lehfeldts, die freilich aus der Konkurrenz der beiden erwuchsen: BERGNER, Blankenhain und BERGNER, Kahla. DEHIO. Nach GEERTZ, Beschreibung.
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dem ‚Typischen‘ näher zu kommen. Selbst anekdotenhaft erscheinende Exempel stecken den Rahmen des Möglichen ab. Vollständigkeit kann auch dabei natürlich nicht erreicht werden. Verschiedene Nachweise, die erst im fortgeschrittenen Stadium der Arbeit greifbar waren, mussten unberücksichtigt bleiben. Mittels der genannten Quellen soll die Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse in den Dörfern im 15. und 16. Jahrhundert abgebildet werden. Welchen Einfluss hatte die Reformation auf diese Entwicklung und woran lässt sich dieser feststellen? Kann die Reformation ‚von unten‘ in den Dörfern überhaupt von der obrigkeitlichen Organisation des kirchlichen Lebens getrennt werden?53 Dabei kommt der Stellung der Gemeinden zur Ausgestaltung des landesherrlichen Kirchenregiments seit dem Spätmittelalter eine besondere Bedeutung zu. Was lässt sich über die Bedeutung der Kirche für ein Dorf aussagen? Wie äußerte sich individuelle Frömmigkeit in einer mutmaßlich genossenschaftlich-gemeinschaftlichen Umgebung? Natürlich fehlen Selbstzeugnisse aus den Dörfern fast vollständig, sodass sich eine Aussage zu dieser Frage nur implizit treffen lässt. Eine Arbeit über den ‚Glauben‘ selbst ist nicht möglich. ‚Frömmigkeit‘ wird als der vollzogene, gestaltete, gelebte Glaube verstanden, der sich im Handeln der Menschen zeigt. Das muss nicht individuell sein; Frömmigkeit ist an dieser Stelle nicht mit Spiritualität gleichzusetzen. 54 Frumkeyt wurde im Verständnis der Zeitgenossen nicht genuin kirchlich oder religiös verstanden, sondern beschrieb allgemein die Tüchtigkeit, Verlässlichkeit, Barmherzigkeit und Gottesfürchtigkeit eines Menschen: eine rechtschaffene Lebensführung. Das äußerte sich zu einem guten Teil in religiösen Handlungen. Das heutige auf die
53 Zur Forschungsdiskussion zur Reformation ‚von unten‘ und ‚von oben‘ vgl. HAMM, Problematik. 54 Manfred Seitz definierte Frömmigkeit als „[w]ahrnehmbarer Glaube“; SEITZ, Frömmigkeit, S. 674. Vgl. weiterhin BRÜCKNER, Frömmigkeit; HÖLSCHER, Frömmigkeit, S. 11–16. Der Begriff ‚Volksfrömmigkeit‘ wird im Rahmen dieses Textes bewusst vermieden. In letzter Zeit setzte sich die in den Religionswissenschaften bereits lange vorherrschende Meinung, eine qualitative Abstufung der Frömmigkeit sei nicht möglich, auch in der Geschichtswissenschaft durch. Zur Entstehung des Begriffs der ‚Volksfrömmigkeit‘ und seinem Inhalt: SCHREINER, Laienfrömmigkeit; DAXELMÜLLER, Volksfrömmigkeit. Die Betonung des Volksglaubens als Glauben der Gesamtbevölkerung bei: SCRIBNER, Volksglaube; BRÜCKNER, Frömmigkeit. Clifford Geertz hielt fest, dass es zwei Stufen bei der Untersuchung von Religion geben muss: „[E]rstens eine Erforschung der Bedeutungssysteme, wie sie sich in den Symbolen materialisieren, die die eigentliche Religion ausmachen; und zweitens das Inbeziehungsetzen dieser Systeme mit soziokulturellen und psychologischen Prozessen.“ GEERTZ, Religion, S. 94. Letzteres lässt die Quellenlage nur unzureichend zu, weshalb ersteres umso wichtiger erscheint.
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innere Hinwendung zum Göttlichen beschränkte Wortverständnis entstand erst im Laufe der Neuzeit.55 In der Forschung herrscht noch in vielen Fällen die Trennung zwischen einem sakralen und einem profanen Bereich vor;56 für die Betrachtung der Zustände des 15. und 16. Jahrhunderts ist die enge Verschränkung, ja die Übereinstimmung dieser Bereiche zentral. Wichtig zu betonen ist ebenso, dass solcherlei Betrachtungen, für die vorreformatorische wie die reformatorische Zeit, nicht auf die Verbreitung und Entwicklung religiöser Praktiken beschränkt bleiben dürfen, sondern immer in soziale und ökonomische Umstände eingebettet werden müssen, unter anderem um falsche Pauschalisierungen zu vermeiden. Die Grundlage dafür soll der folgende Abschnitt bieten. Einzelne, knappe methodische Überlegungen und analysierende Zusammenschauen rahmen die drei Hauptteile ein.57 Die Trennung in diese drei Hauptteile und die Auswahl der Unterkapitel haben lediglich eine ordnende und überblicksgewährende Funktion. Keineswegs soll damit eine starke historische Trennung in diese Zeitabschnitte postuliert werden. Überhaupt darf die Reformation nicht als Entstehung von etwas völlig Neuem oder als ‚Urknall‘Entwicklung verstanden werden, wie das noch zu oft geschieht. Zweifellos muss man sich von den Paradigmen einer Reformation des Jahres 1517 lösen. Das betrifft sowohl die schrittweise Ausbreitung des reformatorischen Gedankengutes erst in den darauffolgenden Jahren als auch den langfristigen Aufbau einer evangelischen Kirche. ‚Reformation‘ wird meist zu eng gedacht.58 Überdies muss man sich von einer proreformatorischen Position lösen, die die Verbreitung dieses Gedankengutes als Zielzustand der Entwicklung begreift. Diese war nicht vorgezeichnet. Allzu leicht gerät man in Argumentationsmuster, die Altgläubigkeit ab den 1520er Jahren mit Rückständigkeit gleichsetzt.
55 Vgl. EtymWB, S. 378; DWB, Bd. 4, Sp. 240–244; WEISMEYER, Begriffsgeschichte; SEITZ, Frömmigkeit. 56 Vgl. die Religionssoziologie in dieser Frage: DURKHEIM, Formen, S. 64. 57 Knappe Literaturübersichten zu einzelnen Spezialthemen, wie beispielsweise der Kunstund Baugeschichte, finden sich in den entsprechenden Kapiteln. 58 Im Gegensatz dazu versteht etwa Diarmaid MacCulloch ‚Reformation‘ als einen langdauernden, europaweiten Epochenprozess zwischen 1490 und 1700 (MACCULLOCH, Reformation) und Jörg Lauster spricht von Reformationen des Christentums (LAUSTER, Verzauberung, S. 295–333).
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Wirtschaftliche, soziale und rechtliche Grundlagen des dörflichen Lebens Will man die Entwicklungen in den verschiedenen Regionen und den einzelnen Dörfern Thüringens im 15. und 16. Jahrhundert aufzeigen, ist es zunächst wichtig festzuhalten, dass äußerst verschiedene Voraussetzungen bestanden. ‚Das Dorf‘ hat es wie auch ‚den Bauern‘ nicht gegeben. Ein Dorf zeichnete sich in erster Linie durch das gemeinsame Leben der Einwohner aus.59 Was eine Landgemeinde darüber hinaus bestimmte, lässt sich nur ungenügend pauschalisieren.60 Sie musste über gewisse rechtliche Befugnisse verfügen und sich nach außen als Rechtsbereich abgrenzen. Dazu zählten die Dorfordnungen, die sich im Untersuchungsgebiet in recht großer Zahl aus dem Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit erhalten haben. Diese bestimmten mit festen Regeln das Zusammenleben, die gemeinsame Nutzung der Dorfflur und setzten Strafen für Vergehen fest.61 Dies betraf Themen wie Trift, Hut, Nutzung der Gemeindeback-, -bade- und -brauhäuser, aber auch moralische und sittliche Richtwerte. Dass die ‚Nachbarschaft‘ die wichtigste Grundlage des dörflichen Lebens war, wird in der Forschung kaum bezweifelt. Darunter ist die Gemeinschaft aller Nachbarn, das heißt aller Bauern mit Nutzungsrechten und Besitz in der Flur, also den „vollberechtigten Gemeindemitgliedern“,62 zu verstehen, die sich klar gegen Knechte und Lohnarbeiter abgrenzte.63 Letztere konnten wohl nicht an den Dorfversammlungen teilnehmen oder die Dorfämter wählen.64 Zu den nicht Vollberechtigten in der Gemeinde gehörten Häusler und Hausgenossen sowie später ansässig gewordene Neubauern, ohne dass diese zwangsläufig auch zu den sozial schwachen Schichten gehören mussten.65 Die Dorfämter wurden von den ‚Nachbarn‘ bestellt, die darüber ihr eigenes Zusammenleben organisierten. Die größte Bedeutung kam dabei den Heimbürgen zu. Dieses Amt war in Thüringen flächendeckend vorhanden, wobei sich die Verbreitung wohl an den
59 Vgl. BADER, Dorf, v. a. S. 20–51; HOLENSTEIN, Bauern. 60 Zu dieser Frage IRISGLER, Landgemeinde, v. a. S. 31–34; DILCHER, Gemeinde. Zu Forschungsfragen um die ländliche Gesellschaft des späten Mittelalters hat RÖSENER, Probleme nicht an Aktualität eingebüßt. 61 Vgl. SCHILDT, Gemeinde; GRAUPNER, Dorfgemeinden, S. 347; HIRBODIAN, Dorf. 62 So LÜTGE, Grundherrschaft, S. 45. 63 Zur Nachbarschaft WUNDER, Gemeinde, S. 30–32; QUIRIN, Gemeinde, S. 72–79; TROSSBACH/ZIMMERMANN, Geschichte, S. 82. 64 Zur Gemeindeversammlung vgl. WUNDER, Gemeinde, S. 47; SCHILDT, Gemeinde, S. 81‒ 91; TROSSBACH/ZIMMERMANN, Geschichte, S. 84–86. 65 Zu den verschiedenen Untergruppen vgl. LÜTGE, Grundherrschaft, v. a. S. 45‒50.
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Grenzen der alten Offenlandschaften orientierte.66 Der Heimbürge war ein genossenschaftlicher Dorfvorsteher, der aus den Reihen der Nachbarn stammte. In der Regel wurde das Amt doppelt besetzt, was sowohl eine Aufgabenteilung ermöglichte und somit den Aufwand senkte, als auch ein Vier-Augen-Prinzip beim Umgang mit den dörflichen Finanzen zugrunde legte. Die Heimbürgen konnten verschiedene Funktionen erfüllen: Zunächst hatten sie eine wichtige Rolle bei der Konfliktorganisation im Dorf.67 Sie sorgten sich um die Einhaltung der Flurordnung und die Nutzung des Gemeindeviehs, sie überwachten Maß und Gewicht. Nicht zuletzt vertraten sie die Gemeinden nach außen. Dazu gehörte das Überwachen der Grenzsteine und Streitigkeiten mit Nachbargemeinden, die zu tausenden aus Flur-, Grenz- und Triftfragen entstanden, aber auch der Kontakt zu den jeweiligen Grund- und Landesherren sowie die Aushandlung in Streitfragen mit diesen. Spätestens mit dem Entwurf der Landesordnung von 1446 versuchten die Wettiner in Thüringen den Heimbürgen als Element in die herrschaftliche Verwaltung einzubeziehen.68 Dies gelang in den folgenden Jahrzehnten zum Teil, da die Heimbürgen durchaus Aufgaben der Landesverwaltung übernehmen konnten, wie etwa das Bekanntmachen von Ordnungen im Dorf. Dies führte bis hin zu gewissen polizeilichen Funktionen in der Frühen Neuzeit. Etwas undeutlich bleibt dabei die Entwicklung des Verhältnisses zum herrschaftlich eingesetzten Schultheißen.69 Die wichtigste alltagsgeschichtliche Quelle für diese Fragen stellen neben den genannten Dorfordnungen die Rechnungen des Dorfes, die von den Heimbürgen geführt wurden, dar. 70 Dabei hafteten diese mit ihrem Vermögen für den Rechnungsabschluss. Sie nahmen Geschoss der Dorfeinwohner ein, bezogen Nutzungsabgaben von der Mühle, dem Brauhaus oder der Schenke, zahlten auf der anderen Seite Abgaben an den Grund- oder Landesherrn, an Richter und Amtleute. Sie organisierten gemeindliche Fuhr- und Frondienste und Reparaturen an gemeindlichen Einrichtungen wie der Schenke oder der dorpfwand
66 Vgl. WIEMANN, Heimbürge, S. 46–52. Keineswegs war das Amt ungewöhnlich, wie QUIRIN, Gemeinde, S. 71, meinte. Auch ist die Zweizahl keine Seltenheit, die sich aus siedlungsgeschichtlichen Ursachen ergibt, sondern die genossenschaftliche Regel. 67 Zu den Aufgaben der Heimbürgen vgl. WIEMANN, Heimbürge; QUIRIN, Gemeinde, S. 69– 72; SCHILDT, Gemeinde, S. 93‒101; WEISS, Landschafft, S. 62 f. 68 SCHIRMER, Entmündigung, S. 174. 69 Vgl. WIEMANN, Heimbürge, S. 130–139; SCHILDT, Gemeinde, S. 97‒99. 70 Vgl. WIEMANN, Heimbürge, S. 93–97; SCHILDT, Gemeinde, S. 122‒124. Es sei darauf verwiesen, dass sich neben den Beständen in den Staatsarchiven auch in vielen Kreis- und Gemeindearchiven Dorfrechnungen erhalten haben. Eine vergleichende Betrachtung wäre wünschenswert.
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und den Dorftoren.71 Sie bezahlten den Gemeindehirten und organisierten die Kirmes und andere Feste im Dorf. Im Wehrfall waren sie meist für die Wappnung des Dorfes und das Abstellen von Männern verantwortlich.72 An verschiedenen Stellen wird deutlich, dass sich die Dorfämter eher in Händen der reicheren Bauernfamilien befanden. Wahrscheinlich gab es hierbei einen engen Zusammenhang mit der sozialen Differenzierung, sodass es in kleineren Dörfern noch eher ein genossenschaftliches ‚Reihum‘ der Dorfämter gegeben haben könnte, während sich in größeren Orten eine kleinere Oberschicht die Besetzung der Dorfämter teilte. In Rothenstein bei Jena wurde 1480 in der Dorfordnung festgehalten, dass die Gemeindevorsteher jährlich am Sonntag Laetare bestimmt würden, aber nicht nach der reyenn, von hauß zu hausse umb, sondern wolbesessene menner, die ehrlich, from, woltüchtigk, welche guts geschlechts unnd der ehrenn frome.73 Bereits in einem nicht sehr großen und nicht sehr reichen Dorf wurden also die Herkunft aus einer bestimmten Familie und der Wohlstand eines Mannes zu offiziellen Kriterien bei der Ämtervergabe. Es wird zu zeigen sein, dass die ebenfalls gemeindlich bestimmten Alterleute, die genossenschaftlichen Vorsteher des Kirchengutes, eine zweite Vertretung des Dorfes neben den Heimbürgen bildeten.74 Diese trugen die Verantwortung für die Kirche im Dorf, die ohne jeden Zweifel ein wichtiges „Integrationsmoment“75 für die dörfliche Lebensgemeinschaft bildete. Das soziale Leben war auf das religiöse bezogen; viel Brauchtum band die Kirche ein. Sie hatte auch eine große rechtliche Bedeutung.76 Die Zeitgenossen hätten nie eine Trennung eines kirchlichen und eines weltlichen Bereiches um ihre Kirche wahrgenommen. Die Nutzung der Kirche und des Kirchhofes für Belange der Gemeinde war selbstverständlich.77
71 So in einer Gemeinderechnung von Gorsleben von 1554/1555; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3139. Zu den Nachweismöglichkeiten und Formen von dörflichen Befestigungen vgl. SCHMITT, Dorfbefestigungen. Zu den Frondiensten vgl. LÜTGE, Grundherrschaft, S. 113‒166. 72 Zur Bewaffnung der Bauern und der Wehrorganisation vgl. BOBLENZ, Wehrhaftigkeit. 73 STICKEL, Rothenstein, S. 480. 74 Im Gegensatz zu dieser Feststellung fehlen sie in der Aufstellung der dörflichen Ämter bei SCHILDT, Gemeinde, S. 91‒105, komplett, obwohl deren Ernennung durch die Dorfgemeinde etwa aus der Ordnung von Rothenstein aus dem Jahr 1480 eindeutig hervorgeht; STICKEL, Rothenstein, S. 480. Vgl. TROSSBACH/ZIMMERMANN, Geschichte, S. 96–101; WUNDER, Gemeinde, S. 49. 75 SPRANDEL, Gesellschaft, S. 196. 76 Vgl. LÜCK, Rechtsalltag. 77 Vgl. KÜMIN, Parish, S. 53. Unter bestimmten Voraussetzungen konnte in Gersau und Dithmarschen aus der kirchlichen Lokalverwaltung eine Art politischer Selbstverwaltung entstehen; KÜMIN, Kirchgenossen, passim.
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Bei aller gemeindlichen Organisation blieben die Bauern abhängig vom Ertrag ihrer Felder und somit vom Wetter. Recht schnell gelangten sie an ihre wirtschaftlichen Grenzen. Für die Mitte des Untersuchungszeitraumes berichtet eine thüringische Chronik, dass es im Jahr 1535 die erste gute Ernte nach zehn Jahren der stetigen Teuerung gab.78 Wirtschaftliche Bedingungen sind stets mit zu bedenken. Somit bildeten die unterschiedlichen naturräumlichen Bedingungen die zentrale Ursache der verschiedenen Möglichkeiten, die in den Dörfern bestanden. Dabei scheint es überflüssig zu betonen, dass es diese Unterschiede zwischen den Orten des Thüringer Waldes und jenen im fruchtbaren Thüringer Becken gab.79 Ein Zusammenhang zwischen den Bodenwerten und den Vermögen der Bauern in den jeweiligen Dörfern wurde bereits von der sozialhistorischen Forschung nachgewiesen.80 Diese Unterschiede spiegeln sich in der Dichte der Besiedlung und bereits oberflächlich betrachtet auch in der Sakraltopographie. Im Thüringer Becken gab es kaum ein Dorf ohne eigene Pfarrkirche, viele gar mit mehreren, während in den landwirtschaftlich schwächeren und dünner besiedelten Gebieten die Größe der Pfarreien stark zunahm und es viele Filialdörfer gab.81 Der im Farbtafelteil (Abb. 1) wiedergegebene Ausschnitt einer Karte aus dem Atlas des Saale- und mittleren Elbegebietes vermittelt mitsamt der abgebildeten Legende eine Vorstellung dieser Unterschiede.82 Dargestellt sind die Bodenwerte des mitteldeutschen Raumes nach der amtlichen Bodenschätzung der 1930er bis 1950er Jahre. So zeichnet sich deutlich das Thüringer Becken von den umliegenden Höhenzügen ab. Zwar werden in diesem Raum die Spitzenwerte der Querfurter Platte und der Magdeburger Börde knapp verfehlt, es finden sich aber Dörfer mit einem Bodenwert über 90. Die Gebiete Ostthüringens und des Vorlandes des Thüringer Waldes fallen demgegenüber deutlich ab. Die besten Werte innerhalb Thüringens wurden dabei um Erfurt und Gotha und im westlichen Thüringer Becken um Bad Langensalza und Mühlhausen gemessen.
78 BINHARD, Chronik, 3, S. 110 f. Ähnlich nach einer Zwickauer Quelle: HELD, Anger, S. 123. Vgl. die wirtschaftlichen Überlegungen bei RÖSSNER, Deflation, v. a. S. 235–250. 79 Vgl. SCHICK, Grundlagen, S. 87–90 sowie S. 100–112. 80 Vgl. LÖSCHE, Vermögensverhältnisse, bes. S. 129 f., S. 135‒138. Ebenfalls lesenswert der letzte Satz, S. 142, in dem der Autor nach einer längeren marxistischen Herleitung zu dem naheliegenden Ergebnis dieses Zusammenhanges kommt. 81 Vgl. die Karte der Kirchenorganisation des thüringischen Teils des Erzbistums Mainz in: KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 34 f. Zu weiteren Folgen, die dies für die Sakraltopographie hatte, vgl. Kap. I.4.11 dieser Arbeit. 82 SCHLÜTER/AUGUST, Atlas, 3, Karte 45. Vgl. die Ausführungen zur Erstellung der Karte bei den Erläuterungen ebd., S. 234‒236.
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Dieser geographischen Verteilung folgt auch die Bevölkerungsdichte im 16. Jahrhundert.83 Ablesen lässt sich dies vor allem an der Einwohnerzahl der Dörfer. Verschiedene Quellen (u. a. Türkensteuerregister) des 16. Jahrhunderts informieren über die Zahl der Steuerzahler in einem Ort. Die Forschung geht üblicherweise von einer Behausungsziffer von 5 aus, wobei diese Zahl für die Dörfer des Untersuchungsgebietes wahrscheinlich zu gering angesetzt ist. 84 Folgende Beispiele sollen die Aussagekraft der Hauszahlen verdeutlichen: Für das Dorf Neunheilingen ist für 1501 eine Hauszahl von 93 überliefert.85 Selbst wenn man vorsichtig von fünf Bewohnern pro Haus ausgeht, ergäbe das eine ungefähre Einwohnerzahl von 500. Von der Frage der Behausungsziffer unbenommen, ermöglichen die Hauszahlen aber einen Vergleich zwischen den Dörfern. Daran wird deutlich, dass die durchschnittliche Einwohnerzahl in den wirtschaftlich schwächeren Gebieten sehr viel geringer ausfiel. In Ostthüringen und im Thüringer Wald verfügte der Großteil der Dörfer über eine Hauszahl zwischen 10 und 40. Noch eines der größeren Dörfer dieser Region war Neunhofen, auf das im Laufe der Arbeit wegen der Entwicklung der dort befindlichen Großpfarrei mehrfach einzugehen ist. Hier gab es in der Mitte des 16. Jahrhunderts 40 Häuser. 86 Im weiteren Thüringer Becken waren die Dörfer im Durchschnitt deutlich größer. Zwar gab es auch hier kleinere Orte, wie Vehra an der Unstrut mit 15 Häusern im Jahr 1561,87 normal war aber eher eine Hauszahl zwischen 30 und 90. In dieser Region finden sich viele Dörfer mit einer Hauszahl von über 100 und auch einige mit einer Hauszahl über 200, was auf eine Einwohnerzahl von deutlich über 1000 schließen ließe. Einige Beispiele (in Klammern jeweils zuerst die Zahl der Häuser, danach das Jahr, aus dem der Nachweis stammt): Herbsleben (267, 1560), 88 Großengottern (266, 1560), 89 Gebesee (272, 1587), 90 Günstedt (208, 1588), 91 Mühlberg (267, 1603),92 Dachwig (206, 1618),93 Elxleben (210, 1618),94 Gräfen83 Vgl. KOERNER, Bevölkerungsverteilung. 84 Ebd., S. 305 f. mit Beispielen aus dem Altenburger Land, wo die Behausungsziffer der Dörfer 1580 7,47 betrug. Hier wird auch der Zusammenhang von sozialer Stellung eines Hauses und der Zahl seiner Bewohner beleuchtet. In einigen Dörfern an der Werra im Westen Thüringens lag die Behausungsziffer hingegen zwischen 4 und 5; freundliche Auskunft von Kai Lehmann, Schmalkalden. 85 KOERNER, Bevölkerungsverteilung, S. 245. 86 Ebd., S. 252. 87 Ebd., S. 258. 88 Ebd., S. 257. 89 Ebd., S. 258. 90 Ebd., S. 272. 91 Ebd., S. 281. 92 Ebd., S. 286. 93 Ebd., S. 288.
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tonna (236, 1618),95 Niederzimmern (228, 1625)96 und Udestedt (238, 1625).97 Eine weitere Gruppe sehr großer Dörfer lässt sich in dem Gebiet mit den sehr guten Böden nördlich und östlich von Gotha ausmachen. Dazu zählten etwa Molschleben (165, 1588)98 und Friemar (184, 1588).99 Die beiden größten Orte ohne Stadtrecht, für die eine Hauszahl bzw. eine grobe Einwohnerzahl aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg bekannt ist, sind Walschleben bei Erfurt (305, 1618)100 und Großvargula (ca. 1800 Einwohner, 1560).101 Wenn auch der Großteil dieser Nachweise aus dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert stammt und man für das 16. Jahrhundert ein großes Bevölkerungswachstum festhalten muss, 102 ermöglichen diese Zahlen doch eine Vorstellung von der Größe der Dörfer im Vergleich miteinander. Bereits hinsichtlich der Einwohnerzahl zeigt sich, dass es von diesen sehr großen Dörfern einen fließenden Übergang zur großen Masse der thüringischen Kleinstädte gab. So hatten etwa Buttstädt, Kahla, Pößneck und Greußen ebenfalls zwischen 200 und 300 Häusern, also grob zwischen 1000 und 2000 Einwohnern. Auch rechtlich gab es in einigen Fällen Übergangsformen, in der Art der sogenannten Flecken. Dies waren eindeutig keine Städte, die aber über einzelne Rechte und Kriterien der Stadtbildung verfügen konnten (z. B. eingeschränktes Marktrecht, Handwerk).103 Bei diesen Übergangsformen muss es sich nicht zwangsläufig um eine stehengebliebene Entwicklung zur Stadt handeln.104 Die Flecken sind vielmehr als eigener 94 95 96 97 98 99 100 101 102
Ebd., S. 293. Ebd. Ebd., S. 289. Ebd. Ebd., S. 277. Ebd. Ebd., S. 293. Ebd., S. 258. KOERNER, Bevölkerungsverteilung, S. 308 f; MAUERSBERG, Schleusingen, S. 46, konnte glaubhaft zeigen, dass sich die Bevölkerung des Amtes Schleusingen zwischen 1500 und 1572 fast verdoppelte. Für das ernestinische Amt Grimma: SCHIRMER, Grimma, S. 19– 36. 103 Vgl. EHBRECHT, Flecken. 104 Die Flecken sind nach Meinung des Verfassers nicht zu den Minderstädten nach der Begriffsbildung Heinz Stoobs zu zählen; STOOB, Minderstädte. Eberhard Isenmann sah diese Gruppierung ebenfalls kritisch und umreißt diese Übergangsformen – in der Unbestimmtheit völlig korrekt – als „Siedllungstypen zwischen Dorf und Stadt“, ohne allerdings die Flecken zu behandeln; ISENMANN, Stadt, S. 55. Hinsichtlich ihrer Struktur und Organisation standen die Flecken den Dörfern sehr viel näher als den Städten. Einige erlangten im Laufe der Neuzeit ein Stadtrecht, so etwa Gebesee im Jahr 1638; PATZE, Gebesee. Einige entwickelten sich eher auf die Stufe eines Dorfes zurück (Mühlberg).
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Typ zwischen Dorf und Stadt zu verstehen. Von den genannten großen Orten gehörten zu dieser Gruppe in erster Linie Herbsleben, Mühlberg und Großengottern. Ein weiteres typisches Beispiel am Rand des Thüringer Beckens war das heutige Bad Sulza. Zu den strukturellen Unterschieden zwischen den Dörfern ist auch die Frage der jeweiligen Lage zu den Städten und zu den Straßen zu rechnen. Neben wirtschaftlichen Möglichkeiten, die etwa aus der Lage an einer wichtigen Fernstraße resultieren konnten, spielte dies sicher auch eine wichtige Rolle für die Kommunikation des Dorfes mit der Außenwelt.105 Die Stadt-Land-Beziehungen waren fraglos äußerst wichtig für das Leben der Bauern. Außer Problemen der Herrschaft, des Marktverkehrs und der Geldgeschäfte106 betraf dies aber auch den Einfluss der Schulen und Universitäten, geistlicher Institutionen und der bildenden Kunst auf die Dörfer, wie in einigen Teilkapiteln dieser Arbeit deutlich werden soll. Die großen Unterschiede in den naturräumlichen Voraussetzungen und der Ortsgröße mussten freilich auf die soziale Struktur der ländlichen Bevölkerung zurückwirken. Allerdings konnte es auch starke Abweichungen innerhalb eines engeren Gebietes geben, wie anhand des Mühlhäuser Landgebietes gezeigt werden konnte.107 Daneben existieren für Thüringen verschiedene sozialhistorische Arbeiten, die einen knappen Überblick ermöglichen. Die zentrale Erkenntnis dieser Forschungen war, dass in den thüringischen Dörfern des 15. und 16. Jahrhunderts die Besitzdifferenzierung enorm fortgeschritten war. In allen Regionen gab es einen relevanten Anteil an Besitzlosen oder sehr Armen mit weniger als 25 Gulden Besitz. Dabei bestanden aber auch starke Unterschiede; so betrug der Anteil dieser beiden Gruppen an der dörflichen Bevölkerung in den Stiftsdörfern um Saalfeld fast 37 %, während es in einigen Dörfern im Erfurter Umfeld lediglich 1,4 % waren. 108 Auf der anderen Seite bildete sich zunehmend eine reiche bäuerliche Oberschicht aus. In den unter105 Zu den Straßenverhältnissen Thüringens vgl. BRUNS/WECZERKA, Handelsstraßen II. 106 Zu diesen Punkten vgl. v. a. HELD, Anger. 107 LÖSCHE, Bauern; hier war dies in erster Linie auf die unterschiedlichen natürlichen Gegebenheiten in den unteren Dörfern entlang der Unstrut und den oberen Dörfern zurückzuführen; vgl. v. a. die Tabelle ebd., S. 69. Gleichwohl kann für die Bauern unter städtischer Herrschaft eine relativ gute Situation zugrunde gelegt werden. Lösche führte auch die unterschiedlichen Verkehrsverhältnisse und unterschiedliche Absatzbedingungen an. 108 Vgl. HELD, Anger, Tabelle 6, S. 201 sowie S. 50. LÖSCHE, Vermögensverhältnisse, S. 135, kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es im Erfurter Gebiet zur Zeit der Türkensteuerregister 1542 bereits zu einer stärkeren Vermögenskonzentration in Händen der reichsten Bauern gekommen war, als in anderen von ihm untersuchten Gebieten.
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suchten Dörfern um Erfurt besaßen 20 % der Steuerzahler über 500 Gulden.109 Zu dieser Binnendifferenzierung gehörte auch ein starkes Anwachsen der dörflichen Unterschichten, nicht zuletzt wegen der starken Bevölkerungszunahme im 16. Jahrhundert.110 Diese fanden sich wahrscheinlich zum größten Teil als Mägde und Knechte in den Höfen anderer Bauern wieder oder verdienten sich einen geringen Lebensunterhalt als Lohnarbeiter.111 Gleichzeitig entwickelte sich ein stärkeres dörfliches Handwerk, in erster Linie natürlich in den größeren Dörfern und den Flecken. In Mühlberg bei Erfurt waren von 153 Steuerzahlern in der Mitte des 16. Jahrhunderts 35 gewerbliche Produzenten. 112 Gesamt betrachtet gehörte dennoch der Großteil der ländlichen Bevölkerung Thüringens zu den Teilhufnern, das heißt, dass sie in der Regel nur eine Viertelhufe oder weniger besaßen. Diese Kleinbauern bildeten wie die Gärtner eine sehr heterogene Gruppe.113 Ihre Größe sank mit der zunehmenden sozialen Differenzierung in vielen Gebieten. Nur wenige Bauern – je nach Region zwischen zwei und 15 % – verfügten über mehr als eine Hufe.114 Für einen Vergleich der bisher untersuchten Regionen fehlt leider eine Betrachtung der Gebiete mit den besten Böden, dem Thüringer Becken entlang der Unstrut und den Umgebungen von Erfurt und Gotha. Dort gab es zweifellos mehr sehr reiche Bauern, die aus ihrem Ertrag auf den Märkten Überschüsse erwirtschaften konnten, als in den von den genannten Studien untersuchten Gebieten Ostthüringens und des Thüringer Waldes. Doch ist dies auch für diese Gebiete nicht zu pauschalisieren, da etwa eine große Zahl an Bauern der Erfurter Umgebung wegen der recht kleinen Flächen nur durch die hohen Gewinnmargen der Waidproduktion wirtschaften konnten.115 Bereits der Vergleich der Vermögensverhältnisse zeigt aber die viel geringeren Möglichkeiten der Bauern in den weniger fruchtbaren Gebieten Ostthüringens 109 Vgl. HELD, Anger, Tabelle 6, S. 201. In einigen Dörfern um Greiz zählten zu diesen reichen Dorfeinwohnern auch Besitzer von Hammerwerken oder Mühlen; ebd., S. 51. 110 KOERNER, Bevölkerungsverteilung, S. 308 f.; diese Erkenntnis wurde auch, bei aller Vorsicht, für das hennebergische Amt Schleusingen in Südthüringen getroffen: MAUERSBERG, Schleusingen, S. 46 f. Zur Entwicklung dieser sozialen Differenzierung der Bauern im System der Grundherrschaft vgl. SCHLENKER, Verhältnisse, bes. S. 131‒ 160. 111 Vgl. HELD, Anger, S. 62–65. 112 Ebd., S. 127–132. 113 Vgl. SCHWARZE, Struktur, S. 151–153. 114 HELD, Anger, S. 52. 115 Vgl. ROMMEL, Verhältnisse, S. 174–177. Dennoch wird für die Bauern des Erfurter Landgebietes sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus rechtlicher Sicht eine recht gute Lage angeführt; EITNER, Erfurt, S. 28; FRANZ, Bauernkrieg, S. 247 f.; die Diskussion dieses Sachverhaltes aus Sicht der marxistischen Geschichtsschreibung bei ROMMEL, Verhältnisse.
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und des Schiefergebirges, wo nur sehr wenige Bauern ein steuerbares Vermögen von über 400 Gulden erreichten.116 Bei aller sozialen Differenzierung in der ländlichen Gesellschaft scheint es in Thüringen im Spätmittelalter keine nennenswerten Aufstände gegeben zu haben. Das Dorf war eine Zweckgemeinschaft, die eine gewisse soziale Ruhe erforderte. Sicherlich trug die recht gute rechtliche Stellung der Bauern dazu bei. In Thüringen war das System der sogenannten mitteldeutschen Grundherrschaft vorherrschend.117 In dieser waren die Bauern persönlich frei, es gab keine Leibeigenschaft. Sie waren für ihren Besitz einem Herren zins- und fronpflichtig.118 Die Zinsen konnten sowohl aus Geld als auch aus Naturalabgaben bestehen. Dennoch genossen die Bauern viele Rechte und Freiheiten. So waren sie freizügig und konnten frei erben und vererben. 119 Zinsgüter konnten in der Regel mit Zustimmung des Zinsherrn veräußert werden, wovon die Bauern rege Gebrauch machten.120 Ebenso konnten sie diese als Pfand bei Geldgeschäften einsetzen, wodurch die zunehmende bäuerliche Verschuldung erst möglich wurde.121 Diese Möglichkeit wird in den Kapiteln zu den bäuerlichen Stiftungen wiederkehren.122 Zu den zu leistenden Abgaben gehörte auch der Pfarrzehnt. Ursprünglich zählte auch die weitreichende Selbstverwaltung der Dörfer zu den Rechten. Zu nennen sind etwa die Organisation des Dorfgerichtes, das Führen eines Dorfsiegels und die interne Besetzung der Dorfämter, vor allem der Heimbürgen. Hauptsächlich seit dem 15. Jahrhundert gab es immer wieder Bestrebungen seitens der Grund- und der Landesherren, diese dörflichen Rechte einzuschränken.123 Beispielsweise gelang es weiten Teilen der Ritterschaft, ihre eigene Niedergerichtsbarkeit mit dem Dorfgericht zu verbinden. Beide Elemente „verwuchsen auf diese Weise zum ritterschaftlichen Patrimonialgericht, gleichzeitig unter Verkümmern der alten, auf bäuerlicher Übereinkunft beruhenden Selbstsatzung zugunsten eines obrigkeitlichen Landrechtes“.124 Es blieben dörfliche Rügegerichte für Marginalien des Zusammenlebens. Die Dörfer lassen sich hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Stellung in Amts- und Adelsdörfer einteilen. Hierbei herrschten völlig verschiedene Bedin116 Vgl. die Tabellen bei SCHWARZE, Struktur, S. 157–202. 117 V. a. LÜTGE, Grundherrschaft. Zum überregionalen Vergleich der Formen der Grundherrschaft RÖSENER, Agrarwirtschaft, S. 36–42. 118 Vgl. zu den Typen der Zinsgüter LÜTGE, Grundherrschaft, S. 83‒101. 119 Vgl. LÜTGE, Grundherrschaft, S. 56‒77. 120 HELD, Anger, S. 48. 121 Vgl. ebd.; ROMMEL, Verhältnisse, S. 179. 122 Vgl. Kap. I.4.2 dieser Arbeit. 123 Vgl. SCHIRMER, Entmündigung, S. 167 f. 124 HELBIG, Ständestaat, S. 353. Zu den Einschränkungen der Landesordnungen seit dem 15. Jahrhundert vgl. SCHIRMER, Entmündigung, S. 168–178.
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gungen. Freilich waren die Bauern in Dörfern mit einem niederadligen Grundherrn von dessen Interessen betroffen und an einer guten Beziehung interessiert. In der Zeit der Ausweitung der landesherrlichen Befugnisse konnte es aber durchaus geschehen, dass Bauern und Adlige gemeinsam Interessen vertraten. Von einem prinzipiellen Konflikt kann keine Rede sein. Die Rittergüter waren „privilegierter Besitz“, 125 wobei im wettinischen Machtbereich in erster Linie schriftsässige und amtssässige Güter zu unterscheiden sind. Die Amtssassen waren dem jeweiligen landesherrlichen Amt unterstellt, während die Schriftsassen unmittelbar der Kanzlei unterstanden und somit in Fragen der Steuererhebung und der Gerichtsrechte unabhängiger von den landesherrlichen Hierarchien wurden, ohne jedoch die lehensrechtliche Bindung zu verlieren.126 Der amtssässige Adel ist in seiner Zahl sowie seiner Stellung kaum zu überblicken. Darüber hinaus konnten sich die Güter auch in verschiedenen Rechten sowie steuerlichen und wehrdienstlichen Pflichten unterscheiden. 127 Sozial- und besitzgeschichtlich können keine grundlegenden Aussagen getroffen werden. Eine vergleichende Arbeit, die besonders die reichen Familien des thüringischen Kernlandes, die Wangenheim, die Hopfgarten, die Goldacker oder die Heilingen, berücksichtigt, existiert nicht. Eine Arbeit über die Familie von Wangenheim im Gothaer Umland zeigte aber in einem Vergleich zu den Herren von Brandenstein im Orlagau die verschiedenen Voraussetzungen in den Besitzungen.128 Letztere, diese für ostthüringische Verhältnisse sehr begüterte Familie, verfügte so etwa infolge der verschiedenen naturräumlichen Voraussetzungen über deutlich weniger Bauern. Die Brandenstein sind weiterhin ein gutes Beispiel für den Bedeutungsschwund durch Bildung verschiedener Linien, den auch reiche und umfangreich begüterte Familien erleiden konnten.129 Nicht zuletzt war der Niederadel einer zunehmenden Verschuldung ausgesetzt. Die grundherrschaftlichen Verhältnisse in dem jeweiligen Dorf wirkten natürlich auf die kirchliche Entwicklung vor Ort zurück. Eine gewisse Zahl der Dorfkirchen entwickelte sich aus adligen Eigenkirchen. Im Spätmittelalter gehörte idealtypisch das Pfarrpatronatsrecht in den adligen Besitzungen zu den Rechten der Ritter vor Ort. Einzelne Familien bauten sich, wie zu zeigen sein wird, ein System aus kirchlichen Rechten und Stiftungen auf und verstanden die Kirchen als Teil ihrer Herrschaft. In der Reformationszeit sollten daraus vielfältige Konflikte mit den Landesherren, aber auch mit den Bauern entstehen.
125 126 127 128 129
So LÜTGE, Grundherrschaft, S. 28. HELBIG, Ständestaat, S. 353. Vgl. LÜTGE, Grundherrschaft, S. 28–39. MOLZAHN, Wangenheim. Vgl. HELD, Brandenstein; SCHWARZE, Struktur, S. 128‒132.
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Seitens der kirchlichen Gerichtsbarkeit spielte vor allem der Send eine wichtige Rolle im Leben der Bauern. Dabei tagte in der Regel jährlich ein Gericht in den einzelnen Orten, dem ein Bischof oder Weihbischof oder ein von diesem ernannter Richter, ein Archidiakon oder ein Erzpriester, vorstand.130 Das Sendgericht war ein Schöffengericht mit Mitgliedern aus der Gemeinde.131 Es tagte in der Regel auf dem Kirchhof132 und verhandelte vor allem Fragen der Ehegerichtsbarkeit, Gotteslästerungen und andere Vergehen der Pfarrangehörigen gegen die kirchliche Disziplin.133 Ursprünglich gehörten auch Rechtsfragen, die das Verhältnis von Pfarrer und Gemeinde betrafen, zu seinen Aufgabengebieten, allerdings wurden Verfahren, die Geistliche direkt betrafen, im Spätmittelalter zunehmend an den bischöflichen und den Archidiakonatsgerichten verhandelt.134 Die Quellenlage zur Sendgerichtsbarkeit ist in Mitteldeutschland denkbar schlecht. Nur die Abgaben, die die Gemeinden anlässlich des Sends zu entrichten hatten, werden mitunter genannt. So führten die Kirchenvorsteher von Edersleben 1506 acht Groschen auf: dem erczprister gegeben indem seynt. Darüber hinaus bezahlten sie eine größere Menge Kost und Bieres,135 die wohl entweder abgeführt werden musste oder von den Teilnehmern des Gerichtes verzehrt wurde.136 Die angeführten Beispiele und Fragen sollten die eingangs erwähnte Feststellung, dass es ‚das Dorf‘ nicht gegeben hat, bestätigen. Die Dörfer unterschieden sich hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Stellung, ihrer Größe, den naturräumlichen Gegebenheiten, der internen Organisation und der sozialen Schichtung. So gab es – dies muss nochmals betont werden – auch ‚den Bauern‘, sowohl sozial- als auch verfassungshistorisch, nicht. Bereits zwischen sehr reichen Bauern mit mehreren hundert, oder auch über 1000, Gulden Besitz und sehr 130 Vgl. KALB, Send; FEINE, Rechtsgeschichte, S. 378; TROSSBACH/ZIMMERMANN, Geschichte, S. 98 f; FREITAG, Vechta, S. 68 f. 131 Vgl. REITEMEIER, Pfarrgemeinde, S. 365–368. 132 Vgl. KOCH, Pfarrkirche, S. 328. 133 Vgl. QUIRIN, Gemeinde, S. 39 f. 134 Vgl. Kap. I.1 dieser Arbeit. 135 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1, fol. 7r–7v. Der Nachweis zeigt gleichzeitig, dass in Edersleben nicht der Erfurter Weihbischof oder der Jechaburger Archidiakon, sondern ‚lediglich‘ der Erzpriester dem Gericht vorsaß. Sollte diese Zuständigkeit Usus gewesen sein, würde sich daraus zu einem großen Teil die äußerst schlechte Quellenlage in dieser Frage erklären. 136 Vgl. KOENIGER, Sendgerichte. Das Werk bietet eine umfangreiche Auswahl an Quellen zur Organisation der Sendgerichte, wenngleich ein Großteil der Frühen Neuzeit angehört. Aus dem Untersuchungsgebiet konnten solche Quellen bislang nicht festgestellt werden. Für einen Vergleich bieten sich insbesondere die Beispiele Koenigers aus dem Erzbistum Mainz an, so etwa das Sendweistum von Ginsheim in Südhessen aus dem Jahr 1521 oder die Sendordnung von Nierstein in Rheinhessen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts; ebd., S. 132 f., S. 145‒149.
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armen Kleinbauern gab es enorme soziale Unterschiede. Hinzu kam die Masse der Besitzlosen und Hausgenossen, die nicht zur Gruppe der ‚Nachbarn‘, nicht zur Gruppe der ‚Bauern‘ und auch nicht vollwertig zur ‚Gemeinde‘ gehörten. Dies muss bei allen in der Arbeit aufgeführten Beispielen beachtet werden. Zur besseren Unterscheidung sind Quellenzitate kursiv gesetzt, während Literaturzitate in doppelten Anführungszeichen stehen, metasprachliche Begriffe erscheinen in einfachen Anführungszeichen.
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TEIL I:
DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND (1470–1520)
1. Fragestellungen FRAGESTELLUNGEN
Im ersten Band seiner Thüringischen Kirchengeschichte schrieb Hermann Gebhardt 1880 zu den Jahren vor der Reformation: „Der Greuel der Verwüstung stand an der heiligen Stätte.“1 Freilich war Gebhardt als lutherischer Landpfarrer ganz einer protestantischen Kirchengeschichte verpflichtet, die die Zeit vor der Reformation als Zeit des Verfalls charakterisierte.2 Eine solche Bewertung ist aus Sicht der Reformationsgeschichtsschreibung über Jahrzehnte typisch geblieben. Die zunehmende Untersuchung der kirchlichen Zustände des Spätmittelalters durch Profan-, vorrangig Landeshistoriker ermöglicht vor diesem Hintergrund nicht zuletzt die endgültige Beseitigung konfessionell geprägter Paradigmen.3 Seit Bernd Moellers viel gerühmtem Aufsatz zur „Frömmigkeit in Deutschland um 1500“4 gab es eine schrittweise Neubewertung dieser Jahre und ihres Einflusses auf die Reformation.5 Für die historische und kulturhistorische Einschätzung des kirchlichen Lebens ist in erster Linie eine breitere Betrachtung vonnöten: „Es ist ein Desiderat der Erforschung frommen Verhaltens, Ergebnisse zu erarbeiten, die nicht nur etwas über einzelne Angehörige der gebildeten, das heißt im Wesentlichen der schreibfähigen Elite aussagen, sondern über die gesamte Bevölkerung.“ 6 Daher sei die Aufgabe des Historikers „weniger die Beschäftigung mit der Frommheit Einzelner als die Beschreibung und politisch-soziale Interpretation des religiösen Verhaltens Vieler“.7 Wenngleich seit diesen Feststellungen Hansgeorg Molitors 40 Jahre vergangen sind und es seitdem durchaus viele Ergebnisse auf diesem Feld gegeben hat, haben sie doch kaum an Relevanz verloren. Eine große Lücke stellt dabei das kirchliche Leben auf dem Land dar, zu dem es allenfalls Spezialstudien und Beispieluntersuchungen gibt. 8 An dieser Stelle besteht das Ziel, Prinzipien der ländlichen Sakraltopographie aufzuzeigen, die für weitere Beispiele und neu aufzufindende Quellen anwendbar sind. Ausgehend 1 2 3 4 5 6 7 8
GEBHARDT, Kirchengeschichte I, S. 369. Vgl. KÖHLE-HEZINGER/MICHEL, Gebhardt. Zu dieser Entwicklung und dem Begriff ‚Vorreformation‘ vgl. BÜNZ, Vorreformation. MOELLER, Frömmigkeit. Vgl. BÜNZ/KÜHNE, Überlegungen, S. 18 f. MOLITOR, Frömmigkeit, S. 12; ähnlich bei SCHREINER, Frömmigkeit, v. a. S. 195. MOLITOR, Frömmigkeit, S. 19. Vgl. etwa FUHRMANN, Kirche; BÜNZ, Memoria.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
von der Pfarrei als wichtigster Organisationsform kirchlichen Lebens werden verschiedene Frömmigkeitselemente in den Blick genommen. Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Bauern und Pfarrer charakterisieren? Welche Rolle spielte dieser in vorreformatorischer Zeit? Zentral ist im Anschluss die Betrachtung der Erweiterung der Sakraltopographie, also vor allem des Stiftungswesens, in der ländlichen Gesellschaft. Bisher wurde zwar die Ebene der Benefizien untersucht, zur Vielzahl der Seelmessen, Messstiftungen oder Bruderschaften gibt es aber kaum Erkenntnisse. Dabei ist ein gewisser Eklektizismus aus verschiedenen Quellentypen nötig, da beschreibende Quellen aus dem ländlichen Bereich fehlen.9 Leider verbirgt die Formelhaftigkeit vieler Quellen individuelle Gedanken der Stifter, sodass die Motive der Verdichtung des sakralen Lebens nur erschlossen werden können. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann bei der Größe des Untersuchungsgebietes natürlich nicht erhoben werden. Es wurden Tabellen mit verschiedenen Elementen der Sakraltopographie, nach Orten sortiert, erstellt, die sich im Anhang dieser Arbeit befinden. Inwiefern wurden die Dörfer vom Stiftungseifer der Jahre vor der Reformation erfasst, welche Muster lassen sich dabei feststellen? Dabei soll gefragt werden, wie sich die Bauern zur kirchlichen Struktur positionierten, welche Interessen sie dabei vertraten und welchen Einfluss sie auf das kirchliche Leben vor Ort ausüben konnten. Daher wird zunächst die Einrichtung der Kirchenfabriken in den Dörfern betrachtet. Diese Struktur ist für die Städte bislang gut, für die ländliche Gesellschaft aber nicht untersucht. Diese Ergebnisse aus traditionellen kirchen- und landeshistorischen Fragemustern werden im Anschluss mit baulichen und kunsthistorischen Quellen verglichen. Die Kirchen zeugen von der prägenden Phase der Jahre vor der Reformation. Ganz selbstverständlich befinden sich gerade in vielen dörflichen Gotteshäusern auch Ausstattungsstücke aus dem Mittelalter, vor allem Bilder, Vasa Sacra und Glocken. Es kann gesagt werden, dass sich mit diesen Elementen die breiteste Quellengruppe zum kirchlichen Leben in den Dörfern erhalten hat, die viele Zugänge zur Quantität und Qualität der leistungsorientierten Frömmigkeit auf dem Land bietet.10 Lassen sich dabei prinzipielle Unterschiede zu den Städten feststellen? Lässt sich ein Einfluss der Devotio moderna und anderer Bewegungen in den Dörfern zeigen?11 Zweifellos war die spätmittelalterliche Welt von einer vielfältigen Religiosität erfasst. In dieser Welt existierten eine verinnerlichte, in den Grundzügen mystische Frömmigkeit und scheinbar oberflächliche, leis9
FUCHS, Pfarrbücher zur Relevanz dieser Quellen. Beispiele aus Kleinstädten, die zum Vergleich herangezogen werden, bieten KOCH, Jacoff und GÖTZ, Hilpoltstein. 10 Die Ausstattungswelle als Zeichen für eine „Intensivierung der Frömmigkeit“ bei BÜNZ/KÜHNE, Überlegungen, S. 16. 11 SCRIBNER, Common; DERWICH/STAUB, Frömmigkeit; KÜHNEL, Alltag, S. 111–113.
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DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN GEMEINDE UND PFARRER
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tungsorientierte Aspekte, wie der Ablass, nebeneinander, ohne sich auszuschließen.12 Bei all diesen Fragen sollen strukturelle Ursachen keineswegs ausgeschlossen werden. An erster Stelle stehen die materiellen Möglichkeiten, die sich, wie gezeigt, zwischen den Dörfern stark unterscheiden konnten und Folgen für die Besiedlungsstruktur des Landes hatten. Des Weiteren war Europa im 15. und 16. Jahrhundert prinzipiell von einem Bevölkerungswachstum erfasst.13 Schlugen sich solche finanziellen und demographischen Ursachen im religiösen Leben nieder? Ebenso gilt es nach den verschiedenen Gruppen innerhalb eines Dorfes und ihrem Einfluss zu fragen. Wer organisierte das kirchliche Leben im Ort? Wie strukturbildend war dieses für die dörfliche Gemeinschaft?
2. Das Verhältnis zwischen Gemeinde und Pfarrer DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN GEMEINDE UND PFARRER
Die Pfarrei bildete die Basis der mittelalterlichen Sakraltopographie. Für die Menschen war der Pfarrer der Mittler des göttlichen Heils. Alle übrigen Elemente des kirchlichen Lebens gründeten auf der Pfarreistruktur, die durch den Pfarrbann in erster Linie ein rechtlicher Rahmen war.14 Dem jeweiligen Pfarrer kam aber auch persönlich eine große Bedeutung zu. Oftmals dürfte er der einzige in einem Dorf gewesen sein, der eine Universität besucht hatte. Er verrichtete mitunter Lese- und Schreibdienste und war in vielen Fällen Berater, etwa im Umgang mit den Landesherren oder den kirchlichen Obrigkeiten. Auch institutionell war er mit der Gemeinde verbunden, z. B. durch die Prüfung der Kirchenrechnung.15 In erster Linie reichte er jedoch die Sakramente und war Seelsorger. Er brachte das Messopfer dar, taufte die Kinder des Ortes, nahm die Beichte ab, verheiratete Paare und reichte die Sterbesakramente.16 Um diese geistliche Versorgung zu gewährleisten, erbrachten die Gemeinden bereits seit dem Hoch12 Grundlegend: ANGENENDT, Religiosität; vgl. aus der älteren Forschung VEIT, Brauchtum. 13 Noch immer: ABEL, Wüstungen, S. 31, S. 61 f. SPRANDEL, Bevölkerungsentwicklung, S. 28–34, konnte anhand verschiedener Städte zeigen, dass diese Entwicklung eher um 1450 einsetzte und um 1500 einen Dämpfer erlitt. 14 Einschlägig PUZA, Pfarreien; KRÄMER, Pfarrei; PAARHAMMER, Pfarrei. 15 Vgl. unten Kap. I.3.5 dieser Arbeit. 16 Zum Verhältnis Dorf/Pfarrer vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 289–291; BADER, Dorf II, S. 182‒213; v. a. anhand von Beispielen aus dem deutschen Südwesten REITEMEIER, Pfarrgemeinde; weiterhin FREITAG, Vechta. Auf die große Bedeutung des Pfarrers im spätmittelalterlichen Dorf verweisen in vielen Orten, wie etwa in Illeben, noch die mitunter sehr großen und hochwertigen spätmittelalterlichen Grabsteine und Epitaphe für Geistliche.
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mittelalter eigene Leistungen und bemühten sich auch um die Rechte, die daraus folgen konnten, bis hin zur Kontrolle des Patronates.17 Ziel war, eine Pfarrkirche im Ort sicherzustellen. So konnte es auch zum Streit mit kirchlichen Gewalten um die Stellung der Kirche kommen.18 Die Sorge, ohne eigenen Pfarrer nicht grundlegend geistlich versorgt zu sein, zeigen auch die Versuche von Filialgemeinden, einen eigenen Pfarrer zu erlangen. So klagten die Einwohner von Gottstedt 1275 über ihre Stellung als Filialdorf.19 Der Weg zur Mutterkirche in Alach sei oft überschwemmt, vor allem aber hätten sie Sorge, dass Neugeborene ungetauft sterben würden. 20 Für die Erhebung zur Pfarrei stellten sie weitere Mittel für ein Pfarrbenefizium zur Verfügung.21 Die Kirche im Dorf zu lassen, war der Grundzug des religiösen Handelns der Dörfer. Nur ein eigener Pfarrer stellte eine gute Versorgung langfristig sicher. Nicht zuletzt bestand zweifellos ein Interesse, die zentralen Feiern des Lebens – Taufe und Begräbnis – im eigenen Dorf und nicht bei den mitunter verfeindeten Menschen im Nachbardorf abzuhalten. Dennoch verfügte keineswegs jedes Dorf über eine eigene Pfarrei. Gerade im ostthüringischen Neusiedelland und im weiteren Thüringer Wald nahm die Zahl der Filialen deutlich zu. Die Großpfarreien des Orlagaues bildeten jedoch Ausnahmen.22 In diesen Regionen waren
17 KURZE, Pfarrerwahlen, S. 163‒165. Allerdings waren Patronate der Dorfbevölkerung über Pfarrkirchen in Thüringen höchst selten, was sich aber auch für andere Regionen feststellen lässt; ebd., S. 448. Im Jahr 1500 nahmen die Bauern von Orlishausen wohl einmalig das Patronatsrecht über eine der Kirchen im Ort wahr; HANNAPPEL, Archidiakonat, S. 79. Ein weiteres Beispiel ist Langula; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 68v. BÜNZ, Klerus II, passim und HANNAPPEL, Archidiakonat für die bekannten Patronatsrechte thüringischer Kirchen. Grundlegend: LANDAU, Patronatus; SIEGLERSCHMIDT, Rechtsdogmatik; ARNDT, Patronat. FREITAG, Vechta, S. 65–67, zu zwei westfälischen Beispielen. 18 So 1263 in Eschenbergen, wo die Bauern sich mit dem Abt des Klosters Georgenthal stritten, ob die Kirche im Ort eine Kapelle oder eine Pfarrkirche sei; UB Stifter I, Nr. 377, S. 223. 19 UB Stifter I, Nr. 461, S. 272 f. 20 Dies waren übliche Gründe, beinahe Topoi; vgl. JEZLER, Kirchenbau, S. 72; BÜNZ, Bauboom, S. 232; KÜMIN, Parish, S. 167. Ein solcher Fall auch bei CONRAD, Elsass, S. 24. Dort stellte der Rhein das Hindernis zwischen Mutter- und Tochterkirche dar. GRESKY, Jechaburg, S. 58, bezeichnet dies als „Formeln“ für eine Erhebung der jeweiligen Kirche. 21 KUCHENBUCH, Bauern, S. 171 mit einem ähnlichen Beispiel aus der Nähe von Braunschweig aus dem 14. Jahrhundert. Vgl. allgemein HOLENSTEIN, Bauern, S. 24; ERBE, Pfarrkirche, v. a. S. 35–49 mit Quellenbeispielen. 22 SCHULZE, Pfarrorganisation, S. 61‒64. Neunhofen verfügte über 29 Filialorte, Krölpa über 16. Anschaulich zu den großen Unterschieden in der thüringischen Pfarreistruktur, die den naturräumlichen Begebenheiten und der Siedlungsstruktur und -geschichte folgte und ihren Niederschlag auch in der Architektur fand, vgl. MÜLLER, Dorfkirchen, S. 101–125.
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ebenfalls zwei bis fünf Filialorte üblich.23 Separationen von Filialorten waren im gesamten Mittelalter sehr selten. Für eine solche war viel Durchhaltevermögen der Gemeinden vonnöten. Den Beschwerden der Filialgemeinden über ihre geistliche Versorgung folgten in einem solchen Fall langwierige Untersuchungen, die in den wenigsten Fällen von Erfolg gekrönt waren.24 Hinzu kamen viele Orte, die von einer geistlichen Institution versorgt wurden; meist entstand dies aus einer Inkorporation der Pfarrei in das jeweilige Kloster. So wurde etwa Töttleben bei Erfurt bis zur Reformation von einem Mönch des Klosters Bürgel versehen, der die Einnahmen für sich verwendete.25 Großröda wurde vom Kloster Posa versorgt und verfügte über beinahe kein eigentliches Pfarreinkommen. 26 In Analogie zu bekannten Beschwerden kann vermutet werden, dass die geistliche Versorgung aus Sicht der Gemeinde in diesen Fällen wohl nicht optimal war. Die Ausweitung des ländlichen Pfarreinetzes vom 12. bis zum frühen 16. Jahrhundert und die Entwicklung der Inkorporationsverhältnisse bedürfen einer grundlegenden Untersuchung.27 Neben der Seelsorge und der Vermittlung der Sakramente war der Pfarrer mit den Einwohnern eines Dorfes aber vor allem wirtschaftlich verbunden. Bauern und Adel finanzierten die Pfarrpfründe, die dem Pfarrer möglichst als Auskommen genügen sollte. Sie setzte sich aus Grundbesitz, Geldbeträgen und Naturalien zusammen. In vielen Fällen überwogen die Naturalien die Geldausstattung noch deutlich.28 Der zur Pfarre gehörende Grundbesitz wurde in der
23 Allgemein zur Pfarreilandkarte vgl. die Karte der Kirchenorganisation des thüringischen Teils des Erzbistums Mainz in: KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 34 f. Zur Pfarreieinteilung des Bistums Naumburg: WIESSNER, Verzeichnis, S. 42–48 sowie im gleichen Band die Karten 2 und 3. Die verschiedenen Größen der Pfarreien folgten natürlich in allen Regionen des Reiches naturräumlichen Gegebenheiten und der Besiedlung. Zu den verschiedenen Größen der Pfarreien in Preußen: HERRMANN, Preußen, S. 49. 24 BÜNZ, Klerus I, S. 120–122 mit einigen Beispielen. Ein weiteres Exempel stellt Cumbach dar, das nach Beschwerden der Gemeinde und dem Einsatz des Landesherrn, des Schwarzburger Grafen, 1468 eine selbständige Pfarrei wurde. Vorherige Sonderregelungen mit dem Pfarrer der Mutterpfarrei Graba trugen anscheinend nicht zur Zufriedenheit der Gemeinde bei, sondern stellten eher einen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer eigenen Pfarrei dar; FLACH, Cumbach. 25 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 58v. 26 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 186r. 27 Prinzipiell zur Entstehung der ländlichen Kirchengemeinden durch Grundherrschaft, Vogtei sowie die Neuordnung nach der Auflösung des Eigenkirchenwesens MAYER, Landgemeinde. 28 Für die Naturalien existierten aber durchaus Gegenwerte. BÜNZ, Klerus I, S. 172, führt die Umrechnungswerte bestimmter Naturalien aus einer Akte aus dem Jahr 1503 auf. Danach wurde z. B. ein Malter Korn mit drei Schock Löwengroschen verrechnet. Vgl. die Be-
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Regel wohl vom Pfarrer selbst bewirtschaftet. Das spätmittelalterliche Pfarrhaus war dabei in erster Linie ein Wirtschaftshof und mit den umliegenden Bauerngütern vergleichbar.29 Allerdings gibt es auch Fälle, in denen sich die Dorfgemeinschaft zumindest teilweise um die Pfarrländer kümmerte oder dem Pfarrer half. Frontage gab es jedoch nur in sehr wenigen Orten.30 Neben der eigenen Bewirtschaftung verpachteten einzelne Pfarrer auch einen Teil ihrer Flächen.31 Der umfangreiche Grundbesitz, der zu einigen Pfarrpfründen gehörte, weckte natürlich Begehrlichkeiten. So hatten die Kanoniker des Gothaer Stiftes in vorreformatorischer Zeit vier Hufen von ihrer Pfarrei Siebleben abgezogen und an Bauern verpachtet. 32 Zur Ausstattung konnten auch Rechte über Häuser im Ort, eine Mühle oder eine Braupfanne gehören.33 Dies bedeutete aber keineswegs, dass der Pfarrer unbedingt selbst braute oder die Mühle betrieb, sondern meist, dass er die Abgaben aus der Nutzung empfing. Dabei gab es viele Pfarrer, die durch den Verkauf von Bier ihr Einkommen aufbesserten.34 Diese ökonomischen Verknüpfungen, die die dauerhafte Anwesenheit des Pfarrers im Pfarrdorf und die Pfründe mit sich brachten, führten
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schreibung der Zusammensetzung der Pfarreinkünfte in Württemberg bei AREND, Pfarrbenefizien, S. 39–65. Ein sprechendes Beispiel ist eine Samenbestellung des Pfarrers der Kleinstadt Orlamünde. Er erbat sich vom Leipziger Markt unter anderem Salat, Rote Rüben, Lavendel und Ysop, vgl. BÜNZ, Klerus I, S. 289. Z. B. 16 Tage Sichelfron in Liebschütz; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 303r. Einen Tag Fron gab es an der Bonifatiuskirche von Sundhausen bei Langensalza; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 92r. In Treben gehörten sechs Fronende zur Ausstattung der Pfarre; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 197v. Diese recht geringe Rolle deckt sich mit den Ergebnissen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, nach denen die Bedeutung der Frontage im 16. Jahrhundert überhaupt stark abnahm; HELD, Anger, S. 146 f. So war von den drei Hufen Landes, die zur Pfarre Bufleben gehörten, die Hälfte seit 1503 auf Zins ausgegeben; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, fol. 190r–191r. Zur Verleihung von Flächen vgl. AREND, Pfarrbenefizien, S. 41 f. Diese verschiedenen Möglichkeiten zwangen den Pfarrer natürlich, Urkunden und Register aufzubewahren; erstens, um den Überblick zu behalten, zweitens, um in Rechtsstreiten auf sie verweisen zu können. Von dieser zwangsläufig großen Menge in den frühen Pfarrarchiven hat sich sehr wenig erhalten. Vgl. dazu auch HLAVÁČEK, Geschäftsgut, S. 251 f. Vgl. das Register der Wigbertipfarrei in Niederzimmern von 1512, das deutlich die Bedeutung der Landwirtschaft zeigt; BAE, GG, älterer Bestand, IV k 23, fol. 14r–17. Vgl. auch das Einkommen in verschiedenen Zinsregistern des Pfarrers der Großpfarrei Neunhofen ab 1489 unter PfA Neunhofen, B.I.1. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 419. In Herda gehörten sieben Häuser zur Pfarre; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 42v. In Mihla hatte der Pfarrer das Lehensrecht über eine Bachmühle; davon erhielt er vier Gulden Pacht; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 93r. WIESSNER, Naumburg, S. 444; WIESSNER, Nebenerwerb.
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natürlich auch zu Streitigkeiten, die in keinem Bezug zur eigentlichen Amtsführung oder der Umsetzung der liturgischen Aufgaben standen.35 In vielen Fällen war die Pfründe selbst jedoch sehr gering. In Schellroda war angeblich dies der Grund, dass der Pfarrer vor 1519 lange Jahre nicht anwesend war. Neben der mangelnden geistlichen Versorgung führte das auch dazu, dass die zur Pfarrei gehörigen Güter wüst lagen. Zwar wurden die Abgaben nun seit zwei Jahren nicht mehr dem eigentlichen Stelleninhaber, sondern einem anderen rechten Geistlichen gereicht, dennoch sahen sich die Vorstände des Erfurter Cyriaksklosters als Patronatsherren nach Absprache mit der Gemeinde nun gezwungen, die Bezüge zu erhöhen.36 Das Einkommen aus einer Pfründe wurde ergänzt durch Präsenzgelder von Seelmessen und Messstiftungen.37 Diese oft lohnenden Zusatzeinkommen waren jedoch nicht in jedem Ort zu erwarten und erhöhten oft bereits bessere Pfründen in größeren Orten. Weiterhin gab es eine Vielzahl an kleineren Zahlungen aus der Gemeinde; dazu gehörten geringe Abgaben der Hintersassen,38 Sprengegeld,39 Messabgaben aus den einzelnen Häusern 40 und Ähnliches. Diese Zahlungen waren meist recht gering. Wichtiger für die Höhe der Einnahmen waren Stolgebühren und Opfer, über deren Höhe jedoch kaum Quellen existieren. Stolgebühren erhob der Pfarrer für kirchliche Handlungen, also etwa Taufen, Trauungen und Begräbnisse. In Kirchheim musste jeder Kirchenbesucher zu bestimmten hohen Feiertagen dem Pfarrer Opfer reichen, weiterhin erhielt er für eine Krankenkommunion zwei Pfennige, für eine Ölung einen Schilling, für ein Begräbnis und die damit verbundenen Handlungen fünf Schillinge, für eine Vigil einen Schilling, für ein Jahrgedächtnis fünf Schillinge, für eine Kindstaufe im Sommerhalbjahr ein Glas Salz und im Winterhalbjahr einen neuen Becher.41 1485 wurde zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde von Tonndorf ein Vertrag
35 Ein Fall, in dem sich verschiedene Motive mischten, spielt sich 1518 in Ölknitz an der Saale ab. Pfarrer und Gemeinde stritten sich um den Hirtenlohn und die Abgaben aus dem Brauhaus. Diese dienten u. a. als Sicherheit für mehrere Vigilien. Weitere Streitpunkte waren eine Messstiftung, eine Mahlzeit, die dem Pfarrer angeblich bei jeder Kindstaufe zustand, die Beerdigung ungetaufter Kinder und wohl auch die Kosten für die Unterhaltung des Pfarrhauses; AGBM II, Nr. 1079, S. 1 f. 36 ALBERTI, Reformation, S. 39 f. nach einer Urkunde im Schellrodaer Pfarrarchiv. 37 Vgl. Kap. I.4.1 und I.4.2 dieser Arbeit. 38 So etwa in Witzleben von jedem sechs Groschen pro Jahr; LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 25 r. 39 Z. B. in Blankenburg bei Tennstedt; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 81 r. 40 In Neuengönna zahlte jedes Haus einen Groschen jährlich; das Dorf hatte 19 Häuser; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 477 v. 41 StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a.
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geschlossen, wonach der Pfarrer bei dem Begräbnis eines Hauswirtes oder einer Hausfrau ein Schaf oder einen Stuhl mit Kissen erhielt.42 Um die Opfergelder, die in der Kirche anfielen, entstanden viele Zwistigkeiten zwischen dem Pfarrer und der Kirchenfabrik, der gemeindlichen Verwaltung des Bauvermögens der Kirche, bzw. ihren Verwaltern, den Alterleuten.43 In Grabsleben eskalierte 1458 ein Streit zwischen dem Pfarrer und einem Altermann um die Einnahmen der Kirche und die unterbliebene Rechnungslegung, an dessen Ende der Pfarrer sein Gegenüber tödlich mit dem Schwert am Kopf verletzte.44 Im Jahr 1500 stritten sich der Pfarrer und ein Gemeindemitglied von Rothenstein um die Spenden. Der Fall war vor dem geistlichen Gericht in Erfurt anhängig, gleichzeitig versuchte der Pfarrer seine Sicht dem Kurfürsten darzulegen.45 Wegen der Opfergelder gab es verschiedene Regelungen. In Schmidtstedt verglich der Erfurter Rat 1471 die Vorsteher der Kirchenfabrik und den Pfarrer. Wachs, Korn, Flachs, Eier, Käse und andere Naturalien erhielt die Kirchenfabrik, geopfertes Geld erhielt der Pfarrer zur freien Verwendung. 46 1472 wurde ein ähnlicher Vertrag zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde von Niebra im Altenburger Land geschlossen. Hier sollten die Alterleute aber niemanden auf diese Regelungen aufmerksam machen, um seine Opfergabe nicht zu beeinflussen. Man rechnete bereits damit, dass die Alterleute versuchen würden, die Einnahmen der Fabrik auf Kosten des Pfarrers zu steigern. Der Kampf um die Spenden wird in Niebra an einer weiteren Stelle deutlich. Sammelten die Alterleute in der Kirche, stand alles dem Kirchenbau zu. Sammelten sie vor der Kirche, sollte der Pfarrer einen Helfer bestimmen, der gleichzeitig für ihn sammelte. Den Gläubigen wurden also die beiden Möglichkeiten, wer ihr Geld erhalten würde, direkt vor Augen geführt.47 Diese Streitigkeiten wurden durch die zunehmende Institutionalisierung der einzelnen Vermögen, so auch die der Kirchenfabriken, her-
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BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 170. Vgl. Kap. I.3.1 dieser Arbeit. BÜNZ, Pönitentiarieregister, S. 151 f. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 689. StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 26v. 1508 gab es erneut einen Rechtsstreit zwischen Gemeinde und Pfarrer, der vor dem städtischen Gericht und der „Roten Tür“, dem Gericht des Archidiakons von St. Marien Erfurt, lief. Ob es dabei erneut um die Opfergaben ging, ist unklar; ebd., fol. 6r, 6v. 47 LATh–StA Altenburg, Urkunden, 1472 Oktober 4. In Kirchheim wurde 1509 festgelegt, dass die Alterleute den Opferstock nicht allein öffnen sollten, sondern nur im Beisein des Pfarrers, dem der dritte Teil zustand. Wachs sollte hingegen allein der Kirchenfabrik zukommen; StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a; vgl. WEISS, Bürger, S. 107. Vgl. allgemein KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 242 f. mit dem deutlichen Zitat aus der „Epistola de miseria curatorum seu plebanorum“. Zu dieser Schrift vgl. ebd., S. 44. Vgl. auch das ähnliche Problem in Preußen bei HERRMANN, Preußen, S. 52 f.
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vorgerufen.48 Auf Seiten der Gemeinden nahm das Anspruchsdenken gegenüber dem Pfarrer zu.49 Ein Pfarrhaus konnte ebenfalls zur Ausstattung der Pfründe gehören, war jedoch längst nicht die Regel. Der Pfarrer von Eberstädt etwa wohnte im Filial Sonneborn, weil es im Pfarrdorf bey aller menschen gedengken keine Behausung für den Pfarrer gab.50 Im benachbarten Brüheim erbaute der Pfarrer Johann Salzmann vor der Reformation vieles auf eigene Kosten, wohl weil die Gemeinde nicht davon überzeugt werden konnte, das Pfarrhaus zu verbessern. 51 Einige Gemeinden waren mit dem Umgang des Pfarrers mit dem Pfarrhaus nicht zufrieden.52 Daher mussten sich Pfarrer meist vertraglich verpflichten, das Haus und die Ländereien gut zu unterhalten. So geschah es 1486 in Gebstedt. Heinrich Wunschelris, der die Stelle in dem Dorf für sechs Jahre antrat, verpflichtete sich gegenüber dem Abt des Klosters Paulinzella, dem Lehensherrn der Pfarrei, unter anderem Haus und Dach zu unterhalten.53 Auch wenn sich einige solche Beispiele finden, 54 war die gemeindliche Baulast für das Pfarrhaus die absolute Ausnahme. Prinzipiell lag diese beim Pfarrer.55 Dabei war ein gut ausgestattetes Pfarrhaus zweifelsfrei ein starkes Argument, einen Pfarrer von einer Pfarrstelle zu überzeugen; wichtiger noch: den Pfarrer davon zu überzeugen, im Ort zu wohnen. Die Residenz des Pfarrers am Ort war 48 Ähnliche Prozesse spielten sich auch an den Stifts- und Kathedralkirchen ab. Bereits 1286 gab es einen Streit zwischen Thesaurar und Kapitel des Erfurter Marienstiftes um dargebrachte Stoffe, Tiere und Opfergaben; UB Stifter I, Nr. 561, S. 322; vgl. SONNTAG, Marien, S. 40. 49 Zum Pfarrer, der auch in Thüringen mitunter als Lohnempfänger der Gemeinde verstanden wurde, vgl. SCHILDT, Gemeinde, S. 92. 50 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 230. Zur Situation in Württemberg vgl. AREND, Pfarrbenefizien, S. 42–45. 51 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 186r. 52 1504 setzte sich der Offizial des Erfurter Severistiftes beim Patronatsherrn, Kurfürst Friedrich III., für eine Neubesetzung der Pfarrei Hausen ein, weil der dortige Pfarrer u. a. das dörfliche Pfarrhaus verwüstet habe; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 418. Die Achelstädter Bauern beschwerten sich 1522 beim Erfurter Rat, dass ihr Pfarrer das Pfarrhaus verwüstet habe; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 5, liber communium 1519‒1522, fol. 350r. 53 UB Paulinzella, Nr. 495, S. 433. Zu Wunschelris vgl. BÜNZ, Klerus III/1, S. 344. Ähnlich bestätigte Johannes Nobler, neuer Pfarrer des Dorfes Schmira, dem Erfurter Rat im Jahr 1510, dass er für die Erhaltung der Rechte der Pfarre und den Bau des gesamten Pfarrhofes zuständig sei; StAE, 0-0/C, Schmira, Nr. 10. Nobler blieb in Schmira und wurde 1519 zum neuen Erzpriester der Sedes Ilversgehofen gewählt, BERTRAM, Bilterisleybin, S. 35. 54 In Oberroßla bekam der Pfarrer von der Gemeinde neben dem Haus auch einiges Inventar gestellt: II This, I schranck, I kasten, I kesekasten, I Spanbette, II Weinfas; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 75r. 55 Vgl. BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 181.
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in den Jahrzehnten vor der Reformation ein häufiger Streitgegenstand. 1490 gab es einen Streit um die Besetzung der Pfarrstelle in Beutnitz. Die Einwohner des Dorfes wandten sich hilfesuchend an den Jenenser Amtmann. 56 Sie wollten keinen Handel akzeptieren, der nicht vorsieht, dass der Pfarrer bei ihnen residiert, und verwiesen darauf, dass ihnen bekannt sei, dass dies in vielen Dörfern ein Problem darstellte. Der Pfarrer der Bonifatiuskirche in Sundhausen bei Langensalza erhielt dem ältesten Visitationsprotokoll zufolge jährlich vier alte Schock Groschen de residencia.57 Eventuell ging dieser Zahlung ein ähnlicher Streit voraus, der mit einem Vertrag zwischen dem Pfarrer und den Patronatsherren oder der Gemeinde gelöst wurde. Aus Sicht der Dorfbewohner konnte der Pfarrer akute Aufgaben nicht wahrnehmen, wenn er nicht vor Ort war. Kinder starben ungetauft und Sterbesakramente konnten nicht gereicht werden. Neben der Pfründenhäufung gab es weitere Gründe für die Absenz eines Pfarrers, wie etwa ein Studium.58 Für die Abwesenheit konnte ein Pfarrer eine Dispens erwirken.59 Zahlen aus anderen Regionen des Reiches zeigen, dass tatsächlich ein namhafter Teil der Pfarrer nicht an ihrer jeweiligen Pfarrstelle residierte.60 Doch darf man nicht von einem völligen Zerfall der geistlichen Versorgung in diesen Orten ausgehen, da der abwesende Pfarrer sich vertreten lassen musste. Über die Vertreter, die Lohnpriester, 56 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 89, fol. 1r. 57 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 92r. 58 BÜNZ, Klerus I, S. 219, beobachtete, dass nur ein kleiner Teil der studierenden Pfarrer überhaupt den Abschluss eines Baccalaureus erlangte. Dies war beileibe keine zwingende Voraussetzung. Ebd., S. 256, kommt er prosopographisch zu dem Ergebnis, dass sich der Pfründenpluralismus bei den thüringischen Pfarrern „in engen Grenzen“ bewegte und viele Pfarrer gar kein zweites Benefizium besaßen. In vielen weiteren Fällen besaßen Pfarrer ein zweites Benefizium in direkter Umgebung, etwa der Pfarrer von Barchfeld eine Vikarie in Kranichfeld; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 201r. Mitte des 16. Jahrhunderts beschrieb Ulrich Bär die Abwesenheit des ehemaligen Pfarrers von Mühlberg, Johann Bock, in vorreformatorischer Zeit. Bock war Stiftsherr in Gotha und schon daher nicht dauerhaft in Mühlberg. Außerdem unterstützte er lange Zeit den Weihbischof Johann Bonemilch von Laasphe bei Reisen mit Weihehandlungen (!). Jedoch entstand daraus anscheinend kein Streit, da Bock für alle Amtshandlungen, die er selbst nicht wahrnehmen konnte, auf eigene Kosten Ersatz beschaffte; TETTAU, Bär, S. 70. Zu verschiedenen Vikarien, die Bock bereits vor 1506 innehatte, vgl. die Registereinträge bei SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 513. Zu den bischöflichen Weihehandlungen vgl. Kap. I.5.1 dieser Arbeit. 59 AREND, Pfarrbenefizien, S. 214–220. FEINE, Rechtsgeschichte, S. 334. 60 Im Bistum Osnabrück lag die Quote im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts bei etwa einem Drittel, wie anhand eines Registers des bischöflichen Offizials aus den Jahren 1517 bis 1534 gezeigt werden konnte; BERNING, Osnabrück, S. 158 f. Zur meist geringen Dauer einer Besetzung einer Pfründe vgl. AREND, Pfarrbenefizien, S. 220–225.
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die in den Quellen meist abschätzig als mietling bezeichnet werden,61 ist jedoch wenig bekannt.62 Neben der Sicherstellung der geistlichen Versorgung war es jedoch im Interesse der Pfarrkinder und des Patronatsherrn, dass auch wirklich der Ausgesuchte die Pfarrstelle verwaltete. Die Abwesenheit eines Pfarrers oder seine Amtsführung führten oftmals zu Kritik am sogenannten Abbruch der Messe. Wenn der Pfarrer seinen Verpflichtungen nicht nachkam, wandten sich die Einwohner eines Dorfes an das geistliche Gericht. Die Gemeinden beklagten, dass ihr Hirte nicht vor Ort sei oder seinen Pflichten, etwa dem Halten der Messe, nicht hinreichend nachkomme.63 Der Pfarrer von Melborn, der das Dorf verlassen sollte, weil er an der Lepra erkrankt war, bildete eine Ausnahme.64 Obwohl das geistliche Gericht auch in der Praxis keine Klage gegen einen Geistlichen vor einem weltlichen Gericht zuließ,65 häuften sich im 15. Jahrhundert die Fälle, in denen sich Gemeinden bei geistlichen Beschwerden an ihren jeweiligen Landesherrn wandten.66 Bereits 1455 schlichtete Herzog Wilhelm III. einen Streit zwischen dem Herrn von Erffa und der Filialgemeinde Burla einerseits und dem Pfarrer von Sättelstädt andererseits um die zu haltenden Messen. Der Pfarrer solle seinen festgehaltenen Verpflichtungen nachkommen, die Gemeinde solle ihm die pflichtigen Zinsen reichen.67 1498 beschwerte sich die Gemeinde Rothenstein über ihren Pfarrer wegen nicht gehaltener Messen.68 Ebenso beschwerten sich die Gemeinde Heilingen und der dortige Junker Jörg von Kochberg im 15. Jahrhundert über ihren Pfarrer, weil er verschiedenen Verpflichtungen nicht nachkam. Sie baten den Kurfürsten ausdrücklich um einen anderen Pfarrer, nachdem ihnen der Inhaber des Patronates, der Pfarrer von Orlamünde, nicht geholfen hatte.69 1501 kritisierten Heimbürgen und Gemeinde zu Eberstädt bei Gotha ihren Pfarrer Johann Salzmann wegen der nicht eingehaltenen wöchentlichen Messverpflichtung. 70 Die Angerufenen, Kurfürst Friedrich und Herzog Johann, baten den Gothaer 61 So z. B. in einem Schreiben des Erfurter Rates an den Pfarrer von Ermstedt 1485; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, fol. 168v. 62 BÜNZ, Klerus I, S. 208 f. 63 Einige Beispiele: MAY, Generalgericht, S. 139‒142. Vgl. auch CONRAD, Elsass, S. 25 sowie S. 31 f. 64 MAY, Generalgericht, S. 140. 65 Ebd., S. 140, Anm. 13. Dort finden sich auch Fälle, in denen das Gericht gegen Selbstjustiz vorging. 66 Vgl. Kap. I.6 dieser Arbeit. 67 LERP, Regesten, S. 201. 68 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 690. Die Bauern des Nachbardorfs Ölknitz wandten sich wegen verschiedener Klagen über ihren Pfarrer an den Amtmann zur Leuchtenburg, der die Streitparteien 1518 vertrug; AGBM II, Nr. 1079, S. 1 f. 69 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 387. 70 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 247, fol. 1r.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
Schosser und den Dechanten des dortigen Stiftes, den Pfarrer zu ermahnen und gegebenenfalls sein Einkommen zu mindern.71 Der albertinische Herzog Georg übte nach einer Supplik der Dörfer Günstedt und Herrnschwende 1504 über den Sachsenburger Amtmann Druck auf den Komtur der Deutschordenskommende Griefstedt aus. Die Deutschherren hatten die Messverpflichtung in der Kapelle der Dörfer nicht erfüllt.72 In vielen solchen Auseinandersetzungen gab es einen Streit um Henne und Ei. Hatten zuerst die Bauern Zinsen verweigert oder hatten sie dies nur getan, weil zuerst der Pfarrer die Messverpflichtungen nicht erfüllt hatte?73 So behauptete der Pfarrer von Gebstedt, keinen Abbruch der Messe und der bäuerlichen Begängnisse veranlasst zu haben. Und sei es doch geschehen, dann nur, weil die von Gebstedt ihm den Zehnt vorenthalten hätten.74 Aus der Schlichtung geht jedoch hervor, dass wohl eher der Pfarrer der Auslöser war, da er vom Abt des Klosters Paulinzella und dem Weimarer Schosser angehalten wurde, etwa für ausfallende Wochenmessen keine Entschuldigungen vorzubringen. Die Schlichtung fiel aus wie meist: Die Bauern sollten zahlen, der Pfarrer sollte die Messen halten.75 Beide sollten sich an die geschlossenen Verträge halten. Die Offensichtlichkeit dieser Lösungen zeigt doch, wie verfahren oft die Situation gewesen sein muss. Entsprechende Beispiele lassen sich auch für Dörfer des Erfurter Landgebietes anführen. 1473 schrieb der Rat dem Pfarrer von Großvargula, dass er den Leuten des Dorfes keinen Abbruch des Gottesdienstes antun solle.76 1479 klagten die Männer von Frankendorf über den Abbruch der Messe, wydder alt herkomen, durch das Kloster Kapellendorf. Der Rat wies den Klostervorsteher an, dass der Gottesdienst in der itzigen heyligen tzeit nicht verhindert werdn solle.77 1485 wies der Erfurter Rat nach einer Klage der Einwohner des Dorfes Ermstedt den dortigen Pfarrer an, das ihm vom Rat verliehene Pfarrlehen selbst und nicht durch einen miteling zu besetzen.78 Sollten die Leute des Dorfes weiterhin Grund zur Klage 71 Ebd., fol. 3r. Ein ähnlicher Fall in Forstwolfersdorf ereignete sich wohl auch vor der Reformation; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 862. 72 VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 303. 73 Oft wandten sich auch die Geistlichen an das geistliche Gericht wegen ausstehender Zinszahlungen; MAY, Generalgericht, S. 144. 74 UB Paulinzella, Nr. 515, S. 441‒443. Zur Entwicklung des Zehnten in Mitteldeutschland vgl. LÜTGE, Grundherrschaft, S. 192‒194. 75 Zu Schlichtungsurkunden zwischen Pfarrer und Gemeinde im Thüringen benachbarten Bistum Merseburg vgl. COTTIN, Merseburg, S. 328 f. 76 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 1, liber communium 1472–1480, fol. 69v. Zur Einordnung solcher Fälle in die Kirchenpolitik des Rates vgl. WEISS, Bürger, S. 67–70 und vgl. Kap. I.6 dieser Arbeit. 77 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 1, liber vommunium 1472–1480, fol. 358v. 78 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 2, liber communium 1483–1487, fol. 168v.
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DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN GEMEINDE UND PFARRER
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haben, würde der Rat ihm das Lehen entziehen.79 Ebenso wurde dem Pfarrer der Bonifatiuskirche in Niederzimmern 1510 befohlen, den Gottesdienst zu mehren und nicht zu mindern. 80 Ausgangspunkt war auch hier eine Klageschrift der Heimbürgen, Alterleute und der ganzen Gemeinde. Am Ende dürfte oft eine eindeutige vertragliche Klärung wie in Kirchheim gestanden haben, wo 1509 die Gemeinde und die Johanniter von Schleusingen, die Patronatsherren der Pfarrei, alle Gebrechen und allen Irrtum, der bisher zwischen ihnen bestand, aus der Welt schafften. Alle gegenseitigen Verpflichtungen des Geistlichen vor Ort und der Gemeinde wurden festgehalten.81 Formulierungen in einigen Beschwerden zeigen aber, dass solcherlei Verträge ebenso oft gebrochen wurden.82 Für das schwarzburgische Gebiet herrscht eine deutlich schlechtere Quellenlage. Die vorhandenen Beispiele zeigen aber, dass die Beschwerden an den Grafen in ähnlichem Maße spätestens in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zunahmen. Um das Jahr 1490 beschwerte sich die nördlich von Erfurt gelegene Gemeinde Haßleben beim Patronatsherrn der Pfarrei, Graf Günther XXXVI. von Schwarzburg, über ihren Pfarrer „Lorentz“.83 Der in einer barocken Chronik überlieferte Inhalt spricht eine Fülle an typischen Kritikpunkten an und bietet gleichzeitig wichtige Hinweise auf die Bestandteile der mittelalterlichen Pfarre: Was er nehmlich für ein dissolutes Leben und Wandel geführet, und getrieben, daher er zum öftern in Bann kommen, […] also auch, dass hierüber der Gottesdienst an Tauffen, Beichthören, Oelen, Begraben, und allen andern Sacramenten gehindert und versäumet, in einem gantzen Jahre keine Messe gehalten, und sie also an ihrer Seele unversorgt gelassen worden, so hätte er auch sonsten übel Haus gehalten, die Böden abgebrochen, Thor, Keller, Fenster, Brauhaus, Maltzhauss, Darre, mit aller Zugehörung, Badestuben, Bienenstöcke, Garten, Befriedigung, Stallunge, Scheuere, und anders verderbet […], das Pfarrland verwüstet, und in das vierte Jahr Leite liegen lassen, dahero sie grosse Sorge trügen, man künfftig keinen Pfarrer mehr würde unterhalten können, wenn denn gleichwohl ihnen sehr schwer und bedencklichen seyn und fallen wollte, einen solchen Prister zu dulten, mit demjenigen der sie und die ihre nicht allein um Leib und Leben, Guth und Ehre, ja auch um die Seele gantz und gar zu bringen gemeinet, umzugehen, einen solchen, in dem selbsten kein Glaube wäre, die Sünde zu beichten, die Sacramenta von ihm zu nehmen, das Wort Gottes zu hören, auch andern christliche Tugenden zu erlernen, das wäre ihre demüthige, 79 Ebd., fol. 174r. Vgl. WEISS, Landschafft, S. 72. 80 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 4, liber communium 1509–1511, fol. 59v. 81 StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a. Auch gegenüber dem Patronatsherrn musste ein Pfarrer sich meist vertraglich verpflichten, die Stelle selbst wahrzunehmen und allen dazu gehörigen Aufgaben gerecht zu werden; vgl. WEISS, Landschafft, S. 72 f. 1447 wurde dies zwischen dem Pfarrer von Frienstedt und Graf Siegmund von Gleichen festgelegt; BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 177. 82 Auch mit einem Vikar in Freienbessingen bestand eine Konkordia, die dieser nicht einhielt; MAY, Generalgericht, S. 139. 83 Zu Günther: vgl. KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 108 f.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND unterthänige Bitte, S. Gn. sie dieses Priesters gnädig entnehmen, auch sie mit einer tüchtigen Person, so ihnen mit rechter Lehre, christlichen Leben und Wandel vorgehen möchte, versehen wolte, welches denn auch also geschehen.84
Die Haßlebener Bauern hatten mit ihrer Beschwerde also offensichtlich Erfolg und konnten den Grafen überzeugen, Einfluss auf die Besetzung der Stelle auszuüben. Nach einem Jahr ohne gottesdienstliche Handlung erhielten sie einen neuen Pfarrer. Wahrscheinlich war es aber der direkte Nachfolger, der sich ebenfalls nicht dem Amt gemäß verhielt, da der Haßlebener Pfarrer „Petrus“ 1498 eine Strafe an das geistliche Gericht zahlen musste, da er einen Nachkommen gezeugt hatte.85 Einige solcher bäuerlichen Beschwerden liefen auch parallel vor geistlichem Gericht und einem weltlichen Herrschaftsträger, an den sich oft die Bauern des Dorfes zusätzlich wandten. Sehr wahrscheinlich vermuteten sie das geistliche Gericht eher als Interessenvertreter der Geistlichkeit und suchten auch in geistlichen Fragen den Schutz ihres Landesherrn. Die Landesherren drohten oft mit einer Einschränkung des priesterlichen Einkommens. Sollte der Propst von Utenbach seine Verpflichtungen in Kösnitz und Zimmern nicht erfüllen, wollte Herzog Georg seinen Amtmann im Jahr 1500 anweisen, die Bauern zu bewegen, die Abgaben nicht zu leisten.86 Selbst wenn der Einfluss des Pfründenmarktes auf die dörflichen Pfarrstellen nicht überschätzt werden darf,87 gab es doch einige solcher Fälle wie 1492 in Bischleben: Bereits vor dem Tod des alten Pfarrers schrieb Claus von Witzleben zu Elgersburg am 2. Februar 1492 eine Supplik an Kurfürst Friedrich, den Patronatsherrn der Pfarrei. Er bat, falls der Pfarrer sterbe, seinem Bruder Christoph von Witzleben die Pfarrpfründe zu übereignen.88 Am 23. Februar, der Pfarrer war inzwischen verstorben, berief sich Caspar von Obernitz darauf, dass der Kurfürst seinem Sohn bereits seit zwei Jahren eine Pfarrstelle oder eine Vikarie geben wollte, weshalb er nun um die Bischlebener Pfarre bat.89 Am 12. Juni beharrte der prominente Erfurter Jurist, Kanoniker des Marienstiftes und ehemalige Rektor der Universität, Dr. Johann Steinberg, darauf, dass Kurfürst Ernst, der Vater des
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JOVIUS, Chronicon, S. 570. HANNAPPEL, Kommissare, S. 179. VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 303. Enno Bünz kam zu dem Ergebnis, dass ein erheblicher Teil der Geistlichen Pfarrer im Heimatort oder in der Umgebung war. Soziale Kontakte spielten demnach eine wichtige Rolle beim Erwerb einer Pfarrstelle; BÜNZ, Klerus I, S. 213 mit Beispielen. Grundlegend: SCHWARZ, Perspektiven; SCHWARZ, Pfründenmarkt. 88 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Ichtershausen, 94, fol. 3r. 89 Ebd., fol. 2r.
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Kurfürsten, ihm bereits die Pfarre bewilligt hatte, falls sie frei würde.90 Er bat darum, die Präsentationsbestätigung an den Propst des Erfurter Marienstiftes zu schicken. Weiterhin sollten die Heimbürgen, Alterleute und die Gemeinde des Dorfes angewiesen werden, ihn nicht mehr an der Inbesitznahme der Pfründe zu hindern. Zwar ist nicht bekannt, ob sich die Bischlebener für einen konkreten anderen Kandidaten aussprachen, allerdings wird eine Einflussnahme der Gemeinde auf die Pfründenvergabe deutlich. Den Bischlebenern dürfte bewusst gewesen sein, dass ein Geistlicher wie Johann Steinberg kaum selbst die Pfarre beziehen würde. All diese Probleme mit der Amtsführung der Pfarrer und dem Pfründenmarkt führten zweifellos zu einer erhöhten Wachsamkeit auch in nicht betroffenen Gemeinden. 91 Die Voreingenommenheit gegen den Niederklerus stieg latent. Hinzu kamen Fälle von Geistlichen, die in Schlägereien verwickelt waren oder mit Konkubinen zusammen lebten und uneheliche Söhne hatten.92 Diese Gemengelage aus der Unzufriedenheit mit der Amts- und Lebensführung der 90 Ebd., fol. 1r. Das breite Interesse prominenter Geistlicher und des Niederadels an der Pfründe ist sicherlich nicht normal. Die Bischlebener Pfarre gehörte durchaus zu den besser ausgestatteten. Nach dem Subsidienregister von 1506 lag das Einkommen zwischen 40 und 50 Schock Groschen (SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 60). Beachtung verdient weiterhin ein Fall aus Gispersleben-Kiliani von 1429, wo die Besetzung zum Streitobjekt zwischen dem Erfurter Rat und dem Mainzer Stift St. Viktor wurde, BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 176; BÜNZ, Klerus I, S. 308. Zu den Bittschriften an Patronatsherren vgl. ebd., S. 306–308. 91 Das oben angeführte Beispiel Beutnitz zeigt diesen Austausch zwischen den Gemeinden, der dazu führte, dass man selbst nicht von solchen Ärgernissen betroffen sein wollte. 92 Zu den Schlägereien und Konkubinen beispielhaft: BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 182; HANNAPPEL, Kommissare, S. 177–179; HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 285; BÜNZ, Pönitentiarieregister, S. 150–154. Einige Urfehdbriefe von Geistlichen am geistlichen Gericht in Erfurt finden sich unter: BAE, GG, älterer Bestand, III B 29. 1472 musste der Pfarrer von Pötewitz vor dem bischöflichen Offizial in Zeitz eine Urfehde wegen eines Verhältnisses mit der Frau des örtlichen Schäfers schwören; StA Zeitz, Cat. pag. 51, Nr. 1, fol. 46v. Aus Tunzenhausen ist ein Nachweis vorhanden, dass der Priester den Kirchner geschlagen hatte; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 4, liber communium 1509–1511, fol. 125v. 1486 ging Johann Paris, Prokurator am geistlichen Gericht in Erfurt, auf Befehl des Erzbischofs Berthold von Henneberg gegen etlich dorff priester vor, die mit Weibern zusammenwohnten. Johann von Dingelstedt, Kanoniker am Severistift, Dekan der theologischen Fakultät der Universität und Vorsitzender des Generalgerichtes, verwies jedoch auf die wichtige Funktion dieser Frauen bei der Hofwirtschaft der Pfarrer und befürchtete, dass viele Pfarreien wüst fallen würden, wenn man die Pfarrköchinnen ausschloss. Dies ist ein wichtiges Indiz für den Normalzustand in einer Dorfpfarrei. Selbst hohe geistliche Amtsinhaber sahen die Pfarrköchinnen als notwendig an; LASA, A 37b I, II, XIV Nr. 1. Vgl. zu Frauen im Klerikerhaushalt und den illegitimen Kindern im städtischen Umfeld SIGNORI, Erblasser, bes. S. 211–216 und S. 240–242.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
Geistlichen sowie den wirtschaftlichen und finanziellen Verbindungen zwischen Pfarrer und Gemeinde konnte zu antiklerikalen Entladungen führen.93 In den Sieglerrechnungen des geistlichen Gerichtes in Erfurt aus verschiedenen Jahren um 1500 erscheint eine Vielzahl von Laien, die Strafen zahlen mussten, da sie Priester beleidigt, belästigt oder geschlagen hatten.94 Auch Einicke stellte in den schwarzburgischen Amtsrechnungen einen deutlichen Anstieg der Vergehen gegen Geistliche in den letzten zehn Jahren vor der Reformation fest.95 Aus der Vielzahl der Beispiele ragt ein Einwohner des Dorfes Volkstedt hervor, der einen Priester aus einem Schiff in die Saale stieß.96 In diesen Jahren heizte sich das Verhältnis auf. In vielen Fällen dürften weniger die religiösen als die sachlichen und ökonomischen Gründe ausschlaggebend gewesen sein – aus Sicht der Bauern wie aus Sicht der Priester. Wenn der Pfarrer von Hachelbich sich 1519 für einen von ihm veranlassten Aufruhr im Hof des Klosters Göllingen in Hachelbich verantworten musste, so dürften dahinter wohl ebenfalls wirtschaftliche Interessen und eben eine aufgeheizte Stimmung gestanden haben.97 Ein Geschehen, in dem sich die verschiedenen Motive vereinen, ist aus Lippersdorf im Holzland überliefert.98 1499 gipfelte ein langjähriger Streit zwischen dem örtlichen Kaplan des Klosters Roda, Peter Schmidt, und den Einwohnern des Dorfes, vor allem der Familie Mauer, um Kirchengüter aus einer Stiftung.99 Der Vorsteher des Klosters Roda und der Kurfürst hatten am 11. März einen Termin zur Klärung für den 23. März angesetzt. 100 Nach den verschiedenen Briefen lässt sich der Ablauf folgendermaßen rekonstruieren: Am Sonntag Quasimodogeniti (7. April) begab sich der Kaplan auf den Weg nach Roda ins Kloster und wurde unterwegs von vier verkleideten Männern angegriffen. Die Männer waren mit zwei Armbrüsten und zwei Spießen bewaffnet. Im Weglaufen fiel er hin und wurde anschließend mit den Armbrüsten geschlagen, gewürgt und mit Knien peinlich gestoßen.101 Weiterhin wurden ihm sein Geldbeutel mit drei
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BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 179 f.; HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 263 f., verweist auf den Missmut gegen die Messpriester in den Städten. 94 HANNAPPEL, Kommissare, S. 179–181. 95 EINICKE, Reformationsgeschichte I, S. 163. 96 Ebd., S. 170. Zu einigen Beispielen aus dem Erfurter Landgebiet, die aus einem Bann entstanden: WEISS, Bürger, S. 69, S. 108. 1499 setzte sich Kurfürst Friedrich dafür ein, dass der Zeitzer Offizial das Interdikt über die Leute von Ruppersdorf aufheben sollte. Die Ursache ist unbekannt; StA Zeitz, Cat. pag. 51, Nr. 1, fol. 79r. 97 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Sondershausen, 4650, fol. 3r. 98 Die umfangreiche Akte unter LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 506. 99 Ebd., fol. 5r, 7r. 100 Ebd., fol. 3r. 101 Ebd., fol. 1r–1v.
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DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN GEMEINDE UND PFARRER
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Gulden sowie ein silbernes Halskreuz mit den Heiligen Maria und Johannes gestohlen. Der Pfarrer wandte sich an den Vorsteher des Klosters Roda, der wiederum dem Kurfürsten schrieb, und an den Bischof von Naumburg, der sich ebenfalls an die ernestinischen Landesherren wandte, mit der Bitte, die freveliche unchristliche ubeltadt aufzuklären.102 Am 26. Juni schrieb der Kaplan erneut an Bischof Johann von Naumburg. 103 Mittlerweile hätten sich die Bauern von Lippersdorf und Erdmannsdorf über den Abbruch der göttlichen Dienste bereits vor und auch nach der Übeltat beschwert. Zwischen ihm und der Dorfbevölkerung herrsche Neid und Hass, weswegen er um Schutz bittet. Nach einem Jahr war anscheinend keine Lösung erfolgt, da der Kaplan am 30. Mai 1500 erneut an den Bischof schrieb und ihm darlegte, dass er einen Brief von den ernestinischen Fürsten erhalten habe, mit dem Hinweis, dass der Fall gehandelt wird, sobald wichtigere Sachen gehandelt seien. Derweil sei am 9. April ein gestiefelter Reiter mit gegürtetem Schwert aus dem Hof der Familie Mauer in das Pfarrhaus gekommen und hätte dem Kaplan gedroht: [P]faff wye stehest dw mit den mawern, ap dir dye mawer nicht thun dir mochten ander lewte thun, deyne letzten ding werdn erger den dye ersten.104 Erneut bat er um Schutz und darum, dass der Bischof sich beim Kurfürsten für ihn aussprechen möge. Erst 1502 taten Kurfürst Friedrich und Herzog Johann öffentlich kund, dass der Jenenser Amtmann Hans Mönch die streitenden Parteien vertragen hätte. Die Familie Mauer sollte um Verzeihung bitten, 150 Gulden Schadensersatz und das Arztgeld bezahlen. 105 Wie in der Zwischenzeit das kirchliche Leben im Ort ablief, ist nicht mehr feststellbar. Wegen der Zwistigkeiten ist ein normaler Ablauf aber kaum vorstellbar. Die Fälle mit antiklerikalen Äußerungen sind keineswegs zu pauschalisieren. Zwar lag in den jeweiligen Interessen das Potenzial für Antiklerikalismus, die Grundlage des Verhältnisses zwischen Pfarrer und Dorfbewohnern war allerdings ein Miteinander und nicht der „Pfaffenhass“. 106 Pfarrer und Gemeinde waren oftmals sozial verbunden; so findet sich der Pfarrer auch bei vielen Feierlichkeiten des Dorfes als Teilnehmer.107
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Ebd., fol. 2r, 7r. Ebd., fol. 9r. Ebd., fol. 16r. Ebd., fol. 18r. Allerdings beschwerte sich der Kaplan, der mittlerweile Pfarrer in einem anderen Ort war, im Jahr 1504, dass die Familie Mauer eine Rate des Schadensersatzes nicht gezahlt hätte (ebd., fol. 19r). 106 GOERTZ, Antiklerikalismus; GOERTZ, Pfaffenhaß. 107 So etwa 1518 bei einem Schmaus auf die Osterkerze in Witterda: BAE, GG, älterer Bestand, VI l 84, fol. 30r.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
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3. Die Kirchenfabrik und der Einfluss der Gemeinde DIE KIRCHENFABRIK UND DER EINFLUSS DER GEMEINDE
Die Bezeichnung Kirchenfabrik tritt bereits in der Spätantike und im Frühmittelalter auf, bezeichnet aber in der Regel nur das Kirchengebäude. 108 Die folgenden Erläuterungen beziehen sich dabei auf das Niederkirchenwesen. Die Institution der Kirchenfabrik tritt zuerst in den Städten Italiens auf. Aus der Mitte des 12. Jahrhunderts ist sie aus Venedig, Florenz und Pisa überliefert.109 Nördlich der Alpen erscheint sie zuerst in Flandern sowie am Rhein. 110 Die frühesten Nachweise für Kirchenfabriken in Thüringen stammen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts.111 Allerdings ist das vermehrte Auftreten dieser Organisationsstruktur laut Schröcker in erster Linie nicht auf ihre Ausbreitung, sondern auf gleiche kirchenrechtliche Grundlagen zurückzuführen. 112 So ist nicht von einer Teilung des Dotalgutes auszugehen, sondern vielmehr von einer Neubildung des Fabrikgutes.113 Auch im gesamten Spätmittelalter werden die Pfründe, die eben auf die dos zurückgeht, und das Fabrikgut stets streng geschieden. In der Frühzeit der Fabrikgüter an Niederkirchen kam es hingegen vor, dass diese von Pfarrern verwaltet wurden und sich so die Vermögensmassen mischten.114 Allerdings sind diese Fälle streng genommen von der städtischen Kirchenfabrik zu trennen, da sich diese eben erst durch die Einsetzung von laikalen Pflegern auszeichnet.115
108 Zur Verwendung des Begriffes ausführlich: SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 72–74. Vgl. weiterhin REITEMEIER, Pfarrkirchen; KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 242‒247. 109 SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 35. 110 Die frühesten urkundlichen Belege stammen aus Straßburg (1224), Worms (1243) und Köln (1248). Allerdings handelt es sich hierbei ebenso wie bei einem Nachweis aus Halberstadt (1262) durchweg um Kathedralkirchen, vgl. SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 37. In England gab es „churchwardens“ eventuell bereits im 12., sicher aber im 13. Jahrhundert. 111 Dies sind Halle (1320), Sangerhausen (1341) und Erfurt (1360), vgl. ebd., S. 38. 112 Vgl. ebd., S. 42. Es finden sich auch keine Nachweise für eine Übernahme aus Italien; vgl. FEINE, Rechtsgeschichte, S. 419. 113 Vgl. SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 70 f. Dennoch so darstellend FEINE, Rechtsgeschichte, S. 371. 114 Vgl. SCHÖLLER, Organisation, S. 345. Der Widerspruch der bischöflichen Instanzen richtete sich in der Frühzeit der laikalen Kirchenfabrik nicht gegen diese als solche, sondern gegen die fehlende Beteiligung des Pfarrers an der Verwaltung; ebd., S. 348 f. 115 Schöller sieht die Selbständigkeit des Fabrikgutes auch erst durch die Einsetzung von besonderen „Administratoren“, betrachtet dies aber nicht als Beginn der eigenständigen Vermögensmasse. Diese Argumentation mag nicht recht zu überzeugen, da er selbst auf die Vermischung von dos und fabrica hinweist, wenn beide sich in Hand des Pfarrers befanden; SCHÖLLER, Organisation, S. 345.
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DIE KIRCHENFABRIK UND DER EINFLUSS DER GEMEINDE
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Die Kirchenfabrik war aber keineswegs eine rein städtische Institution, es gab selbstverständlich Fabrikvermögen an Dorfkirchen. Auch hier finden sich Nachweise bereits aus dem 13. Jahrhundert.116 Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts breitete sich die laienverwaltete Kirchenfabrik als eigener Verwaltungseinfluss der dörflichen Gemeinde auf ihre Kirche aus.117 Die Visitationsprotokolle zeigen den Endzustand dieser Entwicklung. In allen Regionen, in allen Dörfern des Untersuchungsgebietes war die Fabrik vorhanden. 118 Sie war selbstverständliche Basis der kirchlichen Finanzen vor Ort.119 Zwar gab es verschiedene Einflüsse auf die bäuerlichen Kirchenpfleger,120 ihre Existenz wurde jedoch nicht in Frage gestellt. Die Kirchenfabrik war die wichtigste Einflussmöglichkeit der Dorfeinwohner auf die kirchlichen Zustände vor Ort.121 Worin sind also die Entstehungsgründe der Fabriken zu sehen? In den Quellen treten die Fabriken entweder bei Bauarbeiten an der Kirche, für die ein Bauvermögen geschaffen wurde, oder bei Stiftungen hervor.122 Die ältere Forschung versuchte oft, die Entstehung aus einer Ursache, einem Auslöser abzuleiten. Die Kirchenpfleger wurden beispielsweise als Rechtsnachfolger der Kirchenvogtei gesehen. Ein zweiter Versuch war, das Fabrikgut komplett auf die Baulast zurückzuführen,123 und die dritte Hauptmeinung sah eine Ableitung aus dem Eigenkirchenrecht und dem Patronat.124 Später kam die Annahme hinzu, 116 SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 37 f. mit Beispielen aus dem Bistum Halberstadt. Der älteste Nachweis, der für eine thüringische Dorfkirche bisher gefunden werden konnte, stammt aus Schmidtstedt bei Erfurt aus dem Jahr 1372: StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 1; eventuell zeigt auch ein Nachweis aus Sättelstädt einen Laienpfleger im 14. Jahrhundert; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 753. 117 Beat Kümin stellte für englische Pfarreien ebenfalls eine Ausbreitung der genossenschaftlichen Kirchverwaltung im Spätmittelalter als Laieninitiative fest; KÜMIN, Parish, S. 19 f. Zur Situation in Westfalen vgl. FREITAG, Vechta, S. 59–62. Zur Situation im Umfeld Münchens vgl. THOMA, München. 118 V. a. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4; LASA, A 29a, II, Nr. 1b. 119 Sie war so selbstverständlich, dass die Visitatoren 1533 in Ettersburg ratlos waren, wie die nötigen Umbauten der Klosterkirche zur Dorfkirche bewerkstelligt werden sollten, da es an der Klosterkirche bisher kein Fabrikvermögen gab; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 614; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 94r. 120 Vgl. Kap. I.3.5 und I.6 dieser Arbeit. 121 Die Bedeutung dieses Einflusses und die enge Verbindung zum dörflichen Alltag werden in den nächsten Kapiteln verdeutlicht. 122 Vgl. REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 91 f. 123 So die Darstellung bei SCHÖLLER, Organisation, S. 345 f. 124 Vgl. die Forschungsgeschichte seit dem 16. Jahrhundert bei SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 32; REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 22‒27 sowie FUHRMANN, Kirche, S. 127‒131.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
dass die steigenden Schenkungs- und Stiftungssummen eine komplexere Verwaltung nötig gemacht hätten.125 Hier wurde auch erstmals eine Verbindung zur wachsenden Verwaltung in den Städten gezogen.126 Die Auslöser werden im Dunkeln bleiben, die Ursachen sind sicherlich ein Wechselspiel aus verschiedenen Momenten.127 Zwar waren die Kirchenfabriken keine rein städtischen Institutionen, in urbanen Gemeinwesen waren die Entwicklungsmöglichkeiten aber zweifellos besser. 128 Die Bevölkerung hatte ein hohes Interesse, dass ihre Stiftungen und Spenden in ihrem Sinne eingesetzt würden. Die Kirchenfabrik bot sich für diese treuhänderische Funktion an.129 Ob die Vermögensmasse nun aus der Baulast entstand, aus der Finanzierung des Lichts auf dem Altar130 oder aus der Verwaltung der Oblationen, diese Funktion bleibt immer zentral. Die prinzipielle rechtshistorische Perspektive, dass die Entstehung einem, allerdings unbekannten, festen Prinzip folgt, ist keineswegs gesichert. Ebenso ist eine von Ort zu Ort und Kirche zu Kirche unterschiedliche Entstehung dieser Vermögensmasse aus gleichen Motiven und kirchenrechtlichen Hintergründen denkbar. So macht schon Schröcker darauf aufmerksam, dass die Kirchenpfleger bei ihren Ersterwähnungen in verschiedenen rechtlichen Funktionen und Ämtern erscheinen.131 Es bleiben die zentralen Aufgaben der Kirchenfabrik: die Stiftungsverwaltung und der Unterhalt des Kirchengebäudes. Diese Funktionen nahm sie vermeintlich in dauerndem Konflikt zu Pfarrer und kirchlicher Verwaltung wahr.132 Mit dem Ende des Eigenkirchenwesens ordnete sich die kirchliche Verwaltung neu. Starke und selbstbewusste Kirchgemeinden – städtische wie dörfliche – sicherten sich einen Teil der Kontrolle über das Vermögen. Dies geschah sowohl aus Sorge um 125 Diese These vertrat v. a. SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 56. Wobei die jüngere Forschung davon Abstand nahm; REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 93. 126 SCHULTZE, Stadtgemeinde, S. 128‒134. 127 Arnd Reitemeier listet als Ursachen für die rechtliche Entwicklung die Sorge um das Seelenheil, die Entwicklung des Stiftungswesens, die Bedeutung des Hospitals, den Send und eine Verwaltungsentwicklung auf; REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 94‒102. Wobei die jeweiligen Gründe kaum gleich bewertet werden können. 128 Die Betonung der Kirchenfabriken als laikalem Vorstoß gegen die kirchliche Verwaltung und kirchlichen Grundbesitz bei: PLEIMES, Stiftungsrecht, S. 24 f. Dies ist sicher nicht direkt auf die Landgemeinden zu übertragen. 129 Vgl. SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 57. 130 So FUHRMANN, Kirche, S. 71‒78. 131 So als Gemeindevertreter, Geistliche, Vertreter der Zünfte oder der politischen Gesamtgemeinde; SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 50. 132 Schröcker nimmt die Spannungen als Grundlage an und leitet sie aus der Entstehung des Fabrikgutes aus einem Teil des Dotalgutes der Kirche ab; SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 71 und S. 91. Dies widerspricht seiner eigenen Meinung, diese Art der Bildung der Vermögensmasse sei auszuschließen.
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das Seelenheil als auch aus Abgrenzung zur gesamtkirchlichen Verwaltung. Für die Stifter stellte die Kirchenfabrik eine Garantie für eine dauerhafte Umsetzung ihrer Stiftungen dar.133 Zu einem ursprünglichen Fabrikgut, das vorrangig aus der Erhaltung des Kirchengebäudes entstand, kamen also weitere treuhänderische und verwaltende Aufgaben hinzu.134 Die Kirchenfabrik konnte so als Empfängerin der Stiftungen oder auch nur als Trägerin solcher auftreten. Die Baulast des Kirchengebäudes, zu der auch dessen Unterhalt zählt, stellte die kirchliche Verwaltung vor erhebliche Aufgaben. Verschiedene rechtliche Personen sollten in einzelnen Fällen für Bauaufgaben aufkommen. Dies betraf je nach Rechtsstatus der Kirche den Inkorporationsträger, den Pfarrer, die Parochianen oder die Zehntinhaber. Schöller resümiert, dass man „im 12. und 13. Jahrhundert von einer einheitlichen Regelung der Pfarrkirchenbaulast weit entfernt [war], sieht man davon ab, daß auch hier wohl die primäre Baulast stets auf dem Fabrikvermögen ruhte, sofern solches vorhanden war. Regionale und lokale Gewohnheiten bestimmten vielmehr das Bild“. 135 So ist es durchaus denkbar, dass die Entstehung einer Fabrik aus aktuellen Bauvorhaben resultierte. Die Frage der Baulast an den Dorfkirchen wird in späteren Kapiteln erörtert. Hierbei herrschten ebenfalls keine einheitlichen Zustände vor.136 Die beschriebene Reihenfolge des Auftretens ist kein Zufall. Die Verbreitung der Kirchenfabriken ist in engem Zusammenhang zur Entwicklung der städtischen Verwaltung zu sehen. In den früher urban geprägten Regionen Norditaliens und des Niederrheins war eine komplexere Verwaltung eher nötig. Bei der Ausbreitung der Fabriken in den Regionen ist eine Vorbildfunktion nicht völlig auszuschließen. Somit ist auch die rechtshistorische Theorie mit Vorsicht zu betrachten, steht doch immer die Frage im Raum, wie sich Norm und Praxis zueinander verhielten. Eine zentrale Bedeutung bei der Entstehung der einzelnen Fabrik hatte wohl eine spontane, gewohnheitsrechtliche Entwicklung in der jeweiligen Gemeinde, die von den Machtverhältnissen vor Ort bestimmt war.
133 Zu den verschiedenen Stiftungstypen (selbständige Hauptgeldstiftung, ratsangelehnte und ratsabhängige Verwalterstiftung): PLEIMES, Stiftungsrecht, S. 75 ff. bzw. S. 106 ff. 134 Die umstrittenste dieser Funktionen war die treuhänderische Entgegennahme der Oblationen. Zu dem Streit um das Recht an den Oblationen zwischen Kirchenverwaltung und Gemeinde vgl. Kap. I.2 dieser Arbeit und SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 69 ff. 135 SCHÖLLER, Organisation, S. 358. Allerdings zieht Schöller diesen Schluss aus Beispielen aus dem ganzen Reich und Frankreich über eine Spanne von 200 Jahren. Regionale und zeitliche Unterscheidungen werden so kaum deutlich oder sind mit den vorhandenen Quellen nicht möglich. Er verweist weiter auf die unklare Rolle des Patronates bei der Verteilung der Baulast. 136 Vgl. Kap. I.3.3 und I.5.1.
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Ob dabei eine Stiftung, Oblationen oder Bauarbeiten der Auslöser waren, ist nur in sehr wenigen Fällen nachweisbar. Sobald eine Fabrik vorhanden war, mehrte sich ihre wirtschaftliche Bedeutung sowohl durch Bau als auch durch Stiftungen.
3.1. Alterleute Den Kirchenfabriken standen in der Regel zwei Verwalter vor. Nur in wenigen Fällen findet sich an einer Dorfkirche ein einzelner Vorsteher. Diese Verwalter trugen verschiedene Namen. In Thüringen hießen sie meist „Alterleute“.137 Ihnen kamen verschiedene Aufgaben zu. In erster Linie waren sie direkte Ansprechpartner für die Institution Kirchenfabrik. Somit waren sie persönlich für die genannten Aufgaben der Fabriken – vor allem Bauunterhalt und Stiftungsverwaltung – zuständig. Das Amt des Altermannes war ein Gemeindeamt. Das heißt, dass die Gemeinde die Alterleute aus ihrer Mitte wählte und bestimmte.138 Ein herrschaftlicher Einfluss auf diese Besetzung lässt sich in keinem Fall zeigen. Die Ämtervergabe war vielmehr wie im Falle der Heimbürgen Teil der gemeindlichen Organisation, wie verschiedene Dorfordnungen und Dorfgewohnheiten zeigen. So wurde 1480 in Rothenstein festgehalten, dass die alterleuth jährlich am Sonntag Judica vor dem Schultheißen und der ganzen Gemeinde in ihr Amt eingeführt werden sollten. Bei der Besetzung der frome wolbesessene biedermenner wurde üblicherweise der Pfarrer um Rat gefragt.139 In einigen Fällen nahm der Pfarrer auch
137 Regionale Unterschiede sind dabei festzustellen. In Westthüringen um Berka/Werra werden die Verwalter als Heiligenmeister bezeichnet, da sie das Gut des Heiligen verwalteten, vgl. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 38r. Der Begriff „Altermann“ leitet sich wohl von „Ältester“ ab. „Alterleute“ erscheint auch bei Gilden, etwa im Hanseraum, als Begriff für die Vorsteher genossenschaftlicher Verwaltung. Aber auch ein Bezug zum „Altar“ ist nicht auszuschließen. Der „Altarmann“ wäre in diesem Falle als Verwalter des Altargutes zu verstehen; HERRMANN, Kirchner. 138 Große Ähnlichkeiten bestanden zur Institution der Heimbürgen; WIEMANN, Heimbürge. Vgl. WEISS, Landschafft, S. 63 f. In einigen Regionen des Reiches war die Wahl verpflichtend. SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 125 f. mit einem Beispiel, in dem ein Kirchmeister, der seine Wahl abgelehnt hatte, gerichtlich belangt wurde. Zum Amt der „churchwardens“ in England, deren Wahl und der Auswahl der Amtsinhaber vgl. KÜMIN, Parish, S. 22–42. Viele Ergebnisse sind dabei mit den Zuständen in Mitteldeutschland vergleichbar. Zur groben Struktur in Westfalen vgl. FREITAG, Vechta, S. 60 f. 139 Die Dorfordnung von Rothenstein von 1480, vgl. STICKEL, Rothenstein, S. 480.
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an der Wahl teil.140 Meist hatten die Alterleute keine feste Amtszeit. Hierbei gab es aber starke Unterschiede zwischen den einzelnen Dörfern. In einigen Dörfern wurde jedes Jahr einer der beiden Amtsträger ersetzt, in Ammerbach bei Jena hingegen wurden jedes Jahr beide Posten neu besetzt, wobei einige in einem dreijährigen Turnus wieder im Amt erscheinen.141 Eine Arbeitsteilung ist nicht ersichtlich. Es galt schlicht das Vier-Augen-Prinzip.142 Zu den festen Aufgaben gehörten die Sorge um die Vasa Sacra, das Bereitstellen von Wachs, Wein und Hostien, die Kontrolle des Zustandes der Kirche und des Kirchhofs, das Eintreiben der Zinsen, die Verwahrung des Barbestands, die Organisation von Bauarbeiten, die Vergabe von Handwerksaufträgen, das Tätigen von Geschäften im Namen der Kirche. 143 Es war, das zeigt sich an dieser Aufgabenfülle, ein zeitaufwendiges Amt. Natürlich stammten die Alterleute eher aus den reichen Familien des Ortes. Neben ihrer Stellung in der Gemeinde spricht dafür vor allem das Vermögen, das für das Amt nötig war. Bereits für die Kirchenfabriken an den Stadtkirchen wurde darauf hingewiesen, dass ein gewisser Wohlstand für das Amt vonnöten war, da die Alterleute mit ihrem eigenen Vermögen hafteten.144 Traf dies in den Stadtkirchen in den seltensten Fällen zu, da deren finanzielle Ausstattung sehr gut war und sie beinahe immer positive Jahresergebnisse erzielten,145 trat der Fall in den Dörfern öfter ein. Die Alterleute mussten nach der Rechnungslegung sofort das überschüssige Geld oder die Schulden darlegen und gegebenenfalls ausgleichen. Nur selten sind dabei Unzulänglichkeiten festzustellen. 146 In einigen Fällen deckten die Visitationen aber auf, dass ehemalige Alterleute noch immer Schul140 Dies führte des Öfteren zu Streit. In Gossel wollte die Gemeinde 1545 Alterleute ohne Beteiligung des Pfarrers wählen; LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Ichtershausen, 140a. In Friemar segnete der Pfarrer auch höhere Ausgaben der Fabrik ab, hatte also eine Art Aufsichtsfunktion über ihre alltäglichen Geschäfte; BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 37. 141 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602. 142 Lediglich in Riethnordhausen lässt sich ein Oberalterman und ein Compan nachweisen. In Aspach gab es einen zugesatzten Compan. Nur aus diesen Bezeichnungen sind aber nicht eindeutig getrennte Zuständigkeiten ersichtlich; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3173, fol. 1r; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3119. 143 Gab es im Ort weitere Einrichtungen, die unter Einfluss der Alterleute standen (liturgische Stiftungen, Hospitäler, etc; vgl. Kap. I.4 dieser Arbeit), gehörte ihre Verwaltung freilich auch zu den Aufgaben der Alterleute. 144 REITEMEIER, Geschlechter, S. 87. 145 Vgl. SLADECZEK, Prinzipien, S. 113 f; für Arnstadt: SLADECZEK, Pfarrkirchen, S. 225 f. 146 In Holzhausen wurde 1533 verfügt, dass es bei dem Ausgleich der Finanzen durch die Alterleute zu keinen Verzögerungen mehr kommen soll; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 250v.
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den bei der Kirchenfabrik auszugleichen hatten. 147 Die Alterleute der Kirche legten mitunter einzelne Beträge im laufenden Rechnungsjahr aus, die sie später erstattet bekamen.148 Das Amt des Altermannes war ein Ehrenamt. Lediglich in Gehren findet sich im 16. Jahrhundert ein Lohn in Höhe von zwei Gulden pro Jahr für die Dienste.149 Bisweilen bekamen beide aber einen Ausgleich in Form von Naturalien. Der Oberalterman von Riethnordhausen erhielt für die Treffen mit seinem Compan und dem Schreiber sowie für das Eintreiben der Zinsen eine Vergütung in Form von acht Hühnern und einer Gans. 150 In allen Dörfern dürfte es solche gewohnheitsrechtlichen Regelungen gegeben haben.
Abb. 2: Inschrift an der Kirche von Backleben, Lkr. Sömmerda
147 So etwa in Gospenroda, wo beide Alterleute fünf bzw. acht Schock Groschen Schulden hatten; vgl. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 40r–40v. 148 In Steudnitz bezahlten die Alterleute 1568 zunächst eine große Menge Ziegel für Bauarbeiten, bekamen es aber im selben Rechnungsjahr zurück; PfA Wetzdorf, Schrank 6, 1. Fach, 9. Karton, lfd. Nummer 623–732, Kirchenrechnungen Steudnitz 1539–1584, fol. 113v. 149 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4336 ff. 150 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3173, fol. 1r. In Leutenberg wurde den Alterleuten eine Zerung erstattet; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2561, fol. 17r. So auch in Großmonra, wo die Alterleute ihre eigene Zehrung zu festen Terminen abrechneten; BAE, Marienstift, VII, e4, 4, Vol. 1, fol. 16r. Zu Entlohnungen im Dekanat Vechta vgl. FREITAG, Vechta, S. 62.
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In der dörflichen Gemeinde wurden die Ämter der Alterleute nach dem Ansehen der Familie und dem persönlichen Reichtum verliehen. Es war selbst mit einem gewissen Ansehen verbunden; hatten die Verwalter doch eine hohe Verantwortung für alle Einwohner des Dorfes. Ihnen wurde in Form von Stiftungen und Spenden Geld anvertraut und sie waren für die Organisation des kirchlichen Lebens im Ort zuständig. So verewigte sich Valentin We[ber?], Altermann in Backleben, nicht ohne Stolz mit einer Inschrift an der Außenwand der Kirche (Abb. 2). In Tautenburg wurden die Alterleute in der Rechnung von 1537 respektvoll als die vorsichtigen bezeichnet.151 Was meint dieser Begriff? Es ist nicht als mutlos, zurückhaltend oder gar ängstlich zu verstehen. Vielmehr ist es ein Lob auf die Tugenden der Alterleute. Diese kümmern sich um die Finanzen des Kirchenbaues und um Stiftungen. Sie sind Vertrauensträger der Gemeinde, Mittler zwischen Bevölkerung und Pfarrer sowie Vorbilder des öffentlichen Lebens. Ihre Rolle füllen sie umsichtig, verantwortungsvoll und verständig, also ‚vorsichtig‘ aus.152 Die persönlichen Beweggründe, ein solches Amt zu übernehmen, sind nur schwer zu ergründen. Das angesprochene Ansehen im Dorf mag eine wichtige Rolle gespielt haben. Eine bewusste Verantwortungsübernahme für die Gemeinde ist ebenso wahrscheinlich; sicher dürften es einige Altermänner als frommes Werk betrachtet haben. All diese Gründe schlagen sich im Gegensatz zu einem sehr praktischen Argument aber nicht in den Quellen nieder: Die Alterleute hatten einen großen Einfluss auf den Umgang mit dem Grundbesitz der Kirche und auf die Organisation der Bauarbeiten an der Kirche.153 In den Dörfern mit dem oftmals knappen Grundbesitz boten die Erbzinsgüter der Kirche eine Möglichkeit, zusätzlichen Boden für die Familie zu akquirieren. Dass dies keine theoretischen Überlegungen sind, zeigen verschiedene Kirchenrechnungen. In Schmidtstedt bei Erfurt (Wü.) finden sich die Familien der Alterleute 1512 unter den Erbzinsschuldigen.154 Ein weiteres Beispiel bietet Thomas Naubauer, der ab 1546 viele Jahre Altermann der Kirche von Knobelsdorf war. In dieser Zeit hatte er mehrere Erbzinsgüter der Kirche inne, bezog wiederkäufliche Zinsen und kaufte Getreide vom Kirchenland.155 Das Amt des
151 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 1r. 152 Im Mittelhochdeutschen ist auch die Bedeutung „voraussehend“ nachgewiesen, vgl. ETYMWB, S. 1270. 153 Arnd Reitemeier wies auf die Vergabe von Handwerksaufträgen durch die Verwalter der Kirchenfabrik hin; vgl. REITEMEIER, Geschlechter, S. 91. 154 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 46v. 155 ThStA RU, 5-16-3200, 2902, fol. 2r ff.
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Altermannes wurde häufig in der Familie übergeben.156 Selbst in größeren Dörfern befanden sich die zwei Posten meist in den Händen weniger Familien. Weiterhin finden sich Beispiele, dass Vertreter einer Familie gleichzeitig einen Heimbürgen und einen Altermann stellten. In Dietendorf war 1539 Berlt Fischer Altermann, während Wolf Fischer Heimbürge war. Der zweite Heimbürge dieses Jahres, Hans Ritter, war ein Verwandter des Cord Ritter, der 1540 Altermann wurde.157 In den Dörfern wie in den Städten dürften diese praktischen Gründe, ein Pflegeramt anzutreten, höher einzuschätzen sein, als die vom Glauben motivierten. Dennoch dürfen auch diese nicht unterschätzt werden. War doch ein solches Amt mit seinem Renommee bei korrekter Verwaltung des Kirchenbesitzes Teil eines wahrhaft ‚frommen‘ Lebens.
3.2. Einnahmen Wie Arnd Reitemeier zutreffend feststellte, gründete der Haushalt einer Kirchenfabrik nicht auf einem einheitlichen Einkommen, sondern auf einer Vielzahl an einzelnen Rechten.158 Zwischen den einzelnen Kirchen gab es dabei große Unterschiede, nicht zuletzt in der Einteilung der Rechnungskonten. Dennoch lassen sich die Posten in Gruppen fassen, die in allen Rechnungen wiederkehren. Für die Kirchenfabriken in den Dörfern kann pauschal festgehalten werden, dass die Einkünfte aus Grundbesitz und aus eigener Landwirtschaft einen noch größeren Anteil hatten, als dies bereits in den Städten der Fall war. Wegen der schlechten Überlieferungslage und der meistens ungenaueren Rechnungsführung können aber keine vergleichenden Statistiken erstellt werden, wie dies für Stadtkirchen geschehen ist.159 Durch Stiftungen und Schenkungen gelangten die Kirchenfabriken immer wieder in den Besitz von Grundstücken. Wenngleich der Grundbesitz einer Dorfkirche natürlich nicht den Umfang einer Stadt- oder Klosterkirche erreichte, konnten auch sie bedeutende Grundherren in einer Region werden. 160 Die 156 So etwa in Schmidtstedt, wo 1508 ein Mitglied der Familie Schrot durch ein anderes ersetzt wurde; StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 5r) oder in Trockenborn, wo selbiges in den 1520er Jahren geschah (PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26, fol. 9r). 157 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3127, fol. 10r–12v. Dietendorf ist aufgegangen im heutigen Neudietendorf (Lkr. Gotha, ca. 10 km südwestlich Erfurt). 158 REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 395‒479. 159 Vgl. SLADECZEK, Arnstadt; SLADECZEK, Pfarrkirchen. Zu englischen Pfarreien: KÜMIN, Parish, S. 103–125. 160 In diesem Teilkapitel werden die Pachtzinsen von Grundbesitz behandelt. Für die Geldzinsgeschäfte der Fabriken vgl. v. a. Kap. I.3.6 dieser Arbeit.
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Zinseinnahmen stellten dann wichtige Posten in den Einnahmen einer Kirche dar. Die Kirchenfabrik von Edersleben erzielte 1506 Einnahmen in Höhe von 21 Schock Groschen. 161 Diesen Einnahmen standen keine direkten Ausgaben gegenüber, sodass die Verwalter damit haushalten konnten. Allerdings waren in der Vorreformationszeit keineswegs alle Grundzinsen auf Geld umgestellt, Naturalabgaben waren weiterhin vertreten. Diese gingen ebenso aus Pachtverträgen hervor, wie in Teichröda, wo die Kirchenfabrik 1434 einen Acker für vier Pfund Wachs jährlich verpachtete. 162 In vielen Fällen besaßen Fabriken auch Grundstücke in anderen Dörfern. Dies schlägt sich sodann in einigen Fällen auch in den Kirchenrechnungen nieder, in denen die Alterleute die Zinsen in solche im eigenen Dorf und ußwirdiß czinse schieden.163 Diese Zinsen konnten verschiedene rechtliche Formen haben. In der Regel waren es Erbzinsen, aber auch Gattergelder erscheinen.164 Grundbesitz der Kirche wurde nicht per se auf Zins ausgegeben, sondern stand in vielen Fällen auch in Verwaltung und Nutzung der Fabrik selbst. Bereits für die Fabriken verschiedener Stadtkirchen wurde festgestellt, dass diese eigenen landwirtschaftlichen Betriebe große Bedeutung für den Haushalt hatten.165 Bei den Dorfkirchen finden sich z. B. Holzrechte. In Gehren wurde ein Teil des Kirchenwaldes verpachtet, von einem anderen Teil wurde das Holz selbst verkauft. Dies war keine beiläufige Aktion, sondern wurde mit einem Schmaus begangen.166 Dieser Grundbesitz entstand meist durch Stiftungen und Schenkungen. In Ehringsdorf ging der kirchliche Waldbesitz auf eine Stiftung Graf Friedrichs I. von Weimar-Orlamünde aus dem Jahr 1318 zurück.167 Natürlich gehörten auch Felder und Wiesen zur Bewirtschaftung der Fabriken. Oft werden die Ausgaben für die Bewirtschaftung genannt, ohne dass Einnahmen aus dem Verkauf aufgeführt wären.168 Dies legt die Vermutung nahe, dass die Kirchenfelder eine äußerst wichtige Bedeutung für die Selbstversorgung der Gemeinde hatten. In vielen Fällen findet sich die Beschreibung, dass die Gemeinde die Äcker für die Kirche bewirtschafte.169 In einigen Quellen wird 161 162 163 164 165 166
LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1, fol. 3r. FLEISCHER, Rudolstadt, S. 175. So etwa 1503 in Niederwillingen; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5675, fol. 1r. Etwa in Alkersleben; LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 20r. SLADECZEK, Pfarrkirchen, S. 213 f. LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4338, fol. 4v. Auch die Kirche in Hayn verfügte etwa über 9 Acker Holz, StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 84r. Die Kirchenfabrik von Umpferstedt verfügte über ein Weidicht; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 92r. 167 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 91r. 168 Vgl. Kap. I.3.3. 169 Etwa im Erfurter Pfarrlehenbuch für Ulla, Obernissa und Urbich (StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 65v, 83r, 85v)
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auch eine recht große Menge Korn als Vorrat der Kirche bezeichnet, so 1524 in Bindersleben zwölf Malter Korn.170 Dies lenkt den Blick auf die Speichermöglichkeiten, die für das Kirchengetreide vorhanden gewesen sein müssen. Für einige Kirchhöfe sind Gaden archivalisch oder bauhistorisch nachgewiesen.171 Eine Besonderheit stellen die Speicherkirchen dar, die Hopf und Müller in einigen Regionen feststellen konnten.172 In diesen Fällen, die sich vor allem in einem engen Gebiet südlich von Arnstadt finden, erfolgte im 14. und 15. Jahrhundert ein befestigter Ausbau des Kirchhofes. Zusätzlich wurde das Kirchenschiff mehrfach erhöht, sodass sich oberhalb des eigentlichen Kirchenraumes mehrere Speicherböden befanden. Der Kirchhof bot in solchen oder ähnlichen Fällen Schutz für die Menschen eines Dorfes und ihre Grundversorgung. Daneben wurden die Kirchhöfe aber auch wirtschaftlich genutzt. Hier standen in vielen Fällen Bienenstöcke, die von den Alterleuten verwaltet wurden.173 In Bodnitz wurde auf dem Kirchhof Hopfen angebaut.174 Selbst Viehwirtschaft war mitunter auf dem Kirchhof eingerichtet. In verschiedenen Dörfern gab es einen Schweinekoben auf dem Kirchhof.175 In Ammerbach wurden Birnen von Bäumen an der Kirche verkauft.176 Besondere Beachtung verdienen die Weinberge der Kirchenfabriken. Während für einige Orte nur ihre Existenz nachweisbar ist,177 zeigt sich in anderen Fällen auch die Bedeutung. In dem Mauaer Filial Leutra gab es zwar etliche 170 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 112r. 171 HOPF/MÜLLER, Kirchen, S. 70; HOPF, Herpf, S. 101; HOPF, Walldorf, S. 111 f. Archäologisch wurden Gaden mit verkohltem Weizen auf dem Kirchhof von Stepfershausen bei Meiningen festgestellt; SPAZIER/BARKE, Untersuchungen, S. 62. Auf dem Kirchhof der Großengotterner Martinikirche hat sich ein Gadenkeller erhalten. Zwar gehört er heute nicht zum Grundstück des Friedhofs, liegt aber deutlich in seinem Verband, sodass er ursprünglich zum Kirchhof gehört haben könnte. 172 HOPF/MÜLLER, Kirchen, S. 71–74. 173 In den meisten Fällen waren es zwei Bienenstöcke, wie in Kleinmölsen und in Reichenbach im Holzland (StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 60r; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 158r). In einigen Fällen erreichte die Bienenwirtschaft aber auch eine veritable Größe, wie in Großpürschütz, wo elf Stöcke zur Kirchenfabrik gehörten; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 283v. 174 AGBM II, Nr. 1091, S. 8. 175 Ein Koben findet sich etwa in Niederwillingen; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5687, fol. 9r. Dies überrascht, da die Gemeinden in der Regel große Sorgfalt bei der Erhaltung der Kirchhofsmauern walten ließen, um den Kirchhof vor Viehfraß zu schützen; vgl. die crurifragae, Beinbrecher an den Kirchhöfen: BÜNZ, Memoria, S. 291, Anm. 130. 176 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602, hier 1592 (ohne Foliierung). 177 So etwa in Hopfgarten (StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 77v) und Utenbach (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2023).
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Weinberge der Kirche, aber die Hälfte war verlassenn. 178 Dieses Beispiel steht jedoch allein. Gerade in den Dörfern im Saaletal um Jena wird die Bedeutung des Weinbaus in dieser Region deutlich. Die Kirche in Lichtenhain unterhielt eine eigene Kelter und bezahlte Leute zum Abholen der großen Weinmenge. 179 Wahrscheinlich wurde der Wein wie der aus dem Nachbardorf Ammerbach normal gehandelt. Der Ammerbacher Wein fand seinen Weg bis auf den kurfürstlichen Tisch.180 In Ammerbach zeigt sich die Bedeutung des Weinverkaufs in der Rechnungsführung. Hier wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein eigenes Konto für die Verwaltung des Weinberges angelegt. Nicht selten war der Weinverkauf die Rettung für den kirchlichen Haushalt. 1548 übertraf in Ammerbach die Einnahme die Ausgabe um 13 alte Schock Groschen, nicht zuletzt wegen des Weinverkaufs in Höhe von 24 alten Schock Groschen.181 Nicht nur im Saaletal konnte der Weinbergbetrieb wichtig für eine Dorfkirche sein. Auch im schwarzburgischen Zeigerheim bei Rudolstadt unterhielt die Fabrik eine eigene Kelterei. 1549 wurde gar ein Schmaus mit Fleisch für den Tag des Kelterns abgerechnet.182 1570 wurde Wein für drei Gulden an den Stadtilmer Rat verkauft.183 Welch hohe Bedeutung die Kirchenfabrik für die Organisation der Gemeinde besaß, zeigt sich auch an ihren Einnahmen aus Nutzungsabgaben. Üblicherweise befand sich das dörfliche Brauhaus im Besitz der Fabrik. Für die Nutzung mussten die Einwohner einen bestimmten Betrag entrichten.184 Dieses Prinzip der Verwaltung kann für das gesamte Untersuchungsgebiet festgestellt werden.185 Die Bedeutung dieser Einnahmen zeigen etwa auch die Verfügungen der Visita-
178 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 149v. Einen Teil ihrer Weinberge gab auch die Leutraer Fabrik auf Zins aus; daraus erzielte sie einen Schock und sechs Groschen. 179 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Jena, Rechnungen Lichtenhain, 1555, fol. 3r, 5r. Auch in vielen anderen Dörfern unterhielten die Kirchenfabriken Kelterhäuser. So etwa in Jenaprießnitz: LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 137v. 180 KOCH, Ammerbach. 181 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach, fol. 15r. Für die Bedeutung des Weinverkaufs für die Liebfrauenkirche in Arnstadt; vgl. SLADECZEK, Pfarrkirchen, S. 213–215. 182 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2524, fol. 7v. 183 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2525, fol. 1v. 184 So etwa in Dienstädt 1506: PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 1r. In Edersleben betrug diese Abgabe vier Groschen für einen Brauvorgang; LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1, fol. 3v. 185 Eine Auflistung der nachgewiesenen Brauhäuser und Braupfannen würde deutlich den Rahmen sprengen. Es sei auf die vielen Brauhäuser im Erfurter Pfarrlehenbuch verwiesen.
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tion 1533 in einigen Orten, dass Brauhäuser eingerichtet werden sollen, um das Einkommen des Gotteshauses zu verbessern.186 Neben den Brauhäusern der Gemeinde erstreckte sich dieses Organisationsprinzip auch auf andere Einrichtungen wie Backhäuser, Schenken oder Teiche.187 Für das Erfurter Umland lässt sich feststellen, dass in einer Vielzahl Dörfer die Waidmühle in kirchlicher Verwaltung war; in Hochstedt waren es gar zwei.188 Wichtig für den Haushalt der Kirchen waren nicht zuletzt Einnahmen aus Stiftungen und Sammlungen. Die Kirchenfabriken wurden in den Landgemeinden normalerweise als Stiftungstreuhänder eingesetzt.189 Daneben profitierten sie aber selbst von verschiedenen liturgischen Stiftungen und Testamentsverfügungen. Sinnbildlich kann eine Messstiftung aus Dienstädt stehen. 1506 richtete Heinz Holbling eine Weihfastenmesse ein, für die er ein Grundstück im Ort an die Kirchenfabrik gab. Die Zinserträge des Grundstücks wurden von den Alterleuten auf den Pfarrer, den Kirchner und die Kirchenfabrik zur Umsetzung der Stiftung aufgeteilt.190 Andererseits konnte Besitz auch direkt der Kirchenfabrik vermacht werden. So empfingen die Alterleute von Molschleben 1499 eine Hütte auf dem Kirchhof.191 Wichtiger für den Haushalt der Gotteshäuser waren aber noch die Opfergaben der Gläubigen. Wie erwähnt waren diese oft Gegenstand von Streitigkeiten mit dem Pfarrer.192 Bei den Opfergeldern, die die Verwaltung der Kirche erhielt, sind verschiedene Arten zu unterscheiden. Erstens einzelne Geldschenkungen, die für einen bestimmten Zweck vorgesehen waren, etwa zur Anschaffung von Textilien oder für den Kirchenbau. 193 Dies waren einmalige Gaben, die dem 186 So in Rothenstein (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 148r) und Catharinau (ebd., fol. 356v). 187 Ein gemeindlicher Backofen in Kirchenverwaltung findet sich etwa in Kösnitz; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 420v. Die Abgabe aus der Schenke in Großwelsbach; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 95r. In Knobelsdorf stand Mitte des 16. Jahrhunderts ein Hirtenhaus unter Verwaltung der Kirche; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2905. 188 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 73r. Auch in ernestinischen Dörfern finden sich Waidmühlen, etwa in Ballstedt und anderen Dörfern nördlich des Ettersberges; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 72v. Dies ist also kein Zeichen für den Einfluss des Erfurter Stadtrates auf die Kirchen des Erfurter Landgebietes, vgl. Kap. I.6 dieser Arbeit. 189 Vgl. Kap. I.3. 190 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 19r. 191 GEBHARDT, Molschleben, S. 14 f. 192 Vgl. Kap. I.2 dieser Arbeit. 193 1507 erhielt die Dienstädter Kirchenfabrik ein Schock Groschen als Einzelspende für ein Messgewand; PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 4r. 1496 erhielten die Niederwillinger Alterleute fünf neue Groschen, ebenfalls für ein Messgewand; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5674, fol. 1v. Eine Einwohnerin Friemars stiftete einen Gulden für eine Kasel im Rahmen eines Seelgeräts; BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 33.
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freien Haushalten nicht zur Verfügung standen. Sie waren aber für die Finanzierung einzelner Anschaffungen unerlässlich. Weiterhin erhielten die Fabriken Sachspenden, die meist sofort verkauft wurden. Der Erlös fand Eingang in das Kirchenvermögen.194
Abb. 3: Spendenstock aus der Kirche von Nottleben, Lkr. Gotha
Wichtiger waren die Sammlungen als stetes Einkommen.195 In vielen Kirchen haben sich Opferstöcke aus dem Spätmittelalter und dem 16. Jahrhundert erhalten (Abb. 3). Auch hierbei sind verschiedene Formen zu unterscheiden, die im Folgenden am Beispiel der Kirche von Niederwillingen gezeigt werden sollen. 194 1505 verkauften die Niederwillinger Alterleute einen Mantel: LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5676, fol. 4v. 195 KROOS, Opfer; zu Spendennischen am Außenbau von Erfurter Stadtpfarrkirchen: MEISSNER, Spendennischen. Ebd., S. 29, legt Meißner dar, dass diese Nischen eher für Ortsfremde gedacht waren, weshalb es sie an Dorfkirchen deutlich seltener gibt. Ein thüringisches Beispiel bietet die Nische an der Südwand der Kirche in Tegkwitz. Vgl. zu den Spendennischen an den Erfurter Stiftskirchen St. Marien und St. Severi; HARTLEITNER-WENIG, Baufinanzierung.
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Zunächst hatten die Alterleute die Möglichkeit, bei besonderen Vorhaben, für die viel Geld benötigt wurde, wie etwa Bauarbeiten, eine Sammellizenz zu erlangen. Mit dieser konnten sie Sondersammlungen auch in anderen Orten durchführen.196 Für regelmäßige Gaben der Gottesdienstbesucher standen in den Kirchen Stöcke und Kisten. In Niederwillingen gab es einen Stock unser libn frowenn, der also vor einem Marienbild stand. 1511 wurden mit ihm 40 Groschen gesammelt.197 Weiterhin wurden die Kirchenbesucher mit Sammeltafeln direkt zum Geben aufgefordert.198 In vielen Fällen trugen diese Tafeln Bilder der Kirchenpatrone, sodass jeder Spendende sofort sah, wem er das Geld gab, nämlich dem Heiligen, dem die Kirche geweiht war. In Niederwillingen hatte die Tafel eine Abbildung des hl. Bartholomäus. 1488 wurden damit 22 Groschen gesammelt.199 Die Alterleute erbaten auch zu bestimmten Festtagen vor der Kirche Geld, wohl beim Verlassen nach der Messe: v schneeberger auff bartholo vor der Kirchen.200 In den meisten Kirchen gab es feste Feiertage, an denen gesammelt wurde. In Niederwillingen betraf es neben dem Tag des Bartholomäus auch die Kirmes. 201 In Schmidtstedt wurden am Tag der Kirchenpatrone Cosmas und Damian ein Schock und 47 Groschen In die taffeln gegeben.202 Am Beispiel Schmidtstedt lässt sich noch ein weiterer Grund zum Sammeln zeigen: Ablässe. Für Dorfkirchen bildeten Ablässe eine große Chance, Menschen 196 Vgl. allgemein und zu den entsprechenden Beispielen aus Niederwillingen Kap. I.5.1 dieser Arbeit. 197 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5678, fol. 1v. 1521 wird der Stock gar als vor unßer liebn frawn altar beschrieben und erbrachte zehn Schock Groschen; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5679, fol. 2v. Vgl. den spätgotischen Opferstock aus der Kirche in Nottleben, der sich heute in der Erfurter Reglerkirche befindet (Abb. 3). 198 Beschreibung und Abbildung einer solchen Sammeltafel: KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 243 f. 199 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5673, fol. 1v. In Niebra stand alles, was die Alterleute mit den Tafeln in der Kirche sammelten, nur dem Kirchenbau zu; LATh–StA Altenburg, Urkunden, 1472 Oktober 4. 200 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5679, fol. 2r. Auch bei der großen Sammlung 1511 wurde zusätzlich vor der Kirche erbeten, LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5678, fol. 10r. Die Tegkwitzer Alterleute sammelten mit zwei Tafeln, vermutlich ebenfalls in und vor der Kirche; PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 148. 201 Diese Kombination der Sammeltage aus Kirmes und Tag des Kirchenpatrons findet sich in vielen Orten. Z. B. wurde auch in Edersleben zur Kirmes und am Bartholomäustag gesammelt. Daneben gab es eine Sammlung mit der Osterkerze, wie es auch aus verschiedenen Städten bekannt ist; LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1, fol. 5r; SLADECZEK, Pfarrkirchen, S. 209. In den meisten Kirchen wurden zu Ostern die höchsten Einnahmen erzielt, wie 1514 in Tegkwitz; PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 170. Es folgen die Kirmes, der Tag des Kirchenpatrons und die weiteren Hoch- und Marienfeste. 202 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 3r.
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zum Geben von umfangreicheren Geldbeträgen zu überzeugen. In Schmidtstedt wurden während der Hungersnot von 1315 bis 1317 die Toten aus der Stadt beigesetzt.203 In den Jahren danach richtete der Erfurter Stadtrat eine Prozession in das Dorf ein, die an die Opfer erinnern sollte. 1341 und 1346 wurden vom päpstlichen Hof in Avignon zwei Sammelindulgenzen erlangt, die Besuchern der Kirche zu bestimmten Tagen 40 Tage Ablass gewährten.204 Von diesen Ablässen profitierte die Kirchenfabrik noch 160 Jahre später. 1505 wurden am Freitag nach Pfingsten, dem Tag der Prozession, fünf Schock Groschen mit den Tafeln gesammelt.205 Außerdem entnahmen die Alterleute am Dienstag nach dem Ablass zwei Schock Groschen aus dem Stock.206 Dass das Reichen von Geldern zu den Ablassveranstaltungen auch immer von einem Gruppenzwang beeinflusst wurde, zeigt der Eintrag, dass neben den aufgeführten Einnahmen auch etlich boße gelt, also wertlose Münzen, gegeben wurde.207 Bedeutet dies, dass die Menschen, die diese Münzen einwarfen, auch nicht an die Wirkung des Ablasses glaubten oder erhofften sie sich die Wirkung des Ablasses trotz der fehlenden Abgaben? Wenngleich Schmidtstedt durch die Verbindung mit der großen städtischen Prozession nicht für die Wirkung der Ablässe in den Dorfkirchen überhaupt stehen kann, ist das Prinzip doch zu verallgemeinern. In Niederwillingen wurden 1521 ebenfalls Einkünfte aus einem nicht näher bekannten Ablass gesondert aufgeführt.208 So war die Kirche des kleinen Dorfs Milwitz bereits 1340 Teil eines Ablasses.209 Doch vor allem in den Jahren um 1500 häufte sich die Vergabe von Ablässen auch an kleine Dorfkirchen.210 So erlangte Cumbach bei Rudolstadt 1499 einen Ablass des Erfurter Weihbischofs Johannes Bonemilch von Laasphe, der zur Weihe des neuen Chors gewährt wurde.211 Der Kirche des unweit gele203 Zu Schmidtstedt: ERTHEL, Gedenkstein, passim; LÖTHER, Prozessionen, S. 174‒183 sowie S. 202‒208. Vgl. Kap. I.5.2 dieser Arbeit. 204 KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 386–389. 205 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 3r. 206 Ebd., fol. 2v. 207 Ebd., fol. 16v. Andere Anwesende wurden so Zeuge, dass man Geld in den Kasten warf, ohne dass man selbst einen Verlust zu verzeichnen hatte. 208 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5679, fol. 3v. Seit 1501 gab es ein Ablassziel im benachbarten Oberwillingen; EINICKE Reformationsgeschichte I, S. 103 f. Im fränkischen Hilpoltstein wurden Opfer und Ablassgelder sonntags getrennt gesammelt; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 47. 209 UB Paulinzella, Nr. 205, S. 206 f. Vgl. auch AUE, Krautheim mit zwei Urkunden für ein Dorf von 1317 und 1378. 210 Allgemein PAULUS, Ablass, v. a. S. 379–394. 211 LATh–StA Rudolstadt, Documenta varia, 62; gut erhaltene Bruchstücke des Siegels des Weihbischofs. Diese Ablassurkunde deckt sich sehr gut mit den bekannten Fakten über die Cumbacher Kirche. 1468 wurde sie aus der Mutterkirche Graba ausgepfarrt; vgl. oben Kap. I.2. Daraufhin setzten Bauarbeiten an der Kirche ein. Der neue Chor wurde 1499
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genen Singen gewährte derselbe Weihbischof 1506 eine Indulgenz.212 Jeder Besucher, der die Filialkirche zu bestimmten Festtagen aufsuchte und für den Bau der Kirche spendete, erhielt 40 Tage Ablass – zwei sehr übliche Dokumente.213 Natürlich hinterließen auch die Ablasskampagnen viele Spuren in den Dorfkirchen. Am 4. Februar 1502 stellte Kardinal Raimund Peraudi in Magdeburg einen Ablass für die Laurentiuskirche in Gebesee aus. Explizit wird darin der Zweck genannt, das Mauerwerk der Kirche zu erhalten und herzustellen. 214 Wahrscheinlich waren aber Ablassbriefe aus Rom gewinnbringender. Daher nahmen mitunter Einwohner eines Dorfs den weiten Weg nach Italien auf sich. Im Jubeljahr 1500 reisten etliche Einwohner des Dorfes Sonneborn nach Rom, u. a. um einen Ablassbrief zu holen, der sich noch im 18. Jahrhundert in der Kirche befand.215 1469 wurde den Alterleuten von Tegkwitz im Altenburger Land ein römischer Ablass überbracht.216 Ein einmaliges Zeugnis für die Verbreitung und Verwendung von Ablässen befindet sich an der Kirche von Straußfurt. Auf der Südseite der Kirche ist ein Epitaph eines Herrn von Germar, in deren Besitz sich das Dorf bis 1584 befand, und seiner Ehefrau, einer geborenen von Gans, aus dem Jahr 1484 in die Wand eingelassen. Es zeigt die Szene der Gregorsmesse umgeben von den Arma Christi (Abb. 4). Im unteren Bereich sind die Figuren der Stifter und ihrer Kinder wegen der fortgeschrittenen Verwitterung des Steines nur noch zu erahnen. Umgeben ist die Tafel von weiteren Wappen – wahrscheinlich der Ahnen der Stifter. Dazu gehören die Wappen der Familien von Ende, von Maltitz und von Volgstedt.
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geweiht, was sich auch mit dem Baubefund deckt; MÜLLER, Dorfkirchen, S. 107. Zur Bedeutung der Ablässe für den Kirchenbau vgl. SEIBOLD, Sammelindulgenzen, S. 275 f. Bereits 1498 hatten die Alterleute eine Sammellizenz vom geistlichen Gericht erlangt; HANNAPPEL, Kommissare, S. 188. Diese beiden Nachweise lassen auf umfangreiche Bauarbeiten an der Singener Kirche in diesen Jahren schließen, wovon sich aber keine Spuren erhalten haben. LATh–StA Rudolstadt, Documenta varia, 73. Kreisarchiv Sömmerda, Gebesee, Nr. 3899. 1503 erteilte Kardinald Raimund Peraudi einen Ablass für die Kirche in Farnroda; KÄMPFER, Schnitzaltar; zu den Ablasskampagnen: KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 362–380; STEWING, Ablasswesen. Zu weiteren Fragen der Baufinanzierung vgl. Kap. I.5.1 dieser Arbeit. BRÜCKNER, Schulenstaat, 3, 10, S. 31. Auch ein römisches Pilgerzeichen auf einer Siegelhülse an einer Ablassurkunde für Dörnrode bei Mühlhausen spricht für eine persönliche Reise des Petenten nach Rom (KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 351 f.). Zum Ablasswesen allgemein: MÜLLER, Ablass; PAULUS, Ablass; SEIBOLD, Sammelindulgenzen; ANGENENDT, Religiosität, S. 652‒657; WINTERHAGER, Ablaßkritik; KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 345‒380. REINHOLD, Tegkwitz, S. 134.
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Abb. 4: Epitaph und Inschrift an der Kirche von Straußfurt, Lkr. Sömmerda
Besondere Beachtung verdient die Inschrifttafel unter dem Epitaph, die mit diesem in Verbindung steht: wer disse figur kniend ereth mit vii vater umße und vii ave maria unde mit den andern gebetthen hir under han der hat ver dient xlii tusent iar a[blass vom pa]bst sixto [IV.].217 Die scheinbar übertriebene Zahl der 42000 Jahre Ablass lässt 217 Die in eckigen Klammern stehenden Abschnitte der Inschrift können heute nicht mehr gelesen werden. Sie wurden ergänzt nach der leicht fehlerhaften Wiedergabe bei OTTE/SOMMER, Weißensee, S. 48 f. Diese bezieht sich mittelbar auf die erste Wiedergabe des Textes bei OLEARIUS, Syntagma, S. 228. Für Hilfestellungen bei der Bearbeitung
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sich wohl aus der Praxis der sogenannten Gregorsablässe unter Sixtus IV. erklären. Danach hätte Papst Gregor selbst 14000 Jahre Ablass für Gebete vor einer Darstellung der Leiden Christi verliehen, die durch weitere Privilegien anderer Päpste vervielfacht werden konnten.218 Gregor selbst schrieb nach den Darstellungen in Einblattdrucken eine bestimmte Zahl an Vaterunser und Ave Maria vor, denen spätere Päpste andere Gebete hinzufügten. Die Straußfurter Tafel nimmt auf all diese Punkte Bezug. Die Gebete erfolgten vor einer Darstellung der Leiden Christi. Neben den Vaterunser und den Ave Maria sollten weitere Gebete gesprochen werden, die auf einer zusätzlichen (hölzernen?) Tafel angebracht waren (andern gebetthen hir under han). Zwar existieren für die Nennung der 42000 Jahre keine Vergleichsbeispiele,219 sie lässt sich aber vor diesem Hintergrund eventuell durch eine Verdreifachung der 14000 Jahre, die den Ablässen Papst Gregors zugeschrieben wurden, erklären. Schriftliche Quellen zu den Vorgängen in Straußfurt existieren nicht. Nach den Hinweisen des Epitaphs kann aber rekonstruiert werden, dass der Herr von Germar seine Familienmemoria im Todesjahr des Papstes mit einem Ablassprivileg Sixtus IV. verband. Somit war gesichert, dass Kirchenbesucher ihre Gebete zur Erlangung des Ablasses vor dem Epitaph der Familie sprachen. Eventuell stand eine Ewig-Licht-Stiftung, die aus dem ersten albertinischen Visitationsprotokoll für Straußfurt bekannt ist, mit dieser Stiftung in Verbindung.220 Die Familie von Germar besaß in Straußfurt außerdem die Patronatsrechte mindestens einer Vikarie.221 Ob aus diesem Ablass zusätzliche Einnahmen entstanden und wie sie aufgeteilt wurden, kann nicht gesagt werden. Zumindest erhöhte diese Tafel aber die Attraktivität der Straußfurter Kirche für auswärtige Besucher.
3.3. Ausgaben Wofür wurden die aufgezeigten Einnahmen verwendet? Die Beträge, die die Kirchenfabrik zur Verwaltung der Stiftungen erhielt, waren zweckgebunden, sie standen den Alterleuten nicht zur Verfügung. Auf der Ausgabenseite finden sich aber natürlich dennoch die Kosten, die zur Umsetzung der Stiftungen anfielen. Zuerst sind hier die Präsenzgelder für die Geistlichen zu nennen. Der Pfarrer von
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der Tafel sei Hartmut Kühne, Berlin, Tim Erthel, Erfurt, und Rolf-Torsten Heinrich, Dresden, gedankt. PAULUS, Ablass, S. 294 f. Vgl. eine Tafel in Aachen, die dieselbe Zahl an Vaterunser und Ave Maria verlangte; MEIER, Gregorsmesse, S. 179. Ebd. findet sich im Abbildungsteil, Abb. 96, eine Abbildung des Straußfurter Epitaphs in einem deutlich weniger verwitterten Zustand. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 226r. Ebd., fol. 224r.
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Niederwillingen erhielt vier Schock Groschen für die Umsetzung einer Marienmesse,222 der Kirchner erhielt ebenfalls eine Zahlung.223 In Dienstädt zahlte die Kirchenfabrik Präsenzgelder zu Fronleichnam und zu den Weihfastentagen.224 In Edersleben entrichteten die Verwalter Beträge an den Pfarrer, den Kirchner und an Simon Kremer, den Inhaber der dortigen Fronleichnamsvikarie, wobei die jeweilige Gegenleistung unklar bleibt.225 Bei den vielen Seelenmessen fungierten die Kirchenfabriken ebenfalls als Treuhänder und führten die Zahlungen an den Pfarrer ab.226 Mitunter zeigt sich die Tatsache, dass die Stiftungsgelder nicht in den Haushalt eingingen, in der Rechnungsführung. Noch 1548 führten die Alterleute von Zeigerheim ein gesondertes Rechnungskonto Einahm von der heiligen warleichnams messe, obwohl diese doch mindestens seit der Einführung der Reformation in der schwarzburgischen Oberherrschaft 1533 nicht mehr gehalten wurde. 227 Bisweilen empfingen die Kirchenfabriken jedoch selbst Beiträge aus einer Stiftung. Diese waren ebenfalls zur Umsetzung der Stiftung bestimmt, wie etwa eine Wachsabgabe von einer ewigen Kuh.228 Hierbei diente das Wachs zur Beleuchtung der Kirche. Prinzipiell war die Kirchenfabrik für solche Ausgaben zuständig, die der Unterhaltung des regelmäßigen Messbetriebes dienten. Dazu gehörten Wachs für die Beleuchtung der Kirche, Kerzen auf den Altären, Hostien, Messwein, Weihrauch und Chrisam.229 Ferner gehörte das Bereitstellen von Büchern und Paramenten zu den Aufgaben der Fabrik.230 1518 erwarben die Alterleute von Witterda Stoff, aus dem eine Frau aus dem unweit gelegenen Alach ein schone decketuch uff die dauffe, einen Rock für eine Marienfigur und einen Altarvorhang fertigte.231
222 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5674, fol. 2r. Allgemein Kap. I.4.2 dieser Arbeit. Zu den Ausgaben an englischen Pfarrkirchen: KÜMIN, Parish, S. 125–147. 223 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5675, fol. 2r. 224 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 9r, 10r. 225 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1, fol. 9v. Zu der Vikarie vgl. SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 328. 226 Vgl. unten Kap. I.4.1. 227 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2523, fol. 4v. 228 Zu den ewigen Kühen vgl. Kap. I.4.1 dieser Arbeit. 229 Diese Ausgaben stehen mit wenigen Ausnahmen in allen Rechnungen. Als Beispiel die Dienstädter Ausgaben von 1507, in denen sich alles Erwähnte findet; PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 2v. 230 Zur Anschaffung von Büchern vgl. unten Kap. III.13.2. 231 BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 29v. In der Alacher Kirche findet sich im Kircheninventar des Pfarrlehenbuches ebenfalls ein Altarvorhang, der mit Spangen versehen war; BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 166. Ein Altarvorhang wurde auch 1491 in Tegkwitz angeschafft; REINHOLD, Tegkwitz, S. 137. Zum Verhängen bestimmter Bilder zu bestimmten Festen: DÜNNINGER, Verhüllen. Außer einer Schutzwirkung ging
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1496 wurde in Niederwillingen ein Messgewand angeschafft.232 1505 wurde eine Kasel erworben, für die in einem zweiten Schritt zwölf Groschen an den Erfurter Weihbischof gezahlt wurden, der sie weihte.233 Solche Weihekosten fielen in den Aufgabenbereich der Fabrik. Die liturgischen Gewänder und die Altartücher mussten gewaschen werden, was in den meisten Fällen von Frauen aus der Gemeinde erledigt wurde, für die als Entlohnung Essen und Trinken abgerechnet wurden. Ebenso bezahlte die Fabrik die festliche Osterkerze. Sie wurde entweder von Gemeindemitgliedern gefertigt oder auf einem städtischen Markt erworben.234 In Witterda bemalten Gemeindemitglieder eine gekaufte Osterkerze.235 Zu dieser Gruppe der Ausgaben zählt weiterhin das Heizen der Kirche, wofür Kohle angeschafft wurde.236 Beinahe jährlich wurden in allen Kirchen neue Glockenstränge abgerechnet.237 Ursächlich war die Kirchenfabrik die Verwaltung des Bauvermögens der Kirche. Diese Aufgaben, der Bau des Kirchengebäudes und seine Erhaltung, schlagen sich somit auch in den Rechnungen nieder. An dieser Stelle soll nicht eingehend die Organisation des Kirchenbaus beschrieben werden, sondern es soll nur prinzipiell auf die Baulast der Gemeinden und ihre Umsetzung über die Kirchenfabriken verwiesen werden. 238 Neben dem Kirchengebäude umfasste dies den Kirchhof, die Kirchhofsmauer und in den meisten Fällen ein Beinhaus sowie die Unterhaltung der genannten Dinge, die sich in vielen kleinen Ausgaben und Reparaturen niederschlägt, so etwa 1521 in Niederwillingen: viii gr. ausgeben als
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es vorrangig um die Steigerung der Wirkung des heiligen Bildes bei seiner Enthüllung. Vgl. weiterhin BÄRSCH, Verhüllen; EMMINGHAUS, Fastentuch. LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5674, fol. 1v. LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5676, fol. 5r, 9r. Anscheinend wurde die Kasel am Ort des Kaufs abgeholt (Erfurt?), da ein Verzehr für den Kauf abgerechnet ist. Auch weitere Dinge, die der Pfarrer zur Ausübung seines Diensts benötigte, werden mitunter aufgeführt, so wurde 1512 in Schmidtstedt eynn Sprengell angeschafft; StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 33v. Beachtung verdient ein Beispiel aus Gera-Tinz, wo 1481 die Lunula einer neuen Monstranz separat geweiht wurde; Stadtarchiv Gera, III B, 19334, fol. 101v. StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 6v. Ein weiteres Beispiel für liturgische Ausgaben zu bestimmten Festen ist der Johannestrank, der z. B. 1511 in Niederwillingen und 1518 in Witterda abgerechnet wurde; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5678, fol. 3r; BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 30r. Zum Johanneswein: KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 129 f. Zu diesem Brauch in der ländlichen Gesellschaft des Elsass CONRAD, Elsass, S. 26. BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 30r. LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5674, fol. 2r. So auch 1506 in Edersleben; LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1, fol. 7r. Ebd. Vgl. Kap. I.5.1. Vgl. WEISS, Landschafft, S. 65–69.
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mir dem steinmetzenn die mauer zu besserung vor dinget haben.239 Selbst Kleinigkeiten wie Nägel für das Tor in der Kirchmauer werden aufgeführt, 240 sodass bei einer besseren Quellenlage der spätmittelalterliche Dorfkirchenbau darüber erschlossen werden könnte. Da vorreformatorische Kirchenrechnungen aus den Dörfern aber Einzelfunde bleiben, muss in Analogie auf Kirchenrechnungen von Stadtkirchen verwiesen werden.241 Die Eigenbetriebe der Kirchenfabriken und die Pachtrechte erforderten natürlich ebenfalls namhafte Beträge zur Unterhaltung.242 Brauhäuser und Keltern mussten gebaut und mit der nötigen Ausstattung versehen werden.243 Weiterhin mussten Arbeiter bezahlt werden, etwa für die Lese im Weinberg. In den meisten Fällen wurden diese Arbeiten jedoch innerhalb der Gemeinde organisiert. Dabei wurden für diese Arbeitseinsätze erneut Speisen und Getränke abgerechnet. Aber auch die Bearbeitung der Felder findet Erwähnung, etwa wenn Mist auf die Felder gefahren wird, Getreidefuhren von den Feldern abgerechnet werden und die dresser für die Verarbeitung bezahlt werden.244 Dass auch kleinere Bauarbeiten von Gemeindemitgliedern unentgeltlich erledigt wurden, wird deutlich, wenn in einer Rechnung Materialkosten für ein Projekt, aber keine Personalkosten genannt werden.245 Nicht den teuersten, aber den größten Teil der Rechnungsausgaben nehmen kleine alltägliche Posten ein. An erster Stelle sind die verschiedenen Schmause zu nennen, die abgerechnet wurden, wenn Leute aus der Gemeinde Kerzen für die Beleuchtung der Kirche herstellten oder die Frauen der Gemeinde die liturgischen Gewänder und andere Textilien wuschen. Auch mit dem Pfarrer wurde oft ein Schmaus abgehalten, wohl um aktuelle Fragen zu besprechen. 246 Zu bestimmten Festtagen waren gemeinsame Schmause der Dorfämter mit dem Pfarrer verbreitet. In Witterda wurde die Aufstellung der Osterkerze von den Alterleuten 239 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5679, fol. 3v. 240 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3127, fol. 11v. Beispiele aus dem Baubetrieb zweier Dorfkirchen bei REINHOLD, Tegkwitz, S. 138 f. und FLEISCHER, Rudolstadt, S. 177 f. 241 Thüringische Beispiele bieten: ERTHEL, Pfarrkirchen; SLADECZEK, Pfarrkirchen, S. 219– 221. 242 Vgl. oben Kap. I.3.2. 243 1540/1541 wurde in Eschdorf ein neues Brauhaus gebaut, für das 1542 u. a. ein Bottich abgerechnet wurde; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2218, fol. 2r; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2219, fol. 1v. 1541 beschafften die Alterleute von Tautenburg ein neues großes Weinfass aus Halle, PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 16r. 244 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5677, fol. 3r. 245 So wurden beispielsweise in Edersleben Holz und Nägel für Bienenstöcke abgerechnet; LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1, fol. 8r. 246 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5675, fol. 2r.
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mit dem Pfarrer, dem Kirchner und den Heimbürgen begangen.247 Zu den alltäglichen Ausgaben zählen weiterhin Botenkosten und Spesen für Reisen der Alterleute, etwa zum geistlichen Gericht oder zum Landesherrn. Zur Verwaltung des Kirchhofs gehörte neben der Kirchhofsmauer und dem Beinhaus auch die Organisation der Begräbnisse selbst. Hierfür waren Werkzeuge nötig, die bei Bedarf erworben wurden. Dazu zählen Särge,248 Schaufeln,249 eine Rodehaubnn250 und auch zwei Stricke, die man tzu den leichen dieselbe eintzulegen gebraucht.251
3.4. Rechnungsführung Für den Verwaltungsstand der Kirchenfabriken ist ihre Rechnungsführung enorm aussagekräftig. 252 In ihrem prinzipiellen Aufbau unterscheiden sich Rechnungen von Dorfkirchen nicht von denen aus Städten. Sie beginnen mit einem Rechnungsprotokoll, das die Namen der Alterleute, die Kirche und den Rechnungszeitraum oder das Jahr des Rechnungsabschlusses nennt. Anschließend folgen die Einnahmen und die Ausgaben mit jeweiligen Summen. Am Ende erscheint ein Saldo und meist ein Rezess. Einnahmen und Ausgaben waren bei den meisten Stadtkirchen wegen der größeren Zahl der Einzelposten in Konten geschieden. Bei vielen Dorfkirchen sind in den Jahrzehnten vor der Reformation lediglich die Einnahmen in Konten geschieden (verschiedene Zinsarten, evtl. Nutzungsabgaben, Sonstiges), die Ausgaben kennen aber nur ein gemeinsames Konto. Hinsichtlich der Qualität der Rechnungsführung unterscheiden sich die untersuchten Rechnungen jedoch enorm. Weit entwickelte Exemplare begannen mit jedem Konto eine neue Seite, besaßen Seitensummen und Kontensummen, einen Saldo. Einfacher geführte Rechnungen verfügten über diese Merkmale nicht und rechneten etwa ausstehende Schulden in die Bilanz ein. Insgesamt ist in den Jahrzehnten gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine starke Entwicklung der Rechnungsführung festzustellen. Wichtiger als diese waren aber die jeweiligen Alterleute und der konkrete Schreiber, so gab es in 247 BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 30r. 248 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 16r. 249 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2555, fol. 7r; PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 40. 250 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5696, fol. 10r. Eine Rodehaube bezeichnet im Thüringischen eine Hacke zum Bearbeiten grober Böden; vgl. THÜRWB 5, Sp. 206 f. 251 PfA Roben, 39, fol. 36r. 252 REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 33‒88; SLADECZEK, Prinzipien.
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Tegkwitz bereits 1430 Seitensummen und eine sehr saubere Rechnungsführung.253 In einigen Fällen ist mit einem Schreiberwechsel auch eine Verschlechterung der Rechnungsführung zu erkennen. Gleichwohl setzten sich gewisse Elemente (v. a. die Kontenaufteilung und die Seitensummen) immer mehr durch. Die Rechnungen gewannen damit natürlich auch an Genauigkeit. 254 Bei der Entwicklung der Reinschriften lassen sich weiterhin keine klaren Unterschiede zwischen Stadt und Dorf feststellen, auch Dorfkirchenrechnungen kennen Seitensummen, Kontensummen und Saldi. Das wohl wichtigste Element der Fortentwicklung der Rechnungsführung war die Organisation der Schulden. Durch eine überall festzustellende schlechte Zahlungsmoral konnten diese einen bedeutenden Umfang erreichen.255 Grundvoraussetzung waren aber sauber und übersichtlich geführte Zinskonten. In einer weniger entwickelten Rechnungsführung gingen ausstehende Schulden über Jahre mehrfach in die Bilanz ein. Immer häufiger wurden aber die offenen Schulden in einem gesonderten Konto oder gar am Ende der Rechnung nach dem Saldo angefügt.256 In einem Retardaten-Konto wurden sodann nur beglichene Altschulden, auch aus zurückliegenden Jahren, aufgeführt.257 Oft lässt sich in den gesondert aufgeführten Schulden nachvollziehen, dass bestimmte Posten über Jahre ‚mitgeschleift‘ wurden und einige Schuldner Schulden aufsummierten, was erneut die schlechte Zahlungsmoral belegt. Wurden diese übertragenen Altschulden beglichen, wurden sie während des Rechnungsjahres gestrichen, wie Streichungen mit verschiedenen Tinten, die also zu verschiedenen Zeiten vollzogen wurden, zeigen.258 Oft wurden auch über das Rechnungsjahr gesonderte Zinsregister geführt. Diese haben sich in größerer
253 PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 8. 254 Dennoch stellen die erhaltenen Rechnungsbücher nicht die wirkliche Kassenführung dar, vgl. REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 57. Zur Frage der Genauigkeit und den Gründen für Ungenauigkeiten: ebd., S. 72–84. 255 Zur Zahlungsmoral: ebd., S. 505–515. 256 Dieser unterschiedliche Umgang kann sich in der Bilanz zeigen: In Tautenburg gingen die Retardaten (deutlich über 100 Schock Groschen) mit in die Einnahmesumme ein. 1550 erreichte die Kirche so ein Plus in Höhe von 281 alten Schock und 19 Groschen. Im folgenden Jahr betrug das Plus zum Rechnungsschluss nur 69 alte Schock und drei Groschen, obwohl es keine größeren Ausgaben gab. Offensichtlich wurde in diesem Jahr ein gesondertes Retardatenverzeichnis angelegt; PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 47v, 51v. 257 Zu Arnstadt: SLADECZEK, Pfarrkirchen, S. 213. 258 So z. B. 1506 in Niederwillingen: LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5676, fol. 6r.
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Zahl als die Rechnungen erhalten.259 Die Alterleute von Dietendorf bezahlten einen Schreiber gesondert für die Führung des Erbregisters.260 Die Zinsregister haben einen sehr einfachen Aufbau. Einem groben Protokoll folgen die einzelnen Zinsposten und Bemerkungen, ob diese beglichen sind. Wenn ein Zinsregister über mehrere Jahre geführt wurde, werden mitunter neben dem Posten die Jahre genannt, in denen gezahlt wurde. Einige Kirchenfabriken bezahlten einen Schuldeneintreiber oder ließen sich von einem Schreiber begleiten, wenn sie selbst auf den Dörfern Zinsen eintrieben.261 Die Zinsregister beinhalten Zinsen aus Grundstücken, die in der Regel aus kleinen Stiftungen stammen. Meist erhielten in den Rechnungen aber auch die Zinsen aus Geldgeschäften eigene Konten.
3.5. Rechnungslegung In allen Rechnungen finden sich Ausgaben, die die Führung und Erstellung der Rechnung betreffen. So etwa ein boch babber,262 die Entlohnung für einen Schreiber und ein Schmaus auf den erfolgreichen Abschluss der Rechnung. Dies leitet über zur Frage der Rechnungslegung. Wem mussten die Alterleute Rechenschaft über den Umgang mit dem Kirchenvermögen ablegen?263 Die Frage, wem, wann und wie die Alterleute die Rechnung zur Kontrolle vorlegten, sagt viel darüber aus, wer welchen Einfluss auf die jeweiligen Vorsteher hatte. Diesbezüglich sind die Rechnungen also eine zentrale Quelle für Machtverhältnisse. In den Dörfern der Vorreformationszeit legten die Alterleute die Rechnung in erster Linie der ganzen gemeyne vor. Ob darunter wirklich eine Vollversammlung der Gemeinde zu verstehen ist, muss offenbleiben, 264 obwohl einige Indizien dafür sprechen. Darüber, wie die Rechnungskontrolle erfolgte, gibt es keine 259 Ein besonders frühes Beispiel ist das Zinsregister der Kirche von Sättelstädt (LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 753), das wohl bereits aus dem 14. Jahrhundert stammt, und somit zeigt, dass diese Art der entwickelten Rechnungsführung auch schon sehr viel eher vorhanden sein konnte. Einmal mehr setzt die schlechte Überlieferungslage genaueren Erkenntnissen jedoch Grenzen. 260 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3127, fol. 11r. 261 Neben den Stadtkirchen mit ihren vielen Zinsen in den Dörfern betraf dies auch Dorfkirchen, wie etwa das Beispiel Oberweimar zeigt (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3170, fol. 5v). 262 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 61r. 263 Prinzipiell zu den Stadtkirchen: REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 60‒72, vgl. SLADECZEK, Prinzipien. Zur Rechnungslegung in Landgemeinden anderer Regionen vgl. SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 128 f., S. 133–136. 264 Vgl. zu dieser Frage REITEMEIER, Pfarrgemeinde, S. 345 f.; WEISS, Landschafft, S. 64 f.
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Informationen. Ziel war es, dass das Haushalten den nackeborn wolgenuget.265 In den meisten Fällen erfolgte die Kontrolle aber in kehnwirt dez phereß und eyner genzen gemeyne.266 In Kirchheim wurde 1509 festgehalten, dass die Alterleute dem Pfarrer ankündigen sollten, wann sie vorhätten, die Rechnung zu legen, damit er sicher anwesend sein könne.267 Zum Rechnungsabschluss wurde ein Schmaus mit dem Pfarrer abgehalten.268 Je nach herrschaftlichen Voraussetzungen im Dorf konnten auch Niederadlige oder Vertreter kirchlicher Institutionen an der Rechnungslegung beteiligt sein. In Tautenburg war vor der Einführung der Reformation in den albertinischen Gebieten der Schultheiß des Schenken von Tautenburg bei der Rechnungslegung anwesend.269 In Großmonra kontrollierten die domini Severi, Vertreter des Erfurter Severistifts, die Rechnung.270 In Tegkwitz war der Gutsherr selbst neben Pfarrer und Gemeindeversammlung anwesend.271 Welche Rechte die einzelnen Instanzen bei der Prüfung hatten, bleibt meist im Dunkeln. Im Anschluss erfolgte die Übergabe des Geldes und der Schuldscheine an die neuen Vorsteher bzw. die Entlastung und Wiedereinsetzung der Alterleute. Dieser Barbestand und die Schuldscheine wurden entweder privat verwaltet oder in der Kirche verwahrt. In der Kirchenrechnung von Schmidtstedt wurde 1508 beides deutlich aufgeführt. Den neuen Alterleuten wurden zwölf Schock und zwölf Groschen in bar sowie 102 Schock und 23 Groschen in Schuldscheinen übergeben. 272 Ein extremes Verhältnis, das nicht in dieser Höhe, aber im Prinzip verallgemeinert werden kann. 265 So 1505 in Niederwillingen: LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5676, fol. 4v. Ähnlich 1514 in Tegkwitz; dort wurde berechinth allen itzt bestymptenn zu gutth genuge und auch furder an gelanget auff zcukunfftigk jar zcu bleyben unnd vleyß bey dem gothause zcu thun; PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 179. 266 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5676, fol. 6v. So auch in Dienstädt: PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 1r. Zum Einfluss der Landesherren vgl. die Kap. I.6 und III.5 dieser Arbeit. 267 StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a. 268 Etwa 1540/1541 in Eschdorf ein Schmaus mit dem Pfarrer da er uns di rechnung hat czu gemacht; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2219, fol. 2r. Vgl. WEISS, Landschafft, S. 65. 269 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 1r. 270 BAE, Marienstift, VII, e4, 4, Vol. 1, fol. 20v. Großmonra war gemeinsamer Besitz der Erfurter Stifte St. Marien und St. Severi. Es gab ein gemeinsames Verwaltungsorgan, das Capitulum Monrense. Warum die Kontrolle der Rechnung anscheinend nur den Vertretern des Severistiftes oblag, bleibt unklar. SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft, S. 137, zeigte, dass das Fabrikvermögen selbst im Falle einer Inkorporation der Kirche rechtlich selbständig blieb, was prinzipiell für Thüringen bestätigt werden kann. 271 PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 141. 272 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 10r.
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In einigen Fällen entschieden die Dorfgemeinden gemeinsam über den Umgang mit dem Übertrag. In Tautenburg sollten die Alterleute 1539 zehn Schock Groschen zur Erhaltung der Kirche behalten, den Rest in Höhe von circa 35 Schock Groschen aber gewinnbringend zum Besten der Kirche verleihen.273 Bei einem gelungenen Abschluss wurde ein Rezess ausgestellt. Meist scheint dies nur mündlich oder auf flüchtigen Zetteln erfolgt zu sein, da sich aus dem dörflichen Bereich im Gegensatz zum städtischen keine gesonderten Rechnungsrezesse erhalten haben.274 Lediglich in einigen Rechnungen ist die Abnahme durch die kontrollierende Instanz angefügt. Prinzipiell war eine jährliche Rechnungslegung üblich. Allerdings gab es Ausnahmen. So wurde z. B. 1533 von den Visitatoren verfügt, dass die Kirchenrechnung in Craula ab sofort jährlich gelegt werden sollte.275 Wie in diesem Falle sollten erst die Visitationen Grundsätzliches am Umgang mit den Finanzen der Kirchenfabriken in den Dörfern ändern.276 Ob die Alterleute nach Rechnungsabschluss ersetzt wurden, ob es also eine Beschränkung der Amtsdauer gab, war von Ort zu Ort verschieden. In den meisten Fällen blieben beide Alterleute im Amt. In Dienstädt und Niederwillingen wurde jeweils ein Altermann ersetzt.277 Ob dies eine feste, jährliche Regelung war oder nur zufällig auf diese Art überliefert ist, lässt sich wegen der geringen Zahl überlieferter Rechnungen aus der Vorreformationszeit nicht sagen. In der Frage, wer die Rechnung und anderes Geschäftsgut der Kirchenfabriken schrieb, gab es ebenfalls verschiedene Lösungen. In den meisten nachweisbaren Fällen schrieb aber der Küster die Rechnung.278 Neben den Kirchnern sind die Amtsschreiber und Schreiber geistlicher Institutionen279 zu nennen. In einem Fall lässt sich aber auch ein Bauer nachweisen, dem seine Retardaten für geleistete Lese- und Schreibdienste von der Pfarrkirche in Niederwillingen erlassen wurden.280 In Dienstädt wurde 1510 ein Johannes als Schreiber entlohnt, bei dem es sich wohl auch um einen Dorfeinwohner handelte, da der Kirchner in der Rechnung als solcher bezeichnet wird.281 In einigen wenigen Fällen wird 273 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 8v. 274 KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 246. 275 ThStAW, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 88v. 276 Vgl. Kap. III.4 dieser Arbeit. 277 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 1r; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5676, fol. 4v. 278 So etwa 1518 in Witterda: BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 31r. Vgl. unten Kap. I.3.7. 279 So bezahlten etwa die Alterleute von Lippersdorf den Klosterschreiber von Roda für Briefe; PfA Lippersdorf, 121/8, S. 17. 280 [V]on wegen seines willigen dienstz das ehr der gemein ist offtz zu wille gewest mit schreiben und leßenn; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5686, fol. 3r. 281 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 9r.
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auch der Pfarrer Rechnungen und anderes Geschäftsgut der Fabriken geschrieben haben.282
3.6. Kreditkassenfunktion Kirchliche Institutionen fungierten im späten Mittelalter häufig als Geldverleiher. In den Dörfern betraf dies Pfarrer, Vikare, Bruderschaften und Spendenstiftungen, vor allem aber die Kirchenfabriken. Diese befanden sich meist unter Kontrolle der Gemeinde, sodass diese frei über das Leihen auch größerer Summen entscheiden konnte. Allerdings wurde dies meist nicht ‚unter der Hand‘, sondern sehr offiziell durchgeführt.283 Es wurden Schuldscheine ausgestellt, und auch der Schuldner ließ sich die Rückzahlung schriftlich bestätigen.284 In Schmidtstedt bei Erfurt wurde ein gesondertes Konto mit „wiederkäuflichen Briefen“ geführt.285 1524 hatten diese Schulden eine Höhe von 145 Gulden erreicht.286 Solch namhafte Beträge waren für die Kirchenfabriken keine Seltenheit.287 Es wurde gezeigt, dass in erster Linie die reicheren Familien eines Dorfes die Posten der Alterleute besetzten. Somit hatten diese auch eher Zugriff auf dieses Geld. Dennoch wird deutlich, dass die gesamte Gemeinde von dieser Funktion der Kirchenfabrik profitierte. In dem kleinen Dorf Teichröda waren 1430 36 Dorfeinwohner Schuldner der Fabrik. 288 Neben den Bauern nutzten auch Niederadlige dieses Angebot. So hatte die Familie von Hopfgarten 45 Schock 282 PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26, fol. 5r. Zu einem solchen Fall aus Niedergebra bei Nordhausen und weiterer Schreibtätigkeit der Pfarrer: BÜNZ, Klerus I, S. 234–236. 283 Beispielhaft für eine immer wiederkehrende Grundhaltung der Forschung steht KURZE, Pfarrerwahlen, S. 269: „Bei aller Reglementierung durch die weltlichen Herren und geistlichen Oberen darf man nicht glauben, daß es dem bäuerlichen Witz nicht gelungen wäre, in einer Mischung von frommer Naivität und schlauer Berechnung auch auf illegalem Wege sein Schäfchen ins Trockene zu bringen.“ Wenngleich in seltenen Fällen deutlich, darf diese ‚Bauernschläue‘ keineswegs überbetont werden. 284 In Edersleben ließ sich 1505 ein Schuldner die Zahlung von sieben Schock zu Urkunde bestätigen, worüber zcwei zcedeln gleich lauths ausgestellt wurden, von denen iczliche partheyn jeweils einen behalten sollte; LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 2r. 285 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 10r, 29r. 286 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 88r. 287 In Elxleben/Gera betrugen die Außenstände im selben Jahr 148 Schock Groschen; ebd., fol. 40r. BLASCHKE, Kapitalmarkt, zeigte für einige Orte der Mark Meißen, dass auch hier mehrere hundert Gulden Schuld bei den Dorfkirchen vorkamen; vgl. WUNDER, Gemeinde, S. 49 f. Zu den zunehmenden Rentengeschäften in den Dörfern: HELD, Anger, S. 148 f. Ebd., S. 153, auch der Verweis auf Kleinkredite zwischen den Bauern; vgl. dazu CONRAD, Elsass, S. 34 f. 288 FLEISCHER, Rudolstadt, S. 175.
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Groschen Schuld bei der Kirchenfabrik von Craula.289 Hans Schenk von Tautenburg hatte bei der Tautenburger Kirchenfabrik neben weiteren eine einzelne Schuld in Höhe von 80 Gulden.290 Die Gemeindekasse, also das von den Heimbürgen verwaltete Vermögen, lieh sich ebenfalls oft Geld von der meist besser situierten Kirchenfabrik. In Pferdingsleben schuldete die Gemeinde der Kirche vyl.291 Die Schuld der Gemeinden Hottelstedt und Mattstedt bei ihren Kirchenfabriken betrug 25 bzw. 30 Schock Groschen.292 Diese Praxis erhielt besonders in Notsituationen breiten Zuspruch, wie noch am Beispiel des Bauernkrieges zu zeigen sein wird. Doch zu allen Zeiten waren die Dorfkirchen Teil eines lokalen und regionalen Kreditmarktes.293
3.7. Küster Die Alterleute konnten nicht sämtliche Aufgaben, die alltäglich im Umfeld der Kirche anfielen, selbst erledigen. Sie mussten daher eine zusätzliche Stelle schaffen, die aus dem Einkommen der Kirchenfabrik unterhalten wurde. So gehörte auch ein Küster, der im Untersuchungsgebiet flächendeckend Kirchner hieß, meist zu einer spätmittelalterlichen Dorfkirche.294 Wenn die Kirchenfabrik das Geld für eine Kirchnerstelle nicht aufbringen konnte, scheint es gängige Lösung gewesen zu sein, dass die Aufgaben reihum von Einwohnern des Dorfes wahrgenommen wurden. Daraus entstanden Unzulänglichkeiten, die die Ein-
289 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 88v. 290 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 18v. 291 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 310v. 292 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 70r, 82v. 293 Vgl. den jüngst erschienenen Sammelband ANDERMANN/FOUQUET, Zins und darin bes. den Beitrag von Enno Bünz. 294 Bereits Herrmann stellte einen Zusammenhang zwischen der Entstehung der Fabrikverwaltung und der Entstehung der Kirchnerposten her; HERRMANN, Dorfkirchner, S. 708; HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 293–295. Die vollständige Verbreitung des Kirchneramtes im Untersuchungsgebiet kann man aus den Visitationsprotokollen ableiten. Dort wird es flächendeckend in allen Orten genannt. So mussten die Visitatoren 1533 in Wenigenjena betonen, dass die Einwohner über keinen Kirchner verfügen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 131r. In einer Kirchenrechnung des Dorfes von 1535 tritt ebenfalls kein Kirchner auf, der Pfarrer schreibt die Rechnung; Stadtarchiv Jena, C Wenigenjena, Nr. 1, fol. 13r. Ich danke Andreas Dietmann, Jena, für diesen Hinweis. Ausnahmen in größerer Zahl finden sich lediglich im thüringischen Vogtland. Vgl. dazu das Visitationsprotokoll von 1529; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2.
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richtung einer solchen Stelle erstrebenswert machten. 295 Die Besetzung einer freien Kirchnerstelle dürfte in den meisten Fällen die Gemeinde wahrgenommen haben. Eine Beteiligung des Pfarrers bei seiner Wahl dürfte aber ebenfalls keine Seltenheit gewesen sein.296 Die Einsetzung eines neuen Kirchners wurde erneut mit einem Festmahl begangen.297 Das Einkommen eines Küsters war kein fester Geldbetrag, sondern setzte sich, wie das eines Pfarrers und das der Kirche, aus verschiedenen Einzelposten zusammen. Dazu gehörten der Besitz landwirtschaftlicher Flächen, Naturaleinkünfte und geringe Geldbeträge. Hinzu kamen Präsenzgelder bei einer Beteiligung an gestifteten Messen und Hilfsdienste für Vikare, Bruderschaften etc.298 Ähnlich dem Pfarrer erhielt ein Kirchner zusätzliche kleine Abgaben bei der Abhaltung kirchlicher Ämter. In den meisten Orten umfasste dies etwa eine geringe Abgabe bei jeder Beerdigung.299 Auch das „Gangbrot“ oder „Gängebrot“ war weitverbreitet, d. h., dass der Kirchner das Recht hatte, einmal pro Jahr von Tür zu Tür zu gehen, wobei er aus jedem Haushalt ein Brot erhielt. 300 Weiterhin kam eine feste kleine Abgabe bei der Nutzung der genossenschaftlich organisierten Einrichtungen der Gemeinde in Betracht. In Hemleben erhielt der Kirchner bei jeder Nutzung des Gemeindebackhauses einen Kuchen. 301 Zusätzlich gab es von Ort zu Ort verschiedene kleine Abgaben, wie z. B. jährlich 295 HERRMANN, Dorfkirchner, S. 709 mit einem Beispiel aus Löberschütz, wo es erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts einen Kirchner gab. 296 In Kirchheim wurde 1509 verfügt, dass die Gemeinde die Besetzung des Postens dem Pfarrer anzeigen sollte, der sie bestätigen musste; StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a. In Niebra sollten die Alterleute 1472 einen kirchner mithen mit des pfarrers wissen; LATh–StA Altenburg, Urkunden, 1472 Oktober 4. 297 Etwa 1518 in Edersleben; LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 9v. Hier wurde er als der fromme man bezeichnet. 298 Vgl. dazu Kap. I.4 dieser Arbeit. In Friemar erhielt der Kirchner pauschal fünf Schilling für alle Dienste, die im Laufe eines Jahres in Zusammenhang mit der dörflichen Vikarie enststanden; BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 37. Dort auch das gesamte Aufgabenfeld und das Einkommen des Kirchners mit einer Zulage, weil neue, schwerere Glocken ihm das Läuten erschwerten. Zur Zusammensetzung des Einkommens der Küster mit westfälischen Beispielen vgl. FREITAG, Vechta, S. 63 f. 299 In Tüttleben erhielt der Kirchner bei jeder Beerdigung ein Brot; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 209v. Auch eine Staffelung nach Alt und Jung gab es oft. In diesem Fall erhielt der Kirchner für die Beisetzung eines Kindes weniger. 300 So in der Großengotterner Martinigemeinde: LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 57r. In Wormstedt nutzte der Kirchner dieses Recht am Dreikönigstag; LASA, A 29a, II, 1b, fol. 427v. Wie dies in der Praxis bei einer mitunter dreistelligen Zahl an Häusern in einem Dorf ablief, muss offenbleiben. Mitunter gab es solche Abgaben auch bar. Der Kirchner von Frießnitz bei Weida sammelte zu jedem Heiligabend einen Pfennig aus jedem Haus; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2, fol. 236v. 301 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 279v.
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ein Pahr schue in Eckardtshausen. 302 Zusätzlich zu diesem kumulativen Einkommen hatten viele Küster ein Nutzungsrecht für kirchliche Wiesen oder auch den Kirchhof.303 Eine Behausung für den Kirchner war keineswegs Standard.304 In den wenigen Fällen, in denen ein Haus nachweisbar ist, erwähnen die Visitationsprotokolle oft dessen schlechten Zustand. So heißt es 1533 in Pferdingsleben: Des Kirchners behausung ist Im grunde boß.305 Alles in allem war das Einkommen der Kirchner aber eher gering und dürfte nur in großen Dörfern den Gegenwert von zehn Schock Groschen jährlich erreicht oder überschritten haben. Im Normalfall dürfte es sich zwischen vier und acht Schock Groschen bewegt haben, wobei dies eine grobe Schätzung bleiben muss. Genauere Angaben können wegen der vielen zusätzlichen Abgaben (etwa für ein Begräbnis) nicht geleistet werden. Zu den Aufgaben eines Kirchners gehörten das Aufschließen der Kirche, das Reinigen und Schmücken der Kirche vor Festtagen sowie das Läuten und Schmieren der Glocken.306 Er unterstützte mit verschiedenen liturgischen Hilfsdiensten den Pfarrer, etwa mit dem Läuten des Messglöckchens oder bei Wechselgesängen.307 So sang der Kirchner in Großmonra 1519 zwei Frühmessen. 308 Eine musikalische Ausbildung zeigt auch ein Fragment einer Niederwillinger Kirchenrechnung vom Beginn des 16. Jahrhunderts. Auf einer Seite zwischen zwei Rechnungskonten finden sich verschiedene Notenlinien, unter anderem ein Ave Maria, mit deren Gestaltung der Kirchner sich wohl die Wartezeit während der Rechnungserstellung versüßte.309 Auch das Mitwirken an den vielen Salve-Stiftungen war ohne musikalische Kenntnisse nicht möglich. 302 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 125r. 303 Dem Kirchner von Apfelstädt sollte die Nutzung einer Wiese 1533 wieder eingeräumt werden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 246r. In Herrnschwende nutzte der Kirchner wie in vielen Orten den Kirchhof; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 70r. 304 Dafür spricht unter anderem die Supplik des Kirchners von Marksuhl von 1538. Dieser ehemalige Mönch war seit ca. 1525 Kirchner in dem Dorf, hatte aber immer noch kein Haus und konnte sich auch keines leisten, weshalb er um eine Behausung auf dem Kirchhof bat, die zu einer Vikarie gehörte; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1180, fol. 1r. 305 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 310v. Im unweit gelegenen Bienstädt war sie pawfellig; ebd., fol. 308r. Allerdings finden sich auch wenige positive Beispiele. In Herbsleben war das Haus ziemlich, also baulich zufriedenstellend; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 33v. 306 Zum Schmieren: LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 137v.; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 136 f. Zu diesen Aufgaben gehörte auch das Wetterläuten. Bei Unwetter wurden die Glocken geläutet, bis es vergangen war. 307 Vgl. HERRMANN, Dorfkirchner, S. 706. 308 BAE, Marienstift, VII e 4, 3, Vol. 1, fol. 11v. 309 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5701, fol. 24v.
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Gab es im Ort eine Turmuhr, musste der Kirchner sie betreuen, wie in Tüngeda, wo er Korn vom seiger zustellen erhielt.310 In der Forschung wurde bereits auf die Frage der Herkunft der Dorfkirchner hingewiesen, wobei sich aufgrund der Quellenlage bisher keine eindeutigen Aussagen treffen lassen. Nach Bünz waren es in den meisten Fällen Laien.311 Nach Herrmann waren es vor allem ältere Schüler einer geistlichen Schule oder Kleriker mit niederen Weihegraden, für die das Amt eine Durchgangsstation auf dem Weg zu einer Pfarrstelle war.312 Häufiger erscheint in diesem Zusammenhang die Wendung des „gelehrten Kirchners“. Dass dies wirklich auf die Mehrzahl der Orte zutrifft, kann vice versa aus der Tätigkeit der Kirchner geschlossen werden. Wie bereits angesprochen wurde, schrieb der Kirchner in der absoluten Mehrzahl der Fälle die Kirchenrechnung. Neben der Kirchenfabrik waren aber auch andere Institutionen an den Leseund Schreibdiensten eines Kirchners interessiert. In Sonneborn erhielt der Kirchner Schreibgeld aus dem Hospital.313 Die Heimbürgen eines Dorfes zahlten ebenso häufig Schreibgeld an den Kirchner.314 Zu schreiben waren neben der Rechnung, den Zinsregistern und anderem Geschäftsgut vor allem Briefe und Supplikationen. 315 Diese umfassende Schreibtätigkeit setzte zwingend eine Schulbildung voraus, das Schreiben der Rechnung erforderte auch Kenntnisse im Rechnen. Die Fähigkeit, auch Briefe in juristischen Fragen zu verfassen, zeigt in der Tat eine vergleichsweise hohe Bildung. Gerade an der Schreibtätigkeit sieht man die große Bedeutung, die der Kirchner im Spätmittelalter für eine Gemeinde, auch als eine Art Berater, haben konnte. Zur Bewertung der Rolle des Kirchners in der Gemeinde sind weiterhin die Schulen im ländlichen Raum vor der Reformation zu bedenken.316 Bekannt ist
310 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 332r. Es überrascht die große Zahl der „Seiger“, die in den Quellen genannt werden. Eine Uhr war zu Beginn des 16. Jahrhunderts keine starke Ausnahme an den Dorfkirchen. Zu weiteren Nachweisen für Turmuhren vgl. Kap. III.13.3 dieser Arbeit. 311 BÜNZ, Klerus I, S. 219. 312 HERRMANN, Dorfkirchner, S. 709. 313 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 180v. 314 Dies findet sich beispielsweise in Goldbach (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 182r), Wahlwinkel (Ebd., fol. 231v) und Kleinbrembach (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 38r). 315 Der Kirchner von Goldbach erhielt ab der Visitation 1533 zusätzlich zwei Schneeberger Groschen gezahlt, wann ehr der gemeinden ein Supplication schreybt; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 182v. Zur Frage der Schriftlichkeit in der dörflichen Gesellschaft vgl. LORENZEN-SCHMIDT, Elemente mit älterer Literatur. 316 JAKOB, Schulen, S. 258, nennt für die Verhältnisse in Franken die Vereinigung der drei Ämter Kirchner, Schreiber und Schulmeister als „kennzeichnend“ für Dörfer und
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der Fall des Erfurter Kanonikers an der Severikirche und Chronisten des späten 15. Jahrhunderts, Konrad Stolle, der in seinem Memoriale davon schrieb, dass er in seinem Heimatdorf Niederzimmern by einem kerchenere in dy schule ging, bevor er nach Erfurt kam.317 Herrmann fasste zusammen, dass Kirchnerschulen wohl in „größeren Gemeinden“ üblich waren, nicht zuletzt, weil der Kirchner ebenfalls ein Interesse daran hatte, so sein Einkommen aufzubessern.318 Alles in allem stellt das ländliche Schulwesen des Spätmittelalters und des 16. Jahrhunderts ein großes Forschungsdesiderat dar. 319 Dorfschulen, die in vorreformatorischen Quellen erscheinen, sind die absolute Ausnahme. Ein Beispiel bildet der Schulmeister von Reinstädt, der von den Alterleuten von Dienstädt bezahlt wurde, daß er unß zu willenn ist gewest. 320 In Langenberg bei Gera existiert ein Nachweis für eine Schule aus dem Jahr 1505.321 In einigen Fällen wird die vorreformatorische Existenz einer Schule aus der Formulierung der Visitationsprotokolle deutlich. So sollten die Schulen in Wangenheim und Sonneborn nicht mehr durch die dortigen Spendenstiftungen der Herren von Wangenheim finanziert werden. 322 Die Schulen müssen also bereits längere Zeit bestanden haben. Über die Beziehungen zu den Spendenstiftungen wird ein Einfluss der Herren von Wangenheim auf die Schulen deutlich, wenn diese nicht gar auf ihre Initiative hin entstanden.323 Auch in Beutnitz muss es bereits vor den ersten Visitationen eine Schule gegeben haben. Dem dortigen Kirchner wurde eine Erhöhung seines Einkommens eingeräumt, auf das ehr der Kinder schule desta fleissiger warthe.324 Demnach ging er
317 318 319
320
321 322 323
324
Märkte. Ebd., S. 11 zur Forschungsgeschichte zu den Küsterschulen. Zu den Schulen im thüringischen Raum im 15. und 16. Jahrhundert demnächst DIETMANN, Schulwesen. THIELE, Memoriale, S. 238. HERRMANN, Dorfkirchner, S. 711. In den meisten Untersuchungen zum Schulwesen einer Region finden die ländlichen Verhältnisse keine Berücksichtigung. Ausnahmen bilden JAKOB, Schulen; SOBOTTA, Schulwesen. Der Klassiker HEPPE, Geschichte betrachtet zwar das ländliche Schulwesen, ist aber mit Vorsicht zu benutzen. PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 5r. Wie diese Hilfsleistung aussah, geht aus der Erwähnung nicht hervor. Da es nur als einmalige Ausgabe erscheint und ihm nur drei neue Groschen übergeben wurden, dürfte es sich nicht um Unterricht in Dienstädt handeln. KRETSCHMER, Langenberg, S. 163. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 318r, 320r, 321r. Zu den Spendenstiftungen vgl. Kap. I.4.5 dieser Arbeit. Zu den Entstehungsumständen ist nichts bekannt. Sollte die Schule vollständig durch die Herren von Wangenheim unterhalten worden sein, würde sie sich gut in die ‚Kirchenpolitik‘ dieses wichtigen niederadligen Geschlechtes einfügen, vgl. z. B. die Kap. I.4.3 und III.7 dieser Arbeit. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 135r.
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dieser Tätigkeit bereits nach, brachte ihr aber wohl nicht genügend Aufmerksamkeit entgegen. Die Unterscheidung zwischen Kirchner und gesondertem Schulmeister ist in vielen Fällen schwierig. Mitunter wird dieselbe Person nach verschiedenen Tätigkeiten verschieden bezeichnet. Dem Schulmeister von Friemar sollte im Haus des Kirchners eine gesonderte Wohnung eingerichtet werden. Seine bisherige Stube sollte von nun an allein der Schulnutzung zugutekommen.325 In der Zeit vor der Reformation gab es also eine Schule im Dorf, die der Kirchner-Schulmeister in seiner eigenen Stube abhielt.326 Im ersten albertinischen Visitationsprotokoll von 1539 werden in zwei weiteren Orten Schulmeister erwähnt: Gebesee und Herbsleben.327 In beiden Orten gab es gar jeweils einen Locaten, also einen Stellvertreter des Lehrers, der über ein eigenes Einkommen verfügte. 328 Dies bedeutet wohl, dass der Aufwand der Schule von dem Schulmeister neben seinen Kirchneraufgaben nicht zu bewältigen war. In einer Vielzahl weiterer Orte erwähnen die Visitationsprotokolle Einnahmen des Kirchners aus Schultätigkeit. Zwar können diese nicht mit völliger Sicherheit auf die vorreformatorische Zeit bezogen werden, der Rückgang des Schulwesens in der frühen Reformationszeit spricht jedoch nicht für derart viele Neugründungen von Schulen in den 1520er Jahren. So dürften alle Schulen in den folgenden Orten vor der Reformation entstanden sein: Apfelstädt, 329 Bienstädt, 330 Burgtonna, 331 Gräfentonna, 332 Großbrembach, 333 Großrettbach, 334 325 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 204r, 207r. Die Bezeichnung als Schulmeister verdeckt wohl die Verbindung der beiden Ämter. In Friemar gab es nach dem Visitationsprotokoll keinen Kirchner, der Schulmeister wird aber auch für typische Kirchnerdienste bezahlt. Es war also wie in vielen anderen Dörfern der Kirchner, der die Schule abhielt, nur wurde in Friemar mit ihm scheinbar vorrangig seine Schultätigkeit assoziiert. 326 Bereits in einem Zinsregister von 1502 wird der Schulmeister erwähnt. In der gleichen Quelle erscheint mehrfach der Kerchner, sodass die Personalunion wohl nicht dauerhaft bestand; BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 33. 327 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 170v, 164r. In Herbsleben gab es neben dem Schulmeister auch einen Kirchener (ebd., fol. 165r). Allerdings erfüllte der Schulmeister, wie in Friemar, auch typische Kirchneraufgaben, sodass eine Trennung der beiden Ämter nur in der Praxis bestanden zu haben scheint. Aufgrund der jeweiligen Einnahmen stammen aber beide Ämter mit hoher Wahrscheinlichkeit aus vorreformatorischer Zeit. 328 Herbsleben: LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 164v; Gebesee: Kreisarchiv Sömmerda, Gebesee 3913. Zu der Lage der Gesellen des Schulmeisters in Franken: JAKOB, Schulen, S. 303 f. 329 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 245v. Zur Aussagekraft der Visitationsprotokolle in dieser Frage anhand der Pflege Coburg vgl. SOBOTTA, Schulwesen, v. a. die Beispiele auf S. 102, S. 108 f. 330 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 308r.
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Ingersleben, 335 Molschleben, 336 Pferdingsleben, 337 Schwabhausen, 338 Töttelstädt,339 Wechmar,340 Werningshausen341 und Wiegleben.342 Die gewählten Beispiele stammen aus dem Bereich zwischen Erfurt und Gotha. Unklar bleibt, inwiefern diese Verhältnisse zu verallgemeinern sind. In vielen kleineren Dörfern südlich und östlich des Thüringer Beckens wird keine Schultätigkeit des Kirchners genannt. Einen Küster gab es aber in beinahe jedem Dorf. Sofern dieser selbst die nötige Bildung hatte, lag es, wie erwähnt, in seinem eigenen Interesse, Unterricht abzuhalten. Für Franken wurde festgestellt, dass der erste Nachweis einer dörflichen Schule aus dem Jahr 1441 stammt und vor allem in den Jahren zwischen 1470 und 1520 eine Vielzahl weiterer Schulen in den Quellen genannt wird.343 Zieht man dies als Maske heran, dürften die genannten Beispiele wohl auch in der Zeit der Vorreformation entstanden sein. In all diesen Orten zahlten die Eltern einen festen jährlichen Beitrag für die Unterrichtung eines schulknaben.344 Dieser lag zwischen vier und 20 Groschen jährlich. Ein recht geringer Posten, der für einen großen Teil der Bauernfamilien zu leisten gewesen sein dürfte – zumindest für einen Teil der Kinder. Ein Argument dafür, dass eine Grundbildung im spätmittelalterlichen Dorf keine große Seltenheit war. 345 Über die Organisation einer ländlichen Kirchnerschule ist 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342
Ebd., fol. 311r. Ebd., fol. 302r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 36v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 213v. Ebd., fol. 300v. Ebd., fol. 201v. Ebd., fol. 310r. Ebd., fol. 296r. Ebd., fol. 309v. Ebd., fol. 295v. Ebd., fol. 306v. Ebd., fol. 200r. Da für diesen Bereich leider die Akten der ernestinischen Visitation von 1528/1529 fehlen, lässt sich für einige Beispiele nicht sagen, ob das Einkommen des Kirchners aus der Schultätigkeit eventuell auf diese Visitation zurückzuführen ist, wenngleich dies eher unwahrscheinlich ist. In erster Linie betrifft dies Orte, in denen der Kirchner pauschale Summen erhielt und keine Pro-Kopf-Abgabe. Beispiele bieten die Küsterschulen in Aspach, wo er Geld erhielt, und in Tüngeda, wo er eine feste Menge Korn erhielt; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 239v, 332r. 343 JAKOB, Schulen, S. 129. 344 Für die Unterrichtung von Mädchen in den Kirchnerschulen fehlt jede Spur. Auch JAKOB, Schulen, S. 295, stellte den Zusammenhang zwischen Schülerzahl und Einkommen des Kirchners fest. 345 Zu den Kirchnerschulen in den Dörfern kam die Ausstrahlung der städtischen Schulen, die ebenfalls von Schülern aus den Dörfern besucht wurden. Auch die Klosterschulen sind an dieser Stelle zu nennen. BÜNZ, Klerus I, S. 218, Anm. 84, führt einen Nachweis
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nichts bekannt. Es gibt keine Quellen, die über den Inhalt des Unterrichts, den Zeitplan oder die sittliche Disziplinierung der Schüler berichten. Allerdings dürfen die Kirchnerschulen nicht als bloße Gelegenheitsbildung verstanden werden.346 Ein vollständiger Unterrichtstag wäre wohl mit dem bäuerlichen Arbeitsablauf, in den die Kinder eingebunden waren, nicht vereinbar gewesen. Auf der anderen Seite erwarteten die Bauern für ihren gezahlten Jahresbeitrag wohl eine nennenswerte Gegenleistung. Das Ermöglichen von Bildung für ein Kind stellte nicht zuletzt eine gezielte Investition dar. Nimmt man weitergehend die Perspektive der Gemeinde ein, so zeigt sich, dass diese durch die Anstellung eines gebildeten Kirchners über die Kirchenfabrik eine schulische Versorgung im Ort sicherstellten. Man kann ein Interesse der Bauern an einer Schule im Dorf unterstellen. Nur ein einziger Anhaltspunkt für die Zahl der Schüler in einer Kirchnerschule existiert: Zu Werningshausen wurde 1533 im Visitationsprotokoll vermerkt, dass es Itzt khaum VIII Schulknaben beim Kirchner seien.347 Diese Formulierung wurde gewählt, um zu verdeutlichen, dass der Kirchner in diesem Ort kein großes Einkommen aus seinem Schuldienst zu erwarten hätte. Die Zahl der Schüler bei einem Kirchner dürfte demzufolge in der Regel deutlich höher gelegen haben.348 Dennoch stellte die Tätigkeit als Schulmeister für den Kirchner eher einen Zuverdienst dar. Das eigentliche Kirchnerein-
für einen Schulmeister am Kloster Paulinzella auf. Auch die Schulmeister, die das Visitationsprotokoll 1533 in Reinhardsbrunn und Ichtershausen nennt, könnten auf eine vorreformatorische, klösterliche Schultradition hinweisen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 266r, 286v. Der Ichtershäuser Schulmeister war ebenfalls eindeutig ein Kirchner. Allerdings erhielt er auch Abgaben aus dem Kloster, vor dessen Sequestrierung. Zur personellen Besetzung dieser Stellen, ob sie also von Geistlichen aus dem Kloster oder dessen Umfeld besetzt wurden, fehlt freilich jeder Hinweis. Auch die Vielzahl der Studenten aus Dörfern, die an den Universitäten immatrikuliert wurden, verdeutlicht die Verbreitung elementarer Bildung in der ländlichen Gesellschaft. Vgl. für die Erfurter Universität die Matrikel; SCHWINGES/WRIEDT, Bakkalarenregister; WEISSENBORN, Universität. 346 BÜNZ, Klerus I, S. 219 lässt offen, ob darunter überhaupt eine feste institutionelle Einrichtung zu verstehen sei. 347 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 306v. In Hersbruck in Franken gab es in dieser Zeit bei 800 Einwohnern fast 70 Schulkinder, die aber mehrheitlich nur im Winter am Unterricht teilnahmen; ENDRES, Verbreitung, S. 219. 348 Freilich finden sich die Nachweise für Kirchnerschulen eher in größeren Dörfern, deren Einwohnerzahl eine Schule rechtfertigte. Auch eine Kirchnerschule, die mehrere kleinere Dörfer in der Umgebung ‚versorgte‘, ist denkbar. JAKOB, Schulen, S. 130–132 stellte Dorfschulen in erster Linie in größeren Dörfern oder in Dörfern mit einer Zentralfunktion (Pfarrei, Gerichtsort o. Ä.) fest.
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kommen war grundlegend. Die Entwicklung des dörflichen Schulwesens im Zuge der Visitationen wird in einem späteren Kapitel behandelt.349
4. Die Verdichtung des Sakralen durch Bauern und Adel DIE VERDICHTUNG DES SAKRALEN DURCH BAUERN UND ADEL
4.1. Memorialstiftungen Die Sorge um das eigene Totengedenken war eine der Haupttriebfedern des vorreformatorischen Stiftungswesens. Die Lehre vom Fegefeuer bestimmte das Handeln der Menschen.350 Allerdings sind nur sehr wenige Quellen überliefert, die einen Einblick in die persönlichen Motivationen der Stifter erlauben. Bei Testamenten aus den Dörfern ist für den Untersuchungsraum ein vollständiger Quellenverlust zu beklagen.351 Besondere Bedeutung kommt daher den wenigen überlieferten Jahrtagsverzeichnissen zu.352 Die schiere Menge und geschlossene Verteilung von Seelmessen zeigen die Visitationsprotokolle. Wegen der fehlenden Angaben über Stifter oder den genauen Inhalt der Stiftung ist man auf wenige genauere Quellen und Vergleichsbeispiele angewiesen. Über die Entstehung und Entwicklung dieser Form der Memoria in den Dörfern lassen sich kaum Aussagen treffen.353 Einige Seelmessen entstanden freilich aus den Verpflichtungen von Sühneverträgen, zu denen neben dem Setzen eines Steinkreuzes im Allgemeinen auch die Stiftung von Seelmessen gehörte. Aus der ländlichen Gesellschaft Thüringens konnte bisher keine solche Sühneurkunde festgestellt werden.354
349 Vgl. unten Kap. III.4. 350 Vgl. ANGENENDT, Religiosität, S. 684‒716. Die Forschung zur mittelalterlichen Memoria ist kaum noch zu überblicken. Zur Forschungsgeschichte: BORGOLTE, Memoria; OEXLE, Memoria; SCHMID/WOLLASCH, Memoria. Zu theologischen Hintergründen vgl. den mit einer Vielzahl aussagekräftiger Beispiele bestückten Sammelband BERNDT, Memoria. 351 Bereits BÜNZ, Memoria, S. 268, machte auf das Fehlen von Untersuchungen zum Totengedenken in den Dorfpfarreien aufmerksam. 352 BÜNZ, Memoria, S. 270–272 mit weiteren Hinweisen auf edierte Verzeichnisse. 353 Die Behauptung von FUHRMANN, Kirche, S. 77, dass die Seelmessen sich in der Stadt deutlich eher und zahlreicher entwickelten, entbehrt jeder Grundlage. Freilich verleitet die Überlieferungslage zu diesem Schluss. Anscheinend setzte sich das Totengedenken in den dörflichen Kirchen im Laufe des 14. Jahrhunderts durch, dazu existieren jedoch nur Indizien; BÜNZ, Memoria, S. 268 f.; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 56‒80; bes. S. 77‒80. 354 Vgl. die Forschungsübersicht und das Verzeichnis der Steinkreuze unter www.suehnekreuz.de (letzter Zugriff: 22.8.2016); KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 192–194.
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Die meisten Seelmessen in den spätmittelalterlichen Dörfern wurden von Pfarrern gehalten.355 Einem Laien, der eine Seelmesse stiften wollte, boten sich dazu zwei Möglichkeiten. Erstens konnte er eine Stiftung direkt beim Pfarrer platzieren, zweitens konnte er die örtliche Kirchenfabrik als Stiftungstreuhänder einsetzen.356 Die zweite Möglichkeit bot eine höhere Sicherheit über den Tod des aktuell amtierenden Pfarrers und eventuelle Änderungen in den Pfarrverhältnissen hinaus, sollte jede Stiftung doch ewig gelten. Pauschal kann festgestellt werden, dass der Großteil der Anniversarien in den Dörfern über die Kirchenfabriken gestiftet wurde.357 Der eigentliche Gegenstand der Stiftung wurde an die Alterleute übergeben, die die Zahlungen an die entsprechenden Personen veranlassten. Eine Kombination mit einem Rentengeschäft kam ebenso häufig vor. Der Stifter oder seine Erben mussten sodann einen jährlichen Zins zur Aufrechterhaltung der Stiftung bezahlen. Üblicherweise war dieser am Michaelistag fällig. Schließlich waren auch Hypotheken auf den eigenen Besitz keine Seltenheit (siehe unten in diesem Kapitel). Als Stiftungsgegenstände kamen zumeist Grundbesitz, Tiere oder Geld in Frage. In Treppendorf bei Kranichfeld hatte ein Einwohner eine Wiese zur Verwaltung an die Kirchenfabrik gegeben, die davon drei Schock Groschen als jährliche Präsenzzahlung für die Seelmesse an den Pfarrer abführte. 358 Der Pfarrer von Obernissa erhielt zehn Scheffel Getreide von einem Testament.359 In Teichröda hatten zwei Brüder der Kirchenfabrik mehrere Grundstücke übertragen, davon sollte dem Pfarrer Präsenzgeld für mehrere Seelmessen in der Fastenwoche und fünf Anniversare gegeben werden.360 In Trügleben bei Gotha war ein Waldstück wegen etlicher Begängnisse an die dortige Kirchenfabrik beschieden.361 Hier hatte die Gemeinde wohl die Sicherheit für mehrere Einwohner gemeinsam organisiert. An dieser Stelle begegnet zum ersten Mal eine genossenschaftliche Organisation von Stiftungen über die Kirchenfabrik. In Buchfart erhielt der Pfarrer ebenfalls ein Nutzungsrecht für eine Wiese und einen Teil Ackers für alle Gedächtnisse für die Wohltäter der Kirche.362 Für eine 355 Zu Vikaren als den umsetzenden Geistlichen siehe unten Kap. I.4.3. 356 Vgl. BÜNZ, Memoria, S. 275 f. Vgl. für die Städte REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 361‒380. Direkt an den Pfarrer beschieden wurde etwa um 1515 durch einen einzelnen Bauern eine Wiese und eine Hütte auf dem Kirchhof von Molschleben; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 202v. Eine Hütte auf dem Kirchhof war auch Zinsgut einer Osterspende in Friemar; BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 30. 357 Über die zweifellos große Zahl an Handstipendien existieren keine Quellen; vgl. unten. 358 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 199v. 359 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 112v. 360 FLEISCHER, Rudolstadt, S. 175. 361 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 242r. 362 BERGNER, Buchfart, S. 572 f.
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zusammenfassende Finanzierung der Memoria durch die Gemeinde oder die Kirchenfabrik spricht auch die Abrechnung, die mitunter gemeinsam erfolgte. In Tegkwitz zahlten die Alterleute zu einem Weihfastentermin pauschal einen Betrag an die Priester des versammelten Kalandes.363 In der Ulrichskirche in Bothenheilingen wurden vier Schneeberger Groschen für mehrere Anniversarien gemeinsam verbucht, während eine größere Jahrtagsstiftung mit sechs Schneeberger Groschen getrennt geführt wurde.364 In vielen Dörfern künden die ewigen oder eisernen Kühe von den Jahrtagsstiftungen. Bei diesem Prozedere wurde ein Tier – außer einer Kuh mitunter auch ein Schaf oder ein Schwein – gestiftet, das aber im Nutzen des Stifters bleiben konnte oder verpachtet wurde. Allerdings wurde von diesem Nutzen ein geringer jährlicher Zins an den Stiftungstreuhänder gezahlt. ‚Ewig‘ wurde die Kuh durch die Regelung, dass sie im Todesfall ersetzt werden musste, sodass der Zins weiter gezahlt würde. Das Zinsregister der Kirche in Friemar beschreibt einen solchen Fall zum Jahr 1516 wie folgt: [H]at der wuerdige Her Er Jacoff Vicarius dem Gotshuß sanct vit ein ewige Kue bescheiden also das die alterlueth obgemelte Kue Jerlichen vermitten sullen, und wer die Kue annimt, sal Jares ein pfunt wachs zu zinß geben und wan die Kue schaden nimt sal derjenige der sy gemiht ein anders an dy stedt schicken domit daß solch Kue ewiglichen pleyben sal.365
Auch wenn sich solche Nachweise über die jeweilige Stiftung sehr selten erhalten haben, zeigt doch die Menge der Kühe im Einkommen der Gotteshäuser, wie üblich diese Form war. An die Kirchenfabrik des Dorfes Möbisburg wurden 1524 363 PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 149, S. 184. Getrennt davon wurde zum gleichen Anlass ein Schock Groschen wegen einer Seelmesse an den Kaland bezahlt, die ein Valentin Burkert für seine Mutter gestiftet hatte; ebd., S. 171. Gemeinsame Begängnisse zu den vier Weihfastenterminen mit mehreren beteiligten Priestern gab es auch in Trockenborn; PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26, fol. 5r. 364 LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 123v. Eventuell ist dies auch auf die Rechnungsführung der Alterleute zurückzuführen. Zu einem solchen Beispiel aus dem städtischen Umfeld: SLADECZEK, Pfarrkirchen, S. 217 f. Zu anderen Hinweisen auf kollektive Jahrgedächtnisse vgl. BÜNZ, Memoria, S. 283 f. Vorbilder für ein solches Vorgehen finden sich auch im klösterlichen Bereich. Ein Beispiel bietet das Erfurter Peterskloster. Hier wurden im Laufe des 15. Jahrhunderts Seelmessen zusammengefasst bzw. Messen gestiftet, die stellvertretend für alle bisher an einem Altar stattfindenden Seelmessen gehalten wurden. Nicht zuletzt diente dies einer Effektivierung der liturgischen Aufgaben im Kloster, da die Vielzahl der Seelmessen und Jahrgedächtnisse vieles überlagert hatte; FRANK, Peterskloster, S. 145–173, bes. S. 156–158. Wenngleich in den Dorfkirchen die ordnende Hand einer Bursfelder Kongregation fehlte, bestand doch auch hier das Problem der zunehmenden Zahl der memorialen Verpflichtungen der Geistlichen. Hinzu kam die Zusammenfassung älterer Jahrtage wegen der Entwertung der Stiftungssummen; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 68. 365 BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 36.
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für 23 Kühe je 15 Groschen gezinst;366 in Utenbach gab es gar 29 Kühe als Zinsgegenstand.367 Der Stiftungsumfang konnte erheblich schwanken, wodurch natürlich auch der Ertrag schwankte, den der jeweilige Geistliche daraus erhielt. 368 Ebenso schwankt die Zahl der nachweisbaren Jahrgedächtnisse pro Kirche. In Ballstädt lassen sich vier Anniversarien nachweisen, in Hornsömmern 20.369 Beide Dörfer lagen im albertinischen Amt Salza und waren ähnlich groß. Allerdings sind statistische Überlegungen wegen der ungleichmäßigen Überlieferung nicht sinnvoll. In den meisten Fällen werden in den Visitationsprotokollen und vergleichbaren Quellen die Zahlungen für Jahrgedächtnisse und Seelmessen zusammengefasst, sodass keine Informationen über die Zahl und den Umfang der einzelnen Stiftungen bekannt sind. Es zeigen sich aber auch hier Unterschiede im Umfang der Zahlungen: Der Pfarrer von Marbach erhielt ein Schock Groschen aus Begängnissen von der Kirchenfabrik, 370 der Pfarrer von Hörselgau erhielt zwölf Schock Groschen für Anniversarien.371 Bei diesen Versuchen, der Bedeutung der Memoria in den Dorfkirchen nahezukommen, muss immer bedacht werden, dass 366 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 105r. 367 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2023. Zu den Ewigen Kühen: REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 407. Allerdings können solche Zahlen ewiger Tiere auf größeren Einzelstiftungen beruhen, wie das Beispiel Wahlwinkel zeigt. Hier stiftete 1509 der Schäfer von Mechterstädt der Kirche 26 Schafe; BRÜCKNER, Schulenstaat, 1, 4, S. 48. In Niederwillingen gab es eine ewige Ziege; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5674. 368 Zwischen wenigen Pfennigen und mehreren Schock war alles denkbar. Der Pfarrer von Schwarzhausen erhielt von Jahrgedächtnissen vier Pfennige (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 116r), das Testament des Kunz Kachelt aus Liebschütz umfasste 60 Schock Groschen als Hauptsumme (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 304r), eine Seelmesse hätte hier wohl drei Schock Groschen jährlich erbracht. Diese Beispiele dienen nur der Illustration. Da hier, wie bei allen Beispielen, die genauen Inhalte des Seelgerätes nicht bekannt sind, ist ein direkter Vergleich nicht möglich. Allerdings treten in manchen Registern wiederkehrende Summen hervor. In Friemar wurden in vielen Fällen vier Schilling an den Pfarrer und acht Groschen an den Kirchner für eine Seelmesse gezahlt; BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 28–38. Da sowohl billigere als auch teurere Jahrtagsstiftungen genannt werden, scheint dies ein ‚mittleres Paket‘ gewesen zu sein, für das sich viele Einwohner entschieden. Auch bei den Schulden aus Testamenten beim Kaland in Kosma, die zur Zeit der ersten Visitation bestanden, erscheinen verschiedene Zahlungshöhen, die sich aber in einer ähnlichen Größenordnung bewegen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 297r. 369 LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 68v, 82v. 370 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 116v. 371 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 233v. Auch hinter den verallgemeinerten Präsenzzahlungen an den Pfarrer könnten sich weitere Jahrtagsstiftungen verbergen, so erhielt der Pfarrer der Großengotterner Martinikirche zwölf Schock Groschen Präsenz ohne Angabe von Gründen, LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 56r.
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nicht alle Mitglieder der dörflichen Gesellschaft als Stifter auftraten. Wahrscheinlich beschränkte sich diese Gruppe auf die wohlhabenden Bauern der „Gemeinde“. Neben dem Pfarrer konnten weitere Personen an der Umsetzung der Stiftung beteiligt sein. Dies betrifft in erster Linie den Küster.372 In Schmidtstedt wurde 1512 Präsenz an eine unbekannte Person zum Singen von Vigilien gezahlt.373 In Steudnitz gab es bis zur Einführung der Reformation in den albertinischen Gebieten Begängnisse mit mehreren beteiligten Priestern.374 In Kirchheim sollten Jahrgedächtnisse mit Unterstützung des Pfarrers des benachbarten Werningsleben gehalten werden.375 Zu einer Seelmesse konnten eine Vigil, Lesungen, verschiedene Gebete, stille Messen und weitere Elemente gehören, sodass sich für eine Jahrtagsstiftung ein „Paket geistlicher Leistungen“376 ergab. Weiterhin waren auch Spenden Bestandteil größerer Jahrtagsstiftungen.377 Außer den Bauern kommen zwei weitere Personengruppen als Initiatoren von Jahrtagsgedächtnisse in Frage: Pfarrer und Niederadlige. 378 Der Pfarrer von Lohma gab ein testamentarisches Legat an die Kirchenfabrik,379 und auch die Dienstädter Kirchenfabrik rechnete 1513 die Präsenz für ein phaffenbegengneß ab.380 Der Pfarrer von Jüdewein bei Pößneck stiftete ein Gedächtnis für seinen Vorgänger, mit dem er wohl persönlich bekannt, wenn nicht verwandt war.381 In der Sonneborner Pfarrkirche hatte 1467 ein Erfurter Vikar ein Jahrgedächtnis gestiftet, der möglicherweise aus dem Dorf stammte.382 Bei den Pfarrern kam die Kirchenfabrik nicht nur als Verwalter sondern auch als Empfänger von Testamentsverfügungen in Frage. Ein ehemaliger Pfarrer von Alach hatte der Kirchenfabrik 50 Gulden hinterlassen.383 Ein Beispiel, das erneut lehrt, keinen allzu 372 Z. B. in Dankmarshausen: LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 32r. 373 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 33v. 374 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 1. Fach, 9. Karton, lfd. Nummer 623–732, Kirchenrechnungen Steudnitz 1539–1584; vgl. GÖTZ, Hilpoltstein, S. 67. 375 StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a. 376 ANGENENDT, Offertorium, S. 438. Lesungen, Gebete, etc. waren übliche Bestandteile einer Vigil, vgl. HÄUSSLING, Vigil. 377 Vgl. unten Kap. 4.5. 378 Zur Memoria der Pfarrer vgl. unten das Kapitel 4.7. WEISS, Landschafft, S. 69, zeigte, dass die Gemeinden durchaus an Stiftungen der Pfarrer im 14. und frühen 15. Jahrhundert beteiligt sein konnten. 379 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 188v. 380 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 9v. 381 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 440. 382 BAE, Marienstift, Urkunden, Nr. 1138. Ein Vergleichsbeispiel einer Stiftung eines nicht mehr am Ort Ansässigen bietet ein Gothaer Bürger, der 1515 ein Jahrgedächtnis in der Kirche seines Heimatdorfs Molschleben stiftete; BRÜCKNER, Schulenstaat, 3, 8, S. 65–70. 383 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 124r.
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strengen Dualismus zwischen Pfarrer und gemeindlicher Verwaltung in der Vorreformation zu postulieren. Trotz dieser Nachweise scheint die Memoria der Pfarrer in den Dorfkirchen eher eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Eine Untersuchung im Vergleich zu Klöstern und Stiften ist wünschenswert. Die Adligen tätigten meist größere Stiftungen im Rahmen ihrer Testamente. In einigen Fällen lassen sich aber auch für sie einfache Jahrtagsstiftungen feststellen, deren genaue Zusammenhänge jedoch ebenfalls nicht deutlich werden. Die von Teutleben zu Laucha stifteten verschiedene Gedächtnisstiftungen in der dortigen Dorfkirche. An den Pfarrer wurden zehn Groschen von einer Seelmesse, 40 Groschen von einem Begängnis am Urbanstag und weitere kleine Beträge abgeführt.384 Der Pfarrer von Süßenborn bei Weimar erhielt zwei Schock Groschen aus einer Memorialmesse der niederadligen Familie Gans, die in Denstedt saß.385 Adlige Jahrtagsstiftungen lassen sich auch in der Kirche von Buchfart nachweisen. Zu allen Weihfasten wurde an die Edlen von Harras, als ehemalige Patronatsherren der Kirche, an die Grafen von Orlamünde und an alle weiteren Wohltäter der Kirche erinnert. Für die Memoria der Edlen von Harras hatte der Pfarrer ein Feld erhalten. Von den Grafen von Orlamünde war er mit verschiedenen Privilegien versehen worden.386 In der Kirche von Langenberg bei Gera war 1424 durch Heinrich von Etzelsdorf eine Seelmesse für verschiedene Vorfahren gestiftet worden. Die Urkunde wurde sehr schlicht gehalten; der Pfarrer verpflichtete sich schlicht, bestimmten Verwandten und allen Mitgliedern des genannten Geschlechtes zu gedenken, wenn man den anderen Seelen gedenkt.387 Doch nicht nur beim Niederadel kam eine Verbindung von Memoria mit Messstiftungen vor. 1442 stifteten Konrad Buler und seine Frau Käthe dem Kloster Paulinzella 40 Schock Groschen zum Erwerb ewiger Zinsen, von denen eine Sonnabendsmesse am Margarethenaltar im Kloster sowie Vigilien und Seelmessen für sie, ihre Eltern und ihr ganzes Geschlecht finanziert werden sollten.388 Bemerkenswert ist dieses Beispiel, da es zeigt, dass sich die Memoria der Bauern nicht nur auf die eigene Pfarrkirche konzentrieren musste, sondern sich auch in traditionellen Formen darstellen konnte. In Gumpelstadt ließen Stifter aus verschiedenen Familien ab 1501 montags eine kollektive Seelmesse am Hauptaltar singen. Es wurde betont, dass die Stifter namentlich genannt werden. Diese Form der Öffentlichkeit sollte zweifellos auch zum Renommee der Familien im Ort beitragen. Damit wurde nicht zuletzt die
384 385 386 387 388
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 237r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 99r. BERGNER, Buchfart, S. 572 f. Stiftsarchiv Zeitz, Urkunden 49. UB Paulinzella, Nr. 417, S. 384.
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Fähigkeit, eine solche Messe zu stiften, zur Schau gestellt.389 Die Zahl der Anniversarien konnte auch in kleineren Dorfkirchen beträchtlich sein. Johannes Oßan, Pfarrer von Buchfart im Jahre 1506, empfahl daher seinen Nachfolgern, die sonntäglichen Nennungen der Verstorbenen wegen des Überdrusses der Leute abzukürzen, wenn sich die jeweiligen Nachfahren nicht unter den Anwesenden befänden.390 Über die große Zahl der Jahrtagsstiftungen in den Dorfkirchen informieren die wenigen erhaltenen Verzeichnisse.391 Sowohl die beteiligten Geistlichen (in erster Linie der Pfarrer) als auch die Alterleute konnten solche anlegen, um die Übersicht über die zu organisierenden und abzuhaltenden Jahrtage zu behalten und auch die daraus resultierenden Abgaben einzufordern. Im Gegensatz zu den erhaltenen Nekrologen aus Klöstern und Stiften haben die Verzeichnisse aus den Dorfkirchen des thüringischen Raums oft eher den Charakter von Zinsregistern.392 Die Eintreibung des Zinses, der zu dem Seelgerät gestiftet war, war der Grund für ihre Anlage. Die Angaben zu der Seelmesse bilden eher eine Ergänzung des jeweiligen Eintrages. Umgekehrt betrachtet, informieren nur wenige Zinsregister über den Hintergrund der einzelnen Posten. Die erhaltenen Zinsregister mit Angaben zu den Jahrtagen zeigen aber, wie groß der Anteil der Zinseinnahmen einer Kirche war, der auf Seelgerätstiftungen beruhte. Dieser Sachverhalt wird in dem bereits erwähnten Zinsregister aus Friemar deutlich. Hier wurden 1503 mindestens 42 Seelmessen umgesetzt, von denen die meisten mehrfach im Jahr zu den Weihfastenterminen gehalten wurden.393 Die Register resultierten aus immer wiederkehrenden Streitigkeiten um die Abgaben. So sahen sich die Alterleute von Friemar 1503 gezwungen, alle zinßlute und alle dy vorwant sin dem Gotshuße einzubestellen, eventuelle Unklarheiten anhand der älteren Register zu besprechen und ein neues Register ane alle widerredde eyns Iglichen aufzusetzen.394 389 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 83r–86r. Die Seelmesse hatte einen Stiftungsumfang von 52,5 Gulden; BÜNZ, Gumpelstadt, S. 150. Sie lag damit deutlich über dem Durchschnitt einfacher Anniversarien. 390 BERGNER, Buchfart, S. 573. Der Pfarrer Johannes Oßan bat seine Nachfolger aber gleichzeitig, für sein eigenes Seelenheil zu beten. Zu Oßan/Osann vgl. BÜNZ, Klerus, III/2, S. 549. 391 Vgl. BÜNZ, Kommunikation, S. 140, Anm. 194 und oben in diesem Kapitel. 392 Freilich existieren darüber hinaus viele verschiedene Formen dieser Aufzeichnungen; vgl. BÜNZ, Memoria, S. 272 ff. zu einigen Beispielen. 393 BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 28–38. Ein weiteres Jahrtagsverzeichnis existiert von der Pfarrei Melchendorf aus vorreformatorischer Zeit. Melchendorf war, wie Hochheim, eines der Mainzer Küchendörfer in der Erfurter Umgebung; KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 112 f. Ähnliche Zahlen der Anniversare pro Kirche zeigt BÜNZ, Memoria, S. 276, an Beispielen aus dem Bistum Speyer. 394 BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 38.
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Ein weiteres Beispiel bildet eine jüngere Abschrift eines Registers der Pfarrkirche St. Bonifatius in Hochheim bei Erfurt.395 Dieses beginnt 1421 und wurde durch einen Vermittler, wohl einen Notar, in einem Haus in Erfurt mit Wissen der Gemeinde, der Alterleute und der Heimbürgen erstellt. Anlass war wohl ein Streit um die Einnahmen der Pfarrei. In der Folge lassen sich viele Stifter von Begängnissen der dörflichen Gemeinde zuordnen. Das Hochheimer Register entstand ebenfalls aus verschiedenen älteren Registern.396 Die Aktualisierung der Register war nicht nur wegen Zinsstreitigkeiten nötig, da auch durch Generationswechsel und andere demographische Gründe die Unterhaltung der Stiftungen enden konnte. Neben den gesonderten Registern, die der Überprüfung dienten und vor allem eine Rechtsquelle für eventuelle Rechtsstreite darstellten, führten die meisten Kirchen die Zinsen aus den Anniversarien auch in der Kirchenrechnung.397 Selbst die erhaltenen Register informieren aber keineswegs über die Gesamtzahl der Seelmessen, die in einer Kirche gehalten wurden. Für die Memoria auf dem Dorf ist eine überproportional hohe Zahl an Handstipendien zu unterstellen, das heißt, dass die Nachfahren den jeweiligen Priester direkt für eine einzelne Leistung, etwa eine Seelmesse, entlohnten.398 Das Motiv der Seelmesse, also der Stiftung aus Sorge um das eigene Seelenheil und Totengedächtnis, findet sich auch in den folgenden Kapiteln bei komplexeren Stiftungen wieder.
4.2. Messstiftungen Deutlich besser als die individuelle Memoria lassen sich für die Dörfer des späten Mittelalters Messstiftungen fassen. Die oben beschriebenen Prinzipien des Stiftungsvorganges fanden auch hier Anwendung. In fast allen Fällen fungierte die Kirchenfabrik des Ortes als Stiftungstreuhänder, in den meisten Fällen tritt der Pfarrer als Empfänger auf, der meist die Stiftung umsetzte.
395 BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 2. 396 Leider wird bei diesen Fällen nicht genau deutlich, wer die Register führte und auf wessen Initiative sie aktualisiert wurden. 397 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 5v. Hier zinsten die Menschen meist recht hohe Beträge von über einem Schock Groschen für die Seelmessen ihrer verstorbenen Verwandten. 398 Zu den Handstipendien vgl. ANGENENDT, Religiosität, S. 496 f.; BÜNZ, Memoria, S. 274. Das Einkommen der jeweiligen Familie spielte dabei auch eine Rolle; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 75.
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An dieser Stelle erscheint ein methodisches Problem: Die Tatsache, dass eine Stiftung im Einkommen des Pfarrers genannt wird,399 heißt nicht zwangsläufig, dass dieser die Messe hielt. Über eine mögliche Weitergabe der Verpflichtungen an einen Hilfspriester informieren kaum Quellen. Diesen Modus muss es dennoch sehr oft gegeben haben, wie die Beschwerden darüber zeigen. Eine Quantifizierung ist jedoch nicht möglich.400 Ein Vertreter war aus Gemeindesicht aber sicher noch eher zu akzeptieren als ein völliges Ausfallen der Messe. 1518 beschwerte sich die Gemeinde Ölknitz darüber, dass ihr Pfarrer eine Messe an der Saalebrücke anfänglich wenig und nach drei Jahren gar nicht mehr gehalten, aber dennoch die Präsenz dafür gefordert habe. Der Amtmann zur Leuchtenburg wies ihn daraufhin an, seinen Verpflichtungen nachzukommen.401 In Gebstedt wurde 1495 die Absprache getroffen, dass der Pfarrer bis auf Weiteres eine von zwei gestifteten Messen halten solle. Bisher hatten die Alterleute beide bei auswärtigen Priestern bestellt, da der Pfarrer keine Zeit hatte.402 Ein weiteres methodisches Problem der Visitationsprotokolle besteht in der Art der Erwähnung. Nur in absoluten Ausnahmefällen informieren sie über die Stifter und andere Details. Erneut können aber durch Vergleiche verschiedener Hinweise Erkenntnisse gewonnen werden. Auch innerhalb der Messstiftungen gab es ein enormes Gefälle hinsichtlich des Volumens der Finanzen, die zur Umsetzung nötig waren. Zunächst waren Stiftungen, die vom Pfarrer gehalten wurden, natürlich billiger als ein Benefizium, da dem vorhandenen Pfarrer kein gesondertes Einkommen und kein zusätzliches Haus gestellt werden mussten. Aber auch zwischen den Messen, die der Pfarrer halten konnte, gab es finanzielle Abstufungen. Die Bauern von Gebstedt zahlten ihrem Pfarrer für eine Tenebrae-Stiftung einen neuen Groschen, für ein Salve Regina 25 Groschen und für eine Marienmesse drei Schock und zehn Groschen.403
399 Beispielsweise die Mechterstädter Mittwochsmesse: LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 106r. 400 Über die Hilfspriester ist sehr wenig bekannt, vgl. oben Kap. I.2. Zum Prinzip in den Städten vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 262. Die Auswahl der Beispiele in diesem Kapitel folgt dabei der Erwähnung in den Quellen. Dass einzelne Messen aber auch zu einer Kommende gehörten, kann nicht ausgeschlossen werden; vgl. unten Kap. I.4.3. Ebenso ist zu den einzelnen Messen der Ort und der jeweilige Altar nur in wenigen Fällen überliefert. Dabei ist wahrscheinlich, dass ein Großteil von ihnen an Nebenaltären gehalten wurde, die es auch in kleineren Dörfern gab. 401 AGBM II, Nr. 1079, S. 1 f. Zur Messstiftung an der Saalebrücke vgl. unten in diesem Kapitel. 402 UB Paulinzella, Nr. 515, S. 443. 403 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 56v.
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Marienmessen Die vorreformatorische Zeit war gekennzeichnet von einer sehr starken Marienfrömmigkeit. 404 Diese zeigt sich im gesamten kirchlichen Leben. Typische Elemente dieser Frömmigkeit waren und sind die marianischen Antiphonen, die geläufigste unter ihnen war die Antiphon Salve Regina.405 Üblicherweise wurde sie am Abend angestimmt und erinnerte an die Verkündigung Mariens, wobei es verschiedene liturgische Ausgestaltungen gab. 406 Für die Gemeinde stellte die Abhaltung zusätzliche Abendgottesdienste dar, die wohl auch eine hohe soziale Funktion hatten. Die Glocken riefen die Bauern von den Feldern in die Kirche. Quantitativ kann das Salve Regina als die meistverbreitete Stiftung in der ländlichen Gesellschaft Thüringens angesprochen werden. Bei den vielen Salve-Stiftungen lassen sich die Urheber meist nicht eindeutig feststellen. In vielen Fällen dürften auch sie Ergebnis eines Testaments gewesen sein. So stiftete Heinrich Fellner in Liebengrün zwei Testamente – neben einer Jahrtagsstiftung ein Salve –, die beide der Pfarrer der Mutterpfarrei Liebschütz ausführte.407 In Friemar wurden zwei Salve, die auf Seelmessen beruhten, gehalten, eines explizit in der Fastenzeit.408 In Großurleben wurden zwei Salve abgehalten, eines am Sonntag.409 Es ist fraglich, ob die Gemeinde die Stiftung wiederholt hätte, sodass auch hier eine Entstehung einer der beiden Stiftungen aus einem Testament denkbar ist. Die Salve-Stiftungen waren üblicherweise in Verwaltung der Kirchenfabriken.410 Zur Umsetzung der Antiphon wurden in den meisten Fällen der Pfarrer und der Kirchner bezahlt, wie in Wölfis, wo der Pfarrer 13 Groschen, der Kirchner sieben Groschen erhielt.411 Wie bei den Seelmessen gab es jedoch keine überlokalen ‚Standardpreise‘. In Mittelhausen erhielt der Pfarrer für das Salve fünf Groschen von einer ewigen Kuh, 412 in Riechheim umfasste die Stiftung zwölf Gulden Hauptsumme, woraus der Pfarrer einen Zins
404 Dies zeigt sich deutlich an den vielen Retabeln, die die Gottesmutter in der Mitte sehr prominent zeigen; vgl. Kap. I.5.3 dieser Arbeit. 405 HEINZ, Antiphonen. Zu solchen Stiftungen im Elsass vgl. CONRAD, Elsass, S. 22 f. 406 GÖTZ, Hilpoltstein, S. 32 f. 407 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 303r. 408 BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 29 f. Diese Unterscheidung zwischen einem wöchentlichen Salve, das sonnabends gehalten wurde, und einem Salve an den Tagen der Fastenzeit gab es auch in Hilpoltstein; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 32 f. 409 LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 88v. 410 So etwa in Alkersleben: LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2987, fol. 3r. 411 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 260v. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen sich nur Zahlungen an den Pfarrer (so in Westhausen, ebd., fol. 336r) oder nur den Kirchner (so in Gamstädt, ebd., fol. 211r) nachweisen lassen. 412 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 54v.
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in Höhe von zwölf Groschen bekam.413 In Brüheim erhielt der Pfarrer gar ein Einkommen über zehn Schock Groschen aus einer Salve-Stiftung, die aber wohl noch andere Verpflichtungen beinhaltet haben dürfte.414 Wie bei Seelmessen wurde oft Grundbesitz als Stiftungsgegenstand eingesetzt. Ob dies per se auf individuelle Stifter schließen lässt, oder ob auch die Dorfgemeinde Teile der Allmende oder Ähnliches einsetzte, muss offenbleiben. Teilweise künden nur die Begriffe davon, wie die Salvewiese in Apfelstädt415 oder das Salvehölzlein in Geraberg. 416 In Dienstädt war ebenfalls eine Wiese zum Salve beschieden, aus deren Nutzung der Pfarrer einen Zins von zehn Groschen erhielt. Zusätzlich erhielt er zehn Groschen bar, was eine kumulative Einrichtung der Stiftung vermuten lässt.417 Die Einwohner von Herda nahmen 1501 Hauptsummen auf ihre Häuser auf, um ein Salve finanzieren zu können.418 Das persönliche Risiko, das sie für diese gemeinsame Messe eingingen, mag überraschen. Wenn dies sonst auch selten belegt ist, dürfte es häufiger vorgekommen sein, da vor allem ärmeren Bauern nicht viele Immobilien, geschweige denn Bargeld als Sicherheit für eine Stiftung zur Verfügung standen. Deutlich leichter fiel es wohl Graf Sigismund von Gleichen. 1493 wurde seine Stiftung eines Salve Regina bestätigt und mit 40 Tagen Ablass versehen. Diese Stiftung sah eine allabendliche Abhaltung in der Gräfentonnaer Kirche vor.419 Neben der Antiphon Salve Regina spiegelt sich die starke Marienfrömmigkeit der Jahre um 1500 auch in anderen zusätzlich gestifteten Marienmessen, deren genauer liturgischer Inhalt unsicher ist. Bei der scheinbar recht geringen Zahl der Marienmessen, verglichen mit Annenmessen und Fronleichnamsmessen, 420 ist die große Zahl der Salve-Stiftungen und der Vikarien Beatae Mariae Virginis zu bedenken. Ein statistischer Vergleich, die absoluten Zahlen einzelner Messwidmungen betreffend, ist unter anderem daher nicht möglich.421
413 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 200r. In Jüdewein bei Pößneck erhielt der Pfarrer drei Schock Groschen von der Umsetzung des Salve; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 359r. 414 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 184v. In Brüheim dürften die Herren von Wangenheim die Urheber einer solch teuren Stiftung gewesen sein. 415 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 245r. 416 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 356v. 417 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 5v. 418 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 384, fol. 15v. 419 BÜNZ, Klerus, II/1, S. 309 f. nach einer Urkunde im Gothaer Staatsarchiv. Eine adlige Salve-Stiftung lässt sich auch in Treben im Altenburger Land nachweisen, wo die Junker Zetzsch stifteten; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 199v. 420 Vgl. die Tabelle Nr. 1 im Anhang. 421 Überblickshaft zu den einzelnen Widmungen: KOCH, Pfarrkirche, S. 320 f.; FRANZ, Messe, S. 115‒330.
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Eine Messe Beatae Mariae Virginis lässt sich an der Olberslebener Wiprechtskirche nachweisen.422 Pfarrer und Kirchner erhielten jeweils eine Kornabgabe von einer Hufe Landes, die zwei Angehörige einer Bauernfamilie zur Verfügung stellten. In Wormstedt wurde eine Messe zu Mariae Himmelfahrt für zwei Gulden abgehalten, dafür hatten die Einwohner des Dorfes 42 Schock Groschen für wiederkäufliche Zinsen aufgebracht.423 In Niederwillingen wurde durch den Pfarrer an einem gesonderten Altar eine Marienmesse gehalten. Pfarrer und Kirchner erhielten Präsenzgelder, die teilweise aus einem gesonderten Stock vor unßer lieben frawen altar stammten.424 Annenmessen Die Verehrung der heiligen Anna erlebte in den Jahren um 1500 einen enormen Aufschwung.425 Zeugnis dieser Mode legen neben den Altären und Messen die Bruderschaften ab, die der sagenhaften Großmutter Jesu gewidmet waren.426 In den Bildprogrammen erkennt man diese Konjunktur ebenfalls: Eine Anna selbdritt oder eine Heilige Sippe waren übliche Elemente der Darstellungen in Dorfkirchen.427 Die Annenlegende ermöglichte v. a. Frauen viele Zugänge zu ihrer Verehrung.428 Darüber hinaus bildete sie als Großmutter eine Vorlage für ein idealisiertes Familienbild. Die bäuerliche Großfamilie fand sich in ihr wieder. Zu den nachweisbaren Annenmessen lassen sich nur allgemeine Feststellungen treffen.429 Organisatorisch unterscheiden sie sich nicht von den bisher behandelten Messarten. Die Kirchenfabrik verwaltete die Stiftungen. Meist wurde Grundbesitz gestiftet, so z. B. acht Acker in Vogelsberg430 oder eine Wiese in Treben.431 In Ballstedt erhielt der Pfarrer drei Schock Groschen von der Kirchenfabrik für die Annenmesse,432 in Rockhausen gar sechs Schock.433 Über die 422 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 42v, 43v. 423 LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 428v. In Dannheim erhielt der Pfarrer vier Schock Groschen; LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 23v. 424 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5675, fol. 2r; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5679, fol. 2v. Einen solchen Altar gab es auch in Zürchau; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 351r. 425 DÖRFLER-DIERKEN, Anna. 426 Vgl. Kap. I.4.7 dieser Arbeit. 427 Vgl. Kap. I.5.3 dieser Arbeit. 428 DÖRFLER-DIERKEN, Bruderschaften, S. 43. 429 Insgesamt sind zehn Annenmessen nachweisbar, zu den Nachweisen siehe die Tabelle Nr. 1 im Anhang. 430 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 39v. 431 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 57v. 432 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 72v. 433 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 20v.
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jeweiligen Stifter sind keine Angaben möglich, lediglich in Witzleben können die Herren von Witzleben als Stifter vermutet werden.434 In Buchfart ist ein gesonderter Annenaltar nachgewiesen, allerdings ist seine Ausstattung und Nutzung ungewiss.435 Fronleichnamsmessen Die steigende eucharistische Frömmigkeit im Spätmittelalter fand ihren Niederschlag auch in den Landgemeinden in verschiedenen Formen. Bereits die zunehmende Einrichtung von großen, aufwendigen Sakramentsnischen in den Kirchen und die Anschaffung der vielen hochwertigen Monstranzen zeigt die vollständige Verbreitung der Aussetzung und Verehrung der Eucharistie.436 Das Fronleichnamsfest wurde 1264 für die Gesamtkirche verordnet. Seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts ist die Begehung für den mitteldeutschen Raum zunehmend nachweisbar.437 Vom bunten Fronleichnamsfest mit seinen Prozessionen ist die Verehrung im gesamten Lauf des Kirchenjahres zu trennen. Diese schlug sich etwa in den vielen Fronleichnamsbruderschaften und auch den wöchentlichen Messen zu Ehren des Corpus Christi nieder. Diese Messen wurden am Donnerstag einer Woche begangen, um an den Gründonnerstag und das letzte Abendmahl zu erinnern.438 Die großen Unterschiede in der Entlohnung des Pfarrers für Fronleichnamsmessen sprechen für starke inhaltliche Unterschiede der Stiftungen. So erhielt der Pfarrer von Steudnitz von den Alterleuten eine Entlohnung von zwei Groschen am Tag Corpus Christi,439 der Pfarrer der Marienkirche von Sundhausen bei Langensalza erhielt hingegen vier Gulden für eine Fronleichnamsmesse.440 Wahrscheinlich gab es zusätzliche Präsenzgelder für umfangreichere Messen am konkreten Feiertag im einen Fall sowie eine wöchentlich wiederkehrende Fronleichnamsmesse im anderen Fall. 441 Die Alterleute von Dienstädt bezahlten 1514 Präsenzgelder für den Fronleichnamstag und die Fronleichnamsoktav.442
434 435 436 437 438 439
LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 25r. BERGNER, Buchfart, S. 573. Vgl. Kap. I.5.3 dieser Arbeit. Zur Ausbreitung in einzelnen Regionen: BROWE, Eucharistie, S. 509–536. KOCH, Pfarrkirche, S. 321. PfA Wetzdorf, Schrank 6, 1. Fach, 9. Karton, lfd. Nummer 623–732, Kirchenrechnungen Steudnitz 1539–1584, fol. 3r. 440 LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 93v. 441 Zu den wöchentlichen Engelmessen der Fronleichnamsbruderschaften vgl. Kap. I.4.7 dieser Arbeit. 442 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 10r.
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Auch die Stiftungen einzelner Messen an bestehenden Altären konnten einen großen finanziellen Umfang erreichen. Einige Alterleute legten daher für die Abrechnung der verschiedenen Einkommen gesonderte Konten in den Kirchenrechnungen an. Diese getrennte Abrechnung fand ihren Niederschlag auch in den Visitationsprotokollen und erlaubt in seltenen Fällen eindeutige Zuweisungen. So verfügte die Fronleichnamsmesse in Wormstedt allein mit Erbzinsen bereits über eine jährliche Ausstattung mit vier Schock Groschen.443 Diese Höhe des Einkommens war wohl nur durch einzelne Erweiterungen der Stiftung möglich, sodass erneut von einer gemeinsamen Stiftungsunterhaltung der Dorfbewohner ausgegangen werden kann.444 Diese gemeinsame Finanzierung wird in den wenigen erhaltenen Stiftungsurkunden deutlich. In Gumpelstadt stifteten 1501 drei Familien aus dem Dorf eine Fronleichnamsmesse an einem bereits bestehenden Sebastiansaltar in der Dorfkirche als Verbesserung einer existierenden Stiftung.445 Der Pfarrer sollte die Messe halten, ihm wurde aber das Recht eingeräumt, sie zu bestellen. Bemerkenswert ist, dass die Stiftung nicht über die Kirchenfabrik als Treuhänderin lief. Bestätigt wurde sie durch die Äbtissin des Klosters Allendorf, dem die Pfarrkirche inkorporiert war. Die Zinsen für die Messe wären mit circa 50 Gulden abzulösen gewesen.446 Ein weiteres beredtes Beispiel bietet die Stiftung der Fronleichnamsmesse in Ellichleben.447 Am 13. Oktober 1485 verkauften der Abt und die ganze Sammnung des Klosters Paulinzella einen Zins zur Einrichtung dieser Messe. Die Alterleute übergaben zu diesem Zweck eine Hauptsumme in Höhe von 50 Gulden an das Kloster, das seine Zinsleute in Meichlitz anwies, den Alterleuten einen jährlichen Zins zu Michaelis zu zahlen.448 Von diesem Zins wollten die Alterleute die Abhaltung der Messe finanzieren. An dieser Stelle treten die 443 LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 428v. 444 Auch einige Formulierungen sprechen für gemeinsame Stiftungen, so etwa in Tünschütz, wo die „Leute von Tünschütz“ 24 Groschen zu einer Messe stifteten; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 165r. 445 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 83r–86r; BÜNZ, Gumpelstadt. Die Stiftung war kombiniert mit einer kollektiven Seelmesse; vgl. zu dieser oben Kap. I.4.1. Weiterhin wurde ein de profundis auf dem Kirchhof abgehalten; vgl. in diesem Kapitel unten. 446 BÜNZ, Gumpelstadt, S. 150. Eine Stiftung einer Fronleichnamsmesse durch eine einzelne Person oder Familie lässt sich für Wahlwinkel nachweisen, wo 1484 ein Hans Bottener d. J. als Stifter auftrat; BÜNZ, Klerus, II/2, S. 642. 447 Die Messe bestand bis zur Reformation. Sie findet Erwähnung im schwarzburgischen Visitationsprotokoll von 1533: LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 21v. In Ellichleben bestand außerdem eine Sonnabendsmesse und es wurde ein Salve Regina abgehalten (vgl. die Tabelle Nr. 1 im Anhang). 448 UB Paulinzella, Nr. 490, S. 430 f.
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Alterleute als Vertreter der Gemeinde auf. Die Summe konnte in einem kleinen Dorf wie Ellichleben nur von mehreren Dorfbewohnern aufgebracht werden. Beide Beispiele verdeutlichen, dass die Kirchenfabrik Trägerin genossenschaftlicher Stiftungen war, private Messen aber auch ohne ihre Organisation eingerichtet werden konnten. Neben der dörflichen Gemeinde lässt sich in einem Fall auch eindeutig ein Niederadliger als Stifter einer Messe Corporis Christi feststellen. Dietrich von Farnroda verzinste zu einem unbekannten Zeitpunkt um 1500 100 Gulden zur Stiftung der Fronleichnamsmesse in Melborn. Von den jährlichen Zinsen in Höhe von sechs Gulden bezahlte er den Pfarrer des Dorfes (vier Gulden), den Kirchner und die Alterleute (jeweils einen Gulden).449 Man erkennt gut die Verteilung des Geldes an den Pfarrer, der die Messe hielt, an den Kirchner, der ihn wohl dabei unterstützte, und an die Alterleute für die Nutzung der Kirche. Wahrscheinlich waren Letztere auch für das Licht auf dem Altar und eventuellen weiteren Schmuck desselben zuständig. Eine Beteiligung anderer Patronatsherren an einer Stiftung lässt sich nur an einem weiteren Beispiel zeigen. Die Erfurter Ratsfamilie von der Sachsen hatte bis circa 1524 das Patronatsrecht der Pfarrkirche in Kerspleben inne. Sie beteiligten sich mit sechs Schock Groschen Erbzinsen an der Stiftung einer Fronleichnamsmesse in dem Dorf.450 Die meisten Fronleichnamsmessen lassen sich aber nur über die Präsenzzahlungen an den Pfarrer oder den Kirchner nachweisen und liefern so keine weiteren Hinweise auf ihren Entstehungshintergrund. So lässt sich über die Messen in Schwerborn, 451 Oberloquitz, 452 Zeigerheim, 453 Haßleben 454 und Hornsömmern455 lediglich mit Sicherheit sagen, dass der Pfarrer für sie entlohnt wurde. Für diese und die in Gössitz lässt sich außerdem eine Treuhänderschaft der Kirchenfabrik nachweisen.456 Prinzipiell ist allen bisher in diesem Unterkapitel behandelten Arten von Messen gemein, dass neben der jeweiligen speziellen Verehrung eines Heiligen oder eines Kultes die allgemeine geistliche Versorgung im Ort verbessert werden sollte. Dieses Motiv erkennt man am besten an den vielen Wochen- und Früh449 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 114v. 450 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 57r. Für die Messe war ebenfalls die Kirchenfabrik des Ortes als Treuhänder eingesetzt. Eine Beteiligung des Erfurter Stadtrates lässt sich nicht nachweisen (vgl. Kap. I.6 dieser Arbeit). Zur Familie von der Sachsen: BIEREYE, Von der Sachsen, passim. 451 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 48r. 452 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 381v. 453 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 13r. 454 Ebd., fol. 26r. 455 LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 82v. 456 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 311r.
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messen. Neben der Sonntagsmesse sollte eine zweite regelmäßige Messe geschaffen werden, um das religiöse Angebot zu verdichten. Für die Wochenmessen lässt sich die gleiche Organisation feststellen. Der finanzielle Umfang ähnelte ebenfalls den anderen Messstiftungen. So richteten die Bauern von Burla eine Sonnabendsmesse mit einer Hauptsumme von 40 Schock Groschen ein, wovon der Pfarrer einen jährlichen Zins von zwei Schock Groschen erhielt. 457 Zwei Bauern des Dorfes Mechterstädt stifteten 30 Gulden für eine Mittwochsmesse.458 An dieser Stelle sei an die Frage erinnert, wie öffentlich solcherlei Messen waren. Diente diese Messe nur diesen zwei Bauern und ihren Familien und erfüllte so auch Memorialzwecke oder war sie für die gesamte Dorfschaft gedacht?459 In Oberndorf bei Apolda ist ein einzelner Bauer nachweisbar, der eine Hufe Landes zu einer Wochenmesse stiftete.460 Zusätzliche Wochenmessen lassen sich in einigen Filialdörfern nachweisen. Dies betrifft zunächst vier Orte im Orlagau: Die Bauern von Moderwitz und Weltwitz zinsten jeweils vier Schock Groschen an ihren zuständigen Pfarrer für eine Sonnabendsmesse.461 In Rehmen erhielt der Pfarrer den gleichen Betrag für eine Messe am Freitag.462 In Bodelwitz wurde eine zusätzliche Sonntagsmesse abgehalten.463 Diese Beispiele resultieren wohl aus der schlechten Versorgungslage in den Filialen. Vor allem in den weitläufigen Großpfarreien des Orlagaus mussten die Dörfer dieser Problematik begegnen. Etwas an dem Zuschnitt der Pfarreien zu ändern, gelang in den meisten Fällen nicht.464 In vielen Filialorten dieser Pfarreien bestanden Vikarien, die die geistliche Versorgung übernahmen, jedoch ebenfalls für mehrere Orte zuständig waren.465 So konnten bereits einzelne Messstiftungen zu einer Verbesserung der geistlichen Versorgung im Ort führen. In keinem der Fälle lässt sich aber feststellen, wer die Wochenmesse hielt. Dies würde die Kenntnis über die Struktur der Großpfarreien stark erweitern, ist aber aus den vorhandenen Quellen nicht eindeutig abzuleiten. In Frage kämen der Pfarrer von Neunhofen oder einer der Vikare in den Filialorten.466 Diese gestif457 458 459 460 461 462 463 464
465 466
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 119r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 107v. Vgl. FUHRMANN, Kirche, S. 91. LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 425r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 227r, 235r. Dem Pfarrer von Moderwitz stand außerdem eine Wiese zur Verfügung. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 247v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 323r. An dem Zuschnitt der Großpfarreien Neunhofen und Krölpa änderte sich vor der Reformation kaum etwas. 1498 wurden drei Filialkirchen von Krölpa separiert und zu einer neuen Pfarrei zusammengefasst, BÜNZ, Klerus II/1, S. 136. Vgl. Kap. I.4.3 dieser Arbeit. Auch in Cottendorf, einem Filial des schwarzburgischen Dorfes Griesheim, bestand eine Wochenmesse; LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 25v.
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teten Wochenmessen in den Filialorten überstanden häufig in anderer Form die Änderungen der Visitationen und wurden in Wochenpredigten des zuständigen Pfarrers umgewandelt.467 In Schmidtstedt bei Erfurt wurde eine Montagsmesse spätestens ab 1512 von Mönchen des Erfurter Marienknechtklosters gehalten. 468 Eine weitere Besonderheit stellt die bereits oben erwähnte Brückenstiftung zwischen den Dörfern Rothenstein und Ölknitz an der Saale dar. Die Pfarrer beider Orte hielten eine gemeinsame Sonnabendsmesse ab, für die sie von beiden Dörfern mit der Nutzung eines Weidichts entlohnt wurden. Die Messe fand wohl an der Saalebrücke statt und dürfte auf die Errichtung dieser Brücke zurückgehen.469 Neben den Frühmessvikarien470 lässt sich in einem Fall auch eine wohl vom Pfarrer gehaltene Frühmesse nachweisen, die in Wernburg bei Pößneck mit drei Schock Groschen entlohnt wurde. 471 Ein Mellinger Einwohner stiftete einen Weinberg zu einer Frühmesse in Tannroda.472 Die Zusammenhänge dieser Stiftung sind aber nicht deutlich. Ein regelmäßiger Besuch dieser Frühmesse ist wegen der großen Entfernung (circa 17 km Fußweg) nicht denkbar. Neben den genannten Gruppen erscheinen weitere Formen liturgischer Messstiftungen, die entweder seltener genannt werden oder nicht eindeutig zuzuordnen sind. Nur in einem Fall wird eine Vesper ausdrücklich genannt, in Österbehringen,473 obwohl es sie wohl in weiteren Fällen gegeben haben dürfte. Auch Quatembermessen treten nur in wenigen Fällen hervor: Löberschütz474 und Dienstädt.475 Sie dürften aber, der Mode entsprechend, ebenfalls deutlich öfter
467 Vgl. Kap. III.4 dieser Arbeit. 468 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2. 469 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 289r. Unter AGBM II, Nr. 1079, S. 1 f. wird der Brückenmeister als Stifter genannt. Über die Hintergründe dieses Amts ist nichts bekannt. Ob diese Stiftung auch auf eine Baulast der beiden Gemeinden verweist, ob also die Brücke von den Gemeinden errichtet wurde, ist unklar. Es wäre ein bedeutendes Beispiel für den mittelalterlichen Brückenbau. Zu den Brückenstiftungen in Städten an der Saale vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 265 mit weiterer Literatur. 470 Vgl. Kap. I.4.3 dieser Arbeit. 471 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 322r. Vgl. zu den Frühmessen GÖTZ, Hilpoltstein, S. 25. 472 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 646. 473 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 329r. Vgl. GÖTZ, Hilpoltstein, S. 31. 474 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 136r. 475 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 19r. In diesem Fall ist aber viel über die Organisation der Stiftung bekannt. Stifter war 1506 ein einzelner Einwohner des Dorfes. Die Kirchenfabrik fungierte als Treuhänderin. Empfänger waren die Kirchenfabrik, der Kirchner und der Pfarrer. Als Sicherheit war ein Grundstück eingesetzt. Hier ist die Trennung zwischen Seelmesse und zusätzlicher Messstiftung nicht eindeutig. Auch in
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gestiftet worden sein. In Unterwellenborn wurde eine Votiven meß mit sechs Gulden bestellt, über deren Inhalt nichts bekannt ist.476 In vielen Fällen geht aus den Quellen die Art der Messe schlicht nicht hervor. In den Visitationsprotokollen werden etwa Präsenzzahlungen von den Alterleuten an die Pfarrer ohne genauere Beschreibung aufgeführt.477 Bisweilen werden gestiftete Messen nur als ewige Messe oder Messe bezeichnet. Beispielsweise stifteten die Bauern von Wöllnitz, einem Filial von Lobeda, drei Schock von einem Weinberg zu einer nicht näher bezeichneten ewigen Messe.478 In einigen Fällen zeigen die Ausgleichzahlungen für Stiftungen, die in den Visitationen angesetzt wurden,479 dass es an einer Kirche zusätzliche Messstiftungen gab, über die aber keine Einzelheiten bekannt sind.480 Ebenso informieren die Sieglerrechnungen des geistlichen Gerichts in Erfurt, ohne eine genauere Beschreibung der Messen, über die Einrichtung zweier ewiger Messen durch die Dorfschaft von Daumitsch im Jahr 1498.481 Über Messen, die Bauern in kirchlichen Institutionen außerhalb des eigenen Dorfes stifteten, fehlen Nachweise fast völlig. Die Leute von Hengelbach, einem Dorf des Klosters Paulinzella, hatten zehn Schock Groschen für eine ewige Messe in der cellen gestiftet.482 Ein Einwohner von Oberlödla hatte eine Messe in einem Altenburger Kloster gestiftet.483 In Dörfern, die in einem Abhängigkeitsverhältnis von einem Kloster oder einem Stift standen, ist dies aber durchaus über
476 477
478
479 480
481 482 483
Waltersleben erscheinen Weihfastenbegängnisse, wobei es sich um kollektive Seelmessen handelt; StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 103v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 371v. Z. B. in Sülzenbrücken 26 Schneeberger (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 299r) und in Gräfentonna sieben Schock und zwölf Groschen (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 302r). Bei einem Teil dieser Präsenzzahlungen dürfte es sich auch um Abgaben für Seelmessen gehandelt haben. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 144r. In Liebschütz waren etzliche Ecker mit den aus diesen resultierenden Zinszahlungen zu drey messenn beschieden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 304r. Weitere Beispiele sind 24 Groschen in Tünschütz von einer gestieften meß (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 164v) und zehn Schock und 13 Groschen von einer ewigen meß in Weira (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 216v). Vgl. Kap. III.2.2 dieser Arbeit. Der Pfarrer von Ebenheim erhielt drei Schock Groschen statt der Präsenzgelder für die nicht mehr gehaltenen Anniversarien, ein Salve Regina und eine Fronleichnamsmesse (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 351v). Die Kirchenfabrik von Obermehler zahlte fünf Schock laue Groschen an den Pfarrer statt messen und vigilien (LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 110r). HANNAPPEL, Kommissare, S. 188. LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 19v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 6, fol. 47v.
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Einzelbeispiele hinaus möglich. Weiterhin waren persönliche Beziehungen ein Moment, das Stiftungen außerhalb des Dorfes verursachen konnte. 1495 stiftete Heinrich Stolle aus Niederzimmern 87 ½ Gulden für eine Messe in der Erfurter Severikirche. Diese sollte der Inhaber der Vikarie St. Liborius halten, gegenwärtig sein Vetter Konrad Stolle, der bekannte Erfurter Chronist.484 Weitere typische liturgische Stiftungen waren Tenebrae und De Profundis. Die Tenebrae wurden freitags in der dunklen Kirche abgehalten. Sie lassen sich in Bilzingsleben,485 Eckolstädt486 und Hardisleben487 nachweisen, waren aber sicher verbreiteter. Gleiches ist für die De-Profundis-Stiftungen zu vermuten. Sie erscheinen ebenfalls nur in wenigen Fällen als gesonderte Stiftungen in den Quellen, dürften aber in vielen Kirchen üblich gewesen sein. In Altenbeichlingen wurde eine Abgabe an den Kirchner bezahlt.488 Weitere Nachweise stammen aus Emleben489 und Wickerstedt.490 Die Bußpsalmen erscheinen immer im Zusammenhang mit dem Sterben und der Memoria.491 So dürfte in den genannten Orten das De Profundis auch auf dem Kirchhof oder gar vor dem Beinhaus abgehalten worden sein, wie dies aus Gumpelstadt bekannt ist. 492 Hier gab es im Rahmen einer wöchentlichen Seelmesse eine kleine Prozession um die Kirche, die vor dem Beinhaus Station machte. Ebenfalls in den Bereich der Totenmemoria auf dem Kirchhof ist die einzig bislang nachweisbare Ewig-Licht-Stiftung einzuordnen, auf die bereits eingegangen wurde.493 Wobei die vielen noch vorhandenen Nischen in den Außenwänden der spätmittelalterlichen Chorbauten oder der Türme eine weitere Verbreitung dieser Form möglich erscheinen lassen (Abb. 5).
484 485 486 487 488 489 490 491 492
BAE, Marienstift, Urkunden 1304; Zu Konrad Stolle: BÜNZ, Stolle. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 264r. Vgl. GÖTZ, Hilpoltstein, S. 29. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 449v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 41v. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 283r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 297r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 84r. HÄUSSLING, Bußpsalmen; EISENHOFER, Liturgik I, S. 166 f. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 89r; BÜNZ, Gumpelstadt, S. 149. Zu den Umgängen bei Seelmessen und den Beinhäusern vgl. die Kap. I.4.1 und I.5.2 dieser Arbeit. Zur liturgischen Einbindung des Beinhauses in Gräfenthal KOCH, Jacoff, S. 458 f., S. 464, S. 469 f. Mitunter war das Umschreiten des Kirchhofes auch Bestandteil eines Ablasses; vgl. JANSSEN, Kirchhof, S. 153. Zu Umgängen auf städtischen Kirchhöfen vgl. REITEMEIER, Kirchhöfe, S. 134. 493 Sie bestand in Straußfurt; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 226r. Vgl. zu den möglichen Zusammenhängen oben Kap. I.3.2.
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Abb. 5: Nische an der Kirche von Erfurt-Alach
Rainer Müller machte auf die unklare Verwendung vieler dieser Nischen aufmerksam und zeigte, dass viele wohl eher kleine Andachtstafeln und Heiligenfiguren aufnahmen (Farbtafelteil, Abb. 6).494 Totenlichte waren aber wohl ebenso verbreitet.495 Neben den Lichtnischen standen aber auch figürliche Darstellungen an den Außenwänden der Kirchen oft in Verbindung mit dem Totengedächtnis. Ein – auch qualitativ – bemerkenswertes Beispiel bietet die Ölbergszene am Chor der Kirche von Kirchheim (Abb. 7).496 Die Ölberge, von denen sich kein weiteres Beispiel an einer thüringischen Dorfkirche feststellen ließ, waren als tröstende Andachtsbilder gedacht. Indem Christus in seiner eigenen Todesangst gezeigt wird, wurde seine Fürbitte gegen einen plötzlichen Tod erhofft.497 494 MÜLLER, Dorfkirchen, S. 51. 495 KOCH, Pfarrkirche, S. 328. 496 Ebd. verweist Koch darauf, dass sich solche Darstellungen des Öfteren an Erzpriesterkirchen finden. Sollte sich dies für eine größere Zahl Kirchen nachweisen lassen, wäre u. U. an einen Zusammenhang mit den Kalanden zu denken; vgl. Kap. I.4.7 dieser Arbeit. 497 Vgl. SACHS/BADSTÜBNER/NEUMANN, Kunst, S. 271–273.
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Abb. 7: Ölbergszene, Ende 15. Jh., an der Kirche von Kirchheim, Ilm-Kreis
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4.3. Vikarien und Kommenden Neben den Zielen, für das eigene Seelenheil und die individuelle Memoria zu stiften, wollten die Bewohner des spätmittelalterlichen Dorfes die geistliche Versorgung im Ort stetig verbessern. Oft war der Einfluss auf den Pfarrer gering. Das Besetzungsrecht lag in der Hand einer weltlichen oder geistlichen Macht. Änderungen an der Pfarrlandkarte waren für Filialgemeinden in der Regel nicht zu erreichen. Hinzu kamen, wie bereits gezeigt, häufig Probleme mit dem eigenen Pfarrer.498 Neben einzelnen Messen war eine deutliche Verbesserung durch einen zusätzlichen Geistlichen möglich. Jedoch betraf die Einrichtung einer zusätzlichen Pfründe immer den Pfarrbann und konnte somit nur mit Zustimmung des Pfarrers bzw. des Patronatsherrn erfolgen. Weiterhin sollten die Bischöfe neue Benefizien nur bei wirklichem Mehrbedarf genehmigen.499 Durch die Angabe vieler Patronatsrechte sowie einiger Details über die Stiftungsorganisation in den Visitationsprotokollen und anderen Quellen lassen sich die Benefizien eindeutiger in die Machtverhältnisse vor Ort einordnen als die Messstiftungen. Vor allem die Patronatsrechte dienen dabei als wichtiger Hinweis auf die Stifter oder zumindest eine Gruppe mit Kontrolle über die Stiftung. Ordnen ließen sich die Benefizien nach mehreren Prinzipien. Gewählt wurde eine Beschreibung nach den jeweiligen Stiftergruppen, um die Motive für die Stiftung deutlich darzulegen. Es sei aber bereits an dieser Stelle auf einen bedeutenden Unterschied hingewiesen: Es gab Vikariestiftungen in einem Pfarrdorf, entweder in der Pfarrkirche oder in einer zusätzlichen Kapelle, sowie Stiftungen in einem Filialdorf.500 In den Filialdörfern konnte der Begriff ‚Vikar‘ die Stellung eines Kuratkaplans bezeichnen. Die Orte besaßen zwar keine vollständigen Pfarrrechte, hatten aber mitunter Teile davon, sodass z. B. die Seelsorge in der Hand eines ‚Vikars‘ lag. So sind etwa für die Filialen der Großpfarrei Neunhofen verschiedene Filialformen belegt.501 Diese Beispiele finden sich zuhauf im ostsaalischen Thüringen.502 Es
498 499 500 501
Vgl. oben Kap. I.2. Vgl. FUHRMANN, Kirche, S. 79–81. Die Vikarien in den Kapellen werden unter Kap. I.4.4 behandelt. HERRMANN, Prediger, S. 29 f. Solche Vikarien lassen sich aber keineswegs nur in den Großpfarreien feststellen. Ein Beispiel bietet Haarhausen bei Arnstadt, ein Filial der Pfarrkirche von Sülzenbrücken; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 263r. Zur Bedeutung des Interesses der Filialgemeinden für die Einrichtung zusätzlicher Benefizien in Graubünden vgl. HIPPENMEYER, Nachbarschaft, S. 23 f. Dort war allerdings in den meisten Fällen zunächst die Einrichtung eines Gotteshauses nötig. Ebd., S. 28 zur möglichen, schrittweisen Weiterentwicklung einer solchen Stiftung bis zur rechtlichen
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scheint auch Orte ohne Pfarrrecht, aber mit eigenem Friedhof gegeben zu haben.503 Daneben gab es die vollwertigen Vikarien, das heißt kirchlich bestätigte Pfründen ohne Seelsorge und andere Pfarrrechte, die an einen bestimmten Altar gebunden waren. Außerdem gab es Kommenden, also Pfründen ohne kirchliche Bestätigung, die zur Ausführung bestimmter Dienste auf Vertragsbasis besetzt wurden.504 Es bleibt wichtig zu betonen, dass diese zusätzlichen Kleriker in einem Ort, mit Ausnahme der Kuratkapläne, keine Seelsorgefunktionen übernahmen, den Pfarrer also in seinen wichtigsten Handlungen, dem Reichen der Sakramente, nicht ersetzten. Die Stiftung einer Vikarie bedeutete im Unterschied zu einfachen Messstiftungen in erster Linie eine deutlich größere finanzielle Verpflichtung.505 Die Pfründe sollte in der Regel die Versorgung des Geistlichen sicherstellen und war somit deutlich höher als der Lohn, der dem Pfarrer oder einem anderen Priester für eine einzelne Messe gezahlt wurde.506 Das Einkommen setzte sich meist wie ein Pfarreinkommen aus vielen Posten zusammen. Neben einer Gelddotation waren dies verschiedene Naturalabgaben oder Grundbesitz. Der Vikar in Tunzenhausen erwirtschaftete 1512 Wein, Korn und Gerste.507 Gut informiert das Visitationsprotokoll von 1533 über das stark kumulative Einkommen der
502 503 504
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Stellung einer Pfarrei, wobei in Graubünden gänzlich andere rechtliche Möglichkeiten für die Gemeinden bestanden. Vgl. die Auflistung entsprechender Fälle bei HANNAPPEL, Archidiakonat, S. 281–286 und S. 314–316. Ebd., S. 57, Anm. 48. Vgl. auch die Regelung zwischen der Filialgemeinde Cumbach und dem Pfarrer von Graba; FLACH, Cumbach, S. 323. PLEIMES, Stiftungsrecht, S. 168 f., vgl. ebd., v. a. S. 172–175 auch zu den rechtlichen Formen von Kommenden; FEINE, Rechtsgeschichte, S. 373; FUHRMANN, Kirche, S. 177‒196, S. 260‒263. In solchen Fällen kam es wahrscheinlich auch zur Aufnahme von Krediten durch die Dorfbevölkerung. Eventuell bestand ein solcher Zusammenhang in Eckolstädt. Zur Ausstattung einer gemeindlichen Hl.-Kreuz-Vikarie gehörten sechs alte Schock Groschen; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 449r. Im Jahr 1471 nahmen fünf Einwohner des Dorfes für eine Hauptsumme von 120 Gulden einen jährlichen Zins von sechs Gulden, also einen sehr ähnlichen Betrag, beim Naumburger Domkapitel auf; Domstiftsarchiv Naumburg, Kopial Kaufbriefe, fol. 160v–161r. In Witzleben wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt eine bestehende Messstiftung zu einer Vikarie ausgebaut. Dies erforderte natürliche zusätzliche Abgaben an den Geistlichen; LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 25r. BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, IV k 23, fol. 6v. Eine unbekannte Person, entweder ein Verwalter oder der angestellte Kaplan (siehe unten in diesem Kapitel) kümmerte sich um den Betrieb. Die Produkte ließ der Vikar nach Erfurt schaffen. Ob sie dort auf dem Markt gehandelt wurden oder er sie selbst verwendete, bleibt unklar. Zur Dotation der Vikarie in Hörselgau: BAE, Marienstift, Urkunden I, 1076a.
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Kommende in Mihla.508 Über das Patronatsrecht dieser Stiftung ist nichts bekannt. Eine Beteiligung des örtlichen Adels, der Herren von Mihla oder der von Harstall, ist wegen der Art der Rechte denkbar. Neben vier Schock Groschen in bar setzte sich das Einkommen aus Naturalien, Abgaben von Wüstungsland, Triftrechten, Fischereirechten und drei Häusern in Mihla zusammen. Außer Geld und Naturalien konnten weitere Rechte zu einer Vikarie gehören. Der Vikar in Tambach verfügte über eine feste Abgabe aus der Schenke im Ort und über ein Haus. 509 Zur Trinitatis-Vikarie in Beutnitz gehörte ebenso eine Behausung.510 Wenngleich die Baulast für ein Haus eine enorme und langfristige Verpflichtung bedeutete, erhöhte dies doch die Wahrscheinlichkeit, einen Geistlichen an den Ort zu binden.511 Dennoch nahmen natürlich viele Pfründeninhaber die Verpflichtungen vor Ort nicht selbst wahr, sondern reichten sie an einen Vertreter weiter. So bezahlte der Vikar der Tunzenhäuser St.-AlbanKapelle, Wolfgang Pattinger, einen Kaplan für das Halten der Messe in der Kapelle.512 Die Messen der Vikarie in Wundersleben hielt der dortige Pfarrer.513 Die Stifter konnten bei einem gesonderten Benefizium also ebenso auf den Unwillen des Geistlichen zur dauerhaften Residenz stoßen wie bei ihrem Pfarrer.514 Dies konterkarierte freilich den eigentlichen Zweck der Stiftung und musste erneut die Gegenwehr der Gemeinde provozieren. Ein langjähriger Streit der Gemeinde Haarhausen mit dem Vikar Hermann Stackelbeck, den 1516 Herzog Johann zu klären versuchte, dürfte auf einem solchen Problem beruht haben.515 Wenngleich die Vikarien meist im Interesse nur eines Ortes eingerichtet wurden, gab es auch solche mit Verpflichtungen in anderen Dörfern. So musste der Vikar der St.-Ursula-Vikarie in Molau pro Woche zwei Messen in Thier508 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 93v. 509 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 277v. Das Einkommen aus der Schenke lässt eine Einrichtung der Vikarie durch die Gemeinde denkbar erscheinen, der Inhaber des Patronats ist leider unbekannt. 510 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 134r. Zu dieser Vikarie vgl. VOIGT, Inkluse, S. 374 und Urkundenanhang. 511 Ein hohes Engagement eines Geistlichen für den Besitz einer Vikarie zeigt sich nur selten. In der Vikarie des Filialdorfs Schlettwein richtete ein Besitzer auf eigene Kosten einen Teich ein. Dieser residierte also sicher vor Ort und versuchte auf eigene Kosten, den Ertrag der Pfründe zu steigern; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 375v. 512 BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, IV k 23, fol. 6v. Weiterhin führte er Abgaben an den Kirchner ab, der wohl auch für die Betreuung der Kapelle zuständig war. Pattinger war 1506 auch Prokurator einer Vikarie im Erfurter Weißfrauenkloster; vgl. SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 34. 513 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 203v. 514 Vgl. oben Kap. I.2. 515 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 419; vgl. SLADECZEK, Beschwerden, S. 94.
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schneck halten.516 Bei vielen Vikarien bestand die übliche Verpflichtung aus zwei wöchentlichen Messen, etwa bei der Vikarie in Sachsenburg.517 Somit waren diese in den meisten Fällen gut mit anderen Pfründen zu kombinieren. Die Vikare übernahmen in den Orten auch zusätzliche geistliche Leistungen. Der Vikar der Fronleichnamsvikarie in Körner hielt ein Salve Regina, 518 der Vikar in Weira erhielt Einkommen von einem Begängnis. 519 Der Vikar in Weberstedt erhielt Einkommen von etlichen anniversariis.520 Für die Bauern eines Dorfes, die die finanziellen Verpflichtungen einer zusätzlichen Pfründe stemmen konnten, stellte dies eine hervorragende Möglichkeit dar, die geistliche Versorgung im Ort zu verbessern.521 Allerdings lässt sich im Gegensatz zu den Messstiftungen kein Benefizium feststellen, das von einem einzelnen Bauern oder einer einzelnen Familie getragen wurde. Nur die Gesamtheit der Gemeinde oder wenigstens eine Gruppe finanzstarker Bauern konnte die dafür nötigen Gelder aufbringen. Implizit besteht so ein Zusammenhang zur Dorfgröße, da sich in einwohnerreicheren Orten eher eine ausreichende Zahl Bauern fand, die sich an der Einrichtung eines Benefiziums beteiligten. Ebenfalls kam es eher zu einer Gruppenbildung innerhalb des Dorfes, die sich in Stiftungen niederschlagen konnte.522 Als Muster für die Motive und den Stiftungsvorgang bietet sich die Stiftungsurkunde der Hl.-Kreuz-Vikarie in Hörselgau an. Am 9. Juni 1453 bestätigten Dechant und Kapitel des Eisenacher Marienstiftes die Stiftung dieser Vikarie durch Johann am Markt, ihren Pfarrverweser in Hörselgau (die Pfarrkirche war dem Stift inkorporiert), und die dortige Gemeinde.523 Die Vikarie wurde auf den vorhandenen Frühmessaltar gestiftet, der lange Zeit wüst und leer gestanden hatte. Der Vikar sollte jede Woche fünf Frühmessen halten, ohne dass diese zu 516 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 172v. Die Annenvikarie in Altremda verfügte über auffällig viele Zinsposten in anderen Dörfern, sodass ähnliche Verpflichtungen denkbar sind; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 693. Auch die Vikarie Corporis Christi in Gräfentonna verfügte über viel Einkommen in anderen Dörfern. Hier waren die Grafen von Gleichen Patronatsherren, sodass die Einkommen in anderen Orten auch auf die Besitztümer des Stifters zurückzuführen sein könnten, LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 302v. 517 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 257r. 518 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 109r. 519 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 216v. 520 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 112r. Weberstedt war ein zentraler Besitz der reichen adligen Familie Goldacker. Eventuell ist die Vikarie eine Stiftung dieser Familie gewesen. Das Patronatsrecht ist unbekannt. 521 Zu den Motiven der Dorfbevölkerungen vgl. FUHRMANN, Kirche, S. 166‒175. 522 Vgl. dazu etwa die Bruderschaften; Kap. I.4.7 dieser Arbeit. 523 BAE, Marienstift, Urkunden I, 1076a.
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einer Einschränkung der Pfarrmesse führen sollten. Dem Inhaber der Pfarrpfründe durfte aus der Stiftung kein Schaden entstehen: Die Opfer auf den Altar sollten an den Pfarrer gereicht werden. Weiterhin gehörte zu den Aufgaben des Vikars die Unterstützung des Pfarrers, insbesondere bei Hochfesten, der Vesper und bei Prozessionen. Falls der Pfarrer krank oder abwesend wäre, sollte der Vikar ihn vertreten. Zur Ausstattung der neuen Pfründe gehörte eine Hufe Landes in der Flur des Dorfes Grabsleben, die bereits vor langen Jahren zu dem Altar beschieden worden war. Anscheinend sollte die Stiftung einen älteren, nicht mehr umgesetzten Kult wiedereinrichten. Hinzu stifteten einige Einwohner Hörselgaus und ein Einwohner des Dorfes Laucha weiteren Besitz und Geldzinsen. Der genannte Pfarrverweser des Stiftes stellte von seinem elterlichen Besitz in Hörselgau weitere Erbzinsen zur Verfügung. Die Heimbürgen verpflichteten sich von diesen Zinsen jährlich 17 Schock Groschen und weitere Almosen an den Vikar zu reichen. Die Alterleute sollten dem Vikar Messgewänder, Kelche, Bücher, Wein und Licht für die Messen zur Verfügung stellen, der Kirchner sollte hantreichunge thun. Im Gegenzug erhielt die Kirchenfabrik zu jedem Weihfastentermin ein Pfund Wachs für die Beleuchtung der Kirche. Das Patronatsrecht der Vikarie lag zunächst bei Johann am Markt, sollte bei seinem Tod aber auf die Alterleute des Dorfes übergehen. In ihrem Besitz befand er sich auch 80 Jahre später, zur Zeit der ersten ernestinischen Visitationen. 524 Neben den Eisenacher Stiftsherren wurde die Urkunde vom Schosser und Amtmann des wettinischen Amtes Tenneberg bestätigt. In vielen Fällen lässt sich eine Stiftung durch die Gemeinde nur über die Patronatsrechte nachweisen.525 Allerdings ist dies methodisch nicht eindeutig, da
524 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 234r. Die Vikarie sollte einem armen Priester geliehen werden, der zuerst um sie bat. Im Gegensatz zu anderen dörflichen Stiftungen (vgl. unten Kap. I.4.7) findet sich keine Verfügung, dass der Vikar möglichst aus der Gemeinde stammen sollte. 525 Zu den Gemeindepatronaten vgl. die Tabelle Nr. 1 im Anhang sowie die entsprechende Karte im Kap. I.4.11 dieser Arbeit. Zu den Patronatsrechten der Gemeinde werden dabei solche der Gemeinde, solche der Alterleute, solche der Dorfschaft und solche der Vormunden oder der Ältesten gerechnet. Wenn das Geld für die Einrichtung einer solchen Stiftung auch nur zum Teil aus einer Sammlung stammte, kann im engeren Sinne jeder Spendende als Stifter verstanden werden; FUHRMANN, Kirche, S. 419. Wie der Rechtsschutz institutionell verankert war, wird meist nicht deutlich. Bei den von Fuhrmann verwendeten Beispielen besaßen nur drei von 53 ein Gemeindepatronat. Die Zahl der bäuerlichen Stiftungen oder solcher mit bäuerlicher Beteiligung, die sich hinter anderen Patronaten verbergen, ist wohl nicht hoch genug anzusetzen. Dabei können wie bei den Pfarrpatronaten verschiedene Wege der Erwerbung des Rechtes angeführt werden, wobei zweifellos der genossenschaftliche Weg der häufigste war; vgl. dazu KURZE, Pfarrer-
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weiterhin eine Beteiligung der Gemeinde an anderen Stiftungen wahrscheinlich ist, die aber sehr selten in den Quellen hervortritt. Deutlich wird es bei der Vikarie Corporis Christi in Krölpa. Diese wurde in der Vorreformationszeit von dem Pfarrer des Ortes, Johann Polz, gestiftet; als Stiftungstreuhänder fungierte dennoch die Kirchenfabrik. Die Bauern des Dorfes hatten aber die Vikariebehausung gebaut und mehrere Äcker für das Einkommen des Vikars gestellt. Sie waren also unverkennbar an der Einrichtung der Vikarie beteiligt, ohne der eigentliche Stifter zu sein. Die Stiftung muss einen beträchtlichen Umfang gehabt haben, konnte sich doch Eberhard von Brandenstein die Summe von 240 Gulden von ihr leihen.526 1486 stifteten der Pfarrer und einige Vertreter der Gemeinde Langenberg bei Gera einen neuen Altar aus „Gütern der Kirche und anderen milden Beiträgen.“527 Eine solche anteilige Finanzierung führte wohl auch zu den zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde geteilten Patronatsrechten in Großengottern,528 Hochdorf529 und Ilversgehofen.530 Eine wohl allein durch einen Pfarrer getätigte
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wahlen, S. 441 f. Zum Streben der Dorfgemeinden nach Patronatsrechten vgl. WEISS, Landschafft, S. 70 f. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 170. Das Patronatsrecht ist unbekannt. Ein Einfluss der Brandenstein wird auch darin sichtbar, dass Dietrich von Brandenstein, Stiftsherr zu Wurzen, das Lehen innehatte. In der unweit gelegenen Großpfarrei Neunhofen beteiligten sich die Alterleute gar an einer adligen Kommendenstiftung. Die Alterleute wurden weiterhin als Stiftungstreuhänder eingesetzt. Auch hier wird eine Beteiligung der Bauern erst auf den zweiten Blick sichtbar; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 594. Auch in Beutnitz war die Gemeinde unter den vielen Stiftern der Trinitatis-Vikarie; VOIGT, Inkluse, S. 380. KRETSCHMER, Langenberg, S. 143 f. Wenn man unter den „Gütern der Kirche“ Rechte der Kirchenfabrik verstehen darf, spräche auch dies zusätzlich für eine finanzielle Beteiligung der Gemeinde. 1491 wurde der Altar durch Bischof Dietrich von Naumburg bestätigt. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 56v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 188v. Patronat nach BÜNZ, Klerus, II/1, S. 370. StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 53r. In Walschleben waren zeitweise Pfarrer und Alterleute Patronatsherren der Vikarie (BÜNZ, Klerus, II/2, S. 646.). StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 37v (1524) erscheint nur die Gemeinde als Inhaber des Patronatsrechtes. Weiterhin ist bei den geteilten Patronatsrechten denkbar, dass der jeweilige Pfarrer, dessen Rechte durch die neue Pfründe geschmälert wurden, der Einrichtung nur zustimmte, wenn er einen teilweisen Einfluss auf den Geistlichen erhielt. Auch für die Patronatsherren der jeweiligen Pfarrei stellte dies anscheinend ein probates Mittel dar, die eigenen Rechte verteidigen zu können. Die üblichen Streitigkeiten um die Opfergaben etc. (vgl. z. B. Kap. I.2) schärften das Bewusstsein, dass eigene Rechte schrittweise geschmälert werden konnten. Stiftungen wurden nur unter Auflagen gestattet. Ein Beispiel für ein alternierendes Patronatsrecht bei einer gemeindlichen Stiftung bietet die Vikarie in Haarhausen; neben
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Vikariestiftung gab es in Neunhofen. Der Pfarrer Johann Funck verfügte testamentarisch mit 200 Schock Groschen die Einrichtung einer Vikarie in der dortigen Pfarrkirche. Erster Inhaber sollte der unmündige Sohn seiner Köchin werden,531 bei dem es sich um seinen eigenen leiblichen Sohn gehandelt haben dürfte.532 Die gewählten Beispiele verdeutlichen, dass viele Stiftungen gemeinsam vom Pfarrer und der Gemeinde des jeweiligen Dorfes getätigt wurden. Erneut findet sich kein prinzipieller Dualismus im spätmittelalterlichen Dorf. Wie oben besprochen, stammten viele Pfarrer aus dem Ort, in dem sie das Pfarramt versahen, oder der direkten Umgebung, wie dies auch am Exempel der Hörselgauer Vikarie deutlich wurde. Diese befanden sich in enger Beziehung zu den bäuerlichen Familien und zeigten durch die Stiftungen ihre Verbundenheit zum Ort. Um eine zusätzliche Pfründe innerhalb der Grenzen einer Pfarrei einzurichten, war kirchenrechtlich der Nachweis einer necessitas populi nötig.533 Dies tritt in den Quellen aber nicht gesondert hervor. Nur in einigen Fällen zeigt sich ein Einfluss des Pfarrers oder des Patronatsherrn der Pfarrei auf die Stiftung. Solchen Fällen dürften Kämpfe der Gemeinde vorausgegangen sein, bis die Einrichtung genehmigt wurde. Nachdem das Geld für die Stiftung organisiert worden war, musste eine Urkunde aufgesetzt und von einer bischöflichen Institution bestätigt werden. Weiterhin musste eine Gebühr an den zuständigen Bischof gezahlt werden. Im Falle des Mainzer Erzbistums wurde diese Gebühr an den Siegler in Erfurt gezahlt. Die Alterleute von Allmenhausen zahlten 1510/1511 diese Abgabe für die Errichtung eines neuen Altars.534 Anschließend bestätigten die iudices generales den Stiftern die Stiftung, die nun rechtskräftig war. So taten sie es im Falle des Pfarrers und der Alterleute von Horsmar, die einen Altar im Chor der Pfarrkirche stifteten.535 Später musste die Pfründe mit einem Bewerber besetzt
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der Gemeinde erscheint hier der Abt des Erfurter Petersklosters, der Patronatsherr der Pfarrei, als Inhaber des hälftigen Patronates; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 263r. Das Patronatsrecht einer Vikarie in Herbsleben war zwischen der Gemeinde und einer weiteren unbekannten Person, einem Dr. Rudolf, geteilt; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 162v. Leider ist auch hier die Entstehung der Teilung des Patronates unbekannt. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 620, fol. 1r. In Mühlberg stiftete der Priester Hermann Müller von Grefenstein (der nicht aktueller Pfarrer von Mühlberg war!) 1432 eine Vikarie. Der Inhaber sollte Messen halten, darüber hinaus dem Pfarrer gehorsam sein; StAE, 0-0/C, Mühlberg, Nr. 2a. Die Vikarie erscheint unter den in der Urkunde genannten Heiligen nicht im Subsidienregister oder im Pfarrlehenbuch, wurde also wohl vor 1506 aufgelöst oder umgewandelt. Vgl. FUHRMANN, Kirche, S. 418 f. HANNAPPEL, Kommissare, S. 208. StAM, 10, E6, Nr. 3, fol. 7. Zu der unten beschriebenen Stiftung einer Fronleichnamsvikarie in Gebesee hat sich ebenfalls die Bestätigung durch den Siegler des geistlichen Gerichtes in Erfurt, Simon Voltzke, aus dem Jahr 1495 erhalten; Kreisarchiv
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werden. Die Nachfrage war selbstverständlich vorhanden, nur hatten die stiftenden Bauern ebenso selbstverständlich ein Interesse an der Besetzung mit einem verlässlichen Geistlichen. Die Organisation des Pfründenmarkts führte in dieser Zeit mitunter zu Unzufriedenheit in der Bevölkerung.536 Auch die dörflichen Gemeinden waren sich dem Risiko eines nicht anwesenden Klerikers mehr als bewusst.537 Ihre neu gestiftete Pfründe sollte eine stabile Verbesserung des religiösen Lebens im Ort bedeuten und nicht einen weiteren unzuverlässigen Geistlichen ins Dorf holen.538 Diese Gründe sprachen wohl auch für die Einrichtung von einfachen Kommenden. Hierbei wurde ein Vertrag mit einem Geistlichen geschlossen, der die genauen Verpflichtungen enthielt. Im Gegensatz zu einer Vikarie musste der Geistliche aber nicht investiert werden; die Stelle blieb in Verwaltung der Dorfschaft oder einer ihrer führenden Personen. Praktisch wurde nicht der Altar mit einem Benefizium verliehen, sondern der Messdienst an ihm. Gleichwohl war die Zustimmung des Pfarrers nötig.539 Waren die Dorfeinwohner mit dem Geistlichen nicht zufrieden, konnte dieser aus seinem Vertrag entlassen werden; man umging das oben angesprochene Risiko, dass die Pfründe nur zum Unterhalt eines Geistlichen gereichte.
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Sömmerda, Gebesee 3918. Eine Bestätigung einer Vikariestiftung aus dem 14. Jahrhundert hat sich aus Frömmstedt erhalten; LATh–StA Rudolstadt, Sondershäuser Urkunden, 1358. Vgl. für das Bistum Naumburg die Bitte Herzog Johanns an Bischof Philipp um Bestätigung eines neuen geistlichen Lehens 1518 in der Kirche von Gößnitz; StA Zeitz, Cat.pag. 51, Nr. 1, fol. 142r. Allgemein zum thüringischen Pfründenmarkt BÜNZ, Klerus I, S. 292–327. Vgl. oben Kap. I.2, insbesondere die Beschwerden der Gemeinden Beutnitz und Bischleben. Desgleichen gab es seit 1503 einen langjährigen Streit unbekannten Inhalts zwischen der Gemeinde Haarhausen im Amt Wachsenburg und dem dortigen Vikar Hermann Stackelbeck, für dessen Lösung letztendlich 1516 Herzog Johann beide Parteien nach Weimar lud (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 419). Sicherlich war auch hier der Auslöser ein üblicher, etwa die mögliche Abwesenheit des Vikars – Stackelbeck hatte in der betreffenden Zeit eine Vielzahl weiterer Pfründen in Erfurt, Gotha, Mühlhausen und einigen Dörfern inne, vgl. die Registereinträge im SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 502. Es ließe sich eine Vielzahl weiterer Beispiele von Geistlichen anführen, die entfernt liegende Pfründen parallel hatten, so etwa Caspar Stockheim, der 1533 Pfarrer an der Arnstädter Liebfrauenkirche und im gleichen Zeitraum, nachgewiesen zwischen 1528 und 1540, Vikar in Tunzenhausen war und ein Kanonikat am Erfurter Brunnenstift hatte; SLADECZEK, Arnstadt, S. 228; BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, IV k 23, fol. 9r; BÜNZ, Klerus III/1, S. 98. So war aus Sicht der Dörfer wichtig, dass der zusätzliche Geistliche im Ort den Pfarrer auch in der Seelsorge vertreten durfte; FUHRMANN, Kirche, S. 192. WEISS, Landschafft, S. 69 f. Zur rechtstheoretischen Trennung zwischen den Kommenden und beneficia ecclesiastica vgl. FRÖLICH, Rechtsformen; FUHRMANN, Kirche, S. 88 f. und S. 417.
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Aber auch aus Sicht des Pfarrers konnte ein solcher Messpriester eine willkommene Hilfe sein.540 So findet sich eine Kommende in einem Filialdorf,541 zwei weitere in recht großen Pfarreien. Tonndorf hatte sechs Filialen, hier richteten die Heimbürgen und die ganze Gemeinde 1510 eine Kommende ein.542 Tonndorf war ein Amtsdorf des Erfurter Landgebietes, die Besetzung der Pfarrei lag in Händen des Erfurter Rates, sodass die Gemeinde durchaus indirekten Einfluss auf die geistliche Versorgung im Ort gehabt haben dürfte. Der Geistliche, der die Kommende erhielt, sollte zwei Messen pro Woche singen und den Pfarrer unterstützen.543 Die Gemeinde überreichte dem Geistlichen jährlich ein Malter Korn und elf Schock Groschen aus wiederkäuflichen Zinsen. Dies entspräche bei üblichen Zinssätzen einer Stiftungssumme von über 200 Schock Groschen. Wie Tonndorf hatte auch die Pfarrei Herschdorf bei Königsee mehrere Filialen. 1511 wurde von der Gemeinde Herschdorf und den Gemeinden der Filialen der Herschdorfer Kirche – Gillersdorf, Willmersdorf, Allersdorf und Friedersdorf – die Einrichtung einer Kommende veranlasst.544 Die Heimbürgen, Alterleute und Gemeinden der Dörfer wollten laut des Urkundentextes mit dieser Stiftung Seligkeit erwerben, nannten weiterhin aber den geistlichen Mangel in den Dörfern als Grund für die Stiftung. Inhalt dieser waren drei Messen: eine Sonntagsmesse in Gillersdorf, eine Annenmesse dienstags in der Marienkapelle bei Herschdorf und eine Fronleichnamsmesse donnerstags in der Herschdorfer Pfarrkirche. Alle Dörfer brachten gemeinsam eine Stiftungssumme in Höhe von 500 Gulden auf. Von den Zinsen in Höhe von 25 Gulden pro Jahr sollte ein Geistlicher entlohnt werden. Dieser sollte den Herschdorfer Pfarrer bei Begängnissen unterstützen und bei Abwesenheit vertreten. Wie in Tonndorf stimmte der Pfarrer der Stiftung zu. Weiterhin sollte er in einer Behausung in Gillersdorf wohnen und von dieser Residenzpflicht keine Dispens erlangen – auch die Einwohner dieser Dörfer kannten diese Möglichkeit des Kirchenrechts 540 541 542 543
Vgl. oben Kap. I.2. Schorba war Filial von Bucha; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 146r. StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 18v; WEISS, Landschafft, S. 70. Die Messen sollten dienstags und donnerstags gesungen werden. Es dürfte sich also um eine Annen- und eine Fronleichnamsmesse gehandelt haben. Auch der liturgische Inhalt der Kommenden ordnet sich in die üblichen Strömungen ein. Im Gegensatz zur Kommende in Mühlberg ist in Tonndorf kein Zusammenhang zu einer Bruderschaft o. Ä. ersichtlich. Zur Mühlberger Kommende vgl. unten Kap. I.4.7. Zum indirekten Einfluss der Dörfer in den Patronatspfarreien des Stadtrats vgl. Kap. I.6 dieser Arbeit. 544 LATh–StA Rudolstadt, Geheimes Archiv (Restbestand), C IV, 2h, Nr. 7, fol. 4r‒5v. 1506 erscheint Gillersdorf noch als eigenständige Pfarrei; SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 119. Somit könnte die Einrichtung dieser Vikarie auch in direktem Zusammenhang zur Einpfarrung nach Herschdorf gestanden haben.
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und hatten aus den Erfahrungen anderer Dörfer ihre Lehren gezogen. Nach der erstmaligen Vergabe der Pfründe sollte künftig der Schwarzburger Graf die Kommende verleihen, der die Stiftung auch besiegelte. Der Graf wurde so als Rechtsschutz der Stiftung eingesetzt.545 Einerseits ist dies ein Zeichen, dass sich auch hinter den herrschaftlichen Patronaten durchaus bäuerliche Stiftungen verbergen können, andererseits ein erneutes Zeichen, dass die Bauern ihre jeweiligen Herren zunehmend als geistliche Schutzherren verstanden. Die Besonderheit der Herschdorfer Stiftung liegt in der gemeinsamen Finanzierung der Pfründe durch mehrere Dörfer. Es gab anscheinend keinen Streit zwischen den Filialen und der Mutterpfarrei, wie man ihn leicht annehmen könnte, sondern man tat sich zusammen, um dem geistlichen mangell entgegenzuwirken. Der Inhaber der Kommende sollte aber nicht nur eine der Stiftungsmessen in Gillersdorf halten, sondern auch dort wohnen und den Herschdorfer Pfarrer in diesem Filial zu den Hochfesten und an den Opfertagen vertreten. Während die Herschdorfer die Stiftung mit der Einrichtung zweier weiterer Messen in ihrem Dorf verbanden, finanzierten die anderen Dörfer vorrangig eine Verbesserung andernorts. Sie erkannten ihren Filialstatus an und wussten wohl, dass sie eine eigene Pfarrei oder Kirche nicht würden unterhalten können.546 Interessengemeinschaften bei der Erweiterung des Sakralen bestanden also auch über Ortsgrenzen hinweg. Die Form der Kommende bot dabei eine größere Einflussmöglichkeit für die Gemeinden selbst. Bei ihrer Einrichtung wurde wohl oft die zu geringe Ausstattung der Pfründe als offizieller Grund genannt, warum diese nicht als Vikarie gestiftet wurde.547 Die beiden Beispiele Tonndorf und Gillersdorf zeigen aber, dass die Pfründe durchaus zum Unterhalt eines Geistlichen ausreichte und dieser sich nach Möglichkeit auch ausschließlich um seine Verpflichtungen aus dieser Pfründe kümmern sollte. Ein Gemeindepatronat einer Vikarie in einem Filialdorf lässt sich nur in zwei Fällen nachweisen.548 In einem weiteren Fall hatten die Alterleute das Patronatsrecht über eine Vikarie in einer benachbarten Wüstung.549
545 1512, also nur ein Jahr darauf, nimmt Graf Günther XXXIX. interessanterweise einen Kredit von der Stiftungsmasse auf; LATh–StA Rudolstadt, Geheimes Archiv (Restbestand), C IV, 2h, Nr. 7. 546 Willmersdorf, Allersdorf und Friedersdorf waren recht kleine Ortschaften, die wohl nie ein eigenes Kirchengebäude besaßen. 547 Vgl. FUHRMANN, Kirche, S. 89. 548 Haarhausen war Filial von Sülzenbrücken; vgl. oben. In Kleingölitz waren 1465 die Heimbürgen und Alterleute des Ortes Inhaber des Patronates, 1520 der Pfarrer von Quittelsdorf, weshalb Bünz vermutete, dass das Dorf früher zu dieser Pfarrei gehörte (BÜNZ, Klerus, II/1, S. 121.). Im schwarzburgischen Visitationsprotokoll von 1533 er-
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Neben den Messen, die zu einem Benefizium gehörten, sind bei einigen Gemeindevikarien weitere liturgische Handlungen nachweisbar. Der Vikar von Schmiedehausen hielt mehrere Anniversarien für die Einwohner des Dorfes.550 In Großmonra wurde 1497 die vorhandene Altarstiftung um ebenfalls vorhandene Messstiftungen erweitert, sodass der Vikar nun auch eine Fronleichnamsund eine Marienmesse hielt.551 In Goldbach empfing der Vikar des Andreasaltares ab 1492 elf Gulden jährlich für das Singen zweier Messen, eine sonnabends zu Ehren Unserer Lieben Frau und eine donnerstags zu Ehren des Corpus Christi. Die ursprünglichen Stifter waren wohl Teil der dörflichen Gemeinde, da ein Heimbürge als Verwalter der Messstiftung eingesetzt war.552 Lässt sich bei den meisten Vikarien der jeweilige Zeitpunkt der Stiftung nicht nachweisen, zeigen die bekannten Jahreszahlen doch eine Verdichtung in der zweiten Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Die Vikarie in Lehesten, zu der drei Messen pro Woche gehörten, wurde von den Dorfbewohnern zur Zeit Herzog Wilhelms III. (reg. 1445–1482) eingerichtet. 553 In Hörselgau wurde die Gemeindevikarie 1453 gestiftet.554 Die Vikarie in Walschleben wurde vor 1465 gestiftet.555 Pfarrer und Gemeinde von Langenberg bei Gera stifteten 1486 einen neuen Altar.556 Die Vikarie in Dachwig wurde zwischen 1506 und 1515 gestiftet.557
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scheint das Dorf als Filial von Solsdorf (LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 13v). Die Alterleute von Sprötau besaßen das Patronatsrecht über die Vikarie in der Wüstung Kaltenborn; HANNAPPEL, Archidiakonat, S. 81. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 440v. Die Vikarie in Schmiedehausen stand unter dem Patronat der Gemeinde, die Stiftung der Jahrtage dürfte somit auch auf bäuerliche Familien zurückgehen. Dabei ließen die Einwohner ein Salve Regina und auch einige Anniversarien vom Pfarrer abhalten. Der Vikar erweiterte deutlich die Möglichkeiten, man kann aber nicht auf eine grundsätzliche Abwendung vom Pfarrer schließen. BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1319. Zu den Umständen dieser Stiftungsänderung vgl. unten Kap. I.4.7. Dass dies auch wirklich umgesetzt wurde, geht aus den Registern der Vikarie hervor. Ab 1497 erscheinen eigene Konten Ad missam corporis christi und Ad missam Beate Marie virginis, BAE, Marienstift, I R5, 2. REGESTEN WANGENHEIM I, Nr. 252, S. 282 f. Der Nachweis bezieht sich auf eine Erweiterung der Stiftung um einen Gulden jährlich durch einen Einwohner des Dorfes Hochheim bei Gotha. BÜNZ, Klerus, II/2, S. 414. BAE, Marienstift, Urkunden I, 1076a; BRÜCKNER, Schulenstaat, 3, 1, S. 42 f. BÜNZ, Klerus, II/2, S. 646. KRETSCHMER, Langenberg, S. 143 f. BÜNZ, Klerus, II/1, S. 153. HIPPENMEYER, Nachbarschaft, S. 18 f., stellte für Graubünden ebenfalls einen Anstieg an Stiftungen in den Dörfern ab der Mitte des 15. Jahrhunderts fest.
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Ein wichtiges Beispiel zu dieser Beobachtung ist aus Gebesee anzuführen, das gleichzeitig für die zunehmende eucharistische Frömmigkeit dieser Jahre, die sich auch in vielen Benefizien niederschlug, stehen kann. Hier lässt sich eine gemeinsame Stiftung einer örtlichen niederadligen Familie, der Schetzel, und der Gemeinde nachweisen. 1495 stifteten Albrecht und Jörg Schetzel, Ratsmeister und Rat, stellvertretend für die Einwohner des Ortes, mit Wissen des Pfarrers – also auch mit seiner Zustimmung – eine Fronleichnamsvikarie.558 Zu dieser gehörten drei wöchentliche Messen: jeweils eine Frühmesse montags und sonnabends sowie eine donnerstägliche Frühmesse am Hochaltar zu Ehren des Corpus Christi. Bei dieser steuerten der Schulmeister, sein Geselle und die Schüler des Ortes Gesänge bei, vor allem das „Ecce panis angelorum“.559 Interessant ist eine weitere Vorgabe, die dem einzusetzenden Priester gemacht wurde: Er durfte keine Messen in anderen Orten halten. In Gebesee wusste man also ebenfalls um die Probleme, die andere Orte mit Klerikern hatten, wenn man nicht bereits eigene Erfahrungen gemacht hatte. Die Bauern dieses Fleckens und die Adligen waren sich einig. In einigen größeren Dörfern des Thüringer Beckens erscheinen bäuerliche und adlige Vikarien nebeneinander. Man denke an den Stolz, der die Bauern wegen solcherlei Stiftungen erfüllt haben dürfte. In Großengottern waren Pfarrer und Alterleute Patrone über eine Marienvikarie in der Martinikirche, die Familie von Hopfgarten Patrone einer Marienvikarie in der Wigbertikirche. 560 In Bilzingsleben unterhielt die Dorfschaft eine Fronleichnamsvikarie in der Pfarrkirche, die Familie von Bendeleben kontrollierte die Pfründe der Nikolaikapelle.561 Neben den bisher behandelten Motiven – Seelenheil und Verbesserung der geistlichen Versorgung vor Ort – können für den Niederadel weitere Gründe genannt werden, Vikarien in den Dörfern zu stiften: Herrschaftsrepräsentation 558 Kreisarchiv Sömmerda, Gebesee 3913. Die Bezeichnung als ‚Rat‘ ist an dieser Stelle eindeutig zu erklären. Gebesee hatte bis 1638 keine Stadtrechte; PATZE, Gebesee. Der Ort unterstand niederadligen Familien und ist eindeutig als Marktflecken anzusprechen. Dennoch gab es eine Art Rat oder zumindest diese Selbstbezeichnung; vgl. KUHLES, Gebesee. Weitere Bestimmungen der Urkunde gleichen dem bisher Geschilderten: Die Rechte des Pfarrers durften nicht verletzt werden, der Vikar sollte den Pfarrer vertreten, wenn dieser verhindert war, und zwei Männer sollten als Verwalter der Zinsen eingesetzt werden. Der Vikar hielt Seelmessen ab. Er erhielt 15 Gulden in bar, zwei Gulden für das Totengedenken, eine Hufe Landes, die mit sechs Gulden veranschlagt wurde, und ein unbelastetes Haus. 559 Hierbei handelt es sich um einen sehr gebräuchlichen Gesang aus einer Sequenz des Thomas von Aquin zum Fronleichnamsfest und der Verehrung der Eucharistie. Zu seiner Verwendung in Arnstadt vgl. KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 238–240. 560 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 56v, 58r. 561 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 265v.
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und die Versorgung eigener Familienangehöriger.562 Lässt sich der erste Grund in den Quellen nicht zeigen und muss daher als These im Raum stehen, kann der zweite an einigen Beispielen belegt werden. Deutlichster Einzelfall sind vier (!) Vikarien in Neunheilingen, die alle Johann von Heilingen, ein Halberstädter Domherr, in Besitz hatte.563 Es konnte zu einem regelrechten Handel zwischen den Familien kommen: Die Neunheilinger Junker besaßen ebenso drei Vikarien in Freienbessingen, die aber die Herren von Kutzleben in Gebrauch hatten.564 Um die Patronatsrechte konnte ein Streit zwischen verschiedenen Familien entstehen. In Henningsleben war mit der ersten Visitation 1539 das Patronatsrecht zenkisch zwischen den Familien Seebach und Goldacker. 565 Vor allem in den größeren Dörfern des Thüringer Beckens finden sich mitunter mehrere Vikarien verschiedener Familien, so etwa in Altengottern, wo sowohl die von Hain als auch die von Hopfgarten über eine Vikarie verfügten.566 Vor diesem Hintergrund sind die vielen Vikariestiftungen des Adels in den Dorfkirchen verständlich. Neben den praktischen Gründen dürfen aber natürlich die frommen nicht unterschätzt werden. 1498 stiftete Margarethe von Wangenheim zum Andenken an ihren verstorbenen Mann Balthasar im wangenheimschen Dorf Sonneborn eine Vikarie der Heiligen Drei Könige.567 Alle Vikare des Adels dürften nicht zuletzt Seelmessen für die Angehörigen der jeweiligen Familie gehalten haben. Eine engere Verbindung zwischen dem Amt des Vikars und den Inhabern des Patronatsrechts wird auch an einigen Rechten sichtbar. Der Vikar von Wenigenauma hatte bei denen von Quingenberg freien Tisch,568 und der Vikar von Olbersleben erhielt bei einer Hochzeit in der Familie der Herren von Kölleda ein
562 Neben Familienangehörigen dürfte es auch die Versorgung weiterer Gefolgsleute betroffen haben. Dies lässt sich aus den Quellen jedoch nicht belegen, da die Namen meist die einzigen Nachweise für entsprechende Verbindungen sind. 563 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 120v. Wobei aus der Beschreibung im Visitationsprotokoll nicht hervorgeht, ob er sie alle bereits als Lehen besaß oder, wenngleich unwahrscheinlicher, mittlerweile als Familienangehöriger im Zuge der Visitationen verwaltete. Im Subsidienregister erscheint er nur als Inhaber einer der Vikarien; SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 373; vgl. den Registereintrag ebd., S. 522 zu weiteren Vikarien, die er in Thüringen innehatte. 564 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 132v. 565 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 140v. 566 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 146r. 567 HANNAPPEL, Kommissare, S. 189. 568 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 244r. Hinter dieser Regelung stand wohl der Wunsch der Adligen, zu verhindern, dass sich der Vikar eine Köchin hielt. Vgl. zu einem solchen Fall VOLKMAR, Religiosität, S. 182.
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Paar Handschuhe. 569 Der Vikar von Braunsdorf bekam von der Familie von Meusebach ein Haus gestellt.570 Finanziell dürfte den meisten Familien eine Vikariestiftung leichter gefallen sein als den Dorfgemeinden. Allerdings waren die Vikarien keineswegs prinzipiell besser ausgestattet, sodass die Familien mit den gleichen Problemen zu kämpfen hatten. Vielfach waren die Benefizien zu gering ausgestattet, als dass ein Geistlicher davon hätte sein Leben bestreiten können. All diese Aspekte spiegeln sich in dem Fall der Andreasvikarie in Sonneborn, deren Patronat die Familie von Wangenheim innehatte. Inhaber des Benefiziums war 1505 der prominente Erfurter Jurist und Kanoniker Henning Göde. Am 19. Mai des Jahres übergab dieser die Vikarie mit Wissen von Hans, Friedrich und Apel von Wangenheim an Johann Salzmann, weil die Vikarie Inn Irenn Zcinßen auch gebuwen und Zu gehorunge ganz schwach unnd geringe wordenn.571 Johann Salzmann solle eine Messe und vier Frühmessen pro Woche halten oder bestellen sowie das Haus der Vikarie neu erbauen. Dafür erhielt er 14 Gulden pro Jahr. Das Subsidienregister von 1506 nennt Henning Göde weiterhin als Inhaber und ein Einkommen der Vikarie von 20 ½ Gulden; ihm blieben folglich sechseinhalb Gulden des Einkommens.572 Henning Göde übergab die Vikarie also einem Vertreter, dem er überdies die Möglichkeit einräumte, die Messen selbst von einem anderen Geistlichen bestellen zu lassen. Die Familie von Wangenheim stimmte dieser Regelung zu.573 Ähnlich erging es wohl der Familie von Hausen, die Hermann Stackelbeck 1504 als Vikar in Lützensömmern präsentierte.574 Bei seinen vielen gleichzeitigen Benefizien in Erfurt und Gotha wird er das Lehen wohl kaum selbst wahrgenommen haben.575 Die Vikarien des Adels dienten eben nicht nur
569 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2082. Außerdem erhielt er eine höhere Abgabe bei dem Begräbnis eines Ehrbaren. Dies dürfte aber in den Adelsdörfern nicht unüblich gewesen sein. 570 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 246v. 571 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 277, fol. 3r–3v. 572 SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 221. Auch Johann Salzmann hatte mehrere Lehen in Gotha, Remstädt, Uelleben und Eisenach inne; vgl. die Kurzangaben im Register der Edition des Subsidienregisters; ebd., S. 530. 573 Johann Salzmann erbaute das Haus und hielt die Messen. Er übergab zu unbekannter Zeit die Vikarie an seinen Neffen, Melchior Salzmann. Dieser beschrieb den Vorgang 1528 mit den Worten wie der Zceit gewonlichen. Erst nach dem Tod Henning Gödes 1521 belehnte Friedrich von Wangenheim Melchior Salzmann direkt; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 277, fol. 4r. Zum Umgang mit der Vikarie in den Visitationen vgl. unten Kap. III.4. 574 UB Familie Hausen, S. 30. 575 BÜNZ, Klerus, III/1, S. 372–374 sowie die Kurzangaben im Register der Edition des Subsidienregisters, SR 1506, S. 502. Vgl. zu Stackelbeck oben in diesem Kapitel.
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der Versorgung vor Ort, sondern waren in gleichen Teilen Waren des Pfründenmarktes. Wie die Bauern suchten wohl auch die Adligen nach Wegen, diese Probleme zu umgehen. Adlige Kommenden lassen sich aber nicht in großer Zahl feststellen. Eine solche findet sich in Sundhausen bei Tennstedt. Die von Weberstedt zu Sundhausen richteten eine Kommende ein, die sie mit drei Hufen Landes ausstatteten. Die Formulierung in der Quelle legt nahe, dass der Pfarrer diese in Personalunion innehatte. Es wäre denkbar, dass diese Konstruktion gewählt wurde, um den Einfluss der Familie auf den Pfarrer zu erhöhen, da das Patronatsrecht in den Händen des Mainzer Dompropstes lag.576 Die Brüder Caspar und Marcus von Heym zu Weltwitz, einem der vielen Filialdörfer der Großpfarrei Neunhofen, stifteten 1468 in der Nikolauskapelle in der Neunhofener Pfarrkirche drei wöchentliche Messen, die ein Priester oder ein geweihter Kleriker halten sollte. Dieser sollte in einem zur Kapelle gehörigen Haus wohnen. Der Neunhofener Pfarrer gab sein Einverständnis zu dieser Stiftung und sollte im Gegenzug vor allem in Seuchenzeiten von diesem Messpriester unterstützt werden.577 Die von Heym stifteten die Messen also nicht in der Filialkapelle ihres Dorfes Weltwitz, sondern in der Pfarrkirche des fünf Kilometer entfernten Neunhofen. Insgesamt ist aber wohl ein größerer Einfluss der niederadligen Familien bei Problemen mit der Geistlichkeit vor Ort zu unterstellen, sodass die Stiftungen in größerem Maße der Umsetzung der individuellen Frömmigkeit und der familiären Memoria dienten als der Verbesserung der kirchlichen Verhältnisse vor Ort. Bei den Adelsvikarien waren ebenfalls zwei Messen pro Woche Usus.578 In den Dörfern, in denen die adligen Familien mehr als eine Vikarie unterhielten, führte dies zu einer großen Zahl Messen pro Woche. In Großfahner hielt Johann Meyß, der zwei Vikarien der Familie von Seebach innehatte, insgesamt fünf Messen pro
576 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 93v. 577 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 594. Die Messen sollten v. a. einem ehemaligen Pfarrer von Neunhofen, einem Herrn von Ende, und allen verstorbenen Vorfahren der Brüder von Heym als Memoria dienen. Die Herren von Ende beteiligten sich auch an der Finanzierung der Stiftung. Daneben stammten Anteile von Bürgern der Stadt Neustadt und von Einwohnern des Dorfs Neunhofen. Interessanterweise wurden der Pfarrer und die Alterleute von Neunhofen als Stiftungstreuhänder eingesetzt. Auch die Stiftungsbriefe sollten in der Sakristei verwahrt werden. 578 So etwa bei der Hl.-Kreuz-Vikarie in Münchengosserstedt, bei der der Niederadlige Hans Mönch Patronatsherr war, LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 442v.
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Woche.579 Jeweils drei Vikarien unterhielten die Familie Berlepsch in Seebach580 und die Wangenheim in Haina bei Gotha.581 Vikariestiftungen boten den Adelsfamilien eine Möglichkeit, ihre Kontrolle auf das kirchliche Leben vor Ort auszuweiten, gerade wenn sie nicht Inhaber des Patronates waren. Streitigkeiten mit dem Pfarrer konnten ebenfalls ein Motiv sein, eine Alternative zu schaffen.582 Wie stark diese Ausweitung der Kontrolle vor Ort gelang, war nicht zuletzt eine Frage der materiellen Möglichkeiten, sodass es hierbei starke Unterschiede gab. Einer großen niederadligen Familie wie den Wangenheim gelang es durchaus, einen kirchlichen Einfluss in mehreren Orten auszuüben. Einen Sonderfall in diesen Überlegungen stellen die Filialdörfer dar, wurde eine niederadlige Herrschaft ohne Pfarrer doch wohl nicht als vollständig empfunden. Gelang es dem Adligen nicht, aus welchen Gründen auch immer, eine Pfarrei zu stiften, blieb eine Vikariestiftung die übliche Alternative. So gab es einen Geistlichen vor Ort, der die Versorgung der Adelsfamilie und ihrer Untertanen sicherstellte. Durch die starke Rolle des Adels einerseits und die größeren Pfarreien andererseits findet sich dieses Phänomen vor allem östlich der Saale.583 Hierbei wurde der Vikar wie ein Pfarrer versorgt und mitunter konnten zu dem Filial auch einzelne Pfarreirechte gehören. Es gab, wie erwähnt, verschiedene Mischformen zwischen Pfarrei und Kaplanei. Neben ihren Stiftungen in den Dorfkirchen lebten die adligen Familien ihre persönliche Frömmigkeit natürlich in den Burgkapellen aus. In vielen Fällen geht aus den Quellen jedoch nicht eindeutig hervor, wo sich ein gestifteter Altar befand. Einige Zuweisungen sind aber eindeutig: Vikarien in Burg- oder Schlosskapellen unter niederadliger Kontrolle gab es in Freienbessingen, Erffa (heute Friederichswerth), Gebesee, Ichstedt, Molschleben, Oppurg und Seebach.584 579 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 344v. 580 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 115v–116v. 581 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 324r–324v. Davon eine Vikarie in der bei Haina gelegenen Jakobskapelle (vgl. die Tabelle Nr. 1 im Anhang). 582 Beispielsweise in Münchengosserstedt, wo es starken Dissens zwischen dem Pfarrer und dem Adligen Hans Mönch gab, der ebenfalls eine Hl.-Kreuz-Vikarie mit zwei wöchentlichen Messen im Dorf unterhielt; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 442r. 583 Beispiele finden sich zuhauf. Etwa Otto Koller, der eine Vikarie in Schiebelau, einem Filial von Lobeda, unterhielt; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 143v. Im Filialdorf Eichicht stifteten die Gebrüder von Beulwitz 1464 jeweils eine Vikarie in der Schlosskapelle und in der Dorfkirche; KIRCHENBLICKE, S. 33. Im Filial Caaschwitz unterhielten die Adligen Meerrettich ein Benefizium; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 15v. 584 Zu den einzelnen Nachweisen vgl. die Tabelle Nr. 1 im Anhang. Freilich dürften sich die Kapellen kleinerer Gutshöfe von den größeren Burgkapellen deutlich unterschieden haben. Über erstere ist beinahe nichts bekannt; ein Beispiel ist die Kapelle des unbe-
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Ein besonders deutliches Beispiel bietet die Vikarie im Schloss Ichstedt. 1438 stiftete Heinrich Hacke einen Altar und eine Vikarie Trinitatis.585 Er benötigte die Zustimmung des Pfarrers, aber auch seines Lehensherrn, des Grafen Heinrich von Schwarzburg. Neben seinem Eigenbesitz gingen zudem Güter von Verwandten in die Stiftung ein. Zusätzlich zu seinen geistlichen Verpflichtungen sollte der Vikar an Mahlzeiten auf der Burg teilnehmen. Das Patronatsrecht wurde an den Besitz des Schlosses gebunden. Bereits 1440 verbesserte der Stifter seine Stiftung. Die Sachbezüge des Vikars wurden erhöht, im Gegenzug wurde er verpflichtet, Jahrgedächtnisse für die Verstorbenen der Adelsfamilie zu den Quatembern und zwei zusätzliche Messen in der Pfarrkirche des Dorfes zu singen; davon eine donnerstags zu Ehren des heylligen war lichnam und eine sonnabends zu Ehren der Mutter Gottes. Durch diese Verbesserung profitierten also auch der Pfarrer und der Kirchner, die jeweils Präsenzzahlungen erhielten, sowie die Kirche des Dorfes. Die Stiftung kann beispielhaft für die möglichen Vorteile stehen, die adlige Stiftungen für die geistliche Versorgung auch des Gemeinen Mannes haben konnten: Die Bauern konnten an den Messen teilnehmen, ohne diese finanzieren zu müssen. Bei adligen Stiftungen in Dorfkirchen ist, wie dies für die Pfarrer gezeigt wurde, auch eine finanzielle Beteiligung der Bauern prinzipiell denkbar.
4.4. Kapellenstiftungen Das Wort ‚Kapelle‘ ist für die in dieser Arbeit behandelten Fragen keineswegs eindeutig. Zunächst gab es Kuratkapellen, die angesprochenen Gotteshäuser in Filialdörfern mit eingeschränkten Seelsorgerechten. Weiterhin gab es Kapellen in Burgen und Herrensitzen und solche in Hospitälern. Ferner gab es auch in dörflichen Pfarrkirchen räumlich getrennte Kapellen, in denen sich zusätzliche Altäre befanden.586 kannten Edelhofes der Familie von Witzleben bei Molschleben. Eine vergleichende Arbeit zu den Burgkapellen ist ebenfalls wünschenswert, wobei nicht nur an die Kapellen der hochadligen Burgen zu denken ist. Beispielhaft zum Engagement niederadliger Familien in den Patronatspfarreien: VOLKMAR, Religiosität, bes. S. 173–184. 585 LATh–StA Rudolstadt, Sondershäuser Urkunden, 1438, Februar 14. Es handelt sich um eine Abschrift, der die Bestätigung der Stiftung durch Hermann von Buchenau, den erzbischöflichen Kommissar in Erfurt, und die unten erwähnte Verbesserung der Stiftung folgen. Der Vetter des Stifters nahm im selben Jahr eine Schuld von 100 Gulden bei der Stiftung auf (ebd., fol. 3v‒4r). Zu Hermann von Buchenau vgl. HANNAPPEL, Kommissare, S. 173. 586 Etwa die Sakristeikapellen (vgl. unten Kap. I.5.2) oder Turmkapellen. Zu den einzelnen Typen vgl. JANSSEN, Differenzierung.
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Von diesen Typen deutlich zu unterscheiden sind Stiftungen zusätzlicher Kapellengebäude in oder bei Dörfern, die eine Pfarrkirche besaßen oder eine zusätzliche Kapelle zu ihrer Kuratkapelle unterhielten. Gab es auch im Gebiet östlich der Saale durchaus zusätzliche Kapellenbauten in Pfarrdörfern,587 findet sich dieses Phänomen doch vorrangig im Altsiedelland in den dichter besiedelten Gebieten. Hierbei ist bereits die schiere Menge bemerkenswert. Es lassen sich im Untersuchungsgebiet 87 Kapellen in oder bei Dörfern nachweisen, die zweifelsfrei nicht in Verbindung mit einem Hospital oder einer Burg standen.588 Einige dieser Kapellen waren ursprünglich Kirchen von Dörfern, die wüstfielen. Beispiele dafür sind etwa die Kapellen von Riffenheym bei Gräfentonna, Neuß bei Molschleben oder die Kapelle St. Wolfgang bei Uhlstädt, die zur Wüstung Töpfersdorf gehörte.589 Von der Letztgenannten haben sich bis heute Ruinen erhalten (Farbtafelteil, Abb. 8). Diese Kapellen wurden in der Regel von Wüstungsgenossenschaften von anderen Orten aus weiter erhalten. Viele erfüllten aber auch Funktionen als Andachts- oder Prozessionskapelle. Eine genauere historische Untersuchung dieser Kapellen wüster Orte steht aus. Von allen diesen Arten an Kapellen hat sich kaum etwas erhalten. Sie wurden von der Reformation und den nachfolgenden Jahrhunderten beinahe vollständig aus dem Erscheinungsbild der Dörfer entfernt. Sind in den meisten Fällen die Zusammenhänge der Stiftung und die Rechte an der Kapelle nicht bekannt, gibt es doch auch aussagekräftige Beispiele, die erlauben, einige Kapellen der bäuerlichen Gemeinde und ihrer Frömmigkeit zuzuordnen. Der oben angesprochene materielle Aufwand, der nötig war, um eine Messstiftung oder ein Benefizium zu unterhalten, wurde noch deutlich erhöht, wenn diese Stiftung mit einer Kapelle verbunden war, musste doch die Gemeinde neben den gezeigten Kosten Baugrund organisieren und das Gebäude der Kapelle bauen und unterhalten.590 Die zusätzlichen Kapellen sind dabei kein Phänomen der Vorreformationszeit. Bereits 1197 waren verschiedene Einwohner des Dorfes Kerspleben an der Ausstattung einer Kapelle in ihrem Dorf beteiligt.591 Viele Kapellen haben den Erwähnungen nach am Dorfrand oder in der Dorfflur gelegen. Neben den reinen Bezeichnungen in den angegebenen Quellen 587 Ein Beispiel: Windischleuba im Altenburger Land. Hier scheint der Pfarrer Messen in der Kapelle gehalten zu haben; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 204v f. 588 Zu den Einzelnachweisen vgl. die Tabelle Nr. 1 im Anhang. Darunter fallen natürlich auch Kapellen mit adligem oder geistlichem Patronat. 589 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 277r. Vgl. zu den Ruinen MÜLLER, Dorfkirchen, Katalog, S. 144. 590 Zur Finanzierung solcher Projekte in den Gemeinden Graubündens vgl. HIPPENMEYER, Nachbarschaft, S. 49–83. 591 DOBENECKER, Regesta II, Nr. 1054, S. 201; vgl. KURZE, Pfarrerwahlen, S. 165, Anm. 74.
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wurden hierzu Flurnamen und Straßennamen herangezogen.592 Dies betrifft die Kapellen in Ballstädt, Bufleben, Dornheim, Eschenbergen, Haina bei Gotha, Herbsleben (Peterskapelle), Herschdorf bei Königsee, Holzhausen, Ingersleben, Kirchheim, Kösnitz, Molschleben, Mühlberg, Nausitz, Neunheilingen, Nohra, Oberspier, Schwerborn, Siebleben, Stotternheim, Treppendorf, Tunzenhausen, Uhlstädt, Urbich und Wandersleben. Die Kapellen prägten wie die Türme der Dorfkirchen die Landschaft. Meist wurden sie an hervorragenden Stellen, auf Kuppen oder an Hauptstraßen und Wegekreuzungen gebaut, sodass sie auch eine Fernwirkung erzielten. Daneben gab es einige Kapellen, deren Lage im Dorf beschrieben wird. Dies gilt etwa für die Kapellen in Alach, Herbsleben (Marienkapelle), Oberdorla und Rudersdorf. In erster Linie dienten die Kapellen liturgischen Handlungen zu bestimmten Zeiten. Darüber hinaus sollten sie aber auch der individuellen Frömmigkeit und Andacht zur Verfügung stehen, weshalb sie wohl üblicherweise offenstanden.593 Zwar gab es auch Kapellen, die über kein eigenes Benefizium verfügten,594 und solche, in denen die Messen vom Pfarrer gehalten wurden,595 es blieb aber das Ziel, eine Kapelle von einem zusätzlichen Geistlichen bestellen zu lassen; nicht zuletzt, um die geistliche Versorgung im Ort zu verbessern. So stifteten die Einwohner von Ballstädt eine Kapelle mit einer Vikarie. 596 Selbstverständlich konnte eine solche Stiftung nicht nach Gutdünken erfolgen. In erster Linie waren durch eine Kapellenstiftung der Pfarrbann und die Einkünfte des Pfarrers bedroht, sodass eine Stiftung vor allem in Absprache mit dem Lehensherrn der jeweiligen Pfarrei erfolgen musste. Deutlich wird dies besonders im Falle der Kapelle St. Johannes Baptist in Bufleben. Zu ihr gehörte eine Vikarie gleichen
592 Vgl. hauptsächlich http://www.kleks-online.de/editor (letzter Zugriff: 26.8.2016). In einem Straßennamen findet sich die Kapelle etwa in Urbich, wo es eine Straße „Zum Kapellenfeld“ gibt. Einige dieser Kapellen könnten, wie angesprochen, auch auf Wüstungsstellen zurückgehen, wie dies bei der Kapelle Neuß bei Molschleben oder der Kapelle Töpfersdorf bei Uhlstädt der Fall ist. Zu weiteren Angaben über die Lage einiger Kapellen vgl. die Tabelle Nr. 1 im Anhang dieser Arbeit. 593 So die Verfügung in Kirchheim, wo der Pfarrer verpflichtet wurde, die Kapelle am Abend zu schließen; StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a. 594 Z. B. in Frienstedt, wo es nach der Formulierung im Pfarrlehenbuch von 1524 (StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 119v) wohl auch kein Kapellengut, also keine Fabrikausstattung gab. 595 Etwa in der Kirchheimer Kapelle. Hier hielt der Pfarrer sonnabends Messe; StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a. 596 BÜNZ, Klerus, II/1, S. 40 f. Im Visitationsprotokoll von 1533 lag das Besetzungsrecht der Vikarie in Händen des Pfarrers im Ort, ein Beispiel, dass die bekannten Patronatsrechte nicht unbedingt mit dem ursprünglichen Stifter gleichzusetzen sind; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 194r. Zum finanziellen Engagement und den daraus resultierenden Rechten anhand englischer Beispiele vgl. KÜMIN, Parish, S. 169–179.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
Patroziniums, deren Patronat in Händen der Gemeinde lag.597 Am 29. Mai 1499 schlossen Schultheiß, Heimbürgen, Alterleute und die ganze Gemeinde von Bufleben einen Vertrag über die Einrichtung der Kapelle mit dem Dechanten und dem Kapitel des Erfurter Marienstiftes, den Patronatsherren der Pfarrei, ab.598 Prinzipiell bewilligte das Stift die Bitte der Einwohner, dass sie die Kapelle In unßerm dorffe uff zurucken zu buwen und zu stifften dürften.599 Allerdings erfolgte die Erlaubnis nur unter einigen Bedingungen. Die Gemeinde sagte zu, dass der Inhaber des Benefiziums dem Pfarrer gehorsam sein solle und diesem beim Reichen des Sakraments und anderen Amtshandlungen behilflich sei, wenn dieser es wünsche. Messen in der Kapelle dürften nicht sonn- und feiertags gehalten werden. Zum Weihetag der Kapelle und zum Tag des Patrons solle der Pfarrer die Messen in der Kapelle halten.600 Auch alles oppfer das In der Capellen durch das Jar gefallen wirt eß sey uff den altar, In den stoecken adder vor den bilden, wie das gnant mag werden sall der rechten pfarkirchen unnd dem pfarrer folgen.601 Von dieser Regelung ausgenommen waren nur Gelder, die ausdrücklich der Fabrik des Kapellenbaus beschieden würden. Die letzten beiden Bedingungen zeigen eine Hauptsorge des Marienstiftes: Durch einen neuen Geistlichen im Ort könnten die Stolgebühren und Opfer als wichtige Einnahmen des Pfarrers geschmälert werden.602 In diesem Zusammenhang ist auch die Verfügung zu sehen, dass in der Kapelle keine Begängnisse, Gedächtnisse oder Memorien, wie die namen haben moechten, gehalten werden dürften.603 Die Sorgen, die das Marienstift mit dieser Stiftung verband, können verallgemeinert werden. Eine Kapellenstiftung stellte einen grundlegenden Eingriff in den Pfarrbann dar. Dass es dessen ungeachtet gelang, die Stiftung einzurichten und das Besetzungsrecht in Hand der Gemeinde zu belassen, zeigt, dass mit der 597 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 190v. 598 BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1338. 599 BRÜCKNER, Schulenstaat, 1, 4, S. 19, beschreibt den Zustand der Kapelle in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Danach verfügte sie über ein gutes Mauerwerk mit Maßwerkfenstern. Er beschreibt eine Bauinschrift auf der Südseite, die das Jahr 1490 nennt. Demzufolge wäre der Vertrag mit dem Marienstift neun Jahre nach der Erbauung der Kapelle geschlossen worden, obwohl dieser erst den Bau einer Kapelle gestattet. Dass ein Lesefehler bei der Inschrift vorliegt, ist sehr unwahrscheinlich, da auch das Kunstdenkmälerinventar diese Jahrzahl nennt, LEHFELDT 8, S. 16. Möglicherweise stellt die Urkunde eine nachträgliche Bestätigung eines Status quo dar. 600 In vielen Kirchen waren dies die einnahmestärksten Tage, sodass diese Bedingung wohl aus Angst aufgestellt wurde, dass das Pfarreieinkommen geschmälert würde. Vgl. das Folgende. 601 BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1338. 602 Zum Streit zwischen Pfarrer und Pfarrkirchenfabrik um die Opfer vgl. oben Kap. I.2. 603 Solche Formulierungen beugten Rechsstreitigkeiten vor, in denen die Bauern mit der Wortwahl argumentierten.
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Stiftung dennoch ein steigender Einfluss der Gemeinde verbunden war. Vergleicht man die Buflebener Kapelle mit anderen Stiftungen, fällt auf, dass die Bedingungen recht weit gehen. Insbesondere das Verbot von Seelmessen kann es nicht überall gegeben haben. Erscheint das Benefizium im Subsidienregister 1506 noch als commenda nova, wird es im Visitationsregister 1533 eindeutig als Vicaria bezeichnet. Anscheinend wurde die Kommende in der Zeit nach 1506 aufgewertet, da auch zwei Einwohner des Dorfes 1528 den ehemaligen Besitzer als Vikar bezeichneten.604 Sie bezeichneten ihn außerdem als ihren Vetter, was zeigt, dass die Vikarie der Versorgung eines Einwohners des Dorfes mit einer geistlichen Stelle diente. Dieses Stiftungsmotiv aus dem adligen Umfeld findet sich demzufolge auch in der bäuerlichen Gesellschaft. Bei vielen Kapellen in den Dörfern lässt sich aber auch ein starker Einfluss einer geistlichen Institution feststellen. In Elxleben am Steiger lag das Patronatsrecht einer Kapelle mit zwei Vikarien in der Hand des Klosters Stadtilm.605 In Rudersdorf hatte der Abt des Klosters Pforta das Patronatsrecht der Kapelle im Dorf.606 In Eschenbergen wurden aus dem Besitz der Nikolauskapelle 53 Erfurter Malter an das Kloster Georgenthal gereicht, wofür das Kloster die Bestellung von zwei Messen pro Woche veranlasste.607 In Illeben bei Langensalza war das Kloster Zella im südlichen Eichsfeld Patronatsherr der Marienkapelle.608 Obwohl die bäuerliche Gemeinde in diesen Fällen nicht die eigentliche Kontrolle über die Pfründe der Kapelle besaß, finanzierte sie diese und vor allem die Fabrik der Kapelle. Eine interessante institutionelle Bindung zeigt die Kapelle der Saigerhütte bei Hohenkirchen.609 Die zusätzlichen Kapellen – besonders solche in der Dorfflur – trugen erheblich zur Sakralisierung des Lebensraumes bei. Sie konnten Stationen der Flurumgänge sein. Wenn eine bestimmte Messe in einer Kapelle abgehalten wurde, nahm wohl der Zug der Dorfbewohner in die Flur den Charakter einer Prozession an. In einigen Fällen lassen sich die Kapellen vor den Orten auch mit einer Wallfahrt in Verbindung setzen, so etwa in Wersdorf und Mühlberg.610
604 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 278, fol. 1r–1v. 605 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 7r; EINICKE, Reformationsgeschichte I, S. 67. 606 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 351r. 607 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 198v. 608 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 272v. 609 BÜNZ, Klerus, II/1, S. 376. 610 Vgl. Kap. I.4.10 dieser Arbeit.
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4.5. Spendenstiftungen Für die Versorgung der Armen auf dem Land hatten natürlich die Spenden an den Klöstern eine große Bedeutung.611 Gleiches gilt für die Spenden in den Städten und an den Höfen, die mitunter enorme Massenaufläufe zur Folge hatten.612 Ferner gab es aber auch in vielen Dörfern organisierte Spenden. Seit 1497 war durch die Reichsgesetzgebung festgelegt, dass die Gemeinden die Armenversorgung übernehmen sollten.613 Wie bei den liturgischen Stiftungen lassen sich einige der Spendenstiftungen ihren adligen oder gemeindlichen Urhebern bzw. Trägern zuordnen. Im Erfurter Pfarrlehenbuch von 1524 werden in Großvargula und Udestedt Spendemeister genannt.614 Ein Spendemeister war ein eingesetzter Verwalter, der sich treuhänderisch um das Einsammeln der Almosen und ihre Verteilung an Bedürftige kümmerte. Mehr ist über die Verwaltung und vor allem die Urheber dieser Spenden leider nicht zu sagen. Wofür die Gelder aufgewendet wurden, könnte nur spekuliert werden. Aufgrund von Vergleichsbeispielen kann man aber von Nahrungsmittelspenden – beispielsweise Brot, Kuchen oder Fisch – zu einem bestimmten Tag ausgehen. Selbst eine gänzlich andere Verwendung als für Bedürftige ist aber denkbar. Im Falle Udestedts kann zumindest vermutet werden, dass die Spende auf einer gemeindlichen Initiative beruhte. In diesem sehr großen Dorf gab es keinen Adel und keine kirchliche Institution; die Gemeinde stiftete aber ebenfalls eine Vikarie, woran die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinschaft zu erkennen sind. In Großvargula als größerem Amtsort ist auch eine Urheberschaft des Erfurter Rates oder des Amtspersonals denkbar. Ein Spendemeister lässt sich auch für die Spendenstiftung in Gorsleben nachweisen, die ein relativ großes Stiftungsvolumen von 134 alten Schock Groschen umfasste.615 Einen eindeutigen Hinweis auf den Ursprung einer Spende erfährt man nur aus Molschleben: 1499 stifteten verschiedene Einwohner Geld und Land, das den Alterleuten zur Einrichtung eines Begängnisses überreicht wurde. Während der Seelmessen am Mittwoch nach Peter und Paul sollten die Alterleute
611 Ein Beispiel bietet eine Spendenaktion am Kloster Döllstädt, die auf eine Stiftung der Herren von Salza von 1380 und eine Zustiftung von 1407 zurückgeht; BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 3, S. 25. 612 Dazu zukünftig MANDRY, Armenfürsorge. Ein thüringisches Beispiel für eine Spende an einem Hof (Weimar 1505) bietet LANG, Armenspeisung. 613 TROSSBACH/ZIMMERMANN, Geschichte, S. 134. Dabei kam es erst durch die Reformation zu grundsätzlicheren Regelungen; vgl. die Kap. III.4 und III.12 dieser Arbeit. 614 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 10r, 93v. 615 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 250v–251v.
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Korn an Arme reichen.616 Bei einer zweiten Spende wurde in Molschleben Kuchen ausgegeben.617 Dass oftmals Seelmessen den Hintergrund für verschiedene Spenden bilden konnten, zeigt auch das Beispiel Friemar. Hier stattete ein Einwohner eine Spende im Rahmen eines Seelgeräts mit einem Grundzins aus.618 Ein weiterer Einwohner erweiterte diese durch sein Testament.619 Eine zweite Spende in Friemar ging auf die Stiftung einer Witwe zurück, die Weizen, Korn (woraus die Alterleute Brot backen sollten) und Kuchen für die beteiligten Geistlichen und die Alterleute umfasste.620 Schließlich gab es eine dritte Spende, die wohl Geld von einem Grundzins ausreichte.621 Im Mainzer Küchendorf Melchendorf wurden ebenfalls bei drei Jahrtagsstiftungen Almosen an arme Leute gereicht.622 Dass weitere institutionalisierte Spenden als eigene Stiftungen geführt wurden, kann aus den Erwähnungen der Visitationsprotokolle gefolgert werden, wo diese gesondert aufgeführt wurden. Dies betrifft Bilzingsleben, 623 Erffa, 624 Großengottern (Walpurgiskirche), 625 Kannawurf, 626 Kirchheilingen (Wigbertikirche), 627 Kleinromstedt, 628 Mülverstedt, 629 Olbersleben, 630 Sachsenburg, 631 Sonneborn 632 und Wangenheim. 633 Aus dieser Aufzählung wird bereits eine Konzentration im Thüringer Becken und dem Amt Gotha deutlich. Jedoch lassen die Visitationsprotokolle einmal mehr keinen Anspruch auf Vollständigkeit zu.634 Spenden, die eindeutig von der Kirchenfabrik gehalten wurden, finden sich lediglich in einigen ernestinischen Dörfern. In Großkromsdorf bei Weimar, in 616 BRÜCKNER, Schulenstaat, 3, 8, S. 65 f. Es wurden vier Gothaer Malter Korn gereicht. Zur Abhaltung der Seelmesse erhielt der Pfarrer sechs Groschen und ein Brot, der Kirchner drei Groschen und ein Brot; vgl. oben Kap. I.4.1. 617 Finanziert wurde diese durch eine Seelmessstiftung von 1515, die 60 Schock Groschen umfasste; BRÜCKNER, Schulenstaat, 3, 8, S. 67; vgl. GEBHARDT, Molschleben, S. 14 ff. 618 BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 2, S. 29. 619 Ebd., S. 33. 620 Ebd. 621 Ebd., S. 34. 622 KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 113. 623 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 266v. 624 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 341r. 625 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 60r. 626 Ebd., fol. 261v. 627 Ebd., fol. 77r. 628 Ebd., fol. 423r. 629 Ebd., fol. 156v. 630 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 42v. 631 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 258v. 632 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 180r. 633 Ebd., fol. 319r. 634 Zu dieser Problematik vgl. unten Kap. I.4.11.
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Friemar und in Illeben reichten die Alterleute Korn an Bedürftige.635 In Teichröda gab es Kleiderspenden von der Kirchenfabrik.636 In Wahlwinkel stiftete die Gemeinde 1521 eine Spende, die zu Weihnachten und am Gründonnerstag abgehalten werden sollte. 637 Ein Pfarrer, der eine Spende reicht, ist nur im schwarzburgischen Witzleben nachzuweisen.638 In Herbsleben war eine Spende an das Kapellengut der Marienkapelle im Oberdorf gebunden, wobei es keine Informationen über den eigentlichen Träger gibt.639 Neben Seelmessen können also auch die Kirchenfabriken selbst als Träger der dörflichen Armenfürsorge ausgemacht werden.640 Worüber verfügten die Spenden? Die dörflichen Almosen dürfen nicht mit den oft sehr großen Spendenaktionen in den Städten gleichgesetzt werden.641 Es waren den Einkommen der Stiftungen zufolge meist sehr kleine Aktionen, die wohl kaum Menschen von außerhalb versorgen konnten. In der Regel umfassten die Spenden geringe Mengen Korns, Roggens, Weizens oder Gerste. In Gorsleben (sechs Gulden) und Kannawurf (drei neue Schock Groschen) gehörten auch geringe Geldbeträge dazu. In zwei Fällen verfügte die Spende über ein Stück Land.642 Eine Besonderheit stellt die Moln in Bilzingsleben dar.643 Eventuell ist damit aber nicht der Besitz der Mühle an sich, sondern das Recht des Mahlens des Spendegetreides gemeint. In Behringen am Hainich gab es ein Armen leuth bath, über das aber keine weiteren Aussagen möglich sind.644 Seelbadstiftungen gab es auch in Molschleben, Beutnitz645, Gebesee646 und Großmonra.647 Neben einem Badeknecht, der das Wasser goss, wurde in Groß635 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 103v; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 205r; ebd., fol. 272r. 636 FLEISCHER, Rudolstadt, S. 175. 637 BRÜCKNER, Schulenstaat, 1, 4, S. 48. 638 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 25r. 639 BRÜCKNER, Schulenstaat, 3, 9, S. 47. 640 BÜNZ, Memoria, S. 282, stellte fest, dass es keinen „selbstverständlichen Zusammenhang zwischen Memoria und Armenfürsorge“ im spätmittelalterlichen Dorf gab. Selbstverständlich war dieser Zusammenhang sicher nicht, aber dennoch verbreitet. Die Beispiele Molschleben und Friemar zeigen, dass es auch in einem Dorf mehrere Spenden geben konnte, die aus Seelmessen hervorgingen. 641 Dazu zukünftig MANDRY, Armenfürsorge. 642 Eine Hufe in Kirchheilingen und ein Viertel Land in Bilzingsleben, LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 77r, 266v. 643 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 266v. 644 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 330r. 645 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2277, fol. 2v. 646 Das Gebeseer Seelbad lässt sich z. B. über einen Flurnamen an der Unstrut nordwestlich des Dorfes nachweisen. Es soll 1234 mit einer Spendenstiftung durch Landgraf Konrad eingerichtet worden sein; BOHLEN, Gebesee, S. 6 f.
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monra auch ein Kalb, Dörrfleisch und Käse abgerechnet. Mit dem Seelbad waren also auch Nahrungsspenden verbunden. In Beutnitz gehörten zur Stiftung der Badestube Grundbesitz und verschiedene Zinsen, die der Finanzierung dienten. Auch hier gab es neben einem Bader Ausgaben für Lebensmittel, die zur Spende gereicht wurden.648 Das Molschlebener Seelbad wurde 1514 mit dem Testament des Gothaer Bürgers Hartung Osterhilt, der gebürtig aus Molschleben stammte, eingerichtet. An seinem Todestag sollte der dortige Bader – die Badestube war also bereits länger als Institution bekannt – das Seelbad veranstalten; dazu wurde Kuchen gereicht. Das Seelbad und die Almosen sollten am Sonntag davor von den Pfarrern von Molschleben, Friemar, Bufleben und Eschenbergen verkündet werden. 649 Die Spenden waren also nicht auf die Molschlebener beschränkt, waren aber auch nicht für Arme aus größerer Entfernung gedacht. Eine Besonderheit, nicht zuletzt geographisch, stellt eine Seelbadstiftung in Weisbach im Thüringer Schiefergebirge dar. Gestiftet wurde sie zu unbekannter Zeit von der adligen Elisabeth Passeck, geborener Schenkin von Siemau.650 Zu den Einkünften der Spende gehörten viele verschiedene Zinsposten. Damit wurden Eier, Korn, Salz, Fisch und Bier finanziert und an Bedürftige ausgegeben. Weiterhin wurden Präsenzgelder an Geistliche gezahlt und verschiedene Bader erhielten Lohn für ihre Tätigkeit. Selbst wenn bei dieser Spende eine adlige Stifterin nachweisbar ist, war die Gemeinde doch maßgeblich an der Umsetzung der Stiftung beteiligt und hatte wohl zu ihrer Finanzierung beigetragen, schließlich führten die vier von der gemeine die Rechnung des Seelbades.651 Prinzipiell dürfte die Verteilung der Almosen nach sehr strengen Richtlinien und wohl nur an arme Mitglieder der eigenen Gemeinde erfolgt sein. Dass es dabei Abweichungen gegeben haben muss, zeigt das Beispiel einer Spende an der Kirchheilinger Wigbertikirche. Hier wurde in der ersten Visitation festgehalten, dass die Almosen fortan nur noch hausarmen Leuten aus dem Ort und nicht mehr wie bisher fremden Bettlern zukommen sollen.652 Man erkennt an diesen verschiedenen Beispielen, dass es in der ländlichen Gesellschaft dieselben Diskussionen um eigene und fremde Arme gab wie in den Städten. Die dörflichen Spendenaktionen müssen demnach ebenfalls Ziel von umherziehenden Bettlern gewesen sein. Ungereimtheiten bei der Ausgabe der Spenden sind auch aus 647 BAE, Marienstift, VII, e4-4, Vol. 1, fol. 15r, 65r. 648 Noch 1524 fanden umfangreichere Bauarbeiten an der Badestube statt, bei denen u. a. der Ofen repariert werden musste; FÖRTSCH, Seelenbad, passim. 649 BRÜCKNER, Schulenstaat, 3, 8, S. 67–70. 650 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2526, fol. 2r. 651 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2526, fol. 7r. Weiterhin übermittelten die Vorsteher der Weisbacher Fronleichnamsbruderschaft ihre Überschüsse an die Seelbadstiftung, vgl. Kap. I.4.7 dieser Arbeit. 652 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 78v.
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Mülverstedt bekannt. Hier vermerkten die Visitatoren 1539 Folgendes: Disse Spende ist bißher sehr unordentlich ausgeteylt worden, Ist der wegen bevholn das solche Spende allein den armen unnd durftigen sol geben, unnd von denen hopfgarten darauf mit vleiß gesehen werd.653 Wie in diesem Fall lässt sich der Einfluss reicherer Adelsfamilien auf Spendenaktionen in dieser Region auch an den von Wangenheim und den von Erffa zeigen. Die von Wangenheim unterhielten in zweien ihrer Dörfer eine Spende. In Sonneborn umfasste sie sechs Erfurter Malter Korn. Allerdings wurde aus der Spende auch teilweise die Unterhaltung des Sonneborner Schulmeisters bestritten.654 Erneut wurde die Spende nicht nur für Hausarme des Ortes verwendet. Ebenfalls eine Abgabe an die Sonneborner Schule leistete die Spende im benachbarten Wangenheim. Diese lässt sich seit 1428 nachweisen. 655 Nach der Formulierung des Visitationsprotokolls von 1533 war es eine Stiftung der Familie von Wangenheim aus der Ausstattung ihrer Rittergüter. Sie umfasste vier Hufen Land, deren Ertrag in Form von Korn, 14 Schock Groschen und Tüchern an arme Leute gereicht wurde.656 Weiterhin wurde Korn an die Schützen der Gemeinde gegeben.657 Deutlicher wird die Organisation einer adligen Spendenstiftung noch an dem Fall Erffa (dem heutigen Friedrichswerth). Die Herren von Erffa hatten diese mit Bewilligung des Landesherrn zu einem unbekannten Zeitpunkt gestiftet;658 auch sie umfasste verschiedene Posten Korn und Geld. Davon wurden armen leuthenn an den beiden ersten Weihfastenterminen des Jahres im Frühling und Sommer Speck und Brot gereicht. Zu den beiden Weihfasten im Herbst und Winter erhielt wer do kommen ist Hering und Brot. Aufgrund der Formulierungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Arme aus anderen Orten eine Spende erhielten. Der Pfarrer bekam ebenfalls Brot, Hering und Speck, darüber hinaus aber auch zwölf Groschen Präsenzgeld. Zu der Spende gehörte also auch eine Messe, an der wohl alle, die etwas empfangen hatten, teilnahmen. Ein Vikar und der Kirchner erhielten auch geringe Präsenzzahlungen. Nur über die Präsenzgelder für einen 653 Ebd., fol. 157r. 654 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 180r, 320v–321v. Vgl. oben Kap. I.3.7. 655 WANGENHEIM, Wangenheim, S. 148. Bereits bei der Ersterwähnung 1428 muss die Spendenstiftung aber eine Zeit bestanden haben und einen relativ großen Umfang gehabt haben, da die Spendemeister in diesem Jahr mit Zustimmung aller Wangenheim 90 Gulden verzinsen konnten. Dies ist ein Nachweis, dass auch die Spenden, wie alle umfangreicheren Stiftungen, als Kreditinstitutionen fungieren konnten; REGESTEN WANGENHEIM I, Nr. 175, S. 194–196. 656 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 319r. 657 Zur Verbindung von Herrschaft zu den Schützen der Gemeinde und den Sebastiansbruderschaften, etwa der in Wangenheim, vgl. Kap. I.4.7 dieser Arbeit. 658 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 341r–341v.
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Vikar im Ort kann eine Spende der Familie von Hausen in Großballhausen erschlossen werden.659 Wie in Erffa dürfte die Reichung der Almosen überall zu festen Feiertagen erfolgt sein. Dies war auch in den Städten üblich, erhöhte die Abkömmlichkeit armer Hilfskräfte, und die Termine waren über mehrere Jahre bekannt. Weiterhin wurde im Rahmen der Messe um die Hilfe des Tagesheiligen gebeten.660 Ort der Verteilung dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den Dörfern der Kirchhof gewesen sein.661
4.6. Hospitäler Über die Hospitäler im ländlichen Raum ist kaum mehr bekannt als über die Spenden. In der Forschung fanden sie keinen Niederschlag. Wiederum lassen sich die Beispiele den Akteuren Adel und Bauern zuordnen.662 Ein städtischer Einfluss zeigt sich nur an wenigen Beispielen. Bei Erfurt lag ein Leprosorium in Ilversgehofen, das 1392 von einem Bürger der Stadt gegründet wurde. 663 Weiterhin gab es ein Georgs-Hospital im heutigen Ortsteil Büßleben. 664 Dieses empfing einige Spenden und Stiftungen aus der Stadt. Wahrscheinlich war das Büßlebener Spital aber eine gemeinsame Stiftung von 19 Gemeinden aus der Umgebung.665 Die Stiftung trug für die Bewohner die Kosten für Nahrung, Heizung, medizinische Behandlung und ein Begräbnis. In
659 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 197v. 660 In Kleinromstedt fand die, allerdings gering ausgestattete Spende am Annentag statt; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 423r. 661 Vgl. zu den Städten REITEMEIER, Kirchhöfe, S. 135. 662 Vgl. die nachweisbaren Einrichtungen in der Tabelle Nr. 3 im Anhang dieser Arbeit. Zu den Hospitälern in den Städten Thüringens zukünftig MANDRY, Armenfürsorge; Hinweise auf dörfliche Hospitäler im Bistum Merseburg bei COTTIN, Merseburg, S. 341 mit der Feststellung, dass die meisten dieser Stiftungen in Dörfern an Hauptstraßen im Leipziger Umland lagen. 663 BÜNZ, Klerus, II/1, S. 96. In der Wüstung Aemilienhausen bei Mühlhausen befand sich ein Siechenhof, der in enger Beziehung zur Stadt stand. Zu dieser Definition und der herausragenden Bedeutung dieser Einrichtung vgl. zukünftig MANDRY, Armenfürsorge. 664 Das Hospital liegt an der Gemarkungsgrenze zwischen Büßleben und Linderbach in der Büßlebener Flur, wird jedoch meist nach Linderbach genannt. Dies auch bereits zeitgenössisch, etwa 1485 in StAE, 0-0/C, Linderbach, Nr. 3. Dort wird es weiterhin als Siechhof bezeichnet, was zeigt, dass die Begrifflichkeiten keineswegs eindeutig verwendet wurden. In einer Stiftungsurkunde von 1485 wird das Hospital als Frauensiechenhaus zu Linderbach bezeichnet; BAE, Marienstift, Urkunden I, 1246 f. 665 BLAHA/BLAHA, Hochstedt, S. 74.
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Büßleben standen in der Neuzeit acht Pfründnerplätze zur Verfügung. 666 Im Hospital in Großmölsen gab es 1583 20 Betten.667 In Sonneborn bestanden im 16. Jahrhundert sieben Zellen und eine Badestube.668 In diesen Größenordnungen dürften sich die meisten ländlichen Hospitäler bewegt haben. Ob die Aufnahme in Seuchenzeiten erweitert werden konnte, ist nicht bekannt. Hospitäler und Siechenhöfe, die eindeutig unter gemeindlicher Verwaltung standen, sind rar. Eine Besonderheit stellt der Sondersiechenhoff in Dorndorf bei Dornburg dar. Er stand unter Verwaltung der dortigen Kirchenfabrik, die auch die Baulast des Siechenhofes trug. Eyn iglicher, der in den Hof ziehen wollte, zahlte an die Alterleute drei Schock Groschen. Mit diesem Geld wurde die behausung erbawet und Im pewlichn wesen erhalten. 669 Über die weiteren Hospitäler und Siechenhöfe, die eventuell unter gemeindlicher Verwaltung standen, ist nichts bekannt. Wegen der Machtverhältnisse vor Ort kann vermutet werden, dass das Herbslebener Hospital und der dortige Siechenhof gemeindliche Einrichtungen waren.670 Das aus Dorndorf bekannte Prinzip, dass bei Eintritt das Hospital oder den Siechenhof ein fester Betrag entrichtet werden musste, der der Ausstattung der Institution diente, kann aber wohl auf alle derartigen Stiftungen angewendet werden. Darüber hinaus waren die Spitäler im ländlichen Raum meist recht gering ausgestattet. In Günstedt verfügte das Hospital über ein jährliches Einkommen von sieben Schock Groschen aus wiederkäuflichen Zinsen und je zwei Malter Korn und Gerste. 671 Die Herbslebener Hospitalstiftung besaß immerhin ein jährliches Einkommen von 13 Schock Groschen, sechs Malter Korn und drei Malter Gerste, das dortige Siechenhaus dafür nur drei Acker Weiden.672 Selbstverständlich profitierten die Hospitäler auch von einzelnen Stiftungen. In Molschleben erhielt das Siechenhaus vor dem Ort etwa Holz aus einer Seelgerätsstiftung eines Gothaer Bürgers, der aus dem Dorf stammte.673 Der Einfluss einer Adelsfamilie auf ein Hospital zeigt sich deutlich am Beispiel Großengottern. Das Hospital war ursprünglich eine Stiftung der Familie von
666 Neben der Stiftungssumme wurde in den beteiligten Gemeinden für das Hospital gesammelt. Unter verschiedenen Zuständigkeiten bestand das Hospital bis 1947; BLAHA/BLAHA, Hochstedt, S. 75. 667 STÖRZNER, Großmölsen, S. 16. 668 BRÜCKNER, Schulenstaat, 1, 3, S. 34. 669 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 413r; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 215v. 670 Im Herbslebener Gemeindearchiv hat sich ein Quellencorpus zu den beiden Institutionen aus dem 16. Jahrhundert erhalten. 671 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 212r. 672 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 167r. 673 BRÜCKNER, Schulenstaat, 3, 8, S. 69.
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Gottfart.674 Im 15. Jahrhundert stand es augenscheinlich unter der Verwaltung der in dieser Gegend reich begüterten Familie von Hopfgarten, die die dazugehörige Kapelle 1484 dem Wilhelmitenkloster Mülverstedt schenkte und inkorporierte. 675 Ein ähnlicher Vorgang ist für den Siechenhof im benachbarten Altengottern wahrscheinlich, dessen Kapelle von einem Mülverstedter Mönch mit Predigten und dem Reichen der Sakramente versorgt wurde.676 Das Hospital vor Haina wurde wahrscheinlich zu Beginn des 16. Jahrhunderts von einer Witwe von Wangenheim gestiftet.677 In weiteren Fällen kann eine adlige Stiftung und Unterhaltung vermutet werden, da sich Hospitäler in wichtigen Dörfern reicherer Adelsfamilien finden. Dies betrifft vor allem die Einrichtungen in Sonneborn und Neunheilingen, über die jedoch kaum Details bekannt sind.678 Hospitäler unter starkem Einfluss einer geistlichen Institution sind in Bergsulza und Oberweimar wahrscheinlich.679 Neben der Ausstattung des Hospitals und seiner baulichen Unterhaltung spielte die geistliche Versorgung eine wichtige Rolle. In den meisten Hospitälern und Leprosorien bestanden gesonderte Kapellen. Wie im Falle der Siechenhöfe in Großen- und Altengottern wurden diese von einem externen Geistlichen versorgt. In Oberweimar war für die Seelsorge des dortigen Siechenhofes ein Kaplan des örtlichen Klosters verantwortlich.680 In Günstedt scheint zur Marienkapelle im Hospital ein eigenes Benefizium gehört zu haben, da sie im Subsidienregister 1506 genannt wird.681 674 675 676 677 678
LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 60v. BÜNZ, Klerus, II/1, S. 319. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 150r. BRÜCKNER, Schulenstaat, 3, 2, S. 48 f. Das Sonneborner Hospital wurde wohl 1359 gestiftet und mit einer Sammelindulgenz aus Avignon versehen. Zu diesem Ablass kamen anscheinend viele Auswärtige, da es Krambuden gegeben haben soll. Der Sonneborner Pfarrer hielt am Lorenz- und am Cyriaxtag jeweils Messe im Hospital; BRÜCKNER, Schulenstaat, 1, 3, S. 32; GEBHARDT, Kirchengeschichte I, S. 360. 679 Zu den Nachweisen vgl. die Tabelle Nr. 3 im Anhang dieser Arbeit. Das Hospital in Großmölsen wurde wohl vom Erfurter Augustinerkloster betreut, vgl. STÖRZNER, Großmölsen, S. 16. Allgemein sind die Hospitäler an den Klöstern für die Versorgung der ländlichen Bevölkerung als sehr wichtig einzuschätzen; HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 265 f. Diese werden an dieser Stelle jedoch nicht thematisiert. 680 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 91r f. 681 SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 330. Allerdings ist auch eine Stiftung von 1408 nachgewiesen, nach der ein Priester der Deutschordenskommende Griefstedt täglich eine Messe in der Hospitalkapelle halten musste; OTTE/SOMMER, Weißensee, S. 25. Mit dem Besuch der Kapelle war ein Ablass verbunden, der angeblich starken Zulauf erhielt. Der Günstedter Ablassmarkt wurde noch Ende des 19. Jahrhunderts vier Wochen nach Ostern gefeiert (ebd.) und findet heute zum selben Termin unter anderem Namen statt.
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Die dörflichen Hospitäler und Leprosorien haben entweder am Dorfrand oder in der Dorfflur gelegen. Besonders bei den Siechenhöfen wurde darauf geachtet, dass sie sich nicht in Nähe der Siedlung befanden, um die Ansteckungsgefahr zu senken.682 Hospitäler konnten sich jedoch auch am Ortsrand befinden, wie es heute noch in Großengottern sichtbar ist. Das Hospital in Großmölsen befand sich am Dorftor.683 Die Lage einiger Hospitäler lässt sich noch über ältere Karten erschließen. Das Hospital in Günstedt lag südlich des Dorfes an einem Arm des Flusses Helbe.684 Der Platz des Dorndorfer Hospitals kann über den Straßennamen „Unter dem Hospitale“, der auf einen Flurnamen nordöstlich vor dem Dorf zurückgeht, erschlossen werden. Auf die Lage des Kleinbrembacher Leprosoriums dürfte der Flurname „Siechgrund“ hinweisen, der sich in der äußersten Ecke der Gemarkung auf halbem Wege nach Krautheim befindet.685 An den beiden baulich noch bestehenden Einrichtungen in Linderbach/ Büßleben und Großengottern kann der Aufbau eines Hospitals bzw. eines Leprosoriums nachvollzogen werden. In Großengottern ist die Anlage gar in ihrer Gesamtheit zu erleben. In erster Linie gehört zu ihr die Kapelle St. Andreas (Abb. 9); die Seelsorge war die Grundlage der Versorgung in den Hospitälern und wichtiger als die Pflege. Das eigentliche Hospitalgebäude, ein eingeschossiger Fachwerkbau, verfügt neben einem größeren Raum und einer Küche über neun kleine Stuben.686 Daher kann angenommen werden, dass es auch in Großengottern die Möglichkeit gab, sich im Alter als Pfründner einzukaufen, wie es für das Dorndorfer Hospital belegt ist. Zusätzlich haben sich verschiedene Nebengebäude auf dem Grundstück erhalten, etwa ein Abort und ein Stall (Abb. 10).687
682 Es sei an das Beispiel Büßleben erinnert, wo sich das Siechenhaus an der Gemarkungsgrenze zu Linderbach befindet, weshalb es in einigen Fällen als Linderbacher Hospital bezeichnet wird, vgl. oben in diesem Kapitel. 683 STÖRZNER, Großmölsen, S. 16. 684 Urmesstischblatt Nr. 4732, Kindelbrück (1877); www.kleks-online.de/editor (letzter Zugriff: 15.6.2015). Wie das Büßlebener Hospital war auch das in Günstedt bis ins 20. Jahrhundert in Betrieb. 685 Preußische Landesaufnahme, Nr. 4833, Cölleda 1903; www.kleks-online.de/editor (letzter Zugriff: 15.6.2015). 686 Eine bauhistorische Untersuchung steht aus. Das Hauptgebäude des Hospitals stammt wohl aus dem 18. Jahrhundert, dürfte in seiner Anlage aber auf einen spätmittelalterlichen Bau zurückgehen. Die Nebengebäude wurden vermutlich im 19. Jahrhundert gebaut, freundliche Auskunft von Thomas Nitz, Erfurt. 687 Vgl. auch ROSSNER, Großengottern.
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Abb. 9: Hospitalkapelle Großengottern, Unstrut-Hainich-Kreis
Abb. 10: Straßenseitige Ansicht des Hospitalgeländes in Großengottern mit drei erhaltenen Gebäuden
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4.7. Laienbruderschaften und Kalande Im Laufe des 15. Jahrhunderts bildeten sich in allen Regionen Laienbruderschaften.688 Diese unterschieden sich von den bereits seit dem Hochmittelalter bestehenden Elenden- und Klosterbruderschaften, die vorrangig karitative Zwecke hatten oder dem Unterhalt eines Klosters dienten.689 Handwerksbruderschaften gab es ebenfalls deutlich eher. Sie blieben aber meist Zusammenschlüsse der jeweiligen Handwerker in Nähe zu ihrer Zunft.690 Wie diese hatten die Laienbruderschaften einen großen sozialen Faktor: gemeinsame Messen, gemeinsames Essen und gewisse Regeln des Zusammenlebens.691 Eine Unterscheidung ist in einigen Einzelfällen schwierig. Anders als in den Zünften waren die Regeln eher moralische Richtwerte, es gab keinen harten Strafenkatalog und die gemeinsame Frömmigkeit stand immer im Vordergrund. Die Laienbruderschaften des 15. Jahrhunderts blieben – theoretisch – ohne Berufs- oder Standesgrenzen. Sie waren Ausdruck der Frömmigkeit der Bevölkerung, ermöglichten allen Mitgliedern einen Zugang zu liturgischen Ämtern und bildeten sich ohne kirchlichen Einfluss. Meist werden diese Bruderschaften als städtisches Phänomen dargestellt.692 Die Bruderschaften auf dem Land wurden von der Forschung bisher weitgehend ignoriert.693 Neben der reinen Untersuchung der ländlichen Fraternitäten muss dabei eine zu den Städten abgetrennte Bewertung erfolgen. Eines der Haupt688 Zur Forschungsgeschichte: PRIETZEL, Kalande, S. 21 f.; REMLING, Bruderschaften, S. 39‒42; REMLING, Forschungsgegenstand, S. 101‒107; STUPPERICH, Bruderschaften. 689 MOELLER, Elendenbrüderschaften. 690 Der Forschungsbegriff ‚Bruderschaft‘ bezeichnet weniger die Gilden, coniurationes usw., sondern vorrangig religiöse Gemeinschaften; REMLING, Forschungsgegenstand, S. 49 f. PRIETZEL, Klerikerbruderschaften, S. 92, führt für die Klerikerbruderschaften ein generell höheres Alter an. 691 Betonung der Funktion des gemeinsamen Mahles etc. bei RAHN, Bruderschaften, S. 107‒ 110. 692 HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 274, kam zu dem Schluss, dass das Phänomen der Bruderschaften aus den Städten nur auf den Landadel übergriff. Von den Städten des mitteldeutschen Raums wurde Altenburg bisher am besten erforscht; MEISTER, Altenburg. Grundlegend für die Vielfalt innerhalb einer Region: REMLING, Bruderschaften, passim. 693 Zu ländlichen Bruderschaften im Elsass und dem zeitlichen Verlauf ihrer Entstehung vgl. CONRAD, Elsass, S. 22 f.; einige Nachweise zum Bistum Merseburg bei COTTIN, Merseburg, S. 332 f. FUHRMANN, Kirche, S. 428, stellt die Möglichkeit in den Raum, dass die Bruderschaften den Status von „Schattengemeinden“ annehmen konnten. Aus dem thüringischen Raum finden sich dafür keine Nachweise. Für Bruderschaften in englischen Städten und Dörfern vgl. KÜMIN, Parish, S. 149–159, der auf verschiedene Ähnlichkeiten in der Struktur zwischen der Pfarrei und der Bruderschaft aufmerksam macht.
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motive der städtischen Bruderschaften, die Elitenbildung, kann in den Dörfern nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Auch andere Motive und Prinzipien können nicht eins zu eins auf die Dörfer übertragen werden. Welche Gründe führten also zur Gründung einer Bruderschaft in einem Dorf? Hier herrscht ein enormes Quellenproblem. Akten der Bruderschaften, wie sie in den Städten mitunter existieren, können nicht herangezogen werden. Es fehlen Mitgliedslisten, Totenbücher, Rechnungen und Statuten.694 Daher soll für diese Bestandsaufnahme abermals auf die Visitationsprotokolle und ihre spärlichen Hinweise sowie wenige Urkunden und andere Nachweise zurückgegriffen werden. Daraus werden in einigen Fällen Hinweise auf die Organisation und institutionelle Verbindungen deutlich. Gleiches trifft auf die Kalande zu, die in einem zweiten Schritt betrachtet werden sollen. Die Laienbruderschaften waren einem oder mehreren Heiligen oder dem heiligen war lichnam geweiht. Dabei lassen sich in der Vorreformationszeit, in der die meisten Bruderschaften erst entstanden, deutliche Modeerscheinungen zeigen. Fronleichnams-, Annen- und Sebastiansbruderschaften stellten jeweils bis zu einem Viertel aller Gemeinschaften.695 Hinsichtlich der Patrozinien lassen sich auch auf dem thüringischen Land deutliche Präferenzen erkennen. Von 34 nachweisbaren Bruderschaften in den Dörfern des Untersuchungsgebietes waren 17 dem hl. Sebastian, fünf der hl. Anna, drei der hl. Maria, drei dem Corpus Christi, jeweils eine dem hl. Jakobus und dem hl. Martin geweiht. 696 Bei vier Bruderschaften ist das Patrozinium nicht bekannt. Diese deutliche Mehrheit der Sebastiansbruderschaften lässt sich zweifach erklären: Erstens gehörte das Sebastianspatrozinium zu den oben genannten Modeerscheinungen der Vorreformationszeit; Sebastian sollte vor der Pest schützen. 697 Zweitens war er der Schutzheilige der Schützen. Die Sebastians-
694 Somit ist auch über die Dichte der Organisation der dörflichen Bruderschaften kaum etwas bekannt. Üblich waren in Städten neben den Messen ein bis vier Bruderschaftstage pro Jahr; RAHN, Bruderschaften, S. 103. Für die meisten ländlichen Bruderschaften kann wohl von einer wöchentlichen Messe mit einer gewissen Anwesenheitspflicht ausgegangen werden. 695 REMLING, Bruderschaften, S. 214, zeigte für den fränkischen und südthüringischen Raum des Bistums Würzburg anteilige Werte. Danach waren von allen Bruderschaften in diesem Gebiet 15 % Annenbruderschaften, 18 % Fronleichnamsbruderschaften und 27 % Sebastiansbruderschaften. Es spricht nichts dagegen, diese Zahlen zumindest grob auch für andere Gebiete zugrunde zu legen. Die Annenbruderschaften entstanden meist erst in den Jahren zwischen 1495 und 1515; DÖRFLER-DIERKEN, Bruderschaften, S. 20; zu den Annenbruderschaften außerdem: DÖRFLER-DIERKEN, Anna, S. 75‒119. 696 Vgl. die Tabelle Nr. 2 im Anhang dieser Arbeit. 697 Es muss betont werden, dass die Bruderschaften keineswegs die einzigen Träger der Sebastiansverehrung waren. Beispielhaft die dem hl. Sebastian geweihten Messen und
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bruderschaften dürften oft den Charakter von Schützenvereinigungen gehabt und der organisierten Verteidigung des Dorfes gedient haben. Diese Wahrscheinlichkeit lässt sich an der Mühlberger Sebastiansbruderschaft zeigen. 698 Der Flecken Mühlberg war einer der Amtsorte des Erfurter Landgebietes. Bei einer äußeren Bedrohung, etwa einem Raubritterüberfall, erging eine Warnung des Stadtrates an den Amtmann, die Wachen tags und nachts zu verstärken und das Dorf zu rüsten, wie es in der Woche vor Pfingsten 1516 geschah.699 Eine Woche darauf schickte der Rat den Büchsenmeister Hans Beringer in das Dorf. Mit ihm sollte die Bewaffnung der Schützen verstärkt werden.700 Man erkennt eine obrigkeitlich kontrollierte und organisierte Vereinigung der Schützen im Ort. Dass diese sich in einer geistlichen Bruderschaft zusammenschließen, wäre folgerichtig. Eine solche Konstruktion einer Sebastiansbruderschaft als Schützenverein in einem lokalen Herrschaftszentrum erschiene dann auch für die Fraternitäten in Gräfentonna als Hauptsitz der Grafen von Gleichen und in Herbsleben als albertinischem Amtsort wahrscheinlich.701 Für Gräfentonna wird dies zur Gewissheit, da die Bruderschaft den Vikar der Marienvikarie im Chor entlohnte, deren Patronatsrecht in Händen der Grafen lag.702 In Wangenheim ist die Sebastiansbruderschaft seit 1467 nachweisbar;703 auch hier ist ein direkter Bezug zum Herrschaftsträger, der Familie von Wangenheim, mehr als wahrscheinlich. Eine Verbindung der Sebastiansbruderschaften zu den Schützen des Dorfes ist durch weitere Sachverhalte nachweisbar. In Wechmar erhielt der Kirchner von der Sebastiansbruderschaft schutzen garben.704 Organisierte Schießgesellen erscheinen
698 699 700 701
702 703
704
Vikarien, die in keinem Zusammenhang zu einer nachweisbaren Sebastiansbruderschaft standen; vgl. die Nachweise in den Tabellen Nr. 1 und Nr. 2 im Anhang dieser Arbeit. StAE, 1-0/A VIII-3a, fol. 5v. Die dortige Bruderschaft unterhielt bereits 1464 einen eigenen Altar, vgl. die Tabelle Nr. 2 im Anhang dieser Arbeit. StAE, 1-1/XXI-1b, 1 libri communium 1516/1517, fol. 13v. Auch Torwächter sind für Mühlberg belegt; ebd., fol. 45r. StAE, 1-1/XXI-1b, 1 libri communium 1516/1517, fol. 14v. Für die Nachweise der dortigen Bruderschaften vgl. die Tabelle Nr. 2 im Anhang dieser Arbeit. Zur Organisation der Herbslebener Sebastiansbruderschaft vgl. das Folgende. Auch in Kapellendorf gab es eine Sebastiansbruderschaft. Der Ort war zunächst Amtsdorf des Erfurter Landgebietes, ging aber 1508 in ernestinischen Besitz über. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 302v. REGESTEN WANGENHEIM I, Nr. 223, S. 244 f. Bei der Ersterwähnung handelt es sich um ein Zinsgeschäft. Die Bezeichnung lautet Sancte Sebastianis messe unde bruderschafft. Die Bruderschaft unterhielt zu dieser Zeit also bereits eine Messstiftung. Weiterhin wird ein einzelner verantwortlicher Vormund der Fraternität genannt. Vgl. WANGENHEIM, Wangenheim, S. 148. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 295v.
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auch in Siebleben bei Gotha,705 ohne dass der Terminus ‚Bruderschaft‘ genannt wird. In Analogie zu Wechmar kann jedoch eine solche vermutet werden, da ebenfalls der Kirchner der Pfarrkirche schutzengarben bekam. 706 In Herbsleben bestand die Sebastiansbruderschaft seit circa 1380.707 Sie hatte 50 bis 85 Mitglieder und hielt sonntags Übungen ab. Aus dem Vermögen der Bruderschaft wurden ein Schützenknecht entlohnt, eine Schießhütte unterhalten, Preise für die Preisschießen sowie die vielen Schmause bezahlt. Zu bestimmten Schießen wurden auch Schützen aus anderen Dörfern und den Städten Salza, Mühlhausen, Thamsbrück und Kindelbrück eingeladen. 708 Für diese wurden besondere Schmause aufgetischt. Bei der Herbslebener Bruderschaft wird auch eine Verbindung zur Herrschaft deutlich. Die Schützen mussten dem Schosser des albertinischen Amtes Geleit geben. Alle Bruderschaften dienten in erster Linie der Organisation gemeinsamer Messen und der gegenseitigen Memoria.709 So stellte sich die Frage, wer hierfür als Geistlicher amtierte. Im Gegensatz zu den Städten gab es nur wenige Fälle, in denen ein gesonderter Altar gestiftet und eine Vikarie für die Bruderschaft eingerichtet wurde. Wie bei den Messstiftungen waren wohl meist der Pfarrer, der Kirchner und die Kirchenfabrik an der liturgischen Umsetzung beteiligt. In vielen Fällen leisteten die Bruderschaften Abgaben an den Kirchner. Neben den genannten Schützengarben zahlte die Wechmarer Sebastiansbruderschaft sechs Schock Groschen an den Küster.710 Pfarrer treten in einigen Fällen als an den 705 LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 4cc, fol. 21r. 706 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 207v. Schützengarben an den Kirchner finden sich auch in anderen Orten, in denen aber weitere Hinweise auf eine Bruderschaft fehlen. So etwa in Illeben: LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 271v. 707 Zum Folgenden: ZEYSS, Herbsleben, S. 71 f. 708 Eine solche Einladung in Form eines Einblattdruckes der Schützen von Großengottern an die Schützen von Gotha zu einem Preisschießen 1544 hat sich erhalten. Wenngleich für Großengottern keine Sebastiansbruderschaft nachgewiesen ist, dürfte auch diese Vereinigung auf mittelalterliche Vorgänger zurückgehen, da deren Vorsitzende als Kleynothsmeyster bezeichnet werden, was die übliche Bezeichnung für die Verwalter der Sebastiansbruderschaften war; Staatsbibliothek Berlin, Einbl. 1544, 1m. 709 Auch die Gebetsbruderschaften der Klöster spielten weiterhin eine wichtige Rolle für die Memoria auf dem Land. 1481 lässt sich Jörg Stange aus Dörnfeld an der Ilm in die Bruderschaft des Klosters Paulinzella aufnehmen. Dafür tätigte er verschiedene Stiftungen im Kloster; UB Paulinzella, Nr. 481, S. 417 f. Diese Stiftungen musste der Abt gegen den Widerstand der Nachkommen durchsetzen. Unter anderem musste er den bereits in Dörnfeld bestatteten Leichnam ausgraben und in das Kloster überführen lassen; ebd., Nr. 504, S. 436‒438. 710 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 295r. Zahlungen an den Kirchner durch eine Bruderschaft lassen sich in weiteren Orten feststellen: in Sundhausen bei Tennstedt erhielt der Kirchner zehn Schneeberger Groschen; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 92v. In
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Messen der Bruderschaft beteiligt hervor. So wurden an der Schönstedter Martinskirche Kirchner und Pfarrer für ihre Dienste bei vier Begängnissen der dortigen Sebastiansbruderschaft entlohnt;711 auch die erwähnte Wechmarer Sebastiansbruderschaft zahlte Präsenzgeld an den Pfarrer. 712 Für eine Seelmesse in Friemar sollten die „Kleinodsmeister“, die Verwalter der Bruderschaft, zehn Groschen für eine Mahlzeit an den beteiligten Pfarrer, den Vikar und den Kirchner zahlen.713 Die Kirchenfabriken erhielten wie bei den Messstiftungen Zahlungen von den Bruderschaften, die wohl für Licht, Kirchenschmuck etc. dienten. In Oberbösa erhielt die Kirchenfabrik von der dortigen Marienbruderschaft jährlich drei Gulden.714 Für die Bruderschaften des späten Mittelalters war es jedoch erstrebenswert, einen eigenen Altar zu unterhalten. Die Kosten, die ein solcher Altar, seine Ausstattung und vor allem der Lohn des Geistlichen verursachten, machten es für viele Gemeinden unmöglich, eine solche Stiftung zu tätigen, wie dies oben bereits beschrieben wurde.715 Umso bemerkenswerter sind zwei Stiftungen eines Bruderschaftsaltares, die sich eindeutig der bäuerlichen Gemeinde zuordnen lassen. In Schwerstedt bei Gebesee haben sich leider keine Stiftungsurkunde und auch kein Geschäftsgut der Bruderschaft erhalten. Ihre Existenz und die Art der Organisation kann nur aus den Hinweisen der Visitationsprotokolle rekonstruiert werden. Im Ort gab es eine Vikarie der hl. Anna, die ex testamentis durch die leut im Dorf gestifft wurde.716 Da sie im Subsidienregister nicht genannt wird, scheint die Stiftung nach 1506 erfolgt zu sein. Sie war ausgestattet mit einer Hufe Landes, zwei Gärten, einer Wiese und sechs Schock und 19 Groschen aus wiederkäuflichen Zinsen. Die Formulierung ex testamentis und die kumulative Ausstattung mit Grundbesitz legen dabei wieder eine gemeinsame Stiftung einiger finanzkräftiger Dorfeinwohner nahe. Parallel wird eine Annenbruderschaft im Ort erwähnt.717 Ein Zusammenhang ist sehr wahrscheinlich; die Vikarie kann als Bruderschafts-
711 712 713 714
715 716 717
Klettstedt wurde der Kirchner für sein Mitwirken an der Sebastiansmesse der Bruderschaft bezahlt; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 143r. In Beutnitz erhielt der Kirchner Geld von der dortigen Annenbruderschaft; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 133v. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 64v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 295r. BRÜCKNER, Schulenstaat, S. 29. Die Kleinodsmeister in Friemar werden erstmals 1483 erwähnt; ebd., S. 34. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 206r. Die Molschlebener Sebastiansbruderschaft zahlte ein Schock und 13 Groschen pro Jahr an das Gotteshaus; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 202r. Vgl. oben Kap. I.4.3. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 201v. Ebd., fol. 201r.
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vikarie der Bauern bezeichnet werden.718 Um das Patronatsrecht gab es zu unbekannter Zeit einen Streit mit dem Vikar Wilhelm von Gebesee. Dieser bot der Dorfgemeinde eine Verbesserung der Vikarie mit 100 Gulden Hauptgeld an, wodurch er die Pfründe erhielt. Er glaubte, mit diesem Vorgang das Patronatsrecht erlangt zu haben, was die Gemeinde bestritt. Außerdem bestand ernsthafter Zweifel, ob die 100 Gulden je gezahlt wurden. Der Streit wurde durch die albertinischen Visitationen von 1539 und 1540 hinfällig.719 Über die Ausgestaltung des Bruderschaftslebens fehlt jede Nachricht.720 Deutlicher wird der Prozess der Entstehung einer Bruderschaft aus der Gemeinde am Beispiel Großmonra. In einer Urkunde vom 21. Februar 1497 bekennen heymburgen des dorffes grossen Monner unnd die gantze gemeynde Jung und alt daselbst, dass sie zur Ehre Gottes und Marias dy Bruderschafft deß heiligen waren lychams unßers herrn Jhesu cristi, in unser pharkirchen angefangen haben. 721 Vorgesehen waren zwei Frühmessen pro Woche, die am Marienaltar gehalten werden sollten: eine Fronleichnamsmesse am Donnerstag und eine Marienmesse am Sonnabend. Dazu hatten sie sechs Schock Groschen jährliche Zinsen von gutern bie uns gelegin gestyfft. Zur Besserung trug die inzwischen verstorbene Elisabeth Tunzenhusen testamentarisch ebenfalls sechs Schock Groschen und ein Viertel einer Holzung bei. Daraus sollte ein geistliches Lehen gestiftet werden. Nach Rücksprache mit dem Pfarrkaplan des Ortes 722 und dem Vikar des Hl.-Kreuz-Altares in der Kirche wurde aber befunden, dass die Zinsen für den Unterhalt eines Geistlichen zu gering seien. Da die bestehende Vikariestiftung ebenfalls recht ärmlich ausgestattet war,723 entschloss man sich, beides zusammenzulegen, um eyne gute bestendige styfftunge zu erreichen. Weiterhin hatte der verstorbene Heinrich Tunzenhusen, Vikar am Erfurter Marienstift, testamentarisch ein Haus und einen Hof mit einem Baumgarten gestiftet, uß guter meynunge das solichs lehnstifftunge dest crefftiger syn sulle. Der Vikar solle nun zwei Frühmessen halten und jedes Jahr in der Woche nach dem Lukastag ein Begängnis für Heinrich Tunzenhusen und alle anderen Stifter 718 Allerdings zahlte die Bruderschaft die geringe Summe von 16 Schneeberger Groschen an den Pfarrer; wahrscheinlich handelte es sich hierbei ebenfalls um Präsenzgelder für ein bestimmtes Fest, an dem der Pfarrer zusätzlich mitwirkte, oder um Rechte des Pfarrers. Weiterhin gab es im Dorf auch Schützenmeister und es wurden Schützengarben an den Kirchner gereicht. Von einer Sebastiansbruderschaft findet sich jedoch keine Spur. 719 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 201v. Zum Umgang mit der Vikarie nach den Visitationen vgl. unten Kap. III.4. 720 Im Ort wurden mehrere Frühmessen gehalten, allerdings ist nicht bekannt, durch welchen Geistlichen. Sie können nur über die Abgabe an den Kirchner erschlossen werden, LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 202r. 721 BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1319. 722 Die Pfarrei Großmonra war dem Stift St. Peter in Mainz inkorporiert. 723 Zu ihr gehörten zwei Hufen Land, 14 ½ Scheffel Korn und vier Schock Groschen. Sie umfasste zwei Frühmessen pro Woche.
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der Vikarie abhalten.724 Dieses bestand aus einer Vigil am Donnerstagabend und zwei Seelmessen am Freitag mit einem anderen Priester. Weiterhin wird betont, dass der Vikar im Dorf wohnen solle. Das Patronatsrecht verblieb bei den Alterleuten, die die Vikarie wie gehabt einem Kind eines Dorfeinwohners leihen sollten. Man erkennt, dass die Vikarie neben der Frömmigkeit der Dorfbewohner auch der Sicherung des Unterhaltes eines Dorfbewohners diente. Ein solcher Versorgungsaspekt ist für den Adel selbstverständlich,725 wird hier aber erneut für die bäuerliche Gemeinde deutlich. 726 So lässt sich Heinrich Tunzenhusen als ehemaliger Vikar nachweisen. Eine Verwandte von ihm vermachte der Bruderschaft einen bedeutenden Anteil für die Stiftung und ein weiterer Verwandter, Lorenz Tunzenhusen, war einer der urkundenden Heimbürgen. Der aktuelle Vikar, Johann Hauer, hatte mit Hans und Nickel Hauer ebenfalls zwei in der Urkunde genannte Verwandte im Dorf. Beide Vikare stammten zweifelsfrei aus Großmonra, sodass es nicht nötig war, wie die Urkunde einräumte, eine redliche Person von außerhalb für die Besetzung der Vikarie zu verpflichten. Die Heimbürgen baten ihre Herren, die Dechanten und Kapitel der beiden großen Erfurter Stifte, die Stiftung zu bewilligen, was auch geschah. In zwei weiteren Fällen kann ein geistliches Lehen direkt mit einer Bruderschaft in Verbindung gesetzt werden. Im Erfurter Amtsdorf Mühlberg ist eine Kommende der dortigen Sebastiansbruderschaft zuzuordnen.727 Zweifelsfrei ist die Zuweisung einer Kommende zur Jakobi- und Walpurgisbruderschaft in der Großengotterner Walpurgiskirche.728 In beiden Fällen lassen sich aber Urheber und Träger der Bruderschaft nicht sicher belegen. Von den ländlichen Laienbruderschaften hat sich kaum zuweisbare Altarausstattung erhalten. 729 Eine
724 Dass auch die beiden vorgesehenen Messen der Bruderschaft gehalten wurden, wird in der Urkunde nicht erwähnt, geht aber aus den Registern des Vikars hervor. Ab 1497 erscheinen eigene Konten Ad missam corporis christi und Ad missam Beate Marie virginis, BAE, Marienstift, I R5, 2. Zu Heinrich Tunzenhusen vgl. STEWING, Ablasswesen, S. 136 f.; BÜNZ, Klerus, III/1, S. 303. 725 Vgl. oben Kap. I.4.3. 726 Vgl. einen ähnlichen Fall oben Kap. I.4.4. 727 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 6r. 728 SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 207. Eventuell ist auch die Vikarie St. Sebastian in Gräfentonna der dortigen gleichnamigen Bruderschaft zuzuordnen, LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 303r. Weiterhin dürfte die Fronleichnamsbruderschaft in Gebesee die dortige Vikarie Corporis Christi unterhalten haben. Als Inhaber des hälftigen Patronates werden hier die Vormunden des Dorfs genannt, LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 170r; Zu dieser Stiftung in Gebesee vgl. auch unten Kap. I.5.3. 729 Zu solcher Ausstattung städtischer Bruderschaften in Thüringen: KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 236–240.
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hervorragende Ausnahme stellt das Jakobus-Retabel in der Großengotterner Walpurgiskirche dar (vgl. Abb. 11).730 Im Jahre 1517 (i) erwarben die Vormunde der Bruderschaft dieses Retabel in der Erfurter Werkstatt des Meisters der Anbetung der Könige. Die Reliefs zeigen Szenen des Martyriums des Jakobus, die Gemälde der Flügelaußenseiten zeigen das Hühnerwunder. Gewiss lässt sich vor allem über Letzteres eine Verbindung zu einer unbekannten Gruppe Pilger aus Großengottern ziehen. Dies ist von der Forschung bisher nicht beachtet worden. Die Zuweisung ist wegen der Darstellung der beiden Titelheiligen der Bruderschaft – Jakobus und Walpurga – im Schrein des Retabels zweifelsfrei. Wenngleich über die Einrichtung der Bruderschaft nichts bekannt ist, stellt das Altarretabel eine wichtige Quelle dar, die sie als typische Pilgerbruderschaft erscheinen lässt. Ist dies allein für ein Dorf des späten Mittelalters ein bemerkenswerter Befund, zeigen sich doch auch die materiellen Möglichkeiten dieser Bruderschaft. Sie konnten einen Altar mit einer Pfründe stiften und für diesen ein nennenswertes und wohl auch teures Retabel anschaffen.
Abb. 11: Retabel der Jakobusbruderschaft in der Großengotterner Walpurgiskirche
Die Finanzierung eines eigenen Bruderschaftsaltares erforderte umfangreiche Zuwendungen verschiedener Parteien. In der Regel besaßen die ländlichen Bruderschaften aber keinen großen Besitz. Auch in größeren Orten verfügten sie nur über wenige Schock Groschen aus Erb- oder wiederkäuflichen Zinsen. Bei 730 Nach unsicherer Überlieferung ist das in Wandersleben erhaltene Annenretabel der Mühlberger Annenbruderschaft zuzuweisen; HOFFMANN, Wandersleben, S. 109 f.
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der Bruderschaft in Hermstedt wird 1533 gar nur ein Gulden Hauptgeld als Besitz aufgeführt.731 Mitunter gehörten kleine Landflächen und Wachszinsen der Mitglieder zu den Rechten der Fraternitäten. Die Beutnitzer Annenbruderschaft besaß zwei Äcker Weinberge, wovon die Gemeinde eine Spende finanzierte.732 Eine Übernahme karitativer Pflichten der Gemeinde durch eine Bruderschaft erscheint naheliegend, lässt sich aber nur in einem weiteren Falle nachweisen. Im schwarzburgischen Weisbach übergaben die Vormunde der Fronleichnamsbruderschaft die Überschüsse des Jahres an eine örtliche Seelbadstiftung.733 Trotz des in der Regel recht geringen Besitzes fungierten auch die Bruderschaften als Kreditkassen. Einer Bruderschaft standen, gleich um welche Art es sich handelte, ein oder mehrere ‚Vormunde‘ vor. Diese übernahmen eine Aufsichtsfunktion über das bruderschaftliche Leben. Sie erhoben Sühnebeträge, falls ein Mitglied gegen die Richtlinien der Fraternität verstieß. Ihre wichtigste Aufgabe lag jedoch in der Verwaltung des Besitzes und der Rechte der Bruderschaft. Sie führten Jahresrechnungen und in vielen Fällen verwalteten sie eine Lade, in der sich neben Geld, Urkunden, Schuldscheinen und Rechnungen auch Kleinodien befinden konnten, sofern die Bruderschaft über solche verfügte.734 Die Fraternitäten auf dem Land lassen sich nur unzureichend fassen. Von vielen Bruderschaften berichten lediglich die Visitationsprotokolle im Rahmen der Pfarrei- oder Küstereinkommen. Von der Wechmarer Sebastiansbruderschaft berichtet aber auch diese Quelle nur wegen der Verweigerung eines Zinses an den Pfarrer. Diese Art der Quellenüberlieferung lässt den Schluss zu, dass sich von vielen spätmittelalterlichen Laienbruderschaften in den Dörfern überhaupt keine Zeugnisse erhalten haben. Ihre Zahl dürfte um einiges höher gelegen haben, als es die Tabelle im Anhang vermuten lässt. Ein zu diskutierender Ansatz verbirgt sich hinter dem Begriff ‚Engelmesse‘. Prinzipiell beschreibt er die wöchentlich donnerstags abgehaltenen Messen zu Ehren des Corpus Christi, auch solche der Fronleichnamsbruderschaften.735 In einigen Dörfern werden Engelmessen in den 731 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 87v. 732 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 133v; vgl. zu Almosen von einer Bruderschaft COTTIN, Merseburg, S. 332 f. 733 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2526, fol. 6r. Zur Seelbadstiftung vgl. oben Kap. I.4.5. 734 Dies lässt sich etwa für die Herbslebener Sebastiansbruderschaft nachweisen, die ein silbernes Kleinod und eine Kette besaß, vgl. ZEYSS, Herbsleben, S. 71. 735 Dabei gab es verschiedene Ausgestaltungen. In Hilpoltstein wurde 1507 eine Engelmessstiftung um eine Prozession mit musikalischer Begleitung erweitert; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 37. Einige Beispiele mit verschiedenen Zusammenhängen zwischen einer Bruderschaft und einer Engelmesse ebd., S. 39 sowie bei REMLING, Bruderschaften, S. 218 f. Zur Bezeichnung der Messe der Gräfenthaler Fronleichnamsbruderschaft als Engelmesse vgl. KOCH, Jacoff, S. 501; ebd. auch die Verpflichtungen der Mitglieder.
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Visitationsprotokollen als Stiftung genannt. Der Pfarrer von Gaberndorf erhielt drei Schock Groschen vonn der Engelmes. Im schwarzburgischen Angstedt hatten die Männer des Dorfs 68 Gulden zu einer engel mess gestiftet.736 Selbst wenn der Begriff nicht eindeutig auf die Messe einer Bruderschaft verweist, könnten sich weiter gefasst hinter den Messstiftungen zu Ehren des Corpus Christi weitere institutionalisierte Bruderschaften verbergen.737 Enger gefasst kann es bei den Bruderschaften Übergangsformen gegeben haben. Pfründen oder Messstiftungen wurden vereinzelt von einer kleineren Gruppe getätigt. Diese Messen könnten infolgedessen auch nur den Stiftern und ihren Angehörigen offen gestanden haben.738 In solch einer Konstruktion ist es denkbar, dass sich eine Gruppe als Bruderschaft empfunden und gegenseitiges Gebetsgedenken organisiert hat, ohne in den Quellen als ‚Bruderschaft‘ genannt zu werden. Eine Unterhaltung weiterer Messstiftungen und Vikarien durch Laienbruderschaften ist überdies möglich, da in den Visitationsprotokollen einige Bruderschaften nicht genannt werden, die aus anderen Quellen bekannt sind.739 Eine Verbindung der weltlichen Herrschaft zu einer Bruderschaft zeigt sich in seltenen Fällen.740 Ein bisher kaum beachtetes Beispiel findet sich in Schwarzburg. Hier bestand an der gräflichen Burgkapelle im Schwarzburger Schloss eine Bruderschaft St. Anna und St. Hubertus. Von ihr ist in einer frühneuzeitlichen
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COTTIN, Merseburg, S. 332, zeigt, dass neue Mitglieder einer Bruderschaft in Burgliebenau eine Wachabgabe entrichten mussten, weiterhin die gegenseitige Memoria und Almosen zu den Funktionen gehörten. In einem unweit gelegenen Dorf wurde bei der donnerstäglichen Engelmesse das Sakrament mit Kerzen unter Glockengeläut aus der Kirche getragen, es handelte sich also um eine kleine Prozession. Aus Gräfenthal ist ein Gebet überliefert, das die Mitglieder der dortigen Fronleichnamsbruderschaft in Gegenwart der geweihten Hostie sprechen sollten: Bis gegruset, du heiliger warer leichnam Jhesu Christi unsers lieben herren, geborn auß Maria der jungfrauen, warlichen gemartert, gestorben und geopfert an dem stamme des heiligen fronen creutzes, speisse uns alle zeit durch deyne gnade und kom uns zu hulf und zu trost an unserem letzten ende. Amen.; KOCH, Jacoff, S. 499. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 25v; LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 7r. In diesen beiden Visitationsprotokollen erscheinen andere Fronleichnamsmessen, die als Messe Corpus Christi bezeichnet werden. Es sei an die Ersterwähnung der Wangenheimer Sebastiansbruderschaft als Sancte Sebastianis messe unde bruderschafft erinnert; vgl. in diesem Kapitel oben. Es zeigt, dass eine Messstiftung eine integrierende Funktion für eine bestimmte Personengruppe haben konnte. FUHRMANN, Kirche, S. 91 f., verwendet dafür den Begriff „bedingte Öffentlichkeit“. Vgl. dazu die Tabelle Nr. 2 im Anhang dieser Arbeit. Vgl. REMLING, Bruderschaften, S. 245; vgl. die adlige Christophorus-Gesellschaft in der Grafschaft Henneberg-Schleusingen am Kloster Veßra; KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 240 f.
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Abschrift eine Sammelakte überliefert.741 Sie besteht aus einem Teil der Statuten der Bruderschaft, jeweils einer Liste lebender und verstorbener Mitglieder von 1519, einem Verzeichnis der Erbzinsen und einigen Urkundenabschriften. Wie für die Annenbruderschaften typisch, bildete eine Messe am Dienstag die zentrale Zusammenkunft.742 Zu allen Weihfastenterminen traf man sich zu gemeinsamen Vigilien und Seelmessen für die verstorbenen Mitglieder, Uff den tack Sant Annen begehet man alle brüder und Swester, so am leben und tode seint.743 Es folgt der Hinweis, dass die Kapelle und die Bruderschaft über 1636 Tage Ablass verfügten. Auch Mitgliedern, die außerhalb des Landes starben, sollte gedacht werden – wohl ein Hinweis darauf, dass die Bruderschaft wirklich als schwarzburgische Landesinstitution aufgefasst wurde. Dazu passt, dass an der Spitze der Mitglieder Graf Günther XXXIX. von Schwarzburg und sein Sohn, der spätere Heinrich XXXII., ‚der Reformator‘, stehen.744 Es folgen einige Vertreter des Adels, etwa der Familien von Greußen und von Wüllersleben, und Geistliche. 745 In dieser Gruppe werden 27 Personen genannt. Es folgt eine Gruppe mit den Meistern der Hammerschmiede in Obstfelderschmiede. Die Bruderschaft war wohl hauptsächlich eine Elitenvereinigung des metallverarbeitenden Gewerbes in der Region um das Schwarzatal. 746 In dieser Gruppe sind 34 Personen genannt. In der folgenden Aufzählung der Knechte der Hammermeister sind es 71 Personen. Abschließend folgen die koler und Ander gemeine bruder und Swestern mit 147 Personen. Insgesamt sind dies 279 lebende Mitglieder. Wie die lebenden werden die verstorbenen Angehörigen der Bruderschaft von der gräflichen Familie angeführt. Die verstorbene Frau des Grafen, Amalie aus der mansfeldischen Grafenfamilie, steht an der Spitze von 20 Verwandten der Schwarzburger.747 Insgesamt werden knapp 100 verstorbene Mitglieder aufge741 LATh–StA Rudolstadt, A VIII, 4d, Nr. 22. Vgl. STEWING, Kapelle zu einem aus der Kapelle erhaltenen Missale von 1517 und knapp zur Bruderschaft. Das Mainzer Missale wurde durch den Kaplan der Kapelle, Konrad Schönheit, 1520 in Erfurt gekauft. In einer Eintragung verweist dieser auch auf ein Altarretabel, das im selben Jahr für den Annenaltar angeschafft wurde, der 1518 geweiht worden war. 1518 war auch eine Glocke angeschafft worden, sodass ein Ausstattungsprogramm der Burgkapelle in diesen Jahren deutlich wird; ebd., S. 98. 742 Vgl. DÖRFLER-DIERKEN, Bruderschaften, S. 42. 743 LATh–StA Rudolstadt, A VIII, 4d, Nr. 22, fol. 2v. 744 Zur Annenverehrung Graf Günthers vgl. SLADECZEK, Pfarrkirchen, S. 206. 745 Die von Witzleben als stärkste Adelsfamilie in der schwarzburgischen Oberherrschaft waren mit Georg von Witzleben sowie Heinrich von Witzleben und seiner Frau Elisa vertreten, sind aber anscheinend in der Originalquelle gestrichen; vgl. LATh–StA Rudolstadt, A VIII, 4d, Nr. 22, fol. 4r. 746 Vgl. STEWING, Kapelle, S. 101 f. 747 LATh–StA Rudolstadt, A VIII, 4d, Nr. 22, fol. 12v.
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führt. Darunter ein Orgelist, ein baccalaureus und eine virgo. Allerdings werden wenige Berufe oder Beschreibungen genannt. Unter den Mitgliedern erscheint eine große Zahl Frauen; die Formulierung ‚Brüder und Schwestern‘ war also keine leere Phrase.748 Der Großteil der Frauen wird zwar als uxor, allerdings namentlich genannt. Wenngleich für diese Bruderschaft durch die Verbindung zur Grafenfamilie und zur Hammerschmiede besondere Umstände und wohl auch besondere finanzielle Möglichkeiten angeführt werden müssen,749 kann die gemischte Zusammensetzung wohl verallgemeinert werden. Im Abschnitt über die Kalande werden dieser Sachverhalt und die herrschaftliche Trägerschaft aufgegriffen. Kalande sind Bruderschaften, die ihre Mitglieder ausschließlich oder vorrangig aus der Geistlichkeit rekrutieren und von Geistlichen geleitet werden.750 Benannt waren sie nach ihren Sitzungen, die sie vorrangig an den Kalenden eines Monats, also dem Monatsersten, abhielten. Allgemein können sie als Interessengemeinschaften der Geistlichkeit verstanden werden, die aus verschiedenen Gründen und auf verschiedenen Wegen entstanden. Für den Niederklerus, dessen Versorgungslage sich im späten Mittelalter zunehmend verschlechterte, kam aber ein weiteres wichtiges Anliegen hinzu: die Sicherung eines standesgemäßen Begräbnisses und des Totengedenkens. 751 Die Kalande führten Teilnehmer aus verschiedenen Orten zusammen, wobei es unterschiedliche Möglichkeiten der räumlichen Abgrenzung gab. Die Mitgliedschaft eines Geistlichen war keineswegs zwangsläufig, sondern setzte wohl eine Schenkung voraus.752 Besser belegt und besser untersucht sind die Kalande in den Städten. Der Erfurter Kaland hat sich vor 1422 an der Georgskirche zusammengeschlossen. Von diesem haben sich die Statuten überliefert, die in ihren Grundzügen verallgemeinert werden dürfen.753 Zentrales Anliegen war immer die Organisation des 748 Es sei an Elisabeth Tunzenhusen, eine der hauptsächlichen Stifterinnen der Großmonraer Fronleichnamsbruderschaft, erinnert, vgl. oben Kap. 4.7. 749 Ein Vergleichsbeispiel: Zur Saigerhütte in Hohenkirchen gehörte eine gestiftete Kapelle ohne Benefizium (BÜNZ, Klerus, II/1, S. 376). Wenngleich hier keine Bruderschaft nachgewiesen ist, darf ein gemeinsames Gebetsgedenken der vielen Arbeiter der Hütte angenommen werden. 750 PRIETZEL, Kalande, S. 42 f. Wobei mitunter auch Laienbruderschaften als Kaland bezeichnet werden; MEISTER, Altenburg, S. 85; MOELLER, Elendenbrüderschaften, S. 21 f. 751 STUPPERICH, Bruderschaft, S. 198; dabei gab es natürlich auch weiterhin klassische Formen. Beispielhaft ein Kleriker aus dem Dorf Alach, der 1510 einen Zins an das Erfurter Brunnenstift reichte, das ihn dafür in seine Bruderschaft aufnahm; BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1383. 752 PRIETZEL, Kalande, S. 404. 753 Eine Edition der Urkunde aus dem Erfurter Bistumsarchiv findet sich bei BERTRAM, Kaland, S. 68–72. Weiterhin BAE, Marienstift, Urkunden I, 1099. Diese Statuten beru-
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eigenen Totengedenkens. Dabei blieben die Kalande nicht auf den Klerus beschränkt. Die Laien, die Mitglied eines Kalands wurden, waren meist auch Teil des bruderschaftlichen Lebens.754 Das Totengedenken stand auch hier im Vordergrund. Ein Einwohner des Dorfes Süßenborn bei Weimar, der eine Generation vor der Reformation lebte, bezahlte eine jährliche Abgabe von einem Gulden an die Calentzbruderschafft in Süßenborn, um in ihre Gebete eingeschlossen zu werden.755 Im Visitationsprotokoll von 1533 hat sich eine Liste mit Abgaben des Kaland[s] im Gerstengaw erhalten, der wohl an der Pfarrkirche in Gerstungen zusammenkam. 756 Nach Orten sortiert (Berka an der Werra, Fernbreitenbach, Horschlitt, Gospenroda, Dippach, Dankmarshausen, Gerstungen, Herda, Wünschensuhl) finden sich hier 36 Einnahmeposten, von denen 18 jeweils sechs Groschen und drei Pfennige umfassen. Da eine solche Häufung derselben Summe bei Zinsabgaben statistisch beinahe unmöglich ist, dürfte es sich hierbei um Abgaben für Memoria an die Priesterbruderschaft handeln. Schon wegen der Häufung in einzelnen kleinen Orten ist nicht denkbar, dass es sich bei den Personen ausschließlich um Geistliche gehandelt hat. Für die Bauern der Dörfer um Gerstungen waren die Kalandsherren, also die bruderschaftliche Vereinigung ihres eigenen Pfarrers mit Geistlichen aus den Nachbardörfern, eine gute Gelegenheit, Seelmessen langfristig abzusichern. Weiterhin war es so möglich, Seelmessen von mehreren Priestern halten zu lassen, was durchaus erwünscht war.757 Dass die Kalande darüber hinaus auf die Gaben aus der Bevölkerung angewiesen waren, um die nötige liturgische Ausstattung zu finanzieren, zeigt eine Urkunde Raimund Peraudis für den Kaland in Niederzimmern. 1502 gewährte der Legat auf Bitten des Niederzimmerner Erzpriesters der dortigen Bruderschaft 100 Tage Ablass, da es an ebendiesen Gaben aus der Bevölkerung bisher fehlte.758 Allerdings scheinen die Laien in den Kalanden in der Regel eher passive Rollen gehabt zu haben.759 Sie konnten sich in das Gebetsgedenken aufnehmen lassen
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hen wohl auf älteren Constitutiones plebanorum Erfordensium von 1357; ich danke Tim Erthel, Erfurt, für diese Auskunft und die Aushändigung eines Manuskriptes hierzu. 1498 ist auch ein Kaland an der Erfurter Matthiaskirche nachweisbar; BAE, Marienstift, Urkunden, Nr. 1327. Vgl. ferner das Präsenzregister des Erfurter Kalands, in dem auch einige Dorfpfarrer Erwähnung finden; BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 178; zu weiteren regionalen Nachweisen vgl. BROD, Kalandbruderschaften; BROD, Ergänzung. PRIETZEL, Klerikerbruderschaften, S. 94 f. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 438, fol. 1r. Vgl. auch die Übernahme von Memoria durch den Kaland an der Pfarrkirche in Tegkwitz; vgl. oben Kap. I.4.1. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 47r–48r. Vgl. oben Kap. I.4.1. BERTRAM, Kaland, S. 67 f. Vgl. ebd., S. 59.
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und an den Kalandsgottesdiensten teilnehmen. Hingegen konnten sie beispielsweise nicht in die Verwalterposten aufrücken. Wie auch die Laienbruderschaften reichten die Kalande mitunter Abgaben an Pfarrer und Kirchner. Der Gräfentonnaer Pfarrer erhielt ein Malter Korn vom dortigen Kaland. 760 Der Kirchner in Sachsenburg bekam vier Groschen vom Kaland.761 Er wurde wohl für die Vorbereitung der Kirche bei den Veranstaltungen des Kalands entlohnt. Ob die Abgaben an den Pfarrer Präsenzgelder waren oder ebenfalls Beiträge für die Nutzung der Kirche, muss offenbleiben. In Leubingen hatten die Vormunde der fratrum Callendarum gar das Patronatsrecht über die dortige Vikarie Johannes des Täufers.762 Allerdings bleiben die Hintergründe im Dunkeln. Die Kalande in den thüringischen Landgemeinden lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen, solche an den Sedesorten und solche, die auf herrschaftliche Initiative entstanden. In Sedesorten lagen die Kalande in Herbsleben, Leubingen, Niederzimmern, Wandersleben und Görmar.763 Deutlich wird die Verbindung an der oben erwähnten Urkunde Raimund Peraudis für den Kaland in Niederzimmern. Hier vertrat der Erzpriester des Sedes die Interessen der Bruderschaft. Es ist denkbar, dass dieser gleichzeitig als ‚Dekan‘ oder ‚Vormund‘ fungierte.764 Die Abtrennung zu den herrschaftlich beeinflussten Kalanden ist allerdings nicht eindeutig. Der Kaland am Sedesort Wandersleben wurde anscheinend 1441 auf Initiative des Grafen von Gleichen gebildet.765 Es ist aber nicht davon auszugehen, dass es an jedem Sedesort zwangsläufig eine Priesterbruderschaft gab.766 Die Kalande folgten nicht der kirchlichen Hierarchie, sondern waren genossenschaftliche Verbindungen von Geistlichen. Weiterhin kam es vor, dass Kalande aus ihren ursprünglichen Sedesorten in eine Stadt verlegt wurden, die für die Geistlichen günstiger zu erreichen war bzw. ohnehin mehr Geistliche beherbergte.767
760 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 302r. 761 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 257v. 762 Ebd., fol. 278r. Nach BÜNZ, Klerus, II/2, S. 418, war der Dekan der Kalandsbruderschaft zeitweise auch Inhaber des Patronats der dortigen Marienvikarie. 763 Für die Einzelnachweise vgl. die Tabelle Nr. 2 im Anhang dieser Arbeit. Zu den Sedeskalanden vgl. PRIETZEL, Kalande, S. 101–409. 764 Die Bezeichnungen für die Vormunde eines Kalands differieren. In Leubingen gab es einen Dekan (BÜNZ, Klerus, II/2, S. 418), in Marlishausen hießen sie Vormunde (UB Arnstadt, Nr. 676, S. 340). 765 REINHARDT, Gräfentonna, S. 126. 766 PRIETZEL, Kalande, S. 399. 767 Ebd., S. 398 und S. 407.
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Die zweite Gruppe bilden Kalande, die eindeutig auf den Einfluss einer weltlichen Herrschaft bezogen werden können.768 Bei den Wettinern zeigt sich dies am frühesten an Herzog Wilhelm III. Er trat selbst 1460 in den Weimarer Kaland ein und verlieh den Kalandsbrüdern einen Altar in der Weimarer Schlosskirche.769 Diese Entwicklung ist zum größten Teil auf den Verzicht der Herrschaft auf das Spolienrecht zurückzuführen.770 Der Schmöllner Kaland, der für die Schmöllner, die Ronneburger und die Crimmitschauer Pflege zuständig war, nahm in einer Supplik an Kurfürst Friedrich und Herzog Johann 1503 selbst darauf Bezug. Sie seien von ihrem gnädigen Herrn vom Spolium befreit worden. Seitdem würden sie Begängnisse mit Vigilien und Seelmessen in Schmölln für die Vorfahren und Verwandten des Kurfürsten, speziell für Sophie von Mecklenburg, abhalten. 771 Die Kalandsbrüder hatten gehört, dass der Kurfürst Messgewänder und andere liturgische Ausstattung an Klöster und Pfarreien gebe. Für die vielen Wochenmessen, die sie hielten, baten sie nun ebenfalls um Ornate oder eine andere Gabe des Kurfürsten. Man erkennt, dass die Kalande auch über die Stiftung hinaus den weltlichen Herrn als Schutzherrn verstanden. Der Zusammenhang zwischen Abschaffung des Spoliums und der Einrichtung eines Kalands bestand auch in Gräfentonna. Hier richteten die Grafen von Gleichen 1476 einen Kaland für die elf Orte dieses Herrschaftsteils ein, der analog
768 Vgl. REMLING, Bruderschaften, S. 132‒185; PRIETZEL, Kalande, S. 83–100; ebd., S. 98, zeigte, dass die Abgrenzung dieser Kalande schwer ist. Er selbst kommt zu dem Ergebnis, dass das Totengedenken für die jeweilige Adelsfamilie wesentlich für die Organisation des Kalands sein muss, wobei auch andere Kalande Seelmessen für Adlige abhielten. 769 REIN, Regesten, S. 265. Dies ordnet sich gut in die Residenzpolitik Herzog Wilhelms III. in Weimar ein; BLAHA, Wimare, S. 52 f. PRIETZEL, Klerikerbruderschaften, S. 97, stellt fest, dass Adlige die Kalande nur förderten, wenn sie nicht die materiellen Möglichkeiten für Stiftungen an Stifts- oder Klosterkirchen hatten. Dies kann für den thüringischen Raum nicht festgestellt werden. Auch seine Behauptung (ebd.), dass die Welfen als einzige Reichsfürsten Kalande unterstützten, muss entkräftet werden. 770 Zum Verzicht auf das Spolienrecht vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 284 f. Beispielhaft die Abschaffung durch Kurfürst Friedrich III. für das Oberland 1491; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 13. Zur Abschaffung in verschiedenen Landesteilen mit Seelmessen als Gegenleistung LÖBE, Spolienrecht. In einer Bestätigung dieses Verzichtes für die Pflege Orlamünde 1491 verlangte Kurfürst Friedrich III., dass jeder Pfarrer testamentarisch etwas seiner Pfarrei zukommen lassen sollte; ebd., S. 276. Vgl. PRIETZEL, Kalande, S. 98; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 42 f. 771 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 703. Zum Schmöllner Kaland vgl. LÖBE, Spolienrecht, S. 278 f.
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zur Schmöllner Vereinigung Seelmessen für die gräfliche Familie abhielt.772 Ein neuer Pfarrer musste sich hier bei Übernahme der Pfründe verpflichten, dez iars virmals mit andern pristern an geuerde uß der herschafft zu Glichen czu Thonna gehoren vier male zu dem kalende vnd begengkniß der herschafft zu Glihen vnd priesterschafft zu sin alß ander pristerschafft.773
Ein weiterer eindeutiger Fall ist der Kaland in Marlishausen. Graf Heinrich XXVI. von Schwarzburg nahm im Jahr 1470 der Priesterschaft in der Käfernburger Pflege etliche beswerunge ab, die diese von seinen Vorfahren zu tragen hatten.774 Im Gegenzug verpflichten sich die Pfarrer der Pflege, Seelmessen für die Landgrafen von Thüringen, die Grafen von Käfernburg, die Eltern des Grafen und ihn sowie seine Familie zu halten. Dazu sollten sie sich zu den vier Weihfasten in der Marlishausener Kirche einfinden. Am Mittwochabend sollten sie dort Vigilien singen und am Donnerstag Seelmessen abhalten. Falls ein Priester diesen Termin nicht einhielte, sollte er den Vormunden ein Pfund Wachs geben. Neueintretende sollten ebenfalls Wachs überreichen. Eine solche herrschaftliche Initiative lässt sich auch für andere Orte wahrscheinlich machen. In Wangenheim ist der Kaland seit 1467 nachweisbar;775 also in derselben Zeit, in der die Kalande in Weimar, Gräfentonna und Marlishausen bezeugt sind. Ein ähnliches Zustandekommen durch die Herren von Wangenheim liegt nahe. Auch die Kalande in Beichlingen (Grafen von Beichlingen, bzw. ab 1519 Herren von Werthern) und Sachsenburg (albertinischer Amtsort) befanden sich in weltlichen Herrschaftsmittelpunkten. In den aufgeführten Beispielen folgten die Grenzen weltlichen und nicht kirchlichen Verwaltungsstrukturen. Allgemein wird kein direkter Einfluss der kirchlichen Obrigkeiten deutlich.776 Die adligen Kalande dienten der Kontrolle der Geistlichkeit durch die jeweilige Familie. Neben den Patronaten waren sie ein üblicher Weg, die Pfarrer enger an den Adel zu binden. Malte Prietzel resümierte, dass Adlige versuchten, mit einem Kaland „einen bescheidenen Anfang zu einem landesherrlichen Kirchenregiment zu erringen.“777 772 BÜNZ, Klerus I, S. 28, Anm. 292. 773 In diesem Fall der Pfarrer von Gräfentonna im Jahr 1477; zitiert nach BÜNZ, Klerus I, S. 245. 774 UB Arnstadt, Nr. 676, S. 340. Mit dieser Beschwerung kann ebenfalls nur das Spolium gemeint sein. 775 REGESTEN WANGENHEIM I, Nr. 221, S. 241 ff. 776 Mit dem gleichen Ergebnis für Norddeutschland, wobei es diesen Einfluss im Bistum Havelberg sehr wohl gab: PRIETZEL, Klerikerbruderschaften, S. 98 f. 777 PRIETZEL, Kalande, S. 100. Natürlich ist die Begriffsverwendung des landesherrlichen Kirchenregiments an dieser Stelle irreführend, verdeutlicht aber das Schema der Landesherren, an dem sich diese Bemühungen orientierten; vgl. unten Kap. I.6.
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Nicht eindeutig in diese beiden Gruppen einzuordnen sind die Kalande in Kosma, Gerstungen, Reisdorf und Süßenborn, die sich weder in einem Sedesort noch in einem Herrschaftsmittelpunkt befanden. Hinzuweisen ist auf die Kalande in Städten. Da Priesterbruderschaften für einen bestimmten geistlichen oder weltlichen Bereich zuständig waren, konnten auch Dorfpfarrer bzw. Einwohner der Dörfer Mitglieder in Kalanden in Städten sein.778 Ein Beispiel bildet das Dorf Hayn bei Erfurt, das zum Besitz des dortigen Großen Hospitals gehörte. Der Pfarrer von Hayn stand in enger Verbindung zur Erfurter Priesterschaft. 779 Gerade in kleinen Städten waren nicht genügend Geistliche vor Ort, die einen Kaland rechtfertigen würden, sodass ein solcher nur mit Geistlichen aus umliegenden Dörfern zu erklären ist. 780 Beispiele sind Creuzburg, Ebeleben, Tennstedt, Thamsbrück und Waltershausen.
4.8. Predigt Über die Bedeutung der Pfarrpredigt in der Vorreformationszeit herrscht keine vollständige Klarheit.781 Für eine große Rolle sprechen im Allgemeinen die bekannten Predigtsammlungen, für die es zweifellos eine große Nachfrage gegeben hat.782 Einige Buchverzeichnisse aus der Reformationszeit zeigen, dass es diese auch in kleineren thüringischen Dörfern gegeben hat. Ein besonderer Stellenwert kommt einer Quelle zu, die indirekt über den Buchbestand eines Pfarrers in vorreformatorischer Zeit informiert: das Schadensverzeichnis des Pfarrers von Mehrstedt aus dem Bauernkrieg. 783 Darin werden zehn Bücher genannt, die vernichtet wurden. Unter diesen befanden sich verschiedene weitverbreitete Predigtsammlungen, wie die Sermones Discipuli des Dominikaners Johannes Herolt, die allein im 15. Jahrhundert eine Vielzahl an Drucken erfuhren (GW 12333–GW 12389). Weiterhin befand sich in seinem
778 Aus diesem Grund wurden einige städtische Kalande mit in die Tabelle Nr. 2 im Anhang aufgenommen. 779 BERTRAM, Kaland, S. 55. 780 Vgl. COTTIN, Merseburg, S. 330 f. anhand des Beispiels Lützen im Bistum Merseburg. 781 Vgl. OEDIGER, Bildung, S. 110‒119; SCHNEYER, Predigt; SIGNORI, Räume, S. 11‒35; KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 305‒316. Zur Entwicklung eines Predigtgottesdienstes neben der Messe: BÄRSCH, Kanzeln, S. 64–73; MENZEL, Predigt. 782 BÜNZ, Klerus I, S. 245 f. 783 EINICKE, Reformationsgeschichte I, S. 324, Anm. 2 nach einer Quelle im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden.
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Besitz ein Exemplar der Sermones Dormi Secure des Kölner Franziskaners Johannes de Verdena und eines der Sermones Parati.784 Beschlüsse der Synoden zeigen auch, dass Pfarrer oft auf ihre Unterweisungspflicht hingewiesen wurden.785 In den Städten gab es zweifellos eine Vielzahl an deutschsprachigen Predigten.786 Über die Verhältnisse in den Dörfern informieren indes nur wenige Quellen.787 In einer Stiftungsurkunde aus Hörselgau von 1453 wird die Predigt als Bestandteil der Hochmesse erwähnt.788 Wegen der ungenauen Wortverwendung des Begriffs ‚Prediger‘, der sowohl den Inhaber einer Prädikatur meinen konnte, als auch synonym zu Pfarrer verwendet wurde,789 ist eine genaue Zuweisung vieler in den frühen Visitationsakten erscheinenden Predigten nicht möglich. In den untersuchten Dörfern sind zwei Predigtstiftungen, die nicht als gesonderte Prädikatur gestiftet waren, nachweisbar. Beide erscheinen im Visitationsprotokoll des Amtes Altenburg von 1527: Der Pfarrer von Lohma erhielt einen Lohn für eine Predigt, der Pfarrer von Saara erhielt zwei Schock Groschen für eine nicht verewigte warn leichnams predigt.790 Im ersten Fall werden predigen und meß halden direkt gegenübergestellt, sodass es sich zweifelsfrei um eine Predigtstiftung handelte. Über die Hintergründe dieser Stiftungen ist nichts bekannt. 791 In Lichtenhain werden ein Prediger und ein Predigtstuhl erwähnt.792 Diese Nennungen der Predigtstühle zeigen aber insbesondere die weite Verbreitung der Pfarrpredigt in den Dorfkirchen.793 In Gebstedt wird 1495 ein 784 Zu weiteren Nachweisen über Predigtsammlungen im Besitz eines Pfarrers aus der Zeit der Reformation vgl. Kap. III.13.2 dieser Arbeit. Zu den Sermones Dormi secure de tempore vgl. KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 306 f. 785 OEDIGER, Bildung, S. 115; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 30. U. a. mittels der Predigt kam es wohl zu einer Ausbildung einer innerlichen Frömmigkeit und zur Vermittlung religiösen Denkens; ANGENENDT/MEINERS, Erscheinungsformen, S. 28–31; LENTES; Andacht. 786 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 264. 787 Vgl. OEDIGER, Bildung, S. 115‒119. Als ein Hinweis können die Erwähnungen der Visitationsprotokolle zur Predigtfähigkeit der einzelnen Pfarrer gesehen werden; vgl. Kap. III.2.1 dieser Arbeit. Allerdings hatten sich freilich in der Frühzeit der Reformation die Maßstäbe verschoben. 788 BAE, Marienstift, Urkunden I, 1076a. 789 Vgl. POSCHARSKY, Kanzel, S. 25 f. 790 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 188r, 249r. 791 Ähnlich verhält es sich mit einer Präsenzzahlung in Schmidtstedt, die dem Pfarrer für das Lesen des Evangeliums gereicht wurde; StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 7r, 12r. 792 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 98r. 793 Vgl. grundlegend REINLE, Ausstattung, S. 40–55; HALBAUER, Kanzeln; RADEMACHER, Kanzel; SIGNORI, Räume, S. 24–29 mit einigen Abbildungen. Schöne Beispiele finden sich auch bei KROESEN/STEENSMA, Church, S. 238–266. Drei Viertel der erhaltenen deutschen Kanzeln bestehen aus Stein; ebd., S. 257–261. Auch in Stadtkirchen Thürin-
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Predigtstuhl erwähnt, 794 in Kirchheim 1509 eine Canczel. 795 1513 wurde in Gera-Tinz ein Zimmermann unter anderem für einen neuen predigstule entlohnt.796 In Molschleben und den Dörfern der Umgebung waren Kanzeln 1514 völlig selbstverständlich, sodass von ihnen auch Abkündigungen verbreitet wurden.797 Ebenfalls 1514 wurde in Dienstädt eine neue Kanzel hergestellt.798 1517 wird eine Kanzel in Melchendorf genannt.799 Für die große Zahl der Kanzeln in den Kirchen spricht weiterhin die Tatsache, dass sie in den Kirchenordnungen und Visitationsprotokollen nicht gefordert werden, obwohl sie doch nun elementarer Bestandteil des Wortgottesdienstes waren.800 Erhalten hat sich von dieser offensichtlich großen Zahl vorreformatorischer Kanzeln im Untersuchungsgebiet lediglich eine. Diese wird in Zipsendorf im Altenburger Land bis heute als „Lutherkanzel“ bezeichnet, da Luther auf einer Reise durch das Dorf hier gepredigt haben soll. Vermutlich blieb sie daher trotz einer barocken Neuanschaffung erhalten – wohl an der ursprünglichen Stelle an der Nordwand des Kirchenschiffes. Die sehr schmale, steinerne Kanzel ist fünfseitig, monochrom rot gefasst und datiert inschriftlich in das Jahr 1512. An ihrem Fuß sind Wappen angebracht.801 Die Felder des Kanzelkorbes sind mit spätgotischem Maßwerk verziert, auch den Aufgang schmücken Vierpässe (Farbtafelteil, Abb. 12). Die Zipsendorfer Kanzel zeigt, dass in diesem Dorf in der Vorreformationszeit keine Kosten für die Umsetzung der Predigt gescheut wurden. Diese hatte ihren festen Platz im kirchlichen Leben. Wie fest dieser Platz war, zeigen auch manche Beschwerden bäuerlicher Gemeinden gegen ihren Pfarrer, in denen die Predigt explizit als Mangel genannt wird. So beschwerte sich die Gemeinde Achelstädt zu Beginn der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts beim Erfurter Rat, dass ihr Pfarrer sie mit prydigen nicht versorgen würde.802
794 795 796 797 798 799
800 801 802
gens sind vorreformatorische Kanzeln selten; eine hat sich in St. Michael in Jena erhalten. Der Kanzelfuß einer spätgotischen Kanzel aus der Erfurter Thomaskirche befindet sich heute im dortigen Angermuseum. Weiterhin sei auf die zahlreichen Außenkanzeln hingewiesen, z. B. in Erfurt an St. Marien und der Augustinerkirche. UB Paulinzella, Nr. 515, S. 442. StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a, fol. 1v. StAG, III B, 19334, fol. 103v. BRÜCKNER, Schulenstaat, 3, 8, S. 69. PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 10r: Item xix n[eue] gr[oschen] meyster ticzel vom predige sthole czu machenn. KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 113. In Bindersleben wird eine Kanzel in Zusammenhang mit einer Seelmesse für den verstorbenen Pfarrer um 1500 erwähnt; BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 178. Vgl. zur Entwicklung im 16. Jahrhundert Kap. III.13.3 dieser Arbeit. Eine Identifizierung dieser Wappen steht aus. StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 5, liber communium 1519‒1522, fol. 350r.
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Besondere Schwierigkeiten bereitet, wie erwähnt, die Abgrenzung der Prädikaturstiftungen. Im Laufe des frühen 16. Jahrhunderts erfuhr der Begriff ‚Prediger‘ einen Bedeutungswandel. 803 Aus den reformationszeitlichen Quellen ist mitunter nicht ersichtlich, ob es sich bei dem genannten Prediger um einen im vorreformatorischen Wortsinn oder um einen Pfarrer der Reformationszeit handelt. In einigen wenigen Fällen ist die vorreformatorische Entstehung einer Predigtstiftung jedoch bekannt. In Leesen wurde 1493 eine Prädikatur eingerichtet.804 Auch in Breitenhain scheint es eine Prädikatur gegeben zu haben, die jedoch nur aus der Visitation bekannt ist.805 In Lehesten stand zur Zeit der Visitation 1527 eine Prädikatur unter Verwaltung der Gemeinde; möglicherweise ging sie also auf eine gemeindliche Stiftung zurück.806 Neben dem Pfarrer und einem eventuell vorhandenen Prediger nutzten vor allem die Terminierer diese Kanzeln. Den verschiedenen Bettelordenskonventen in den Städten waren sogenannte Termineibezirke zugeordnet.807 Innerhalb dieser Bereiche durften sie in den Dörfern und Städten Spenden sammeln. Die Naturalien und Gelder aus diesen Sammlungen hatten eine sehr große Bedeutung für die Versorgung der Konvente in den Städten. Außerdem rekrutierten die Mönche auf diesem Weg Nachwuchs für die Klöster. In zentralen Orten gab es Termineien, in denen dauerhaft Brüder des Klosters lebten. Zur Ausstattung dieser Häuser konnten auch Bibliotheken und Altargeräte gehören, da die Terminierer vor Ort auch Messen halten oder gar Benefizien innehaben konnten. Hinweise zeigen, dass die oft über Jahrzehnte an einem Ort wirkenden Brüder hochgebildete Mönche waren.808 Über die Ausdehnung der Bezirke informieren Verzeichnisse, die die einzelnen Orte nennen. 809 Dabei wird die geschlossene Organisation dieser Kreise deutlich. Weiterhin ist daher bekannt, dass die Orden parallel in den Gebieten wirkten. Aufteilungen gab es nur zwischen den verschiedenen Klöstern eines Ordens. In einem Dorf konnten also Dominikaner, Franziskaner, Augustiner-Eremiten, Serviten, Karmeliter und Wilhelmiten gleichermaßen präsent sein. Neben dem Sammeln der Spenden beteiligten sich die Mönche am geistlichen Leben im Ort. Sie predigten in ihren Bezirken vornehmlich in den Pfarrkirchen, natürlich nach Absprache mit dem jeweiligen
803 804 805 806 807
Vgl. HERRMANN, Prediger. WIESSNER, Naumburg, S. 316. HERRMANN, Prediger, S. 37. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 98r–98v. Vgl. MINDERMANN, Termineisystem; VOIGT, Terminierwesen; VÖCKLER, Termineien; NITZ, Termineiverzeichnis; KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 282–288. 808 Vgl. v. a. MINDERMANN, Termineisystem. 809 NITZ, Termineiverzeichnis; VOIGT, Terminierwesen. Zu den Erfurter Augustinern: UB Stifter III, Nr. A 5, S. 381–384.
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Pfarrer. 810 Daraus konnten Streitigkeiten um die Sammelgelder und Abgaben entstehen.811 Sicherlich wirkten die Bettelorden in bedeutendem Maße in den Dörfern. Über den genauen Umfang und den Anteil der Mönche an Seelsorge und Predigt im ländlichen Raum existieren aber kaum Hinweise.812 Ferner hatten sie wohl einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Memorialpraxis in der ländlichen Gesellschaft, was aber nur in sehr wenigen Quellen Erwähnung findet.813 In den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Zeugnissen aus dem dörflichen Umfeld werden die Terminierer nicht genannt, was aber sicher in der Art der Quellen begründet liegt. Institutionelle Verbindungen zur Dorfkirche und ihrer Organisation bestanden wohl sehr selten.
4.9. Prozessionen Die Dorfkirche war das absolute Zentrum des kirchlichen Lebens in einem spätmittelalterlichen Dorf. An ihr spielten sich alle bisher behandelten Elemente des religiösen Lebens ab. Für die Menschen war allerdings eine Sakralisierung des gesamten Raumes wichtig – also im konkreten Fall des Dorfes und seiner Flur. Bestanden die finanziellen Voraussetzungen, konnte in der Dorfflur eine Kapelle gebaut werden. 814 In allen Dörfern, auch in den ärmeren, waren die Flurumgänge ein übliches Mittel, das Lebensumfeld zu segnen. Sie reihen sich ein in die Prozessionen, die ein typisches Element der reichen Frömmigkeit um 1500 waren.815 In der bisherigen Forschung wurden die Prozessionen in erster Linie als
810 Vgl. HERRMANN, Prediger, S. 32 f.; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 54 f.; MINDERMANN, Termineisystem, S. 219–226. 811 VOIGT, Terminierwesen, bes. S. 360, Anm. 73. 812 Beschreibungen existieren allenfalls aus der Reformationszeit mit negativer Konnotation, beispielsweise in einer 1523 in Erfurt erschienenen Flugschrift: Also lauffen sie [die Terminierer; d. Verf.] auß und kommen in dy dorffer und nemen ein knecht ader vier und schnurren herumb fur die heuser und sagen: Ey, libes mutterlen gebt einen keß, flachs, eyer, brot ader puttern her, ir seit es schuldig! so nemen ewer kuhe nit ab, die milch wurt gut, ir seit in sant Bernhardus, Franciscus, Augustinus bruderschafft, ir werdt selig werden unnd grossen ablas erlangen, und wurd euch stetes viel guts gescheen; und koennen also fein schmiren und füchs schwantzen; STANBERGER, Dialogus, S. 196. 813 VOIGT, Terminierwesen, S. 357–361 anhand des Liber benefactorum der Zwickauer Franziskaner. 814 Vgl. oben Kap. I.4.4. 815 Vgl. LÖTHER, Prozessionen; HEUSINGER, Prozessionen; KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 272–281.
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städtisches Phänomen angesehen; das dörfliche Prozessionswesen wurde, wenn überhaupt, am Rande betrachtet.816 Die kleinste Form einer Prozession war der Versehgang. Hierbei trug der Priester ein Ziborium mit einer geweihten Hostie in das Haus eines Sterbenden. Vor allem seit dem 15. Jahrhundert wurde dieser Zug oft von dem Kirchner, von Musikanten und Fahnenträgern begleitet, denen sich weitere Einwohner anschließen konnten.817 Wenngleich dieser Zug in den Dörfern sicher nicht die Größe der städtischen Versehgänge erreichte, dürfte er prinzipiell nach dem gleichen Muster abgelaufen sein. Zu vielen Jahrtagsstiftungen gehörten ebenfalls kleine Umgänge, zumindest über den Kirchhof.818 Typisch waren Prozessionen sowohl in der Stadt wie auf dem Land zum Markustag und in der sogenannten Bittwoche, den drei Tagen vor Christi Himmelfahrt.819 Dabei wurden neben Kreuzen und Fahnen auch Reliquien mitgetragen. So sollte der Schutz der Heiligen aus der Kirche auf den gesamten Lebensraum erweitert werden. Ab dem 14. Jahrhundert wurde es im Zuge der steigenden eucharistischen Frömmigkeit üblich, auch die Monstranz mit der geweihten Hostie auf den Umgängen mitzuführen.820 Die Umgänge sollten in erster Linie vor starken Unwettern im Laufe der Vegetationsperiode schützen, was durch die grundlegende Bedeutung der Landwirtschaft für die dörfliche Gesellschaft selbstverständlich erscheint. Im Naumburger Bistum war in einer Agende von 1502 vorgesehen, bei den Umgängen die Anfänge der vier Evangelien an verschiedenen Stationen in die vier Himmelsrichtungen zu sprechen.821 Über die flächendeckende Durchführung von Prozessionen zum Markustag und in der Bittwoche in thüringischen Landgemeinden informieren verschiedene Quellen. Ein interessantes Zeugnis liegt aus dem Mainzer Hof in Erfurt vor. Hier informiert die Quelle über die übliche Umsetzung des Umgangs in den Mainzer Küchendörfern: In allen meins gnedigsten herrn dorffern umb seiner Churf. gnaden statt Erffurt liggende, ist die gewonheit gwest, das alle jhar uff sanct Marx tag in jglichem dorff die menner mit iren weybern und kindern mit dem 816 Vgl. den Forschungsüberblick ohne eine einzige Erwähnung des dörflichen Prozessionswesens bei WEISS, Prozessionsforschung. Mit vielen Beispielen aus dem dörflichen Bereich: HAIMERL, Prozessionen. 817 BROWE, Ölung; BROWE, Sterbekommunion; KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 86– 88; KOCH, Pfarrkirche, S. 326; GÖTZ, Hilpoltstein, S. 91. 818 Vgl. oben Kap. I.4.1; BÜNZ, Memoria, S. 284 f.; VEIT, Brauchtum, S. 203. 819 BROWE, Flurprozessionen, S. 742. 820 Ebd. 821 Ebd., S. 748, Anm. 30; WIESSNER, Naumburg, S. 361, S. 363. Weiterhin scheint es üblich gewesen zu sein, die Eucharistie bei Gewitter gegen das Unwetter zu erheben; vgl. BROWE, Flurprozession, S. 748 ff.
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Creutz umb die flure derselben dorffer, so weith sich dieselben erstreckt haben, gangen sint, und von allen frembden die mit bey inen gewont und guther in denselben fluren gekauft, gebawer recht, nhemlich von jglichem funff zehender genomen, und die hewsser bey inen in den dorffern gehabt, auch jherlich bey einer buss zu solcher creutzfart gfordert, und welche aussblibben seint, gebusset haben, alles got zu ehren, und das jglichs dorffs gericht und flure angezeigt und erhalten werden mochten.822
Neben den bereits angesprochenen Aspekten zeigt die Quelle zwei weitere auf. An den Umgängen nahm wohl tatsächlich die komplette Bevölkerung des jeweiligen Dorfes teil. Weiterhin wird deutlich, dass die Prozession den Grenzen der Flur folgte und somit auch eine rechtswahrende Funktion hatte. Es war wichtig, dass die Dorfeinwohner die Grenzen kannten und gegen die Nachbarorte absteckten.823 Die Umgänge wiederholten jährlich ein Gewohnheitsrecht. Auch in den vielen Grenzstreitigkeiten dieser Jahre wurde gewohnheitsrechtlich auf die Umgänge verwiesen, so etwa in Ellichleben. Die Grenze verliefe dort, wo die von Ellicheleibin alle jar mit cruczin unde fahenen begangin haben also wit also die scheidesteyne stehen und gesaczt syn.824 Wahrscheinlich fand auch dieser Umgang am Markustag statt, wie es im unweit gelegenen Rockhausen üblich war.825 Gleichzeitig konnten die Flurumgänge auch Streitigkeiten hervorrufen wie in Möbisburg, dessen Einwohner im Jahr 1504 von Albrecht von Thun, dem adligen Herrn des Nachbardorfes Molsdorf, an ihrem Flurgang gehindert wurden.826 Im Mainzer Küchendorf Witterda fanden 1518 neben dem oben angesprochenen Umgang am Markustag ein weiterer in der Kreuzwoche und ein weiterer zu einem unbekannten Termin statt, für die die Kirchenrechnung jeweils Ausgaben aufführt.827 In Edersleben wurde zu Purificationis Mariae eine Prozession mit einem Bild abgehalten.828 In Kirchheim sollte der Pfarrer an einem Marienfeiertag mit um die Flur gehen und erhielt dafür Essen und Trinken.829 In Teichröda wurden 1434 verschiedene Nahrungsmittel zu einer Prozession abgerechnet, auch sie war also mit einem Schmaus verbunden.830 Neben den Kosten für die Umsetzung einer Prozession waren die Kirchenfabriken einmal 822 Zitiert nach MICHELSEN, Rechtsdenkmale, S. 522. 823 Nach HAIMERL, Prozessionen, S. 21, hatten die Bittprozessionen im Bistum Bamberg ebenfalls den Charakter von Flurumgängen. In Edersleben gab es einen Flurumritt; LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 9v. 824 UB Paulinzella, Nr. 456, S. 402 f., hier S. 402. 825 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 3272, fol. 20r. 826 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 3, liber communium 1501–1506, fol. 205v; Bd. 4, fol. 63r. 827 BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 30v. 828 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1, fol. 7r. 829 StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a. 830 FLEISCHER, Rudolstadt, S. 180, Anm. 70. Im Bistum Bamberg musste der Pfarrer mitunter nach der Prozession bewirten; HAIMERL, Prozessionen, S. 57 f. Dies würde erklären, warum derlei Ausgaben recht selten in den Rechnungen der Kirchenfabriken genannt werden.
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mehr für die Voraussetzungen zuständig. 1448 erwarb die Kirche von Teichröda Fahnenstäbe und Kreuze.831 1510 kauften die Alterleute von Dienstädt kertzen stangenn.832
Abb. 13: Leuchterengel in der Kirche von Kleinebersdorf, Saale-Holzland-Kreis 831 FLEISCHER, Rudolstadt, S. 179. Ebenso erwarben die Alterleute von Tegkwitz mehrfach im 15. Jahrhundert Fahnenstangen; REINHOLD, Tegkwitz, S. 137. 1503 wurde in GeraTinz eine neue Kirchenfahne beschafft; StAG, III B, 19334, fol. 103r. Eine recht große Kirchenfahne aus dem 15. Jahrhundert war in Ziegenhain gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch erhalten; LEHFELDT 1, S. 234. Eine barocke Quelle aus dem Pfarrarchiv von Buchfart beschrieb drei solche Fahnen, von denen die Alterleute eine 1512 von einem Mahler anschafften: „Auf der ersten ist auf beyden seiten zu sehen die Verkündigung Mariä u. Gebuhrt Christi. Auf der andern wie sichs ansehen lässet ist die Elisabeth ihr Kindlein Johannes im Schoße habend, u. bey ihr sitzend die Jungfrau Maria welche sie besuchet, in gleichen ist auch daran zu sehen die heil. Jungfr. Maria mit dem Kindlein Jesu. Auf der 3. Fahnen ist zu sehen das Crucifix samt Maria u. Johannes unter dem Kreuze stehend ingleichen auf der andern seiten sind zween Canonisirte Heiligen.“ Zitiert nach WEBER, Altarwerkstatt, S. 220. Die barocke Quelle befindet sich nicht mehr im Pfarrarchiv. 832 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 9r. In Tegkwitz wurden ebenfalls mehrfach Fahnenstangen angeschafft; auch die Monstranz wurde mit fennichen geschmückt; PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 183.
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Solche Kerzenstangen haben sich in einigen Fällen zumindest teilweise erhalten. Meist haben sie die Gestalt der sogenannten ‚Engelsstangen‘.833 Engelfiguren tragen hierbei auf einer Stange kniend oder stehend einen Leuchterschaft, der eine Kerze trug.834 In der Kirche von Kleinebersdorf haben sich die Engelsfiguren erhalten (Abb. 13), die auf der Unterseite deutlich die Aussparungen der ehemals vorhandenen Stangen zeigen. Diese wiederum (Abb. 14) konnten im Thüringer Museum Eisenach ausfindig gemacht werden. Selbst in einem solch kleinen, relativ abgelegenen Ort wurden also Kosten für die Umsetzung der verschiedenen Umgänge und Prozessionen nicht gescheut.
Abb. 14: Prozessionsstangen aus Kleinebersdorf 833 Zur Systematik: FINKENSTAEDT/FINKENSTAEDT/STOLT, Prozessionsstangen, passim. 834 Zwei Beispiele mit Abbildungen bei KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 274–276. Zwei komplett erhaltene Stangen der Jahre um 1510 aus einer Saalfelder Werkstatt befinden sich im Weimarer Museum; HOFFMANN, Kat. Weimar, S. 25 f. Neben dem abgebildeten Beispiel haben sich die Engel ohne Stangen in weiteren Dorfkirchen erhalten, so etwa in Großballhausen.
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Bei den Umgängen gab es, wie bereits erwähnt, feste Stationen, bei denen beispielsweise Texte aus den Evangelien gelesen wurden. Zur Verdeutlichung dieser Stationen wurden oftmals Bildstöcke aufgestellt, die mit einer Christusdarstellung oder dem Bild eines Heiligen geschmückt sein konnten. Die Reste solcher Bildstöcke haben sich im Untersuchungsgebiet in oder bei folgenden Orten erhalten: Bufleben (Abb. 15), Friedrichsdorf, Friemar, Frienstedt, Molschleben, Oppurg, Pferdingsleben und Siebleben. In der Flur des ehemals schwarzburgischen Dorfes Seebergen haben sich gar drei Bildstöcke erhalten, die noch die Wegeführung des dörflichen Umganges erahnen lassen.835
Abb. 15: Bildstock in der Flur von Bufleben, Lkr. Gotha
In einigen Fällen lassen sich dörfliche Prozessionen außerhalb der eigenen Gemeinde feststellen, die auf ältere kirchliche Zuständigkeiten zurückgehen. So waren im Spätmittelalter 30 Gemeinden, ehemalige Filialen der Pfarrei Orlamünde, verpflichtet, am Montag der Bittwoche eine Prozession nach Orlamünde zu unternehmen und dabei ein Opfer in festgelegter Höhe zu entrichten.836 Ein 835 Zu den Nachweisen: www.suehnekreuze.de (letzter Zugriff: 30.7.2015). Vgl. LÖTHER, Prozessionen, S. 249–254 zu Wegeführungen bei städtischen Prozessionen, v. a. am Beispiel Erfurt. 836 HERRMANN, Orlamünde, S. 449 f. mit einem Nachweis aus einem Pfründenregister von 1378. HAIMERL, Prozessionen, S. 16–18, zeigt eine Vielzahl solcher Beispiele aus dem Bistum Bamberg. Hier waren die Pfründeninhaber ehemaliger Filialen verpflichtet, zu
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ähnlicher Vorgang kann für die Kirche in Buchfart vermutet werden. Hier haben sich auf der Rückseite eines Altarretabels (Farbtafelteil, Abb. 16) Rötelnotizen erhalten.837 Sie nennen zum Jahr 1484 geringe Abgaben zwischen drei Hellern und drei Pfennigen von neun verschiedenen Orten der Umgebung, die an drei Tagen gezahlt wurden (Abb. 17). 838 Wahrscheinlich handelte es sich bei Feria secunda, Feria tercia und Feria sexta um die Tage der Kreuzwoche, an denen die Einwohner der Orte zur Buchfarter Kirche ziehen mussten. Dass solche Bräuche auf einen rechtlichen Anspruch zurückgehen konnten, zeigt ebenfalls ein Beispiel aus dem Umfeld des Klosters Paulinzella. 1480 hatten sich die Dörfer Kleinliebringen, Großliebringen und Nahwinden geweigert, am Montag der Kreuzwoche mit Fahnen und Kreuzen nach Paulinzella zu ziehen und dort ein Opfer zu reichen. Mit Rat ihres Pfarrers hatten sie die Kreuzfahrt von yrer eigen torstigkeit verwandelt.839 Ein längerer Rechtsstreit wurde von einem Erfurter Kanoniker beigelegt: Die Dörfer mussten die Prozession nach Paulinzella nachholen. Bei den dörflichen Prozessionen mischten sich immer verschiedene Aspekte. Es waren Bittprozessionen, die in erster Linie Unwetter vermeiden sollten.840 Durch das Mitführen der Eucharistie hatten sie immer den Charakter von Fronleichnamsprozessionen. Da die Umgänge oft am Markustag stattfanden, sollten sie wohl auch vor der Pest schützen, wie dies für städtische Prozessionen
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bestimmten Tagen mit den Parochianen und Kreuzen in die ehemalige Mater zu wallen. Der früheste Nachweis dieser Beispiele stammt von 1144 und zeigt, dass diese Verpflichtungen auf das Hochmittelalter zurückgehen konnten. Übliche Termine waren die Kirchweihe der Mater (ebd., S. 68), das Patroziniumsfest (ebd., S. 74 f.) und Palmsonntag (ebd., S. 120). Weiterhin mussten die Gemeinden von Filialkirchen zu bestimmten Festtagen als Aspersionsprozession zur Mutterkirche ziehen; ebd., S. 136; weitere Nachweise ebd., S. 167–171. Bisher wurden diese Notizen mit der Anschaffung des Retabels oder eines anderen Kunstwerkes in Verbindung gebracht. Die geringe Gesamtsumme (12 alte Pfennige) und die Beteiligung anderer Dörfer lassen dies aber sehr unwahrscheinlich wirken. Die Übertragung der Notizen nach einer heute nicht mehr im Pfarrarchiv befindlichen Quelle des 17. Jahrhunderts bei WEBER, Altarwerkstatt, S. 213 f. Heute sind die Notizen nicht mehr vollständig lesbar. Bei den Orten handelt es sich um Buchfart, Legefeld, Possendorf, Vollersroda, Saalborn, Mellingen, Öttern, Hetschburg und Berka/Ilm. Die Orte lassen sich nicht mit den bekannten Fakten über die Pfarrstruktur vereinen. Eventuell beruhen sie auf einer älteren Struktur. UB Paulinzella, Nr. 475, S. 414 f. Vgl. die Sakramentalien für Wetter und Boden; JEZLER, Kirchenbau, S. 34.
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belegt ist. Die Prozessionen konnten rechtliche Verhältnisse betreffen.841 Aus diesen Gründen ist eine strenge Kategorisierung der Prozessionen nicht möglich.
Abb. 17: Inschriften auf der Rückseite des Altarretabels in der Kirche von Buchfart, Lkr. Weimarer Land
Neben den eindeutigen Nachweisen dürfte es auf dem Land viele weitere Prozessionen gegeben haben. Es sei an die vielen Stiftungen von Fronleichnamsmessen erinnert, zu denen wohl meist Prozessionen gehört haben dürften.842 Im Rahmen verschiedener Seelmessen kam es ebenso zu Prozessionen über den Kirchhof und zum Beinhaus.843 Schließlich dürften auch die Bruderschaften, wie dies aus den Städten bekannt ist, verschiedene Prozessionen im Laufe des Jahres durchgeführt haben. 841 1483 rief der Erfurter Stadtrat die Dörfer des Landgebiets zur Teilnahme an einer Bittprozession auf; WEISS, Bürger, S. 68. 842 Vgl. oben Kap. I.4.2 und die Nachweise bei HAIMERL, Prozessionen, S. 60 f. über die donnerstäglichen Fronleichnamsprozessionen in einigen fränkischen Märkten. 843 HAIMERL, Prozessionen, S. 141, zeigte, dass diese Aspersionsprozessionen in Dörfern verbreitet waren, dabei war wohl mindestens eine erwachsene Person aus jedem Haus des Dorfs anwesend; ebd., S. 19. Vgl. oben Kap. I.4.2 das Beispiel Gumpelstadt. In Erfurt war am südlich des Chores gelegenen Beinhaus des Marienstiftes eine Station großer städtischer Prozessionen; FALCKENSTEIN, Historie, III. Buch, S. 333. Ich danke Tim Erthel, Erfurt, für diesen Hinweis.
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4.10. Wallfahrten Über Wallfahrten als Massenphänomen der Frömmigkeit um 1500 wurde in den letzten Jahren, verglichen mit anderen Elementen des kirchlichen Lebens, viel geforscht. 844 Die Bauern nahmen an dieser Bewegung sowohl aktiv als auch passiv teil. Über die große Zahl der Wallfahrer aus den Dörfern des Untersuchungsgebietes informieren die erhaltenen Mirakelbücher. 845 Unter den Spendenden an Wallfahrtsorten finden sich Bauern ebenfalls stark vertreten.846 Die Pilgerzeichen, die sich in großer Zahl auf den Glocken der Dorfkirchen finden, zeigen wohl den Stolz, der mit einer solchen Reise verbunden war.847 Die Wallfahrtsziele, die die Bauern aufsuchten, lassen sich nach ihrer Entfernung in verschiedene Gruppen einteilen. Lokale Wallfahrten führten zu bestimmten Ablasszielen in den Dörfern und Städten der direkten Umgebung.848 In mittlerer Entfernung lagen überregional bekannte Wallfahrtsorte, die von großen Menschenmengen aufgesucht wurden. Die prominenteste im thüringischen Raum war die Wallfahrt nach Grimmenthal.849 Aber auch die großen Fernwallfahrten wurden von recht vielen Angehörigen der ländlichen Gesellschaft unternommen. So ist von einem Küster aus Monstab bekannt, dass er nach Santiago de Compostela wallte, ebenso von einem Bauern aus Merkendorf bei Weida, dass er seiner Kirche testamentarisch Land vermachte, für den Fall, dass er die Reise nach Spanien nicht überleben würde. Das Land fiel an die Kirche.850 1520 wollte Johannes Knauer aus Keßlar bei Blankenhain eine Reise zum selben Ziel unter844 Vgl. als Überblick zur Forschung über den mitteldeutschen Raum; KÜHNE, Ahrensbök; KÜHNE, Zwischenbilanz; SCHULZE, Kirche, S. 119‒121. 845 Aus Thüringen haben sich drei Mirakelbücher erhalten. In der Regel gingen diese Quellen in den protestantischen Gebieten verloren. Zu Grimmenthal: MÖTSCH, Grimmenthal, S. 341‒384. Nach Elende gingen Menschen aus vielen Dörfern West- und Zentralthüringens; SIGNORI, Elende, S. 41‒164. Im Mirakelbuch von Heiligenleichnam bei Altenburg finden sich v. a. Herkunftsangaben aus dem Oster- und dem Pleißenland sowie der westlichen Mark Meißen. Einwohner von Dörfern erscheinen hier nur aus der direkten Umgebung; KÜHNE, Heiligenleichnam, S. 29‒38. 846 Vgl. MÜLLER, Wohltäterbuch. 847 Vgl. KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 212–222. 848 Auch in Schmidtstedt bei Erfurt wurden im Rahmen der großen Prozession, mit der Ablässe verbunden waren (vgl. oben Kap. I.3.3), Pilgerzeichen ausgegeben; StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 67r. Zu den Problemen bei der Abgrenzung der Nahwallfahrten anhand des Oberelsaß vgl. CLEMENTZ, Nahwallfahrten. 849 Vgl. MÖTSCH, Grimmenthal. 850 WIESSNER, Naumburg, S. 393; HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 276. Ein ähnlicher Fall mit glücklicherem Ausgang aus dem Bistum Merseburg bei COTTIN, Merseburg, S. 336.
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nehmen und ließ sich von dem zuständigen Pfarrkaplan einen Pilgerbrief ausstellen.851 Ein solches Schreiben befreite einen Pilger vom Pfarrbann und sollte wohl auch seinem Schutz dienen.852 Auch das Patrozinium der Jakobusbruderschaft in Großengottern deutet auf die Praxis der Wallfahrten nach Santiago hin.853 Einen weiteren – freilich sehr unbestimmten – Hinweis bieten die Darstellungen von Pilgerheiligen, die sich unter der großen Zahl der Tafeln und Figuren der dörflichen Kirchenausstattung befinden. Ein Jakobus in Pilgertracht oder ein hl. Rochus auf einer Altartafel können Zeichen sein, dass ein oder mehrere Einwohner des Dorfes sie wegen einer Wallfahrt verehrten.854 Ferner ist bezeichnend, wie stark der gesamte thüringische Raum mit Wallfahrtszielen übersät war.855 Die Nachfrage war enorm. Nicht immer etablierte sich aus einem Anlass eine institutionelle Wallfahrt. 856 Auf der anderen Seite versuchten mitunter Obrigkeiten, entstehende Wallfahrten zu konditionieren oder gar abzuschaffen.857 Diese Fälle überwiegen aber keineswegs die vielen erfolgreich eingerichteten Wallfahrten vor allem der Jahre um 1500.858 Neben frommen Zielen waren damit auch immer materielle Hoffnungen verbunden. Deutlich wird dies an den Bauern von Zehma, die 1503 ihre Badestube in eine Kapelle umwandelten. 1527 schilderten sie den Vorgang rückblickend: 851 KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 164 f. 852 Vgl. PETKE, Pilgerbrief. Allerdings darf man sich nicht vorstellen, dass jeder Pilger einen solchen Pilgerbrief bei sich getragen hat; ebd., S. 385 f. 853 Vgl. Kap. I.4.7. 854 Zum Einfluss der Gemeinden auf die Bildprogramme der Altarretabel vgl. Kap. I.5.3 dieser Arbeit. 855 Eine Nennung der nachweisbaren Wallfahrten würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. An dieser Stelle sollen lediglich einige Prinzipien der Wallfahrten gezeigt werden und der Frage nachgegangen werden, wie diese auf die Dorfkirchen zurückwirkten. 856 So gab es 1433 wegen Kreuzeszeichen einen großen Zustrom nach Hesselborn; GEBHARDT, Kirchengeschichte I, S. 353. Auch in der Wüstung Orphal gab es 1479 ein Wunder, woraus ebenfalls keine längerdauernde Wallfahrt entstand; FRANK, Peterskloster, S. 67. 857 So hoben 1484 die Wettiner und der Naumburger Bischof gemeinsam eine Wallfahrt nach Beinschnette bei Eisenberg auf und nahmen den Organisator fest; HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 278 f. 858 KÜHNE, Wersdorf, S. 406 f. konnte anhand des Verkaufs von Pilgerzeichen zeigen, dass sich die Wersdorfer Wallfahrt sprunghaft entwickelte. So wurden in den ersten beiden Rechnungsjahren (1515‒1517) über 13.000 Pilgerzeichen verkauft, zwischen Ende 1517 und April 1519 waren es 10.550, sodass man für Wersdorf in diesem Zeitraum von mehreren zehntausend Besuchern ausgehen kann.
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Dorinnen volgend zcu gotts ehre und Sanct Annen ein bildt geczeugt uff ein bredt gesatzt zcu welchen teglich das volck andacht geschepfft, ein zculawffen mitt gelobden gwurdn, Das ettlich geltt an opffer und testamenten gefalln.859
Von diesem Geld ließ die Gemeinde regelmäßig in der Kapelle Messen halten. Sofern eine Wallfahrt nicht an einer Pfarrkirche bestand, stellt sich die Frage, welche Geistlichen Messen hielten. Aus dem Rechnungsbuch der Wallfahrt nach Wersdorf lassen sich interessante Erkenntnisse zu dieser Frage gewinnen. Zwei Messen an Wochentagen wurden von zwei Kaplänen des unweit gelegenen Benediktinerinnenklosters Heusdorf gehalten.860 Die Beschränkung dieser Ausgabe auf die Woche lässt vermuten, dass es eine Regelung zur Beteiligung des Pfarrers an Sonn- und Feiertagen gab, wie dies unten für andere Gnadenorte beschrieben wird. Weiterhin wurde aber ein Vikar aus Niederroßla entlohnt, der zu bestimmten Heiligenfesten, also an Tagen mit vielen Besuchern, da predigen und das volgk zcu andacht reitzen sall.861 Sehr erfolgreiche Wallfahrten konnten regelrechte Konjunkturprogramme darstellen.862 Aber auch bei kleinerem Umfang gab es einen positiven Effekt für die Kirchenkasse. Zumindest konnten die Wallfahrer bewirtet werden und ließen kleine Spenden in der Kirche. Solche Hoffnungen machten sich sicherlich auch die Leute von Mühlberg, als sie 1513 unter tatkräftiger Beteiligung des Erfurter Stadtrates eine Wallfahrt zu einer Heilig-Kreuz-Kapelle bei dem Dorf einrichteten.863 Die Kapelle lag in der Flur des Dorfes an einer vielbegangenen Straße.864 Gleich den Mühlberger Einwohnern erhoffte sich der Rat, dass die Menschen sich der Kapelle geneigt zeigen würden.865 Gleichzeitig stellte dieser Ort nun auch ein gewisses Sicherheitsrisiko dar. Der Mühlberger Amtmann sollte Ungewöhnliches, was sich bei der Kapelle zutrage, sofort ins Rathaus melden.866 Kirchliche wie weltliche Autoritäten misstrauten den Entwicklungen in Wallfahrtsorten 859 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 212, fol. 1r–1v. Zu dieser Akte vgl. HERRMANN, Wallfahrtsort; WEISS, Pilgerreisen, S. 15 f. und Kap. II.2.4 dieser Arbeit. 860 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 4049, fol. 63r. 861 Ebd. 862 MÖTSCH, Grimmenthal, v. a. S. 57‒61. 863 WEISS, Bürger, S. 105 f.; WEISS, Landschafft, S. 68 f.; BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 164. Der Rat erbat die Steine vom Abt des Klosters Georgenthal. Selbst steuerte er Holz bei; StAE, 1-1/XXI-1b, 1, liber communium 1516/1517, fol. 9r. Die Weihe der Kapelle erfolgte 1516; BÜNZ, Klerus II/2, S. 456. 864 BRUNS/WECZERKA, Handelsstraßen II, S. 354. KÜHNE, Ahrensbök, S. 63, macht darauf aufmerksam, dass sich viele Gnadenorte in der Nähe von Hauptstraßen befanden und fragt, ob sich die religiöse Mobilität immer von anderen Formen des Reisens trennen lässt. 865 WEISS, Bürger, S. 105. 866 StAE, 1-1/XXI-1b, 1, liber communium 1516/1517, fol. 13v.
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meist. Wie die oben behandelten Kapellenstiftungen stellte eine Wallfahrtskapelle einen Eingriff in den Pfarrbann dar. Um Streitigkeiten entgegenzuwirken, veranlasste der Rat, dass das in der Kapelle auf den Altar geopferte Geld dem Pfarrer zukommen sollte.867 Die Verteilung der Oblationen war bei bedeutenderen Wallfahrtskirchen wegen der hohen Besucherzahlen natürlich noch umstrittener, der Streit in den üblichen Bahnen wohl noch intensiver. 868 Bei solchen Auseinandersetzungen zwischen Pfarrer und Laien standen auf der Laienseite einmal mehr die Alterleute oder Kirchenmeister. War eine Wallfahrtskirche nicht ohnehin Pfarrkirche, bildete sich für die Kapelle ebenfalls eine gesonderte Kirchenfabrik. Diese stand nach bekanntem Muster unter der Verwaltung von zwei Laien aus der Gemeinde. So ist es für Mühlberg belegt und so findet es sich auch im Rechnungsbuch der Wallfahrt nach Wersdorf bei Apolda.869 Dieses Rechnungsbuch stellt eine besondere Quelle zu den materiellen Auswirkungen einer Wallfahrt dar. Es setzt 1515 ein und dokumentiert den Bau einer Kapelle bis zum Jahr 1517.870 In den ersten beiden Jahren wurden Einnahmen in Höhe von 320 bzw. 400 Gulden erzielt. Verglichen mit den Erträgen einer Großwallfahrt waren dies bescheidene
867 Ebd., fol. 76v. 868 Vgl. COTTIN, Merseburg, S. 333 f. zu dem Streit um die Einnahmen der Wallfahrt nach Horburg zwischen dem dortigen Pfarrer und den Alterleuten; vgl. weiterhin MÖTSCH, Henneberg, S. 159 f. zu dem komplexen Streit um die Einkünfte der Wallfahrt nach Grimmenthal. Um dies zu verdeutlichen, soll auf den Streit zwischen den Bischöfen von Naumburg und Bamberg um die Opfergelder von der Wallfahrt zum Burgstein im Vogtland verwiesen werden. In einer Vergleichsurkunde wurde 1487 festgehalten, dass zwei Verwalter eingesetzt würden, die jährlich beiden Bischöfen Rechnung legen sollten. Die Opfer sollten hälftig aufgeteilt werden; Domstiftsarchiv Naumburg, Liber flavus, fol. 3r, fol. 5v; Stiftsarchiv Zeitz, Cat.pag.51, Nr. 1, fol. 98v. Dahinter verbarg sich ein komplexer Streit um die Patronatsrechte und die Zuständigkeit für diese Kirche; vgl. BUNDSZUS, Burgstein, v. a. S. 22–24; BUNDSZUS, Nachtrag. 869 Die Verwaltung der Mühlberger Kapelle durch die Ältesten des Dorfes: StAE, 1-1/XXI-1b, 1, liber communium 1516/1517, fol. 8v; für Wersdorf: KÜHNE, Wersdorf, S. 403. Auch für Grimmenthal ist dieses Organisationsprinzip nachgewiesen; MÖTSCH, Rechnungen, S. 161. 870 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 4049. In der bis 1519 reichenden Rechnung wurde ein Schieferdecker aus Thamsbrück für das Decken der Spitze des Turmes oder Dachreiters der Kapelle bezahlt; ebd., fol. 64v. Der Bau wurde also unmittelbar vor den Einwirkungen der Reformation fertig. Vgl. zu diesem Prozess in Wersdorf unten Kap. II.2.4. Parallel zum Bau der Kapelle errichteten die Verwalter auch ein Gasthaus, von dessen Einnahmen die Kasse der Wallfahrt profitierte.
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Summen,871 verglichen mit dem Haushalt einer normalen Dorfkirche jedoch sehr hohe Beträge.872 Wie sich eine Wallfahrt über Jahrzehnte entwickeln konnte, zeigt Ziegenhain bei Jena. 1424 stiftete Albrecht von Kirchberg eine Vikarie in einer Marienkapelle im Dorf.873 In dieser Zeit wurde mit dem ambitionierten Neubau eines Chores begonnen. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde dieser bereits stattliche Bau um ein dreischiffiges Langhaus erweitert,874 was nicht zuletzt durch die Einnahmen der Wallfahrt möglich war. 875 Das Visitationsprotokoll von 1529 zeigt die große Menge an Ausstattungsstücken, die sich bis zur Reformation in der Kirche angesammelt hatte. Neben vielen Paramenten und Vasa Sacra finden sich darunter Votive und ein kristallener Reliquienbehälter.876 An anderen ehemaligen Wallfahrtskirchen lässt sich die wirtschaftliche Entwicklung in gleichem Maße bis heute an der Größe und der Ausführung des Baus beobachten. Gute Beispiele finden sich in Ziegelheim und Vierzehnheiligen.877 In Hochheim bei Gotha gab es wohl eine Wallfahrt zu einem schlichten Reliquiar mit den Handknochen des hl. Nikolaus. Hier hatte die Kirche selbst ein Weinschankrecht.878 Weitere Details über die Organisation und den Erfolg der Wallfahrt sind nicht bekannt. 879 Überhaupt fehlen in den Quellen über die 871 KÜHNE, Wersdorf, S. 404 f. In Grimmenthal wurden im Jahr 1500 Gesamteinnahmen des zurückliegenden Rechnungsjahres von 2630 Gulden aufgeführt; MÖTSCH, Grimmenthal, S. 211. 872 Zu den finanziellen Auswirkungen einer Wallfahrt mit elsässischen Beispielen vgl. CLEMENTZ, Nahwallfahrten, S. 119 f. 873 UB Bürgel, Nr. 318, S. 353. 874 MÜHLMANN, Ziegenhain; MÜLLER, Jena. 875 MÜHLMANN, Ziegenhain, S. 191, nennt 400 Gulden jährliches Einkommen der Kirche in den sechziger Jahren. 876 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 125r–126v. Zu den Votiven: In Wersdorf wurde ein gesondertes Gerüst in der Kirche aufgestellt, um Wachszeichen daran aufzuhängen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 4049, fol. 63v. 877 DEHIO, S. 1268 f., S. 1418 f. HALLOF/HALLOF, Inschriften, S. 41 f. zu den aussagekräftigen Bauinschriften an der Kirche zu Vierzehnheiligen. Zu Vierzehnheiligen vgl. PETZOLD, Vierzehnheiligen. Zu Ziegelheim vgl. MAGIRIUS/MAI, Dorfkirchen, S. 23. Vgl. auch HANETZKY, Wallfahrtskirchen und ihre angekündigte Dissertation zu „Spätmittelalterliche Wallfahrt in Thüringen und deren Bauten“. Weiterhin gibt es noch einige Beispiel für die Vielzahl der Ausstattung in Gnadenorten, so etwa die vielen erhaltenen Altartafeln aus der Kirche in Heilsberg, die sich in situ, im Bestand der Weimarer Klassik-Stiftung (HOFFMANN, Kat. Weimar, S. 63–67) und im Thüringer Museum Eisenach befinden. 878 GALLETTI, Gotha III, S. 151; TRÜBENBACH, Beiträge, S. 30. 879 KÜHNE, Wersdorf, S. 407‒410, machte auf Pilgerzeichen einer unbekannten Nikolaus-Wallfahrt im thüringischen Raum aufmerksam und stellt eine Verbindung zur Wallfahrt nach Nikolausberg bei Göttingen in den Raum.
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Wallfahrten Zahlen über den Besuch – auch die Mirakelbücher präsentieren nur eine Auswahl der Besucher und lassen kaum quantitative Rückschlüsse zu. Selbst wenn eine Wallfahrt in bescheidenem Umfang verblieb, konnten Dorfkirchen davon erheblich profitieren.880 Die Wallfahrtskirchen können nicht mit anderen Dorfkirchen verglichen werden. Hier boten sich extraordinäre wirtschaftliche Bedingungen, die sowohl größere Bauten und eine vielfältigere Ausstattung als auch umfangreichere liturgische Stiftungen ermöglichten.
4.11. Regionaler Vergleich innerhalb des Untersuchungsgebietes Eine ländliche Sakraltopographie des thüringischen Raumes in der Vorreformationszeit wurde in der bisherigen Forschung nicht deutlich umrissen. Zwar zeigen die vorangegangen Teilkapitel und die Tabellen im Anhang einmal mehr die Bedeutung des Subsidienregisters von 1506, jedoch bleibt diese Quelle auf die Ebene der Benefizien beschränkt. Daher enthält sie etwa keine Nachweise über Messstiftungen und Bruderschaften. Ein qualitativer und quantitativer Vergleich eines größeren Raumes ist jedoch nur durch die Aufnahme der Messstiftungen, Bruderschaften, Spenden, etc. in diese Topographie möglich. Durch die Heranziehung der Visitationsprotokolle und weiterer einzelner Quellen konnte dieses Bild im Vorangegangen erweitert werden. Jedoch lässt keine Quelle in diesem Zusammenhang einen Anspruch auf Vollständigkeit zu. Anhand der Visitationsprotokolle lässt sich dies deutlich zeigen: Zunächst ist methodisch zu bedenken, dass die Protokolle in der Auflösung dieses Systems oder gar einige Jahre danach angefertigt wurden. Über die spätmittelalterliche Sakraltopographie waren bereits die Jahre der frühen Reformation hinweggegangen. Die Protokolle zeigen an vielen Stellen bereits kein vollständiges Bild mehr und es ist unsicher, wie viele Stiftungen ungenannt blieben. Dies ist unter anderem auch auf die Art der Visitationen zurückzuführen. Bei den Mittelpunktvisitationen in den Amtsorten waren die Visitatoren auf die Auskünfte der Gesandten der Gemeinde und des Pfarrers aus den Orten angewiesen.881 Zwar kam es dabei nicht zu einer prinzipiellen Verweigerung, und es ist nicht davon auszugehen, dass ein großer Teil der Stiftungen fehlt, allerdings erkennt man Fehlstellen aus der Quelle selbst. Viele Stiftungen erscheinen nicht in der eigentlichen Aufnahme der Institutionen, sondern nur durch Streitfälle
880 1463 wallte eine Gruppe Personen aus Altenburg zu einem Marienbild in Tegkwitz, die Kirchenfabrik erhielt 30 Groschen; REINHOLD, Tegkwitz, S. 134. 881 Vgl. unten z. B. Kap. III.4.
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oder durch Präsenzzahlungen.882 Also dürften einige Einrichtungen in den Protokollen nicht erscheinen, wenn es zur Zeit der Visitation keinen Streit um ihre Ausstattung gab.883 Auch der direkte Vergleich mit dem Subsidienregister zeigt Vor- und Nachteile. Zwar werden viele Benefizien genannt, die im Subsidienregister fehlen – also wohl zum größten Teil nach 1506 entstanden sein dürften –, andererseits fehlen auch einige Stiftungen, die im Subsidienregister genannt sind. Neben einigen Fällen, in denen Stiftungen nach 1506 aufgelöst worden sein dürften, deutet dies wohl auch auf die Unterschlagungen der frühen Reformationszeit hin.884 In der Art der Erwähnung liegt ein weiteres Problem der Visitationsprotokolle begründet. In den meisten Fällen erfolgen keine Angaben über den Stifter, die Art der Stiftung, den Zeitpunkt der Stiftung und die liturgische Ausgestaltung. Oft sind es reine Nennungen. Die herangezogenen Urkunden, Kirchenrechnungen etc. zeigen diesen Schwachpunkt deutlich auf. Gleichzeitig wird sichtbar, dass sich ein komplexeres Bild zeichnen lässt, wenn bei Einzelbeispielen neben dem Subsidienregister und den Protokollen weitere Quellen herangezogen werden. Ein eklektischer Vergleich lässt einige Rückschlüsse zu, wenn man von einer prinzipiellen Vergleichbarkeit der dörflichen Gemeinden ausgeht (etwa im Falle der Sebastiansbruderschaften). Eine umfassende ländliche Sakraltopographie Thüringens wird erst durch weitere regionale Teilstudien und die großflächige Auswertung weiterer Einzelquellen möglich sein.885 Worin liegen nun bei diesen Nachteilen die Chancen dieser Methode? Zunächst konnten viele bisher gänzlich unbekannte Stiftungen und Einrichtungen aufgezeigt werden. So existierten etwa über Bruderschaften auf dem Land in Thüringen bisher nur einzelne Hinweise. Aus der Auflistung der finanziellen Verbindungen in den Protokollen konnte in vielen Fällen auf eine personelle Verbindung und somit auf den Träger der Stiftung oder die Urheberschaft geschlossen werden. Die Einzelbeispiele und die Tabellen im Anhang stellen somit für die lokal-, regional- und landeshistorische Forschung vielfältige Ansatzpunkte bereit. Weiterhin verraten die Protokolle viele Details über die einzelnen Elemente der Sakraltopographie, die in anderen Quellen fehlen, wie etwa Patronatsrechte und finanzielle Umfänge. Der größte Vorteil ist jedoch ein möglicher regionaler und quantitativer Vergleich. Mit den Visitationsprotokollen existieren serielle Quellen, die für einen großen Bereich, im selben Zeitraum und nach beinahe 882 883 884 885
Dies betrifft etwa viele Bruderschaften, vgl. oben Kap. I.4.7. Auch fehlen einige Stiftungen, die aus anderen Quellen bekannt sind. Vgl. unten Kap. II.2.1. So war es bisher nicht möglich, Urkundenbestände aller in Frage kommenden Archive komplett zu sichten.
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gleichen Maßstäben erstellt wurden. Das beste Beispiel ist das ernestinische Protokoll von 1533. Hier wurden verschiedene Gebiete des kurfürstlichen Territoriums einheitlich erfasst. Dies betrifft jeweils qualitativ verschiedene Regionen (Alt- und Neusiedelland, Thüringer Becken und Gebirge, etc.). Wenngleich sich die einzelnen Protokolle in Details unterscheiden, sind so dennoch die Quellen verschiedener Herrschaften vergleichbar. 886 Leider sind keineswegs für alle Herrschaften des thüringischen Raumes Protokolle aus der Frühzeit der Reformation vorhanden (schwarzburgische Unterherrschaft, Erfurter Landgebiet, kirchliche Gebiete). Für diese Gebiete kann das Folgende nur eingeschränkt gelten. Im Falle des Erfurter Landgebietes stellt das sogenannte Pfarrlehenbuch auf dem Lande887 einen Ersatz dar. In einer Auswertung der vorangegangenen Kapitel soll der Fokus auf diesen regionalen Vergleich gelegt werden. Neben der Beschreibung grundlegender Phänomene wurden hierfür Karten erstellt, die die Verteilung einzelner Elemente zeigen. Grundsätzlich lassen sich die Bauern und der Adel als die beiden Träger der ländlichen Sakraltopographie ausmachen. Dies gilt nicht nur für die Region insgesamt. Auch in vielen einzelnen Orten findet sich ein Nebeneinander von gemeindlichen und adligen Stiftungen. Besonders wird dies in den großen Dörfern des Thüringer Beckens sichtbar. So finden sich in Bilzingsleben und Großengottern gar Vikarien mit adligem bzw. gemeindlichem Patronat in einem Ort.888 Selbst eine Koexistenz von kirchlichen Rechten verschiedener Adelsfamilien in einem Dorf kann in einigen Fällen festgestellt werden. Selbstverständlich wird der adlige Einfluss in den jeweiligen Herrschaftszentren am deutlichsten. Prominente Beispiele sind die Grafen von Gleichen, die in Gräfentonna über eine Vielzahl an Rechten verfügten, und die Herren von Wangenheim mit ihren vielen Stiftungen in den größeren Dörfern ihrer Herrschaft. Diese beiden Exempel werfen zusätzlich die Frage auf, ob es praktische Unterschiede in den Möglichkeiten der Kirchenpolitik zwischen reicheren Niederadelsfamilien und ärmeren Grafen gab. Innerhalb des Niederadels sind freilich enorme Unterschiede festzustellen. Insgesamt hatte der Adel für die Ausbildung der ländlichen Sakraltopographie freilich eine sehr hohe Bedeutung. Bisher fehlen aber Nachweise für Fernwallfahrten, Reliquiensammlungen oder Ähnliches; die Stiftungen bleiben der wichtigste Zugang zur Frömmigkeit der Adligen und dem daraus resultierenden Engagement vor Ort. Dies zeigt sich etwa im Vogtland, wo nur wenige, wichtige Adelsfamilien genügend Kapital akkumulieren konnten, um umfangreichere Stiftungen zu tätigen – Benefizien finden sich nur in Teich886 Die Durchführung der Visitationen in den schwarzburgischen und albertinischen Gebieten nach ernestinischem Vorbild stellt an dieser Stelle einen großen Glücksfall dar. 887 StAE, 1-0, A VIII-3a; vgl. unten Kap. I.6. 888 Vgl. oben Kap. I.4.3.
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wolframsdorf und Wolfersdorf, größere Stiftungen der Gemeinden fehlen.889 In vielen Kirchen zeigen die Grabmäler die Stellung der jeweiligen Familie und ihres Totengedenkens in dem Ort.890 Bereits der Vergleich des gesamten kirchlichen ‚Angebotes‘ in den Dörfern des Untersuchungsgebietes zeigt große Unterschiede. Im Thüringer Becken gab es in vielen Dörfern und Flecken eine sakrale Vielfalt, die größer war als in mancher Stadt. Einige Beispiele: In Großengottern gab es zwei Pfarrkirchen, sechs Benefizien, eine Bruderschaft und ein Hospital.891 Im direkt benachbarten Altengottern gab es ebenfalls zwei Pfarreien, vier Vikarien, ebenfalls eine Bruderschaft und ein Leprosorium. In Kirchheilingen gab es gar drei Pfarrkirchen, eine Vikarie und eine Bruderschaft. In Herbsleben gab es zwar nur eine Pfarrkirche, allerdings zwei zusätzliche Kapellen, insgesamt sechs Vikarien, zwei Bruderschaften, ein Hospital und einen Sondersiechenhof.892 Würde man Kategorien der Dörfer aufstellen, folgte auf diese absoluten Einzelfälle eine Gruppe mit Dörfern, die ebenfalls allesamt in Zentralthüringen liegen. Hier gab es, meist durch adligen Einfluss oder den Einfluss des Erfurter Stadtrates, ebenso eine differenzierte sakrale Vielfalt mit Benefizien, Bruderschaften oder auch Hospitälern. Dazu gehören etwa die wangenheimschen Dörfer Wangenheim, Sonneborn und Haina, weiterhin die erfurtischen Amtsdörfer Großvargula und Mühlberg, das ernestinische Molschleben sowie die albertinischen Orte Neunheilingen, Straußfurt, Sundhausen bei Tennstedt und Schönstedt. Aus dieser deutlichen regionalen Ordnung fallen nur wenige Orte mit Stiftungsvielfalt heraus. Dies sind Beutnitz, Kapellendorf und die beiden Großpfarreien Neunhofen und Krölpa.893 Vergleicht man diese Gruppen mit ungefähren Einwohnerzahlen aus dem 16. Jahrhundert, fällt eine deutliche Struktur auf.894 Die erste Gruppe bilden Orte, 889 Vgl. die Nachweise aus dem ältesten Visitationsprotokoll; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2. 890 Ein Beispiel bieten etwa die Grabmäler der Familie von Wangenheim in Wangenheim. 891 Hier und im Folgenden vgl. die Tabellen im Anhang für die Nachweise. 892 Auch Gebesee und Gräfentonna könnten noch dieser Gruppe zugeordnet werden. Selbstverständlich gab es in diesen Dörfern auch einfachere Stiftungen, wie sie sich flächendeckend finden. 893 Zu den besonderen Umständen der Vielfalt in Beutnitz vgl. VOIGT, Inkluse, bes. S. 363, S. 370–373, S. 379 f. sowie MÜLLER, Jena. 894 Einwohnerzahlen sind freilich nicht überliefert. Die folgenden Zuordnungen beruhen auf den Häuserzahlen bei KOERNER, Bevölkerungsverteilung, S. 245–301; vgl. den entsprechenden Abschnitt in der Einleitung. Es sei daran erinnert, dass Koerner vorrangig Häuserzahlen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sammelte und die Bevölkerung im 16. Jahrhundert stark anstieg. Dennoch können die Zahlen für einen groben Vergleich verwendet werden. Die Bevölkerungszunahme erfasste alle Gebiete
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die alle zwischen 500 und über 1000 Einwohner hatten. In der zweiten Gruppe finden sich erneut sehr große Orte. Mühlberg und Großvargula hatten wohl ebenfalls über 1000 Einwohner. Allerdings finden sich hier auch Orte mit unter 500 Einwohnern wie die wangenheimschen Dörfer, Straußfurt und Sundhausen. Die Orte, die außerhalb des Thüringer Kernlands eine Stiftungsvielfalt entwickelten, konnten dies nur durch äußere Umstände. Beutnitz, Krölpa und Neunhofen hatten jeweils zwischen 30 und 40 Häuser, also wohl weniger als 250 Einwohner. Viele weitere Dörfer verfügten über interessante Stiftungen, Bruderschaften oder Hospitäler, doch bildete sich keine Vielfalt heraus. In den meisten Dörfern abgelegenerer Gebiete wie dem Holzland, dem Oberland oder dem Vorland des Thüringer Waldes gab es nur einzelne zusätzliche Messstiftungen.895 In ebendiesen Gebieten wuchs auch die Größe der Pfarreien. Im Gegensatz zum Thüringer Becken, wo nur wenige Dörfer Filialen waren und viele Dörfer gar mehrere Pfarrkirchen besaßen, gehörten hier oft drei oder mehr Dörfer zu einer Pfarrei; bis hin zu den beiden Großpfarreien Krölpa und Neunhofen mit 13 bzw. 29 Filialorten. Lediglich Seelmessen und einfache Jahrtagsstiftungen bestanden in allen Gebieten. Selbstverständlich gab es aber auch in diesen Regionen einzelne Bruderschaften (Weisbach), Kapellen (Gräfinau) oder Hospitäler (Langewiesen). Die geringere Größe der Orte führte natürlich auch zu einem geringeren Bedarf an geistlicher Versorgung. Oft konnte wohl der Pfarrer allein die Seelsorgepflichten erfüllen.896 Neben der Erweiterung der geistlichen Versorgung, die oft in den Quellen erscheint, spielte auch die Aufrechterhaltung der kirchlichen Grundversorgung eine wichtige Rolle bei den Stiftungen.
gleichermaßen, aber wohl die größeren Dörfer und die dichter besiedelten Gebiete in noch stärkerem Maße, sodass das Verhältnis zwischen großen und kleinen Dörfern gewahrt blieb. Die naturräumlichen Gegebenheiten bildeten konstant die Grundlage für die Größe der Orte. 895 Selbstverständlich gab es in diesen Gebieten in den Dorfkirchen auch mehrere Altäre, nur verfügten diese in der Regel nicht über eigene Benefizien. KOCH, Pfarrkirche, S. 323, verwies auf den Beschluss des Mainzer Provinzialkonzils 1261, wonach es pro Dorfkirche maximal drei Altäre geben sollte, was freilich oft nicht eingehalten wurde. HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 296 mit dem Nachweis für drei Altäre im sehr kleinen Piesigitz. 896 HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 262, vermutete, dass ab etwa 100 Haushalten wegen der vielen Verpflichtungen ein Kaplan zur Unterstützung des Pfarrers nötig war. Weiterhin führte eine höhere Einwohnerzahl natürlich auch zu mehr Oblationen, die der jeweilige Geistliche erhalten konnte. Gleiches gilt für die Kalande und Laienbruderschaften; vgl. PRIETZEL, Klerikerbruderschaften, S. 91.
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Abb. 18: Bevölkerungsdichte Thüringens Ende des 16. Jahrhunderts
Die Ursache für diese starke regionale Abnahme der Stiftungsvielfalt liegt in der Finanzierbarkeit der Frömmigkeit. Wie gezeigt wurde, konnten bäuerliche Gemeinden nur gemeinsam für größere Stiftungen aufkommen. 897 Somit ist zunächst die Einwohnerzahl der großen Dörfer des Thüringer Beckens anzuführen. Viele Einwohner konnten eine Grundlage für viele parallele Stiftungen bieten. Auch die Adelsfamilien in diesen Gebieten (etwa die Wangenheim, die Hopfgarten und die Heilingen) profitierten von höheren Abgaben ihrer Untergebenen. Die Ursache hierfür ist freilich in der Bodenqualität zu suchen. Die besseren Böden boten mehr Menschen eine Lebensgrundlage und ermöglichten höhere Gewinne, von denen etwa Benefizien unterhalten werden konnten. Wie aufgezeigt wurde, bestand der Großteil der Lehenseinkünfte von Pfarrern und Vikaren nach wie vor aus Naturalien, deren Erwirtschaftung langfristig sichergestellt sein musste. Die Qualität des Bodens war für die ländliche Gesellschaft der entscheidende Wert.898 Zum Vergleich werden Ergebnisse der historischen Geographie anhand der Steuerregister des 16. Jahrhunderts herangezogen (Abb. 18). 897 HIPPENMEYER, Nachbarschaft, S. 20, stellte ebenfalls fest, dass ein deutlicher Großteil der öffentlichen Stiftungen in dörflichen Kirchen auf die gesamte jeweilige Nachbarschaft eines Dorfes zurückzuführen ist. 898 Vgl. den entsprechenden Abschnitt „Wirtschaftliche, soziale und rechtliche Grundlagen des dörflichen Lebens“ in der Einleitung dieser Arbeit.
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Diese stellen die frühesten vorsichtig verlässlichen Zahlen zur Bevölkerungsverteilung Thüringens dar.899
Abb. 19: Orte mit zwei oder mehr Pfarrkirchen, mit einem Kreuz hervorgehoben
Diese regionale Konzentration wird auch bei den einzelnen Elementen der Sakraltopographie deutlich. Abbildung 19 zeigt die Verteilung der Orte, in denen es zwei oder mehr Pfarrkirchen gab (vgl. Anhang 4). Sichtbar wird ein nierenförmiger Bogen zwischen Mühlhausen und dem östlichen Thüringer Becken. Die größte Konzentration ist in den Dörfern entlang der Unstrut um Langensalza erkennbar. Der Großteil der südlichen Ausreißer ist auf die Siedlungsstruktur der Dörfer zurückzuführen; meist handelt es sich um Orte mit zwei Siedlungskernen. Die Ursachen für das Vorhandensein mehrerer Pfarrkirchen in einem Ort sind bisher nicht erforscht.900 Grundsätzlich sei auf die hohe Bevölkerungszahl in den Dörfern dieser Region (vgl. Abb. 18) und die damit verbundene Möglichkeit des Unterhaltes mehrerer Pfründen und Bauten hingewiesen. Die genauen Zusammenhänge der Entstehung dieser Kirchen stellen, wie 899 KOERNER, Bevölkerungsverteilung. Zur Auswertung dieser Quellen vgl. EBERHARDT, Türkensteuerregister, bes. S. 31‒39. 900 Vgl. SCHULZE, Pfarrorganisation, S. 44; BÜNZ, Klerus I, S. 118; KOCH, Pfarrkirche, S. 319, führt dies auf verschiedene Eigenkirchen verschiedener im Dorf begüterter Grundherrschaften zurück.
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auch die Geschichte des Eigenkirchenwesens, ein großes landeshistorisches Forschungsdesiderat dar. Zumindest fällt auf, dass in vielen der Orte eine Kirche mit einem Wigbertpatrozinium neben einer Kirche mit einem Patrozinium der ältesten Schicht steht, sodass die Ursachen wohl bereits in den Missionswellen zu suchen sind.901
Abb. 20: Hospitäler in Dörfern, hervorgehoben mit einem Kreuz
Abbildung 20 zeigt die räumliche Verteilung der nachgewiesenen Hospitäler und Leprosorien im ländlichen Raum (Vgl. Anhang 3). Auch hier wird eine deutliche Konzentration auf das Thüringer Becken deutlich. Wie im Kapitel I.4.6 angesprochen, ist diese Karte jedoch nur bedingt für den regionalen Vergleich heranzuziehen. Die jeweiligen Entstehungsumstände sind zu komplex, unbekannt (Langewiesen, Dorndorf) oder sie sind auf die jeweiligen Herrschaftsbereiche reicher Adelsfamilien zu beziehen (Sonneborn). Dennoch zeigt die Karte, dass die Verteilung der Hospitäler und Leprosorien ebenfalls den oben skizzierten Gebieten mit einer differenzierten Stiftungsvielfalt folgt.
901 Zur Patrozinienforschung vgl. den Überblick bei FLACHENECKER, Patronzinienforschung.
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Die Verteilung der Laienbruderschaften zeigt ein ähnliches Bild (Abb. 21). Die Kalande wurden in diese Karte nicht mit aufgenommen, da sie auf der kirchlichen Organisation beruhten oder auf Initiative des Adels oder der Priesterschaft gebildet wurden, selbst wenn Laien aus der Landbevölkerung Mitglied sein konnten. Die Kalande an Sedesorten gingen auf ältere kirchliche Verwaltungseinheiten zurück und waren wohl relativ flächendeckend vorhanden.
Abb. 21: Laienbruderschaften in Dörfern
Die Laienbruderschaften als typisches Element der Frömmigkeit des 15. Jahrhunderts zeigen eher die Gebiete, in denen sich diese Frömmigkeit auch institutionell niederschlug. Wie gezeigt wurde, konnte auch bei den Laienbruderschaften der Adel eine wichtige Rolle einnehmen und wahrscheinlich auch als Stifter auftreten. Besonders an den Sebastiansbruderschaften und der Schwarzburger Annenbruderschaft wurde dies deutlich. Dennoch sind Bruderschaften nur durch eine gewisse Zahl an Mitgliedern denkbar. Beteiligt am bruderschaftlichen Leben waren auf dem Land immer auch die Bauern. An einigen Beispielen konnte gezeigt werden, dass diese auch als Stifter einer Bruderschaft auftreten konnten (Großmonra, Schwerstedt). Die regionale Verteilung zeigt erneut eine starke Konzentration auf das Thüringer Becken und die angrenzenden Gebiete. Im Gegensatz zu den vorherigen Karten gibt es aber deutlichere Ausreißer sowohl im Westen (Lauchröden, Marksuhl) als
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auch auf der Ilm-Saale-Platte in kleineren Dörfern (Krippendorf, Hermstedt).902 Prinzipiell sind Bruderschaften in allen Regionen denkbar. Sie erforderten geringere finanzielle Aufwendungen und waren so auch von wenigen und ärmeren Bauern zu tragen. Im Thüringer Becken verdichten sich die Nachweise über reicher ausgestattete Bruderschaften, die einen eigenen Altar mit einem Benefizium und Altarausstattung besitzen konnten, wie vor allem die Großengotterner Jakobusbruderschaft zeigte. Diese Ausnahmen konzentrieren sich in den großen Dörfern.903
Abb. 22: Eindeutig gemeindliche Benefizienstiftungen
Selbst wenn die Rolle des Adels in allen Kapiteln deutlich wird und auch in den reicheren Regionen einen hohen Stellenwert hatte, darf der Einfluss der Dorfgemeinde auf das kirchliche Leben vor Ort nicht unterschätzt werden. Ein Kriterium, diesen Einfluss abzugrenzen, bilden die Benefizien, die eindeutig auf die Gemeinde zurückzuführen sind. In die obenstehende Karte (Abb. 22) wurden 902 Inwiefern diese Bruderschaften in kleineren und ärmeren Dörfern mit den später nachgewiesenen Wüstungsgenossenschaften gleichzusetzen sind, ist in Zukunft zu untersuchen. Vgl. beispielhaft zu deren Organisation BOBLENZ, Barkhausen; BOBLENZ, Wenigenschallenburg sowie den knappen Überblick BOBLENZ, Wüstungsgenossenschaften. 903 Vgl. die Hauszahlen bei KOERNER, Bevölkerungsverteilung, S. 245–301.
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Vikarien und Kommenden in Pfarrkirchen und Kapellen aufgenommen, die unter gemeindlichem Patronat (sofern bekannt) standen oder von der Gemeinde gestiftet wurden.904 Ein methodisches Problem liegt in den vielen unbekannten Patronatsrechten. Es ist wahrscheinlich, dass unter diesen weitere gemeindliche Benefizien zu finden sind. Die vorhandene Quellenlage erlaubt jedoch keine weiteren Zuweisungen. Es wurde bereits auf Vikarien hingewiesen, an deren Stiftung und Ausstattung die Gemeinden beteiligt waren, ohne das Patronatsrecht auszuüben. Jedoch drückt dieses Recht die Kontrolle über eine Stiftung und eigene bedeutende kirchliche Rechte aus und kann somit als Kriterium herangezogen werden. Prinzipiell ist auch an dieser Stelle eine Konzentration auf das Thüringer Becken sichtbar. Jedoch fehlt die absolute Verdichtung im Gebiet um Langensalza. Dies liegt zum Teil in der starken Rolle der großen Adelsfamilien in dieser Region begründet. Von den vielen Orten mit zwei Kirchen oder einer Bruderschaft in diesem Gebiet gelang es nur der Gemeinde Großengottern, ein (wenn auch alternierendes) Patronatsrecht zu erlangen. Neben weiteren Orten im albertinischen Territorium (Herbsleben, Schwerstedt) fällt insbesondere die große Zahl der Orte im Erfurter Landgebiet auf dieser Karte auf. Wenn es auch größere Dörfer mit guten Böden betrifft (Dachwig, Walschleben, Udestedt), sind es doch Orte, die sonst nicht mit einer komplexeren Sakraltopographie auffallen.905 Die öfter postulierte größere Freiheit der Gemeinden im Erfurter Landgebiet schlägt sich also auch in der Sakraltopographie nieder. Hier fehlte der Adel als konkurrierende Gruppe; weiterhin waren einige Dörfer auch finanziell in der Lage, ihr gemeindliches Selbstbewusstsein darzustellen. Auch in den Amtsorten treten die Gemeinden als Stifter auf (Tonndorf, Großvargula, Mühlberg). Insgesamt erscheinen die gemeindlichen Patronatsrechte über Benefizien beinahe ausschließlich in Dörfern mit über 500 Einwohnern. Darüber hinaus gab es aber auch kleinere Gemeinden in wirtschaftlich schwächeren Gebieten, die in der Lage waren, ein Benefizium zu errichten oder gar eine Kapelle zu unterhalten (Gräfinau). Das Beispiel der Kommende in Gillersdorf und Herschdorf zeigte, dass kleinere Gemeinden (beide hatten um die 200 Einwohner) nur gemeinsam in 904 Als ‚gemeindliche‘ Patronate werden auch solche verstanden, bei denen nicht die Gemein als Patron genannt ist, sondern Gemeindeämter, also Alterleute oder Heimbürgen, genannt werden. Das Patronatsrecht dient als Hinweis auf den Einfluss, den die Gemeinde erreichen konnte, die Stiftung als solche zeigt meist auch ohne Patronat die materiellen Möglichkeiten eines Ortes, da eine Gemeinde dennoch an deren Finanzierung beteiligt war. Kap. I.4.3 zeigte, dass sich das Patronatsrecht bei gemeinsamen Stiftungen von Pfarrer und Gemeinde sowohl im Besitz des Pfarrers als auch in Besitz der Gemeinde befinden konnte. 905 Für alle drei Dörfer können um 1000 Einwohner angenommen werden; vgl. die Hauszahlen bei KOERNER, Bevölkerungsverteilung, S. 245–301.
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der Lage waren, eine so hohe Stiftungssumme aufzubringen.906 Neben den Fragen der geistlichen Versorgung waren die Stiftungen auch nach außen Ausdruck der gelebten Frömmigkeit im Ort und wichtige Elemente der dörflichen Repräsentation. Der regionale Vergleich verschiedener Elemente zeigt ein deutliches Zentrum der ländlichen Sakraltopographie in Thüringen. Im zentralen Thüringer Becken sowie um Gotha und Erfurt waren durch die besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die höhere Einwohnerzahl der einzelnen Orte die Bedingungen sowohl für den Adel als auch die Gemeinden besser, umfangreichere Stiftungen zu tätigen.907 Innerhalb dieses Gebietes kann differenziert werden. In den Dörfern des westlichen Thüringer Beckens – etwa die Gottern-Orte – und den Dörfern nördlich und westlich von Gotha finden sich die größten Verdichtungen. Dies deckt sich im Detail mit den Bodenwerten und der Bevölkerungsdichte. In allen Karten ist das Nichtauftreten der zum Vergleich herangezogenen Stiftungen in gewissen Regionen ebenso bemerkenswert. Es kann ein vollständiges oder annähernd vollständiges Fehlen dieser Elemente in weiten Teilen Westthüringens, des Kernlandes um Weimar, der schwarzburgischen Oberherrschaft und im ostsaalischen Raum festgestellt werden. Wie angesprochen, kann für die benutzten Quellen keine unbedingte Vollständigkeit angenommen werden, sodass einzelne fehlende Nachweise für diese Regionen nicht ausgeschlossen werden können. Eine deutlich ungenauere Führung der Visitationsprotokolle in den genannten Gebieten kann aber ausgeschlossen werden. Daher ist das Prinzip der regionalen Verteilung nicht in Frage zu stellen. Eine kartographische Darstellung der Messstiftungen wäre methodisch zu ungenau, da die Stifter in den wenigsten Fällen bekannt sind.908 Einzelbeispiele zeigten jedoch, dass dörfliche Gemeinden aus den zuletzt beschriebenen Gebieten ohne Stiftungsvielfalt als Stifter auftreten (z. B. Ellichleben). Das Gebiet mit Nachweisen müsste gegenüber den oben aufgeführten Karten insbesondere um die schwarzburgische Oberherrschaft, wo sich besonders östlich von Arnstadt eine bemerkenswerte Verdichtung zeigt, sowie um das Gebiet um Saalfeld,
906 Diese Zahlen wie die anderen nach KOERNER, Bevölkerungsentwicklung. Allerdings exisitiert für Herschdorf auch die Zahl von 100 Wirten für das Jahr 1533, was mindestens 400 bis 500 Einwohnern entspräche; EINICKE, Reformationsgeschichte II, S. 33. 907 Leider gibt es bisher keine sozialhistorischen Untersuchungen zu diesem Gebiet. Gerade für den Vergleich innerhalb Thüringens wären diese wünschenswert. Zur wirtschaftlichen Lage der Bauern in anderen Gebieten des Landes v. a. vgl. HELD, Anger, S. 47–53 sowie S. 57–65. 908 Weiterhin ist ihre Erfassung in den verschiedenen Quellen sehr unterschiedlich. Im Erfurter Pfarrlehenbuch fehlen sie völlig.
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das Gebiet um Apolda und das Altenburger Land erweitert werden.909 Schließlich gab es Salve-Stiftungen und Seelmessen flächendeckend in allen Regionen. In den wirtschaftlich leistungsfähigsten Gebieten stifteten die Bauern eigene Benefizien und richteten Kapellen und Bruderschaften ein. In den Bereichen mit mittlerer Besiedlung stifteten sie vorrangig einzelne Messen, die der Pfarrer hielt. Diese Abstufung lässt die Frage nach den Preisen der verschiedenen Formen entstehen.910 Ein Salve Regina erforderte wohl eine Stiftungssumme zwischen zehn und 20 Gulden. Für die ewigen Messen, die der Pfarrer oder ein anderer bereits vorhandener Geistlicher hielt, lassen sich Stiftungssummen zwischen 30 und 130 Gulden nachweisen. Ein Benefizium schließlich erforderte deutlich höhere Kosten. Allein für die Pfründe waren zwischen 250 und 600 Gulden nötig.911 Hinzu kamen die Kosten für die Ausstattung des Altares und eventuell für eine Behausung, im Extremfall die Bauunterhaltung einer Kapelle. Insgesamt dürften die Kosten zwischen 500 und über 1000 Gulden gelegen haben. Dabei darf nicht vergessen werden, dass diese Beträge mit Sicherheit aus der dörflichen Oberschicht stammten. Wie erwähnt, gab es die vielzitierte Gemein nicht im eigentlichen Sinne.912 Selbst die nachgewiesenen Seelmessen dürften von reicheren Bauern eines Dorfes stammen. In allen Regionen, auch in den wirtschaftlich schwächeren Gebieten, sind die Urheber der Messstiftungen eher in den reicher begüterten Familien zu suchen. Dagegen ist eine Beteiligung auch ärmerer Schichten durch Spenden zur Einrichtung einer Stiftung aber wohl üblich gewesen. Die Stiftungen folgen den naturräumlichen Gegebenheiten und der Dichte der Besiedlung (Vgl. oben Abb. 1 und 18). Ähnliches zeigen bereits andere 909 Die Häufung von bestimmten Stiftungen im Altenburger Land verglichen mit anderen ostsaalischen Gebieten konnte nicht in einer Karte dargestellt werden, ist jedoch auffällig. Auch dies deckt sich mit den besseren Bodenwerten dieser Region; vgl. SCHLÜTER/AUGUST, Atlas 3, 45. 910 Hartmut Boockmann vermutete als Gesamtkosten (Pfründe, Retabel, Geräte, Bücher, Paramente) für eine Altarstiftung im vorreformatorischen Nürnberg etwa 2000 Gulden; BOOCKMANN, Bürgerkirchen, S. 197; KAT. MARTIN LUTHER, S. 56 f. HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 263, führte für eine ewige Wochenmesse in Thüringen ca. 100 Gulden, für eine Vikarie mehrere hundert Gulden an. Vgl. zu den Kosten einer Messstiftung FUHRMANN, Kirche, S. 80. 911 Vgl. für die Zahlen die Nachweise in den jeweiligen Kapiteln. 1496 verfügte der Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg, dass der Erfurter Weihbischof keine Benefizien mit einer jährlichen Ausstattung von weniger als 24 Gulden weihen sollte; BÜNZ, Klerus I, S. 266. Zumindest aus der Zeit davor gab es diese geringen Pfründen aber natürlich in großer Zahl. Wahrscheinlich lag das durchschnittliche Einkommen in den Städten höher. HERRMANN, Meßpriester, S. 8 f., zeigte, dass in Neustadt/Orla das Mindesteinkommen bei 20 Gulden lag. 912 Vgl. den entsprechenden Abschnitt „Wirtschaftliche, soziale und rechtliche Grundlagen des dörflichen Lebens“ in der Einleitung dieser Arbeit.
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Karten. Wie angesprochen, war die durchschnittliche Größe der Pfarreien im Thüringer Becken deutlich kleiner als in den Gebieten mit schlechteren wirtschaftlichen Bedingungen. Durch die dichtere Besiedlung gab es dort auch deutlich mehr Pfarrdörfer und keine Großpfarreien.913 Selbstverständlich fanden die Einwohnerzahl einer Gemeinde und ihre wirtschaftlichen Fähigkeiten ihren Niederschlag auch in der Größe und der Ausgestaltung der Kirchen selbst.914 Die spätmittelalterliche Sakraltopographie der Dörfer Thüringens ist somit einmal mehr Abbild der Siedlungsgeschichte. Wenn auch prinzipiell landeshistorisch für den thüringischen Raum untersucht, ist die Erkenntnis, dass sich eine differenzierte ländliche Sakraltopographie nur bei guten wirtschaftlichen Voraussetzungen bilden konnte, sicher zu verallgemeinern. Vergleichsuntersuchungen wären wünschenswert. Dabei bieten sich auf dieser Grundlage besonders Gebiete mit sehr guten wirtschaftlichen Voraussetzungen an.915 Außer wenigen Zeugnissen vor Ort hat sich von dieser regen vorreformatorischen Stiftungstätigkeit in den Landgemeinden nichts erhalten. Besonders die Zahl der verschwundenen Kapellen, die vor den Orten bestanden haben, zeigt, wie sehr die spätmittelalterliche Sakraltopographie überformt wurde. Von diesen, den Bruderschaften und den meisten Hospitälern haben sich keine Zeugnisse erhalten. Selbst von einigen zweiten Pfarrkirchen in den Dörfern weiß man nur durch einzelne schriftliche Hinweise.
5. Die Dorfkirche und ihre Ausstattung DIE DORFKIRCHE UND IHRE AUSSTATTUNG
5.1. Kirchenbau Die Grundannahme einer großen Kirchenfrömmigkeit in den Dörfern der Vorreformation zeigt sich ebenfalls in den vielen Kirchen- und Chorneubauten dieser Jahre. Für diesen offensichtlichen Befund hat die Forschung den Begriff ‚Bauboom‘ verwendet.916 Die spätgotische Bauphase gehörte in vielen Regionen des
913 Vgl. die Karte mit den Pfarreien der vier Mainzer Archidiakonate in Thüringen bei KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 34 f.; SCHULZE, Pfarrorganisation, S. 67 f. 914 Dazu MÜLLER, Dorfkirchen, S. 129–133. 915 Für den mitteldeutschen Raum böten sich besonders der Raum um Weißenfels, Merseburg und Halle, die Magdeburger Börde und das Gebiet zwischen Grimma und Meißen an. Aber auch für bestimmte niedersächsische Gebiete, wie die Umgebung Braunschweigs, würde sich eine Untersuchung lohnen. 916 JEZLER, Kirchenbau; BÜNZ, Bauboom; KÜMIN, Parish, S. 186 f. zur Bauwelle in England. PHILIPP, Pfarrkirchen, untersuchte die spätgotische Bauphase anhand der Pfarr-
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Reiches zu den prägendsten Zeiten im Dorfkirchenbau. Wie es zu dieser starken Entwicklung kam, ist nicht eindeutig; sicher ist ein Zusammenspiel aus verschiedenen Gründen, wie der starken Frömmigkeit, einem allgemeinen Bevölkerungswachstum und den praktischen Gründen, die für eine Gemeinde mit einer Kirche im Ort verbunden waren. 917 Bauauslösend konnten auch konkrete strukturelle Umstände sein.918 Bereits an anderer Stelle wurde darauf verwiesen, dass die Gemeinde die Baulast für ihre Kirche trug und sich diese Ausgaben in den Kirchenrechnungen finden.919 Jedoch sind diese Quellen für das Spätmittelalter keineswegs in größeren, geschlossenen Beständen überliefert. Bauarbeiten an ihrer Kirche mussten sich die Kirchenfabriken von einer bischöflichen Autorität genehmigen lassen, im Falle des thüringischen Teils des Erzbistums Mainz vom geistlichen Gericht in Erfurt. Für viele Dörfer lassen sich diese Bauindulte aus den Sieglerrechnungen des geistlichen Gerichtes nachweisen. So erwarben die Alterleute von Kornhochheim 1498 die Erlaubnis, ihre Kapelle abzureißen, eine neue zu bauen und dafür den ersten Stein zu setzen. 920 Bei Bauarbeiten ohne erlangten Indult mussten die Alterleute bzw. die kompletten Gemeinden fürchten, gebannt zu werden. Diese Indulte bezogen sich grundsätzlich auf die Erlaubnis für den Abbruch bzw. die Veränderung des bestehenden Baues oder einen Neubau. 921 Die Art des neuen Baues war nicht Gegenstand des Indults, sodass es nicht als Einfluss der kirchlichen Autoritäten auf die Bauwelle missverstanden werden darf. In einigen Fällen zeigen die knappen Rechnungsnotizen, dass es sich um Erweiterungen handelte. So erlangten die Alterleute einer der Kirchen von Niederzimmern 1501/1502 die Erlaubnis, eine Wand vor dem Chor und ein Fenster zu erneuern. In
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kirchen der schwäbischen Reichsstädte und verband dabei vorbildlich Baugeschichte, Liturgie, rechtliche Fragen und Frömmigkeit. Vgl. dazu den Abschnitt „Wirtschaftliche, soziale und rechtliche Grundlagen des dörflichen Lebens“ in der Einleitung und das Kap. I.2 dieser Arbeit. Zu den Gründen für den Bauboom im Zürcher Landgebiet JEZLER, Kirchenbau, S. 68–79. Etwa der Erwerb der Pfarrrechte: MÜLLER, Dorfkirchen, S. 106–108. Vgl. oben Kap. I.3.3. Vgl. WEISS, Landschafft, S. 65 f. Die schlechte Quellenlage zur Frage der Baufinanzierung auf dem Land bemängelt HERRMANN, Preußen, S. 49. Grundsätzliche Überlegungen anhand der Kirchen im Fläming bietet FRISKE, Fläming, S. 126–128; anhand der Bodenqualität und der Gemarkungsgröße der Orte für den Barnim WAACK, Barnim, v. a. S. 129–132. HANNAPPEL, Kommissare, S. 186. Zur Aussagekraft der Sieglerrechnungen für den Kirchenbau vgl. BÜNZ, Bauboom, S. 239–243. So etwa das Abbrechen der Mauern in Hammerstedt und das Zerstören der Wände in Angstedt, das jeweils für einen Neubau nötig war; HANNAPPEL, Kommissare, S. 187. Sowohl für das Abbrechen als auch für einen neuen Bau waren 36 Groschen an den Siegler zu entrichten; BÜNZ, Bauboom, S. 240 f.
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Sallmannshausen an der Werra durfte im selben Jahr der Chorbau auseinandergenommen und erweitert werden.922 Im Spätmittelalter wurden Kirchenneubauten in der Regel, gleich ob es sich um Kathedralen oder einfache Dorfkirchen handelte, mit dem Chor begonnen. Bei ambitionierten Projekten konnten die weiteren Bauteile mitunter nicht fertiggestellt werden, da die finanziellen Mittel fehlten. So finden sich in vielen Fällen Chorbauten, die in ihren Proportionen nicht zum Rest der Kirche passen. Dies kann für Kathedralen, städtische Pfarrkirchen und Dorfkirchen beobachtet werden. Im Falle der vorreformatorischen Chorbauten an den Dorfkirchen des Untersuchungsgebietes kann aber nicht entschieden werden, ob ein Neubau des Langhauses nicht vorgesehen war, nicht finanziert werden konnte oder durch die Unterbrechung des Kirchenbaues im Zuge der Reformation nicht erfolgte.923 Vollständige spätgotische Neubauten haben sich nur wenige erhalten (Farbtafelteil, Abb. 23). Ein Beispiel bietet die kleine Kirche von Jena-Göschwitz. Im Jahr 1543 schilderten die Gemeindevorsteher in einem Schreiben an Kurfürst Johann Friedrich I., wie es zu diesem Kirchenbau kam. Demnach hätten sich ihre Vorfahren vor etwa 90 Jahren, also in den 1450er Jahren, mit der Bitte an die Amtleute in Burgau gewandt, eine eigene Kirche bauen zu dürfen. Sie nannten bereits bekannte Argumente: die Kälte im Winter und den weiten Weg zur Kirche in Burgau. Herzog Wilhelm III. gestattete den Bau und nach seiner Fertigstellung hielt der Burgauer Pfarrer eine Sonntagspredigt und eine Wochenmesse.924 Die Göschwitzer hatten es somit verstanden, ihre geistliche Versorgung zu verbessern. Fortan mussten nicht mehr sie nach Burgau zur Messe ziehen, sondern der Pfarrer kam zu ihnen. Der erhaltene, einheitliche spätgotische Bau ist durch Steinmetzzeichen und eine Bauinschrift auf 1510 zu datieren (Abb. 24).925
922 HANNAPPEL, Kommissare, S. 202. Zum Chorbau in Sallmannshausen mit Abb. vgl. VOSS 38, S. 83–86. Zu spätgotischen Bauten und Architekturelementen um Jena: MÜLLER, Jena. Dort auch die summarische Feststellung, dass „mit der seit etwa 1460 einsetzenden vorreformatorischen Baukonjunktur […] das Chorpolygon zur Leitform auch im ländlichen Sakralbau“ wird und „zu dieser Zeit im Regelfall auch gewölbt“ ist. Vgl. COTTIN, Merseburg, S. 327 zu den vielen Chorneubauten im Bistum Merseburg. 923 Zur langen Pause des Kirchenbaues vgl. die Kap. II.3 und III.13.3 dieser Arbeit. 924 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 317, fol. 4r–5v. Das Schreiben entstand 1543 durch aktuelle Diskussionen um die Einkünfte des Burgauer Pfarrers und die Bitte der Göschwitzer, einen eigenen Pfarrer zu erhalten. Der eigene Kirchenbau hatte die geistliche Versorgung zwar verbessert, im Zuge der Visitationen zeigte sich aber, dass die Göschwitzer mit der Situation keineswegs zufrieden waren. 925 MÜLLER, Dorfkirchen, Katalog, S. 42 f. mit weiterer Literatur.
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Abb. 24: Dorfkirche Jena-Göschwitz
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Ob es nach der Erlaubnis Herzog Wilhelms III. – eventuell durch die nötige Zustimmung der bischöflichen Instanzen – zu einer Verzögerung von 50 Jahren kam oder die zur Zeit des Bittschreibens errichtete Kirche bereits 50 Jahre später durch einen Neubau ersetzt wurde, kann ohne weitere archäologische und bauhistorische Untersuchungen nicht gesagt werden. Das Portal des erhaltenen Baues trägt zwei wettinische Wappen: das Stammwappen mit dem Rautenkranz und die Kurschwerter. Ob dies auf eine finanzielle Beteiligung der Landesherren an der Ausführung schließen lässt oder die Dankbarkeit der Göschwitzer für die Erlaubnis zum Kirchenbau ausdrückt, wie sie auch aus der Supplik von 1543 hervorgeht, muss ebenfalls offenbleiben. Die spätgotischen Neubauten und Chorerweiterungen stellten eine gewaltige Entwicklung im dörflichen Kirchenbau dar. Sie waren größer, weiter und auch komplexer gebaut als ihre romanischen und frühgotischen Vorgänger. Für eine Dorfgemeinde war ein solcher Bau eine enorme Aufgabe. Neben der unklaren Frage nach der Herkunft der Baumeister stellt sich diejenige nach der Finanzierung des Baues, auf die sich eher eine Antwort finden lässt. Deutlich wird aus den wenigen Quellen, dass vor allem kleinere Dörfer den Bau wohl nicht aus vorhandenem Geld finanzieren konnten. Natürlich muss die Baufinanzierung für jedes Dorf nach den jeweiligen machtpolitischen Umständen betrachtet werden.926 Bereits oben wurde im Zusammenhang mit der Entstehung der Kirchenfabriken auf die Baulast der Gemeinden verwiesen.927 Dabei gab es wohl keinen ursächlichen Zusammenhang, wenngleich es für das Rechtsverständnis der Dorfbewohner sicher eine Rolle spielte. Natürlich herrschte der Anspruch, das eigene Geld und den Kirchenbau nach Möglichkeit selbst zu verwalten. Im Mainzer Erzbistum sollten die Zehntempfänger der Kirche für die Unterhaltung des Chores und des Hochaltares, das Kirchenvermögen aber für die Unterhaltung des Langhauses zuständig sein. Falls diese Mittel nicht ausreichten, sollten die Pfarrangehörigen den Fehlbetrag ausgleichen. 928 Im jeweiligen Ort wurde die Finanzierung der Unterhaltung oder eines Bauprojektes aber gewohnheitsrecht926 Hartmut Boockmann fasste den selbstverständlichen Anspruch in Worte, dass beim Umgang mit Baubefunden und Bildern die übliche Quellenkritik Anwendung finden müsse. Dazu gehören v. a. die Fragen, wer etwas bezahlt hat, wozu es dienen sollte und wen es ansprach; BOOCKMANN, Bürgerkirchen, S. 188 f. Nach HERRMANN, Preußen, S. 54, erfolgte die Baufinanzierung aus den Mitteln, die im Kirchspiel vorhanden waren. Zur Baufinanzierung anhand niederrheinischer Stadtkirchen vgl. MILITZER, Finanzierung. Vgl. beispielhaft für die Auswirkung von in Städten arbeitenden Bauhütten auf Dorfkirchen WERNER, Architektur. 927 Vgl. oben Kap. I.3. 928 ARNDT, Baulast II, S. 7. Für die Unterhaltung des Pfarrhauses waren prinzipiell die Pfarrer zuständig, ebd., S. 7 f.
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DIE DORFKIRCHE UND IHRE AUSSTATTUNG
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lich geregelt. Es wurden Sammlungen durchgeführt; die Beteiligung des Pfarrers, der Grundherren und Patrone erfolgte wohl nicht nach festen Sätzen. Die Kirchenfabrik – und damit die Dorfbevölkerung – trug aber mit Sicherheit fast immer den größten Teil der Baukosten. Bis heute ist es vielerorts üblich, dass die politische Gemeinde für den Unterhalt des Kirchturms verantwortlich ist, ein Zeichen für die verschiedenen Zuständigkeiten bei einem Kirchenbau.929 Doch woher stammten die Gelder für die Baufinanzierung? In erster Linie schlicht aus dem Vermögen der Kirchenfabrik, das jedoch in der Regel ein solches Unterfangen nicht vollständig abdecken konnte. Es wurde bereits auf die Rolle der Ablässe, die auch Dorfkirchen zur Finanzierung von Bauarbeiten erlangen konnten, hingewiesen.930 Ein direkter Zusammenhang ist für die Kirche St. Laurentius in Gebesee nachweisbar. 1502 erlangte die Kirche einen Ablassbrief Raimund Peraudis. Explizit wird darin der Zweck genannt, das Mauerwerk der Kirche zu erhalten und herzustellen.931 Hinzu kamen separate Sammlungen: Die Kirchenfabriken hatten die Möglichkeit, von einer bischöflichen Autorität eine Lizenz zum Sammeln in anderen Ortschaften zu erlangen – ein sogenanntes Petitorium.932 1511 sammelten die Alterleute von Niederwillingen in 58 Orten der Umgebung.933 Die Beträge aus den einzelnen Orten lagen zwischen fünf Groschen (Geilsdorf) und 61 Groschen (Arnstadt). Die weiteste Entfernung, die sie dabei zurücklegten, waren circa 25 Kilometer Fußweg nach Rudolstadt, wo sie 24 Groschen sammelten. Insgesamt erbrachte die Sammlung 14 ½ alte Schock Groschen. Hinzu kamen zehn Schock Groschen aus dem eigenen Dorf. Abzuziehen sind die Kosten für das Petitorium in Höhe von einem Schock Groschen. Was als Grund für das Petitorium genannt wurde, ist nicht bekannt. Allerdings hatten die Niederwillinger bereits 1498 eine solche Lizenz erlangt.934 Wahrscheinlich bezogen sich beide auf 929 ARNDT, Patronat, S. 82 f. Vgl. zu den Funktionen der Türme an den Dorfkirchen MÜLLER, Dorfkirchen, S. 140–143. Einige Beispiele für komplexe, jeweilige Baulastregelungen bei JEZLER, Kirchenbau, S. 44–46; nach normativen Quellen ebenso SCHÖLLER, Organisation, S. 352–358. 930 Zu den Einnahmen der Fabriken vgl. oben Kap. I.3.2. 931 Kreisarchiv Sömmerda, Gebesee, Nr. 3899. 932 Vgl. zur Aussagekraft der Sieglerrechnungen des Erfurter geistlichen Gerichtes in dieser Frage BÜNZ, Bauboom, S. 243–245. Ebd. auch die Feststellung, dass Quellen zu den Sammlungen bisher fehlen. Den folgenden Beispielen kommt daher eine große Bedeutung zu. Zur Praxis der Petitorien im Erzbistum Mainz vgl. HERRMANN, Petitorien, v. a. S. 86 f.; ebd., S. 95–97 eine Auflistung über bekannte Petitorien aus den Mainzer Ingrossaturbüchern. Diese betreffen jedoch kaum das thüringische Gebiet, woran die starke Stellung des Erfurter Sieglers in dieser Frage deutlich wird. Für das Bistum Merseburg: COTTIN, Merseburg, S. 340. 933 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5678, fol. 9v ff. 934 HANNAPPEL, Kommissare, S. 187 f.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
umfangreiche Umbauten. Größere Bauaktivitäten sind jedoch aus den erhaltenen Rechnungen nicht nachweisbar.935 Von den bekannten Bauphasen des heutigen Kirchenbaus lässt sich ebenfalls keine eindeutig diesem Zeitraum zuordnen.936 Um in diesem Rechnungsjahr zu sammeln, mussten die Niederwillinger das Petitorium wohl im Jahr zuvor erlangen. Aus dem Jahr 1509/1510 hat sich aber auch keine Sieglerrechnung des geistlichen Gerichts erhalten. Im Jahr 1510/1511 erlangten etwa die Alterleute des benachbarten Dornheim eine Sammellizenz, das sich bemerkenswerterweise als beinahe einziges Dorf der Umgebung nicht in der Niederwillinger Sammlung findet.937 Der Zusammenhang zwischen einer Sondersammlung und einem Bau lässt sich anhand verschiedener Quellen zeigen. 1510 ließen sich die Alterleute von Tiefthal bei Erfurt ein Petitorium ausstellen, 938 in dasselbe Jahr datiert eine Bauinschrift am dortigen Chor.939 Deutlicher ist noch ein Fall aus Edersleben. Im Rechnungsjahr 1517/1518 begann man, einen neuen Chor zu bauen und ein Retabel für diesen anzuschaffen.940 Dafür erlangte man vom Siegler des geistlichen Gerichts in Erfurt einen Bauindult, der sich im Original erhalten hat – er kostete 53 Groschen (Abb. 25).941
Abb. 25: Bauindult für den Kirchenbau in Edersleben
935 Nach der erwähnten Rechnung von 1511 herrscht eine große Überlieferungslücke vor. Die nächste Rechnung stammt aus dem Jahr 1521, sodass Um- oder Neubauten in den Jahren dazwischen möglich sind. 936 MÜLLER, Dorfkirchen, Katalog, S. 99. 937 HANNAPPEL, Kommissare, S. 209. 938 Ebd. 939 ORTMANN, Landgebiet, S. 81. 940 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2. Zum Kauf des Retabels vgl. Kap. I.5.3 dieser Arbeit. 941 Ebd., fol. 10r, 11r.
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Die Alterleute holten diesen bryff das man magk buhen ahn der kirch in Erfurt ab und veranlassten wohl sofort den Beginn der Bauarbeiten, wenn diese nicht bereits liefen. In derselben Rechnung wird erbethenes geld aus zwölf Orten aufgeführt. 942 Die Erträge der Sammlungen lagen zwischen fünf Groschen in Mönchpfiffel und 29 Groschen in Artern. Auch die Ederslebener Alterleute hatten also parallel zum Bauindult ein Petitorium am geistlichen Gericht erlangt. Der Gesamtertrag der Ederslebener Sammlung in Höhe von zwei Schock und 50 Groschen konnte die Baukosten des Chores natürlich nicht decken, auch wenn eine gesonderte Sammlung im eigenen Dorf mit einem Ertrag von einem Schock und sieben Groschen hinzukam. Aus der erhaltenen Rechnung lassen sich bereits Kosten für den Chor in Höhe von 21 Schock und 49 Groschen ableiten. Dies kann jedoch nicht der vollständige Betrag sein, da offensichtliche Posten fehlen – wie der Lohn für Maurer, Zimmerleute und Dachdecker sowie die Ausgaben für Holz und Dachziegel. Diese Arbeiten wurden demnach ein Jahr zuvor bzw. im Falle des Daches ein Jahr danach ausgeführt. Beide Beispiele zeigen, dass Sondersammlungen ein wichtiger Weg waren, zusätzliches Geld für einen Bau aufzubringen. Jedoch reichten diese Summen keineswegs, wenn man bedenkt, dass zu den reinen Baukosten noch die Kosten für Ausstattungsstücke hinzukamen, wie etwa das neue Retabel für Edersleben zeigt. Die Alterleute konnten die benötigten Gelder für einen Bau nur über einen längeren Zeitraum ansparen oder einen Kredit aufnehmen, wozu sich die Ederslebener entschieden, die sich 28 Schock Groschen borgten.943 Ein weiterer Weg bestand im Verkauf von Kirchenbesitz. Die Alterleute von Gera-Tinz verkauften einen der Kirche beschiedenen Acker und verwendeten den Ertrag zur Anschaffung einer neuen Glocke. 944 Nicht zuletzt muss privates Engagement erwähnt werden. In Form von unentgeltlichen Hilfsarbeiten und kurzfristigen Zusatzspenden wurden Bauarbeiten in vielen Fällen wohl erst ermöglicht. So fanden auch kleinere und ärmere Gemeinden Wege, in ihre Kirche zu investieren und diese zu unterhalten. 942 Ebd., fol. 6r. Die Ederslebener Verwalter sammelten bereits 1506 in einer ähnlichen Aktion bei der eigenen Kirmes und in vier weiteren Dörfern der Umgebung, LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1, fol. 4v. 943 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 4v. Eine Urkunde über ein Geldgeschäft, die explizit einen Kirchenbau als Grund nennt, ließ sich nicht feststellen. Dass Gemeinden als Gruppe große Summen leihen konnten, zeigt ein Beispiel aus Bielen. Schultheiß, Vormunde und Gemeinde des Dorfes nahmen 1515 eine Hauptsumme von 450 Gulden bei einem Sondershäuser Vikar auf. Für eine solche Summe kommt im dörflichen Bereich wohl nur ein Bauprojekt in Frage; LATh–StA Rudolstadt, Archivum Commune, 534. Es sei daran erinnert, dass Alterleute (und Heimbürgen) für Kredite persönlich hafteten. 944 StAG, III B, 19334, fol. 101v–102r. Freilich deckte der Verkauf des Landes (drei neue Schock Groschen) die Kosten der Glocke (21 neue Schock Groschen) nicht annähernd.
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In den adligen Patronatspfarreien dürfte es gang und gäbe gewesen sein, dass die jeweilige Adelsfamilie sich an den Baukosten beteiligte, wie es für Wahlwinkel nachgewiesen ist, wo Claus am Ende sich 1503 mit einer Stiftung über zehn Gulden am Bau eines neuen Chores und eines neuen Turmes beteiligte.945 In Gera-Langenberg findet sich an einem Strebepfeiler des Chores das Wappen der Familie von Eichicht, das ebenfalls die Beteiligung am Kirchenbau symbolisiert. 946 Allerdings lag die Ausführung des Baues immer in Händen der Kirchenfabrik und befand sich nicht unter Kontrolle des Patronatsherrn.947 Dennoch war die Beteiligung am Bau konstitutiv für das Patronatsrecht. Auch der Pfarrer des Ortes dürfte sich, sofern eine Bindung bestand, an den Baukosten beteiligt haben, wie es für Bindersleben deutlich wird, wo der Pfarrer 1491 zum Bau beitrug.948 Die machtpolitische Verknüpfung der Kirchenbaufinanzierung zeigt sich auch am Einfluss des Erfurter Rates auf den Kirchenbau in den Dörfern des Landgebietes.949 Bei all diesen ortsbezogenen Umständen blieb aber die dörfliche Gemeinde Träger des Baues und glich die dafür nötigen Gelder aus. Insofern entsprach die Praxis den normativen kirchenrechtlichen Bestimmungen.950 Der Anteil der Pfarrangehörigen war nicht fixiert, sie sprangen nicht im Notfall ein, sondern zahlten von Anbeginn den Löwenanteil. Nach erfolgter (Anfangs-)Finanzierung und erlangtem Bauindult benötigten die Alterleute einen Baumeister, Gerüstbauer, Steinmetze etc. Zur Absprache fand eine Begehung statt, wie im Jahr 1516 in Schmidtstedt: als uns hern dy bawemeister mith den steynmetzen mith uns czu Smedestete woren.951 Anschließend mussten die veranschlagten Steine besorgt werden, wozu Einwohner des Dorfes Fuhren aus einem Steinbruch organisierten, sofern keiner am Dorf vorhanden war.952 Auch die Ederslebener begannen noch im gleichen Rechnungsjahr, in dem sie die oben beschriebene Sammlung durchgeführt und den Bauindult erlangt hatten, mit dem Bau des neuen Chores. Es wurden Steine aus dem benachbarten Ichstedt angeliefert, formstuckhe für die Maßwerkfenster abgerechnet, Steinmetze und auch 945 BRÜCKNER, Schulenstaat, 1, 4, S. 48. 946 Vgl. zur Beteiligung des Adels MÜLLER, Dorfkirchen, S. 121‒123. 947 JEZLER, Kirchenbau, S. 58 mit einem Beispiel aus dem Zürcher Landgebiet, das zeigt, dass eine reiche Adelsfamilie mit einem Vorschlag an die Kirchgemeinde herantritt. 948 BERTRAM, Bilterisleybin, S. 33. 949 Vgl. Kap. I.6 dieser Arbeit. 950 Vgl. oben in diesem Kapitel. Quellen über den konkreten Anteil bleiben freilich rar; KÜNSTLE, Pfarrei, S. 105; BINDING/LINSCHEID-BURDICH, Bauen, S. 53. 951 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 71r. 952 Ebd.: Item IIII sneberger schog geben vor steyn und fure uf dornstag bonafacy; Item VIII sch XV gr geben vor steyn keyn thifengrub [Tiefengruben bei Bad Berka] strich gelth vor fur unde steyn. Auch andere Baumaterialien wurden mitunter über größere Entfernungen transportiert. Für Bauarbeiten an der Kirche von Gera-Tinz wurden 1512 Dachschindeln für das Kirchenschiff und den Turm aus Münchenbernsdorf beschafft (ca. 17 km).
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bereits der fenstermecher bezahlt.953 Der Bau schritt schnell voran. Die Mischung der verschiedenen Posten und die Formulierungen in der Rechnung zeigen, dass die verschiedenen Arbeiten – Mauern, Fenster, Retabel – gleichzeitig ausgeführt wurden. Der neue Chor wurde als ein unteilbares Ganzes verstanden, wozu der Bau ebenso wie das Retabel gehörte.954 Durch den Neubau der Ederslebener Kirche in den Jahren 1828 bis 1830 nach Plänen Karl Friedrich Schinkels hat sich von diesem Gesamtkunstwerk leider nichts erhalten. Zur Verdeutlichung dieses Ablaufs soll ein ähnlicher Fall aus Tegkwitz im Altenburger Land geschildert werden. Hier wurden Schiff und Chor der Kirche zwischen 1518 und 1521 unter Einbeziehung des Vorgängerbaues neu erbaut. Zur Baufinanzierung liehen die Alterleute 35 Schock von einem Einwohner eines Nachbardorfes, fünf Schock von einem Junker, 2 Schock Groschen von den Alterleuten eines Nachbardorfes und weitere kleinere Beträge.955 Während der Bauarbeiten ab 1518 wurden verschiedene Sammlungen durchgeführt. So rechneten die Alterleute 1520 den recht hohen Betrag von 46 Schock Groschen Einnahmen ab, alß man den ersten steyn geleget hat.956 Im selben Jahr sammelte man in vielen Orten des Amtes Altenburg, hatte also wohl ein Petitorium des Offizials des Bistums Naumburg erlangt.957 Diese Beträge reichten für die umfangreichen Bauarbeiten nicht aus, sodass man mit Wissen des Patronatsherrn einen Kredit über 100 Gulden aufnahm.958 Der Bauablauf lässt sich gut rekonstruieren: 1518 begann man vorrot zu schiken steyn dy Kirche tzu bauen.959 Zimmerleute wurden bezahlt, eine steyn hutt zu bauen. Man sammelte bereits Mauersteine (eyn hauffen steyn), ließ verschiedene Werkstücke von einem Meister Aßmann anfertigen und erlangte den Bauindult. Die Steine stammten aus einem Steinbruch in dem knapp zwölf Kilometer entfernten Geußnitz bei Zeitz.960 Weiterhin wurden der Steinmetz Meister Georg und Zimmerleute für vorbereitende Arbeiten bezahlt. Neben den beiden erwähnten Meistern gab es mindestens zwei weitere Steinmetze. Diese Vorbereitungen wurden 1519 953 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 11r‒12v. Der Bauindult gestattete explizit die Änderung der Fenster. 954 Weiterhin wurden neue Vasa Sacra beschafft; ebd., fol. 12r. Zu solchen offensichtlichen Einheiten von Bau und Retabel anhand des Bestandes MÜLLER, Dorfkirchen, S. 53, Anm. 279. Ein weiterer klassischer Fall findet sich in Gera-Langenberg. 955 PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 178, S. 200. 956 Ebd., S. 235. 957 Ebd., S. 239. Die höchsten Beträge erreichte man in Altenburg selbst (44 Groschen) und zur Kirmes des Wallfahrtsortes Heiligenleichnam (27 Groschen). 1522 gab es eine erneute Sammlung außerhalb des eigenen Ortes; ebd., S. 258. Bereits 1479 hatten die Tegkwitzer Alterleute eine Sammlung in anderen Orten durchgeführt; ebd., S. 97. 958 Ebd., S. 236. 959 Ebd., S. 219. 960 Ebd., S. 222.
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fortgesetzt, im Umfeld der Kirche wurde also ein Bauplatz angelegt, auf dem Bauteile in großer Zahl vorbereitet wurden. Im Frühjahr 1520 wurden elf Schock Groschen für den Abbruch der alten Kirche abgerechnet.961 Anschließend wurden Zimmerleute für das getzimmer bezahlt – also wohl für Baugerüste – und es fand die erwähnte Grundsteinlegung statt. Gleichzeitig wurden weiterhin dauerhaft die Steinmetze bezahlt, unter anderem für fensterform. Am Sonntag Reminiscere (4. März 1520) wurden Meister Aßmann und Meister Georg mit 28 Schock entlohnt, wahrscheinlich zeichneten sie für den Bau verantwortlich.962 Dieser Beginn der Bauarbeiten wurde auch in der Rechnung mit einer – eher symbolischen – Zeichnung markiert (Abb. 26).
Abb. 26: Zeichnung zum Baubeginn in einer Kirchenrechnung von Tegkwitz, Lkr. Altenburger Land 961 Ebd., S. 224. 962 An den folgenden Sonntagen erhielt Meister Aßmann weitere Zahlungen; ebd., S. 229.
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Um den Sonntag Jubilate (29. April) begannen die Maurerarbeiten.963 Kurz nach dem 29. Juli hatten die Mauerzüge die Höhe der Fenster erreicht, sodass die langen eysen in die Fenster eingepasst wurden.964 Für die Fenster erhielt ein Heinrich Speter zu Neujahr 38 Gulden.965 Im Frühjahr 1521 bekam er eine weitere Zahlung von 20 Gulden. Zur selben Zeit wurde das Dach von den schifer degkern gedeckt.966 Die letzte Zahlung an diese erging am 14. Juli 1521. Nach 16 Monaten war der neue Kirchenbau in Tegkwitz fertiggestellt (Abb. 27). Zwar finden sich während der Bauarbeiten Ausgaben für das Bilde,967 eine zeitgleich mit dem Bau ablaufende Ausstattungswelle mit Altartafeln, Vasa Sacra und Büchern wie in Edersleben lässt sich in Tegkwitz nicht feststellen, wahrscheinlich war dies für die folgenden Jahre vorgesehen und wurde durch die reformatorische Entwicklung verhindert. Die Rechnungen der Jahre 1523 und 1524 fehlen.
Abb. 27: Spätgotischer Kirchenbau in Tegkwitz, Lkr. Altenburger Land
963 964 965 966 967
Ebd., S. 231. Ebd., S. 234. Ebd., S. 246. Ebd., S. 250. Ebd., S. 229. Eventuell galt ein 1499 angeschafftes Retabel (vgl. unten Kap. I.5.3) dem Hauptaltar.
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Die beiden beschriebenen Beispiele bleiben aber Einzelnachweise, sodass neben der bauhistorischen Bewertung die Bauinschriften die besten Quellen bleiben. In einigen Fällen zeigt sich ein direkter Zusammenhang zwischen den oben erwähnten Indulten und dem in Stein gehauenen Stolz der Gemeinden. So erlangten die Bauern von Eischleben 1498 die Genehmigung, die Wände der alten Kirche zu verändern, und nutzten dies sogleich, wie die Bauinschrift zeigt.968 Die Verantwortlichen aus der Gemeinde erscheinen mitunter in den Inschriften. In Frömmstedt vermerkt eine Bauinschrift zum Neubau des Langhauses 1522: An[n]o d[o]m[ini]. 1522. Jorge Houschilt. Ganolf Ernst. Franz Ulrich. Volkmar Voit.969 Die Vierzahl lässt keine andere Deutung zu, als dass es sich um die Alterleute und die Heimbürgen handelte.
Abb. 28: Bauinschrift von 1493 an der Kirche von Erfurt-Frienstedt
Weiterhin werden in Inschriften an Dorfkirchen des Erfurter Landgebietes aus dem 15. und 16. Jahrhundert in mehreren Fällen bawmeister genannt. Zwar kommt diese Bezeichnung für Dorfämter im Untersuchungsgebiet auf den ersten Blick nicht vor und der Begriff ‚Baumeister‘ kann auch den für den Bau verantwortlich Zeichnenden meinen, 970 es lässt sich aber ein schriftliches Vergleichsbeispiel anführen. 1550 wurden in Witterda zwei Personen eingesetzt, die Gelder ver968 HANNAPPEL, Kommissare, S. 186; LEHFELDT 8, S. 20; DEHIO, S. 243. 969 Zitiert nach OTTE/SOMMER, Weißensee, S. 8. In Gera-Langenberg wurde 1631 der Turmknauf geöffnet. Darin wurde ein Pergament von 1502 mit folgendem Inhalt gefunden: Initia quatuor Evangelistorum, Georg Weller, Pfarrer zw Langenbergk vnd Vicarius zw Geraw, Heynrich von Meyge, Georg Saupe, Nicol Petzker, Heinrich Potticher, Hans Seidel, Nicol Lademann, der Zeit Richter doselbst vnd die gantze Gemeinde zw Langenbergk haben Gott zw Lobe vnndt Marien seiner reinen Mutter vnndt Gebärerin zw allen Gottes Heiligen solchen Turm und Spitze gebavet. Anno Domini nach Christi Geburt MDII; KRETSCHMER, Langenberg, S. 145. Heinrich von Meyge war zu dieser Zeit wohl Rittergutsbesitzer in Langenberg. In Engerda hat sich im Chorraum folgende Inschrift erhalten: MCCCCCXIX CLAVS BVLE. Allerdings kann nicht sicher gesagt werden, ob es sich bei Claus Bule um einen Altermann, einen Pfarrer oder um einen Baumeister handelte. Mitunter werden auch eindeutig Pfarrer in Bauinschriften genannt. Beispiele aus dem Jenaer Umland finden sich bei HALLOF/ HALLOF, Inschriften, S. 7, S. 43, S. 87. 970 Vgl. die Nennung des Baumeisters an der Wallfahrtskirche in Vierzehnheiligen bei Jena, die auf eine wettinische Stiftung zurückging; HALLOF/HALLOF, Inschriften, S. 41 f.
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walteten, die sie von den Alterleuten und der Gemeinde für den vorgesehenen Neubau des Kirchturmes empfangen hatten. 1552 werden sie als bowmeister bezeichnet.971 Diese Parallele spricht dafür, dass sich hinter den Personen in den Bauinschriften sehr wahrscheinlich ebenfalls Verwalter verbergen, die für die Zeit der Bauarbeiten für einen Baufonds eingesetzt wurden. Gute Beispiele finden sich in Frienstedt (Abb. 28), Gottstedt und Tiefthal.972 Neben den Bauinschriften zeigen auch die Weihekreuze den Abschluss der Bauarbeiten. Wie in allen Fällen, in denen ein Teil der Kirche oder der Ausstattung geweiht werden sollte, musste dafür der zuständige Bischof anreisen, im Falle des Mainzer Teils Thüringens der Erfurter Weihbischof.973 1472 wurde in Gera-Tinz der neue Chor der Kirche geweiht, wofür der Naumburger Weihbischof bezahlt wurde. Gleichzeitig rechneten die Alterleute einen großen Schmaus ab, an dem auch Teile des Domkapitels teilnahmen.974 Das Datum einer Bauinschrift, die das Ende der Bauarbeiten nennt (… completa est …), ist wohl meist das Weihedatum. Für die Weihe notwendig war das Deponieren von Reliquien in einem Sepulcrum, einer verschlossenen kleinen Öffnung im Altar. Wenngleich sich die Reliquien in situ in den seltensten Fällen erhalten haben, zeigen doch die leeren Altargräber noch diesen Vorgang der bischöflichen Weihe an.975 Die genannten Beispiele machen deutlich, dass eine vergleichende Aufnahme der Inschriften an Kirchen viel Klarheit in diese Fragen bringen könnte. Die Entwicklung des mittelalterlichen Dorfkirchenbaues in Thüringen ist grundlegend erforscht worden.976 Parallel widmete sich die Forschung in den letzten Jahren zunehmend den Zusammenhängen von Kirchenraum und Liturgie anhand großer Stadt-, Stifts- und Kathedralkirchen.977 Für den Dorfkirchenbau 971 BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 63r–68r. 1490 tritt ein „Baumeister“ an der Arnstädter Liebfrauenkirche auf, obwohl es ebenfalls gleichzeitig Alterleute gab; SLADECZEK, Verwaltung, S. 29. Die Bezeichnung ‚Baumeister‘ für die Pfleger der Kirchenfabrik im Zürcher Landgebiet bei JEZLER, Kirchenbau, S. 80. 972 Möglich erscheint auch, dass in einigen Orten die Alterleute für die Zeit der Bauarbeiten als Baumeister bezeichnet wurden. Allerdings finden sich Beispiele in großer Zahl, wo diese auch während des Baus als ‚Alterleute‘ genannt werden. Vgl. die Aufnahme der Bauinschriften des Erfurter Landgebietes bei ORTMANN, Landgebiet, S. 75–83; vgl. weiterhin TETTAU, Darstellung, S. 395. 973 Vgl. den interessanten Nachweis aus Reinstädt und Meckfeld, wo je eine Bauinschrift dasselbe Datum trägt, was wohl auf den Reiseweg des Erfurter Weihbischofs an diesem Tag aufmerksam macht; MÜHLMANN, Weihbischof. Sicherlich wird der zuständige Bischof wegen der Vielzahl der Fälle in einigen Fällen vertreten worden sein. 974 StAG, III B, 19334, fol. 101r. 975 MÜLLER, Dorfkirchen, S.53, v. a. Anm. 281; KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 63–67. 976 MÜLLER, Dorfkirchen. 977 Vgl. die Sammelbände KOHLSCHEIN/WÜNSCHE, Heiliger Raum; BOCK, Liturgie; ALTRIPP/NAUERTH, Architektur; in letzterem v. a. der Beitrag von WEITZEL zur
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sind solche Untersuchungen bisher nicht erfolgt, was einmal mehr ein Desiderat der Beschäftigung mit dem religiösen Leben auf dem Land darstellt. Der ‚Bauboom‘, der die Dorfkirchen in den 50 Jahren vor der Reformation erfasste, fiel keineswegs in allen Regionen gleich stark aus.978 In Thüringen zeigt sich ein disparates Bild.979 In den wirtschaftlich starken Gebieten Zentralthüringens lassen sich viele spätgotische Bauarbeiten, zumindest neue Chöre oder andere Teile, nachweisen. In den Randgebieten haben sich hingegen viele romanische Kirchen erhalten; die Dörfer in diesen Regionen wurden weniger von der Bauwelle erfasst.980 Nach allen vorhandenen Quellen befanden sich die Dorfkirchen am Vorabend der Reformation wohl in einem baulich guten Zustand. Anhand der Kirchenbauten zeigt sich somit in gleichem Maße die Frage der Finanzierbarkeit von Frömmigkeit. 981 Religiöse Gründe, die Hochzeit der ‚kirchentreuen Frömmigkeit‘, können diese Entwicklung, gerade im Vergleich zu vorangehenden Jahrzehnten und Jahrhunderten, nicht allein erklären. Zusätzlich müssen strukturelle Gründe bestanden haben. Diese sind sicherlich in der guten Organisiertheit und den relativ guten finanziellen Bedingungen der Kirchenfabriken in diesen Jahren zu suchen. Die Bauern bauten ihre Kirchen neu oder um, weil sie es konnten.
5.2. Beinhaus Mit sehr wenigen Ausnahmen waren die Kirchhöfe in den spätmittelalterlichen Dörfern die Friedhöfe. Hier wurden die Toten des Ortes über Jahrhunderte bestattet. Wenn es sich um eine größere Pfarrei mit Filialen handelte, kamen auf dem Friedhof des Pfarrdorfes Verstorbene der Filialorte hinzu. Dies führte zu einer sehr dichten Belegung, die nicht beliebig erweitert werden konnte. So verfiel man im Laufe des Mittelalters darauf, separate Baulichkeiten anzulegen, in denen
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Stralsunder Nikolaikirche. Vgl. außerdem SCHWERHOFF, Sakralitätsmanagement; SUCKALE, Kirchenbau; TRIPPS, Bildwerk. Vgl. den starken Bauboom in der Zürcher Landschaft (JEZLER, Kirchenbau) und den sehr moderaten in der Mark Meißen, wo anteilig nur wenige Kirchen Merkmale der Spätgotik zeigen (MAGIRIUS/MAI, Dorfkirchen, S. 22). „In der Lausitz sind spätgotische Chöre an Dorfkirchen selten […]“; ebd., S. 23. Zu einer ähnlich vorsichtigen Einschätzung des Baubooms in Thüringen gelangte BÜNZ, Bauboom, S. 242 f. Eine kartographische Darstellung im Vergleich zur Stiftungsverteilung (vgl. oben Kap. I.4.11) wäre wegen der späteren Umbauten und der unklaren Abgrenzung zu ungenau. Es bleibt die Beobachtung. Vgl. die Karten zur Verteilung romanischer und gotischer Kirchenbauten bei MÜLLER, Dorfkirchen im Vorsatz. Vgl. oben Kap. I.4.11.
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Gebeine, die man bei der Neuanlage von Gräbern fand, zweitbestattet wurden. In den Quellen werden diese als Karner, Ossuarium, Knochenhaus oder Schenkelkammer, im thüringischen Raum aber meist schlicht als Beinhaus bezeichnet.982 Ein Großteil dieser Bauten scheint vor allem in den Dörfern erst in der Vorreformationszeit entstanden zu sein, sodass auch eine entsprechende Mode vermutet werden kann. Die Gebeine waren wohl sichtbar angeordnet, was nicht zuletzt als Memento mori diente, aber auch mit den vielen Vorstellungen zusammenhing, die damit verbunden waren.983 Mitunter war ein Beinhaus mit einer Kapelle verbunden, in der der Seelen der Toten gedacht wurde. Sofern vorhanden, war diese in der Regel dem Seelenbegleiter, dem Erzengel Michael geweiht. Zur Frage der Gestalt eines mittelalterlichen Friedhofes existieren nur wenige Hinweise.984 Meist gehörte ein freistehendes Kruzifix zum Bestand. Gräber waren wohl nur durch einfache Holzkreuze oder schlichte Steinstelen kenntlich gemacht.985 Der Boden war mit Gras bewachsen, wie die Nutzung desselben durch den Kirchner zeigt.986 Der gesamte Bereich war mit einer Mauer umgeben – umfriedet.987 Diese Situation findet sich heute noch in vielen Dörfern.988 Besondere 982 Grundlegend: ZILKENS, Karnerkapellen; WOELK, Beinhaus; WESTERHOFF, Karner; MÜLLER, Dorfkirchen, S. 60; BÜNZ, Memoria, S. 292‒295, REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 198 f. 983 GEIGER, Totenknochen; DIEHL, Beinhäuser, S. 45 mit dem Nachweis, dass Gebeine gegen Zahnschmerzen verwendet wurden. 984 Zusammenfassungen bei REINLE, Ausstattung, S. 260; BÜNZ, Memoria, S. 289‒292; KOCH, Pfarrkirche, S. 327‒329; BRADEMANN, Sepulkralkultur, S. 47–50; vgl. außerdem ERTHEL, Pfarrkirchen, S. 61–65. 985 Bäuerliche Grabsteine des Mittelalters haben sich im Untersuchungsgebiet nicht erhalten. Die ältesten bekannten Exemplare stammen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In Ettenhausen an der Nesse hat sich ein Fragment von 1558 erhalten, in Weberstedt verschiedene Fragmente aus den 1590er Jahren, die den Namen des Verstorbenen und das Jahr nennen. Auf dem dortigen Kirchhof befindet sich auch der Grabstein eines Pfarrers aus dieser Zeit. Jüngst wurde in Wandersleben unter dem Kirchengestühl ein kleines Grabkreuz aufgefunden, das nur die Initialen des Verstorbenen und die Jahrzahl 1581 nennt. Es ist nur 24 cm breit. In diesem Dorf gibt es zwei ähnliche Vergleichsstücke. Solche sehr kleinen Grabkreuze waren wie auch Holzkreuze im 16. Jahrhundert anscheinend typisch; vgl. STÖRZNER, Wandersleben. Vgl. die recht große Zahl niederadliger Grabplatten in den Dorfkirchen. Vgl. zu Hessen AZZOLA/AZZOLA, Scheibenkreuz-Grabsteine; vgl. weiterhin BRADEMANN, Sepulkralkultur, S. 64, Anm. 263 mit weiterer Literatur. 986 Vgl. oben Kap. I.3.7. 987 Zur Bedeutung der verschiedenen Begriffe für die Kirchhöfe vgl. SCHÜTTE, Kirchhof. 988 Zur Fehldeutung der Maueranlage als ‚Wehrkirchen‘ vgl. HOPF/MÜLLER, Kirchen. Freilich stellten die Kirchhöfe dennoch Rückzugsorte im Falle einer Bedrohung für die Gemeinde dar. Zu einem solchen Fall aus Großrudestedt BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 184.
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Bestattungsformen existierten für ungetaufte Kinder, die in speziellen, nicht geweihten Bereichen des Friedhofs, unter der Dachtraufe der Kirche oder außerhalb der Kirchhofsmauer begraben wurden.989 Für die bauliche Unterhaltung der Friedhöfe und der Beinhäuser waren die Kirchenfabriken (und damit die Gemeinden) zuständig. Für alltägliche Arbeiten auf dem Kirchhof war der Küster zuständig.990 Standen Bauarbeiten an, mussten die Dorfbewohner aber wie bei den Kirchenbauten Bauindulte des geistlichen Gerichtes einholen. So wurde den Einwohnern von Mehler 1498 gestattet, ihr ossorium zu verlegen.991 Die Bauorganisation oblag den Alterleuten. In Teichröda wurde 1468 ein entsprechender Keller gewölbt, und es wurden Kacheln für das Beinhaus angeschafft. 992 In Tegkwitz fanden 1496 Reparaturen am Dach des Beinhauses statt und 1516 wurde ein Steinmetz für Arbeiten am Beinhaus entlohnt.993 In Edersleben wurde im Rechnungsjahr 1505/1506 ein Beinhaus gebaut und eingedeckt. Es wurden größere Erdfuhren abgerechnet, sodass wohl der gesamte Friedhof in diesem Zusammenhang umgestaltet wurde.994 Ein baulich auffälliges Beinhaus mit einer Kapelle muss es in Schmidtstedt bei Erfurt gegeben haben; es wurde in den Jahren 1509 und 1510 gebaut. Zunächst wurden Steine, Sand und Kalk für die Bauarbeiten beschafft. Anschließend wurden der Steinmetz für den Bau und der Zimmermann für den Dachstuhl bezahlt. Anscheinend war das Beinhaus nicht mit einer festen Tür, sondern mit einem Gitter verschlossen, das den Blick auf die Gebeine ermöglichte.995 Die Außenwand der Beinhauskapelle wurde mit einem Kruzifix geschmückt. Dass das Schmidtstedter Beinhaus mit einer Kapelle verbunden war, wird aus der Anschaffung einer Altartafel und der Ausmalung der Wände des Innenraumes deutlich, wofür 1510 drei Schock Löwengroschen abgerechnet wurden.996 Wie in 989 Einen ungeweihten Bereich gab es in Ölknitz; AGBM II, S. 1. Der Hinweis darauf, dass ungetaufte Kinder in einem thüringischen Dorf unter der Dachtraufe bestattet wurden, bei SCHÜLER, Cospeda, S. 159; der Befund des Begräbnis außerhalb der Kirchhofsmauer bei PETZOLD, Friedhöfe, S. 245. Vgl. JEZLER, Kirchenbau, S. 72 f.; JANSSEN, Kirchhof, S. 147 f.; REITEMEIER, Kirchhöfe, S. 143. 990 Bedienstete Totengräber ließen sich bisher für keine Dorfkirche nachweisen. Wahrscheinlich wurden Begräbnisse durch den Kirchner und in der Gemeinde organisiert. 991 HANNAPPEL, Kommissare, S. 187. 992 FLEISCHER, Rudolstadt, S. 178. 993 REINHOLD, Tegkwitz, S. 140; PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 202. 994 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1, fol. 7v–8r. 995 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 15r. Zu den sichtbaren Gebeinen in mittelalterlichen Beinhäusern vgl. oben in diesem Kapitel. 996 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 17v. Für ein komplettes Retabel und Wandmalereien ist diese Summe zu gering, wobei es sich um eine Teilzahlung handeln kann, vgl. das folgende Kapitel. Über die Konstruktion des Schmidtstedter Beinhauses gibt die Rechnung
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Edersleben wurde der Abschluss der Bauarbeiten zu einer Umgestaltung des Friedhofes genutzt: Item dedit VI gr. die scheyne und dye Erden umbe dye Kirche reyne zu machen.997 Anscheinend gab es bereits vorher ein Beinhaus, da für die Dauer der Bauarbeiten mindestens eine Grube für daß gebeyne angelegt wurde. Nach Abschluss der Bauarbeiten ist folgender Rechnungsposten einzuordnen: Item dedit I Sch. XX gr. von der grossen groben dye hinder den lingen auff den agker get und daß gebeyne dar auß zcu langen.998 Die zwischenzeitlich in der Grube verwahrten Gebeine konnten nun in das fertige Beinhaus überführt werden. Für Schmidtstedt kann aus den Rechnungen eine aufwendige Beinhauskapelle rekonstruiert werden, von der sich jedoch, wie vom gesamten Dorf, keine Überreste erhalten haben. In vielen Fällen dürfte es sich bei den Beinhäusern auf den Dorfkirchhöfen aber um einfache hölzerne Anbauten gehandelt haben.999 So auch in Niederwillingen: 1507 wurden ausschließlich Zimmerleute für den Bau eines Beinhauses bezahlt. 1000 In Dornheim hat sich bis heute ein steinerner Anbau im Winkel zwischen Kirchturm und Kirchenschiff erhalten, bei dem es sich sicher um ein Beinhaus handelte (Abb. 29).1001 Eine weitere Art der Konstruktion, die sich bis heute an erhaltenen Beispielen nachvollziehen lässt, sind die zweigeschossigen Sakristeien, in deren Untergeschoss sich ein Beinhaus befand, das vom Friedhof aus zugänglich war. In der Sakristei befand sich sodann eine Altarstelle, deren Messen nicht zuletzt dem Seelenheil der Toten im Untergeschoss dienten. Erhalten hat sich diese bauliche Situation in Neunhofen und Milda. In Neunhofen gibt es parallel den schriftlichen Nachweis einer „Kapelle auf dem Beinhaus“.1002 Allerdings gab es auch Altarstellen in den Sakristeien, die nicht mit einem Beinhaus in Verbindung
997 998 999
1000 1001
1002
freilich keinen Hinweis. Es kann sich um eine gesonderte Kapelle, aber auch um einen zweigeschossigen Sakristeianbau gehandelt haben (vgl. unten). Für die Dörfer des Thüringischen Raumes sind bisher keine baulich hervorgehobenen Beinhauskapellen nachgewiesen. Eventuell ist dieser Aufwand in Schmidtstedt auch mit der Bestattung der Erfurter Toten der Hungersnot von 1315–1317 zu begründen, vgl. oben Kap. I.3.2. StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 15v. Ebd. Dies konnte archäologisch für Stepfershausen bei Meiningen festgestellt werden; SPAZIER/BARKE, Untersuchungen, S. 60. Vgl. KOCH, Pfarrkirche, S. 328; DIEHL, Beinhäuser, S. 41; BRADEMANN, Sepulkralkultur, S. 216 f. für schriftliche Nachweise aus dem Münsterland. LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5677, fol. 3r: III schogk gegeben den Zimerluten von dem Beynhaus. DEHIO, S. 225. Bei MÜLLER, Dorfkirchen Katalog, S. 29 die Datierung Ende 15./Anfang 16. Jahrhundert. Nach Auskunft der Dorfbewohner wurde es bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als Leichenhalle genutzt. BÜNZ, Klerus II/1, S. 473 f.; MÜLLER, Dorfkirchen, S. 60; MÜLLER, Überblick, S. 36 f.; MÜLLER, Jena. Vgl. DIEHL, Beinhäuser, passim für Beispiele aus Hessen.
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standen.1003 Bei einigen schriftlichen Erwähnungen wird nicht deutlich, ob es unter der Sakristei ein Beinhaus gegeben hat, so etwa bei dem Altar der 11000 Jungfrauen in Siebleben.1004 In Leubingen blieb ein Beinhaus erhalten, das sich unter der Apsis der Kirche befindet. Auch hier war eine direkte Verbindung zu der darüber liegenden Altarstelle gegeben.1005
Abb. 29: Beinhausanbau an der Kirche von Dornheim, Ilm-Kreis 1003 MÜLLER, Dorfkirchen, S. 60. 1004 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 208v; SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 176, S. 184. 1005 MÜLLER, Dorfkirchen, S. 61 und Katalog, S. 82. Ebd., S. 156 der Verweis auf ein eventuelles Beinhaus in Wernburg.
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Überreste oder gar aufgehendes Mauerwerk baulich gesonderter Beinhäuser auf Kirchhöfen des Untersuchungsgebiets konnten bisher nicht festgestellt werden. Für sie waren die Überlieferungschancen deutlich geringer, da sich keine Nachnutzung anbot. Selbst wenn es sich um hervorragende Baulichkeiten handelte, wie in Schmidtstedt, erging es ihnen wie Kapellen in der Feldflur eines Dorfes: Sie wurden nicht mehr erhalten und verfielen oder wurden gezielt beseitigt.1006 In den letzten Jahren wurden jedoch einige städtische Beinhäuser archäologisch festgestellt.1007 Für die dörflichen Kirchhöfe fehlen Nachweise in dieser Zahl. 1898 wurde in Krölpa ein mutmaßliches Beinhaus gefunden. An der Nordmauer auf dem Friedhof wurde ein schmaler, rechteckiger Baubestand aufgedeckt, der über zwei Kreuzgewölbe verfügte.1008 Es bleibt festzuhalten, dass weitere archäologische und bauhistorische Ergebnisse vonnöten sind, um dem Bild eines ‚typischen‘ dörflichen Beinhauses näher zu kommen, da die meisten bekannten Beispiele – schriftlich wie real – Sonderformen darstellen.
5.3. Bilder Neben der Ausgestaltung und Erweiterung des gottesdienstlichen Lebens widmeten sich die Bauern auch der Ausstattung der Kirche mit viel Aufwand. In diesem Kapitel werden weniger die Ausstattungsstücke mit einer festen liturgischen Funktion, wie Altar, Taufe oder Kanzel,1009 thematisiert, als Elemente mit einer Aussagekraft über die Ausgestaltung der Frömmigkeit. Dabei ist zunächst auf den bemerkenswerten Befund zu verweisen, dass sich bis heute in evangelischen Kirchen deutlich mehr vorreformatorische Ausstattungsstücke erhalten haben als in katholischen.1010 Die Fülle an Retabeln, Figuren und Sakramentshäusern ist kaum zu überblicken. Dennoch stellt dies nur einen Bruchteil der ursprünglichen Menge dar. 1011 Völlig ungenügend ist bisher der 1006 Vgl. Kap. II.3 dieser Arbeit. 1007 Weida: PETZOLD, Friedhöfe, S. 245. Schmalkalden: ebd., S. 246; Erfurt, Reglerkirche: SCZECH, Bericht 2007, S. 221 f. Zu schriftlichen Nachweisen für Beinhäuser an Erfurter Pfarrkirchen vgl. ERTHEL, Pfarrkirchen, S. 52–55. So gab es an der dortigen Bartholomäuskirche ebenfalls eine zweistöckige Beinhauskapelle. Zu Grabungen auf Dorffriedhöfen fehlen meist veröffentlichte Ergebnisse. Festgestellt wurden Beinhäuser etwa in Großfurra und Trebra; MÜLLER, Kyffhäuserkreis, S. 229. 1008 BERGNER, Ziegenrück, S. 37. 1009 Zu den Kanzelnachweisen vgl. oben Kap. I.4.8. Spätgotische Taufsteine haben sich im Untersuchungsgebiet sehr viele erhalten. An dieser Stelle werden sie nicht behandelt. 1010 Vgl. den Sammelband FRITZ, Kraft, v. a. die Einführung des Herausgebers ebd., S. 9–18. 1011 SANDNER, Tafelmalerei, S. 37, berechnete, dass im obersächsischen Raum vom ursprünglichen Bestand an spätgotischen Bildwerken nur noch etwa 9 % vorhanden sein dürften.
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Umgang der Forschung mit diesem Gegenstand. Die Verwendung von Ausstattungsstücken als historischer Quelle steht noch am Anfang. 1012 Dabei hat keine Zeit überregional so deutlich ihre Spuren in den Kirchen und Museen hinterlassen wie die letzten 50 Jahre vor der Reformation. Allerdings sei auch auf die vielen romanischen und hochgotischen Kunstwerke verwiesen, die aus Dorfkirchen erhalten sind, obwohl ihre Überlieferungschancen doch ungleich schlechter waren. Bilder in Dorfkirchen waren keine Erfindung der Vorreformation; in dieser Zeit formten sich aber ein viel größerer Variantenreichtum und eine viel größere Dichte aus. Bilder wurden selbstverständlich. Natürlich sollte die Kirche das Dorf schmücken. Außer dieser repräsentativen Funktion hatten vor allem die Bildwerke aber weitere: Sie erzählten der analphabetischen Masse Teile der Heiligen Schrift oder der Heiligenlegenden. Durch die Wiederholung und das Althergebrachte der Darstellungen waren diese für die Bevölkerung ein Teil ihrer faktischen Welt. Die Heiligen dienten als Mittler im Gebet und als Schutzpatrone in bestimmten Fragen. Man kann dem Kirchenbesucher des späten Mittelalters außerdem den Glauben an eine Realpräsenz eines Heiligen in einem Bild unterstellen.1013 Ein solches sakralisiertes Bild diente der Andacht. Ja mehr noch: Vielen Bildern wurden magische Fähigkeiten zugesprochen, was am besten an den vermeintlich wundertätigen Bildern der Wallfahrtskirchen deutlich wird.1014 Die Bilder waren überdies in die Liturgie eingebunden. So haben sich aus thüringischen Dorfkirchen einige Auferstehungsfiguren erhalten, bei denen eine Öse oder Reste davon auf dem Kopf befestigt sind. Damit wurden die Figuren zu Christi Himmelfahrt durch ein Loch in der Decke des Kirchenschiffes aufgezogen, um den Kirchenbesuchern die Himmelfahrt zu verdeutlichen.1015 Die Situation des ‚Himmelsloches‘ hat sich nur in einer Kirche erhalten, in Zipsendorf im Altenburger Land. Verglichen mit den Stadtkirchen, in denen in vielen Fällen die Himmelslöcher erhalten sind, ist dies auffallend. Sie ist aber wohl auf die geringe Zahl der eingewölbten Langhäuser in Dorfkirchen 1012 Das mit einer großen Fülle hervorragender Stücke gefüllte Werk von KROESEN/ STEENSMA, Church führt ebd., S. 91 f. mit dem Seitenaltar der Kirche von Bibra nur ein einziges thüringisches Beispiel an. Ausstattungsstücke im Kontext bietet KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT. 1013 Vgl. ANGENENDT, Religiosität, S. 370‒373; MARCHAL, Mittelalter, S. 263 f. Zur Funktion der Bilder BELTING, Publikum. Belting spricht sich auch für eine bewusste begriffliche Unschärfe des Begriffs „Andachtsbild“ aus, ebd., S. 83. 1014 Vgl. oben Kap. I.4.10 und die Abbildung des Marienbildes der Wallfahrtskirche Elende bei SIGNORI, Elende, Abb. 1 im Tafelteil. Vgl. allgemein zur visuellen Praxis im Gebet etc. aus frömmigkeitstheologischer Sicht LENTES, Auge; LENTES, Sehrituale. 1015 KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 302–304; TRIPPS, Bildwerk, S. 114–158; KÜHNE, Spektakel, S. 226–229; SLADECZEK, Liebfrauenkirche, S. 29 f.
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zurückzuführen, da bei Brettertonnen oder flachen Holzdecken die entsprechenden Teile ausgetauscht werden konnten. Die Figuren haben sich aber in großer Zahl erhalten, 1016 sodass eine flächendeckende Verbreitung dieses Brauchs in den Landgemeinden anzunehmen ist. Die Auferstehungsfiguren sind aber nicht die einzigen handelnden Bildwerke in den Dorfkirchen.1017 Eine Besonderheit stellt das vollständig erhaltene Kruzifix in der Kirche von Großkochberg dar, dessen Figur über bewegliche Arme verfügt. So konnte die Christusfigur am Karfreitag vom Kreuz abgenommen werden. Die Arme wurden angelegt, und bis zur Osternacht wurde die Figur in einem Heiligen Grab aufbewahrt, um den Gläubigen die Passion vor Augen zu führen.1018 In großer Zahl sind Großkreuze mit Christusfiguren ohne bewegliche Arme aus der Spätgotik erhalten geblieben.1019 Jede Dorfkirche dürfte in dieser Zeit ein solches besessen haben. In der Wahrnehmung der aus dieser Zeit erhaltenen Ausstattungsstücke werden sie aber von den Flügelretabeln dominiert, die komplett oder in Teilen erhalten sind.1020 Ein solches Werk stellte für eine dörfliche Gemeinde eine enorme Anschaffung dar und war ebenso über das gesamte Kirchenjahr in die Liturgie eingebunden. Im Gegensatz zu weniger komplexen sakralen Kunstwerken lassen sich Retabel meist in einen Werkstattzusammenhang und mitunter auch in Verbindung zu Schriftquellen setzen, sodass im Folgenden vor allem anhand dieser Stücke die Bedeutung der Bilder in der vorreformatorischen Dorfkirche gezeigt werden soll.1021 1016 So etwa aus Reinsfeld (KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 303) sowie in den Kirchen von Reinstädt, Remptendorf, Jena-Zwätzen und Gera-Langenberg. 1017 Allgemein TRIPPS, Bildwerk. 1018 KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 294–297. Im Gegensatz zu einigen Stadtkirchen hat sich in keiner thüringischen Dorfkirche ein Rest eines Heiligen Grabes erhalten. 1019 Vgl. etwa WAGNER, Kruzifixe. 1020 Komplett erhaltene Retabel sind deutlich seltener als gedacht, da den meisten zumindest das Gesprenge fehlt. Dadurch wirken sie in der Regel eher horizontal und fügen sich weniger harmonisch in den im Idealfall gotisch-vertikalen Chorraum ein, als dies früher der Fall gewesen sein dürfte. 1021 Grundlegend zur Entwicklung des Flügelaltares: BELTING, Kult, S. 496‒505. Überblickend zu den thüringischen Schnitzwerken und der Tafelmalerei der Spätgotik DEGEN, Kunst, S. 297‒305; RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Altarwerkstätten; KÄMPFER, Bilderwerke; DESEL, Schnitzretabel; HOFFMANN, Weimar sowie die jüngeren Forschungen von Helga Hoffmann und Ortrud Wagner, vgl. die Titel im Literaturverzeichnis; KAMMEL, Beweinung. Letzerer verbindet ein Bildthema mit einem Überblick zur Entwicklung und zur Reichweite der Erfurter Werkstätten. Daran schließt er ebd., S. 206, ein überzeugendes Plädoyer an die Forschung an, sich stärker mit den thüringischen Werkstätten der Spätgotik zu beschäftigen. Dies muss unbedingt unterstrichen werden und gilt gleichermaßen für Historiker und Kunsthistoriker. Ein Beispiel, wie viele Ergebnisse eine intensive Recherche bereits für einen Ort ergeben kann, bietet Koch für Saalfeld; KOCH,
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Daneben existierten wohl in sehr vielen Dorfkirchen Wandbilder, die oft ganze Bildprogramme darstellten und biblische Inhalte vermittelten. 1022 Die Bilderbibeln sind keine Erfindung der Frühen Neuzeit. Typische Darstellungen waren das Jüngste Gericht und einige Heilige, wie der hl. Christophorus, dessen Anblick vor einem plötzlichen Tod schützen sollte (Abb. 30 ein sichtbarer Teil der Wandmalereien in der Kirche von Sparnberg an der Saale).1023 Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts wurden die Wandmalereien in ihrer Bedeutung jedoch von den immer häufiger auftretenden Flügelretabeln abgelöst. Diese betonten nicht zuletzt den Altar als Ort der Eucharistie.
Abb. 30: Wandmalereien in Sparnberg, Saale-Orla-Kreis
Jedoch waren keineswegs alle Bilder immer zu sehen. Flügelretabel hatten eine oder mehrere Wandlungen, die den Blick in den Schrein nur zu bestimmten Tagen zuließen. Viele andere Bilder wurden vor allem in der Fastenzeit verhüllt.1024 Man konditionierte sich selbst, sodass das Betrachten der Bilder besonders blieb, die Enthüllung wurde inszeniert. Lendestreich. Darin findet sich u. a. auch der Riemenschneider-Schüler Hans Gottwalt von Lohr, dessen Beitrag zur Fertigung einiger Retabel inzwischen abgegrenzt wurde (BIER, Gottwalt; WERNER, Gottwalt). Auch die Zuweisungen einzelner Werke zu bestimmten Werkstattgruppen ist immer wieder strittig vgl. HOFFMANN, Retabelwerkstatt; DESEL, Schnitzretabel. Zur Malerei des Gebietes des angrenzenden Bistums Merseburg: RITSCHEL, Tafelmalerei. Zu Sachsen, v. a. Freiberg, Chemnitz und Zwickau: SANDNER, Tafelmalerei. Zu Altenburg und Zwickau: LUTHARDT, Schnitzaltäre. 1022 MÜLLER, Dorfkirchen, S. 53 mit einigen Beispielen. Vgl. weiterhin MÜLLER, Haufeld; WAGNER, Wandmalereien; DÖRING, Wernburg. Ein Nachweis in Kirchenrechnungen stammt aus Gera-Tinz, wo 1493 ein Maler mit drei Schock Groschen für Malerei in der Kirche entlohnt wurde; StAG, III B, 19334, fol. 102v. 1023 Zu weiteren Nachweisen für große Christophorusdarstellungen in Dorfkirchen vgl. Kap. III.13.5 dieser Arbeit. Vgl. MÜLLER, Dorfkirchen, S. 53; ebd., S. 62, Abb. 122 die Abbildung einer Wandmalerei mit dem hl. Christophorus in einer Turmkapelle in Werningsleben. 1024 DÜNNINGER, Verhüllen; BELTING, Kult, S. 501; eine sehr anschauliche Schilderung über den Vorgang in Biberach bei SCHILLING, Pflummern, S. 213. Hier wurden „Hunger-
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Heute erscheint die Zahl der Flügelretabel, die sich in Dorfkirchen befinden oder aus solchen stammen, schlicht massenhaft. Die massenhafte Produktion dieser Werke für Dorfkirchen beginnt in Thüringen jedoch wohl erst um 1480 mit der Erfurter Werkstatt des Meisters des Thomasaltares.1025 Für diese recht frühen Reihenaltäre bietet das Triptychon aus Nottleben, das sich heute in der Kirche von Hochstedt bei Erfurt befindet, ein gutes Beispiel (Farbtafelteil, Abb. 31). In der Folge steigt die Zahl der Retabel, die für Dorfkirchen gefertigt wurden, stark an und wächst bis circa 1520. Eine genaue Verlaufskurve der Anschaffung der erhaltenen Retabel lässt sich wegen der ungenauen Datierung nicht erstellen, aber es wird deutlich, dass der Großteil erst in den letzten 15 Jahren vor der Reformation geschaffen wurde. Wobei man vor allem den Altären aus der Erfurter Werkstatt des Meisters des Großenlupnitzer Altares die größere Formelhaftigkeit und Serienfertigung ansieht.1026 Dabei lässt sich in seinem Hauptabsatzgebiet im Westen und Nordwesten Thüringens besonders gut die Kettenreaktion beobachten, die die Anschaffung eines Dorfs nach sich ziehen konnte. Vorbildwirkung und Repräsentationswille führten dazu, dass direkt benachbarte und naheliegende Dörfer ebenfalls ein neues Retabel, eventuell gar aus derselben Werkstatt, anschafften. Für den Kauf der Retabel kam die dörfliche Gemeinschaft in der Regel gemeinsam auf. Sicherlich gab es auch Stiftungen einzelner Personen oder Gruppen, wie dies bei den Messstiftungen und Spendenstiftungen gezeigt wurde, dafür fehlen jedoch Nachweise. Im Dorf wie in der Stadt stehen der Bau und die Ausstattung, etwa ein großes, vergoldetes Retabel, für die kollektive Trägerschaft der Menschen. Durch die Präsenz im Alltag verdeutlichten sie Einheimischen wie Ortsfremden die Möglichkeiten der Gemeinschaft. Die Bilder waren dabei dauerhaft sichtbar und vielleicht versprach man sich von ihnen einen ebenso großen Effekt für das eigene Seelenheil wie von einer liturgischen Stiftung. Im Gegensatz zu dieser bedeutete eine Stiftung für die Ausstattung der Kirche nur eine einmalige Verpflichtung, die bereits für deutlich weniger Geld möglich war. Wahrscheinlich erklärt sich daraus die enorme Zunahme der Erwerbung sakraler
tücher“ vor den Chor und über die Retabel gehangen, bis die sündigen Kirchenbesucher nach der Buße wieder würdig seien, diese zu betrachten. 1025 RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Altarwerkstätten, S. 98 ff. 1026 Ebd., S. 238‒254. Ebd., S. 218 auch die Feststellung, dass wohl die zunehmend hohe Nachfrage zur Einrichtung weiterer Werkstätten in anderen thüringischen Städten führte, da die Erfurter Werkstätten die Nachfrage nicht vollständig befriedigen konnten. Die zunehmende Konkurrenz führte wohl auch zu sinkenden Preisen. Bestimmte Werkstätten verlegten sich anscheinend auch auf die Fertigung kleiner Triptychen für Dorfkirchen, sodass sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts jedes Dorf ein Retabel leisten konnte.
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‚Kunst‘ in den letzten 50 Jahren vor der Reformation, die sich bis heute in den Kirchen niederschlägt. Darüber, wie die Bilder ihren Weg in die Kirchen fanden, existieren nur wenige Quellen. Auftragsurkunden über die Anschaffung von Ausstattung für die Dorfkirchen existieren aus dem Untersuchungsgebiet nicht. Im Gegensatz zu Altartafeln aus Städten und aus adligem Umfeld fehlen Wappendarstellungen als Möglichkeit der Zuweisung.1027 Ebenfalls gibt es keine Inschriften, die über die Stifter der Bilder unterrichten. 1028 Zuweisungen aufgrund des Bildprogramms und des Patroziniums gelingen nur in absoluten Ausnahmefällen.1029 Allerdings informieren Kirchenrechnungen selten über die Beschaffung bestimmter Kunstwerke durch die bäuerliche Gemeinde. An erster Stelle steht das namengebende Hauptwerk des Meisters des Dienstädter Altares, das sich bis heute in der Kirche zu Dienstädt bei Orlamünde befindet (Abb. 32 sowie im Farbtafelteil).1030 1513 verbuchten die Dienstädter Alterleute folgende Einnahme: xi alt [Pfennig] eingenomen geschengt czu der nawen taffeln.1031 Danach erscheinen eine Sammlung zur Kirmes und verschiedene Privatspenden ohne expliziten Zweck. Durch die Nennung im Kontext dürften sie ebenfalls auf die neuen Tafeln zu beziehen sein. Bereits einige Jahre zuvor hatten die Dienstädter ein Retabel bestellt. 1509 bezahlten sie vier alte Schock zu eyner nawen Taffeln zcu Sannt pastienn altar und Botenlohn für den Transport nach Dienstädt.1032 Die Initiative zur Anschaffung 1027 LUTHARDT, Schnitzaltäre, S. 45 f., verweist auf ein Retabel in Pötewitz, das das Wappen der von Bünau zu Droyßig zeigt, die Patronatsherren der Kirche waren. 1028 Ein besonders unglückliches Beispiel ist aus der Kirche von Burgtonna anzuführen. Ein inschriftlich auf 1485 datiertes Retabel trägt eine Inschrift, deren erster Teil fehlt und deren Ende über dem rechten Flügel leider abbricht: […] HAT EIN GEDECHTNIS GESTIFTET SEINER WVNDER DER GNEDIGE VND BARMHERZIGE HERR […]. Wegen der Formulierung und der Zugehörigkeit Burgtonnas zum Tonnaer Besitz der Grafen von Gleichen käme etwa Graf Siegmund I. von Gleichen-Tonna in Frage. Dies ist aber Spekulation. Eine Untersuchung des Stückes steht aus. LEHFELDT 10, S. 200, führte eine Herkunft aus einer Nürnberger Werkstatt an. 1029 Vgl. das Retabel der Großengotterner Jakobusbruderschaft in Kap. I.4.7 dieser Arbeit. 1030 Die Zuweisung des Retabels von LUTHARDT, Schnitzaltäre, S. 149 f., an die Zwickauer Herrgott-Werkstatt wurde zu Recht bereits von DEGEN, Kunst, S. 300, abgelehnt, der den Meister des Altars im Umfeld der Werkstatt des Hans Witten sucht, was aber ebenfalls sehr fraglich erscheint. Vgl. weiterhin BRÜCKNER, Holzplastik, S. 1‒9. Zum Schicksal des Dienstädter Altares in der Reformationszeit vgl. Kap. II.3 dieser Arbeit. 1031 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 6v. Der Begriff ‚Tafel‘ wird in den Quellen für Verschiedenes verwendet (Retabel, Tafelbild, Pfeilerbild, Sammeltafel, Schrifttafel etc.), wodurch in einigen Fällen die Abgrenzung schwierig ist. 1032 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 5r. BERGNER, Kahla, S. 75, identifizierte dieses Retabel mit in Orlamünde erhaltenen Figuren; vgl. LEHFELDT 2–4, S. 147.
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eines neuen Aufsatzes für den Hauptaltar muss aber auch bereits einige Jahre zurückgelegen haben, da 1510 folgende Ausgabe genannt wird: v schwert gr vor zcertht do dy menner zw salvelt seyn gewest als sy dy taffl haben besehenn.1033 Wahrscheinlich handelte es sich dabei um Entwürfe oder Vorzeichnungen, sogenannte Visierungen.
Abb. 32: Sog. Dienstädter Altar in Dienstädt, Saale-Holzland-Kreis
Die Menschen hatten eine sehr genaue Vorstellung, was auf den Tafeln abgebildet sein sollte. 1513 erscheinen in den Ausgaben verschiedene Tranchen an die Altarwerkstatt: Item iiii gulden dem moler uff dacz orlemondiß aplaß; Item iiii gulden dem moler uff Sant Johannes tack und ii gr vor czert die botenn; Item iiii gulden dem moler vor gnuget an Sant mattias tag.1034 Ob das Retabel mit diesen zwölf Gulden abbezahlt war, bleibt
1033 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 9r. Einige Rechnungsjahre fehlen, sodass dieser Posten u. U. auch auf ein anderes Retabel zu beziehen wäre. Die Tafeln des Sebastiansaltares befanden sich zu diesem Zeitpunkt aber bereits in Dienstädt und von einem dritten Altar in Dienstädt fehlt jede Nachricht, sodass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass sich hinter diesem Posten der erhaltene Aufsatz verbirgt. 1034 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 9v. Zur Bezahlung in Raten vgl. SANDNER, Tafelmalerei, S. 59.
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offen, ist aber sehr unwahrscheinlich.1035 Die Bezahlung in einzelnen Teilbeträgen kam den Alterleuten entgegen. Sie konnten mit Blick auf den nächsten Zahlungstermin zweckgebundene Sammlungen durchführen. Mit dem neuen Retabel wurde auch der Hauptaltar neu geweiht. Der Erfurter Weihbischof erhielt eine Zahlung über zwei Gulden, außerdem fielen erneut Spesen an: Item i n gr aus geben do man den bischoff holt.1036 Die Weihe mit dem neuen Retabel stellte den feierlichen Abschluss des Chorneubaues dar, der die Gemeinde wohl seit circa zehn Jahren beschäftigt hatte.1037 Ganz ähnlich finanzierten die Alterleute von Edersleben ihr neues Retabel; neben Sammlungen wird hier auch eine Testamentsverfügung erwähnt, die sich explizit auf die neuen Tafeln bezog.1038 Der Leiter der Altarwerkstatt erschien in Folge persönlich im Dorf, um seine Bezahlung einzufordern: xviii gr vor czerth alß her maler hyr waß umb gelt vnd wyr om dy iii fl geben.1039 Eventuell verbirgt sich dahinter eine Anzahlung, da der moler einige Wochen darauf in der Fastenzeit erneut im Dorf war.1040 Allerdings wurde bei diesem Besuch nur ein Schmaus abgerechnet und keine Teilzahlung überreicht. Wahrscheinlich handelte es sich hier um einen praktischen Besuch des Künstlers, der den Auftrag vor Ort entgegennahm und den Chorraum und die Mensa vermaß. Nach Ostern kam er ein weiteres Mal in das Dorf und im Anschluss reiste eine Delegation – es dürfte sich um die Alterleute und die Heimbürgen gehandelt haben – zum Künstler: lix gr vczerth als man ist zcu molhußen gewest dy taffhelnn Zu besichtigen. 1041 Damit ist gleichzeitig die Herkunft des Meisters genannt: Mühlhausen in Thüringen. 1042 Einige Seiten später wird auch sein Name genannt: Meister Henrich.1043 1035 1514 erscheinen in den Ausgaben keine weiteren Tranchen; die Ausgaben des Jahres 1512 sind allerdings nicht überliefert, sodass die genannten zwölf Gulden eventuell den Abschluss darstellen. 1036 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 9v. 1037 Zur Datierung des spätgotischen Chores: MÜLLER, Dorfkirchen, Katalog, S. 25. Auch die Anschaffung einer neuen Kanzel im Jahr 1514 (vgl. oben Kap. I.4.8) gehört in diesen Zusammenhang. Zur Weihe des Altars mit neuem Aufsatz vgl. SANDNER, Tafelmalerei, S. 60. 1038 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 5v. 1039 Ebd., fol. 9r. 1040 Ebd., fol. 9v. 1041 Ebd. 1042 Dies ist m. W. der erste Nachweis einer Retabelproduktion in Mühlhausen, wobei nicht deutlich wird, ob es sich bei dem Meister um einen Schnitzer oder einen Maler handelte. Da von dem Ederslebener Werk nichts erhalten ist, lässt sich kein Werkstattzusammenhang aufstellen. DESEL, Schnitzretabel, S. 31–47, postulierte eine „nordwestthüringische Schnitzretabelproduktion“, dies allerdings lediglich anhand des Verbreitungsgebietes bestimmter Werke des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts, die bisher Erfurter
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Über die schrittweise Bezahlung des Werkes informieren lediglich Ausgaben für einen Boten, der Geld nach Mühlhausen brachte. 1044 Danach lieferte der Meister selbst das Retabel mit Hilfe einiger Dorfbewohner, was erneut mit einem Schmaus begangen wurde, und baute es in der Kirche auf, wobei die Alterleute ein metallenes Band – wohl zur Befestigung – zur Verfügung stellten.1045 Das Gespränge wurde dabei gesubirt.1046 Allerdings zog sich dieser Prozess lang hin. Der Maler verzehrte Nahrung im Wert von über vier Schock Groschen dy gancze
1043 1044 1045
1046
Werkstätten zugeordnet wurden. Auf den Seiten 40 und 70 nennt sie dann gar ohne Angabe von Gründen oder Fragezeichen „Eisenach“ als Herstellungsort. Im Katalog erscheint dann auch bei Werken, deren Herkunft im Text noch als unbekannt oder mühlhäusisch eingeräumt wird, „Eisenach“. Dies ist methodisch sehr fragwürdig und auch inhaltlich und stilistisch aus vielen Gründen problematisch, da etwa für den Meister der Crispinuslegende, den Maler des Molschlebener Retabels, eines der nach Desel nordwestthüringischen Produkte, nachgewiesen ist, dass er in Erfurt wirkte; LÜBBEKE, Meister; HOFFMANN, Crispinus, S. 393–395. Vgl. die Zuweisung der Werkstätten bei RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Altarwerkstätten, die allerdings viele Werke zu pauschal zu einer Erfurter Werkstattgruppe im Umfeld des Meisters des Großenlupnitzer Altares zusammenfasst. Zu DESEL, Schnitzretabel vgl. allgemein die Rezension von Frank Matthias Kammel, in: Journal für Kunstgeschichte 2, 2 (1998), S. 153–155. Wahrscheinlicher bleibt, dass etwa die Werkstatt des Großenlupnitzer Meisters in Erfurt ansässig war. Dass die Erfurter Werkstätten der Spätgotik auch entferntere Gebiete mit größeren Mengen beliefern konnten, lässt sich auch an anderen Beispielen nachvollziehen. Ohnehin ist diese Frage aber ein weiteres Zeichen, dass zusätzliche Forschungen zur thüringischen Kunstproduktion der Vorreformationszeit nötig sind. Im Gegensatz zu einigen Nachbarlandschaften und mit einigen Abstrichen Saalfeld ist selbst Erfurt sehr ungenügend erforscht. Eine nordwestthüringische, also wohl mühlhäusische, Retabelproduktion ist aufgrund der vielen möglichen Abnehmer sehr gut über einen längeren Zeitraum denkbar. Klärung und eine Abgrenzung dieser möglichen Werkstattgruppe könnten nur eine prinzipielle Erfassung und ein stilistischer Vergleich der erhaltenen Werke bringen. LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 11v, 13r. Ebd., fol. 11v. Ebd., fol. 12r. Diesen Prozess zeigen viele Inschriften auf Retabeln des thüringischen Raums. So wird etwa in Großrudestedt auf der Tafel vermerkt: Anno domini 1487 in vigilia sancti thome apostoli copletu[m] est hec thabula (LEHFELDT 16, S. 8). Einige wenige Inschriften bezeichnen den Werkstattinhaber, so etwa im Falle des Linhart Koenbergk in der Erfurter Predigerkirche oder an einigen Werken des Valentin Lendenstreich (Farbtafelteil, Abb. 33 sowie Wülfershausen: An[n]o domini 1499 compl[etum] est hec tabula in vigilia sancti egidy per Valetinu[m] Lendestreich in salfelt). Es existiert aber im Untersuchungsgebiet keine einzige Inschrift, die explizit die Gemeinde als Geldgeber oder einzelne Stifter nennt. Die Inschriften bezeichnen aber den gleichen Vorgang des Aufstellens eines Altaraufsatzes, wie er anhand der Rechnungen beschrieben wurde. Zur Inschrift in Buchfart vgl. oben Kap. I.4.9. LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 12v.
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Zcit langk bys das man Im Syn gilt gab.1047 Anschließend wurde er nach Hause geleitet.1048 Die Alterleute rechneten die einzelnen Teilbeträge für die Rechnung zusammen: Das Retabel kostete 43 Gulden und 15 Schneeberger Groschen, nicht eingerechnet die vielen Trankgelder für den Werkstattleiter, seinen Knecht und seine Frau, die ebenfalls der Aufstellung des Werkes beiwohnte.1049 Die Summe ordnet sich gut in die aus dem Osterland und der Mark Meißen bekannten Zahlen ein. Das Cranach-Retabel in Neustadt an der Orla kostete circa 220 Gulden.1050 Das bekannte Retabel der Annaberger Bergknappschaft kostete über 500 Gulden und der Aufsatz des Hauptaltares der Zwickauer Marienkirche aus der Nürnberger Wolgemut-Werkstatt kostete gar 1400 Gulden. Kleinere Werke für Dorfkirchen waren bereits für unter 20 Gulden zu erhalten.1051 Wie in Dienstädt war die Anschaffung des Retabels auch in Edersleben Teil eines größeren Bauprojektes. Parallel zu dem gesamten geschilderten Prozess wurde ein neuer Chor erbaut, wie oben geschildert wurde.1052 Eingeweiht wurde der neue Altaraufsatz im gleichen Jahr mit einem Festgottesdienst, da eine gesonderte Sammlung durchgeführt wurde. 1053 Vom Retabel haben sich wie von dem Chorbau keine Spuren erhalten. Wenngleich aus den genannten Beispielen nicht hervorgeht, wer die Initiative zur Anschaffung gegeben hatte und auch die Finanzierungsanteile nicht vollständig aufgelöst werden können, wurde doch die anteilige Finanzierung durch die bäuerliche Gemeinde und die Organisation des Kaufes über die Kirchenfabrik deutlich. Auch andere Beispiele zeigen, dass dies selbstverständlich war: 1054 So beschaffte die Kirche von Teichröda in der Mitte des 15. Jahrhunderts zwei Werke.1055 Aus frühneuzeitlichen Abschriften von Rechnungen der Kirche von Gera-Tinz lässt sich der Erwerb eines Retabels aus der Zeitzer Werkstatt des 1047 Ebd., fol. 12v. 1048 Ebd., fol. 13r. 1049 Ebd., fol. 13r. Die Beteiligung einer Ehefrau an einer spätgotischen Altarwerkstatt ist ebenfalls für Valentin Lendenstreich in Saalfeld nachgewiesen; vgl. KOCH, Lendestreich, S. 18–30. 1050 KRÜNES, Stadtbürger, S. 148. Zu den Werkstattbedingungen noch immer lesenswert HUTH, Künstler. 1051 Zu diesen Zahlen SANDNER, Tafelmalerei, S. 58. 1052 Vgl. oben Kap. I.5.1. 1053 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 6r. 1054 Vergleichsuntersuchungen zu Stadtkirchen sind bisher selten. Vgl. KRÜNES, Stadtbürger; OVERMANN, Barfüßeraltar; REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 220‒230; zur Anschaffung des Wolgemut-Werkes für die Zwickauer Marienkirche KAHLEYSS, Zwickau, S. 223, Anm. 419. 1055 FLEISCHER, Rudolstadt, S. 178 f. Ein Retabel von 1437 stammte aus einer Jenaer Werkstatt.
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Matthias Plauener im Jahr 1497 nachweisen.1056 Teilbeträge wurden nach Zeitz gebracht, andere beim Setzen der Tafeln bezahlt. Insgesamt fielen Kosten von 44 Gulden an. Die Alterleute von Bodelwitz bei Pößneck beschafften 1493 ein Retabel bei einer Saalfelder Werkstatt und bezahlten ebenfalls in einzelnen Tranchen. Anscheinend kauften sie gleichzeitig einen Vorhang zum Verhüllen der Tafeln.1057 Ein Jahr zuvor bezahlten die Bauern von Buchfart bei Weimar 27 Gulden für ihre Tafeln an den Jenaer Mahler Johann Linde, der sie setzte und eine Zehrung erhielt.1058 1499 wurde in Tegkwitz ein neues Altarwerk angeschafft.1059 Für die Wallfahrtskapelle in Wersdorf bei Apolda beschafften die Verwalter 1518 oder 1519 ein Retabel für 50 Gulden in einer Hallenser Werkstatt: [V]on die taffele die der maler von halle gemacht hat und auff dem altar in der Capellen stellen mitten Im Corpus unser lieben frawen bilde mit dem kinde in der Sonnen, Sant Bartholomeus und Sant Niclaus in den ii flogeln die iiii heupt Jungfrawen Sant Katharin Sant Barbara Santa Margareta und Santa Dorothea unden Im fusse Sancta Anna alles ubergult uben im gespreng Sanctus Johannis der Teuffer die außwendigen flogel seint gemalt.1060
Bei einem solchen Erwerb schlossen die Besteller einen Vertrag mit einer Werkstatt ab. Ihr Vorsteher konnte ein Bildschnitzer oder ein Maler sein, der Teilaufträge an Kistner, Maler bzw. Bildschnitzer und Vergolder weiterreichte. In diesen Werkstätten wirkten in der Regel nicht viele Mitarbeiter; es konnten wohl zwei Gesellen und zwei Lehrlinge sein. Dabei sind einzelne Stücke oder gar Teile eines Werkes nie zweifelsfrei einem Meister oder einem Gesellen zuzuweisen. Die Kosten richteten sich auch nicht vorrangig nach der künstlerischen Qualität, sondern nach der Größe und der damit verbundenen Materialmenge. Ein Retabel war ein Handwerksprodukt und kein Kunstwerk.1061 1056 StAG, III B, 19334, fol. 102v–103r. Zum Tinzer Werk vgl. LEHFELDT 23, S. 111–113. 1057 BERGNER, Ziegenrück, S. 31. Vgl. oben Kap. I.3.3. 1058 WEBER, Altarwerkstatt, S. 210 f. 1506 und 1507 bezahlten die Buchfarter einen anderen Jenaer Werkstattleiter, Meister Herman, für ein weiteres Retabel für einen Annenaltar. Auch das große Kruzifix der Kirche stammt aus derselben Werkstatt; ebd., S. 211‒215; BERGNER, Blankenhain, S. 698 f. Die Rötelnotizen auf der Rückseite stehen keineswegs in Zusammenhang mit dem Kauf des Retabels, vgl. oben Kap. I.4.9. 1059 REINHOLD, Tegkwitz, S. 137. In Farnroda besteht ein möglicher Zusammenhang zwischen der Anschaffung eines Retabels und eines von Peraudi gewährten Ablasses; KÄMPFER, Schnitzaltar. Kirchenrechnungen des kleinen Dorfes Crispendorf zeigen die Anschaffung eines Retabels im Jahr 1514; WERNER, Malerei, S. 194. 1060 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 4049, fol. 65r. 1061 Allerdings stellte Sandner fest, dass ein „erwachender Sinn für den Wert außergewöhnlicher, über das handwerkliche Tun hinausreichender künstlerischer Leistungen […] die Andachtsstätten auch zum Platz des Genießens einer faszinierenden Farb- und Formenwelt werden [ließ]“. SANDNER, Tafelmalerei, S. 61.
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Abb. 35: Chorraum der Kirche in Rettwitz, Lkr. Weimarer Land
Preisunterschiede zeigen sich bis heute im Grad der Vergoldung. Bei einfacheren Ausführungen waren nur Kronen und Baldachine vergoldet, bei durchschnittlichen zusätzlich ein Teil des Hintergrundes, vor dem die Schnitzfiguren standen, und erst teure Werke zeigen einen voll vergoldeten Schreinhintergrund und vergoldete Heiligengewänder.1062 Reliefs waren teurer als Reihenaltäre. Die aus Größe und Materialpreis resultierenden Unterschiede kann man bis heute in den Dörfern erkennen. Kleine und arme Dörfer konnten lediglich kleine Retabel finanzieren (Farbtafelteil, Abb. 34), wobei hier auch oftmals die kleineren Chorbauten Grenzen setzten, wie dies bei dem erhaltenen Schrein in Rettwitz bei Blankenhain deutlich wird (Abb. 35). Es sei an den oben beschriebenen Zusammenhang zwischen Chorneubau und Anschaffung eines Retabels erinnert. Auch viele kleinere Orte könnten in der Lage gewesen sein, größere Altaraufsätze anzuschaffen, als sie es taten. Jedoch hatten sie nicht den Raum und verfügten nicht über die Mittel, die ein Chorneubau erfordert hätte, der dafür den Platz 1062 RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Altarwerkstätten, S. 9‒12; SANDNER, Tafelmalerei, S. 59.
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geschaffen hätte. Bevölkerungsreiche und finanzkräftige Orte konnten Retabel anschaffen, die einer Stadtkirche zur Zierde gereicht hätten, wie das große Retabel mit Schnitzreliefs in Molschleben zeigt (Farbtafelteil, Abb. 36, 37). Neben den Polyptichen boten aber auch einzelne Figuren und Tafelgemälde eine Möglichkeit, seiner Frömmigkeit Ausdruck zu verleihen und etwas für die eigene Kirche zu stiften. Diese waren deutlich preiswerter erhältlich.1063 Der beschriebene Weg der Anschaffung und vor allem die Besichtigung der Tafeln in der Werkstatt des Meisters dienten hauptsächlich einem Zweck: der genauen Festlegung des ikonographischen Programms. 1064 Für Thüringen ist bisher lediglich ein entsprechender Vertrag bekannt. 1519 bestellte das Hl.-Kreuz-Kloster bei Saalburg ein Schnitzretabel bei „Meister Joachim Maler“ in Schleiz. Neben der Ikonographie wurde auch auf die Visierung verwiesen, die vor Ort angelegt worden war: [E]in taffell sampt den sarge nach der hohe, breytte und lenge, wie er dan vormals apvisirt und gemessen, czu dreyen bylden, die er dan vormals auch yne gemacht hat, und auch in die innenwendigen flügill auff eyn machen das bylde Benedicti in aller masße verffertigen.1065
1063 SANDNER, Tafelmalerei, S. 59, Anm. 14, zeigt, dass einzelne Schnitzfiguren in der prominenten Zwickauer Werkstatt des Peter Breuer bereits für einen Preis von etwas über einem Gulden erhältlich waren. 1064 Vgl. BLICKLE, Hintergrund, S. 24. Für das Magdalenen-Retabel in Münnerstadt aus der Werkstatt Tilman Riemenschneiders hat sich der Vertrag, der auf eine Visierung verweist, und eine detaillierte Ausführungsvorschrift mit der genauen Ikonographie erhalten; KALDEN-ROSENFELD, Riemenschneider, S. 31. Das Beispiel zeigt, dass Vertrag und Beschreibung der Ausführung in verschiedenen Dokumenten festgehalten werden konnten. Aus dem Alpenraum haben sich umfangreichere Auftragsurkunden erhalten. Die Einwohner von Lana bei Meran legten in ihrem Auftrag an den Meraner Meister Hans Schnatterpeck 1503 den Umfang der Vergoldung fest; ZIEGLER, Schnatterpeck, S. 2. Im Vertrag über das Retabel in Gries bei Bozen wurde die Ikonographie wie bei anderen Werken Michael Pachers genau festgelegt; ebd., S. 3; STAMPFER/WALDER, Gries. Die Gegensicht der Kunstgeschichte besagt, dass der Auftraggeber kaum Einfluss auf das ikonographische Programm ausübte; so SANDNER, Tafelmalerei, S. 58, mit Blick auf die Auftragsurkunden, in denen sich nur die Vereinbarungen über Zahlungen finden. Daraus geht aber keineswegs hervor, dass die Besteller keinen Einfluss auf das Bildprogramm ausübten. Sandner weist ebd. selbst auf die Visierungen und Skizzen hin. RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Saalfeld, S. 207, argumentiert ganz ähnlich anhand der Serienproduktion, dass von den Bestellern „bestimmte Wünsche in der Wahl oder Art der Heiligen […] nie geäußert“ wurden. Dieser Gedanke ist entschieden zurückzuweisen. Allem lag vielmehr dieselbe Frömmigkeit zugrunde. RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Altarwerkstätten, S. 6, verweist selbst auf die dekorativen Gründe, die zur Angleichung der Figuren führten, dies allerdings in der überspitzten Feststellung, dass „immer wieder dasselbe, genau dasselbe verlangt wird“. 1065 WERNER, Malerei, S. 194. Diesem Stück ließen sich bislang keine Reste zuweisen.
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Im Anschluss wurden die Figuren im Einzelnen beschrieben, in der Predella sollte sich ein Sakramentshaus befinden. Der Zeit entsprechend sollten die Außenseiten der Flügel die Verkündigung an Maria zeigen.
Abb. 36: Schrein des Retabels (dat. 1518) mit der Darstellung des Apostelabschieds in Molschleben, Lkr. Gotha
Sicher unterstanden die Werkstattinhaber auch anderen Einflüssen: Die Schnitzer und Maler schufen die Werke nach städtisch-bürgerlichem Vorbild entweder nach Stichen Schongauers, Dürers und Cranachs oder nach eigenem Erleben. Dennoch sahen die Bauern diese Darstellungen alltäglich. Die Figuren einer Heiligen Sippe trugen vielleicht Kleidung, die sie sich nicht leisten konnten, aber die Szenerie war ihnen vertraut. Selbst wenn die Reihenaltäre nach 1500 schemenhafter wurden, überließen die bestellenden Gemeinden dies nicht dem Zufall. Abgebildet werden sollten die Heiligen, von denen sich die Einwohner eines Dorfs Hilfe in bestimmten Fragen erhofften. Die Retabel waren eben nicht nur Schmuck der Kirche, sondern dienten der Anbetung. Dies zeigen auch die verschiedenen erhaltenen Bittinschriften. Die Figur der Maria in der Mitte des Retabels in der Kirche in Possendorf trägt die Inschrift O Maria ora pr[o nobis].
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Der Sockel des Mittelschreins des Retabels in Altengönna trägt neben den drei Figuren Jesu, seiner Mutter und seiner Großmutter die Inschrift hilf du heilige frowe s. anna salpdritt.1066 Eine Heilige Sippe aus Illeben trägt die Inschrift O hilf sancta Anna selb[dritt].1067 Ein Mittelteil eines Triptychons aus der Kirche zu Schönau vor dem Walde trägt die Inschrift O beata et gloriosa maria S. 1519.1068 Das bereits genannte Molschlebener Retabel (Abb. 36) ist regelrecht mit solchen Inschriften übersät. Die Bilder waren Inkarnationen der Heiligen. Gleichzeitig verdeutlichten sie explizit und implizit die Vermittlung des göttlichen Heils und die Fürsprache der Heiligen sowohl durch die Institution Kirche als auch durch die jeweilige örtliche Kirche. Die Gegenwart der Heiligen in den Bildern zeigt auch das Vorkommen der verschiedenen Sujets in den spätmittelalterlichen Dorfkirchen. Wie bei den Stiftungen dominieren die Modeheiligen der Zeit die Szenerie, alles beherrschend Maria. Dazu gehörten die verschiedenen Darstellungsformen wie die Pietà, die Mondsichelmadonna, die Strahlenkranzmadonna etc. Auf den Außenseiten der meisten Flügelaltäre finden sich die Szenen der Verkündigung und Christi Geburt bzw. Anbetung. Dies war den Großteil des Jahres zu sehen, da der Schrein nur zu hohen Feiertagen geöffnet wurde. Maria war omnipräsent.1069 Aber auch die Zahl der Annendarstellungen nahm in den Jahren um und nach 1500 als Folge der steigenden Annenverehrung stark zu. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts rückt Anna in den Bildprogrammen der Retabel der Maria quantitativ gleichwertig zur Seite. Ebenfalls finden sich viele einzelne Sebastiansdarstellungen in den Kirchen. Das Bedrohungsgefühl durch die Pest war allgegenwärtig – ein dauerhaftes ‚Ora pro nobis‘. Bestimmte Darstellungen scheinen auch eine besondere Bedeutung für die bäuerliche Gesellschaft gehabt zu haben. Dazu gehört die Anna selbdritt und die artverwandte Heilige Sippe. Stellte die Anna selbdritt bereits das gemeinsame Leben dreier Generationen dar, stand die Heilige Sippe im Wortsinn für die Großfamilie, wie dies bereits für das bürgerliche und adlige Umfeld gezeigt wurde.1070 Diese Feststellung kann aber bedenkenlos auf die bäuerlichen 1066 LEHFELDT 1, S. 4. 1067 SCHUTTWOLF, Kat. Gotha, P 24, S. 68 f. 1068 Ebd., P 23, S. 63‒67. Das Retabel wurde 1519 in einer Erfurter Werkstatt gefertigt. Auf den Innenseiten der Flügel findet sich die zusammengehörige Inschrift konigin In den himeln frawe dich Maria den du hast enpfangen (ebd., S. 86). Verwiesen sei auf Inschriften auf Glocken, die oft die Funktionen derselben beschreiben, beispielhaft HALLOF/HALLOF, Inschriften, S. XXXVI‒XLV; MÜLLER, Dorfkirchen, S. 59. 1069 Vgl. die Stiftungen, v. a. das Salve Regina; Kap. I.4.2 dieser Arbeit. 1070 ESSER, Sippe. Dort auch S. 32‒36 zur wachsenden Verehrung der Verwandten Christi im Spätmittelalter. Vgl. weiterhin HORN, Sippe; HSIA, Sakralisierung, S. 62‒64; WAGNER, Sippe.
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Lebensbedingungen erweitert werden, wenn dort diese Metaphorik nicht gar eine noch stärkere Bedeutung hatte. Deutlich wird, dass mit der zunehmenden gesamtgesellschaftlichen Rezeption dieses Stoffes zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Zahl der Sippendarstellungen in den Dorfkirchen schnell ansteigt. Sicherlich ist das Sujet auf solch fruchtbaren Boden gefallen, weil die Bauern Elemente aus ihrem Leben wiedererkannten und er für sie anwendbar war. Die bildliche Darstellung konnte etwa spielende und lernende Kinder oder still beobachtende ältere Männer zeigen (Farbtafelteil, Abb. 38). Neben den üblichen ikonographischen Themen können auch die vielen Sakramentshäuser als Bilder verstanden werden, die sichtbarer Ausdruck der wachsenden eucharistischen Frömmigkeit waren.1071 Zwar hatten sie eine feste liturgische Funktion, für die jedoch eine einfache Wandnische ausgereicht hätte. Die zunehmende künstlerische Ausgestaltung der Stücke und die mitunter davor angebrachten brennenden Ampeln sprechen aber für eine zunehmende Sakralisierung und Verehrung der Eucharistie in der eigenen Kirche, 1072 sodass die Sakramentshäuser in die Nähe der Andachtsbilder rücken. In den Dorfkirchen hat sich die komplette Bandbreite von den einfachen, nicht verzierten Sakramentsnischen über verzierte Nischen bis zu baulich hervorgehobenen Sakramentshäusern erhalten (Abb. 40).1073 Letztere stammen in der Mehrzahl der Fälle aus dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert, was als Zeichen der in den Jahren vor der Reformation steigenden Sakramentsfrömmigkeit gedeutet werden kann. 1074 Oftmals wurden sie gemeinsam mit einem neuen Chorbau errichtet. An vielen Stücken finden sich auch Inschriften oder bildliche Darstellungen, die in einem Zusammenhang mit der Sakramentsverehrung stehen, wie das Ecce Ho[mo] in Gottstedt (Abb. 39) oder das Sakramentshaus mit dem Schmerzensmann in Ettischleben.1075 1071 Vgl. Kap. I.4.2 dieser Arbeit. 1072 Die Ewig-Licht-Ampeln vor den Sakramentshäusern lassen sich schriftlich selten nachweisen. In Monstab im Altenburger Land existierte eine Stiftung zu einem ewigen liecht vor dem Sacrament. Stifter war wohl ein Mitglied der niederadligen Familie von Schadritz zu Romschütz; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 6, fol. 21v. Baulich erhalten hat sich der hölzerne Arm über der Sakramentsnische in Unterwellenborn; Abb. bei MÜLLER, Dorfkirchen, S. 109. 1073 MÜLLER, Dorfkirchen, S. 57. Zur Entwicklung der Sakramentsnischen vgl. REINLE, Ausstattung, S. 24–31; NUSSBAUM, Aufbewahrung, v. a. S. 385–426; TIMMERMANN, Inszenierung. Vgl. allgemein RUBIN, Corpus. 1074 Zu den letzten nachgewiesenen Sakramentshäusern aus dem Untersuchungsgebiet vgl. Kap. II.3 dieser Arbeit. 1075 Abb. von dem Ettischlebener Sakramentshaus bei KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 76 sowie MÜLLER, Dorfkirchen, S. 56. COTTIN, Merseburg, S. 343, beobachtete ebenfalls eine starke Bedeutung der eucharistischen Frömmigkeit in den Landgemeinden des Bistums Merseburg.
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DIE DORFKIRCHE UND IHRE AUSSTATTUNG
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Abb. 39: Sakramentsnische in Erfurt-Gottstedt (li.) Abb. 40: Sakramentshaus in Ehrenhain, Lkr. Altenburger Land (re.)
Eng verbunden mit diesem Thema lässt sich auch eine sehr starke Passionsfrömmigkeit aus den Bildern herauslesen.1076 Im Laufe der Spätgotik entwickelte sich die zunehmend realistische Darstellung der Leiden Christi, die sich etwa in den Kruzifixen mit Echthaarperücken niederschlägt.1077 In den Passionsszenen erfolgt oft eine Betonung der Wunden, und die Züge Christi werden schmerzverzerrt dargestellt. Selbstverständlich herrschte auch bei diesen Fragen die Wechselwirkung zwischen Schnitzer sowie Maler und dem Rezipienten vor. Der Handwerker wollte die Passion zeitgemäß realistisch bis drastisch darstellen, der Kirchenbesucher verband dies mit seiner eigenen Frömmigkeit und suchte dieses Extreme in den Bildern. Schon die reine Zahl der erhaltenen Vesperbilder, Schmerzensmänner und Beweinungen zeigt die Verbreitung dieser Frömmigkeitsformen in den Dörfern.1078
1076 Zur Verbindung der Bilder mit der Hostie vgl. BELTING, Publikum, S. 263. 1077 Vgl. WAGNER, Kruzifixe. Vgl. allgemein DITTMEYER, Gewalt. 1078 Vgl. allgemein LENTES, Andacht; LENTES, Auge; SCRIBNER, Piety, v. a. S. 449–462; wichtig bleibt eine genaue Distinktion der verschiedenen Formen; vgl. SCHNITZLER, Probleme.
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Eine Schilderung über die Verwendung dieser Darstellungen als Andachtsbilder oder gar zur mystischen Vertiefung existiert aus den Dörfern freilich nicht, doch schildert Johann Jacoff, dass die Mitglieder der Gräfenthaler Fronleichnamsbruderschaft angehalten waren, zur andacht in betrachtung seines unschuldigen heiligen bitteren leyden, zu dancksagung seinen funf furnemlichen wunden, unter dem ampt der messe […] funf Vater unser zu beten.1079 Hier erfüllten die Bilder also eine zentrale Funktion, die durchaus auch für Passionsdarstellungen in den Dorfkirchen angenommen werden kann. In Betrachtung des Mitleidens der Mutter Christi sollten die Bruderschaftsmitglieder fünf Ave Maria beten. Eine hohe Bedeutung kommt in dieser Frage einer bereits erwähnten Ablassurkunde aus Gebesee zu,1080 die die individuelle Andacht in der Kirche forderte. Neben üblichen Bestimmungen, dass der Ablass zu bestimmten Festtagen erteilt wurde, kam er auch denen zugute, die an Wochentagen im Gedächtnis der Leiden des Herrn vor der Skulptur des Kruzifixes in der Kirche drei Vaterunser und drei Ave Maria sprachen.1081 Anhand der Passionsbilder erfolgte eine Identifizierung mit den Leiden Christi und bei bestimmten Sujets, wie der Pietà, mit den Leiden der Maria.1082 Zählt man zu den oben genannten Beispielen noch weitere Darstellungsformen hinzu, die in einem Zusammenhang zur Passion stehen – Kreuztragung, Kreuzigung, Ölberg, Christus in der Rast –, wird schon an ihrer reinen Zahl die enorme Bedeutung der Passionsfrömmigkeit in den Dörfern sichtbar.1083 Im Zuge verschiedener geistlicher Strömungen, wie der Mystik oder der Devotio moderna, breitete sich indirekt eine individuelle, verinnerlichende 1079 KOCH, Jacoff, S. 502. Zur Betrachtung des Leiden Christi vgl. SCHILLING, Pflummern, S. 189 f. CONRAD, Elsass, S. 29, schloss dagegen individuelle mystische Versenkung und Trost in den Leiden Christi für die ländliche Bevölkerung aus. Ebd., S. 29 f., verweist sie aber auch auf die Funktion der Bilder in den Predigten des Straßburger Predigers Johann Geiler von Kaysersberg. 1080 Vgl. oben Kap. I.5.1. 1081 Kreisarchiv Sömmerda, Gebesee, 3899. Zur Andachtsbildfunktion der Beweinungsdarstellungen vgl. DESEL, Schnitzretabel, S. 78–84. Ebd., S. 73 f., sucht sie allerdings in der Wallfahrtskirche von Heiligenleichnam das „Urbild“ der thüringischen Beweinungsdarstellung, was nicht nur sehr gewagt, sondern auch gänzlich unmöglich ist. Weiterhin sieht sie in den Beweinungsdarstellungen den Teil einer Propaganda zur Sicherung der gefährdeten Machtposition der katholischen Kirche in der Vorreformationszeit, was das Maß der Klitterung erreicht. 1082 Zur Pietà mit einem besonderen Augenmerk auf thüringischen Beispielen PASSARGE, Vesperbild. In Wetzdorf bei Weida hat sich ein weinendes Vesperbild erhalten; KOCH, Pfarrkirche, S. 323. Ein solch handelndes Bildwerk erhöhte die Dramatik natürlich auch gegenüber den üblichen realistischen Darstellungen noch einmal. 1083 Zur Entwicklung dieser Formen, auch aus der klösterlichen Mystik, vgl. REINLE, Ausstattung, S. 207–227.
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DIE BAUERN UND DAS LANDESHERRLICHE KIRCHENREGIMENT
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Bildandacht in der Bevölkerung aus. 1084 Die Fülle der Bilder ist dabei selbst Zeichen der selbstverständlichen Verbreitung dieser imaginisierenden Frömmigkeit. Das bildhafte, symbolische Messverständnis des späten Mittelalters war auf diese Weise gut für die ländliche Bevölkerung greifbar. Wenngleich sich auch in vorreformatorischer Zeit Stimmen gegen die Sakralisierung der Bilder erheben,1085 ist davon in den Dorfkirchen nichts zu spüren. Bis zu Beginn der 1520er Jahre werden in großer Zahl Bilder angeschafft, die neben dem Stiftungsvorgang vor allem der Andacht und der Vermittlung der Heiligen dienen. Die Bedeutung der Bilder steigt dabei in den Jahren bis zur Reformation nicht nur quantitativ, sondern anscheinend auch qualitativ, wie etwa der exzessive Bilderkult bei einigen Wallfahrten zeigt. 1086 Diesem ungeahnten Hoch der Bilderverehrung setzte erst die frühe Reformation ein Ende.1087
6. Die Bauern und das landesherrliche Kirchenregiment DIE BAUERN UND DAS LANDESHERRLICHE KIRCHENREGIMENT
Im 15. Jahrhundert entwickelte sich zunehmend das sogenannte landesherrliche Kirchenregiment. Auf verschiedenen Wegen versuchten die Fürsten, den Einfluss auf das kirchliche Leben in ihren Herrschaftsgebieten auszubauen. Dies betraf neben Bistümern und Klöstern zunehmend auch das Niederkirchenwesen. Wie waren die dörflichen Gemeinden also von der Entwicklung betroffen, und wie stellten sie sich zu ihr? Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment kannte verschiedene Ansatzpunkte. Dazu zählten die Beziehungen zur Kurie, die Auseinandersetzungen mit den zuständigen Bischöfen, das fürstliche Verhältnis zu Klöstern und Stiften, die Fragen der geistlichen Gerichtsbarkeit, der Einfluss auf den Niederklerus und die religiöse Kontrolle der Laien.1088 Im Folgenden sollen die 1084 ANGENENDT/MEINERS, Erscheinungsformen, S. 33–35. Ein gutes Beispiel ist die entsprechende Beschreibung in der „Himmlischen Fundgrube“ des Erfurter Augustiners Johannes von Paltz. Hier wird der Nutzen betont, den das Betrachten eines Kruzifixes für die innere Versenkung in die Wundmahle Christi habe; LAUBNER/URBAN 1989, S. 205; vgl. weiterhin HAMM, Paltz. Die zunehmende Anschaffung von Großkruzifixen für die Dorfkirchen um 1500 spricht für eine weite Verbreitung dieses Gedankengutes und dieser Frömmigkeitsformen auch in der ländlichen Gesellschaft. 1085 ANGENENDT, Religiosität, S. 373. 1086 BELTING, Kult, S. 505‒509 zur Wallfahrt zur „Schönen Maria“ in Regensburg. 1087 Vgl. Kap. II.3 dieser Arbeit. 1088 WINTRUFF, Kirchenpolitik; KIRN, Kirchenpolitik; PALLAS, Entstehung; VOLKMAR, Kirchenpolitik; BÜNZ/VOLKMAR, Kirchenregiment; HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 233‒256. Zum Kirchenregiment in anderen Territorien vgl. MÖTSCH, Henneberg; STIEVERMANN, Landesherrschaft; RANKL, Bayern; HAHN, Brandenburg.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
Themenfelder behandelt werden, die einen unmittelbaren Kontakt zum religiösen Leben in der dörflichen Gemeinde hatten: die geistliche Gerichtsbarkeit sowie der Einfluss auf den Niederklerus und die Laien. Zunächst soll die Entwicklung anhand der Wettiner gezeigt werden. Weiterhin wird die Kirchenpolitik des Erfurter Stadtrates im Landgebiet dargelegt, die zeigt, dass diese Entwicklung auch die städtischen Territorien betraf und einen Vergleich innerhalb Thüringens ermöglicht. Wettiner Die P f a r r e i e n bildeten die flächendeckende Basis des spätmittelalterlichen Kirchenwesens. Für die landesherrliche Kirchenpolitik waren sie somit logischer Ansatzpunkt, sollte das Kirchenregiment alle Bereiche des Herrschaftsgebietes erfassen. Der einfachste Weg war freilich die Erlangung einer Vielzahl an Patronatsrechten, um direkten Einfluss auf die Besetzung und die Amtsführung der Pfarrer zu haben.1089 Allerdings waren dieser Entwicklung durch den Einfluss der Klöster und des Adels Grenzen gesetzt. Im Bestreben, Patronate zu erwerben, lassen sich deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Fürstenhäusern feststellen. 1090 Die albertinische Politik gründete beispielsweise weniger auf den Patronatsrechten. 1091 Im ernestinischen Raum hatten die Patronate zwar eine höhere Bedeutung, es gab aber deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Landesteilen.1092 Für den Hof und die Kanzlei war der Verwaltungsaufwand aber derart hoch, dass spätestens zu Beginn des 16. Jahrhunderts Formulare über die Besetzung geistlicher Lehen angelegt wurden.1093 Bei einzelnen fürstlichen Patronaten waren Streite um die Besetzung ebenfalls an der Tagesordnung. Viele Eingaben erreichten den Hof mit der Bitte um Berücksichtigung eines Verwandten.1094 Die Patronate wurden so zwangsläufig Teil einer landesherrlichen Klientelpolitik. Für die jeweilige Besetzung einer Stelle waren vor Ort die
1089 Durch verschiedene Abgaben brachten die Patronate auch finanzielle Vorteile. Diese sind jedoch nicht genau zu beziffern; KIRN, Kirchenpolitik, S. 111. 1090 In Württemberg versuchten die Landesherren systematisch zusätzliche Patronate zu erlangen und besaßen im 15. Jahrhundert wohl ca. die Hälfte aller Patronate im Land; STIEVERMANN, Landesherrschaft, S. 150 f. 1091 VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 266. 1092 ARNDT, Patronat. 1093 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 1. 1094 Vgl. oben Kap. I.2 mit dem Fall aus Bischleben. Ähnlich die Bitte des Ritters Hans Mönch um Berücksichtigung bei der Vergabe der Pfarrei Apfelstädt und der Schriftwechsel mit dem Wachsenburger Amtsschreiber; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 28.
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DIE BAUERN UND DAS LANDESHERRLICHE KIRCHENREGIMENT
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Amtleute zuständig, die die Patronate im Namen des Fürsten nutzten.1095 Sie wandten sich bei Problemen an den Hof, wo im Zweifelsfall entschieden wurde.1096 Für die Untertanen war der Amtmann gleichermaßen erster Ansprechpartner in Fragen der Kirchenpolitik, was wiederum ihre bedeutende Funktion im landesherrlichen Kirchenregiment unterstreicht. In vielen Fällen wandten sich die Bauern wahrscheinlich mündlich mit Beschwerden an den Amtmann, der die Probleme verschriftlichte und so bei Hofe für die Untertanen eintrat. Neben den eigentlichen Pfarrpatronaten besaßen die Wettiner aber auch Lehensrechte über Benefizien in den Dörfern. Lassen sich für die Ernestiner nur wenige Patronate nachweisen, die kein System erkennen lassen,1097 gilt dies für die Albertiner nicht. Der Herzog besetzte etwa die Vikarien in den einfachen Amtsdörfern Mittelsömmern und Kleinurleben.1098 Besonders in der wichtigen Besitzung Herbsleben zeigt sich aber eine bemerkenswerte Verdichtung. Von den acht Benefizien im Ort befanden sich mindestens sechs Patronate in Händen des Landesherrn, darunter auch die beiden Kapellen des Dorfes.1099 Die Patronate waren aber keineswegs der einzige Weg, Einfluss auf den Niederklerus auszuüben. Bereits Herzog Wilhelm III. forderte – freilich unter starkem Einfluss der franziskanischen Reform – in der Landesordnung von 1446 von den Priestern ein priesterliches Verhalten. Fehlverhalten wollte er den geistlichen Gerichten melden.1100 Besonders der albertinische Herzog Georg verfolgte aber einen weitreichenden Plan zur Kontrolle des Niederklerus ohne die kirchlichen Instanzen.1101 In der Praxis blieb der Einfluss auf einzelne Geistliche nicht auf die fürstlichen Patronatspfarreien begrenzt. Meist ausgelöst durch eine Supplik der Gemeinde, setzte sich der Landesherr für eine disziplinierte Amtsführung des Pfarrers ein. Entsprechende Beispiele lassen sich für beide wettinischen Landesteile finden.1102 Andererseits wandten sich aber auch Pfarrer hilfesuchend an die weltliche Obrigkeit. So etwa 1501 der Pfarrer von Tegkwitz, der 1095 1522 bezeichneten die Bauern von Obernissa den Weimarer Schosser als ihren Amts halben Patron; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 105, fol. 1r. 1096 KIRN, Kirchenpolitik, S. 110; VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 104. Dort S. 107 f. das deutliche Beispiel des Salzaer Amtmannes Sittich von Berlepsch. 1097 Vgl. die Nachweise in der Tabelle Nr. 1 im Anhang dieser Arbeit. 1098 Vgl. die Nachweise in der Tabelle Nr. 1 im Anhang dieser Arbeit. Es muss offenbleiben, ob einige Patronate dem Fürsten von den Gemeinden angetragen wurden. 1099 Vgl. die Nachweise in der Tabelle Nr. 1 im Anhang dieser Arbeit. 1100 WINTRUFF, Kirchenpolitik, S. 79 f. 1101 VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 293–298. 1102 Vgl. die angeführten Beispiele oben Kap. I.2. Sie betreffen neben landesherrlichen Patronaten (Beutnitz, Eberstädt) auch adlige (Rothenstein war Lehen der Reußen zu Kranichfeld) und geistliche Patronate (Heilingen war Lehen des Pfarrers von Orlamünde). Auch im albertinischen Gebiet betraf dies Orte ohne landesherrliches Patronatsrecht; ABKG I, Nr. 160, S. 120 f.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
Herzog Johann wegen nicht gezahlter Zehnten um Hilfe bat.1103 An anderer Stelle wurde bereits gezeigt, dass einige Kalande unter landesherrlichem Einfluss standen, worüber der Fürst als Schutzherr des Klerus verstanden wurde.1104 Der Kampf um die Ausweitung des fürstlichen Einflusses auf den Klerus hatte viele kleine Auseinandersetzungen mit anderen Institutionen, vor allem geistlichen Einrichtungen, zur Folge. Jedoch beschritten die Ernestiner einen weiteren Weg, ihre Kontrolle über das Niederkirchenwesen in den Ämtern auszubauen. Die bestehenden K i r c h e n f a b r i k e n, die unter gemeindlicher Kontrolle standen, boten einen natürlichen Ansatzpunkt für die landesherrliche Kirchenpolitik.1105 So geriet auch diese Verwaltungspraxis in das Visier des wachsenden Kirchenregiments. In der ernestinischen Amtsordnung von 1513 wurde eine jährliche Rechnungslegung der Alterleute vor dem Pfarrer gefordert. 1106 Über anstehende Bauarbeiten an den Kirchen erhob der Ernestiner in gleicher Weise einen Kontrollanspruch; es sollte kein neuer stadtlicher baw wider an kirchen oder gemeinden one mit Rathen und vorwilligung des Landesherrn begonnen werden. 1107 Dies geschah in Konkurrenz zur Zuständigkeit des geistlichen Gerichtes in dieser Frage. 1108 Dieser Einfluss auf die Kirchenfabriken war wohl eine neue Stoßrichtung des Kirchenregiments unter Kurfürst Friedrich III.1109 Neben der direkten Kontrolle der Einnahmen und Ausgaben der dörflichen Kirchenverwaltung sollte vor allem die Kreditfunktion der Kirchenfabriken eingeschränkt werden. 1110 Die Rechnungen verschiedener Dörfer zeigen, dass eine Rechnungskontrolle nur vor dem Pfarrer erfolgte und eine Kontrolle des Geldverleihens nicht deutlich wird.1111 Nur anhand der Kirchrechnungen zeigt sich, dass die Albertiner diese Kontrolle 1103 1104 1105 1106
1107 1108 1109 1110
1111
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 799. Vgl. oben Kap. I.4.7. Vgl. Kap. I.3 dieser Arbeit. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Rr pag. 349, No. 5, 97a, fol. 8r; vgl. KIRN, Kirchenpolitik, S. 107 f.; vgl. zur Rechnungslegung vor einem Schosser in den ernestinischen Gebieten des Kurkreises BIRGELEN, Reformation, S. 31–34. Vgl. die entsprechende Regelung im Herzogtum Bayern seit den 1480er Jahren; THOMA, München, S. 515 f. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Rr pag. 349, No. 5, 97a, fol. 8r. Vgl. oben Kap. I.2. So KIRN, Kirchenpolitik, S. 108. Dort auch ein Beispiel aus dem Kurkreis, dass auch die Alterleute einer Pfarrei mit adligem Patronat ihre Rechnung vor dem Amtmann legten. So durfte von den Alterleuten kein Geld ohne Zustimmung des jeweiligen Amtmannes verliehen werden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Rr pag. 349, No. 5, 97a, fol. 8r.; vgl. KIRN, Kirchenpolitik, S. 107 f.; LUDOLPHY, Friedrich, S. 381; PALLAS, Entstehung, S. 169 f. 1514 legten die Alterleute von Dienstädt ihre Rechnung nur der Gemeinde und dem Pfarrer vor; PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1.
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vor Ort ebenfalls nicht erreichten; in den Rechnungen des albertinischen Amtsdorfes Edersleben zeigt sich 1506 und 1518 kein landesherrlicher Einfluss.1112 Eine besondere Rolle spielten die Wallfahrtskirchen. Wenngleich etwa Kurfürst Friedrich III. Wallfahrten und Prozessionen zur Förderung des kirchlichen Lebens im Land forderte,1113 bedingten die Wallfahrten eine besondere Aufsicht. Die großen, teilweise ekstatischen Menschenaufläufe und die damit einhergehende Kriminalität, die Frage der Schenken vor Ort – dies alles stellte eine Gefahr für die geordneten Sitten dar und musste obrigkeitlich kontrolliert werden. Für das ernestinische Gebiet stellt Vierzehnheiligen bei Jena ein prominentes Beispiel dar.1114 Das Pilgerzeichen, das u. a. die Wappen der Landgrafschaft Thüringen und des Herzogtums Sachsen zeigte, demonstrierte jedem Besucher den wettinischen Hintergrund.1115 Ähnlich verhielt es sich in Wersdorf bei Apolda.1116 Im Laufe des Spätmittelalters erreichte die g e i s t l i c h e G e r i c h t s b a r k e i t ein institutionell deutlich höheres Niveau als die weltliche. Die flächendeckende und professionelle Organisation sowie der meist nachvollziehbare Instanzenzug machten die Gerichte für Laien auch in weltlichen Fragen anziehend.1117 Herrschaft heißt im späten Mittelalter immer in erster Linie Gerichtsbarkeit. Die breite Zuständigkeit der geistlichen Gerichte in der Praxis musste somit eine Reaktion der Landesherren hervorrufen. Jedoch war eine direkte Einflussnahme auf die geistlichen Gerichte nicht möglich, wenngleich das Versagen dieser als Argument für das Eingreifen jener verwendet wurde.1118 Bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts versuchten die Wettiner vertraglich, die Macht der geistlichen Gerichte einzuschränken. 1119 Besonders Herzog Wilhelm III. versuchte, das geistliche Gericht aus weltlichen Rechtsfragen zu drängen.1120 Weiterhin griff er aber in eindeutig geistliche Rechtsfragen ein, so etwa in die Klagen Geistlicher wegen ausbleibender Zinsen.1121 1112 1113 1114 1115 1116
1117 1118 1119 1120 1121
LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 1. KIRN, Kirchenpolitik, S. 120. Vgl. Kap. I.4.10 dieser Arbeit. KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 166 mit Abb. KÜHNE, Wersdorf, S. 402. Für die albertinischen Teile Thüringens fehlt ein solches Beispiel. Allerdings zeigt der Einfluss Herzog Georgs auf die Wallfahrt nach Rötha bei Leipzig, dass auch er die Wallfahrten als Problem begriff; VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 352 f. MAY, Gerichtsbarkeit. HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 235. Vgl. WINTRUFF, Kirchenpolitik, S. 4–20. Vgl. ebd., S. 40–49. Vgl. ebd., S. 52.
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Diese Handlungslinien wurden im Prinzip sowohl von den Albertinern als auch den Ernestinern weiterverfolgt.1122 Besonders Herzog Georg griff dabei in vielen Fällen auch in die Verfahren ein.1123 Eine eindeutige Zuständigkeit geistlicher und weltlicher Gerichte gab es aber auch in der Folgezeit bis zur Reformation nicht. Typische Streitpunkte waren Patronatsfragen, Rechte der Geistlichen, aber auch die Amtsführung der geistlichen Richter. In vielen Einzelfällen gab es Doppelbestrafungen durch mehrere Gerichte.1124 Parallel verstärkte sich in dieser Zeit der landesherrliche Anspruch, über die Sittlichkeit des Niederklerus zu wachen.1125 Und auch die Laien sollten sich an die Feiertagsruhe halten sowie Spiel und Müßiggang bekämpfen.1126 Der landesherrliche Anspruch, das kirchliche Leben und die Einhaltung der Sitten im Land zu kontrollieren, wuchs stetig. Damit wurde der Landesherr für die Laien, insbesondere für die ländliche Bevölkerung, immer stärker Schutzherr ihrer geistlichen Interessen und die wichtigste gerichtliche Instanz in geistlichen Fragen. Diese nahmen die Entwicklung an; das geistliche Gericht wurde wohl ohnehin nicht als neutral wahrgenommen und mit Argwohn betrachtet.1127 Außerdem fürchteten die Laien Bann und Interdikt als Ultima Ratio der kirchlichen Gerichtsbarkeit; eine Einschränkung der Sakramente war für sie immer eine Gefährdung des eigenen Seelenheils.1128 Daher beschwerten sich zunehmend Laien beim Landesherrn über das geistliche Gericht.1129 Wann die Entwicklung einsetzte, dass sich die Untertanen weniger an die geistlichen Gerichte wandten und sich beim Landesherrn über selbige beschwerten, lässt sich nicht genau sagen. Das Ansteigen der erhaltenen Suppliken gegen Ende des 15. Jahrhunderts liegt wohl in der Überlieferung begründet. Die fürstliche Kirchenpolitik zielte nicht auf eine vollständige Beseitigung der geistlichen Gerichtsbarkeit, die auch nicht im Entferntesten möglich gewesen wäre. Eher sollten die Untertanen vor dem Missbrauch der Gerichte geschützt werden und dazu angehalten werden, Streitfälle außergerichtlich zu lösen. 1130 Somit 1122 Vgl. VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 232 f.; KIRN, Kirchenpolitik; WIESSNER, Naumburg, S. 241‒243. Die Grafen von Henneberg-Schleusingen stellten sich in einem kirchenpolitischen Programm 1502 die Bestellung von zwei Kommissaren vor, die in ihrem Auftrag neben dem geistlichen Gericht in Würzburg über die Verfehlungen von Geistlichen im Land urteilen konnten; MÖTSCH, Henneberg, S. 157. 1123 Vgl. VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 237 f., S. 246. 1124 Vgl. KIRN, Kirchenpolitik, S. 49–55. 1125 WINTRUFF, Kirchenpolitik, S. 79 f. 1126 Vgl. ebd., S. 80 f.; VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 390–403. 1127 Vgl. KIRN, Kirchenpolitik, S. 37–39; SLADECZEK, Beschwerden, S. 95 f. 1128 Vgl. KIRN, Kirchenpolitik, S. 62 f.; VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 229. 1129 Vgl. KIRN, Kirchenpolitik, S. 64. Zur Anrufung des albertinischen Herzog Georgs durch die Laien mit Beschwerden gegen die geistlichen Gerichte: VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 229. 1130 Vgl. KIRN, Kirchenpolitik, S. 66.
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wurde allerdings den geistlichen Gerichten schrittweise die Nachfrage entzogen. Intendiert war bei allem eine ‚Reform‘ der kirchlichen Zustände. So besteht gar die Frage, ob der Entfaltung des landesherrlichen Kirchenregiments eine einzige Absicht zugrunde lag, oder nicht alles eine unwillkürliche große Entwicklung war, die sich aus einzelnen kleinen Fragestellungen zusammensetzte. Besonders bei Friedrich III. wird eine starke, kirchentreue Frömmigkeit in seinem eigenen Handeln deutlich – im Sammeln von Reliquien, im Erwerben von Ablässen, im Stiften von Seelmessen, im Aufsuchen von Wallfahrtsorten. Nach dem Selbstverständnis der Fürsten gehörte auch das Behüten des geistlichen Lebens innerhalb der Landesgrenzen zu ihren Aufgaben. Der Fürst war verantwortlich, dass das Land keine göttliche Strafe auf sich zöge. Erfurter Stadtrat Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts gelang es der Stadt Erfurt, schrittweise ein sehr großes Landgebiet zu erwerben.1131 Geschickt wurde die Finanzschwäche der umliegenden Herrschaften ausgenutzt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts erreichte es seine größte Ausdehnung mit über achtzig Dörfern und der Stadt Sömmerda. Der Adel konnte als konkurrierender Machtfaktor ausgeschlossen werden.1132 Im direkten Umfeld der Stadt war das Territorium bis auf wenige Enklaven geschlossen. Hinzu kamen wichtige Erfurter Exklaven, die sich teilweise weit in wettinisches Gebiet vorschoben, wie Kapellendorf, Mühlberg und Großvargula. Daneben erlangten auch die reichen Familien der Stadt umfangreichen Besitz in der Umgebung.1133 Auf diesem Wege übte der Stadtrat auch einen bedeutenden Einfluss in wettinischen Dörfern der umliegenden Ämter aus. Zur Verwaltung des Landgebietes gehörte auch der schrittweise Aufbau eines Kirchenregimentes. Der nominelle Stadtherr, der Mainzer Erzbischof, konnte den Aufbau des Landgebietes ebenso wenig verhindern wie den Ausbau des Kirchenregimentes. Die wichtigste Quelle bei der Beschreibung der Zustände stellen die sogenannten libri communium dar, Kopiale bzw. Entwurfsbücher der Briefe des Rates an andere Städte und die eigenen Amtleute. Durch diese Überlieferung ist man über den Einfluss des Rates in den entfernter liegenden Ämtern besser unterrichtet als im Falle der im Umfeld der Stadt liegenden Vogteien. Dort wird der Einfluss jedoch sicher nicht geringer gewesen sein.
1131 Zur territorialen Entwicklung des Landgebietes und seiner Organisation vgl. OERGEL, Gebiet; DOMINIKUS, Gebiet. 1132 ROMMEL, Verhältnisse, S. 170. 1133 HELD, Bürger; BIEREYE, Von der Sachsen; BIEREYE, Ziegler.
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Bemerkenswert ist die große Zahl an P a t r o n a t s r e c h t e n, die der Rat im Spätmittelalter parallel zum Ausbau des Landgebietes erlangen konnte.1134 Besetzte der Rat eine Pfarrstelle neu, wurden die Dorfbewohner darüber auf dem Kirchhof informiert.1135 Ein neuer Pfarrer musste dem Rat vertraglich die Einhaltung seiner Pflichten versprechen.1136 Die Patronatsrechte wurden aber nicht nur als Machtfaktor verstanden, sondern der Rat war sich auch einer Aufsichtsfunktion durchaus bewusst. Wie oben bereits angesprochen wurde, war er Empfänger vieler Suppliken aus den Dörfern in geistlichen Fragen.1137 In der Mehrzahl der Fälle handelte es sich dabei um Kritik am Pfarrer oder seiner Amtsführung. Wie ging der Rat in diesen Fällen vor? Nach Eingang einer Supplik wurde im Erfurter Rathaus wie in den fürstlichen Schlössern verfahren. In Ermangelung eigener Kenntnis der örtlichen Zustände erging ein Schreiben an den zuständigen Vogt oder Amtmann. 1138 Dieser sollte kleinere Probleme nach Möglichkeit sofort klären. So erging 1474 eine Anfrage an den Mühlberger Vogt: Etliche der Einwohner hatten sich über das Ausbleiben des Gottesdienstes beschwert, was den Rat verdrießlich stimmte.1139 Der Vogt sollte zur ordnungsgemäßen Umsetzung des Gottesdienstes ermahnen. Es wurde mitunter versucht, Probleme schriftlich zu lösen. 1501 leitete die städtische Kanzlei eine Supplik der Dörfer Tonndorf, Tiefengruben und Gutendorf an den Tonndorfer Pfarrer weiter, der dazu Stellung beziehen sollte.1140 Neun Wochen später schickten sie 1134 WEISS, Bürger, S. 66 f. Hinzu kommt die große Zahl der vollständigen und anteiligen Patronate der Erfurter Familien, so etwa das der Familie Ziegler in Hopfgarten; vgl. HANNAPPEL, Archidiakonat, S. 176. 1135 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 2, fol. 211v. Die Bauern wussten durchaus in diesen Prozess einzugreifen. 1510 weigerten sich die Einwohner von Schmira erfolgreich, „einen von Weymar“ als Pfarrer anzunehmen. Lieber wollten sie „ohn alle Meße“ bleiben. Die Pfarrei sollte einem kursächsischen Amtsschreiber geliehen werden; zitiert nach WEISS, Bürger, S. 106 f. 1136 StAE, 0-0/C, Schmira Nr. 10. Am 27. Mai 1510 verpflichtete sich Johann Nobler, selbst zu residieren, die Gerechtigkeit der Pfarre zu halten, den Pfarrhof zu bauen und zu bessern und sich bei Streit mit den Nachbarn nur an den Rat zu wenden. Ein weiteres Exempel ist der Vertrag zwischen dem Rat und dem Pfarrer von Werningsleben von 1513; BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 177 f. Ebd., S. 176 ein Beispiel aus Ermstedt, wo 1512 ein junger Mann Pfarrer wurde, dessen Vater bürgte, dass dieser innerhalb eines Jahres zum Priester geweiht würde. 1137 Vgl. oben Kap. I.2. 1138 Eine Auflistung einiger bekannter Vögte und Amtmänner des 14.–16. Jahrhunderts findet sich bei REIN, Regesten, S. 268–270. 1139 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 1, liber communium 1472–1480, fol. 159v. Zum gleichen Problem kam es 1484 in Mühlberg; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 2, liber communium 1483–1487, fol. 89r. 1140 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 3, liber communium 1501–1506, fol. 9v.
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seine Antwort an die Dörfer.1141 1511 wurde dem Pfarrer von Kleinbrembach geschrieben, dass er sich mit einem verfeindeten Einwohner vertragen solle.1142 Meistens wurden der Pfarrer oder mehrere Streitparteien allerdings auf das Rathaus bestellt.1143 1516 wurde der Pfarrer von Berlstedt wegen dörflicher Beschwerden einbestellt.1144 Ein knappes Jahr darauf sollten der Pfarrverweser und der Kirchner von Großvargula in Erfurt erscheinen, um ihren Streit schlichten zu lassen. 1145 Zeigten diese Wege keinen Erfolg, forderte der Rat schriftlich zur Beseitigung der Missstände auf; final wurde dem Pfarrer mit der Entsetzung gedroht.1146 Obwohl die Streitfälle ja in die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts gefallen wären, gab es nur zwei Fälle, in denen die Pfarrer die Zuständigkeit des Rates nicht anerkannten. Dies kann als Zeichen für die erfolgreiche Ausweitung der Kirchenpolitik gedeutet werden. Der Pfarrer von Tonndorf hatte 1475 vor dem geistlichen Gericht Klage gegen die Einwohner von Gutendorf erhoben und sollte deshalb auf dem Rathaus erscheinen. 1147 Im selben Jahr gab es einen langwierigen Streit mit dem Pfarrer von Großvargula. Dieser ließ sich durch die doctores der Universität Leipzig verschreiben, wandte sich an das geistliche Gericht und forderte den Propst des Reglerstifts, mit dem sich der Streit entspann, auf, nach Leipzig zu kommen, um ihn zu lösen.1148 Der Rat reagierte empört, der Pfarrer sollte geistliche Forderungen fürderhin auf dem Rathaus vorbringen, da er der Stadt verwant sei. Kein anderes Gericht sei zuständig. Man erkennt deutlich, 1141 Ebd., fol. 17r. Der Inhalt der Beschwerde bleibt in beiden Fällen ungenannt. 1142 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 4, liber communium 1509–1511, fol. 176r. Ein weiteres Beispiel ereignete sich 1485 in Kerspleben. Der dortige vicepleban hatte gleichzeitig die Pfarrstelle in Obernissa angenommen. Nur hatte er sich nicht um die Bestellung der Pfarrei Kerspleben gekümmert. Der Rat begehrte, dass die Leute ordnungsgemäß versorgt würden und bat um einen Bericht über den ganzen Vorgang; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 2, liber communium 1483–1487, fol. 172v. 1143 Dieser Aufwand wurde auch bei kleineren Problemen nicht gescheut. 1505 sollten sich die Ältesten des Dorfs Schallenburg in Erfurt melden, da ihr Problem nicht mündlich verhandelt werden könnte; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 3, liber communium 1501–1506, fol. 264r. 1144 StAE, 1-1/XXI-1b, 1, liber communium 1516/1517, fol. 65r. 1145 Ebd., fol. 97v. 1146 So sollte der Pfarrer der Niederzimmerner Bonifatiuskirche das Pfarrhaus bessern und den Gottesdienst mehren, anderenfalls würde der Rat die Stelle neu verleihen; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 4, liber communium 1509–1511, fol. 59v. Dem abwesenden Pfarrer von Ermstedt wurden 1485 acht Tage Frist genannt, die Pfarrstelle wieder zu beziehen, sonst würde die Stelle neu besetzt werden; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 2, liber communium 1483–1487, fol. 174r. 1147 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 1, liber communium 1472–1480, fol. 234v. 1148 Ebd., fol. 220r–220v.
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den sich in dieser Zeit ausformenden Anspruch der Stadt, die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts einzuschränken. Fünf Monate danach gab es einen weiteren Streitfall. Der Pfarrer weigerte sich, Seelmessen zu halten. Der Rat forderte ihn auf, christliche Werke zu mehren.1149 Allerdings fügte er sich wohl nicht, da die Männer des Dorfes inzwischen mit dem Vogt auf dem Rathaus erschienen waren und der Pfarrer nicht erschien. Der Rat drohte implizit: wir hetten wol gemeynt Ir soltet nicht abfellig worden sint.1150 Dass diese beiden Beispiele sich bereits 1475 ereigneten und sich in den Jahrzehnten bis zur Reformation keine vergleichbaren Fälle abspielten, lässt die These zu, dass sich die Kontrolle des Rates über seine Patronatspfarreien im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts deutlich ausweitete. Die betroffenen Pfarrer bezweifelten die Zuständigkeit des Rates in der Folge kaum. Das geistliche Gericht war eingeschränkt. 1486 gab es einen Streit zwischen dem Erfurter Dorf Hermstedt und dem ernestinischen Dorf Kleinromstedt um die sonntägliche Messe.1151 Der Rat ließ eine Verhandlung vor dem geistlichen Gericht wegen der verschiedenen Herren zu. In seinen Patronatspfarreien hingegen wäre dies beinahe undenkbar gewesen. Der Rat sicherte sich ebenfalls Patronate über Benefizien. In Bechstedtstraß ist dies wohl auf das Hostienwunder zurückzuführen, das sich dort im 12. Jahrhundert ereignete.1152 Zur Wüstung Neuses am Roten Berg fanden städtische Prozessionen statt, die wohl in einem Zusammenhang zu den dortigen Vikarien standen, sodass auch hier die städtischen Patronate durch die besonderen Umstände erklärt werden können.1153 Niederzimmern und Schloßvippach waren hingegen wichtige Strukturbildner des Landgebietes. Dort übte der Rat über die Vikare einen zusätzlichen Einfluss auf das kirchliche Leben aus.1154 Der Rat sicherte sich das Patronatsrecht nicht willkürlich in einigen Dörfern seines Landgebietes, sondern vor allem in den wichtigen, großen Besitzungen (Mühlberg, Großvargula, Schloßvippach, Tonndorf) und größeren Dörfern (z. B. Niederzimmern, Berlstedt). In diesen Orten war das Besetzungsrecht, wie gezeigt, kein theoretisches Machtmoment. Bei der Durchsetzung des Kirchenregimentes vor Ort und der sittlichen Kontrolle in den wichtigen Besitzungen hatte es entscheidende Bedeutung. Die Pfarrer hatten eine Funktion in der zunehmenden
1149 1150 1151 1152
Ebd., fol. 254v. Ebd., fol. 233r. Über den Ausgang des Falles gibt es keine Nachricht. StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 2, liber communium 1483–1487, fol. 296r, 300r. KLAPPER, Blutkapelle, S. 274–276. Vgl. zu den Patronatsrechten im Landgebiet BERTRAM, Dorfpfarrer, S. 172 f. 1153 Zu Neuses vgl. LÖTHER, Prozessionen, S. 183‒193. 1154 Vgl. die Nachweise in der Tabelle Nr. 1 im Anhang dieser Arbeit.
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Sozialdisziplinierung; der Rat wollte die Stadt und das Landgebiet aber auch vor dem Bann schützen.1155 Bereits beim wachsenden Einfluss der Wettiner auf das N i e d e r k i r c h e n w e s e n wurde auf die angestrebte Rechnungskontrolle durch die fürstlichen Amtleute hingewiesen. Ähnliches lässt sich auch für den Erfurter Stadtrat konstatieren. Eine Kontrolle über die Kirchenfabriken der Dorfkirchen kann anhand verschiedener Quellen gezeigt werden. 1372 eröffneten die Alterleute von Schmidtstedt ein neues Erbbuch. Sie taten dies mit Bestätigung des Erfurter Rates oder gar in dessen Auftrag.1156 1508 ließen Schmidtstedter Alterleute einen Vertrag mit dem Pfarrer in ein Stadtbuch schreiben.1157 Nahm Schmidtstedt wegen seiner Nähe zur Stadt und der großen städtischen Prozession zweifellos eine Sonderstellung ein, lässt sich der Einfluss auf die Kirchenfabriken aber auch für andere Orte nachweisen. In Tonndorf wurden die neu gewählten Heimbürgen und Alterleute an den Vogt gemeldet. Im Anschluss schickte der Rat einen Vertreter in das Dorf, der die Huld der Dorfund Kirchenvorsteher entgegen nahm. Danach kontrollierte er die Heimbürgenund die Kirchenrechnung.1158 Gleiches lässt sich für Großvargula nachweisen.1159 Der direkte Einfluss auf die Kirchenfabriken zeigt sich nicht zuletzt auch in der Einziehung des Kirchengutes durch den Rat ab 1523. Bereits in diesem Jahr mussten die Alterleute von Schloßvippach und Berlstedt sowie die des Amtes Mühlberg ihre Barschaft auf dem Erfurter Rathaus abliefern. 1160 Im weiteren Verlauf entstand 1524 das „Pfarrlehenbuch auf dem Lande“, das den kirchlichen Besitz in den Dörfern aufnahm.1161 Wegen der Kontrolle über die Kirchenfabriken standen auch die Kirchner eines Dorfes in einem Abhängigkeitsverhältnis vom Stadtrat.1162 1474 wollte der Rat einen Streit des Kirchners von Berlstedt mit einem Einwohner schlichten und bat daher zusätzlich die Heimbürgen und Alterleute des Dorfes nach Erfurt.1163 Ein Schutzverhältnis des Kirchners wird ebenfalls an einem weiteren Exempel aus Berlstedt deutlich. 1519 trat der Rat für den dortigen Kirchner ein, weil dieser seinen Lohn für Schreibdienste in der 1155 1156 1157 1158 1159 1160
Vgl. WEISS, Kirchenpolitik, S. 53. StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 1. StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 6r. StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 2, liber communium 1483–1487, fol. 1v. Ebd., fol. 9v. StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 6, liber communium 1523–1525, fol. 10v; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 7, liber communium 1523–1526, fol. 31v. 1161 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 3v. Zu den Entstehungsumständen vgl. WEISS, Bürger, S. 166. 1162 Über die Beziehung des Kirchneramts zur Kirchenfabrik eines Dorfs vgl. oben Kap. I.3.7. 1163 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 1, liber communium 1472–1480, fol. 183v.
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Gemeinde nicht erhielt.1164 Ein neuer Küster musste von der städtischen Verwaltung bestätigt werden.1165 Anhand der städtischen Ordnung für das Landgebiet vom Anfang des 16. Jahrhunderts lässt sich auch die sozialdisziplinierende Funktion des Kirchenregimentes zeigen. Der erste und der zweite Artikel für die Heimbürgen betonen die Heiligung des Sonntags und der Feiertage.1166 Der dritte Artikel gebietet die Durchführung der Flurumgänge.1167 Die Kirche eines Ortes war neben ihrer zentralen Funktion im geistlichen Leben auch Ort politischer Versammlungen. 1168 Die Kontrolle über die Kirchenfabriken der Dörfer des Landgebietes hatte neben praktischen Gründen somit auch eine hohe symbolische Bedeutung. Die Kirche in Händen der Stadt zeigte herrschaftliche Präsenz im Ort. Weiterhin hatte der Stadtrat über die Kirchenfabriken einen Einfluss auf den Kirchenbau.1169 Die Kirchtürme hatten für die Verteidigungspolitik der Stadt eine entscheidende Bedeutung.1170 Zwischen 1350 und 1520 entstand im Umfeld der Stadt eine Vielzahl hoher, spätgotischer Türme, für die stilistische und konstruktive Analogien festgestellt wurden (Abb. 41). Neben ihrer Funktion als Glockenturm dienten sie als Rückzugsort und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der militärischen Überwachung des Landgebietes und der Kontrolle der Straßen. Sie waren in das System der städtischen Warttürme eingebunden. In diesem Zusammenhang stellte bereits Rainer Müller die Frage nach der Baulast und vermutete eine finanzielle Beteiligung der Stadt an diesen Türmen.1171
1164 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 5, liber communium 1519–1522, fol. 84r. 1165 WEISS, Landschafft, S. 72 und Anm. 97; Vgl. WEISS, Kirchenpolitik, S. 180 mit dem Nachweis, dass es 1522 Streit gab, als die Einwohner von Großvargula einen neuen Kirchner ohne Wissen des Amtmannes einsetzten. Demnach war die Bestätigung durch den Amtmann der Normalzustand. 1166 NEUBAUER, Geschichte, S. 59. 1167 Vgl. dazu Kap. I.4.9 dieser Arbeit. 1168 1519 sollten sich alle Männer in allen Dörfern des Landgebiets vor der Kirche einfinden, um Steuern an den Stadtrat zu entrichten; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 5, liber communium 1519–1522, fol. 98r. 1169 Weitere grundlegende bauhistorische Untersuchungen, stilistisch oder auch anhand von Steinmetzzeichen, zu diesem Thema wären wünschenswert, um den Einfluss der Stadt auf das Bauen in den Dörfern besser einschätzen zu können. Eine Untersuchung über die Steinmetzzeichen in Erfurt exisitiert: STECHER, Steinmetzzeichen. 1170 Zum Folgenden: MÜLLER, Dorfkirchen, S. 140–143. 1171 Ebd., S. 142 f. Vgl. weiterhin RUDOLPH, Kirchtürme, S. 129–133.
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Abb. 41: Kirchturm in Niederzimmern
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Leider existieren aus vorreformatorischer Zeit keine Quellen, die eine eindeutige Aussage darüber zulassen würden; auch die erhaltenen Stadtrechnungen liefern keine Hinweise auf eine finanzielle Beteiligung des Rates. Sie zeigen aber die Bewaffnung der Bauern bei Bedarf, die in einem Zusammenhang mit den Kirchtürmen stehen könnte.1172 Inwiefern die nachreformatorischen Nachweise auf die vorreformatorischen Zustände Anwendung finden können, wird unten diskutiert.1173 Eventuell zeigt sich ein besonderer Einfluss bestimmter Burgmannenfamilien auf das kirchliche Leben in den wichtigen Besitzungen an einer Bauinschrift an der Tonndorfer Kirche von 1494. Dargestellt sind drei Wappen von Familien, die teilweise bereits im 13. Jahrhundert genannt werden.1174 Was wie ein Zirkelschluss scheint, zeigt, wie sich praktische Gründe, Herrschaftspräsentation und Kirchenregiment im Landgebiet der Stadt Erfurt gegenseitig stützten. Die Nutzung der Kirchen für militärische und politische Zwecke bedingte die Kontrolle über die Kirchenfabriken. Damit einher ging eine enorme Ausweitung der Einflussnahme der Stadt auf die Kirchenorganisation des Landgebietes.1175 Im Erfurter Territorium lässt sich mit der Mühlberger Heilig-Kreuz-Kapelle auch ein Beispiel für die Aufsicht der Herrschaft über eine Wallfahrt anführen.1176 Daneben lässt sich zeigen, dass sich diese Einflussnahme auch auf andere Institutionen erstreckte: das Hospital bei Linderbach1177 und das Kloster Kapellendorf. Über das Kloster beanspruchte der Rat eine sittliche Kontrolle. Er schrieb an den Propst, dass die Nonnen während der Kirmes keine Mönche oder andere Männer beherbergen sollten.1178 Er wies den Amtmann an, eine Versorgung für eine schwangere Nonne bis zur Entbindung zu organisieren1179 und er setzte sich für eine Erneuerung des klösterlichen Lebens ein: 1503 sollte ein Herr Johann das Kloster, das ein zeitlangk verwustet gewest, widder in eyne rechte standt und wesen anrich-
1172 1173 1174 1175 1176 1177
1178 1179
StAE, 1-1/XXII, 3-4, S. 43 (Kleine Mater 1518); StAE, 1-1/XXII, 3-5, S. 49 (1519). Vgl. unten Kap. I.13.3. LEHFELDT 17, S. 175. Ein weiteres Ziel war sicher die Zurückdrängung des Einflusses der großen Stifte und Klöster im Umfeld der Stadt; vgl. WEISS, Kirchenpolitik, S. 52. Vgl. oben Kap. I.4.10. 1510 verteidigte der Rat die Vormunde des Spitals gegen den Linderbacher Pfarrer, weil dieser den Bann über sie verhängt hatte. Der Rat vermittelte wegen der ausstehenden Forderungen des Pfarrers; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 4, liber communium 1509–1511, fol. 52v. So 1483; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 2, liber communium 1483–1487, fol. 20v. 1501 hatte sich eine Nonne im Kloster ungebührlich verhalten; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 3, liber communium 1501–1506, fol. 17v.
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ten.1180 Daneben beschützte der Rat aber auch die Güter des Klosters1181 und sorgte sich um seinen baulichen Erhalt.1182 Aus Sicht der Dorfbewohner war das städtische Kirchenregiment nicht zwingend eine Einschränkung ihrer eigenen Befugnisse. Neben der genannten finanziellen Unterstützung war der Stadtrat ein wichtiger S c h u t z h e r r. Diese Aufgabe nahm er pflichtbewusst wahr. Die Fälle, in denen sich Dorfeinwohner oder die gesamte Dorfschaft eines Ortes über geistliche Forderungen beschwerten, nahmen zu Beginn des 16. Jahrhunderts stark zu. 1510 beschwerten sich zwei Einwohner aus Dachwig über ungerechtfertigte geistliche Forderungen aus Kleinfahner.1183 Im selben Jahr wurden Klagen über den Pfarrer von Rohrborn laut, der einen Zehnt anders als bisher erhob. Der Pfarrer sollte sich auf dem Rathaus melden.1184 1516 bat der Rat den Schultheißen von Vogelsberg um eine Stundung der geistlichen Forderungen an die Bauern von Ollendorf.1185 Ein Jahr darauf verteidigte er einen Bauer aus Klettbach gegen geistliche Forderungen des Gutsbesitzers in Nauendorf.1186 1519 baten die Erfurter den Gothaer Amtmann, die Bauern des Dorfes Bufleben, die Forderungen gegen Erfurter Bauern aus Nottleben erhoben, an den Rat zu verweisen.1187 1522 vertraten die Ratsherren die Heimbürgen und die Gemeinde desselben Dorfes bei Verhandlungen mit dem Abt des Klosters Georgenthal wegen Fronleistungen für den Klosterhof im Dorf.1188 Für die Bauern stellte der Rat einen verlässlichen Anwalt dar, der immer zuerst ihre Interessen vertrat. Wenn allerdings eine Billigkeit erkennbar war, wies
1180 Ebd., fol. 113v–114r. 1181 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 2, liber communium 1483–1487, fol. 264v. 1182 1501 schrieb der Rat an den Vorsteher des Klosters, dass dieser eine Besserung der Wände des Klosters veranlassen sollte, da diese einzustürzen drohten; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 3, liber communium 1501–1506, fol. 7r. 1183 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 4, liber communium 1509–1511, fol. 74r. Der Rat schrieb an Christoph von Seebach, den Gerichtsherrn des Dorfes Kleinfahner. Zum Einschreiten des Rates bei Konflikten zwischen einem Dorf und einer geistlichen Institution vgl. WEISS, Bürger, S. 70. 1184 Ebd., fol. 130v. Anscheinend zog sich der Streit noch eine Weile hin, da später auch die Heimbürgen angewiesen wurden, sich wegen der Schlichtung in Erfurt einzufinden; ebd., fol. 171v. 1185 StAE, 1-1/XXI-1b, 1, liber communium 1516/1517, fol. 44r. Zur Vermittlung des Zürcher Rates in einem Streit zwischen einer Gemeinde und einem Stift: JEZLER, Kirchenbau, S. 50–52. 1186 Ebd., fol. 134r. 1187 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 5, liber communium 1519–1522, fol. 21r. Im selben Jahr sollten zwei Erfurter Bauern, ein Klettbacher und ein Büßlebener, wegen ihres Streites um geistliche Zinsen beim Stadtvogt vorstellig werden; ebd., fol. 80r. 1188 StAE, 0-0/C, Nottleben, Nr. 4.
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er auch die Bauern an, sich rechtlich zu verhalten.1189 Gleichfalls achtete der Rat auf eine Einhaltung sittlicher Normen auf dem Land. Das Kirchenregiment verstand sich nicht zuletzt als gezielte Verantwortung für das Leben vor Ort. 1503 wurden die Kirchheimer wegen ihrer ausschweifenden Kirmes kritisiert. Sie sollten solche Leichtfertigkeiten abstellen, umb ewr selbst nutz und besten willen.1190 Aus der Zahl der Nennungen in den Quellen wird ersichtlich, dass der Rat über die wichtigen Besitzungen mehr Aufsicht führte bzw. durch die Amtleute vor Ort mehr Zugriff hatte. Insgesamt muss das Kirchenregiment des Erfurter Landgebietes aber den Vergleich mit den fürstlichen Territorien nicht scheuen. Besonders das Zurückdrängen des Einflusses des geistlichen Gerichtes wurde deutlich. Wenn man die Ausweitung der Kontrolle auf den Niederklerus als Marker für die Qualität eines Kirchenregiments nimmt,1191 kann für das Erfurter Landgebiet ebenfalls ein weitreichender Einfluss des Rates auf das kirchliche Leben konstatiert werden. Dieser Einfluss war aber nicht nur Ausdruck eines ausgreifenden Machtbedürfnisses, sondern wurde ihm im gleichen Maße von unten angetragen. 1192 Bei einem Vertrag zwischen dem Pfarrer des Dorfes Kirchheim, dem Patronatsherrn der Pfarrei, des Johanniterkomturs von Schleusingen und den Bauern des Ortes wandten sich Letztere an den Rat, mit der Bitte, den Vertrag zu besiegeln.1193 So erlangte der Rat außerhalb seiner vielen Patronatspfarreien zwar keinen vollständigen Einfluss, über die Kirchenfabrik und die Bauern dennoch einen bedeutenden. Die Bauern der beiden wettinischen Gebiete und des Erfurter Territoriums waren gegen Ende des 15. Jahrhunderts einer sehr ähnlichen Entwicklung ausgesetzt. In allen drei Fällen sahen sie sich einer Ausweitung des Kirchenregiments gegenüber. Die Elemente dieses Kirchenregiments gleichen sich. Der jeweilige Herrschaftsträger wollte seine Kontrolle über den Klerus ausbauen und die Macht der geistlichen Gerichte einschränken.1194 Weiterhin wurde auch der Alltag der Laien zunehmend von einer sozialen Kontrolle erfasst. Der Landesherr sorgte sich um die Sitten im Land. Dass dies in der spätmittelalterlichen Welt über das kirchliche Leben erfolgte, dürfte nicht überraschen. Der Landesherr war schon 1189 1520 sollten die Dachwiger ihre Vikarie an einen Andreas Bischof verleihen, der deshalb an den Rat suppliziert hatte. Die genauen Umstände bleiben im Dunkeln; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 5, liber communium 1519–1522, fol. 161r. 1190 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 3, liber communium 1501–1506, fol. 166v–167r. 1191 So BÜNZ/VOLKMAR, Kirchenregiment, S. 106. 1192 Vgl. erneut die Suppliken im Kap. I.2. 1193 StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a (1509). Nach dem Vertrag durfte sich der Pfarrer im Streitfall hilfesuchend wenden, an wen er wollte, die Bauern sollten sich an den Komtur wenden. Dies war sicher nicht im Interesse der Bauern. 1194 Zum Einfluss der Schwarzburger auf die Jechaburger Propstei und damit auch das dortige Archidiakonatsgericht vgl. GRESKY, Jechaburg, S. 28–34.
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wegen der Verknüpfung der geistlichen und der weltlichen Welt an einem starken Einfluss auf die Kirche interessiert. Herrschaftsausübung war nur über den Glauben möglich. Gezeigt wurde, dass sowohl im ernestinischen Landesteil als auch im Erfurter Landgebiet die Kirchenfabriken bereits vor der Reformation einer landesherrlichen Einflussnahme ausgesetzt waren. Für das Erfurter Landgebiet kann dieser Einfluss in Stadtnähe bereits für das späte 14. Jahrhundert, in den entfernten wichtigen Besitzungen spätestens für die 1480er Jahre nachgewiesen werden. Für den Rat hatte die Kontrolle über die Kirchen des Landgebietes, wie gezeigt, weitere praktische Gründe, die über das reine Kirchenregiment hinausgingen. Die Entwicklung der Kontrolle über die Kirchenfabriken erreichte im wettinischen Machtbereich erst durch die Reformation und die Visitationen ein höheres Niveau. Die Laien sträubten sich nicht gegen den wachsenden herrschaftlichen Einfluss. Den Bauern war ein streng obrigkeitliches Denken eigen. Vor allem im Bereich der geistlichen Gerichtsbarkeit wurde das Streben der Landesherren aber auch dankend aufgegriffen. Für die ernestinischen und die erfurtischen Gebiete kann für das Ende des 15. Jahrhunderts eine hohe Zahl der Suppliken in geistlichen Fragen konstatiert werden. Allerdings lässt die jeweilige Quellenlage nicht zu, eine Entwicklung oder gar eine Zeitkurve daraus abzuleiten. In beiden Fällen setzt die Überlieferung dieser Quellen erst im dritten Viertel des Jahrhunderts ein. Sicherlich hat es diese Suppliken aber bereits deutlich eher gegeben; auch hat sich wohl nur ein Bruchteil der Beschwerden erhalten. Zwar kann ein wachsender Einfluss der Landesherren auf die geistliche Gerichtsbarkeit festgestellt werden; aber auch in den Jahren um 1500 wandten sich viele Dörfer an das geistliche Gericht. Für das Wirken des landesherrlichen Kirchenregiments kam der Frage der Gerichtsbarkeit eine sehr hohe Bedeutung zu. Dennoch sind grundlegende Fortschritte aus Sicht der Landesherren vor der Reformation nicht erzielt worden.1195 Das landesherrliche Kirchenregiment war aber nicht allein ein Machtfaktor. Es erwuchs zu einem guten Teil aus dem Verantwortungsgefühl für das geistliche Leben der Untertanen. Im Falle der Fürsten hatte auch die persönliche Frömmigkeit somit einen Einfluss auf die Kirchenpolitik.1196 Sowohl im städtischen als auch in den fürstlichen Gebieten wurde aber nicht nur versucht, Kontrolle über das vorhandene kirchliche Leben zu gewinnen, sondern die Frömmigkeit der Zeit wurde gefördert, wie Aufrufe zu Prozessionen und Wallfahrten zeigen. All dies sollte aber wieder vor der Folie der entstehenden sozialen Kontrolle ablaufen. 1195 Zu diesem Fazit kommt für die albertinischen Gebiete auch VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 246. 1196 KIRN, Kirchenpolitik, S. 6–25, S. 125–129, S. 164–177; LUDOLPHY, Friedrich, S. 337– 383; VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 77–88, S. 110 f.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
7. Ergebnisse ERGEBNISSE
Für das thüringische Land kann eine differenzierte Sakraltopographie festgestellt werden. Diese wurde in den Jahren vor der Reformation durch den Stiftungseifer stark erweitert.1197 Wie in den Städten spielten die materiellen Möglichkeiten der jeweiligen Gemeinde eine grundlegende Rolle. Hartmut Boockmann stellte fest, dass die „Gewährleistung eines angemessenen Gottesdienstes, und angemessen hieß: gemäß dem Vermögen der Stadt und ihrer Bürger“, zu den prinzipiellen Zielen in spätmittelalterlichen Städten gehörte.1198 Dieses Prinzip kann auf die Dörfer übertragen werden.1199 Die ‚Verdichtung des Sakralen‘ geschah dabei im Einklang mit dem kirchlichen Recht. Unter den untersuchten Elementen finden sich kaum Eigenarten und schon gar keine Nonkonformität.1200 Die benannten Formen ordnen sich durchgängig in die Moden der Zeit ein; auch dabei gab es keine nennenswerten Unterschiede zwischen Stadt und Land. Die Vorreformationszeit war insofern eine Hochzeit der Identifizierung mit der eigenen Kirche. Das Modell für diese prägende Phase war die Frömmigkeit, die sich jedoch nicht aus sich selbst erklärt. Woraus erwuchs die Religiosität? Der Begriff ‚Vorreformation‘ ist vor diesem Hintergrund unglücklich, wenn nicht ahistorisch, erwuchs doch die Reformation aus dieser markanten Kirchlichkeit. Sie war von der Zeit davor abhängig und nicht umgekehrt.1201 Auch wenn sich dieser Begriff inzwischen durchgesetzt hat, sollte er immer kritisch gedacht werden. 1197 Beispielhaft die ansteigenden Zinsposten vieler Kirchen, die auf den Stiftungseifer zurückzuführen sind. So etwa in Witterda in den Jahren vor der Reformation; BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84. Inwiefern die Stiftungsvielfalt in den Dörfern eine Eigenheit Thüringens ist, muss die weitere Forschung zeigen. Werner Freitag stellte für Westfalen fest, dass es nicht viele Messstiftungen gab; FREITAG, Dorfkirchhöfe, S. 398. 1198 BOOCKMANN, Bürgerkirchen, S. 196. 1199 Diese Feststellung ist ein weiteres Argument dafür, die Unterschiede zwischen Stadt, Flecken und Dorf nicht zu stark zu betonen. Die Stiftungen und strukturelle Merkmale, wie die Kirchenfabrik, zeigten, dass dieser scheinbare Gegensatz im Einzelfall verschwimmen konnte. 1200 Conrad konstatierte für das Elsass ebenfalls, dass die Bauern die Kirche als Heilsvermittlerin nicht in Frage stellten; CONRAD, Elsass, S. 33. 1201 Bereits Hartmut Boockmann sprach sich deutlich gegen diesen Begriff aus: „Unsere Vorstellungen vom 15. Jahrhundert sind seit der Reformation in so hohem Maße von der Perspektive geprägt, die von der Reformation ausging, daß diese Perspektive heute weniger erhellt als verdunkelt und eine realistische Vorstellung vom 15. Jahrhundert bis auf weiteres unter der […] Fiktion erarbeitet werden sollte, jenes übermächtige spätere Ereignis […] habe nicht stattgefunden“. BOOCKMANN, Jahrhundert, S. 11 f. Seit diesem Text von 1994 hat sich die Bewertung dieser Zeit bereits gewandelt, dennoch ist es nicht weniger wichtig, es zu erwähnen.
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ERGEBNISSE
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Die Pfarrei bildete die Basis des gesamten kirchlichen Lebens. Aus der engen Bindung zwischen Pfarrer und Gemeinde und der großen Bedeutung, die der Geistliche für die Menschen hatte, entstanden mannigfaltige Auseinandersetzungen. In diesen wie in anderen Fällen scheuten die Bauern nicht, sich für ihr Recht einzusetzen. Sie schrieben selbstbewusste Beschwerden, gingen vor Gericht und suchten Alternativen. Die Verteidigung ihrer Kirche und des kirchlichen Lebens als Module der dörflichen Gemeinschaft waren wichtige Grundsätze. Dabei hatten die Gemeinden selbst im Laufe des Spätmittelalters umfangreiche Rechte erlangt. Über die Kirchenfabrik verwalteten sie den Kirchenbesitz selbst. Die Alterleute waren Vertrauensträger der Gemeinde und vertraten sie neben den Heimbürgen nach außen. Sie waren die Träger der „Kommunalisierung der Kirche“.1202 Dieses Prinzip war fundamental. Wenn das kirchliche Leben vielfältiger wurde – durch einen Kirchner, Stiftungen, ein Hospital, eine Wallfahrt, wuchs eher ihre Zuständigkeit als die des Pfarrers, auch wenn alles in Einklang mit diesem geschehen sollte und die Struktur des Pfarrsystems nicht bedroht war. Die Kirchenfabrik erscheint als eindeutig genossenschaftliche Einrichtung. Sie auch als demokratisch zu verstehen, würde ihren Charakter verfälschen: Sie war dabei – wie die gesamte dörfliche Gesellschaft – vielmehr nicht im Geringsten demokratisch. Ihre Organisation spiegelte die eingangs beschriebene Struktur wider; die reicheren Familien kontrollierten die Dorfämter und vertraten die ‚Nachbarn‘. Neben diesen Grundprinzipien offenbart sich die Frömmigkeit der Vorreformationszeit in den Dörfern in vielen Elementen. Diese eint, dass sie als Ausdruck der Gemeinschaft verstanden wurden1203 – natürlich in erster Linie aus finanziellen Gründen. Die dörfliche Kirchenfabrik sicherte Jahrtagsstiftungen und Seelmessen, die mitunter gemeinsam für die verstorbenen Mitglieder der Dorfgemeinschaft gehalten wurden. Man sammelte Geld und vereinigte sich, um Messstiftungen bezahlen zu können. 1204 Dabei lassen sich keine besonderen Vorlieben feststellen, die eine rustikale Frömmigkeit auszeichnen könnten. Die 1202 BLICKLE, Gemeindereformation, S. 179–183. Vgl. zu diesen Grundtendenzen HOLENSTEIN, Bauern, S. 24. 1203 Zu dieser Grundtendenz der Forschung vgl. BÜNZ, Pfarrei, S. 58–66; KÜMIN, Parish, S. 179–182; ein Beispiel bereits aus dem 14. Jahrhundert findet sich bei KUCHENBUCH, Bauern, S. 171. Nur wenige Hinweise lassen sich für Elemente der ‚bunten‘ Frömmigkeit in den Dörfern feststellen. Dass es aber geistliche Spiele etc. gegeben hat, dürfte unstrittig sein. Vgl. ein Weihnachtsspiel aus Großlöbichau, dessen älteste Teile wohl auf das späte Mittelalter zurückgehen; KLOPFLEISCH, Weihnachtspiel. 1204 Es sei noch einmal an die Funktion der Kirchenfabrik als Kreditkasse erinnert. Ebenfalls übernahmen viele Stiftungen bereits mit ihrer Einrichtung diese Funktion. Auch sie waren Teil dieses Geldkreislaufs über kirchliche Einrichtungen. Zur „gemeindlichen“ Motivation bei Stiftungen vgl. WEISS, Landschafft, S. 69 f.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
Patrozinien folgten den Modeerscheinungen der Zeit. Lediglich Frühmessen und Salve-Stiftungen finden sich überproportional; sie bildeten einen Rahmen für den Tagesablauf.1205 Zusammenfassend: Religion war das allesbestimmende Motiv des Handelns. Es existierte eine kaum zu überblickende Zahl an religiösen Symbolen, die das Leben bestimmten. Es steht für die Zeit um 1500 noch aus, diese Hochzeit der kirchlichen Frömmigkeit umfassend in ihrer Entwicklung zu erklären. Die Frömmigkeit war jedenfalls kein Selbstzweck, sondern ist Ausdruck der Mentalität der Zeit. Man kümmerte sich gemeinsam um die cura animarum. Der Gedanke einer leistungsorientierten Frömmigkeit dominierte freilich; die Messen waren bittend und sühnend.1206 Wichtiger aber war noch der Wunsch, etwas Bleibendes, möglichst etwas ‚Ewiges‘, zu schaffen. Anhand der Bilder konnte gezeigt werden, dass auch in den Dörfern greifbarer, unverstellter, gegenständlicher Realismus, Gruppenfrömmigkeit und individueller Glaube – ja Spiritualismus – parallel existieren konnten.1207 Dabei spielten soziale, ständische und bildungsbezogene Differenzierungen zweifellos wichtige Rollen, die sich jedoch leider nicht genauer nachweisen lassen. Einflüsse der Devotio moderna, der Frömmigkeitstheologie und der Ordensreform lassen sich nicht leugnen. Die vielen Stiftungen waren keineswegs leere Formen oder „versteinerte Blumen“, 1208 sondern lebendiger Ausdruck des allgegenwärtigen Heilsbedürfnisses. Dies alles geschah, um die geistliche Versorgung aller Dorfeinwohner zu verbessern, selbst wenn es mitunter geistliche Handlungen für einen geschlossenen Personenkreis gegeben haben dürfte. Wenn die Mittel dafür ausreichten, finanzierte man eine Pfründe für einen zusätzlichen Geistlichen im Ort. Bruderschaften fanden sich dabei mit wenigen Ausnahmen nur in größeren Dörfern.1209 Neben dem finanziellen Aufwand hatten sie in kleineren Orten aus einem weiteren Grund keinen Sinn: Bruderschaften bildeten immer eine gesonderte Gruppe eines Ganzen. Die Einwohnerzahl eines kleineren Dorfes hätte schlicht nicht gereicht, um ein solches Gruppenbewusstsein zu bilden. Hier war das gesamte Dorf die Gruppe. Man ging gemeinsam um die Flur und betete für 1205 Jedoch ist auch dies kein explizit ländliches Merkmal. Frühmessen und Salve finden sich auch in den Städten in großer Zahl; Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte I, S. 264 f.; FUHRMANN, Kirche, S. 93 sowie S. 178‒182. 1206 ANGENENDT, Religiosität, S. 494‒496. 1207 Vgl. ANGENENDT/MEINERS, Erscheinungsformen, S. 30 f. 1208 Dieses Zitat für die spätmittelalterlichen Frömmigkeitsformen bei HUIZINGA, Herbst, S. 293. Die Andachtsformen dienten zweifellos als Brücke für diese Einflüsse auf die Frömmigkeit in der Gesellschaft. 1209 REMLING, Bruderschaften, S. 345, stellte auch in Franken Bruderschaften v. a. in größeren Dörfern mit kleinstädtischen Merkmalen fest.
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ERGEBNISSE
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eine gute Ernte. Einwohner gingen gelegentlich gemeinsam auf Wallfahrten. Auch die Fürsorge wurde – erneut im Rahmen der Möglichkeiten – im Dorf gewährleistet. Wenn die bäuerliche Zweckgemeinschaft, die Gemeinde, bestimmten Problemen nicht gerecht werden konnte, organisierte man sich auch über Flurgrenzen hinweg. In Büßleben unterhielten 19 Gemeinden gemeinsam ein Hospital und die Dörfer der Pfarrei Herschdorf richteten gemeinsam eine Kommende ein. Die Dörfer (also in erster Linie ihre führenden Familien, dies kann nicht oft genug betont werden) verfolgten eine bleibende Verbesserung der Zustände. Dazu gehörten auch der Ausbau der Kirche, ein höherer Turm oder ein stark vergoldetes Retabel. Dies waren Stiftungen für das Seelenheil, die gleichzeitig den Ort repräsentierten. Natürlich grenzte man sich in vielen Fällen mit Neuerungen auch gegen Nachbargemeinden ab, dokumentierten die Beispiele doch auch die Unterschiede zwischen den Dörfern. Die Kirche war auf jeden Fall der Mittelpunkt des Dorfes und sollte die Möglichkeiten der Gemeinschaft darstellen. Heilige und Kirchhofsmauern sollten diese Gemeinschaft schützen. Insofern waren Stiftungen nicht zuletzt auch politische Maßnahmen.1210 Die Gemeinden konnten einen zunehmenden Einfluss auf das kirchliche Leben vor Ort erreichen, etwa eine faktische Beschränkung des Pfarrbannes.1211 Dies trug zur steten Erweiterung des sakralen Umfeldes bei. Das Höchstmaß erreichten dabei große und reiche Dörfer, die über Patronatsrechte einer Vikarie in der Pfarrkirche oder in einer Kapelle verfügten. Oder war der zunehmende Einfluss etwa nur eine Folge des frommen Stiftens im Rahmen der Möglichkeiten? Die wenigen Nachweise von prinzipiell gegen die Geistlichkeit gerichteten Handlungen können kaum auf einen alles bestimmenden, vorreformatorischen Antiklerikalismus schließen lassen. 1212 Vor allem für einen ‚Ismus‘ sind diese einzelnen Probleme kein Beleg. Selbst in starken Zerwürfnissen mit einem Pfarrer richtete sich die gemeindliche Kritik immer gegen diesen konkret und nie gegen die Geistlichkeit oder die Kirche im Allgemeinen. Die Ursachen der Auseinandersetzungen lagen meist in wirtschaftlichen Verflechtungen begründet. Die Formulierung solcher Kritik an Geistlichen ist vor diesem Hintergrund eher ein
1210 FUHRMANN, Kirche, S. 424. 1211 Nach FUHRMANN, Kirche, S. 429, wollten die Gemeinden über umfangreiche Stiftungen eine Kontrolle über das Pfarreinkommen erreichen. Dieser Gedanke ist jedoch eher abwegig. Zu diesem Zweck wären es sehr teure Mittel gewesen, da die Kirchenfabrik und die verschiedenen Supplikationsmöglichkeiten einen solchen Einfluss sicherstellten; vgl. KÜMIN, Parish, S. 168–179. 1212 In dieser Frage ist eine Neubewertung durch eine zunehmende Auswertung der Pönitentiarieregister zu erhoffen.
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TEIL I: DIE VORREFORMATION AUF DEM LAND
Ausdruck eines zunehmend verrechtlichten Anspruchsdenkens.1213 Dessen Leitideen waren das ‚Alte Herkommen‘, das etwa durch die Ausweitung des landesherrlichen Kirchenregimentes bedroht wurde,1214 und die ‚Billigkeit‘ als natürliche Gerechtigkeit.1215 All dies ist nicht mit einem prinzipiellen Streben nach kirchlichen Reformen in den Dörfern zu verwechseln. In den Landgemeinden der Vorreformationszeit zeigt sich wirklich alltägliche Kirchlichkeit. Es gab keine „enge Verbindung“ des kirchlichen und des weltlichen Lebensbereiches.1216 Das gesamte Leben war kirchlich durchdrungen.1217 Diese Geschlossenheit leitet über zu der Frage, wie sich die gesamte Frömmigkeit, das gesamte kirchliche Leben innerhalb so kurzer Zeit so radikal verändern konnte, leitet über zur frühen Reformation.
1213 Diese gegenseitige Verrechtlichung führte aber keineswegs zu Gedanken von einem „göttlichen Recht“ bei den Bauern, wie FUHRMANN, Kirche, S. 426, meint. Überhaupt wird in diesem Buch das rechtliche Denken zu stark bewertet. Die Motivation der Bauern auf philosophische Rechtsfragen zu beziehen (ebd., S. 428 f.) führt zu weit. So sieht Fuhrmann in den bäuerlichen Stiftungen ein Gedankenkonstrukt eines „Rechts des Evangeliums“ in Abkehr von weltlichem und „altem Recht“. Der Gedanke einer bewussten Abkehr der Bauern vom Alten Herkommen, mit dem sie selbst argumentieren, und den bestehenden Obrigkeiten ist für die vorreformatorische Zeit entschieden zurückzuweisen. 1214 Dass Altes Herkommen und Obrigkeitsdenken sich nicht ausschlossen, zeigt sich u. a. einige Jahre später in den Bauernkriegsartikeln; z. B.: AGBM II, Nr. 1208, S. 116. 1215 Vgl. die Artikel SLADECZEK, Billigkeit; SIEMS, Billigkeit. 1216 Nach Bernd Moeller. 1217 Dies gilt mich Sicherheit auch für die unteren Schichten der Gesellschaft. Jean Delumeau stellte 1971 die These einer endgültigen „Christianisierung“ des Gemeinen Mannes erst im 15. und 16. Jahrhundert auf; DELUMEAU, Catholicisme und die jüngere englische Ausgabe DELUMEAU, Catholicism. Dafür fehlen aus dem Untersuchungsgebiet aber jegliche Hinweise. Für die unteren Schichten der Gesellschaft können sie aufgrund eines entsprechenden Quellenmangels auch kaum erbracht werden. Sicherlich existierten magische und christliche Vorstellungswelten parallel; letztere waren aber keineswegs äußerlich und oberflächlich, wie behauptet wurde.
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TEIL II: DIE FRÜHE REFORMATION AUF DEM LAND: EINE WELT IM UMBRUCH? (1520–1526)
1. Fragestellungen FRAGESTELLUNGEN
Die Wege der Rezeption reformatorischer Ideen sind bekannt: Sie erfolgte über Flugschriften und Prediger, vorrangig in den Städten.1 Erzählende Quellen über die Ausbreitung der Reformation in den Dörfern fehlen jedoch. Nur wenige Berichte lassen Rückschlüsse für bestimmte Orte zu, etwa wenn den Bauern eines Erfurter Dorfes 1521 die Glockenweihe verweigert wurde, weil sie mit Luther sympathisierten.2 Direkte Auswirkungen der Wittenberger Ereignisse sind nicht feststellbar. Zweifellos hätten Wittenberger Studenten, die aus thüringischen Dörfern stammten, der Vermittlung der Lehre Luthers und der dortigen Ereignisse dienen können. Aus der ersten Hälfte der zwanziger Jahre lassen sich aber nur vier Immatrikulierte nachweisen, die zweifelsfrei aus einem Dorf des Untersuchungsgebietes stammten. Sie mochten begehrte Gesprächspartner gewesen sein, eine tragende Funktion hatten sie freilich nicht.3 In den Städten konnten die Bauern zeitig reformatorische Prediger hören und taten dies auch in großer Zahl. 4 Wie die Bauern früherer Generationen zu Capistran oder Peraudi gezogen waren, zogen sie nun zu reformatorischen Predigern. Schilderungen existieren in erster Linie aus Gebieten, in denen die Prediger unangenehm auffielen, oder von Akteuren, deren Gunst sie nicht 1
2 3
4
Vgl. etwa die Arbeiten und Sammelbände, die im Umfeld Peter Blickles zu diesem Thema entstanden sind BLICKLE, Zugänge; RÜTTE, Reformation; CONRAD, Elsass; Vgl. Weiterhin SCRIBNER, Sake; SCRIBNER, Diffusion; HAMM, Bürgertum, S. 77–91; DIXON, Transformation, S. 30 f. Die Forschungsliteratur zu den Flugschriften ist kaum zu übersehen; vgl. beispielhaft WEISS, Flugschriften. Zur Zielgruppenorientierung vieler Flugschriften vgl. SCHUSTER, Verständlichkeit. Zu Fragen der „Öffentlichkeit“ in der Reformation noch immer lesenswert: WOHLFEIL, Öffentlichkeit mit dem anschließenden Diskussionsbericht. WEISS, Bürger, S. 127. Es handelt sich um Oswaldus Genis aus Löberschütz im Sommersemester 1520 (FOERSTEMANN, Album, S. 92), Johannes Stender aus Hardisleben im Sommersemester 1521 (ebd., S. 107), Johannes Glodel aus Gräfinau ebenfalls im Sommersemester 1521 (ebd.) und Johannes Schroter aus Troistedt im Sommersemester 1522 (ebd., S. 112). Diese geringe Zahl kann vor dem Hintergrund der allgemein in diesen Jahren stark sinkenden Studentenzahlen nicht überraschen; vgl. GRAMSCH, Universitätsbesuch. CONRAD, Elsass, S. 49‒56. Das gleiche Prinzip kann für verschiedene Regionen angenommen werden.
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TEIL II: DIE FRÜHE REFORMATION
besaßen. 5 Der Prior der Langensalzaer Augustinereremiten erregte seit dem Sommer des Jahres 1522 besonders damit das Missfallen Herzog Georgs, dass er mit sunderlicher vorachtung babstlichen gewalts und byschoflichen wirden, cleynschatzung der gotsheuserbauen und cerimonien mit andern spytzigen vordechtikeyt ganz der Martinischen meynung sich uffentlich horen lest.6 Dies tat er nicht nur in der Stadt, sondern auch in ihrer Umgebung.7 Im Frühjahr 1523 traten abtrennige closterpersonen in vielen Orten der Mühlhäuser Umgebung auf.8 Im Mai wurde gegen einen Prediger in Kölleda vorgegangen.9 Im Sommer des darauffolgenden Jahres trat ein entlaufener Mönch als Prediger vor Sangerhausen auf.10 Im April 1525 kam es zu einem Streit zwischen Friedrich von Witzleben und Bauern des Amtes Allstedt, die zur Predigt des Thomas Müntzer zogen.11 In anderen Regionen gab es ebenfalls durchziehende Prediger, die als aufrührerisch charakterisiert wurden.12 Sicherlich wäre es noch immer ein lohnendes Ziel, Predigtinhalte dieser Zeit zu erschließen13 und mit bäuerlichen Argumentationen der folgenden Jahre zu vergleichen.14 Worin unterschieden sich die frühen zwanziger Jahre überhaupt von den vorangegangenen Jahrzehnten? Woran lässt sich die Aufnahme reformatorischer Inhalte feststellen? Im Folgenden sollen Kategorien jenes Handelns aufgezeigt werden, das sich aus der Rezeption ergab. Dabei wurden die Beschwerden bereits als Hauptzugang zur bäuerlichen Reformation erkannt.15 Allerdings haben sich aus dem Untersuchungsgebiet zu wenige Suppliken aus den frühen zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts erhalten, als dass daraus verallgemeinernde Schlüsse 5 6 7
8 9 10 11 12 13 14
15
Vgl. für das Kurfürstentum etwa die Beschwerde der Prälaten auf dem Landtag zu Altenburg 1523; BURKHARDT, Landtagsakten, Nr. 283, S. 154 f. ABKG I, Nr. 361, S. 339 f. ABKG I, Nr. 514, S. 512 f. Herzog Georg versuchte zunächst, den Prediger freundlich vom Predigen abzuhalten und ihn davon zu überzeugen, dass es bald ein rechtgläubiges Ordenskapitel geben werde; ebd., Nr. 520, S. 518 f. AGBM II, Nr. 1089, S. 7, Nr. 1090, S. 8. ABKG I, Nr. 505, S. 502 f., Nr. 516, S. 514. Vgl. einen ähnlichen Fall mit dem ehemaligen Propst des Klosters Memleben, der als Prediger auftrat; ABKG I, Nr. 666, S. 676 f. AGBM II, Nr. 1125, S. 38 f. AGBM II, Nr. 1194a, S. 97. Vgl. etwa JOESTEL, Ostthüringen, S. 114–116. CONRAD, Elsass, v. a. S. 56–64 und S. 76–85. Ebd., S. 92 ff. Dabei sollten Pauschalisierungen und Vorurteile einer speziellen bäuerlichen Reformationsrezeption aber vermieden werden. Ebd., S. 103 räumt dem bäuerlichen Bewusstsein einen zu hohen Stellenwert ein und kommt so zu der etwas übertriebenen und pauschalen Schlussfolgerung, dass die Bauern das Gefühl hatten, „Beauftragter des allmächtigen Gottes zu sein.“ (S. 106) BLICKLE, Gemeindereformation, S. 24–76; CONRAD, Elsass.
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FRAGESTELLUNGEN
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gezogen werden könnten. Weiterhin reicht es nicht, nur einen engen Zeitraum anhand weniger Suppliken zu untersuchen. Selbst der Bauernkrieg kann nur in eine längere Entwicklung eingeordnet werden. Die bemerkenswerte Quellenarmut dieser Jahre betrifft ebenso die Kirchenrechnungen. Von diesen haben sich aus den fraglichen Jahren 1521 bis 1526 nur sehr wenige erhalten. Eventuell spricht dies für eine zurückgehende Organisation in diesen Jahren, vielleicht gar für einen Einbruch des kirchlichen Lebens.16 Dabei ist gerade die Phase vor 1525 wichtig für die Abgrenzung des reformatorischen Einflusses. Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Quellenarmut? Anhand welches Handelns lässt sich die Ausbreitung des reformatorischen Einflusses in der ländlichen Gesellschaft verdeutlichen? Zunächst wird zu zeigen sein, dass die vermehrt auftretenden Zinsverweigerungen den ersten Zugang zu dieser Entwicklung geben. Weiterhin muss betrachtet werden, inwiefern sich das Verhältnis der Bauern zu ihrem Pfarrer veränderte und wie sich der Umgang mit den kirchlichen Autoritäten entwickelte, der über Jahrhunderte in den Köpfen gefestigt war. Untersucht wurden vorrangig die Jahre 1520 bis 1526, wobei der Fokus auf den Jahren 1522 bis 1524 liegt, die sich in verschiedenen Untersuchungen als der zentrale Zeitraum der Verbreitung reformatorischer Ideen in dieser Region gezeigt haben.17 Wobei an dieser Stelle zu untersuchen ist, ob zeitliche Unterschiede zur Entwicklung in den Städten festzustellen sind. Gegen Ende dieses Zeitraumes zeigen die Beschwerdekataloge des Jahres 1525, welche Forderungen fest in den Gemeinden verankert waren. So wurde verschiedentlich festgestellt, dass der Bauernkrieg von den Bauern als Weg der Umsetzung einer göttlichen Ordnung verstanden wurde.18 In der ländlichen Gesellschaft kam es aber bereits in den frühen zwanziger Jahren zu einer engen Verbindung der reformatorischen Entwicklung mit sozialen Forderungen.19 Für die Bauern verhieß die reformatorische Theologie auf jeden Fall eine größere Freiheit.20 Der Verlauf in Thüringen stellt dabei wegen der frühen reformatorischen Entwicklung und den verschiedenen herrschaftlichen Grundlagen eine gute Folie für einen Vergleich mit anderen Regionen dar. Aufgrund der Quellenlage sollen diese Schlussfolgerungen, die die Bauern mutmaßlich aus der Theologie zogen, aber weniger ausgeführt werden, sondern wie erwähnt die Konzentration auf dem daraus folgenden Handeln liegen und die Frage verfolgt werden, welche Quellen überhaupt Rückschlüsse auf dieses 16 Vgl. SCHIRMER, Ausbreitung, S. 258‒261; BIRGELEN, Reformation, S. 21. 17 Vgl. SCHIRMER, Ausbreitung; SLADECZEK, Arnstadt. 18 CONRAD, Elsass, S. 117. Wobei die Formulierung ebd., S. 138 f., dass die Bauern nun eine theologische Begründung ihrer Gefühle erhielten, wohl etwas zu weit geht. 19 Vgl. WEISS, Bürger, S. 162–167; JOESTEL, Ostthüringen, S. 48 ff. sowie S. 68–74. 20 JEZLER, Kirchenbau, S. 120.
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TEIL II: DIE FRÜHE REFORMATION
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Handeln zulassen. Dieser Prozess der Rezeption spielte sich vollständig vor Beginn einer institutionalisierten protestantischen Kirche ab; er ist aber gleichbedeutend mit dem Ende gewisser Elemente der vorreformatorischen Organisation.
2. Zeugnisse der reformatorischen Bewegung vor dem Bauernkrieg ZEUGNISSE DER REFORMATORISCHEN BEWEGUNG
2.1. Verweigerung der Abgaben Das wichtigste Indiz für eine frühe Ausbreitung der lutherischen Ideen in der ländlichen Gesellschaft ist das massive Ansteigen der Zinsverweigerungen. Zwar sind diese kein ursprüngliches Phänomen der frühen Jahre der Reformation; sie erscheinen aber vorher nur in geringer Zahl. Bereits in den Jahrzehnten der Vorreformation wurde deutlich, dass die Bauern dieses Mittel in Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Pfarrer einsetzten.21 1475 verweigerten etliche Bauern aus Mühlberg ihrem Pfarrer den Zehnt.22 1501 führte der Pfarrer von Tegkwitz ausbleibenden Zehnt als Gebrechen an.23 In solchen Fällen drohte den Dörfern der Kirchenbann.24 Die große Furcht vor der Untersagung jeder gottesdienstlichen Handlung durch das geistliche Gericht führte dazu, dass wenige Fälle eskalierten und meist Zinsen wieder gezahlt wurden. Doch in den Jahren ab 1520 häufen sich die Nachrichten über die Verweigerung von geistlichen Zinsen. Die Furcht scheint bei vielen durch die Annahme lutherischer Ideen gewichen zu sein. Hinzu kam in diesen Jahren die stärker werdende Diskussion um den Wucher.25 Die ganze Tragweite dieser Zinsverweigerungen in den Dörfern wurde bisher nicht gezeigt. Es finden sich immer wieder summarische Feststellungen, die jedoch keine zeitliche Einordnung und keine Entwicklung erkennen lassen. Dafür wird gern auf den Brief Luthers an Kurfürst Johann vom 31. Oktober 1525 zurückgegriffen: Da gibt niemand, da bezalet niemand, opffer und seelpfennige sind gefallen, Zinse sind nicht da odder zu wenig, so acht der gemeyn man widder prediger noch pfarrer.26 Eine ähnlich grobe Aussage lässt die Fest21 Vgl. Kap. I.2 dieser Arbeit. 22 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 1, liber communium 1472–80, fol. 248r. 23 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 799. Zu weiteren Beispielen vgl. MAY, Generalgericht, S. 144, Anm. 42. 24 WEISS, Bürger, S. 69 und S. 108. 25 Vgl. zukünftig die Beiträge der Tagung „Vom Wucher zur internationalen Finanzkrise. Die soziale Dimension der Reformation und ihre Wirkung“, 11.–13. November 2016, Eisenach. 26 WA, Briefe, Bd. 3, Nr. 937. Luther forderte Johann in diesem Schreiben daher zu Visitationen und Unterstützung der Pfarreien auf.
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stellung der Visitationsinstruktion 1527 zu; auch hier wird beschrieben, dass eine Zeit lang Zinsen verweigert wurden.27 Interessante Zeugnisse bieten weiterhin vielzitierte Flugschriften, wenn etwa eine Pfarrköchin beklagt, dass ihr Pfaffe voller Selbstmitleid darüber verzweifelt, dass die Menschen nicht mehr opfern und keine Jahrgedächtnisse mehr abhalten lassen.28 Doch wann setzte dieser Prozess ein, der zu dem von Luther beschriebenen Zustand führte und ab wann traten die Verweigerungen gehäuft auf? Gegen wen richteten die Bauern dieses Instrument? Bei dieser Vorgehensweise muss bei jedem einzelnen Nachweis über eine Zinsverweigerung in der ersten Hälfte der 1520er Jahre sehr genau geprüft werden, ob die Zurückhaltung der Zinsen in einem reformatorischen Kontext steht. Ein Beispiel für diese Problematik bietet die Verhandlung zwischen der Gemeinde Herschdorf und dem Kloster Saalfeld über zurückgehaltene Zinsen im Jahr 1522. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die Einwohner des Dorfes bereits seit neun Jahren wegen ihrer Armut nicht zahlten. Die Verhandlungspartner des Klosters wollten den Bauern entgegenkommen, was sie wohl bei einer reformatorischen Argumentation jener kaum getan hätten.29 Dass sich dieser Fall in der klassischen Zeit der ersten Zinsverweigerungen abspielte, ist reiner Zufall. Ein Fall aus Schmieden aus dem Sommer 1522 erweist sich ebenfalls eher als ein Beispiel in vorreformatorischen Argumentationsmustern, da die Bauern die Zehntverweigerung als Mittel gegen den Pfarrer einsetzten, der seinen Pflichten nicht nachkam.30 Oft ist nicht deutlich, welche Zahlungsverpflichtung sich hinter dem Wort ‚Zins‘ verbirgt. Es kann sich um Grundzinsen, Geldzinsen sowie Zinsen von persönlichen oder gemeinschaftlichen Stiftungen handeln. Die früheste Nachricht, die über eine anhaltende Zinsverweigerung ermittelt werden konnte, stammt aus dem Jahr 1521. Dem Vikar der Tunzenhausener St.-Alban-Kapelle wurden ab diesem Jahr bis 1528 beinahe alle Zinsen vorenthalten.31 Dass die Ursache dafür sicher in reformatorischen Ideen zu suchen ist, zeigt der Vergleich mit dem Rechnungsjahr 1516, in dem die Zinsen sehr gut gezahlt wurden.32 Weitere Vikare gehörten zu den ersten Opfern nicht gezahlter Zinsen. In Großmonra hatte Johann Hauer eine von der Dorfgemeinde gestiftete Vikarie inne. Er stammte aus dem Dorf und hatte dort Verwandte.33 In den Jahren bis 1521 hatte er dauerhaft mit einer schlechten Zahlungsmoral zu kämpfen. Allerdings blieben Zahlungen nie komplett aus und viele wurden später 27 28 29 30 31 32 33
EKO 1, 1, S. 145. CLEMEN, Konkubinat, S. 126 f. AGBM II, Nr. 1084, S. 5. AGBM II, Nr. 1085, S. 6. BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, IV k 23, fol. 9r–9v. Ebd., fol. 8v. Vgl. oben Kap. I.4.7.
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nachgezahlt. 1522 änderte sich die Situation. Aus Großmonra selbst erhielt er überhaupt keine Zahlungen, aus anderen Orten nur wenige. In seinem Register führte er Zahlungen für eine Fronleichnams- und eine Marienmesse gesondert auf. Von den zehn Zinsposten zu der Fronleichnamsmesse erhielt er keine einzige.34 1523 verhielt es sich sehr ähnlich, erst in den Jahren nach dem Bauernkrieg besserte sich seine Situation wieder. Weniger dramatisch war der Einbruch für den Vikar Heinrich Dohinden der Nikolaikapelle bei Wandersleben.35 Zwar erhielt er 1523 aus drei anderen Dörfern keine Abgaben, in Wandersleben selbst blieben aber nur einige Zahlungen aus. Auch in anderen Fällen wurden in den folgenden Jahren viele Abgaben an Vikare verweigert. Oft bildete dabei aber erst das Jahr 1525 mit dem Bauernkrieg einen Einschnitt.36 Umfangreicher scheinen die Zinsverweigerungen gegen Klöster und Stifte gewesen zu sein. Bereits 1522 werden Beschwerden wegen versagter Zahlungen im Mühlhäuser Landgebiet laut.37 Dem Erfurter Marienstift wurden seit 1521 oder 1522 Getreideabgaben des Buflebener Pfarrers vorenthalten.38 Spätestens im Frühjahr 1523 verweigerte die Gemeinde Hörselgau eine Vielzahl geistlicher Zinsen, den Großteil an das Kloster Reinhardsbrunn. Herzog Johann verfügte, dass der Amtmann des Amtes Tenneberg, Dietzmann Goldacker, diese verwalten sollte. Dieser wiederum trat beim Herzog für die Interessen der Gemeinde ein39 – ein interessanter Fall, der zeigt, dass ernestinische Gemeinden, die geistliche Zinsen nicht zahlten, nicht unbedingt mit Gegenwehr ihrer Landesherren zu rechnen hatten. Für das Erfurter Landgebiet verweisen entsprechende Beschwerden ebenfalls auf den wichtigen Einschnitt ab 1522. Streitigkeiten, die zu Beginn des Jahres 1523 in der städtischen Korrespondenz genannt werden, müssen auf Zahlungs34 BAE, Marienstift, I R5, 2. 35 LATh–StA Gotha, Hohenlohe-Archiv, 314a. Weiterhin besaß er eine Vikarie St. Martin im Ohrdrufer Kloster. Im Subsidienregister erscheint er dort als Heinricus de Hynden; SUBSIDIENREGISTER 1506, S. 185. 36 So etwa in Kapellendorf, wo die Marienvikarie bis zum Bauernkrieg über Einkommen in anderen Dörfern verfügte; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 89r. 37 AGBM II, Nr. 1083a, S. 5. Der Mainzer Domdechant Lorenz Truchseß von Bommersfelden richtet diese Beschwerde an den Mühlhäuser Rat. Er nennt Zinsverweigerungen in Stadt und Landgebiet gleichermaßen, was ein wichtiges Argument für die Gleichzeitigkeit der Rezeption in Stadt und Land darstellt. Freilich gibt es an dieser Stelle keinen Hinweis auf den jeweiligen Umfang der Verweigerungen. Jedoch wird an anderer Stelle deutlich, dass diese in den nächsten Jahren anhielten; vgl. ebd., Nr. 1126a, S. 40–44; StAM, 10, E6, Nr. 3a, Bd. 1, fol. 102. 38 LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 4cc. 39 LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 4vv. Erst im Jahr 1528 konnte ein Zinsstreit zwischen den Bauern von Hörselgau und ihrem Pfarrer durch die Visitatoren verhandelt werden; LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 432.
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termine des vorangegangenen Jahres zurückzuführen sein. So sollte der dortige Amtmann den Alterleuten der Schloßvippacher Veitskirche im Januar 1523 mit Zinsen behilflich sein. 40 Anfang August 1523 wies der Rat die Gemeinde Berlstedt an, ihrem Pfarrer den Zehnt zu zahlen.41 Dass die Bauern sich von ihrer Linie nicht abbringen ließen, zeigen verschiedene Beschwerden des Pfarrers aus den beiden folgenden Jahren. 42 Eine neue Welle an Beschwerden löste der Zinstermin Michaelis 1523 aus. In den darauffolgenden Wochen wurden die Fälle häufiger, bei denen Briefe wegen vorenthaltener Abgaben die städtische Kanzlei verließen.43 Versuche des Rates, die obrigkeitlichen Zinszahlungen zu mahnen, zeigten wenig Erfolg. 44 Für alle Territorien kann angenommen werden, dass Michaelis 1523 ein letzter Dammbruch bei den Verweigerungen war. Wie sehr sich aber die Zinsverweigerungen an Klöster in den Jahren ab 1522 unabhängig von der kirchlichen Haltung der Herrschaft ausweiteten, zeigt anschaulich eine Aufstellung über die vorenthaltenen Zahlungen albertinischer Dörfer an Klöster im ernestinischen Gebiet aus dem Jahr 1534. 45 Seit 1522 verweigerten einzelne Einwohner der Orte Grumbach und Großengottern Zinsen an das Eisenacher Stift.46 Seit 1523 betraf dies auch Schönstedt. Ab 1524 verweigerten verschiedene Dörfer der Region um Langensalza auch Zinsen an das Gothaer Marienstift.47 In der Stadt Langensalza gab es dies erst im selben Zeitraum, Verweigerungen waren hier nicht eher aufgetreten. Ebenfalls ab 1524 zahlten drei kleine, an der Schmücke am nordöstlichen Rand des Thüringer Beckens gelegene Dörfer ihre Zinsen an ein Gothaer Hospital nicht mehr.48 Dass die Zinsverweigerungen gegen Klöster nicht zuletzt durch eine steigende Abscheu gegen den geistlichen Stand ausgelöst wurden, zeigt eine Beschwerde des Propstes des Moritzklosters vor Naumburg aus dem März 1524. Er wandte sich an Hans Schenk von Tautenburg, da drei seiner Untertanen zu Niedertrebra dem 40 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 7, fol. 1r; ähnlich in Möbisburg: StAE, 1-1, XXI, 1b-1b, Bd. 6, fol. 2v. 41 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 7, fol. 55v. 42 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 6, fol. 162v, 225r. Die Gemeinde argumentierte wahrscheinlich auch mit einem Verhältnis des Pfarrers mit einer verheirateten Frau, da der Rat von diesem Vorfall wusste und es dem Pfarrer vorhielt; ebd., fol. 167r.; vgl. WEISS, Bürger, S. 163. 43 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 6, fol. 58r, 61r, 79r, 80v, 82r; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 7, fol. 90r. 44 WEISS, Kirchenpolitik, S. 178. 45 SHStAD, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10301/1. Zu den Entstehungsumständen vgl. unten in diesem Kapitel. 46 SHStAD, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10301/1, fol. 24r. 47 Dies waren Schönstedt, Nägelstedt und Merxleben; SHStAD, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10301/1, fol. 22v. 48 Dies waren Hauteroda, Oberheldrungen und Braunsroda; SHStAD, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10301/1, fol. 23v.
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Kloster die Erbzinsen versagten.49 Als der Propst einige Klosterangehörige in das Dorf schickte, um die Zinsen einzutreiben, begegneten die namentlich genannten Einwohner diesen mit hönischen, unpillichen und beschwerlichen worten und drohten ihnen blutige Köpfe an. Hans Schenk von Tautenburg sollte nun die Bezahlung veranlassen. Neben den eigentlichen geistlichen Institutionen trafen die Verweigerungen auch deren Dependancen, wie das Beispiel Wallichen zeigt. Hier wurden ab 1524 umfangreich Zinsen an den im Ort gelegenen Hof des Klosters Bürgel zurückgehalten.50 Eine weitere Zunahme gab es im Jahr 1525. Anhand der Zinsen der Klöster Bürgel, Eisenberg, Heusdorf und Reinhardsbrunn sowie der Eisenacher Klöster zeigt sich, dass nun Bauern einer größeren Zahl Dörfer und auch jeweils mehr Einwohner eines Ortes zu diesem Mittel griffen. Dem Kloster Heusdorf etwa sperrten in Flurstedt 26 und in Rudersdorf über 30 Einwohner die Zinsen.51 Anhand dieser Aufstellung kann man zunächst festmachen, dass die Zinsverweigerungen als reformatorische Aktionen in den Dörfern nicht später, sondern zumindest im selben Rechnungsjahr wie in den benachbarten Städten auftreten. Waren es zunächst einzelne Einwohner, die zu diesem Mittel griffen, betraf es ab den Jahren 1524 und 1525 einen großen Anteil der Hausbesitzer eines Dorfes.52 Die ersten Nachweise stammen aus den größten Dörfern des Untersuchungsgebietes, was aber in der Überlieferung dieser konkreten Akte begründet liegen kann. Im Folgenden soll dieser Eindruck anhand der Verweigerungen der Zehntzahlungen an den eigenen Pfarrer überprüft werden. Erneut informieren die Amtshandlungen des Amtmannes zur Leuchtenburg über verschiedene Einzelfälle. Bereits 1523 versagten die Bauern von Großlöbichau ihrem Pfarrer Zehnt und Zinsen. Sie waren unter anderem nicht mehr bereit, für eine gestiftete Sonnabendsmesse zu zinsen, und verlangten, dass der
49 AGBM II, Nr. 1112, S. 28. Einen vergleichbaren Fall hatte anscheinend das Eisenacher Katharinenkloster zu verzeichnen; Ebd., Nr. 1366, S. 236. 50 TILLE, Wallichen, S. 7. 51 SHStAD, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10301/1, fol. 38r–54r. 52 Genauere anteilige Angaben können nicht gemacht werden, da jeweils weder die genaue Hauszahl eines Ortes in diesen Jahren bekannt ist noch die Zahl derjenigen, die in einem Ort der jeweiligen geistlichen Institution zu zinsen hatten. In Flurstedt verweigerten 26 Einwohner dem Kloster Heusdorf Zinsen. 1588 hatte das Dorf 48 Mann (KOERNER, Bevölkerungsverteilung, S. 276). Bedenkt man die steigende Einwohnerzahl im Laufe des 16. Jahrhunderts und die erwähnte Tatsache, dass wohl nicht alle Bauern des Dorfes dem Kloster zinsen mussten, gelangt man zumindest zu dem Ergebnis, dass der Anteil sehr hoch gewesen sein muss. Im benachbarten Obertrebra war das Verhältnis mit 24 Zinsverweigerern ab 1524 oder 1525 und 52 Mann im Jahr 1588 sehr ähnlich.
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Pfarrer seine Köchin heiraten möge.53 In Ölknitz mussten Pfarrer und Bauern im Februar 1524 wegen Abgaben vertragen werden, wobei die jeweiligen Positionen nicht deutlich werden.54 Ebenfalls 1524 verweigerten die Bauern von Großbockedra ihrem Pfarrer Zehnt und Zins und die von Rabis ihrem Pfarrer den Messpfennig.55 Diesen Beispielen aus einem ernestinischen Amt sind andere aus anderen kurfürstlichen Landesteilen zur Seite zu stellen. 1523 sperrten sich die Bauern von Uelleben und Aspach gegen einen Zins, den sie wegen der Wüstung Eschleben an den Pfarrer von Boilstädt entrichten mussten.56 Sie wandten sich deshalb aber an ihren Amtmann Dietzmann Goldacker, der ihre Position gegenüber Herzog Johann verdeutlichte. Allerdings sollten sie den Zins weiterhin zahlen, und noch im Frühjahr 1525 setzte sich der Amtmann für die arme leut ein.57 Im Altenburger Land zahlten die Bauern von Lohma an der Leina seit 1524 den Zins einer Messe nicht und etliche Einwohner auch keinen Zehnt.58 Dass auch bei den Abgaben an den Pfarrer das Jahr 1525 zu einem nochmaligen Rückgang führte, zeigen flächendeckend die Visitationsprotokolle. Hier erfolgen zu vielen Orten Schilderungen, dass Zinsen und Abgaben seit dem Aufruhr nicht mehr oder nicht mehr vollständig gezahlt werden. So kürzten anscheinend viele Dörfer im Jahr 1525 die Bezüge des Pfarrers selbstverantwortlich. Die Bauern von Döllstädt z. B. gaben dem Pfarrer weniger, die Bauern von Fröttstädt kürzten den Zehnt und die Eckstedter Kirchenfabrik verweigerte dem Pfarrer eine Kornabgabe. 59 Weiterhin beanspruchten die Bauern mitunter Grundbesitz der Pfarrei.60 Neben dem Pfarrer trafen diese Kürzungen auch den Kirchner.61 Dies kann für alle Landesteile gleichermaßen gelten.62 53 AGBM II, S. 54, Anm. 1. Die Verhandlungen zogen sich aber noch weiter hin; ebd., Nr. 1137, S. 54 und Nr. 1138, S. 56. Weitere Beispiele aus dieser Region bei JOESTEL, Ostthüringen, S. 63–67. 54 AGBM II, Nr. 1105, S. 22. 55 AGBM II, Nr. 1135, S. 53 und Nr. 1136, S. 53 f. 56 LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, Nr. 1a, fol. 2r. 57 Ebd., fol. 1r–1v, 3r. 58 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 228r. 59 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 236r, 304r; Ebd., Bd. II, fol. 108r. In Löberschütz verweigerten die Bauern lediglich den kleinen Zehnt in Form von Krautrüben; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 136v. 60 In Wolfsbehringen unterschlugen sie eine Hufe; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 326r. 61 So etwa in Langenschade; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 354v. Dies konnte auch die Nutzung von Grundbesitz der Kirche betreffen, wie das Gras des Kirchhofes in Haarhausen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 263v. In Fröttstädt, Teutleben und Cobstädt erhielt er die Umgangbrote nicht mehr; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 236r, 239r, 281v; vgl. oben Kap. I.3.7. In Günthersleben
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In noch größerer Zahl zeigen die Visitationsprotokolle aber, dass diese Verweigerungen bis in die dreißiger Jahre anhielten. In den Visitationen wurden nun für einige Dörfer Verzeichnisse angelegt, da die Verweigerungen gegen den Pfarrer ein solch hohes Maß erreicht hatten.63 Viele Nennungen erwähnen nur, dass Zinsen seit längerer Zeit vorenthalten werden, ohne ein genaues Jahr anzuführen. Es können aber, analog zu den aufgeführten Beispielen, in allen Fällen die Jahre 1523 bis 1525 als Beginn der prinzipiellen Verweigerungen angenommen werden.64 Nicht zuletzt sahen die Bauern wohl in der fehlenden kirchlichen Kontrolle und der unsicheren Lage auch eine Chance zu materiellen Vorteilen. Dennoch spricht der Großteil dieser einbehaltenen Abgaben deutlich für eine Abkehr vom vorreformatorischen Stiftungseifer. In vielen Orten wurden die Zahlungen für Begängnisse, Salve und andere Messstiftungen vorenthalten, während Zehnte und Abgaben an den Pfarrer anscheinend ordnungsgemäß gezahlt wurden.65 Die Kirchenfabrik eines Dorfes konnte auf zwei Arten an diesen Vorgängen beteiligt sein: Erstens war sie mitunter selbst Ziel der Verweigerungen, wie in Falken an der Werra, wo auch ihr vor 1533 Stiftungszinsen nicht gereicht wurden.66 Mitunter wurde von den Stiftern auch frei über das Stiftungsgut verfügt. In Sättelstädt verkaufte ein Einwohner eine Wiese, die er zu einer Messe gestiftet
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wurden dem Kirchner Sprengbrote vorenthalten (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 298v) und auch andere Abgaben konnten davon betroffen sein; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 49r. Dies zeigen etwa Beispiele aus dem Schiefergebirge (Daumitsch) und von der Saalfelder Höhe (Hoheneiche): LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 228r, 358r. Etwa für Dobitschen im Altenburger Land; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 310v. Allerdings lassen sich wenige Verweigerungen auch eindeutig den Jahren nach dem Bauernkrieg zuordnen. 1528 beschwerte sich der Pfarrer von Eberstädt und Sonneborn über zwei Schock ausbleibende Einkommen; LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 4x. Weiterhin sollte dauerhafte Zahlungsunfähigkeit als Motiv nicht außer Acht gelassen werden. In Eischleben wurden den armen Bauern 300 Schock Groschen an Retardaten erlassen, mit der Auflage, ab sofort zu zahlen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 288v. Einige Beispiele, um die Vielzahl zu demonstrieren: Schwarzhausen (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 117r), Bufleben (ebd., fol. 191v), Ballstädt (ebd., fol. 193v), Siebleben (ebd., fol. 208r), Gospiteroda (ebd., fol. 230v), Elgersburg (ebd., fol. 357r), Roda bei Ilmenau (ebd., fol. 356v), Niedergrunstedt (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 21r), Jenaprießnitz (ebd., fol. 138r), Osthausen (ebd., fol. 202v), Pillingsdorf (ebd., fol. 230v), Schönborn (ebd., fol. 241r), Zeutsch (ebd., fol. 279r), Liebschütz (ebd., fol. 303v), Treben (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 57v), Dienstädt (LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 37r), Löbichau (ebd., fol. 40r). LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 66r.
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hatte.67 Zweitens versagten die Alterleute ebenfalls Zinsen von Stiftungen. Selten wird dies so eindeutig benannt wie in Windischleuba, wo die Alterleute 1528 die Zahlungen von Anniversarien an den Pfarrer verweigerten.68 Es wurde aber gezeigt, dass der Großteil der vorreformatorischen Stiftungen durch die Kirchenfabriken verwaltet wurde.69 Somit dürfte auch der Großteil der Verweigerungen eigentlich Zahlungen der Fabriken betreffen. Formulierungen, die die „Leute von“ oder ähnlich als Zinsschuldige bezeichnen, lassen diese Deutung durchaus zu. Damit die Alterleute Zahlungen einbehalten konnten, musste aber die Dorfgemeinde zumindest in großen Teilen hinter dieser Entscheidung stehen. Die Alterleute waren treuhänderische Verwalter, und nur wenige dürften sich eigenmächtig über die Wünsche der Bevölkerung hinweggesetzt haben. Eine Abkehr von den eigenen Stiftungen zeigt sich auch in der Argumentation der Dörfer, warum sie Zinsen verweigerten. Die Bauern von Elxleben am Steiger sollten Zinsen einer Vikarie in der Kapelle am Ort wieder zahlen, argumentierten aber, dass von ihnen keine Messe bestellt sei.70 Auch die Bauern von Stedtfeld hielten Wachsabgaben von einer Salve-Stiftung zurück, da das Salve nicht mehr gehalten wurde.71 Die Zinsverweigerungen fungierten für die Bauern als reformatorische Aktionen. Dies war in den Jahren vor dem Bauernkrieg unbeeinflusst von der Stellung der weltlichen Herrschaft. Im albertinischen Gebiet spielten sich die Zinsverweigerungen zur gleichen Zeit in gleichem Maße ab. Bereits das erste genannte Beispiel betraf mit Tunzenhausen ein Dorf im albertinischen Gebiet.72 Ebenso wurden bereits die Verweigerungen albertinischer Orte an Klöster im ernestinischen Gebiet deutlich. Natürlich waren aber ebenso geistliche Institutionen innerhalb des Territoriums betroffen. 1523 wurden dem Salzaer Stephansstift etliche Zinsen im Amt Treffurt vorenthalten.73 Erfurter Klöster hatten ebenso über diesen Einnahmeausfall aus den herzoglichen Gebieten zu klagen. 74 Herzog Georg brachte für dieses Vorgehen der Bauern natürlich wenig Verständnis auf. Im Frühjahr 1524 wies er die Gemeinden Ober- und Niederdorla sowie Langula an, der Geistlichkeit die Zinsen zu reichen, die sie seit 1522 verweigerten. In deren 67 68 69 70 71 72 73 74
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 120r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 205r. Vgl. oben Kap. I.3 und I.4. LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 3272, fol. 37r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2016. Vgl. oben; außerdem den Fall der Bauern von Niedertrebra. ABKG I, Nr. 499, S. 499. Dies betraf zuvorderst die beiden großen Stifte (ABKG II, Nr. 1114, S. 377 f., Nr. 1115, S. 378 f., Nr. 1342, S. 642 f., Nr. 1415, S. 723), aber auch die Karthäuser (ABKG II, Nr. 1431, S. 736 f.) und das Große Hospital (ABKG III, Nr. 1873, S. 292).
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Forderung nach Beweisen für den rechtlichen Anspruch sah er ein unbilliges Vorgehen und konnte hierin euer mutwill […] spuren. 75 Den Versuch der Gemeinden, sich der Pflichten zu entledigen und des Gehorsams zu befreien, werde er verhindern. Selbst dieses rigide persönliche Einschreiten des Herzogs zeigte aber keine Wirkung, sodass er im März 1525 den Salzaer Amtmann Sittich von Berlepsch anwies, die Dörfer zur Zahlung zu zwingen. 76 Weiterhin versuchte Georg den Adel als Stütze für Recht und Ordnung einzusetzen. Zu Beginn des Jahres 1525 wies er die von Heilingen zu Neunheilingen an, dafür zu sorgen, dass ihre Bauern wie bisher den Zehnt zahlten.77 Die Welle der Zinsverweigerungen machte keinen Halt vor politischen Zuständigkeiten. Sie wurde nicht nur durch die abwartende Haltung Kurfürst Friedrichs und der geistlichen Behörden ermöglicht, sondern ignorierte auch die strikte Haltung Herzog Georgs.78 Im Gegenteil, können die Zinsverweigerungen doch in den Jahren bis 1539 ein wichtiger Hinweis auf das unterdrückte evangelische Denken in den albertinischen Gebieten sein. Sie treten dauerhaft an verschiedenen Orten auf. 1529 beschwerte sich der Vikar zu Seebach wegen ausbleibender Zinsen.79 1535 beklagte sich ein Pfarrer von Schönstedt über nicht gezahlte Leistungen.80 Im Jahr 1536 gab es einen Zinsstreit zwischen dem Erfurter Marienstift und dem Dorf Schwerstedt. 81 Im Dezember 1537 forderte Georg den Schosser zu Weißensee auf, gegen die Zinsverweigerer in den Dörfern Günstedt, Nausiß und Herrnschwende vorzugehen.82 1538 versagten verschiedene Bauern aus Schmiedehausen der Naumburger Wenzelskirche Zinsen.83 In all diesen Fällen lässt sich die genaue Motivation nicht erkennen. Vor allem im zweiten Fall ist aber eine konzertierte Aktion zu vermuten. Gleiches kann für andere Gebiete angeführt werden, die sich erst später der Reformation öffneten. In der schwarzburgischen Oberherrschaft finden sich aus den späten zwanziger
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ABKG I, Nr. 616, S. 617 f. ABKG II, Nr. 832, S. 76 f., Nr. 848, S. 93 f., hier S. 94. Ebd., Nr. 775, S. 4. Vgl. dazu etwa das Ausschreiben Georgs aus dem Februar 1522, alle Anhänger Luthers und alle, die das Abendmahl in beiderlei Gestalt empfangen, gefangen zu setzen; ABKG I, Nr. 299, S. 269‒271. Vgl. weiterhin die Aufforderung an den Amtmann zu Salza, Sittich von Berlepsch, aus dem März 1523, Irrtum im Volk gar nicht erst eynreyßen zu lassen; ebd., Nr. 483, S. 485. ABKG III, Nr. 1723. ABKG IV, Nr. 2634 und 2748. Ebd., Nr. 3033, S. 310 f. Ebd., Nr. 3284, S. 485. Ebd., Nr. 3444, S. 625.
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Jahren des 16. Jahrhunderts Fälle von Zinsverweigerungen gegen die Erfurter Stifte St. Marien und St. Severi.84 Bereits oben wurde geschildert, dass die Verweigerungen nicht nur frühreformatorische, radikale Aktionen waren, sondern über einen längeren Zeitraum bis mindestens in die dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts anhielten. Daran änderten auch die verschiedenen Visitationen nur wenig. Durch die Vielzahl der Verweigerungen entstand nicht nur den Pfarrern, sondern auch den geistlichen Institutionen auf Dauer ein enormer wirtschaftlicher Schaden. Spätestens durch die Säkularisierungen und Sequestrationen wurde es ein politisches Problem. Deutlich wird dies besonders, wenn die Verweigerungen Landesgrenzen überschritten, wie im Folgenden an den Verhandlungen zwischen Ernestinern und Albertinern gezeigt werden soll. Betroffen waren neben großen geistlichen Institutionen auch kleinere Lehen und Pfarrkirchen.85 Vor allem erstere boten aber wegen der Summe der einbehaltenen Zinsen Anlass zum Streit. Im ernestinischen Kurfürstentum bekamen alsbald die Amtleute und Schosser den Auftrag, strittige geistliche Zinsen und Stiftungsgüter zu verwalten. Im November 1525 beschwerte sich Herzog Georg darüber bei Kurfürst Johann, da auch Abgaben aus dem albertinischen Herzogtum betroffen waren, die er zweckentfremdet sah.86 Johann antwortete, dass seine Untertanen ebenfalls viele Abgaben aus Georgs Territorium nicht erhielten.87 Die folgenden Verhandlungen der Räte in Naumburg stellten den Beginn des Streites über die Zinsen zwischen den beiden wettinischen Linien dar. 88 Mit anderen Herrschaften gab es diese Streitigkeiten in Einzelfällen. 1526 versuchte Herzog Georg die Zahlung der Zinsen der Klöster Reinhardsbrunn und Georgenthal aus dem schwarzburgischen Amt Clingen an den Salzaer Amtmann zu veranlassen.89 84 1526 wurden keine Zinsen aus Wüllersleben an St. Severi gezahlt; 1528 verweigerten Bauern aus Dornheim und Alkersleben Zahlungen an das Stift St. Marien; LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 3272, fol. 11r, 32v. 85 So erhielt etwa die Vikarie in Olbersleben keine Zinsen aus den albertinischen Gebieten; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 44r. Die Zinsen aus albertinischem Gebiet wurden seit 1525 nicht nach Niederroßla gereicht; ebd., fol. 76v. 86 ABKG II, Nr. 1163, S. 421‒423, hier S. 422. 87 Ebd., Nr. 1164, S. 423‒425, hier S. 424. 88 Ebd., Nr. 1172, S. 436‒439. 89 ABKG II, Nr. 1211, S. 495. Vgl. auch die Streitigkeiten Georgs mit dem Abt zu Hersfeld; ABKG III, Nr. 2364, S. 680 f. mit Verweis auf die vorgehenden Schreiben. ABKG IV, Nr. 2865, S. 196, Nr. 2976, S. 269, Nr. 3049, S. 320. Auch zwischen den Ernestinern und dem Erfurter Rat scheint es Verhandlungen über die gegenseitige Zahlung von Zinsen gegeben zu haben; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 8, liber communium 1526–1529, fol. 200v– 201r, 207r–207v. Zwischen diesen beiden Parteien entstand bereits 1523 Streit um Abgaben aus dem ernestinischen Großmölsen in das erfurtische Kleinmölsen; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 6, liber communium 1523–1525, fol. 1v. Auch in den 1530er Jahren gab es noch
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Zwischen den wettinischen Vettern erreichte die Diskussion aber schnell eine große Sprengkraft. 1527 drohte Georg vor Kaiser Karl V. zu klagen, sollte es keine Einigung und kein Entgegenkommen der Ernestiner geben.90 Wenige Tage danach befahl er aber selbst dem Amtmann zu Dornburg, geistliche Zinsen an den Gemeinen Kasten zu Jena nicht zu zahlen. Überhaupt sollten Zinsen nur an Orte gegeben werden, an denen man Messen und die Stiftungen auch hielt.91 Auf eine Klage der Eisenacher Augustiner-Chorherren antwortete er 1528 ebenfalls, dass er Abgewichene nicht unterstützen könne, dass ihnen aber die Zinsen zustehen sollten, wenn sie in Orte gingen, wo Gottesdienste nach altem Brauch gehalten würden. 92 So wurden die unvereinbaren theologischen Standpunkte schnell zum Hemmschuh der Verhandlungen.93 Auf der anderen Seite mehrten sich die Klagen Geistlicher aus dem albertinischen Gebiet an Kurfürst Johann.94 Die Ernestiner wollten Zinszahlungen nur zustimmen, wenn ihre Geistlichen ebenfalls die ausstehenden Zinsen erhielten, was aber an Georgs Verboten scheiterte.95 Beiderseits erstellten die Klöster und Stifte Aufstellungen über die ausstehenden Zinsen.96 Zwar einigte man sich im Grimmaischen Machtspruch prinzipiell über die gegenseitige Zahlung der Zinsen,97 Georg wollte dazu aber erst die Bestätigung des Kaisers einholen.98 Eine abschließende Lösung bot der Grimmaische Vertrag aus dem November 1533, nach dem Verbote über die Zahlung der Zinsen aufgehoben und entsprechende Schulden beglichen werden sollten.99 Allerdings stellt dieser keineswegs das Ende des Zinsstreites dar. Bereits im Februar 1534 beklagten erneut die Eisenacher Stiftsherren die Verweigerung der
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solche Fälle. 1533 beschwerte sich der Erfurter Rat beim Weimarer Schosser, da dem Hopfgartener Pfarrer Abgaben aus Daasdorf nicht gereicht wurden; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 9, liber communium 1529–1533, fol. 336r. Natürlich gab es dieses Problem auch unter den anderen Herrschaften. 1523 wandte sich der Erfurter Rat auch an die Verwaltung des schwarzburgischen Amtes Arnstadt. Auslöser waren in diesem Falle nicht gezahlte Zinsen der Bauern von Rockhausen nach Waltersleben; ebd., fol. 9v–10r. ABKG II, Nr. 1498, S. 806 f., Nr. 1500, S. 808. Ebd., Nr. 1499, S. 807 f. ABKG III, Nr. 1535, S. 64. ABKG II, Nr. 1507, S. 815‒818. Die Klage des Klosters Oldisleben; ABKG III, Nr. 1786, S. 245. Vgl. weiterhin ebd., Nr. 1849, S. 277, Nr. 1883, S. 298. Ebd., Nr. 1911, S. 320. Ebd., Nr. 2001, S. 394. Zur Akte mit den Auflistungen der Zinsen ernestinischer Klöster vgl. oben. Ebd., Nr. 2010, S. 399‒402, hier S. 401. BURKHARDT, Landtagsakten, S. 243‒250. ABKG III, Nr. 2013, S. 403 f. Ebd., Nr. 2327, S. 653‒657, hier S. 656. Herzog Georg kam dem Vertrag auch wenige Wochen später in einem Mandat nach; ebd., Nr. 2335, S. 664 f.
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Zinsen.100 In den folgenden Jahren kam es zu weiteren Diskussionen um bestimmte Zinsen, meist handelte es sich um inzwischen sequestrierte Klöster im ernestinischen Gebiet,101 aber auch die Pfarrkirchen konnten davon betroffen sein. 102 Im November 1535 forderte Georg Klöster, Pfarreien, Kirchen und geistliche Lehen daher erneut auf, die fehlenden Zinsen aus dem Kurfürstentum aufzulisten.103 Die erneuten Verhandlungen mündeten in die Oschatzer Abrede. Sie sah – wenig instruktiv – die Unterstützung der Kläger durch den jeweiligen Machthaber vor, verhandelte aber auch einige Streitfälle en détail.104 Allerdings kam es auch in den darauffolgenden Jahren zu weiteren Verweigerungen.105 Selbst wenn die Zahl der genannten Beispiele und Formen eine deutliche Sprache spricht, wurden keineswegs überall alle Zinsen nicht gezahlt. Einige Hinweise darauf existieren in Rechnungen. Allerdings ist die Überlieferungslage dazu erneut sehr schlecht, wie ja auch die große Zahl der Verweigerungen nur durch Beschwerden über diese bekannt ist. Aus dem Jahr 1523 hat sich ein Einnahmeregister der Großpfarrei Neunhofen erhalten. Darin gibt es keine Anzeichen, dass Zehnte und Abgaben von Seelmessen nicht gereicht wurden.106 Allerdings scheint es einen Einbruch der Opfergaben in einigen Dörfern gegeben zu haben, da sich der Pfarrer gezwungen sah, in seinem Register zu betonen, dass diese Zahlungen nicht freiwillig seien. Selbst 1525 wurde in Renthendorf und seinen Filialdörfern der Zehnt normal bezahlt.107 Die Kirchenfabriken waren, wie erwähnt, weniger von den Verweigerungen betroffen. 1522 und 1523 wurden in Niederwillingen Zinsen und Begängnisse anscheinend normal gezahlt.108 1525 wird in Tegkwitz gar der Großteil der Retardaten ausgeglichen.109 Mit den Zinsverweigerungen ging das Absinken der Oblationen und Spenden einher. Wolfgang Petke konnte zeigen, dass Oblationen wohl 40 bis 60 % des
100 Ebd., Nr. 2403, S. 701. 101 Ebd., Nr. 2566, S. 794; ABKG IV, Nr. 2679, S. 82 102 Den Alterleuten von Wormstedt wurde ein Eimer Wein aus Jena vorenthalten; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 933; ABKG IV, Nr. 2636, S. 52. 103 Ebd., Nr. 2915, S. 228. 104 Ebd., Nr. 3130, S. 383‒385. 105 Aus den vielen Beispielen: ebd., Nr. 3228, S. 450, Nr. 3335, S. 532. Die Vorsteher des Jenenser Kastens beriefen sich 1539 gegenüber Hans Schenk von Tautenburg auf den Grimmaer Vertrag, weil drei seiner Untertanen zu Pfuhlsborn Zinsen verweigerten; LATh–HStA Weimar, Reg. Ii 1192. 106 PfA Neunhofen, B.I.1, Verzeichnis der Einkünfte der Pfarrei 1499–1523 (ohne Foliierung). 107 LATh–HStA Weimar, Reg. Ii 151. 108 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5680. In diesen Jahren erfolgten auch Sammlungen in der Kirche. 1521 wurde die dortige Marienmesse normal abgehalten; ebd., 5679. 109 PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 264 f.
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Pfarreinkommens in Dörfern ausmachten.110 Vor diesem Hintergrund wird die große materielle Belastung dieser Entwicklung für die Pfarrer deutlich. Auf der anderen Seite konnte für städtische Pfarrkirchen gezeigt werden, dass in den Jahren 1522 bis 1524 das Spendenaufkommen stark sank. 111 Für dörfliche Pfarrkirchen aus dem Untersuchungsgebiet konnten bislang keine vergleichbaren Quellenserien festgestellt werden, die einen solchen Vergleich zulassen würden. Mittels des Spiegels der aufgezeigten Zinsverweigerungen können diese Ergebnisse aber auf die Dörfer übertragen werden, wenngleich die Kirchenfabriken wohl weniger stark betroffen waren. Die persönliche Bindung der Bauern an ihre Kirche im Dorf war noch immer größer als an Pfarrer und Klöster.112 Die Zinsverweigerungen zeigen, dass die reformatorischen Ideen alle Orte erreicht hatten. Sie zeigen, dass dieser Prozess unabhängig von der jeweiligen Herrschaft ablief und, dass viele Bauern diesen Ideen zugeneigt waren sowie mit Handlungen ihre Einstellung deutlich machten. Sie zeigen jedoch nicht, dass das jeweilige Dorf geschlossen evangelisch war. Wie in den Städten dürfte sich in vielen Dörfern eine katholische Gruppe gehalten haben.113 Zinsen wurden nur selten nachweislich von der gesamten Gemeinde einbehalten, sondern eher von einzelnen Personen. In der bisherigen Forschung wurden die Zinsverweigerungen ausschließlich als direkte Folge evangelischer Predigten angesehen.114 So predigten Evangelische in elsässischen Dörfern gegen Zins und Zehnt und berichteten, dass auch in Straßburg gegen geistliche Zinsen gepredigt werde.115 Ulman Weiß stellte fest, dass die Nachweise über Zinsverweigerungen im Erfurter Landgebiet in erster Linie aus Dörfern stammen, in denen es frühe evangelische Predigten gab.116 Zeitgenössisch ist die Meinung der Prälaten auf dem Altenburger Landtag von 1523 anzuführen. Sie sahen ebenfalls in den aufrührerischen Predigern die Ursache für die nicht geleisteten Zahlungen.117 110 PETKE, Oblationen, S. 45 f. 111 SLADECZEK, Arnstadt, S. 211–217 sowie S. 229–232 mit weiteren Literaturangaben. Dieser Nachweis konnte jüngst auch für eine Kathedralkirche erbracht werden. In Naumburg sanken von 1522 bis 1524 bestimmte Opfergaben im West- und Ostchor; LUDWIG, Rechnungsquellen, S. 289–302, S. 305 f. 112 Ebenso kann für die Dorfkirchen gelten, was für Stadtkirchen festgestellt wurde: Reichere Kirchen, bei denen Grundbesitz und Landwirtschaft einen höheren Anteil am Haushalt hatten, waren von dem Spenden- und Stiftungsrückgang weniger stark betroffen; SLADECZEK, Pfarrkirchen, S. 226. 113 Vgl. Kap. III.11 dieser Arbeit. 114 Vgl. allgemein KAUFMANN, Reformation, S. 324–327. 115 CONRAD, Elsass, S. 65 und S. 73 f. 116 WEISS, Bürger, S. 163. 117 BURKHARDT, Landtagsakten, Nr. 283, S. 154 f.
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Sicherlich kommt den Predigern eine große Bedeutung in dieser Frage zu. Allerdings gibt es zwei weitere Motive. Zunächst argumentierten die Bauern bei gestifteten Messen, dass sie diese nicht mehr gehalten haben wollen. Ebenso konnte gezeigt werden, dass die Zinsverweigerungen in der ländlichen Gesellschaft eine lange vorreformatorische Tradition hatten. Den Bauern musste diese Möglichkeit nicht erklärt werden. Sie setzten sie bei Unzufriedenheit mit einem Geistlichen und seiner Amtsführung seit langer Zeit ein. Somit lag es nahe, zu diesem Mittel zu greifen, wenn sie mit der Lehre ihres Pfarrers nicht zufrieden waren,118 wenngleich dies nun mit dem Argument des Evangeliums unter geänderten Vorzeichen geschah. Es herrschte die Vorstellung eines Quidproquos; die Bauern bezahlten den Pfarrer für die Erfüllung ihrer geistlichen Bedürfnisse und taten es nicht, wenn dies nicht geleistet wurde.
2.2. Verhältnis zwischen Gemeinde und Pfarrer Es wurde gezeigt, dass sich bereits in der Vorreformationszeit in den Gemeinden ein stärkeres Anspruchsdenken gegenüber den Geistlichen herausbildete. Dies betraf auch Vikare und Messpriester, vor allem aber den Pfarrer.119 Des Weiteren hatte sich der Weg der Supplik als ein übliches Instrument verfestigt, um gemeindliche Interessen zu verteidigen. Für die Jahre vor dem Bauernkrieg wurde deutlich, dass diese Mittel aufgegriffen wurden, um nun reformatorische Interessen auszudrücken. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie sich das Verhältnis zum Pfarrer wandelte und sich dessen Situation verschlechterte. Die Entwicklung gipfelte nicht etwa erst im Bauernkrieg, sondern erreichte bereits in den vielen Pfaffenstürmen der Jahre zuvor einen ersten Höhepunkt. Die Pfarrbeschwerden aus den frühen zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts lassen keine grundlegenden Neuerungen erkennen. Die Beschwerdepunkte der Gemeinden wiederholen sich nach wie vor, etwa wenn Beschwerden gegen den Pfarrer von Vierzehnheiligen laut wurden, der seinen Pflichten nicht nachkam und überhaupt ein unordentlich leben führte.120 Mehrmals wurde darüber Klage am geistlichen Gericht in Erfurt geführt, ohne dass sich etwas änderte, weshalb nun der weltliche Herr, Herzog Georg, an Kardinal Albrecht schrieb, in der Hoffnung, dass dieser sich der Sache annähme. Eine altbekannte Problemstellung war es auch, als sich die Bauern von Achelstädt 1522 beim Erfurter Rat darüber 118 Vgl. die Argumentation der Ollendorfer Bauern, die das Ausbleiben der Zinszahlungen mit der ausbleibenden Versorgung rechtfertigten; WEISS, Kirchenpolitik, S. 178. 119 Vgl. oben Kap. I.2. 120 ABKG I, Nr. 160, S. 120 f. Verschiedene Klagen über den Lebenswandel einiger Pfarrer, beispielsweise den Pfarrer von Berlstedt, der im Ehebruch mit einer Frau lebte, bei WEISS, Bürger, S. 163 f.
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beschwerten, dass ihr Pfarrer nicht bei ihnen residiere.121 Weiterhin gab es Differenzen um landwirtschaftliche Rechte.122 Auch die Unterhaltung des Pfarrbesitzes war noch immer ein üblicher Streitpunkt.123 In einigen Suppliken zeigt sich aber an Formulierungen die Entwicklung, dass der Bauer ‚witzig‘ geworden war.124 Im Hochsommer 1522 beschwerten sich die Bauern von Obernissa am Weimarer Hof über ihren Pfarrer, nachdem sie sich bereits mehrfach mit Kritik an den Schosser gewandt hatten, der das fürstliche Patronatsrecht verwaltete. 125 Sie forderten einen neuen Pfarrer, Auff das wir christlicher und Ewangelischer Unterweysung nit so gar entsorget werden. Allerdings kann in der Beschwerde nicht zweifelsfrei ein lutherisches Bekenntnis gesehen werden, da sie parallel zur Predigt und dem rechten Evangelium auch die heyligen Sacrament forderten. Der Pfarrer wurde nach Erfurt vor das geistliche Gericht bestellt.126 Von dort schickte er seine Antwort an die fürstlichen Räte.127 Er bat, dass die unverständigen Leute annehmen sollten, dass er ihr rechter Pfarrer sei, und fügte im Gegenzug eigene Beschwerdepunkte bei. Der Fall wurde zunehmend komplexer, da sich die Bauern von Obernissa im Herbst auch an ihren weltlichen Herrn, den Erfurter Rat, wandten. Dieser leitete die Beschwerde ebenfalls an den Weimarer Hof weiter und bat Herzog Johann, sich um den Pfarrer zu kümmern und die Interessen der Bauern zu wahren.128 Aus den folgenden Jahren haben sich insgesamt wenige Beschwerden erhalten, die sich gegen Pfarrer richten, sodass aus diesen Quellen eine Ausbreitung evangelischer Gesinnung nicht recht deutlich werden kann. Nur einzelne Hinweise existieren, etwa aus den Handlungen des Amtes Leuchtenburg.129 Im Juni 1524 verpflichtete sich der Pfarrer von Rabis, die göttlichen Ämter wie vor alters 121 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 5, liber communium 1519–1522, fol. 350r. 122 Vgl. etwa den Vertrag zwischen der Gemeinde Bodnitz und dem Pfarrer im Juni 1523; AGBM II, Nr. 1091, S. 8 f.; vgl. JOESTEL, Ostthüringen, S. 119 f. zu Streitigkeiten im Amt Leuchtenburg. 123 Vgl. dazu die Beschwerden der Bauern von Kunitz gegen ihren Pfarrer, der mit seynen weybern die Pfarre verwüstet hatte, aus dem Jahr 1524. Herzog Georg reagierte sehr ungehalten gegen den Dornburger Amtmann, der diesen gefangen nehmen sollte, und drohte ihm schließlich, dass er Schaden erstatten müsste, den der Pfarrer weiterhin anrichte; ABKG I, Nr. 749, S. 760 f., Nr. 755, S. 768; ABKG II, Nr. 1078, S. 341 f. 124 Zu den Nachweisen theologischer Argumentationen in bäuerlichen Schreiben: CONRAD, Elsass, S. 92–102. 125 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 105. Der Erfurter Rat besaß die Gerichtsrechte über den Ort, dem Ernestiner stand das Patronatsrecht über die Kirche zu. 126 Ebd., fol. 5r. Unklar bleibt, ob die Bauern, der Wettiner oder der Pfarrer das geistliche Gericht angerufen hatten. 127 Ebd., fol. 2r–3v. 128 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 5, liber communium 1519–1522, fol. 349r. 129 LATh–StA Altenburg, A.G. Kahla Cl. XI Ca, 1a.
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zu halten. Allerdings sollte er auch das evangelium lauter und clar predigen, so ferne es die bauern leiden wollen.130 Ist diese Formulierung nicht eindeutig, wird der Pfarrer aus dem unweit gelegenen Großeutersdorf deutlicher. Im November 1524 musste er sich verantworten. Er sagte zu, dass er, wenn die Gemeinde ihn nicht anders haben wolle, nach alters die heiligen ampter halten und darneben das evangelion und die warheit sagen würde.131 Zumindest im zweiten Fall wollten die Bauern die Messe nach Tradition gehalten haben, während der Pfarrer wohl lutherisch gesinnt war. Dass solche Forderungen der Bauern aber keineswegs eine völlige Ablehnung reformatorischer Lehre bedeuten mussten, erfuhr derselbe Pfarrer im Nachbardorf Schmölln. Hier sollte er eine Dienstagsmesse halten, in selbiger aber auch das Wort Gottes verkündigen und das Evangelium und Epistel deutsch lehren.132 Eine bedingungslose Abkehr von den Stiftungen konnte in diesen Jahren noch dem bäuerlichen Quidproquo widersprechen.133 Gegen Ende des Jahres 1524 hatten sich die Dörfer Hartroda, Kakau und Dobra über ihren Junker Götz von Ende beim Kurfürsten beschwert. 134 Sie wünschten einen Pfarrer, der ihn das heylge Evangelium […] wusthe vorczutragen. Der jetzige Pfarrer komme aus ihrer Sicht nicht in Frage, da er seine Köchin nicht geheiratet habe, nicht deutsch taufe und das Sakrament nicht unter beiderlei Gestalt reiche. Allein trafen die Dörfer auf wenig Verständnis bei ihrem Ritter. Die Antwort des Kurfürsten fiel, wie oft in diesen Jahren, ohne eindeutige Stellungnahme aus. Götz von Ende sollte die Dörfer derart mit einem Pfarrer versehen, dass sie sich nicht zu beklagen hätten.135 Direkt neben diesen drei Gemeinden liegen Reichstädt und Frankenau, die im Oktober 1525 den Kurfürsten um einen christlichen Prediger baten. Nachdem der Niederadlige Bernhard von Creutzen den Pfarrer abgesetzt hatte, hatten die Bauern den Pfarrer von Hirschfeld gebeten zu predigen, was ihr Grundherr aber ebenfalls zu verhindern wusste. Dieses Engagement der Gemeinden, einen evangelischen Prediger im Dorf hören zu können, findet man auch im Erfurter Landgebiet. Hier bestellten
130 131 132 133
AGBM II, Nr. 1121, S. 34. Ebd., Nr. 1141, S. 57. Ebd., Nr. 1143, S. 58. Ein ähnlicher Fall steht zu vermuten, wenn Kurfürst Friedrich am 18. Februar 1525 die Amtleute in Altenburg anweist, zwischen den Bauern von Naundorf und einem Pfarrer wegen der gegenseitigen Leistungen zu vermitteln; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 632. 134 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 378. Zu den Forderungen Straßburger Landgemeinden nach evangelischen Pfarrern in den Jahren 1524 und 1525 vgl. CONRAD, Elsass, S. 81. 135 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 378, fol. 5r.
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etwa die Einwohner von Kleinbrembach einen evangelischen Prediger, den sie eigenmächtig mit der Pfründe des Pfarrers entlohnten.136 Für die ernestinischen Dörfer sollte ein solches Vorgehen bald unnötig werden: Im Sommer des Jahres 1525 wurden die Priester des Amtes Weimar und der Umgebung in die Residenzstadt gerufen. Dort wurden ihnen am 17. August zwei Predigten gehalten, die verdeutlichen sollten, wie sie das Evangelium lauter und rein und ohne menschliche Zusätze predigen sollen.137 Auch Zeremonien sollten gehalten werden, wie im Weimarer Schloss; damit verbunden war die Abschaffung der Seelmessen. Die Anweisungen wurden in einer hohen Auflage gedruckt und an Geistliche im Kurfürstentum verschickt. Alle Pfarrer sollten sich daran halten; Unwissenheit sollte nicht als Entschuldigung gelten. Dass von diesem Treffen eine gewisse Signalwirkung ausging, zeigt die Erkundigung des Pfarrers von Eischleben bei einem Anwesenden. Er und etliche andere Priester waren verunsichert, was verboten werden sollte.138 Ein weiteres Zeugnis, dass dieses Treffen und sein Inhalt auch in der Bevölkerung bekannt war, liegt aus Niedergrunstedt bei Weimar vor.139 Die Bauern wiesen den Weimarer Schosser darauf hin, dass ihr Pfarrer die Messe nicht wie in Weimar auf dem Schloss und in der Stadtkirche, sondern nach altem Brauch halte. Weiterhin hatte er die Einwohner gebeten, beim alten Glauben zu bleiben, weil das nawe wesenn kein bestandt wurde haben. Aber auch aus den folgenden Jahren existieren Hinweise, die zeigen, dass ernestinische Gemeinden mitunter einen anderen Priester zusätzlich für die Abhaltung von Gottesdiensten entlohnten als ihren Pfarrer.140 Eine gänzlich andere Sprache als die wenigen Suppliken aus diesen Jahren sprechen die Berichte über die vielen Pfaffenstürme. Bereits in den Jahrzehnten vor der Reformation gab es immer wieder Überfälle und Rohheiten, die gegen einen Pfarrer gerichtet waren.141 Pauschal kann festgestellt werden, dass in den frühen zwanziger Jahren der Respekt der Menschen vor den Geistlichen schwand. 142 Allerdings entwickelte sich auch eine neue antiklerikale Qualität. Ausgehend vom Erfurter Pfaffensturm im Juni 1521 gab es in vielen Städten gewalttätige Ausbrüche gegen hohe Geistliche und Pfarrer.143 Bereits 1521 be136 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 6, fol. 163r; vgl. WEISS, Bürger, S. 165. 137 GRAUPNER, Weimar, S. 399 f.; PERTHES, Bilder, S. 89 f. 138 Ebd. In der Form eines Sendbriefes an den Elxlebener Pfarrer wurden die Befehle durch den Erfurter Pfarrer Johann Kiesewetter zum Druck gebracht; WEISS, Bürger, S. 194 f. 139 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 148. 140 So bezahlten etwa die Leute von Schöngleina eine Zeit lang den Pfarrer von Schleifreisen für Predigten; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 182v. 141 Vgl. oben Kap. I.2. 142 Beispielsweise wurden die Bauern von Kleinbrembach vom Erfurter Rat gescholten, da sie sich widerwillig gegen ihren Pfarrer verhielten; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 6, fol. 114v. 143 Zum Erfurter Pfaffensturm vgl. WEISS, Bürger, S. 124–132.
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kannte der Pfarrer von Dörnfeld an der Heide, dass der schwarzburgische Amtmann und Rat Georg von Witzleben ihn mit einigen Pfaffenstürmern vertragen habe. Drei Bürger der Stadt Königsee und ein Einwohner des Nachbardorfes Unterschöbling waren nachts betrunken in sein Haus eingedrungen. Sie hatten Bier gestohlen und ein Messbuch der Kirche zerstört. Am 26. November 1521 verpflichteten sie sich zu einer Schadensersatzzahlung von sechs Gulden an den Pfarrer und zwei Gulden an die Kirchenfabrik für den Ersatz des Messbuches.144 Wahrscheinlich ist dieser Fall eher ein Beispiel für einen vorreformatorischen Antiklerikalismus, die Zerstörung des Messbuches lässt aber auch einen reformatorischen Einfluss nicht ausschließen. Die Übergänge waren in diesen Jahren fließend; eine klare Grenze, ab wann Pfaffenstürme ‚reformatorisch‘ waren, lässt sich nicht ziehen. Vor allem aus den Jahren 1523 bis 1525 sind solche Übergriffe auch aus vielen Dörfern überliefert. Erneut sind durch Amtshandlungen einige Fälle aus dem Amt Leuchtenburg bekannt. Im Februar 1523 gab es einen Pfaffensturm in Gröben.145 Hier wurde dem Priester bei nechtiger weile sein haus und wonunge mit gewalt gestormet, erbrochen worden, seine kisten, tische und anders zuschlagen und eroffenet und sein hausgerete, bette, tucher, kleider, kaindeln und was erdes gehabt hat, geplundert, genomen und weggetragen darzu der prister geschlagen und bezwungen, anzuzeigen sein gelt, das er letztlich zum teil also getan.146
Drei Mitverschwörer wurden auf der Leuchtenburg gefangen gehalten. Erst im Dezember des Jahres wurde der Pfarrer mit 30 Gulden entschädigt. Wahrscheinlich im Sommer 1523 wurde der Pfarrer von Waltersleben überfallen.147 Im Jahr 1523 gab es eine Ermittlung des Eisenberger Schossers und eines Zeitzer Statthalters, da „etliche Übeltäter“ den Pfarrer von Briesenitz entleibet hatten.148
144 LATh–StA Rudolstadt, Stadtarchiv Königsee 3004, fol. 15v–17v. 145 AGBM II, Nr. 1104, S. 20 mit Anm. 1. Vgl. JOESTEL, Ostthüringen, S. 53 f. Demselben Sturm ist wohl auch die Urfehde des Pfarrers von Großbockedra aus dem Februar 1523 zuzuordnen; ebd., Nr. 1088, S. 7. Im Elsass mussten sich im Umfeld des Bauernkrieges einige Prediger wegen Anstachelung zu Stürmen verantworten; CONRAD, Elsass, S. 83– 85. 146 AGBM II, Nr. 1104, S. 20, Anm. 1. 147 AGBM II, S. 449 f., Anm. 4. Der Pfarrer wurde andererseits vom Erfurter Rat wegen Schmähworten beklagt, war also eventuell an der Entwicklung des Konflikts im Dorf nicht unschuldig; vgl. WEISS, Bürger, S. 162. Viele Geistliche dürften in diesen Jahren mit Provokationen die Situation weiter aufgeheizt haben. Bereits im August 1522 musste der Pfarrer von Jägersdorf wegen schmeheworten und unpristerlicher hendel eine Urfehde schwören; AGBM II, Nr. 1086, S. 6. 148 StA Zeitz, Cat. pag. 51, Nr. 1, fol. 143v. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Ort um Jenaprießnitz.
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Im Frühjahr 1524 gab es Pfaffenstürme in Heilingen und Dienstädt.149 In beiden Fällen wird aber deutlich, dass es keineswegs die gesamte Dorfschaft war, die sich gegen den Pfarrer richtete, sondern dass es Einzeltäter oder einige wenige Personen waren. Am 1. August 1524 mussten die Einwohner von Albersdorf bei Bürgel mit dem Pfarrer von Schöngleina dahingehend vertragen werden, dass sie ihm den Besitz, den sie ihm genommen hatten, wieder aushändigen sollten.150 Im September nahmen die Bauern von Görmar bei Mühlhausen einen ehemaligen Mönch als Prediger an, da sich ihr Pfarrer geweigert hatte, lutherisch zu predigen. Dieser forderte Schadensersatz für die Bauarbeiten, die er am Pfarrhaus getätigt hatte, und berichtete, dass seinem Amtsbruder in Ammern Gleiches geschehen sei.151 So sind die Grenzen zwischen Unterziehung pfarrlichen Besitzes und gewaltsamen Pfaffenstürmen wahrscheinlich in verschiedenen Fällen fließend. Diese Nachweise stammen jeweils aus den vermeintlich revolutionären Umgebungen von Karlstadt, Pfeiffer und Müntzer. Daraus kann aus verschiedenen Gründen aber nicht geschlossen werden, dass sich solche Übergriffe auf diese Gebiete beschränkten oder auf den jeweiligen Einfluss zurückzuführen sind. Zunächst stellt etwa das Amtshandelbuch des Amtes Leuchtenburg aus dieser Zeit eine hervorragende Quelle dar, die nicht ohne Grund Eingang in Fuchs’ Editionsband gefunden hat. Bei dessen Erstellung lag der Fokus eindeutig auf den prominenten regionalen Schwerpunkten der Bauernkriegszeit. Solche Quellen existieren aus anderen Ämtern nicht bzw. sind bisher nicht veröffentlicht worden. So gibt es in einem Amtsbuch des schwarzburgischen Amtes Sondershausen einen Hinweis auf einen Pfaffensturm in Schernberg 1523 oder 1524.152 1523 informierte das Amt Arnshaugk Herzog Johann über einen Pfaffensturm im reußischen Dittersdorf. Dort hatte eine versammelte Rotte den Pfarrer nachts beraubt und gepochet.153 Man fürchtete ein Übergreifen auf kurfürstliches Gebiet. Besonders in der Zeit des Bauernkrieges kam es zu einer Häufung der Pfaffenstürme. Berichte existieren aus Wundersleben,154 Gumperda,155 Bobeck,156 Hohenkirchen,157 Schönstedt,158 Mehrstedt,159 Oettersdorf und 149 150 151 152 153
AGBM II, Nr. 1115, S. 31 f. Ebd., Nr. 1126, S. 40. Ebd., Nr. 1127, S. 46 f. LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Sondershausen, 3251, fol. 2r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 173. Allerdings wurde in der ersten reußischen Visitation 1533 festgestellt, dass der Dittersdorfer Pfarrer seit zehn Jahren, also seit 1523, das Evangelium nach Luthers Anweisung predigt; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 82v. Ob es sich dabei um den gestürmten oder seinen Nachfolger handelt, bleibt unklar. 154 AGBM II, Nr. 1996, S. 791. 155 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 251. 156 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 432; AGBM II, Nr. 2124, S. 914 f.
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Monstab.160 Weiterhin kam es zu Überfällen durch die Bauernhaufen, wie beim Sturm auf das Schloss Seebach, in dessen Zuge auch der Vikar beraubt wurde.161 Auch in den Monaten nach dem Bauernkrieg gab es weiterhin Übergriffe, wie in Oppurg.162 Bereits oben wurde betont, dass sich in den Pfaffenstürmen keineswegs die gesamte Gemeinde gegen den Pfarrer richtete. In einigen der genannten Exempel wird auch eine Gruppenbildung im Dorf deutlich. In Hohenkirchen vertrug sich der Pfarrer recht schnell mit einem Teil der Einwohner, der wohl weniger an dem Sturm beteiligt war. Da betont wird, dass der Pfarrer noch immer papsttreu war, ist ebenso denkbar, dass es sich um eine altgläubige Gruppe handelte. In Oppurg wurde ein Altermann des Ortes der Mitwirkung an dem Pfaffensturm beklagt. Der Schultheiß und ein Heimbürge bekannten daraufhin, dass dieser keineswegs einer der Pfaffenstürmer war. Er hätte mit ihnen in des Pfarrers Tor gestanden und die Stürmer aufgefordert, den Pfarrer nicht zu behelligen. Da dies nicht von Erfolg gekrönt war, hatte er Bücher, die in den Hof geworfen wurden, aufgehoben und dem Pfarrer wieder in die Stube getragen. Im großen Dorf Schönstedt mit über 1000 Einwohnern nennt der Pfarrer nur fünf Gewalttätige namentlich, davon waren drei Brüder, die mit anderen Bauern den Pfarrhof gestürmt hatten. Diese ignorierten das Bitten und die Gebote der Heimbürgen und anderer frommer nackbur.163 Anschließend wurden dem Nachbarn, der den Pfarrer beherbergte, Bücher und Trankvorrat gestohlen. In allen Fällen wird deutlich, dass es sich wohl um recht kleine Gruppen Radikaler gehandelt hat. Insgesamt dürfte es aber mehr Pfaffenstürme gegeben haben als bekannt. Darauf deutet die Überlieferung hin. Bereits angesprochen wurden die fehlenden Gerichtsakten aus vielen Ämtern. Keineswegs stammen die Nachweise immer aus demselben Jahr. So ist man über den Sturm in Bobeck nur informiert, da der dortige Pfarrer das erlittene Unrecht 1529 als Argument gegen seine Entlassung verwendete. Weiterhin fehlen Akten der geistlichen Gerichte. Über deren Wirkung in diesen Fällen erlaubt die Quellenlage ebenso keine Aussage. Nur der Seebacher Vikar beschreibt, dass er vom geistlichen Gericht an die weltliche Gerichtsbarkeit verwiesen wurde. Viele Pfarrer saßen zwischen den Stühlen. Selbst wenn sie sich Luthers Lehre gegenüber offen zeigten, gab es im Dorf zumindest verschiedene Gruppen, wie aus den genannten Beispielen deutlich wurde. In vielen Gebieten mussten sie die 157 158 159 160 161 162 163
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 377; AGBM II, Nr. 2067, S. 860. ABKG II, Nr. 1003, S. 247. EINICKE, Reformationsgeschichte I, S. 324. WIESSNER, Naumburg, S. 453. AGBM II, Nr. 2099, S. 892. Vgl. ABKG III, Nr. 1910, S. 319 f. AGBM II, Nr. 1849, S. 648. ABKG II, Nr. 1003, S. 247.
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Herrschaft fürchten, wie der Trebener Pfarrer, der wegen einer evangelischen Predigt nach Altenburg flüchtete, da der Propst des dortigen Augustiner-Chorherrenstiftes ihn verfolgte.164 Auf der anderen Seite zeigt sich eine reformatorische Grundhaltung einer größeren Zahl Pfarrer etwa in der Verweigerung der Subsidien an den Bischof von Naumburg 1523/1524.165 Die antiklerikalen Zustände in einigen Orten zwangen andererseits altgläubige Pfarrer zur Flucht, wie beispielsweise die Klageschrift des neuen Pfarrers von Kirchheilingen zeigt, der vor Verfolgungen aus Mühlhausen in das albertinische Territorium geflohen war. 166 Über die Stellung der Geistlichkeit, speziell der Pfarrer in der frühen Reformation existieren bisher nur Einzelhinweise und Vermutungen, die sich kaum pauschalisieren lassen.167 An dieser Stelle muss die kommende Forschung ansetzen. Trotz solcher Fährnisse wurden einige Prediger in Dörfern recht prominent und erreichten eine Strahlkraft über die Flurgrenzen hinweg. Wahrscheinlich handelte es sich bei diesen um charismatische Persönlichkeiten. Simon Hoffmann wirkte im ernestinischen Mittelhausen bei Erfurt, nachdem er als Prediger in Erfurt und dem Erfurter Amtsdorf Schloßvippach tätig gewesen war, allerdings im Streit durch den Rat des Landgebietes und der Stadt verwiesen wurde.168 In einem weiteren Erfurter Dorf lehrte Justus Menius als Prediger, bei dem sich wahrscheinlich auch Menschen aus der umliegenden Gegend zu den Predigten einfanden.169 Bei anderen Predigern dürften es eher politische Gründe gewesen sein, die ihnen Zulauf verschafften. An mehreren Stellen wird das Phänomen deutlich, dass Kirchen im ernestinischen Gebiet, in denen bereits evangelisch gepredigt wurde, von Menschen aus direkt angrenzenden, noch nicht reformierten Territorien aufgesucht wurden. So besuchten Einwohner Arnstadts Gottesdienste im benachbarten ernestinischen Ichtershausen 170 und Bürger Langensalzas zogen nach Wiegleben.171 164 THÜRINGER PFARRERBUCH 6, S. 506; WIESSNER, Naumburg, S. 160. Vgl. die ähnlichen Probleme, vor denen viele Pfarrer in den Zeiten der evangelischen Lehrdifferenzen gegen Ende des 16. Jahrhunderts standen; GEHRT, Dilemma. 165 WIESSNER, Naumburg, S. 156; JOESTEL, Ostthüringen, S. 124. 166 AGBM II, Nr. 1089a, S. 7 f. 167 MEUTHEN, Klerusbildung, S. 283–287, äußerte die Vermutung, dass der niedere Klerus wegen seiner geringen theologischen Bildung der Reformation hilflos gegenübergestanden habe. 168 BRÄUER, Hoffmann; WEISS, Bürger, S. 161 und S. 164. 169 SCRIBNER, Erfurt, S. 210–216 mit einer interessanten Einordnung in das Leben in Mühlberg in diesen Jahren. 170 JOVIUS, Chronicon, S. 618. Zur Einordnung vgl. SLADECZEK, Arnstadt, S. 217. Recht prominent ist ein Vergleichsbeispiel aus Leipzig. Hier zogen Einwohner der Stadt Ostern 1532 zur evangelischen Feier in Holzhausen, wo seit 1531 ein geflohener Mönch als
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2.3. Ende der Stiftungen Die Ergebnisse der vorherigen Kapitel führen zu der Frage, wie sich in diesen Jahren der Veränderung das Verhältnis zur gelebten Frömmigkeit der vorangegangenen Jahrzehnte entwickelte. Die Menschen, die wenige Jahre zuvor zu Vikarien oder Bruderschaften stifteten und viele Kilometer zu verschiedenen Wallfahrtszielen zogen, änderten ihr Verhalten. Wenn diese verstorben waren, mussten ihre Nachkommen für die Stiftungen zahlen. Sie waren damit auch für den Umgang mit diesen verantwortlich. Bei der Untersuchung dieses Umganges verdienen die vielen Seelmessen besonderes Interesse, bildete doch das Totengedenken eine der Haupttriebfedern des vorreformatorischen Stiftungseifers. Die Angst vor dem Fegefeuer war allgegenwärtig. Distanzierten sich die Menschen nun von den Seelmessen, bedeutet dies, dass sie fest davon überzeugt waren, ihren Vorfahren damit nicht zu schaden. Gingen sie nicht mehr zu den Wallfahrten, zeigt dies, dass sie sich davon keinen positiven Effekt für ihr eigenes Seelenheil oder im Krankheitsfalle erhofften. Jedoch existieren zu diesen Problemen einmal mehr keine seriellen Quellen aus den 1520er Jahren, sodass der Wandel in den Gemeinden und der Rückgang bei den Wallfahrten nur anhand einiger Indizien und Quellen aus späteren Jahren festgemacht werden kann. Es kann ein stilles Ende der vielfältigen Frömmigkeit konstatiert werden. Insbesondere die Bruderschaften verschwinden plötzlich aus den Quellen. Falls in einigen Fällen die Gemeinschaft fortlebte, geschah dies ohne schriftlichen Niederschlag. Einzig die Sebastiansbruderschaften überdauerten als Schützengilden. Diesen Sinn hatten sie natürlich nicht verloren. Noch heute existieren beispielsweise in Altengottern und Herbsleben Schützenkompanien, die sich „St. Sebastian“ nennen. In einer Einladung der Großengotterner Schützen aus dem Jahr 1544 ist aber von einem Patrozinium oder einer besonderen Widmung keine Spur. 172 Die Herbslebener Schützenvereinigung, die aus der Sebastiansbruderschaft hervorging, bestand bis mindestens ins 17. Jahrhundert. 173 Von dieser Bruderschaft, die sich auch weiterhin Sebastiani nannte, haben sich Rechnungen ab 1564 erhalten.174 Sie zeigen, dass sich organisatorisch seit den ersten Visitationen wenig geändert hatte. 1540 war das Einkommen dem örtlichen
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173 174
Pfarrer tätig war. Die Pfarre Holzhausen war Lehen des Leipziger Thomasklosters, der Ort lag aber im Kurfürstentum; ABKG III, Nr. 2081, S. 454 f., Nr. 2122, S. 484. ABKG I, Nr. 514, S. 512 f. Staatsbibliothek Berlin, Einbl. 1544, 1m. Ein weiterer Hinweis auf dieses Fortbestehen liefern die Visitationsprotokolle. So erhält etwa der Kirchner von Gangloffsömmern 1540 weiterhin Einkommen von den schutzmeistern; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 66r. ZEYSS, Herbsleben, S. 72. Gemeindearchiv Herbsleben, Loc. 6, Nr. 30 (ohne Foliierung).
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Siechenhof zugeschlagen worden, was aber wohl nicht zustande kam. 175 Ein Erbbuch zeigt, dass die Schützengesellschaft auch 1564 noch über Erbzinseinnahmen aus Grundbesitz verfügte. Die Kleinodsmeister vergaben Kredite an Einwohner. Der Kirchner schrieb die Rechnung. Diese Rechnung wurde vom Amtsschosser und den Schießgesellen kontrolliert. 176 Die Rechnungslegung wurde mit Kuchen begangen. Zum Wechsel im Amt der Kleinodsmeister wurde ebenfalls ein Schmaus abgerechnet. All dies hätte sich auch in vorreformatorischer Zeit zutragen können; nur die Messen zu Ehren des Heiligen, die es wohl gegeben hatte, waren entfallen. Die Rechnungen zeigen den geringen Umfang, den die Haushalte der ländlichen Bruderschaften meist hatten. Sechs Schock Groschen Einnahmen standen vier Schock Groschen Ausgaben gegenüber. Die Kredite der Kleinodsmeister hatten eine gewisse Bedeutung, bewegten sich aber ebenfalls in engen Grenzen. 1565 mussten sich die Verwalter bei der Rechnungslegung rechtfertigen. Einige Burschen fragten, warum in der Rechnung zehn Groschen für die Kleinodsmeister abgerechnet wurden. Sie antworteten, dass dies alter Brauch sei und setzten sich damit durch. 177 Die Schützengesellschaften verfügten über ein großes Beharrungsvermögen und hatten im Gegensatz zu den übrigen Laienbruderschaften Bestand über die Reformation hinaus, da sie ihre zentrale Funktion nicht verloren hatten. Dass die Waffenverbote der Zeit nach dem Bauernkrieg zum Niedergang einiger Schützengilden führten, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Hinweise auf einen schnellen Verfall lassen sich, wie bei den Laienbruderschaften, auch bei den Priesterbruderschaften finden. Der Kaland zu Görmar konnte wegen der politischen Lage in Mühlhausen seit 1522 keine Messen mehr abhalten.178 Ein Einwohner von Süßenborn bei Weimar stellte 1529 fest, dass er früher für eine Jahrtagsstiftung seines Vaters einen Gulden an den Kaland daselbst gezahlt hatte, in der Hoffnung, so das Reich Gottes zu erlangen unnd als Ir betley singens unnd betens gesturtzt, habe ich mich auch meins gebenns Enthaltenn.179 Seit wann er nicht mehr zahlte, ist nicht festzustellen, der Fall wurde nur wegen eines 175 LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 36v. 176 Zur wahrscheinlichen Verbindung der Sebastiansbruderschaften mit der jeweiligen Herrschaft vgl. Kap. I.4.7 dieser Arbeit. Die Herbslebener Schützen geleiteten den Schosser in verschiedenen Fällen nach Gotha zur Abgabe der Landsteuer. 177 Gemeindearchiv Herbsleben, Loc. 6, Nr. 30. Einige Anmerkungen zu alltäglichen Fragen: Die Herbslebener Schützen unterhielten eine eigene Schießhütt, in der sie wie viele andere Gruppen Preisschießen veranstalteten. Diese wurde ab 1587 durch einen massiven Neubau ersetzt, da die alte von einem Grossen Sturm Wetter zerbrochen und zerworfen worden war. Dazu wurden auch neue Schützenfahnen beschafft. Die Verwalter hatten in der Schenke das Recht, Kosten für die Bruderschaft anzuschreiben. 178 AGBM II, Nr. 1625, S. 433 f. 179 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 438, fol. 1r.
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Streits mit den Weimarer Kastenherren, an die die Kalandszinsen inzwischen gereicht werden sollten, publik. Sicherlich ist dieser sehr konkrete Fall aber der Zeit der zunehmenden Zinsverweigerungen zuzuordnen. Berichte über nicht mehr gehaltene Messen und Jahrgedächtnisse stehen ebenfalls in engem Zusammenhang zu den beschriebenen Verweigerungen.180 So versuchte der Amtmann zur Leuchtenburg 1524 einen Vergleich über eine nicht mehr abgehaltene Messstiftung in Bibra herbeizuführen.181 In Heilingen wurde das Ende einer Messstiftung überhaupt nicht in Frage gestellt, adliger Patron und Bauern stritten aber über die Altarausstattung.182 Der Geistliche, der die von der Gemeinde gestiftete Vikarie in Dachwig innehatte, überantwortete diese 1524 der Gemeinde.183 Anscheinend wurden die Messen des Lehens nicht mehr gehalten und dem Vikar sein Einkommen nicht mehr gereicht. Im Juni 1525 wies der Erfurter Rat den Amtmann zu Tonndorf an, etwas gegen die versuchte Auflösung einer Seelgedächtnisstiftung durch einen Einwohner zu unternehmen.184 Dieser hatte das Stiftungsgut an sich gezogen. Allerdings handelte es sich dabei in Tonndorf wohl nicht um einen Einzelfall.185 Bei den Messstiftungen kam es selbstverständlich nicht zu einem plötzlichen und flächendeckenden Ausfall, sondern zu unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Orten. Die Haltung der Stifter war wie die herrschaftliche Rahmensituation entscheidend. In Schmidtstedt bei Erfurt gingen 1523 die Spendeneinnahmen zurück, eine Messe der Mönche des Erfurter Marienknechtklosters wurde aber noch gehalten. 186 Im ernestinischen Trockenborn wurden 1523 Abgaben für Seelmessen an die Kirchenfabrik gezahlt und mehrere Priester für die Abhaltung von Weihfastenbegängnissen entlohnt.187 Im albertinischen Amtsdorf Edersleben wurde 1526 die Präsenz für eine Salve-Stiftung ordnungsgemäß gezahlt.188 Überhaupt bildet diese Rechnung ein relativ ungestörtes gottesdienstliches Leben ab. Es finden sich Ausgaben für die Kirchenbeleuchtung, für 200 Hostien und für die Osterkerze. 189 Kann dieser eine 180 Vgl. die dort erwähnten Beispiele für nicht mehr abgehaltene Messen und verweigerte Zinsen von Jahrgedächtnissen; vgl. oben Kap. II.2.1. 181 AGBM II, Nr. 1111, S. 27 f. Zu weiteren Auflösungen von Messstiftungen in diesen Jahren im Amt Leuchtenburg vgl. JOESTEL, Ostthüringen, S. 67 f. 182 AGBM II, Nr. 1123, S. 35. 183 BÜNZ, Klerus, II/1, S. 153; HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 2, schließt daraus auf eine lutherische Haltung. 184 AGBM II, Nr. 1624, S. 433. 185 AGBM II, Nr. 1653, S. 469 f. 186 StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 74v, 76r. 187 PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26, fol. 4r–5r. 188 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 21v. 189 Ebd., fol. 19r–19v.
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Nachweis als Anzeichen dafür gelten, dass die Religionspolitik Georgs nicht nur einen oberflächlichen Bestand der vorreformatorischen Welt zur Folge hatte, sondern auch in den Pfarreien ein geordnetes Leben ablief?
2.4. Ende der Wallfahrten Selbstverständlich schlug sich der Wandel auch und ganz besonders in den Wallfahrtsorten nieder;190 waren diese doch in den Jahrzehnten vor der Reformation durch die Gaben der Gläubigen wirtschaftlich potenter geworden. Der Aufschwung, der mit einer Wallfahrt in einem Ort und in einer Kirche einzog, war zerbrechlich. In dem Moment, in dem die Menschen Zinsen nicht mehr zahlten und ihrer eigenen Kirche nichts mehr gaben, suchten sie auch keine Gnadenorte mehr auf. Johannes Mötsch konnte anhand der Grimmenthaler Wallfahrt den signifikanten Rückgang der Einnahmen zeigen, der selbst dieses prominente Ziel in den Jahren nach 1520 erfasste. In diesem Jahr wurden noch 991 Gulden aus dem Stock genommen, 1523 waren es noch 584 Gulden, 1525 bloß 82 Gulden.191 Für die Wallfahrt nach Wersdorf kann ein ähnlicher Einbruch in einem bis 1523 laufenden Rechnungsbuch gezeigt werden. Während in einer Rechnung vom 30. November 1517 bis zum 30. April 1519, also in eineinhalb Jahren, 316 Gulden an Spendeneinnahmen erzielt wurden, waren es vom 1. Mai 1519 bis zum 2. Februar 1523, also in knapp vier Jahren, nur 380 Gulden. Dies entspricht weniger als der Hälfte der Spenden in der vorigen Rechnung, weshalb von einer ähnlichen Entwicklung wie in Grimmenthal ausgegangen werden kann.192 Diese Zahlen finden durchaus Bestätigung in den Rechnungen anderer Wallfahrtsorte.193 Allerdings zeigen sie auch, dass es nicht zu einem völligen Ausbleiben der
190 Zur Forschungsgeschichte dieses Themas und überblickend: BRÄUER, Desiderata; KÜHNE, Ende. 191 MÖTSCH, Grimmenthal, S. 274–280. 192 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 4049, fol. 60v, 72v. Dabei ist zu bedenken, dass die Wallfahrt nach Wersdorf recht jung war und ein Rückgang der Besucherzahlen nach starken Anfangsjahren ohnehin wahrscheinlich war. Da die weiteren Rechnungen nach 1523 fehlen, kann der Verlauf nicht verifiziert werden. Für eine starke Einwirkung der frühen Jahre der Reformation spricht auch die Tatsache, dass sich ein Teil des Kircheninventars, v. a. Wertgegenstände, 1523 beim Amtsschosser in Verwahrung befand; ebd., fol. 74v. Zum Umgang mit der Wersdorfer Kapelle in den Visitationen vgl. unten in diesem Kapitel. 193 Vgl. KÜHNE, Ende, S. 208–215.
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Besucher kam. Weitere Klarheit über die Frequentierung der Wallfahrtsorte könnten andere serielle Quellen liefern.194 Über die Grimmenthaler Wallfahrt klagte noch 1555 der Pfarrer von Obermaßfeld, dass sich viel Volk einfinde, worauf dem örtlichen Spitalmeister aufgetragen wurde, keine Besucher mehr zuzulassen.195 Doch sind in diesem Fall zumindest die Herkunft der Wallfahrer unklar und Besuche aus den katholischen Gebieten Frankens denkbar. In diesen Jahren wurde auch in anderen Gebieten versucht, letzte Reste der Wallfahrten zu beseitigen. 196 Dabei fehlen aber Nachweise für ein prinzipielles Weiterleben der Wallfahrten. Sicher gibt es Berichte über jahrmarktähnliche Verhältnisse,197 darin ist jedoch nicht eindeutig ein Fortleben altgläubiger Traditionen und Bräuche zu sehen. Diese waren auch vor der Reformation Bestandteile der Wallfahrten und der über sie geäußerten Klagen. Bei der ernestinischen Visitation 1554 wurden, obwohl auf solche altgläubigen Bestandteile geachtet wurde, ebenfalls keine eindeutig katholischen Bräuche oder Besucher vermerkt. Für die Kirche in Vierzehnheiligen wurde festgelegt, dass auch hinforder uff den tag, do die leute pflegen hinzuwallen, nimants gasterei halten, wein oder bihr schencken, auch die kirchen offen soll, dormit die abgotterey gantz ausgereutet werde.198 Dieser Bericht lässt ebenfalls eher eine Art Volksfest vermuten, als eine Ansammlung dezidiert Altgläubiger. Er ordnet sich in die Versuche dieser Visitation, altgläubige Relikte zu beseitigen, ein.199 Nach einem Bericht ließ der albertinische Herzog Heinrich bei Einführung der Reformation 1539 die Kirche schließen und die 14 Altäre entfernen.200 Insofern ist in der Feststellung von 1554 eventuell nur ein Allgemeinplatz gegen altgläubige Reste zu sehen. Bei Vierzehnheiligen und der Kirche von Ottendorf bei Stadtroda wurde allein auf dort noch vorhandene abgöttische Bilder und papistische rustung bzw. Wachsvotive verwiesen.201 Im Jahr 1566 schaffte der Mühlhäuser Rat mit der vollständigen Einführung der Reformation in der Stadt auch die Wallfahrt nach Eichen im Landgebiet ab. Zu diesem symbolischen Akt gehörte die Schließung der Kirche.202 Allerdings gibt es keine 194 SCHIRMER, Ausbreitung, S. 251 f., machte auf Möglichkeit aufmerksam, über Tranksteuern und Zölle die Frequenz der Wallfahrtsorte zu ergründen. 195 BRÄUER, Desiderata, S. 48. 196 Vgl. auch Kap. III.13.5 dieser Arbeit den Umgang mit den Bildern in diesen Jahren. 197 So etwa aus Horburg im Bistum Merseburg; BRÄUER, Desiderata, S. 45. 198 HEERDEGEN, Kirchenvisitation, S. 112; HERRMANN, Generalvisitationen, S. 106. 199 Vgl. dazu Kap. III.13.5 dieser Arbeit. 200 PÖLNITZ, Vierzehnheiligen, S. 32‒34. 201 HEERDEGEN, Kirchenvisitation, S. 109. Wahrscheinlich gab es noch nach 1520 eine neue Ausmalung der Kirche; PETZOLD, Vierzehnheiligen, S. 13. 202 Vgl. BEMMANN, Eichen, S. 2. Im Jahr 1581 wurde das komplette Dorf durch den Stadtrat entvölkert und devastiert.
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Hinweise auf die Art der pappisterei, die sich in Eichen noch ereignet haben soll. Auch in den katholischen Gebieten des Eichsfeldes mussten die Wallfahrten im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts völlig neu belebt werden.203 Die meisten Wallfahrten waren aber seit langem zum Erliegen gekommen, ohne sich noch von dem Einbruch der frühen 1520er Jahre zu erholen. Die Bauern von Zehma, die 1503 ihre Badestube in eine nie geweihte Annenkapelle umgewandelt hatten, zogen nun ebenfalls ihre Schlüsse. Sie berichten im Jahr 1527, dass 1524 die andacht des volcks vorgangen sei und weiterhin das oppfer und Zcugang sambt der wöchlichen messe, gentzlich gefallenn und abgethan seien.204 Nachdem der jetzige Pfarrer gegen die Kapelle gepredigt hatte, haben sie das Gebäude wieder seiner ursprünglichen Nutzung zugeführt und erneut eine Badestube eingerichtet. Den meisten Wallfahrtskapellen war keine solche Nachnutzung beschieden. Auf dem Burgstein im Vogtland verfielen die beiden Gotteshäuser, weshalb die Visitatoren 1533 vorsahen, eines der Gebäude abzureißen. 1540 sollten schließlich beide Kirchen abgerissen werden, um eventuelle Wallfahrten zu verhindern.205 Dieses Schicksal teilten wohl bereits im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts viele vergleichbare Bauten. Anders war es freilich dort, wo die Kirchgebäude als Dorfkirche weitergenutzt wurden. Die Bauern von Ziegenhain wurden von einem Mönch des Klosters Bürgel geistlich versorgt, das Dorf war Filial von Jenaprießnitz. 1534 schrieben sie an Kurfürst Johann Friedrich, da der Mönch verstorben war. Sie wollten nun gern einen eigenen Pfarrer erhalten und griffen dafür auf altbekannte Argumente zurück: 206 Tote müssten über den Berg zum Begräbnis gebracht werden, Schwangeren und alten Weibern falle der Weg schwer, es gebe etliche, die zu wandernn ungeschickt seien. Sie verwiesen auf den guten Kirchenbau und den großen Kirchhof, vor allem aber auf vorhandenes Geld – was in diesen Jahren selten als Argument verwendet werden konnte –, denn nachdem die Kirche weylandt durch die wahlfarth In mercklich Zunehmen kommen, also das von den almusenn bey viertzigk gulden iherlicher Zinse gesammelt, die bisher der Mönch erhalten habe, könne von diesem Geld nun ein Pfarrer ausgehalten werden. Die Wortwahl deutet darauf hin, dass es in Ziegenhain keine Anzeichen eines laufenden Wallfahrtsbetriebes mehr gab. Übrig blieb aber ein Kapitalstock, der sowohl dem Bau als auch dem potentiellen 203 Vgl. MÜLLER, Wirtschaftsfaktor; GÖRICH, Bickenriede, S. 35 f. 204 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 212. Die fehlende Weihe der Kapelle verwendeten die Bauern als Argument, dem Pfarrer von Saara die Präsenzgelder für die Messen in der Kapelle nicht zu zahlen. Nach längerem Briefwechsel hatte dieses Argument aber keinen Bestand und sie mussten dem Pfarrer nach dem Rat Spalatins vier Schock Groschen jährlich bezahlen; ebd., fol. 7r. 205 BUNDSZUS, Burgstein, S. 28; KÜHNE, Ende, S. 218 f. 206 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 793; zu den Argumenten der Filialdörfer vgl. oben Kap. I.2.
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Pfarrlehen als Basis diente. Ein besonderes Zeugnis über den teilweise reichen Bestand in den Wallfahrtskirchen stellt das bereits erwähnte Inventar der Kirche aus dem Jahr 1529 dar. Hier beeindruckt die große Zahl an Paramenten, Leuchtern, Büchern, Votiven aus Wachs und Silber, Reliquiengefäßen und Silberwerk.207 Hinweise auf ein Ausbleiben der Besucher eines Gnadenortes und Ablasszieles gibt es auch für Schmidtstedt bei Erfurt. Hier waren die städtischen Toten der Hungersnot von 1315 bis 1317 beigesetzt worden. Dorthin entwickelte sich eine große Prozession und die Kirche wurde mit mehreren Indulgenzen versehen. Diese führten wohl zu einer Art Wallfahrt, wie die Spendeneinnahmen und der Pilgerzeichenverkauf zeigen. 208 Die Kirchenrechnung von 1543 weist davon keinerlei Spuren mehr auf, sie erzeugt eher den Eindruck eines landwirtschaftlichen Betriebes. Der Verfall des geistlichen Lebens und die fehlende Bewachung führten hier, wie an anderen Kapellen, zu Einbrüchen. In diesem Jahr kauften die Alterleute ein neues Schloss für die Vordertür und ließen diese zusätzlich mit Nägeln und Ringen sichern, da die Kirche erbrachen war.209 1548 waren erneut Arbeiten am Schloss der Kirchtür nötig. 210 Dieser Verfall ist auch am Beispiel Mühlberg zu beobachten: 1524 beauftragte der Erfurter Rat den dortigen Amtmann, Hermann von Hoff, alle zu verhaften, die die Fenster der Kirche von Hesserode und vor allem der Heilig-Kreuz-Kapelle bei Mühlberg eingeschlagen hatten.211 Bereits ein Jahr zuvor entschied der Rat, dass der Amtmann den beantragten Abriss der Kyrchen nicht gestatten solle.212 Der Respekt vor den Gnadenorten war in weiten Teilen der Bevölkerung gewichen. Im Gegensatz zu den bisher genannten Beispielen existiert aus Heiligenleichnam ein Zeugnis über das kurzzeitige Weiterleben einer Wallfahrt unter geänderten Vorzeichen. 1538 wandte sich das Georgenstift auf dem Altenburger Schloss mit der Bitte an Kurfürst Johann Friedrich, die Kirche auflösen und den Besitz verkaufen zu dürfen.213 Zwar hielt der Pfarrer von Saara zu Sonn- und Feiertagen Predigten in Heiligenleichnam ab, von einem geordneten Betrieb könne aber keine Rede sein.214 Die Kirche und das dazugehörige Haus würden
207 208 209 210 211 212
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 125r–126v. Vgl. oben Kap. I.3.2 und I.4.10. StAE, 1-1/VIb-5, Nr. 2, fol. 79r. Ebd., fol. 82r. SCRIBNER, Erfurt, S. 214. StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 6, fol. 41r. Bei dieser Kirche kann es sich ebenfalls nur um die Heilig-Kreuz-Kapelle gehandelt haben. 213 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1105. 214 Diese Predigten müssen wohl bereits deutlich eher reformatorisch geprägt gewesen sein, da der Pfarrer von Saara bereits in der Visitation 1528 als geschickt befunden wurde;
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TEIL II: DIE FRÜHE REFORMATION
immer baufälliger, viele Bauern der Umgebung würden die Predigten nur wegen des dabei stattfindenden Trunks besuchen und nun sei an einem Feiertag gar ein Mord geschehen.215 Der eigentliche Grund war freilich ein anderer: Die Bauunterhaltung und die Betreuung der Veranstaltungen waren für das ärmer werdende Stift eine große finanzielle Belastung, weshalb der Kurfürst die Aufhebung der Kapelle auch genehmigte. Durch die Überführung der Messen in der Kapelle in Predigtgottesdienste war der Boden dafür bereitet, dass Heiligenleichnam ein Anlaufziel für Bauern der umliegenden Dörfer blieb. Damit einher ging anscheinend ein Verfall der Sitten, was aber eine grobe These bleiben muss, da Schilderungen der vorreformatorischen Zeit über die Zustände fehlen. Ein langfristiges Weiterbestehen der Wallfahrt wurde durch den Eingriff der Obrigkeit und die Auflösung der Kirche unmöglich. Das Beispiel Heiligenleichnam führt auch zu der Frage, wie viel die Visitationsprotokolle über die ehedem prosperierenden Pilgerziele aussagen. 216 1528 wird bei der Visitation des Amtes Altenburg lediglich vermerkt, dass ursprünglich zwei geistliche Lehen zur Kirche in Heiligenleichnam gehörten. Diese befanden sich in Verwaltung des Georgenstiftes und ihr Umfang war den Visitatoren unbekannt. 217 Somit war deren Fragestellung abgearbeitet. Sie sollten die Einkommensbasis der Pfarreien und der Kirchen klären. Orte, auf die sie keinen Zugriff hatten, wurden nicht eingehender beschrieben. Allerdings finden sich auch in den Anweisungen von 1533 an das Georgenstift, das durchaus ‚papistischen‘ Widerstand leistete, keine Hinweise auf Heiligenleichnam.218 Aus den frühen Visitationsprotokollen ist in den meisten Fällen überhaupt nicht erkennbar, dass es sich um Gnadenorte handelte. So verhält es sich bei Ziegelheim, ebenfalls im Altenburger Land gelegen. Da es ein Lehen der Schönburg zu Glauchau war, wurde in der Altenburgischen Visitation 1533 lediglich auf das Nichterscheinen des ‚Papisten‘ verwiesen und die ernestinischen Filialdörfer wurden anderen Pfarreien zugeordnet.219 In den meißnischen Visitationen 1539 und 1540 lässt selbst das Kircheninventar keine Rückschlüsse auf eine Wallfahrt oder auch nur eine reiche Ausstattung der Kirche zu.220
215 216 217 218 219 220
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 15r. 1533 wurde er als „wohl gelehrt“ bezeichnet; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 6, fol. 26r; Reg. Ii 583, fol. 45r. Der Zulauf hatte also wohl keinen altgläubigen Hintergrund. Vgl. diese Diskussion oben anhand des Beispiels Vierzehnheiligen. Diese Frage bereits bei BRÄUER, Desiderata, S. 46–52 und KÜHNE, Ende, S. 202–208. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 250v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 6, fol. 79v–81v. Ebd., fol. 74v. SHStAD, 10088, Loc. 10599/2, fol. 418r–418v; SHStAD, 10024, Loc. 10594/2, fol. 332r–332v.
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Auch über die Wallfahrt nach Vierzehnheiligen bei Jena berichten die ersten Visitationsprotokolle nichts. Im Gegenteil; hat man doch 1539 und 1540 nur den Eindruck einer relativ armen Ausstattung des Pfarrlehens, des Kirchners und der Dorfkirche.221 Erneut zeigt sich, dass bereits nach wenigen Jahren von einem starken Aufschwung in den Orten kaum etwas übrig blieb. Auch der erste protestantische Prediger in Vierzehnheiligen klagte darüber, dass von den stattlichen Einkünften der papistischen Zeit so wenig übrig sei.222 In Wersdorf, wo sich noch im letzten Jahrzehnt vor der Reformation eine in ihren ersten Jahren erfolgreiche Wallfahrt etablierte,223 weist 1533 ebenfalls wenig auf die ehemals vielen Gäste hin. Auf jeden Fall lebte die Wallfahrt nicht fort, da der Pfarrer bereits vor 1533 die Hälfte der Nikolauskapelle gekauft hatte. Sie gehörte wohl zu jenen, die ungenutzt waren und zu verfallen drohten. Die Visitatoren schrieben ihm nun die zweite Hälfte und ein Haus an der Kapelle als Abfindung zu, da Wersdorf als Filial dem Nachbardorf Pfiffelbach zugewiesen wurde.224 Wie in den genannten Beispielen ist auch an anderen Wallfahrtsorten kein direktes Eingreifen des Kirchenregiments im Allgemeinen oder der Visitatoren im Speziellen erkennbar. Zu der Zeit, als sie die Dörfer untersuchten, war der große Zulauf zu den Wallfahrtsorten wohl bereits zum Erliegen gekommen. Im Allgemeinen scheinen diese Kulte eher ‚eingeschlafen‘ zu sein. In der Folge wurden dann mitunter Reste beseitigt, wie im Falle Heiligenleichnams, wo schlicht die Unterhaltung der ruinösen Kirche zum Problem wurde. Auch über bewusste Desakralisierungen und Zerstörungen solcher Orte fehlen Nachrichten. Keinesfalls hat es sie in größerer Zahl gegeben.225 221 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 452v–454r; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 225r–225v. Vgl. oben die Feststellungen der Visitatoren 1554. 222 Vgl. BOHN, Vierzehnheiligen, S. 12, S. 16. Bohn, der im 19. Jahrhundert als Pfarrer in Vierzehnheiligen wirkte, berichtet, dass die Prediger der Wallfahrtskirche mit dem Kirchenschatz nach Franken geflohen seien. Diese hochinteressante Nachricht muss aber wegen der Verlässlichkeit des Berichtes des Vierzehnheiliger Dorfpfarrers hinterfragt werden. So berichtet Bohn weiter, dass sie dort an der Gründung des fränkischen Wallfahrtsortes Vierzehnheiligen beteiligt gewesen seien, was selbstverständlich ein Produkt der Phantasie des Autors ist. Bohns Chronik ist insgesamt unzureichend, wegen der interessanten Schilderung seines eigenen Weges nach Vierzehnheiligen im 19. Jahrhundert aber durchaus lesenswert. 223 Vgl. oben Kap. 1.4.10. 224 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 81v. 225 Vgl. jedoch die jüngst bekannt gewordenen Zerstörung des Grabes des „Guten Konrads von Weißensee“ in der Zeit der Visitationen. Dazu und zum wahrscheinlichen Symbolcharakter dieser Aktion vgl. den Beitrag von Hartmut Kühne in dem in Vorbereitung befindelichen Tagungsband einer Weißenseer Tagung. Vgl. allgemein KAUFMANN, Reformation, S. 356–362.
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2.5. Bedeutungsverlust der geistlichen Gerichte Die Abkehr großer Teile der Bevölkerung von der traditionellen kirchlichen Organisation zeigt auch die Zurückhaltung gegenüber den Institutionen der hierarchischen Kirche in den Jahren nach 1520; vor allem der Bedeutungsverlust der geistlichen Gerichte. 226 Da serielle Quellen für diesen Zeitraum ebenfalls fehlen, ist man abermals auf einzelne Hinweise angewiesen. 227 Im Folgenden sollen diese für den thüringischen Teil des Mainzer Erzbistums betrachtet werden. Für das Bistum Naumburg erlaubt die Quellenlage leider keine Feststellungen.228 Es dürfte sich aber in weiten Teilen ähnlich verhalten haben. 1521 ging das Erfurter Generalgericht gegen zwei Einwohner des Erfurter Landgebietes vor und schickte einem gar einen Bannbrief.229 Noch 1522 war ein Streit zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde Obernissa wegen eines Abbruchs der Messe vor dem geistlichen Gericht in Erfurt anhängig.230 Parallel wandte sich die Gemeinde an den Weimarer Hof, da ein Schied des Schossers als Amtsvertreter des fürstlichen Patronates vom Pfarrer nicht eingehalten worden war. Diese parallele Vorgehensweise kam häufiger vor und ist noch kein Hinweis auf einen nachlassenden Einfluss der geistlichen Gerichtsbarkeit. Im Gegenteil, zeigt der Fall doch, dass das Gericht 1522 noch Fälle aus dem Kurfürstentum verhandelte. Im Juni 1522 besiegelten die geistlichen Richter ein Pachtgeschäft in Weißensee.231 Aus dem Dezember des Jahres hat sich eine besiegelte Bestätigung des Sieglers Matthias Reinecke für eine Vikariestiftung des prominenten Juristen Henning Göde in der Erfurter Marienkirche erhalten, die auch ordnungsgemäß durch den Notar des Gerichtes, Johann Edessen, unterzeichnet wurde.232 1523 wurde das Gericht noch in einem Ehefall aus Siebleben angerufen. Die iudices generales gestatteten eine Aufgebotsverkürzung. 233 Auch in einem seiner Haupttätigkeitsfelder, der Ehegerichtsbarkeit, lässt sich für die kritischen Jahre also ein Fall aus dem Kurfürstentum nachweisen. Ebenso wurden Pachtverträge,
226 Vgl. allgemein MAY, Gerichtsbarkeit, S. 750–759; JOESTEL, Ostthüringen, S. 63. Weiterhin ist auf das Ende der Sendgerichtsbarkeit zu verweisen, was ebenfalls eine Neuorganisation dieser Funktionen erforderte, wozu aber keine Quellen existieren. 227 Die schlechte Quellenlage kritisiert auch MAY, Gerichtsbarkeit, S. 755. 228 Auch WIESSNER, Naumburg, S. 241–243, trifft zur Entwicklung der geistlichen Gerichtsbarkeit keine Aussage. 229 WEISS, Bürger, S. 164. 230 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 105. Zum Abbruch der Messe vgl. oben Kap. I.2. 231 BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1452. 232 BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1445. 233 BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, II 9.
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Testamente und Rentengeschäfte von den geistlichen Richtern in Erfurt bestätigt und besiegelt.234 Man war an das Gericht gewöhnt. Von einem plötzlichen völligen Erliegen der geistlichen Gerichte kann keine Rede sein. Allerdings besteht ein Unterschied zwischen der freiwilligen Anrufung in privatrechtlichen Fragen und der geistlichen Jurisdiktion. So fehlt nach diesem Beispiel jedweder Nachweis für eine Anrufung des Erfurter geistlichen Gerichtes aus dem Kurfürstentum oder anderen der Reformation zugewandten Gebieten. Einzig aus Erfurt und dem albertinischen Territorium finden sich noch Fälle. Im August 1523 bestätigte der Siegler mit seinem Siegel einen Vikarientausch zweier Geistlicher im Mainzerhof zu Erfurt und der Kölledaer Wigbertikirche.235 Im Jahr 1524 findet sich das Siegel mit dem hl. Martin zu Pferde einzig unter der Bestätigung des Testamentes des Dietrich von Witzleben aus dem April.236 Aus den Jahren 1525 und 1526 hat sich je ein von den Generalrichtern besiegeltes Rentengeschäft erhalten.237 Allgemein fällt enorm die Zurückhaltung des Mainzer Erzbischofs und der erzbischöflichen Beamten gegenüber den reformatorischen Ereignissen auf.238 Dieses Verhalten mag im Falle Erfurts politische Gründe gehabt haben, im Falle des thüringischen und sächsischen Landes bleibt es ein Desiderat.239 So stellt es schon ein relativ offensives Beispiel dar, wenn Lorenz Truchseß von Bommersfelden als Mainzer Domdechant im Februar 1522 an den Mühlhäuser Rat schrieb und im Angesicht umfangreicher Zinsverweigerungen in Stadt und städtischem Landgebiet forderte, bey gemeynen Rechten und langherbrachter Freyheit zu bleiben.240 Mutmaßlich verstanden die kirchlichen Autoritäten den Vorgang nicht in seiner kompletten Tragweite.241 Auch der Erfurter Siegler Matthias Reinecke scheint
234 235 236 237 238
MAY, Gerichtsbarkeit, S. 758. BAE, Marienstift, Urkunden II, Nr. 173. BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1457. BAE, Marienstift, Urkunden II, Nr. 227 und 229. Vgl. KALKOFF, Capito, S. 100‒107. Ebd., S. 141‒145 auch das Breve Leos X. an Erzbischof Albrecht, das zur Verfolgung der Gewalttaten gegen den Klerus und ähnlicher Vorgänge aufforderte. Vgl. DECOT, Erzbistum, S. 66 f. mit weiterer Literatur. 239 Die Zurückhaltung gegenüber den Vorgängen in Erfurt dürfte in der Sorge vor einer Hinwendung der Stadt zu Kursachsen begründet liegen. Dieses Leitprinzip herrschte in der Mainzer Politik seit Jahrzehnten vor und war wohl bereits ein ausschlaggebender Grund für die Wahl Albrechts von Brandenburg zum Mainzer Erzbischof 1514; vgl. DECOT, Erzbistum, S. 59‒61. 240 StAM, 10 E 6, Nr. 3, fol. 22r. Zur Rolle Lorenz‘ und weiteren Teilen des Domkapitels als altgläubigem Widerstandskern in diesen Jahren vgl. JENDORFF, Reformatio, S. 45. 241 Bereits der Erfurter Pfaffensturm wurde im Sommer 1521 nicht offiziell im Mainzer Domkapitel besprochen; HERRMANN, Protokolle, S. 212 ff. Erst im Generalkapitel im September wurde verfügt, dass das kaiserliche Mandat exequiert werden sollte; ebd.,
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TEIL II: DIE FRÜHE REFORMATION
eher zum Abwarten geneigt zu haben.242 Erst im Sommer 1523 kam es zu einem Wandel der erzbischöflichen Politik, die trotz aller Ohnmacht nun ein Einschreiten gegen die lutherischen Ketzer vorsah.243 Allein, es war zu spät. Nicht zuletzt wird der Unmut gegen die geistlichen Gerichte an dem Angriff auf den Gerichtsstuhl durch die Erfurter Bauern im Bauernkrieg deutlich.244 Der Siegler Matthias Reinecke floh in diesen Tagen mit einem weiteren prominenten Erfurter Kanoniker nach Arnstadt, das Gericht war in dieser Zeit faktisch nicht handlungsfähig.245 Eine Ausnahme für das Untersuchungsgebiet bildet freilich das albertinische Territorium. Hier führte Herzog Georg ein striktes Regiment gegen jede bekannte evangelische Regung.246 Dabei behielt das geistliche Gericht eine gewisse Bedeutung. Bereits am 1. Juni 1524 schrieb Georg an den Erfurter Siegler, mit der bestimmten Bitte, dass dieser sich um die Beseitigung der weibspersonen der Geistlichen kümmern solle, da dieser Lebenswandel zu frevelhaften Handlungen des Volkes führe.247 1527 schrieb Herzog Georg erneut persönlich an den Erfurter Siegler Matthias Reinecke: wir ubir senden euch hiermit den pfarher von Obern Dorla, welcher widder dye Messe und andere Cristliche Ceremonien hefftiglichen sall geprediget habenn.248 Nachdem der Pfarrer zunächst vom Sachsenburger Amtmann gefangen gesetzt worden war, sollte er nach Erfurt überstellt werden. Allerdings wollte das geistliche Gericht den Gefangenen nicht annehmen. Herzog Georg schlug daraufhin vor, dass die Richter dem Pfarrer auf der Sachsenburg eine Urfehde abnehmen sollten. Er sollte beeiden, dass er sich nicht mehr im albertinischen Fürstentum aufhalten werde.249 Der Vorgang zeigt, dass das Gericht aus der Sicht des altgläubigen Herzogs zwar eine wichtige Rolle beim Umgang mit evangelischen Geistlichen spielte, dass von einem üblichen Ablauf aber keine Rede sein
242 243
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248 249
S. 219. Zu gezielten Handlungen des Domkapitels gegen die Ausbreitung der Lehre Luthers finden sich aber keine Hinweise. Vgl. MAY, Gerichtsbarkeit, S. 756. Vgl. KALKOFF, Capito, S. 124 f.; JENDORFF, Reformatio, S. 40‒43. Vgl. das versuchte Vorgehen der Naumburger und Würzburger Institutionen gegen reformatorische Bestrebungen; HERRMANN, Prediger, S. 46, Anm. 3; WIESSNER, Naumburg, S. 167. Vgl. WEISS, Bürger, S. 174. Ebenso zeigte sich der reformatorische Wandel in anderen Regionen am Widerstand der Landbevölkerung gegen bischöfliche Beamte; CONRAD, Elsass, S. 107–109. Vgl. WEISS, Bürger, S. 196. Vgl. VOLKMAR, Kirchenpolitik. Auslöser war die Zerstörung von Nebengebäuden des Dechanten des Salzaer Stephansstiftes; ABKG I, Nr. 671, S. 678 f. Vgl. aber VOLKMAR, Kirchenpolitik, S. 509‒542 zum Einsatz des Kirchenregiments gegen die Ausbreitung der lutherischen Lehre. BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, III B 29, fol. 45v. Die gesamte Akte enthält Formulare und Fälle aus dem Gebiet des Archidiakonates Salza. Ebd., fol. 45r, 46r.
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kann. Zeugnisse, dass das Gericht von albertinischen Untertanen angerufen wurde, existieren ebenfalls nicht. Noch in den 1530er Jahren gab es Abstimmungen zwischen Herzog Georg und dem Siegler des geistlichen Gerichts in Erfurt wegen des Auftretens evangelischer Priester oder des schrittweisen Verfalls des gottesdienstlichen Lebens.250 Neben diesem recht politischen Wirken sprechen auch die erhaltenen Zeugnisse der Arbeit des Gerichtes auf seinem ureigenen Gebiet Bände. Im September 1526 bestätigte Reinecke mit dem Siegel des Sieglers die Übertragung einer vakanten Vikarie in der Kölledaer Johanneskirche. 251 1531 besiegelte er einen Vergleich in einem Patronatsstreit zwischen zwei Erfurter Patrizierfamilien. 252 Im Jahr 1533 überträgt Reinecke die vakante Pfarrei des Dorfes Großmonra, das gemeinsamer Besitz der beiden großen Erfurter Stifte war, an einen neuen Pfarrer. 253 Diese altgläubige Insel konnten die Stifte anscheinend durch die Lage inmitten des albertinischen Gebietes noch halten.254 Diese Amtshandlung besiegelte Reinecke erneut mit dem Siegel des Sieglers; das Siegel des geistlichen Gerichtes mit dem hl. Martin hoch zu Pferde und dem Bettler zu seinen Füßen erscheint in den erhaltenen Urkundenbeständen letztmals im Jahr 1526.255 Der Bedeutungsschwund der geistlichen Gerichte wurde durch die Zurückhaltung der Bevölkerung, vorwiegend der ländlichen, ermöglicht. Im Gegensatz zu einigen Jahren zuvor, als den geistlichen Gerichten in vielen Fragen vertraut wurde, spielte es nun eine untergeordnete Rolle für die Bevölkerung. Dies bedeutete für die weltlichen Herrschaften freilich eine Chance, da nun diese bedeutende juristische Konkurrenz geschwächt war. 256 Im Zuge der Pack’schen Händel musste der Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg 1528 im Vertrag von Hitzkirchen auf seine bischöfliche Jurisdiktion im wettinischen Kurfürstentum und in der Landgrafschaft Hessen verzichten.257 Es war ein historischer Einschnitt: Albrecht war der erste Reichsbischof, der Neuregelungen 250 ABKG IV, Nr. 2988, Nr. 3218. Zur Haltung Matthias Reineckes zum reformatorischen Prozess in der Stadt Erfurt vgl. WEISS, Bürger, S. 216 f., S. 254. 251 BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1462. 252 BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1471. 253 BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1472. 254 Vgl. Kap. III.11. 255 Die Bearbeitung der Urkundenbestände liefert freilich eher Indizien zum Bedeutungsverlust. Zusätzliche Hinweise könnte die vollständige Auswertung eines erhaltenen Bandes mit Gerichtsprotokollen bis zum Jahr 1538 liefern, die im Rahmen dieser Arbeit leider nicht möglich war; BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, I 1. 256 Zu den Kompetenzstreitigkeiten vgl. oben Kap. I.6. Diese Feststellung für den Erfurter Stadtrat auch bei WEISS, Bürger, S. 164; vgl. SLADECZEK, Beschwerden, S. 94–97. 257 Vgl. DECOT, Erzbistum, S. 70; JENDORFF, Reformatio, S. 45 f.
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der Fürsten in ihren Gebieten anerkannte und somit ihre kirchliche Unabhängigkeit juristisch fixierte. Für die Gemeinden wurden der Kurfürst und seine Lokalverwaltung, also die Amtmänner und Schosser, die einzigen Adressaten kirchlicher Beschwerden. Bereits in den Jahren vor dem Bauernkrieg kann eine starke Zunahme der geistlichen Kritikpunkte festgestellt werden. Oft betraf dies nun auch reformatorisch motivierte Fragen wie Zinsen für gestiftete Messen258 oder die altgläubige Art des Gottesdienstes, die der Pfarrer im Ort hielt.259 Auch die angesprochenen Ehefragen gingen nun direkt an den Hof. Aus dieser stark ansteigenden Zahl der Fälle ergab sich schnell die Notwendigkeit einer institutionellen Lösung, die sich jedoch erst bedeutend später in der Einrichtung der Konsistorien niederschlug.
3. Der Umgang mit dem Kirchenbau und den Bildern DER UMGANG MIT DEM KIRCHENBAU UND DEN BILDERN
Eine der interessantesten Fragen der Frühreformation ist die nach dem Umgang mit den Bildern. An vielen Stellen begegnet man Klischees über reformatorische Bilderstürme, die es jedoch im Untersuchungsgebiet keineswegs in größerer Zahl gegeben hat.260 Bereits die große Zahl der erhaltenen Kunstwerke in den evangelischen Kirchen Mitteldeutschlands spricht eine deutliche Sprache. In den meisten Fällen wird bei Bilderstürmen in der lutherischen Einflusssphäre an das Wirken Andreas Bodensteins von Karlstadt gedacht. 261 Unter dessen Ägide habe es umfassende Bilderstürme gegeben. Ebenso wird mitunter auf die vielen Anhänger Karlstadts in den Dörfern an der Saale verwiesen, dabei ist im entsprechenden Visitationsprotokoll lediglich die Rede von etlichen Anhängern zu Calo und sonderlich zu Orlemund, ohne dass die Dörfer erwähnt wer258 Vgl. die Beschwerde der Gemeinden Uelleben und Aspach gegen einen Zins an den Pfarrer von Boilstädt im Frühjahr 1523; LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 1a. 259 So etwa die Bauern von Niedergrunstedt bei Weimar, die dem Weimarer Schosser im September 1525 anzeigten, dass ihr Pfarrer die Messe nach altem Brauch halte; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 148. 260 DESEL, Schnitzretabel, S. 93 f., erwähnt z. B. pauschal „willkürliche Bilderstürmereien“, die es in „Thüringen infolge der Reformation mancherorts gegeben hat“. Diese Grundhaltung kommt auch in der neuesten entsprechenden Veröffentlichung zum Tragen: STÜCKRAD, Aura, S. 25–31. Vgl. allgemein zur eher geringen Rolle der Bilderstürme für den Reformationsverlauf KAUFMANN, Reformation, S. 362. 261 Zu bedenken sind natürlich die vielen und grundlegenden Bilderstürme im deutschen Südwesten unter dem Einfluss Zwinglis; vgl. etwa ALTENDORF/JEZLER, Bilderstreit; die Beiträge im Sammelband BLICKLE/HOLENSTEIN/SCHMIDT/SLADECZEK, Macht, S. 99– 304 sowie in KAT. BILDERSTURM. Vgl. allgemein CAMPENHAUSEN, Bilderfrage; STIRM, Bilderfrage; MICHALSKI, Visual Arts; SCHNITZLER, Ikonoklasmus.
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DER UMGANG MIT DEM KIRCHENBAU UND DEN BILDERN
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den. 262 Im Mai 1524 sprachen sich vier Dörfer der Parochie Orlamünde für Karlstadts Bestätigung als Pfarrer aus, zehn andererseits gegen ihn.263 Für die Bilderstürme wird sehr gern auf die Pietà im Thüringer Museum Eisenach verwiesen, die wohl aus der Kirche von Dienstädt stammt.264 Allerdings gibt es keine Datierungsmöglichkeit, wann deren Schäden entstanden, und keinerlei Quellenhinweis auf die Zeit Karlstadts. Auch aus Orlamünde selbst und den anderen Dörfern der Region existieren keine Zeugnisse für die Zerstörung von Bildern. Zwar wurden viele Retabel und Figuren aus den Kirchen entfernt, allerdings nicht zerstört, sondern zunächst in der Orlamünder Kemenate eingelagert. In Dienstädt wurde 1524 ein schlos vor dy taffel abgerechnet. 265 Wenngleich die genaue Konstruktion nicht deutlich wird, wurde damit sicherlich das Betrachten der Bilder eingeschränkt. Über Bilderstürme in thüringischen Dörfern existieren indes nur wenige schriftliche Hinweise. Im Bauernkrieg soll es bei der Erstürmung der Ordenskommende Griefstedt unter anderem zu einem Bildersturm gekommen sein;266 durchaus denkbar, dass es auch bei anderen Klosterstürmen ikonoklastische Aktionen gab. Im Erfurter Landgebiet wurden Bildstöcke zerstört – dies ist durchaus als bilderkritische Aktion zu werten.267 Im Januar 1525 berichtete der Amtmann zu Langensalza an den albertinischen Herzog Georg über einen ähnlichen Vorgang im Mühlhäuser Landgebiet: Es haben in negstvorgangner wochen der von Molhawßen undertanen des obern dorfs Grabe vorm closter Volkerode s. Gangolffs bilde aus eyner capellen mit smelicher misbietunge dem heiligen, als ich bericht werde, frevelich an eyn wagen gebunden und also uf der erden mit sich geyn Grab ins dorf geschleyft.268
Der Amtmann regte an, deren Bestrafung zu übernehmen. 1526 mussten sich einige Bildenstormer aus Großmonra vor dem Erfurter Severistift verantworten. Ihnen wurde auferlegt, eine Strafe von je neun Schock Groschen zu zahlen und die heyligen Bilder widderumb In die Kirchen zuvorschaffen. 269 Jene waren demnach ebenfalls nicht zerstört worden. 262 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 198, fol. 5v. In Orlamünde gab es demnach auch viele ungetaufte Kinder. 263 JOESTEL, Ostthüringen, S. 101 f. mit weiteren Hinweisen auf Meinungen zu Karlstadt im Volk. 264 KAT. GLAUBE UND MACHT; Kat.Nr. 160, S. 122; BERGNER, Kahla, S. 72–75. Ebenso gegen tumultuarische Bilderstürme in der Gegend von Orlamünde: HASSE, Visitationsreise, S. 199–201. Zu den vermeintlichen Bilderstürmen in Kahla vgl. ebd., S. 185–187. 265 BERGNER, Kahla, S. 49. Zum weiteren Umgang mit dem Retabel vgl. Kap. III.13.5 dieser Arbeit. 266 OTTE/SOMMER, Weißensee, S. 14. 267 WEISS, Kirchenpolitik, S. 176. 268 ABKG II, Nr. 779, S. 7 f. 269 BAE, Marienstift, VII e 7, 1, fol. 17v–19r.
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TEIL II: DIE FRÜHE REFORMATION
Abb. 42: Sakramentsnische in Gorsleben
Kircheninventare zeigen ebenfalls, dass es bis in die dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts keine grundlegenden Änderungen an der Ausstattung gab. Bilderstürme hätten sich ebenso gegen Stücke der Sakramentsverehrung und gegen bildlich gestaltete Messgewänder gerichtet, die sich aber in beinahe allen Kirchen finden lassen. Auch die prominenten Wallfahrtskirchen scheinen von solch extremen Veränderungen nicht betroffen gewesen zu sein. Wenn es etwa in der Wallfahrtskirche Ziegenhain bei Jena 1529 neben vielen Messgewändern noch gemalt tuchern himel und mehrere Altarvorhänge gegeben hat, kann es keinen grundlegenden Bildersturm gegeben haben.270 Ähnlich sieht der Befund in der Mehrzahl der Dorfkirchen aus, wobei ein Fehlen solcher Stücke kein Argument für einen 270 Das Ziegenhainer Inventar unter LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 125–126v.
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DER UMGANG MIT DEM KIRCHENBAU UND DEN BILDERN
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Bildersturm ist, wie der Abschnitt über den Verkauf der vorreformatorischen Kirchenausstattung noch zeigen wird.271 Der Realbefund in den Kirchen und Museen spricht eine ähnliche Sprache. Generell herrscht dabei das Problem der schwierigen oder unmöglichen Datierung der gewaltsamen Veränderung. So finden sich etwa in Bufleben und Gorsleben Spuren von Veränderung an den Sakramentsnischen. Die erhabenen Teile ihrer Gestaltung, in erster Linie Maßwerkzier, wurden zu einem allerdings unbekannten Zeitpunkt abgearbeitet (Abb. 42). Neben den Sakramentshäusern waren meist gemalte Altartafeln die ersten Ziele der Bilderstürmer. In Burgtonna befindet sich ein Altarretabel, das mehrere Spuren sehr gezielter Beschädigung aufweist (Farbtafelteil, Abb. 43). Dabei wurden zunächst den abgebildeten Heiligen der Szene der Anbetung der Könige die Augen ausgekratzt. Ein noch deutlicheres Zeichen für eine reformatorisch motivierte Zerstörung ist das gezielte Auskratzen der geweihten Hostie in der dargestellten Monstranz. Einen umfangreichen Bildersturm kann es aber auch hier nicht gegeben haben, da sich in den Dorfkirchen der Umgebung und auch in Burgtonna selbst unversehrte Altartafeln erhalten haben und auch das Retabel mit den Auskratzungen unbeschädigte Teile aufweist. Selbst wenn dies ein beinahe einmaliger Befund in einer thüringischen Dorfkirche ist, können weitere Zerstörungen in der frühen Reformationszeit auch nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. Zwar haben sich viele vorreformatorische Ausstattungsstücke erhalten, gemessen an der einst vorhandenen Menge ist dies aber ein geringer Anteil. So ist nicht völlig undenkbar, dass etwa einige Aufsätze von Nebenaltären Bilderstürmern zum Opfer gefallen sind. Deutlich wird eine Abkehr von der greifbaren Frömmigkeit in diesen Jahren durchaus. Verschiedene Kapellen werden als wüst beschrieben und deren Ausstattung aufgelöst. So konnte sich ein Gesuchter in eine wüste Kapelle bei Siebleben zurückziehen, dort die Deckensparren verbrennen und eine Glocke verkaufen. Anschließend wiederholte er den Vorgang mit einer Kapelle auf der anderen Seite Gothas an der Straße nach Eisenach.272 1523 lösten anscheinend die Einwohner von Langenroda bei Wiehe ein Kapellengut auf.273 Ebenfalls stand
271 Vgl. Kap. III.13. 272 AGBM II, Nr. 1165, S. 76. 273 AGBM II, Nr. 1116, S. 32. Auch in Mallerbach bei Allstedt wird eine Kapelle 1524 als wüst beschrieben. Die Formulierung legt aber nahe, dass sie bereits längere Zeit nicht genutzt wurde; AGBM II, Nr. 1114, S. 29. In vielen anderen Fällen lassen die Formulierungen in den Quellen in diesen Jahren Ähnliches vermuten, ohne dass die Vorgänge selbst erwähnt werden. So gab es 1524 in der Kirche der Wüstung Neuses am Roten Berg bei Erfurt, die wegen eines Pestfriedhofes Ziel einer städtischen Prozession war, keine Vasa Sacra und kein Kirchenvermögen mehr; StAE, 1-0/A VIII-3a, fol. 55r.
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bereits vor dem Bauernkrieg eine Kapelle bei Langenhain unvorwart. 274 1533 wurde den Bauern von Mittelhausen gestattet, ihre Kapelle abzureißen und den dazugehörigen Besitz für den gemeinen Nutzen zu verwenden. 275 Auch diese wurde wohl bereits seit einigen Jahren nicht mehr gepflegt. Ähnlich verhielt es sich in Berka an der Werra, wo die Sanct Gehulffen Kirche aufm felde abgebrochen werden sollte und ihre Zinseinnahmen der Kirchenfabrik zukamen.276 Die Beseitigung der Kapellen aus dem Landschaftsbild ging allgemein sehr schnell vonstatten. In barocken Ansichten fehlen sie bereits fast ausschließlich und auch verschiedene Chroniken aus der Zeit zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert belegen diesen Vorgang. So schrieb Andreas Toppius im Jahr 1657, dass es in Großvargula drei Kapellen gegeben habe, wobei bereits zu dieser Zeit nur mehr Ruinen einer einzigen bestanden. Die erste war der Gottesmutter Maria geweiht: Davon ist noch zu sehen ein Stueck Gemawrs zu beyden Seiten mit der Unstrut umbflossen nahe ueber der steinern Bruecken. Wird gemeiniglich die Clause genannt. Die andere S. Simons Capelle hat gestanden ausserhalb des Dorffs nach Mitternacht zu da man nach Uhrleben gehet. Der ledige Platz heisset der Simonshuegel. Die dritte S. Cecilien Capelle hat gestanden am Ende des Dorffs gegen Sudwesten am Wege da man nach Tonna gehet. Davon ist auch nichts mehr vorhanden.277
Dieser fehlende Respekt gegenüber der vorreformatorischen Sakraltopographie und die mangelnden Sicherheitsmaßnahmen spiegeln sich auch in der stark steigenden Zahl der Diebstähle aus Kirchen und Kapellen wider. Diese gab es zwar bereits vor der Reformation, wie etwa ein Kelchraub in Krippendorf 1502 und ein Beispiel aus Tegkwitz zeigen:278 Dort wurde 1516 in der Nacht auf den Montag nach der Kirmes der Spendenstock aufgebrochen.279 In den Jahren der Frühreformation handelte es sich aber nicht um kleine Gelegenheitsdiebstähle, die schnell gesühnt wurden. So wurden in Holzsußra ein Kelch, Geld, Textilien und weitere Ausstattung aus der Kirche gestohlen.280 Selbstverständlich spielte der Bauernkrieg hierbei in einigen Orten eine große Rolle. In Bendeleben kam ein
274 275 276 277
AGBM II, Nr. 2028, S. 826. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 55r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 39r. TOPPIUS, Vargila, S. 6. Die Bezeichnung Simonshügel findet sich noch auf der Karte der Preußischen Landesaufnahme, Nr. 4830/2803, Groß-Vargula (1909). 278 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, liber communium Bd. 3, 1501‒1506, fol. 62v f., 80v. 279 PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 207. Der Tag des Einbruchs deutet auf eine sehr gezielte Aktion hin, da die Täter wissen mussten, dass die Kirmes eines Dorfes einer der ertragreichsten Sammeltage war; vgl. oben Kap. I.3.2. 280 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Sondershausen, 3251, fol. 2r.
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DER UMGANG MIT DEM KIRCHENBAU UND DEN BILDERN
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Kelch aus der Kirche abhanden, als die Bauern hier mehrfach Lager hielten.281 In Gerstenberg im Amt Altenburg wurde eine Kapelle aufgebrochen und Kleinodien und Geld entwendet.282 Eine Veränderung in der Beziehung der Landbevölkerung zu den Bildern erkennt man jedoch vor allem an der sinkenden Nachfrage. Noch bis in die frühen 1520er Jahre bildeten Dorfkirchen das Hauptabsatzgebiet für die Bildschnitzer und Maler.283 Besonders aus den letzten Jahren vor der Reformation haben sich viele Retabel und Schnitzfiguren erhalten. Diese hohe Nachfrage brach nun plötzlich und völlig weg. Die letzten datierbaren Werke in thüringischen Dorfkirchen stammen aus dem Jahr 1522, z. B. das Retabel in Unterwellenborn. Allerdings konnte gezeigt werden, dass diese Aufträge mitunter längere Zeit benötigten, sodass die genannten Werke unter Umständen in vorherigen Jahren beauftragt wurden und der geschlossene Vertrag nun auch seitens der Dorfbewohner eingehalten werden musste. Die jäh und vollends wegbrechende Nachfrage hatte den Niedergang der traditionsreichen Schnitzwerkstätten in Erfurt und Saalfeld zur Folge. 284 Die Künstler mussten sich innerhalb kurzer Zeit neue Tätigkeiten suchen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aus verschiedenen Gebieten des deutschen Südens und Südwestens haben sich Künstlerklagen, meist in Form von Einblattdrucken, und Nachrichten über deren berufliche Umorientierung erhalten. 285 Flugblätter informierten über einen Bildhauer, der sich nun als Landsknecht verdingte. Andere Künstler waren zu starken Spezialisierungen gezwungen oder folgten der Nachfrage. Dies betraf selbst sehr Prominente wie Hans Holbein d. J. oder Veit Stoß. Letzterem wurde ein bestelltes Retabel nicht abgenommen, was
281 LASA, MD, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 51v–52r. Dies betraf aber nicht nur Dörfer in den Hauptgebieten des Bauernkrieges. 282 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 203r. Auch in Mohlis gab es einen Kirchenraub; ebd., fol. 222r; vgl. WIESSNER, Naumburg, S. 156. 283 Vgl. Kap. I.5.3 dieser Arbeit. Zum Einbruch der Nachfrage als Folge der Verurteilung des Fegefeuers in der polemischen reformatorischen Publizistik des deutschen Südwestens GÖTTLER/JEZLER, Erlöschen, v. a. S. 127‒138. Zusammenfassend zur gleichen Entwicklung in der Mark Brandenburg auch vor der offiziellen Einführung der Reformation dort 1539: KNÜVENER, Bernau. 284 Margarete Riemschneider-Hörner sah einen künstlerischen Bedeutungsschwund, v. a. der Erfurter Werkstätten, in den betreffenden Jahren als eine Ursache; RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Altarwerkstätten, S. 267–272. Allerdings sprechen die Erzeugnisse einiger Werkstätten durchaus gegen einen plötzlichen Bedeutungsschwund. In den albertinischen Gebieten und den Territorien der mitteldeutschen Bistümer war schlicht der Markt noch vorhanden. Dort findet sich auch in höherem Maße Kunst aus diesen Jahren; vgl. WIESSNER, Naumburg, S. 494. 285 SLADECZEK, Künstlerschicksale; TACKE, Kunstmarkt, jeweils mit älterer Literatur.
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einen langjährigen Rechtsstreit zur Folge hatte.286 Diese Entwicklung kann ohne Zweifel auf den thüringischen Raum übertragen werden. Aus dem Untersuchungsgebiet existieren aus den beiden Städten mit den wichtigsten Werkstätten gesicherte Beispiele über die Anpassung prominenter Künstler. In Saalfeld wirkte seit circa 1504 Hans Gottwalt von Lohr, der bei Riemenschneider gelernt hatte und bedeutende Einflüsse dieser Werkstatt nach Thüringen brachte. In den Jahren vor der Reformation war er entscheidend an größeren Retabeln für Dorfkirchen beteiligt.287 Er blieb trotz der einbrechenden Nachfrage in Saalfeld und übte ein nicht näher bezeichnetes Handwerk aus.288 Allerdings scheint er einen sozialen Abstieg erlitten zu haben, da er zwischen 1522 und 1527 sein Haus verkaufen musste und zunächst als Hausgenosse ohne Eigentum erscheint. Anschließend konnte er sich aber durch sein unbekanntes Handwerk wieder ein halbes Haus leisten. Ein weiteres Saalfelder Beispiel bildet Friedrich Zimmermann, dessen Werk allerdings nicht abgegrenzt werden kann. Er blieb zunächst auch in Saalfeld, verließ die Stadt aber 1535. Er zog nach Arnstadt, da er seiner Narung und Enhalts Besserung zesuchen und finden verhoffe.289 Wie er in der schwarzburgischen Stadt seinen Lebensunterhalt und den seiner beiden Kinder zu bessern hoffte, bleibt allerdings unbekannt. In Erfurt wirkte in den letzten Jahren vor der Reformation der Meister der Crispinuslegende, der deutlich unter dem Einfluss der sogenannten Donauschule stand. Sein Schaffen in den Jahren nach 1522 konnte durch die erhaltenen Werke nachgezeichnet werden. Malte er in den Jahren zuvor noch in erster Linie Altartafeln für Dorfkirchen und einige Stadtkirchen, war er durch die sinkende Nachfrage gezwungen, sich anderen Zielgruppen zuzuwenden. Er malte einige Aufträge für das Erfurter Marienstift und gestaltete in den dreißiger und vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts viele Rektoratsblätter der Erfurter Universitätsmatrikel.290 Die genannten Künstler blieben in den Städten, in denen sie vor der Reformation in wirtschaftlich prosperierenden Werkstätten beschäftigt waren. Andere verließen wohl die Region.291 Zweifelsfrei kann für Thüringen ein beinahe völliges Zusammenbrechen der vorreformatorischen Kunstproduktion festgestellt werden, von dem im Umkehrschluss auf eine sehr geringe Nachfrage geschlossen werden kann.
286 TACKE, Kunstmarkt, S. 285. 287 Z. B.: das Retabel aus Keilhau, das sich heute im Erfurter Angermuseum befindet, oder das Retabel in der Stadtkirche von Münchenbernsdorf. 288 Hierzu und zum Folgenden KOCH, Lendestreich, S. 33‒37. 289 Ebd., S. 43 f. 290 HOFFMANN, Crispinus, v. a. S. 398–407. Vgl. weiterhin die Titelabbildung. 291 Nach Riemschneider-Hörner sind einige Meister in den obersächsischen Raum ausgewandert; RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Altarwerkstätten, S. 267–272.
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DER UMGANG MIT DEM KIRCHENBAU UND DEN BILDERN
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Ein ganz ähnliches Ergebnis eines plötzlichen Bruches zeigt sich im Kirchenbau. Die Formulierung Jezlers, dass die Reformation als „Kulturrevolution“ über selbigen hereinbrach, ist nicht zu hoch gegriffen.292 Wie die Schnitzwerkstätten hatten auch die Bauhütten keine Aufträge von den Bauern wegen ihrer Kirchen zu erwarten. Bis auf sehr wenige Ausnahmen gab es in allen Gebieten des Landes seit den frühen zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts keine Neubauten. Auch Teilneubauten wie die vielen spätgotischen Chöre der Jahrzehnte zuvor finden sich nicht mehr.293 Diese Feststellung konnte bereits Rainer Müller für verschiedene Teilgebiete treffen. 294 Deutlich wird dieser Bruch etwa auch im Altenburger Land, wo es relativ viele spätgotische Bauten und Chöre gibt, aber ebenfalls keine nennenswerten Bauten der Zeit nach 1522. Selbstverständlich finden sich auch in diesen Jahren einzelne Bauarbeiten,295 allerdings keine Neuanlagen. Die Bauarbeiten können durchgehend als Vollendungen begonnener Arbeiten oder als Notreparaturen bezeichnet werden. Auch für die Stadtkirchen wurde diese zurückgehende Bautätigkeit beobachtet.296 Wie gezeigt wurde, war die Kirchenfabrik für die Vergabe der Handwerksaufträge, die an und in einer Kirche anfielen, zuständig. Die gezeigten Beobachtungen machen deutlich, dass die Alterleute plötzlich keine Bau- oder Ausstattungsaufträge mehr auslösten. Die Vorsteher standen unter Kontrolle der Gemeinde und waren dieser Rechenschaft schuldig. Ergo verspürte die bäuerliche Gemeinde oder zumindest deren führende Schicht bereits in den Jahren vor dem Bauernkrieg, ab 1522, nicht mehr das Bedürfnis, der eigenen Frömmigkeit durch Neuanschaffungen und Stiftungen Ausdruck zu verleihen. Der Bruch dieser Frömmigkeitsform selbst unter Herzog Georg zeigt sich auch in der Verehrung der Eucharistie. Das letzte datierte Sakramentshaus im albertinischen Gebiet befindet sich in Weberstedt und stammt aus dem Jahr 1522. Für das ernestinische Gebiet ist jenes in Ehrenhain von 1521 anzuführen. Hinzu kamen die sinkenden Zuwendungen der Gläubigen,297 sodass auch schlicht das Geld für Aufträge an Bauarbeiter fehlte. Die Rolle der Alterleute in diesem Prozess der
292 JEZLER, Kirchenbau, S. 16. KÜMIN, Parish, S. 221, plädiert anhand von Ergebnissen aus englischen Pfarreien dafür, diesen deutlich sichtbaren Einbruch nicht übermäßig zu betonen. Er führt u. a. die geringere Bedeutung des materiellen Rahmens im Protestantismus an. Dies kann für die „Kulturrevolution“ der frühen Jahre der Reformation jedoch nicht als Erklärungsansatz angeführt werden. 293 Vgl. oben Kap. I.5.1. 294 MÜLLER, Ortsteilgemeinden, S. 243; MÜLLER, Kyffhäuserkreis, S. 173; MÜLLER, Jena. 295 Etwa 1523 in Schmidtstedt, wo sich Ausgaben für Steine, Fenster und Zimmerleute finden: StAE, 1-1/VI b-5, Nr. 2, fol. 74r. 296 Vgl. MERTENS, Stadtkirchen, S. 23. 297 Vgl. oben Kap. II.2.1.
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geringer werdenden Aufträge kann an keinem Beispiel konkret beleuchtet werden. Wie dem Kirchenbau brachten die Bauern auch ihrem Kirchengut in diesen Jahren weniger Respekt entgegen. War in den Jahren vor der Reformation die Mehrung des Besitzes der Kirchenfabrik und deren verlässliche Organisation das erklärte Ziel einer gesamten Gemeinde, finden sich aus den Jahren der frühen Reformation Anzeichen, die auf eine Veränderung schließen lassen. Die Bauern von Umpferstedt hatten die Hälfte des Kirchengrundbesitzes unter sich aufgeteilt und 61 Schock aus dem Vermögen der Kirche – anscheinend zinslos – geborgt und an der Dorfschenke verbaut.298 Besonders das Jahr 1525 und der Bauernkrieg erscheinen bei dieser Fragestellung als Zäsur. Viele Gemeinden liehen sich beim Kirchenvermögen Geld, offenbar für die Unterhaltung des Aufruhrs oder die Bezahlung der Strafen. Meist betraf dies Summen zwischen 40 und 80 Schock Groschen oder Landbesitz.299 Weiterhin begegnet man an dieser Stelle erneut dem Motiv der Zinsverweigerung. Beispielsweise hatten die Bauern von Chursdorf 167 Schock Groschen geliehen, für die sie spätestens seit 1526 keine Zinsen mehr zahlten.300 In Reinstädt waren gar 663 Schock Groschen auf Zins ausgegeben worden, für die seit 1525 kein Zins mehr gegeben wurde.301 Dies beruhte teilweise darauf, dass die Alterleute das Geld nun zinslos verliehen, während sie anderenorts der Unterziehung von Kircheneigentum beschuldigt wurden.302
4. Die Beschwerdeartikel der Gemeinden von 1525 DIE BESCHWERDEARTIKEL DER GEMEINDEN VON 1525
Eine zentrale Quelle für die Interessen der bäuerlichen Gemeinden in den frühen zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts stellen die Beschwerdeartikel aus dem Bauernkrieg dar. Als solche sind sie von der Forschung durchaus erkannt worden.303 An dieser Stelle soll die Aussagekraft der Artikel für die Interessen der 298 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 93r. 299 So 49 Schock Groschen in Bischleben (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 253v), 50 Gulden in Haarhausen (ebd., fol. 264r) oder 61 Schock Groschen in Illeben (ebd., fol. 272r). In Bittstädt hatten die Bauern im Bauernkrieg einen Weinberg der Kirche verkauft; ebd., fol. 250v. 300 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 237v. 301 Ebd., fol. 270v. 302 In Drognitz wurde den Alterleuten 1533 aufgetragen, ab sofort Zinsen zu nehmen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 302v. In Wolfsbehringen sollen die Alterleute 40 Gulden unterzogen haben; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 327v). 303 Prominent BLICKLE, Gemeindereformation. Für Thüringen: GRAUPNER, Dorfgemeinden.
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DIE BESCHWERDEARTIKEL DER GEMEINDEN VON 1525
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dörflichen Gemeinden in diesen Jahren gezeigt werden. Dies wird insbesondere im Vergleich zu den bäuerlichen Erfahrungen der vorangegangenen Jahrzehnte deutlich. Eine Schilderung der Ereignisse des Bauernkrieges ist zu diesem Zweck nicht vonnöten.304 Freilich darf der Einfluss der Zwölf Artikel nie außer Acht gelassen werden. Es zeigen sich dabei aber viele regionale Besonderheiten. Für Thüringen kann festgestellt werden, dass zwar keine Klagen gegen Leibeigenschaft nötig waren, andererseits die steigende Steuerlast Unmut hervorrief.305 Dennoch zeigen etwa die Artikel der Gemeinden der schwarzburgischen Oberherrschaft die bedeutenden Abweichungen zwischen den einzelnen Dörfern. Die Artikel wurden wie geistliche Texte und Predigten rezipiert und auf die eigenen Lebensbedingungen angewendet. Stärker als die Zwölf Artikel wogen aber eigene Erfahrungen. Die Forderungen der Landgemeinden betreffen zur überwiegenden Zahl soziale und wirtschaftliche Fragen. Die Bauern hatten sich zweifellos schnell aus der reformatorischen Lehre Aspekte herausgegriffen, die auf ihre Situation anwendbar waren, oder solche gar abgewandelt.306 Dabei kam es zu einer weitreichenden Verbindung reformatorischer und sozialer Forderungen, die eben für die Mentalität dieser Jahre so bezeichnend ist. Die Bauern des schwarzburgischen Amtes Käfernburg sahen ihre Forderung nach völlig freier Nutzung der Wälder und Gewässer ihrer Fluren in der heilgen schrift gegrundt.307 Die Bauern von Espenfeld begehrten diese Freiheit ebenso wie die andern christenmensche.308 Vordringlich waren für alle Dörfer Fragen des Zolls, der Grundzinsen und anderer Abgaben. Gattergelder sollten abgeschafft werden, Wiesen sollten der Gemeinde zustehen und Mühle oder Backhaus sollten frei benutzbar sein. Besondere Abneigung erfuhren indes die Abgaben an Klöster und Stifte, wie dies ja bereits seit Jahren durch das Verhalten der Bauern deutlich wurde. Viele der schwarzburgischen Dörfer wollten prinzipiell keine Abgaben an geistliche Institutionen mehr reichen. Die Bauern von Dörnfeld an der Ilm wollten pfaffen, monchen, nonnen nichten geben.309 In vielen Fällen werden in den Forderungen auch seit Jahren schwelende Konflikte mit Klöstern deutlich. Die Bauern von Wüm304 Einen breiten Überblick gewährt zuletzt der Sammelband VOGLER, Bauernkrieg. Vgl. zukünftig den Sammelband der Tagung „Reformation und Bauernkrieg“ im Juni 2017 in Mühlhausen. 305 Zur Modifikation der Zwölf Artikel in verschiedenen Regionen vgl. BLICKLE, Revolution, S. 95–99. 306 Vgl. JOESTEL, Ostthüringen, S. 68–74 und S. 125–133. Auch im Mühlhäuser Rezess aus dem Juli 1523 finden sich Artikel, die sachliche Probleme der Dörfer des Landgebietes betreffen; AGBM II, Nr. 1093, S. 10–15. 307 AGBM II, Nr. 1208, S. 122. 308 Ebd., Nr. 1208, S. 118. 309 Ebd., Nr. 1208, S. 115.
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bach wollten dem Kloster Stadtilm eine umstrittene jährliche Kuh nicht mehr geben, und jene von Seebergen hofften, in diesem Zuge Urkunden über ihre Flur, die sich unbilliger Weise im selben Kloster befanden, ausgehändigt zu bekommen.310 Die Bauern von Ichtershausen wussten, dass sich der Kurfürst einige ihrer Forderungen leisten könne, da er gros zugang, also viel Einkommen von den Gütern erwarten dürfe, die der entcrist dem furstentumb abgezwungen hat.311 Damit gemeint waren die Klöster, vor allem Reinhardsbrunn, Georgenthal und jene in Gotha und Eisenach. Deren Auflösung stand bevor; die Bauern waren darüber wohl informiert. Sie erhofften sich unter anderem eine Beseitigung des neuen Weinmaßes. Dieses Problem beunruhigte die Bauern bereits seit mehr als einem Jahr.312 So spielten zusätzliche Steuern und Abgaben natürlich in vielen Gebieten eine entscheidende Rolle bei der Erhebung der Bauern.313 Ebenso stark wirkten aber die Erfahrungen der letzten Generationen, auch die Erfahrungen anderer Dörfer. Die geistliche und juristische Organisation des Landes konnte die Bauern nicht zufriedenstellen. Die zentrale geistliche Forderung war freilich die nach der freien Pfarrerwahl. In stärkerem Maße als auf aktuellen Entwicklungen beruhte dies auf der langjährigen eigenen Erfahrung der Bauern. Viele Dörfer hatten seit Generationen Probleme mit ihren Geistlichen und deren Amtsführung gehabt. In gleichem Maße war man über die negativen Vorgänge in anderen Orten informiert.314 Man suchte nach verschiedenen Wegen der Problemlösung. Folgerichtig formulierten die Haßlebener, dass die Gemeinde ihren Pfarrer selbst wählen dürfe sowie – und das war noch wichtiger – auch macht haben [sollte], denselbichen zu entsechen wan her sich ungeborlichen helt.315 Die Bauern von Wüllersleben wollten diese Wahl ohne alle inrede eines lehenherren abhalten. Wie an dieser Stelle zeigen die unterschiedlichen Formulierungen der immer gleichen Forderung, dass diese jeweils auf den Erfahrungen der einzelnen Dörfer beruhte. Dabei betonten die Bauern, dass sie diesen selbstgewählten Pfarrer akkurat entlohnen wollten. Die Dörnfelder wollten ihn nach aller notturft und die Seebergener zimlich versorgen.316 Die Bauern von Wüllersleben wollten für diese gute Versorgung ihres Pfarrers die Zinsen aufwenden, die sie bisher an fremde pfaffen, monnichen und nonnen, also an entfernt gelegene geistliche Institutionen, gegeben hatten.317 310 Ebd., Nr. 1208, S. 115, S. 124 f. 311 Ebd., Nr. 1232, S. 145. 312 Vgl. die Beschwerde der Dörfer des Gerichtes Altenberga aus dem Februar 1524; AGBM II, Nr. 1108, S. 26. 313 SCHUM, Verhältnisse, S. 95 f. für das Erfurter Landgebiet. 314 Vgl. oben Kap. I.2. 315 AGBM II, Nr. 1208, S. 120. 316 Ebd., Nr. 1208, S. 115, S. 124. 317 Ebd., Nr. 1208, S. 122.
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DIE BESCHWERDEARTIKEL DER GEMEINDEN VON 1525
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Auch über die Verwendung ihrer Stiftungsgüter machten sich die Bauern Gedanken. Die Bauern von Dörnfeld wollten eine Rückerstattung von Stiftungsgut an den Stifter oder die entsprechenden Erben. Wo solche nicht vorhanden waren, sollte der Ertrag für einen gemeinen Nutzen verwendet werden.318 Die Bauern von Möhrenbach wünschten eine Zuordnung dieser Güter zur Gemeinde, die sie ebenfalls für den gemeinen Nutzen aufwenden sollte.319 Die Beschwerde der Dörfer des Amtes Käfernburg zeigt dabei, dass die Bauern dies als ohnehin laufende Entwicklung begriffen: Mit dem evangelio, cerimonien der kirchen, pfarrer, priesterschaft setzen und zu entsetzen, lehen, altarien und stieften, wies in der schrift gegrundet, wies allenthalben gehalten wurt. 320 Sie erhofften sich eine fürstliche Absolution, eine Bestätigung des Status quo, die aus ihrer Sicht nur rechtens war. Dass der Pfarrer ein lutherischer sein solle, war schon beinahe überflüssig zu erwähnen. Selbstverständlich solle er das wort gottes clar, unvormischet menschlicher lere vorkunden.321 Er solle ewangelisch sein, er solle cristlich sein.322 Auch die jahrzehntelangen Erfahrungen die Probleme der Gerichtsbarkeit betreffend spiegeln sich in den Forderungen. Zwar spielten die Kompetenzstreitigkeiten zwischen geistlichen und weltlichen Gerichten mittlerweile fast keine Rolle mehr, Klarheit herrschte aber keineswegs.323 Die Bauern wünschten eine vollständige Rückkehr zur gemeindlichen Rügegerichtsbarkeit, nur die Obergerichtsbarkeit, die peinlich straff, solle der Obrigkeit zustehen. 324 Besonders das sträfliche Verhalten der Richter erregte die Gemüter nach wie vor.325 Die erhaltenen Forderungskataloge der Bauern bezweifeln jedoch nie die weltliche Herrschaft. Sie betonen die obirkeit des Grafen oder des Fürsten. Die Bauern wollten zwar nicht mehr Klöstern und dem Niederadel Untertan sein, ihrem gnädigen Herrn wollten sie aber sogar zinsen. So erklären sich die Angriffe auf Klöster und Adelssitze aus den Forderungen.326 Aber auch vom Landesherrn verbaten sie sich implizit jede Einflussnahme in die interne Organisation des 318 Ebd., Nr. 1208, S. 115. Die gleiche Forderung bestand unter starkem Einfluss der Artikel des Rudolstädter Rates in Schwarza bei Rudolstadt; ebd., S. 125. 319 Ebd., Nr. 1208, S. 117. 320 Ebd., Nr. 1208, S. 121. 321 Ebd., Nr. 1232, S. 144. 322 Ebd., Nr. 1208, S. 126, S. 127. 323 Vgl. oben Kap. II.2.5. 324 AGBM II, Nr. 1208, S. 114, S. 126. 325 Ebd., Nr. 1208, S. 119, S. 122. 326 Die Zahl der im Bauernkrieg betroffenen Adligen ist sehr hoch anzusetzen. Eine Vorstellung vermittelt ein Schreiben Philipps von Reibisch, des Amtmannes zu Herbsleben, an Herzog Georg von Sachsen vom 2. Mai 1525. Er schildert die Flucht der Adligen nach Heldrungen. Auf einem beiliegenden Zettel werden zehn adlige Familienvorstände aus dem Thüringer Becken genannt, die nun auf weitere Anweisungen warteten; ABKG II, Nr. 897, S. 153‒155.
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TEIL II: DIE FRÜHE REFORMATION
Dorfes. Sie wollten ihren Kirchner allein bestellen und entlassen können.327 Was aber sehr viel schwerer wog: Auch wollen wir unser dorf bestellen mit unseren amptern noch unseren gefallen, darein uns widder amptman noch richter nichts zu reden haben sal.328 Dies ist als deutliche Kritik am zunehmenden obrigkeitlichen Druck auf die gemeindliche Organisation zu sehen, die oben unter anderem anhand der Rechnungslegung der Alterleute gezeigt wurde.329 Die Forderungskataloge sind insgesamt als Betonung der gemeindlichen Freiheiten zu sehen. In jedem Artikel wird die Selbstverwaltung propagiert. Dabei bezogen sich die Bauern auf ihr Altes Herkommen und alte Gewohnheiten. Dies galt ebenso für die Dorfschenke und eine Waidmühle wie das Rügegericht und die Organisation der Schafherden vor Ort. Weitergehend wünschten sie eine Stärkung des eigenen Besitzes etwa in Form der Zinsfreiheit von Erbgütern. Ihren Fürsten sahen sie dennoch als gottgegebene Instanz an. So wünschten die Bauern von Dörnfeld an der Ilm ein leichteres Supplizieren. Bei rechtlichen Problemen sollte die Herrschaft sie vertreten und zu ihrem Recht verhelfen.330 Die sechs Dörfer, die zum Besitz des Klosters Paulinzella gehörten, waren durch die Artikel des Bundes geirret. Da Mönche und Nonnen kein Land noch Leute besitzen dürften, wüssten sie nicht, wer ihr Herr sei. Sie fragten Graf Günther XXXIX. von Schwarzburg, ob dieser sie ufnem wolle. 331 Eine Herrschaft gehörte selbstverständlich zum bäuerlichen Weltbild. Es wird eine Herausforderung der kommenden Bauernkriegsforschung sein, das vorhandene Obrigkeitsdenken mit dem aufziehenden Ausbruch gegen die Obrigkeit zu vereinen.332 Alles unterstand aber der Allmächtigkeit Gottes. Dieser wurde auch der gnädige Herr frolich bevolen.333 Auch er solle dafür sorgen, dass die Herrschaft mit ihren Amtleuten und Richtern die Bauern nicht beschwere oder mit Gewalt überfalle – alles umb gotes willen und seines heiligen leidens willen und seiner heiligen gerechtikeit willen.334 Die Bauernkriegsartikel zeigen deutlich die Verbindung zu bestimmten bäuerlichen Interessen der vorreformatorischen Zeit. Sie bezeugen vor 327 328 329 330 331 332
AGBM II, Nr. 1208, S. 115. Ebd., Nr. 1208, S. 125. Vgl. oben Kap. I.6. AGBM II, Nr. 1208, S. 116. Ähnlich in Gräfenroda; ebd., S. 118 f. Ebd., Nr. 1208, S. 126. CONRAD, Elsass, S. 114, resümiert, dass sich gemeinsam mit der Rezeption der reformatorischen Lehre eine Aufstandsmentalität herausbildete. Dies ist aber nicht vollständig überzeugend, da dies vorrangig dort geschah, wo es bereits in vorreformatorischer Zeit ähnliche Aufstände gab. 333 So die Bauern von Dosdorf; AGBM II, Nr. 1208, S. 124. 334 Ebd., Nr. 1208, S. 127. Oftmals war es ein einzelner Amtmann, der den Bauern das Leben schwermachte, wie die spezielle Kritik der Dörfer des Amtes Käfernburg an ihrem Amtmann Jorge von Witzleben zeigt; ebd., S. 121.
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allem den Versuch, den steigenden Einfluss auf die gemeindliche Genossenschaft – nicht zuletzt auf ihre kirchliche Selbstverwaltung und ihren Pfarrer – zurückzudrängen. Das ‚Alte Herkommen‘ sollte geschützt werden.
5. Der Niederadel in der frühen Reformationszeit DER NIEDERADEL IN DER FRÜHEN REFORMATIONSZEIT
Für die Ausbreitung reformatorischer Ideen unter dem Niederadel ist keine pauschalisierende Aussage möglich. Die jeweiligen Lebensumstände, die Bindung an den Hof und zuvorderst die jeweilige persönliche Mentalität und Frömmigkeit erfordern zwingend nicht nur eine starke Differenzierung, sondern auch eine Einzelfallbetrachtung. Als einleitendes Zeugnis für die Grundhaltung weiter Teile des ernestinischen Adels eignet sich aber der Altenburger Landtag von 1523. Aus den vorangegangenen Kapiteln wurde deutlich, welch Einschnitt dieser Zeitraum für die Entwicklung der Reformation in Thüringen war. Auf dem Landtag sollten hauptsächlich Steuerfragen besprochen werden. Doch durch die äußeren Ereignisse beeinflusst, trugen die Geistlichen Beschwerden vor. 335 Sie wünschten eine stärkere Unterstützung durch die Amtleute in der Frage der ausstehenden Zinsen, was vom Kurfürsten mit dem Hinweis abgetan wurde, dass es keine Not gebe, dies auf dem Landtag vorzutragen. Weiterhin wünschten sie eine Bekämpfung der aufrührerischen Prediger, die die Geistlichkeit verspotteten.336 Die Antwort des Kurfürsten fiel auch hier nicht zufriedenstellend aus. Zwar würden aufrührerische Prediger verfolgt; etliche allerdings, die die neue Lehre verteidigten, täten dies aus gedrengknus des göttlichen Worts.337 Wahrscheinlich im Anschluss daran trugen die Vertreter der Ritterschaft ihre Beschwerden vor.338 In großen Teilen kann es als evangelisches Bekenntnis gelesen werden. Nachdem icze das heyl unser seligkeyt das gotlich wort bey uns gnediglichen erscheint, forderten sie, Verfolgungen gegen christliche Prediger zu verhindern, da der glawbe ein frey ding ist, daczu niemandt durch gewalt geczwungen soll werden.339 Allerdings sollten Prediger, die den Gemeinen Mann in Aufruhr versetzten, ermahnt und gegebenenfalls bestraft werden. Darüber solle in den Ämtern durch die Amtleute und den Adel gewacht werden. Weiterhin solle das Volk mit christlichen Predigern versehen werden, wo diese bisher fehlten.
335 336 337 338 339
BURKHARDT, Landtagsakten, Nr. 283, S. 154 f. Vgl. oben Kap. II.2.1 den Zusammenhang zu den Zinsverweigerungen. BURKHARDT, Landtagsakten, Nr. 284, S. 155. Ebd., Nr. 292, S. 160 f. Ebd., Nr. 292, S. 161.
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Geistliche Lehen sollten, wenn kein Pfarrer Anspruch auf sie habe, in den Ämtern gemeldet und in den Kreisen verwaltet werden, bis ein Konzil hoffentlich verfüge, dass Bedürftige davon versorgt würden. Die abschließende Forderung lautete, das Auslaufen der Mönche und Nonnen aus den Klöstern einzudämmen, um Ärgernis zu verhindern. Diese letzte Forderung und der Wunsch, aufrührerische Prediger zu bestrafen, zeigen das Streben des Adels, geordnete Verhältnisse im Land zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Besonders die Forderungen nach einer Kirchenzucht auf der Ebene der Ämter und die Umnutzung der Stiftungsgüter wirken allerdings wie ein Vorgriff auf die folgende Entwicklung. Nach dieser Quelle könnte man die Ritterschaft als Vordenker des evangelischen Bekenntnisses und des weiteren Verlaufs, etwa in Form der Visitationen, sehen. War der Adel also die wichtige Stütze des neuen Glaubens gegen Prälaten und altgläubige Herren? Betrachtet man die Landtagsakten weiter, stößt man allerdings auf ein offenes Anschreiben Kurfürst Johanns vom September 1528, in dem die Generalvisitation angekündigt wird: Er weist darauf hin, dass trotz der Ausbreitung des Evangeliums, gerade „in den dem Adel zuständigen Orten noch Mangel und Unrichtigkeit empfunden werden.“340 Der Kurfürst hebt an dieser prominenten, öffentlichen Stelle die Adelsdörfer als Hort der reformatorischen Rückständigkeit hervor. Das Bild des geschlossen reformatorisch-gesinnten Niederadels relativiert sich. Analog zum Handeln der Gemeinden soll im Folgenden das Handeln des landsässigen Adels für und wider die frühe Reformation an bestimmten Beispielen verdeutlicht werden.341 Dabei gelten dieselben Fragen: Welche Quellen erlauben Rückschlüsse auf die Haltung? In welchem Rahmen bewegten sich die Möglichkeiten der Adligen? Erneut bestätigen sich Zinsverweigerungen als wichtigster flächendeckender Zugang. Neben den Bauern bedienten sich in der Frühreformation auch Niederadlige dieses Mittels. Die Motivation ist zwischen materiellen Vorteilen und reformatorischem Bekenntnis nicht eindeutig festzustellen. Für eine reformatorische Aktion spricht es jedoch, wenn Niederadlige den Bauern ihrer Herrschaft auftrugen, bestimmte Zinsen nicht zu zahlen. So geschah es bereits 1523 in Mannstedt. Reinhard von Boyneburg wies die Bauern an, dem Stift Bibra Abgaben nicht zu reichen, und verteidigte sie auch gegen die Forderungen des Stiftes. Dieses wandte sich in der Folge an Herzog Georg, wobei der Ausgang nicht bekannt ist. 342 Die prominente Familie von Wangenheim verweigerte ebenfalls einer geistlichen Institution Zinsen. Dass es dabei das Eisenacher Katharinenkloster betraf, spricht Bände über die Abkehr gewisser Familienteile 340 Ebd., Nr. 355, S. 188. 341 Vgl. SCHIRMER, Adel; SLADECZEK, Adel. 342 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 116.
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von den vorreformatorischen Frömmigkeitsformen.343 Das Kloster hatte sowohl eine bedeutende Funktion in der Familienmemoria gehabt, als auch eine wichtige Rolle bei der Versorgung Familienangehöriger erfüllt.344 Einige Adlige im Thüringer Becken, darunter ein Teil der Familie Goldacker, verweigerten dem Erfurter Marienstift seit 1525 verschiedene Zinsen.345 Adlige schmälerten ebenfalls das Einkommen und den Besitz der Pfarrer. Bereits 1520 oder 1521 entzog Friedrich von Witzleben dem Pfarrer von Geraberg zehn Acker Feld.346 1523 verweigerte Rudolf von Bünau zu Droyßig dem Pfarrer von Lucka Zinsen, worauf Herzog Georg sehr ungehalten reagierte.347 Im Februar 1525 musste sich Bernhard von Hausen gegenüber Herzog Georg verantworten, da er seine Untertanen zu Großballhausen angewiesen hatte, Abgaben an das Nonnenkloster Großfurra nicht zu zahlen, und selbst 16 Gulden verweigert hatte. Ursache dieses Streites war die schlechte Versorgung der Pfarrstelle in Großballhausen und die fehlende Unterhaltung des Kirchenbaues durch das Kloster. Da die Bauern auf seine Anweisung Steine der Kirchhofsmauer und einer Kapelle zum Brückenbau verwandten, kann man wohl einen gewissen Einfluss der Reformation vermuten und darin dem Herzog in seiner Einschätzung folgen: Konnen auch vol ermessen, aus was eingeben solchs von dyr vorgenomen und vorhanden; tragen auch doran nicht wenig mißfallen.348 Eustachius von Drackendorf hielt seit einem unbekannten Zeitpunkt die Zinsen aus seinem Dorf Graitschen an den Pfarrer von Taupadel vor.349 Unter den Verweigerern finden sich auch prominente Räte.350 Wahrscheinlich wurde der Entzug von Pfarreirechten in diesen Jahren als Kavaliersdelikt geduldet oder gar als positive reformatorische Aktion bewertet, wenn es sich um Stiftungsgut handelte. Adlige verweigerten ebenfalls Zinsen von familiären Jahrgedächtnissen, wie dies in Jägersdorf und bei denen von Weißbach in Altendorf der Fall war.351 In Treben ließ die Familie Zetsch seit 1524 oder 1525 eine ewige Salve-Stiftung nicht mehr abhalten.352 Seit dem Ende der 1520er Jahre verweigerten die Edeln der
343 344 345 346 347 348 349 350
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 136; ABKG II, Nr. 1154, S. 414. Vgl. etwa MOLZAHN, Wangenheim, S. 128 f. ABKG II, Nr. 1115, S. 378 f. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 356v. ABKG I, Nr. 471, S. 476 f. ABKG II, Nr. 798, S. 28 f. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 139v. So Friedrich von Thun (THÜNA, Thun, v. a. S. 366) und wohl auch Hans von Gräfendorf (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 307v ff.) 351 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 284r, 293r. 352 LATh–HStA Weimar, EGA. Reg. Ii 1, fol. 199v.
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Kirchenfabrik Monstab Getreideabgaben einer Stiftung, woran auch die Visitationen nichts zu ändern vermochten.353 Neben einer Abkehr von der familiären Memoria und einem reformatorischen Bekenntnis ist in solchen Beispielen auch die Sorge um das Stiftungsgut, das aus dem eigenen Besitz stammte, zu erkennen. Sowohl Präsenzgelder als auch Altarausstattungen konnten von der Gemeinde beansprucht werden.354 Während solche Fälle wohl eher schwächere Adlige betrafen, war im Kurfürstentum bereits die Gefahr der unter anderem von den Adligen 1523 in Altenburg selbst geforderten zentralen Verwaltung der Güter der geistlichen Lehen zu spüren. 1524 baten die Gebrüder von Zossen Herzog Johann um die Ausstattung einer Stiftung in Höhe von 200 Schock Groschen, die ihr Vetter, gewesener Pfarrer der Großpfarrei Neunhofen, zur Einrichtung einer Vikarie oder Kommende an der dortigen Kirche verfügt hatte.355 Selbstverständlich würden sie sich so weyse lassen das dem verstorben unserm vettern nichts zu seiner sehlen beschwerung sol furgenomen werden. 1526 beschwerte sich die Gemeinde von Krölpa über die versuchte Unterziehung einer Fronleichnamsvikarie durch Christoph von Brandenstein und erbat von den Weimarer Räten des Kurfürsten Unterstützung bei einer Verwendung für den gemeinen Nutzen.356 In Windischleuba im Amt Altenburg wurde Georg von der Gablenz beschuldigt, Zinsen einer Stiftung seines Vaters vorzuenthalten.357 Andererseits bestanden in diesen Jahren erste Chancen für die Adligen, Klosterhöfe, zumindest pachtweise, zu erwerben.358 Der Einfluss der Adligen auf ihre Stiftungsgüter sank in den nächsten Jahren weiter. Die Familie von Witzleben hob etwa bereits 1523 den Dienst in der Nikolaikapelle vor Molschleben auf, sah sich aber 1528 zu einem Vertrag mit den Visitatoren gezwungen, wonach der Pfarrer das Kapellengut erhielt und der Familie eine Hufe blieb.359 Diese Entscheidung erwies sich im weiteren Verlauf als richtig: Widerstand zahlte sich für die Adligen nicht aus, bei den späteren Visitationen hätten wohl auch die von Witzleben keinen Anteil erhalten.360 In der Folgezeit wurde aber der Streit mit dem Landesherrn um die geistlichen Lehen drängender. Bereits in der Visitationsinstruktion von 1527 wurde verfügt, dass besonders auf Adlige und Bürger geachtet werden solle, die geistliche Stiftungen zum eigenen Nutzen unterzogen 353 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 665. 354 Vgl. das Beispiel des Siegfried von Schönfeld im Streit mit der Gemeinde Heilingen; AGBM II, Nr. 1123, S. 35; FLEISCHER, Rudolstadt, S. 167. 355 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 620. 356 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 170. 357 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 205r. 358 Johann Riedesel zu Neumark erhielt wohl 1525 den Hof des Klosters Bürgel in Wallichen; TILLE, Wallichen, S. 9. 359 GEBHARDT, Molschleben, S. 20. 360 Vgl. die Kap. III.4 und III.7 dieser Arbeit.
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hätten. Den Lehensherren solle auferlegt werden, dass die Einkommen der Pfarrbesoldung oder christlichen Werken zukommen sollten.361 Die Bedeutung der Amtmänner für die Ausbreitung der Reformation im Kurfürstentum wird nur an einem Beispiel deutlich. Diezmann Goldacker, Amtmann des Amtes Tenneberg und einer der Visitatoren ebenda 1526, setzte sich in zwei Fällen für Gemeinden ein, die Zinsen verweigerten.362 Dies musste er keinesfalls qua Amt; zumindest gegenüber Herzog Johann konnte er dies aber bereits 1523, ohne Konsequenzen zu befürchten. Zweifellos ist dies ein wichtiger Hinweis auf die Stimmung im Kurfürstentum in diesen Jahren. Die Familie Goldacker verweigerte ebenfalls dem Erfurter Marienstift Zinsen, wie oben beschrieben wurde. Wichtiger ist aber der Nachweis, dass ein Teil der Familie den streitbaren, lutherischen Prior des Langensalzaer Augustinereremitenklosters 1523 nach engerem Kontakt bat, in ihrem Dorf Ufhoven zu predigen.363 Im albertinischen Gebiet kamen den Amtleuten natürlich ganz andere Aufgaben zu. So wurde der komplette Stadtrat der Stadt Kölleda mit Stadtschreiber und Schulmeister 1523 von Herzog Georg ihrem Gerichtsherren Hans von Werthern zur Bestrafung überstellt, weil diese eine evangelische Predigt in der Stadt nicht verhindert hatten.364 Konnte bisher gezeigt werden, dass viele Familien sich der Reformation zuwandten und dies durch Zinsverweigerungen, Messabbrüche und die Beschirmung von Predigern auch kundtaten, sollte der altgläubige Widerstand, den Kurfürst Johann 1528 erwähnte, nicht unterschätzt werden. Zinsverweigerungen können an dieser Stelle – scheinbar unvereinbar – auch ein Hinweis auf eine katholische Gesinnung sein: Im November 1524 stellte der Amtmann zur Leuchtenburg fest, dass Adam Puster dem Pfarrer von Großbockedra Zinsen verweigerte, da jener die Stiftungsverpflichtungen nicht erfülle und er nicht mit ihm übereinstimme.365 Utz von Ende zu Niederndorf im Holzland verweigerte
361 362 363 364
EKO 1, 1, S. 144 Vgl. oben Kap. II.2.1. ABKG I, Nr. 514, S. 512 f. Ebd., Nr. 505, S. 502; vgl. weiterhin Nr. 516, S. 514. Dass sich Herzog Georg bei der Abwehr der reformatorischen Entwicklung entscheidend auf die Ritterschaft stützte, zeigt sich v. a. an einem Brief an etliche Ritter vom Januar 1525, worin er zu einem organisierten Widerstand gegen die lutherischen Prediger aufruft; ABKG II, S. 13, Anm. 2; vgl. ebd., Nr. 796, S. 26 f. und S. 27, Anm. 1. Im selben Monat sollte sich Hans von Berlepsch, der Hauptmann der Wartburg, gegen die Ausbreitung der martinischen Lehre unter seinen Untertanen zu Seebach einsetzen; ebd., Nr. 777, S. 4 f. 365 AGBM II, Nr. 1135, S. 53. Zur Herrschaft der Puster im 16. Jahrhundert vgl. SCHWARZE, Struktur, S. 139 f.
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1528 dem Pfarrer des benachbarten Kraftsdorf den Zehnt, weil er bestimmte Wochenmessen nicht wie früher halte.366 Ende 1524 beschwerten sich die Bauern der drei Dörfer Hartroda, Kakau und Dobra beim Kurfürsten über ihren Junker Götz von Ende. Sie wünschten einen evangelischen Pfarrer.367 Er schlug verschiedene from redlich Männer vor, die die Bauern jedoch nicht dulden wollten. Ein neuer Pfarrer sollte nach ihnen seine Köchin heiraten, deutsch taufen und das Sakrament unter beiderlei Gestalt reichen. Dies stieß bei Götz von Ende auf wenig Verständnis. Dem Kurfürsten schrieb er, dass dies doch [weiß Herr] alleß wyder die ordenung der heylgen krystlichen Kyrchen sei.368 Weiterhin zog Götz von Ende im Jahr 1528 das Filialdorf Selka von der Mutterpfarrei Schmölln ab. Die Einwohner sollten nun in Lohma die Sakramente nach römischer Art empfangen.369 Nach Beharrung der Visitatoren in der ersten altenburgischen Visitation 1528 wollte er zwar dulden, dass seine Leute Predigt und Sakrament nähmen, wie es ihnen gefalle, erklärte den Visitatoren allerdings, dass sein gewissen, het Im mein gnedigster Herr, oder niemanndts zu regirnn.370 Er könne von der Messe nicht lassen. Ihm wurde erstaunlicherweise zugestanden, dass er und seine Frau die Messe bei geschlossener Türe empfangen dürften. Diese Erlaubnis wurde allerdings in der dritten Visitation des Amtes Altenburg 1533 aufgehoben.371 Benachbart lag der Besitz des Bernhard von Creutzen, der 1525 den lutherischen Pfarrer von Reichstädt bei Altenburg absetzte, worüber sich die Dorfbevölkerung beschwerte.372 Auch ein nochmaliges Bitten der Bauern, umb gots willen unsern selen heyll, 373 den Pfarrer eines Nachbardorfes predigen zu lassen, lehnte er ab. Anscheinend gab es innerhalb einer engeren Region einen Austausch zwischen gleichgesinnten Adligen, da Götz von Ende von einer Supplik der 366 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 465. 367 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 378; AGBM II, Nr. 1146, S. 60–62, Nr. 1148, S. 62 f. 368 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 378, fol. 3r. Von Kurfürst Friedrich erging die Weisung, dass er sie dermaßen mit einem Prediger versehen solle, dass sie keinen Grund zum Klagen hätten (ebd., fol. 5r). 369 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 248. Darüber beschwerte sich der Pfarrer von Schmölln. Vom Weimarer Hof erging die unmissverständliche Anweisung an Spalatin, dass sich Götz von Ende fügen solle. Das Filial gehöre zur Pfarrei und dem Pfarrer stünden alle Zinsen zu (ebd., fol. 3r). 370 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 54r. 371 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 6, fol. 45v. 372 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 145, fol. 2r–3r. 373 Ebd., fol. 2v. Allerdings konnte Bernhard von Creutzen das Drängen der Bevölkerung nach der lutherischen Lehre anscheinend nicht mehr lang unterdrücken, in der ersten Visitation des Amtes Altenburg 1528 wurde der von ihm belehnte Pfarrer als ziemlich befunden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 14r.
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Gemeinde Dobraschütz mit einem ähnlichen Inhalt wusste, die vom Hof an den Adligen mit der Bitte um Erklärung geschickt wurde.374 Im Falle der Familie von Wolfersdorf zu Endschütz, südlich von Gera, wird ebenfalls deutlich, dass sich Zinsverweigerungen und Ablehnung der Reformation nicht ausschlossen. Am 1. Januar 1529 erging aus Weimar ein Befehl an den Amtmann und den Schosser zu Weida. Sie sollten Heinrich und Jörg von Wolfersdorf zu Endschütz anweisen, dem Pfarrer von Wolfersdorf alle ausbleibenden Zinsen zu zahlen. Gleichzeitig seien sie der Aufforderung, einen evangelischen Prediger anzunehmen, bisher nicht nachgekommen. 375 Die Verhältnisse in Endschütz werden nicht auf den ersten Blick deutlich, da in der Visitation im März 1529 Götz von Wolfersdorf zu Endschütz, der die Besetzung der Pfarrei Endschütz zu verantworten hatte, ebenfalls unangenehm auffiel: [Er] hat frey darauff bestanden er wolle von lateynischen messen nicht lassen, hat auch gesagt, Seine Eldern hetten ein ordnung gemacht mesß zuhalten von der gedecht er nicht abzusteen, Es were dann das die Kay[serliche] Ma[jestät] als die obrickeit ein ordnung machet, Dann es wer noch nicht erkant, Er hett ein Caplan der hielt im Mesß unnd wo er gleich abgeschafft wolt er ein andern aufnemen, Es solt Ihn auch niemandts davon abzusteen es wurd dann erkannt vermugen.376
Solch provokatives Verhalten konnte natürlich nicht geduldet werden. Am Sonntag Misericordias Domini, dem zweiten Sonntag nach Ostern, desselben Jahres wurden die Visitatoren angewiesen, sich des Priesters des Götz von Wolfersdorf zu Endschütz anzunehmen. Der Geistliche habe dem Junker bis anher Meß gelesen und sonst allerlay unschiglichs furgewant.377 Wie in diesem Fall setzten im ernestinischen Gebiet meist die Visitationen diesen Ansinnen ein Ende. Bei der ersten Visitation des Amtes Tenneberg bei Gotha 1526 wurden zwei Adlige festgestellt, Kunz von Lissa zu Boilstädt und Andreas von Teutleben zu Laucha, die ihre Pfarrer zum alten Ritus zwangen und sich in der Visitation der Reformation widersetzten.378 In beiden Fällen begehrten die Einwohner des Ortes einen lutherischen Prediger, vor allem die Lauchaer 374 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 378, fol. 3v. 375 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 265. In der Visitation des Amtes Weida 1529 wurde auch ein gantz papistisch Vikar in Wolfersdorf festgestellt; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2, fol. 216v. Zur Herrschaft der von Wolfersdorf im 16. Jahrhundert vgl. SCHWARZE, Struktur, S. 146‒149. 376 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2, fol. 217r. Bei der Visitation 1529 betonte Götz von Wolfersdorf, dass sein alter Kaplan niemanden zum Sakrament unter einerlei Gestalt gezwungen habe, sondern dies nur auf Verlangen gereicht habe; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 54v–55r; HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 79. 377 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 418. 378 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 1, fol. 3r–3v. Zum Pfarrer von Laucha, der bis zur Visitation von 1554 im Amt bleibt: THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 590.
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beschwerten sich aber aus Furcht vor ihrem Junker nicht laut.379 Ein Zustand, der wohl in vielen Adelsdörfern anzutreffen gewesen sein dürfte. Von den Visitatoren wurden diese Adligen aber nun angehalten, die Unterdrückung der neuen Lehre zu unterlassen. Bereits an dieser Stelle, in der ersten Visitation auf thüringischem Gebiet, wird deutlich, dass das Patronatsrecht nicht mehr den Wert hatte wie noch einige Jahre zuvor, zumindest konnten Geistliche, die römische Messen hielten, nicht auf Dauer gehalten werden. Eigentliche Selbstzeugnisse existieren außer den genannten Briefen nur sehr wenige. An dieser Stelle könnte Testamenten eine hohe Bedeutung zukommen,380 allerdings konnte für das Untersuchungsgebiet bisher nur ein Testament eines Adligen aus den fraglichen Jahren festgestellt werden. Am 21. April 1524 genehmigten die Generalrichter des geistlichen Gerichtes in Erfurt das Testament des Dietrich von Witzleben, das vom Prior des Erfurter Predigerklosters als Testamentsvollstrecker vorgelegt worden war.381 Führte die Hinwendung einiger Adliger zu einer stärkeren Frequentierung der Wittenberger Universität durch adlige Söhne in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre? Nein. Überhaupt können nur vier thüringische Adlige an der Leucorea bis 1526 festgestellt werden. Dies waren Friedrich von Wangenheim 1520, 382 die Brüder Heinrich und Johannes Bruel aus Gangloffsömmern, die anscheinend dem amtssässigen Adel entstammten, im Sommersemester 1521 und Johannes von Creutzen im Sommersemester 1524.383 Letzterer ist sehr bemerkenswert, da der Familienvorstand Bernhard von Creutzen im Jahr darauf einen evangelischen Prediger ablehnte. Das Verwandtschaftsverhältnis bleibt unklar. In den folgenden Jahren finden sich zwar weiterhin verschiedene Adlige als Besucher der Universität, ohne dass jedoch eine besondere Welle festgestellt werden kann. Im Sommersemester 1530 immatrikulierte sich Konrad von Wolframsdorf, 384 im Wintersemester 1532/1533 finden sich aber mit Christoph von Uetterodt, Sebastian von Brandenstein und Jodocus von Hain gleich drei Vertreter prominenter niederadliger Familien.385 379 380 381 382
Ebd., fol. 3r. Vgl. zur Aussagekraft der Testamente für die Adelsforschung HELD, Selbstverständnis. BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1457. MOLZAHN, Wangenheim, S. 129. Für die Familie von Wangenheim ist auch die Abkehr des Georg von Wangenheim vom geistlichen Stand wichtig zu erwähnen. Nach einem Wittenberger Studium besaß er eine Pfründe in Gotha, trat dort 1528 als lutherischer Propst auf und wirkte 1534 und 1554 als Visitator, vgl. ebd. 383 FOERSTEMANN, Album, S. 108, S. 122. 384 Ebd., S. 140. 385 Ebd., S. 147. Über Christoph von Uetterodt ist bekannt, dass er sein Studium zum Teil mit der Ausstattung einer Vikariestiftung seiner Familie in Brüheim finanzierte; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 185v. Daher sollte er 1533 den Visitatoren
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DER NIEDERADEL IN DER FRÜHEN REFORMATIONSZEIT
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Dass der Adel lehensrechtlich von der Kirchenpolitik des jeweiligen Fürsten abhängig war, ist selbstverständlich. Jedoch gab es etwa Familien, die sowohl ernestinische als auch albertinische Lehen besaßen.386 In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die Rolle des Hofes und der landesherrlichen Ämter für die Repräsentation und die Versorgung Adliger zu bedenken. Diese Frage stellte sich einige Jahre darauf sogar umso mehr.387 Darüber hinaus gab es für den landsässigen Niederadel viele Fragen, die mit der Reformation bereits in ihrer Frühzeit verbunden waren. Das Ende der Stifte und Klöster stellte die Adligen vor ein Versorgungsproblem. Eine Generation zuvor konnten viele männliche Familienangehörige mit geistlichen Karrieren abgefunden werden und viele weibliche Nachkommen in Klöstern versorgt werden. Gleiches ist auch für eigene Vikariestiftungen festzustellen.388 Auch diese Stiftungen fielen nun weg, wobei zusätzlich das Problem bestand, möglichst etwas von diesen als Eigengut betrachteten Ausstattungen zu erhalten. Die Frage des Einzugs der Stiftungsgüter für andere kirchliche Zwecke durch die Visitationen ließ gar eine allgemeinere Frage entstehen: Wie groß würde der landesherrliche Einfluss auf das Kirchenwesen in den Adelsdörfern in Zukunft werden? Dessen ungeachtet kann man pauschal Herrmanns Urteil zustimmen, dass der Großteil der Niederadligen sich der Reformation und ihrer Entwicklung unter landesherrlicher Führung anschloss. 389 Einige Familien zeigten ein starkes reformatorisches Engagement. Dazu zählen etwa die von Wangenheim und die Goldacker. Wobei anzumerken bleibt, dass positives Verhalten aus Sicht der jeweiligen Landesherren natürlich seltener in den Quellen erscheint – im ernestinischen wie im albertinischen Gebiet. Für den Adel unter Herzog Georg herrschten freilich bereits in dieser Frühzeit der Reformation gänzlich andere Umstände. Es galt bei vorhandener reformatorischer Begeisterung, wie sie etwa bei den Goldacker zu Ufhoven deutlich wird, sich nicht angreifbar zu machen. Schnell zeigte sich, dass Georg stark gegen Lutherische vorgehen würde. Die Position der eigenen Familie zu gefährden, war für die Adligen nicht geraten. Es blieb ein evangelisches Interesse unter dem Deckmantel der gelebten Frömmigkeit im albertinischen Adel, wie noch zu zeigen sein wird.390
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390
Bericht über sein Studium ablegen. Dies müssen an dieser Stelle kursorische Beobachtungen bleiben. Grundsätzliche Aussagen könnten freilich nur durch einen Vergleich mit anderen Hochschulen über einen längeren Zeitraum getroffen werden. Vgl. die folgende Entwicklung im albertinischen Gebiet; Kap. III.6. Vgl. Kap. III.7 dieser Arbeit. Vgl. oben Kap. I.4.3. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 79. Die Einschätzung von Volker Press, dass sich der kursächsische Adel rasch der Reformation anschloss, aber nie im Vordergrund der Entwicklung stand, ist prinzipiell richtig; PRESS, Adel, S. 345. Vgl. Kap. III.6 dieser Arbeit.
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TEIL II: DIE FRÜHE REFORMATION
In den genannten und weiteren hofnahen Familien des Kurfürstentums sind auch die Autoren der stark reformatorisch geprägten Adelsbeschwerde des Altenburger Landtages von 1523 zu vermuten. In Altenburg vertrat die Ritterschaft eine Mehrheitsentscheidung, die wahrscheinlich von einer führenden Gruppe mit großer Nähe zum Hof getragen wurde. Die Meinung der nachweislich anwesenden Altgläubigen fand – zumindest in den Akten des Landtages – keinen Niederschlag. Die Autoren der Beschwerde sind mit großer Sicherheit in der Ritterschaft zu suchen. 391 Die Personen, die diese Gruppe bildeten, und ihre Motive, aktiv in den unsicheren reformatorischen Prozess im Kurfürstentum einzugreifen, näher zu benennen, ist Aufgabe der weiteren Forschung. Allerdings finden sich in der Anwesenheitsliste auch jene, die in anderen Quellen noch Jahre später als altgläubig auffallen.392 Diese Fälle konzentrierten sich für den thüringischen Teil des Kurfürstentums eindeutig, aber nicht ausschließlich im Osterund im Pleißenland sowie in den reußischen Herrschaften. Oft trafen dabei die Mentalitäten progressiver Kreise der bäuerlichen Gemeinde und eines strikt altgläubigen Junkers aufeinander. Neben der Beschwerde des Altenburger Landtages bestehen keine reformatorischen Programmschriften oder dezidiert evangelische Wendungen in Briefen eines landsässigen Adligen. Eine lutherische Begeisterung kann nur sekundär über Zinsverweigerungen, Universitätsmatrikel oder etwa die gute Beurteilung eines Pfarrers einer Patronatspfarrei in den ersten Visitationen festgestellt werden.
6. Ergebnisse ERGEBNISSE
Anhand der genannten Indizien wurden die Jahre 1522 bis 1524 als zentrale Zeit des reformatorischen Wandels auf dem Land erkennbar. Dies bestätigt die bereits für die Städte gewonnenen Erkenntnisse.393 In diesen Jahren erreichten die reformatorischen Ideen die breite Bevölkerung; und dies in einem Maße, das zu
391 Bereits KIRN, Kirchenpolitik, S. 157 f., stellte fest, dass die These von KALKOFF, Reichstag, S. 414, nicht zu halten ist, wonach Kurfürst Friedrich die Beschwerdeartikel den Ständen „bestimmt“ hätte. 392 Vgl. zu dieser Auswertung SLADECZEK, Adel. Zur Frage der Autorenschaft SCHIRMER, Adel. 393 Vgl. EMIG/LEPPIN/SCHIRMER, Städte; SCHIRMER, Ausbreitung. Für einige Dörfer kann eine frühe evangelische Predigt nachgewiesen werden. Die Tragweite der Hinwendung der Pfarrer zur Reformation ist für die Zeit vor den Visitationen hingegen nur ungenügend zu greifen. Gleiches gilt für den Stellenwert der Pfarrer für die Verbreitung reformatorischer Ideen in der Landbevölkerung.
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ERGEBNISSE
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Konsequenzen in deren Handeln führte. Die Bauern waren insofern bereits vor dem Bauernkrieg Akteure der Reformation.394 Dabei bieten die vorhandenen Quellen keine Grundlage für eine eindeutige Untersuchung zu den unteren sozialen Schichten. Die Zeugnisse aus der ländlichen Gesellschaft stammen erwartungsgemäß zum überwiegenden Teil aus der bäuerlichen Oberschicht. Die Hinweise auf zurückgehende Spendeneinnahmen und kirchliche Abgaben lassen aber – erneut analog zu den Städten – auf eine ähnliche Entwicklung in allen sozialen Gruppen schließen, wenngleich wohl die Oberschicht früher erreicht wurde. Die Ausbreitung der Reformation war in diesen frühen Jahren allerdings nie vollständig. Unter allen untersuchten Gesichtspunkten finden sich in diesem Zeitraum altgläubig Bleibende oder ‚Papisten‘, wie es in den tendenziösen Quellen der sich bildenden Landeskirchen heißt. Allgemein kann ein recht schnelles aber auch stilles Ende der bunten Frömmigkeit konstatiert werden. Dies gilt für den Umgang mit den Bildern, die Wallfahrten und die Bruderschaften gleichermaßen. Besonders bei den Bruderschaften fehlt jedes Zeugnis über die Art ihres Niedergangs in den Dörfern. Offenbar schlug Luthers veröffentlichte Meinung an dieser Stelle in besonderem Maße ein. Bereits 1519 hatte er in einem Sermon sehr harsch gegen das Saufen und Fressen, die fehlende Feiertagsehrung und die fehlenden Almosen der Bruderschaften geurteilt.395 Ebenso kann diese Entwicklung für den Umgang mit den eigenen Stiftungen festgestellt werden. Die Bauern ließen diese nicht mehr halten und behielten, aus ihrer Sicht folgerichtig, die Zinsen dafür zurück. Aus diesen Vorgängen entstanden mannigfache Streitigkeiten mit Geistlichen, die im Gegensatz zum stillen Ende bestimmter Frömmigkeitselemente vielfach Niederschlag in den Quellen gefunden haben. Die Zinsverweigerungen bilden so den wichtigsten Zugang zur Ausbreitung der reformatorischen Lehren in der ländlichen Welt, wenngleich sie auch darauf zurückzuführen sein mögen, dass sich die Bauern ein Wegfallen mancher Abgaben erhofft haben. Sie zeigen, dass in allen Gebieten reformatorisches Denken in den Dörfern einzog, und zwar weitgehend unabhängig von der Haltung der Herrschaft. Selbstverständlich gab es dabei aber eine freiere Entfaltung im Kurfürstentum. Die reformatorische Welle erreichte die Herrschaften mit altgläubigen Herrschern, wie die Albertiner und die Schwarzburger, zur gleichen Zeit. Im Anschluss zeigte sich, ob diese Entwicklung bekämpft oder unterstützt wurde. Insofern kommt dem thüringischen Raum wegen der Klein394 Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass eine Neuinterpretation des Bauernkrieges in Thüringen vor diesem Hintergrund wünschenswert ist. Einige Ergebnisse und Neuansätze sind von der abgeschlossenen Dissertation Thomas T. Müllers zu erwarten. 395 WA, Bd. 2, S. 742‒758, hier S. 754‒757. Zum schnellen Ende der Fraternitäten vgl. STUPPERICH, Bruderschaften.
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TEIL II: DIE FRÜHE REFORMATION
teiligkeit und den engliegenden, vielfältigen Grenzverläufen bei dieser Frage eine große Bedeutung zu.396 Die lauten reformatorischen Handlungen, die man im Allgemeinen mit den frühen 1520er Jahren in Verbindung bringt, spielten auf dem Land, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Sicherlich waren etwa die Störungen des Gottesdienstes in Mühlhausen in den umliegenden Landgemeinden bekannt.397 Ob es weitere einzelne Aktionen, wie den Thamsbrücker Fastenbrecher, gegeben hat, wird aus den Quellen nicht ersichtlich. 398 Allerdings kann für diese Jahre ein Niedergang der gesellschaftlichen Sitten zugrunde gelegt werden.399 Dieser äußerte sich nicht zuletzt in den vermehrten Pfaffenstürmen. Jedoch konnte gezeigt werden, dass es sich um wenige Fälle handelte, die auf ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Pfarrer und Gemeindeangehörigen zurückzuführen sind, wie sie es auch in vorreformatorischer Zeit gab. Des Weiteren waren an diesen Stürmen nur wenige Personen beteiligt. Einen Aufstand einer Gesamtgemeinde gegen ihren Pfarrer gab es nicht. Im Gegenteil: Oft versuchten Angehörige der Gemeinde, den Pfarrer und seine Rechte vor den Stürmern zu schützen. Gleiches gilt für die Bilderstürme, auch hier gab es keine gezielten Aktionen der gesamten dörflichen Bevölkerung, sondern lediglich einzelner radikaler Gruppen. Diese sollten nicht vordergründig das Bild dieser Jahre prägen. Die Beziehung der Bauern zur Kirche veränderte sich. Dies gilt für die hierarchische Amtskirche, wie anhand der sinkenden Bedeutung der geistlichen Gerichte gezeigt werden konnte. Hier bildete sich ein Vakuum, in das das landesherrliche Kirchenregiment stoßen konnte. Der Entwicklung der ‚Fürstenreformation‘ war der Weg geebnet.400 Die Bauern änderten jedoch selbst ihr religiös-kulturelles Handeln. Dies geschah nicht durch fürstliche Einflussnahme oder die selbstverständlich vorherrschende Verbindung mit sozialen Ideen! Diese Beobachtung dürfte eine der wichtigsten Erkenntnisse dieses Abschnittes sein. Das Abstandnehmen von der Kirche gilt aber auch für die Kirche im eigenen Dorf. Bauarbeiten an den Kirchen fanden kaum noch statt. Bilder wurden nicht mehr angeschafft. Wahrscheinlich wurden Investitionen wegen der unsicheren Lage gemieden. Erfahrungen über den Ablauf des kirchlichen Lebens unter den geänderten Vorzeichen fehlten. Der Bestand der Kirchenfabrik wurde für andere 396 Vgl. die Frage, ob Thüringen ein Experimentierfeld, ein „Laboratorium“, der frühen Reformation war; WEISS, Luther, S. 22. 397 AGBM II, Nr. 1107, S. 23‒26. Vgl. zur Einordnung solcher Vorkommnisse KAUFMANN, Reformation, S. 327‒330 und S. 333‒339. 398 ABKG II, Nr. 807, S. 39. 399 WEISS, Bürger, S. 168. Dies führte wohl auch zu erhöhter Aufmerksamkeit der Obrigkeit auf diese Dinge; ABKG I, Nr. 487, S. 489 f. 400 Vgl. SLADECZEK, Beschwerden; SLADECZEK, Ernestiner. Zum Forschungskonzept der Fürstenreformation: SCHUBERT, Fürstenreformation.
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ERGEBNISSE
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Zwecke verwendet oder gar zum eigenen Nutzen unterzogen – von den Bauern wie von den Adligen. Für Letztere gab es bei aller reformatorischer Begeisterung, die weite Teile des Adels ergriff, praktische Probleme, die mit der Reformation unter landesherrlicher Führung verbunden waren. Dies betraf einerseits die Versorgung Familienangehöriger, andererseits kirchliche Interessen im eigenen Besitz. Im Laufe der 1520er und -30er Jahre leiteten viele Adlige aus dem Patronatsrecht eine prinzipielle Verfügungsgewalt über den Pfarrbesitz ab. Der Verfall der kirchlichen Kontrolle in der frühen Reformation führte flächendeckend zum Entzug von Pfarr- und Kirchenbesitz. So betonte etwa die Visitationsinstruktion 1527, dass besonders auf Adlige geachtet werden solle, die geistliche Stiftungen zum eigenen Nutz unterzögen. Aus Sicht der Adligen waren es freilich ihre eigenen Stiftungen, auf die sich der Landesherr ein Recht anmaßte. Gleichzeitig konnten Adlige ebenfalls nicht die Aufrechterhaltung der kirchlichen Sitten gewährleisten. Zumindest im Bauernkrieg sahen sie sich selbst wachsender Gefahr ausgesetzt. Es wurde deutlich, dass die eigene Stellung zur Lehre Luthers wohl oft von Amtsverpflichtungen und Vorsicht gegenüber dem religionspolitischen Kurs der Landesherren überlagert wurde. Dabei ist von der Forschung die Stellung der Räte und auch der Stände für die Religionspolitik bisher nicht ausreichend herausgestellt worden. Selbst die Amtleute konnten en détail auf den Umgang mit der Ausbreitung der Reformation unter dem Volk einwirken, wie besonders am Beispiel des Diezmann Goldacker gezeigt wurde. Dennoch gab es in beiden wettinischen Territorien Adlige, die sich der fürstlichen Politik in der Frage der Reformation entgegenstellten. Im Kurfürstentum versuchten einige Ritter, auf ihren althergekommenen Rechten zu beharren und sich zumindest von zusätzlichen Geistlichen lateinische Messen halten zu lassen. Die Visitationen stellten dann meist ein Ende der Verwendung des Patronatsrechtes für diese Ziele dar. Auf der anderen Seite finden sich wenige Adlige, die ihre Patronate aktiv einsetzten, um evangelische Prediger zu bestellen. Von einer ‚Adelsreformation‘ kann in dieser Hinsicht keine Rede sein.401 Eine starke Mitwirkung des Niederadels an der Entwicklung lässt sich aber durch den ständisch ritterschaftlichen Einfluss auf die Kirchenpolitik des Landesherrn feststellen. Anfangs wurde die Frage aufgeworfen, worin sich die frühen zwanziger Jahre von den vorangegangenen Jahrzehnten unterschieden. Viele Entwicklungen finden sich bereits im Spätmittelalter: das Anspruchsdenken der Bauern, die Beschwerdekultur, der latente Antiklerikalismus, die Hinwendung zum Landesherrn. Einmal mehr erscheint die Reformation als Katalysator einer längst angestoßenen Entwicklung. Allerdings war die frühe Reformation ein wirklicher Bruch mit der geschlossenen Kirchlichkeit. Dieser äußert sich in dem geänderten 401 Diese Feststellung aber bei JADATZ, Land, S. 208.
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TEIL II: DIE FRÜHE REFORMATION
Umgang mit der eigenen Kirche, mit den Stiftungen, mit den Wallfahrtszielen. Diese Formen der Frömmigkeit gab es in weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr. In der Entstehung des Neuen fehlte jedoch eine Linie. Diese sollte sich in der Folge schrittweise herausbilden, in erster Linie durch die Visitationen.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN UND DER WANDEL DER FRÖMMIGKEIT (1526–1570)
1. Fragestellungen FRAGESTELLUNGEN
Die schnelle Ausbreitung reformatorischer Ideen in den frühen 1520er Jahren ließ die Reformatoren und die landesherrliche Verwaltung, die nach dem Bauernkrieg vor allem im ernestinischen Gebiet zweifellos die Führung in dieser Entwicklung übernahm, mit einer Vielzahl an Fragen zurück. Die kirchlichen Zustände vor Ort standen auf tönernen Füßen. Pfarrstellen waren unbesetzt, Abgaben wurden nicht gereicht, es herrschte Unsicherheit über die weitere Entwicklung. Daraus entstand, verstärkt ab 1525 und 1526, die Anwendung des Mittels der Visitationen. Landesherrlich beauftragte Theologen, Juristen und Adlige bereisten das Land und ließen sich von Pfarrern und Gemeindevorstehern die finanzielle Situation und eventuelle Probleme vor Ort schildern.1 Nach ihren Visitationsinstruktionen trafen sie Verfügungen, wie im Einzelnen zu verfahren sei. Dies hatte sicher eine weitere Durchsetzung reformatorischen Gedankengutes zur Folge, wichtiger aber war die strukturelle Neuorganisation der Kirche vor Ort. Somit wurden die Grundlagen für eine Stabilisierung und die folgende Entwicklung von etwas ‚Evangelischem‘ gelegt. Dabei waren die Visitationen ein grundlegender Einschnitt und bildeten eine wichtige Basis des wachsenden landesherrlichen Einflusses, zu dem nun auch genuin bischöfliche Aufgaben gehörten. 2 In den Visitationen wurden wie selbstverständlich auch adlige und geistliche Patronatspfarreien erfasst, was deutlich die Ausweitung dieses Einflusses auf diese Personengruppen und die Änderung rechtlicher Verhältnisse zeigt. Der Neuaufbau kirchlicher Hierarchien mit Superintendenten (ab 1528/1529) und auch Konsistorien erfolgte von den Höfen aus.3 Im dritten Abschnitt sollen die jeweilig ersten Visitationen in den einzelnen Gebieten als Folien verwendet werden, mit denen die Situation der folgenden Jahrzehnte vor allem anhand der Suppliken verglichen wird. Wie 1523 das 1
2 3
Vgl. den jüngst erschienen Sammelband BLAHA/SPEHR, Reformation; JADATZ, Land, S. 47–55. Vgl. auch das Mittel der Visitationen im europäischen Vergleich im Sammelband ZEEDEN/LANG, Visitation. Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 22 ff. EKO 1, 1, S. 145.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
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wichtigste Jahr für die Ausbreitung reformatorischer Ideen war, so war – wie zu zeigen sein wird – 1533 eines der wichtigsten für die flächendeckende herrschaftliche Normierung und die Verfestigung kirchlicher Zustände unter den neuen Voraussetzungen in Thüringen. Anhand dieses Vergleichs zwischen den frühen Visitationen und der weiteren Entwicklung soll untersucht werden, in welchen Zeiträumen sich die Durchsetzung dieser neuen Ordnung vor Ort abspielte. Dazu werden bestimmte bereits angesprochene Probleme untersucht, wie das Verhältnis zum Pfarrer, aber auch Fragen, die erst durch die Visitationen selbst entstanden. Dazu zählen etwa die Veränderungen der Pfarrlandkarte oder die Verwendung der vorreformatorischen Stiftungsausstattungen. Es soll danach gefragt werden, wie und in welchen Zeiträumen sich der Einfluss der landesherrlichen Kirchen und der Kirchenordnungen im kirchlichen Leben in den Dörfern niederschlug. Das Prä haben dabei Quellen aus dem ernestinischen Bereich. Zum einen ist, sowohl was die eigentlichen Visitationsprotokolle als auch was die sie umgebenden Visitationsakten zu Problemen in den Dörfern betrifft, die Quellenlage im Ernestinischen Gesamtarchiv im Thüringischen Hauptstaatsarchiv am besten. Zum anderen hatten die ernestinischen Visitationen eine enorme Vorbildwirkung für die Ausbildung dieser Instrumente in den albertinischen, schwarzburgischen und reußischen Gebieten, die aber in allen Fragen vergleichend betrachtet werden. Um die politischen Diskussionen, die um diese herrschaftliche Verwendung kirchlicher Rechte entstehen konnten, zu beleuchten, wird in einem Exkurs auf die Behandlung einiger Dörfer des Erfurter Landgebietes und der dortigen Schwierigkeiten in den ernestinischen Visitationen verwiesen. Bei all dem sollen ‚typische‘ Zustände in den Dörfern gesucht werden. Freilich gab es keine paradigmatischen Fälle im eigentlichen Sinne, im Abgleich mit vielen Beispielen kann aber das Einzelbeispiel in eine allgemeine Entwicklung eingeordnet werden. So sind die Rollen der einzelnen Akteure (Landesherr, Niederadel, Bauern, Pfarrer etc.) und ihr jeweiliger Einfluss zu hinterfragen. Besonders im Falle des Niederadels ist die Stellung zur landesherrlichen Reformation interessant. Dass der Adel lehensrechtlich von der Kirchenpolitik des jeweiligen Fürsten abhängig war, ist selbstverständlich. Zwar gab es Familien, die sowohl ernestinische als auch albertinische Lehen besaßen, alle mussten eine Entscheidung für oder wider die neue Lehre aber mit Bedacht wählen.4 Dieser Sachverhalt lässt besonders die Möglichkeiten des Widerstandes gegen die Einflussnahme der jeweiligen Kirchenpolitik des Fürsten auf die Verhältnisse vor Ort interessant erscheinen. Welchen Einfluss hatten die Adligen auf die Entscheidungen der Visitationskommissionen und konnten sie beispielsweise ihre Stiftungen vor dem Zugriff bewahren? Im Falle der Bauern ist in erster Linie nach der Vereinbarkeit 4
Vgl. GÖSE, Führungsgruppen, S. 178.
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FRAGESTELLUNGEN
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ihrer eigenen Interessen mit den Kirchenordnungen und Visitationsentscheidungen zu fragen. In welchem Maße und wie nahmen sie an diesen Prozessen teil? Dieser organisatorischen Entwicklung in den Dörfern und den Visitationen als Sinnbild der entstehenden Landeskirchen ist die Entstehung einer evangelischen Frömmigkeit im Sinne der religiösen Praxis der Laien gegenüberzustellen. Um dies zu verdeutlichen, wurde eine entsprechende Abgrenzung in der Kapitelstruktur gewählt. Der Schwerpunkt liegt dabei einmal mehr auf der Feststellung der gelebten Frömmigkeit und weniger auf der Deutung der zugrundeliegenden Gedankenwelten. Sicher war die Ausformung der Frömmigkeit auch stark von der obrigkeitlichen Prägung der evangelischen Kirche beeinflusst; es wird aber zu zeigen sein, dass es keineswegs völlig gekoppelte Entwicklungen waren. Erneut gilt, dass die Frömmigkeit zwar als Abbild der Mentalität verstanden werden kann, dass sich diese aber nur im Handeln der Menschen zeigt und nur darüber in den Quellen erschlossen werden kann. Anhand der Investitionen und dem Umgang mit der überkommenen Kirchenausstattung soll so das Verhältnis der Menschen zur Kirche und ihre Wahrnehmung des reformatorischen Wandels dargestellt werden. Welche Bedeutung wurde welchen Aspekten beigemessen? In welchen Zeiträumen bildete sich eine evangelische Frömmigkeit auf dem Land heraus?5 Streng genommen müsste man sagen, dass dies seit den ersten Tagen der Reformation geschah, seit sich ‚Evangelisches‘ verbreitete. Doch an welchen Elementen lässt sich diese Entwicklung feststellen? Welche Parameter eignen sich, frommes Handeln abzugrenzen und zu vergleichen? Zunächst soll danach gefragt werden, welche Bedeutung die vorreformatorische Frömmigkeit noch besaß und welche Indizien für einen altgläubigen religiösen Alltag in Teilen der Bevölkerung im Laufe des 16. Jahrhunderts existieren (Kap. III.10 und III.11). Im Anschluss wird der Einfluss der Visitationen auf die Entwicklung bestimmter Frömmigkeitsformen anhand der Verbreitung des Klingelbeutels gezeigt. Im umfangreichsten Abschnitt soll der Umgang mit der vorreformatorischen Kirchenausstattung (Vasa Sacra, Bücher, Bilder) betrachtet und die Entwicklung neuer Aspekte hinterfragt werden. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Kirchenbau. Wann lassen sich hier ‚evangelische‘ Beeinflussungen feststellen und welche Gründe führten zur ihrer Ausbildung?
5
Vgl. allgemein zu dieser Frage HÖLSCHER, Frömmigkeit, S. 23–25 und die ebd. in der Anm. 2 genannte Literatur.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
2. Der Pfarrer DER PFARRER
2.1. Einschätzung durch die Visitatoren Die Visitationen waren für die Pfarrer in den Landgemeinden ein starker Einschnitt. In den Jahren der frühen Reformation lebten viele in Unklarheit über die Ansprüche, die von verschiedenen Seiten an sie gestellt wurden. 6 Durch das starke Eingreifen der landesherrlichen Verwaltung wurden innerhalb recht kurzer Zeit klare Anforderungen formuliert. Sie betrafen nicht nur die Amts-, sondern auch in starkem Maße die Lebensführung der Geistlichen.7 Diese Vorstellungen wurden ab der ersten Visitation strikt verfolgt. Im Amt Tenneberg wurde 1526 peinlich genau darauf geachtet, dass die Pfarrer verheiratet seien oder dies innerhalb kurzer Zeit sein sollten.8 Zu den Bedingungen der Visitatoren kam das Streben der Gemeinden, die oft einen neuen, evangelischen Pfarrer begehrten.9 Auf der anderen Seite war auch der Einfluss der kirchlichen Hierarchien und des Kaisers nicht endgültig einzuschätzen.10 Die Pfarrer standen vor der Frage, ob sie sich an diese Richtlinien halten oder ihre Stelle gegen eine Abfindung aufgeben wollten. Im Vordergrund stand dabei die Einschätzung durch die Visitationskommission. Die Beurteilung erfolgte in bestimmten Kategorien, wie etwa „gelehrt“ oder „ungelehrt“, „ziemlich“ oder „Papist“.11 In den verschiedenen Protokollen schwankt die Art der Beschreibung aber beträchtlich. So wurde der Pfarrer von Eschdorf in der schwarzburgischen Oberherrschaft knapp mit nihil novit beschrieben, 12 während demjenigen von Dreba im Altenburger Land bescheinigt wurde, ein seltsamer Kopf zu sein.13 Besonders das schwarzburgische Protokoll von 1533 zeigt aber, dass eine Einstufung der Pfarrer in starre Kategorien kaum möglich war.14 Sie war lediglich als 6 7
8 9 10 11 12 13 14
Vgl. oben Kap. II.2.2. Bereits der Visitationsordnung von 1527 zufolge, sollten sich die Visitatoren erkundigen, wie der Pfarrer wandel und wesen stehet; EKO 1, 1, S. 143. Ähnliche Formulierungen und Forderungen finden sich in allen Visitationsinstruktionen. Vgl. allgemein GLEISS, Prüfstand; JADATZ, Land, v. a. S. 204–206. LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, 1. Z. B. ebd., fol. 3r. Zur Zurückhaltung der kirchlichen Hierarchien des Mainzer Erzbistums in Thüringen vgl. oben Kap. II.2.5. Vgl. BURKHARDT, Visitationen, passim zu den einzelnen Visitationen. LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 10r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 45r. Dieses Protokoll bietet sich für diese Frage wegen des recht kurzfristigen Zustandekommens der Visitation und der vorherigen altgläubigen Bedingungen in der Oberherrschaft an.
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DER PFARRER
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Basis der Kommunikation zwischen den Visitatoren und den anderen Elementen der landesherrlichen Verwaltung nötig. Viele Pfarrer hatten sich aber in den 1520er Jahren keineswegs eine klare lutherische Theologie angeeignet. Der Pfarrer von Teichröda taufte zwar deutsch und reichte das Abendmahl unter beiderlei Gestalt, hielt aber 1533 noch die Messe auf Latein.15 Ähnlich verhielt es sich bei dem Pfarrer von Milwitz, der als ehemaliger Mönch in Paulinzella im Kloster wohnte.16 Weiterhin reichten einige Pfarrer das Abendmahl nach Wunsch unter eineroder beiderlei Gestalt. 17 Das Protokoll der ersten Visitation, der des Amtes Tenneberg 1526, stellt in diesen Fragen ein Muster für die kommenden Überprüfungen dar. Die Visitatoren erlebten hier bereits die komplette Bandbreite der Haltung der Pfarrer.18 Der ungelehrte Uellebener Pfarrer hatte in dem Aufruhr 1525 vorgegeben, seine Köchin zu heiraten, dies aber immer noch nicht getan. Schwerer wog, dass er zwar vorgab, evangelisch zu sein, aber bekannt war, dass er sich ebenso schnell einem altgläubigen Gegenüber anpasste. Er war papistisch und evangelisch.19 Solche ‚Mischformen‘ begegneten den Visitatoren in allen Landesteilen bis weit in die dreißiger Jahre. In Lohma bei Schmölln wurde der Pfarrer in der mittlerweile dritten Visitation des Amtes Altenburg zwar ziemlich befunden, gleichzeitig wurde aber festgestellt, dass er seine Köchin noch immer nicht geheiratet hatte und sich nicht ausschließlich rechtschaffen mit Predigten und Zeremonien gab.20 Weit wichtiger war aber zunächst das Feststellen der streng Altgläubigen in den Pfarrämtern. Freilich mussten dazu ebenfalls Kriterien aufgestellt werden, denn es handelte sich bei vielen Pfarrern in den Dörfern ja um solche, die aus vorreformatorischer Zeit stammten. 21 So blieb es den Visitatoren überlassen, persönliche Einschätzungen zu treffen. In der Tenneberger Visitation 1526 wurde der Pfarrer von Sundhausen bei Gotha als ärgster Papist festgestellt.22 Neben lateinischen Messformen und lateinischer Taufe reichte er auch noch die Krankenölung. Viele Einwohner der Pfarrei gingen in anderen Orten in die Kirche. Wenngleich die Beschlüsse, die ihn betrafen, nicht nachvollzogen werden können, zeigen die Beispiele Tüttleben und Grabsleben im Amt Gotha, dass 15 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 10v. Allerdings wurde er nicht abgesetzt, sondern blieb bis ins hohe Alter Pfarrer des Dorfes und ist noch 1566 nachweisbar; THÜRINGER PFARRERBUCH 5, S. 201. 16 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 19r. 17 Nachweise existieren für alle Regionen. Für Ostthüringen: WIESSNER, Naumburg, S. 311. 18 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc. 19, Nr. 1. 19 Ebd., fol. 2v. 20 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 6, fol. 45v. 21 Vgl. EKO 1, 1, S. 143; JADATZ, Land, S. 204 f. 22 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc. 19, Nr. 1, fol. 2v.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
unter Myconius’ Führung bereits 1526 römische Pfarrer ersetzt wurden, sofern Alternativen bereitstanden. In beiden Fällen geschah dies mit bewilligung der dorfschaften.23 Allerdings erfolgten die Absetzungen keineswegs sofort und flächendeckend. Selbst der Pfarrer von Hohenkirchen beschwerte sich 1527 beim Kurfürsten darüber, dass der Vorsteher des Klosters Georgenthal ihn vertreiben wolle, weil er bei den alten Zeremonien bleiben wolle.24 Dieser Geistliche hatte anscheinend die entstehende Entwicklung noch nicht in Gänze verstanden, wenn er vom Urheber seines Schicksals Schutz erhoffte. In Monstab im Altenburger Land setzte das Zeitzer Kapitel 1525 Peter Wolf als Pfarrer ein. 25 In der Altenburger Visitation 1528 wurde festgehalten, dass dieser das Evangelium verhindere und mit einer Maid Haus hielte.26 Er sollte das Land verlassen, es wurde ein neuer Pfarrer aus dem Naumburgischen Gebiet eingesetzt, mit dem er die Pfarrei wechseln sollte.27 Anscheinend blieb Peter Wolf der Reformation abgeneigt, da er zwischen 1535 und 1552 als Vikar in Zeitz nachweisbar ist.28 In einigen Regionen gab es ungeeignete Pfarrer in großer Zahl. Im Rahmen der Visitation an der Saale 1529 wurde etwa ein Drittel der über 200 Geistlichen für völlig untauglich befunden.29 Von diesem Drittel wurden lediglich elf entlassen, der Rest wurde ermahnt. In verschiedenen Territorien lassen sich in den folgenden Jahrzehnten immer wieder einzelne Geistliche mit altgläubigen Meinungen feststellen. 1533 wurde bemerkt, dass die Pfarrer der Herrschaft Krayenburg an der Werra papistisch und ungeschickt in der Lehre seien, obwohl Graf Adam von Beichlingen ihnen bereits 1528 befohlen hatte, das Evangelium lauter und ohne Zusätze zu lehren.30 Trotz der mittlerweile drei Visitationen des Amtes Altenburg musste die kurfürstliche Kanzlei 1540 einen Brief mit der Bitte, sich dem Pfarrer von Maltis zuzuwenden, an Spalatin und den Altenburger Amtmann schreiben. Dieser beharrte trotz aller Ermahnungen auf unzähligen papistischen Lehren.31 Weiterhin stellten einige Adelspfarreien auch nach den ersten Visitationen Rückzugsorte für altgläubige Geistliche dar.32 Außerhalb des 23 24 25 26 27 28 29 30
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 174. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 377. Stiftsarchiv Zeitz, KollSti, N.Rep, M 2b. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 14v. Ebd., fol. 58v–59r, 76v–77r. LUDWIG, Zeitz, S. 80. BURKHARDT, Visitationen, S. 82–88. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 78r. Pfarrer mit Widerstand gegen das Evangelium oder einzelne Elemente finden sich auch bei WIESSNER, Naumburg, S. 168– 171. 31 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1323. 32 Vgl. Kap. III.7 dieser Arbeit.
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Kurfürstentums gab es freilich viele Gebiete, in denen sich diese Pfarrer durch die späteren Visitationen länger halten konnten.33 Im albertinischen Einflussbereich mussten trotz der verzögerten Reformation aber überraschend wenige Pfarrer abgesetzt werden.34 Ihnen wurden knappe, klare Artikel vorgehalten, wonach sie sich in der Ausübung ihres Amtes in erster Linie zu richten hatten.35 Meist wurden römische Pfarrer aber ermahnt und erhielten eine weitere Chance, sich zu bilden.36 Ein strengeres Vorgehen war schon wegen des allgemeinen Pfarrermangels nicht möglich. Die wenigen verlässlichen wurden zunächst auf Städte und große Gemeinden verteilt.37 Dieser Zustand hielt über die nächsten Jahrzehnte an. Selbst die große und relativ reiche Gemeinde Herbsleben hatte noch ab 1560 große Probleme, einen Pfarrer zu erhalten. Über Jahre zerschlugen sich die Hoffnungen auf geeignete Kandidaten aus verschiedenen Ursachen.38 Wohl aus diesen Gründen erhielten Pfarrer, die wegen der Lehre aus dem Amt entsetzt wurden, oft wieder eine Chance. Sie richteten Suppliken an den 33 Vgl. für die reußischen Gebiete JAUERNIG, Reformation; BURKHARDT, Visitationen. 34 Ein Beispiel bietet der Pfarrer in Kranichborn; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 47r. Dies betraf auch die Visitation im Mühlhäuser Gebiet. Hier wurde der Pfarrer von Niederdorla in der Vogtei abgesetzt; NEBELSIECK, Mühlhausen, S. 146. 35 EKO 1, 1, S. 263 f. sowie S. 284 f. 36 Dem Pfarrer von Bobeck wurde nach einer sehr intensiven Supplik an Kurfürst Johann 1529 eine nochmalige Prüfung eingeräumt. Er führte u. a. an, dass er ein Weib genommen hatte, sich an die kurfürstlichen Befehle gehalten hatte und im Bauernkrieg körperlichen Schaden genommen hatte. Er wollte sich weiterbilden, um den Anforderungen gerecht zu werden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 432 sowie 435. Ein Beispiel aus dem albertinischen Gebiet bietet der Pfarrer von Schwerstedt, der 1540 bis Ostern 1541 suspendiert wurde und sich in dieser Zeit bessern sollte; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 61r–62r. Vgl. grundlegend KARANT-NUNN, Pastors, S. 10 f.; JADATZ, Land, S. 204 f. 37 So sollte der Pfarrer von Niederroßla 1533 zunächst statt einem Papisten in Apolda predigen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 695. Zu dieser Herangehensweise vgl. EKO 1, 1, S. 143. Zur vorsichtigen Absetzungspraxis vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 116 f. 38 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 406. Zu dem dort genannten Dachwiger Pfarrer Timotheus Kirchner, der nach Jena zum Studium ging und wegen seiner folgenden Karriere als Hofprediger in Wolfenbüttel und Theologieprofessor in Jena, Helmstedt und Heidelberg nur kurze Zeit in Herbsleben wirkte, vgl. PFARRERBUCH KPS 4, S. 543 f.; THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 391 sowie LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 180, fol. 10r. Auch der 1561 gestorbene Amtsvorgänger in Herbsleben, Johann Müller, war eine sehr interessante Persönlichkeit. Als ehemaliger Würzburger Dominikaner und Pfarrer im fränkischen Staffelstein wurde er wohl 1534 vertrieben und wirkte anschließend als lutherischer Prediger der Grafen von Gleichen, bevor er mit der ersten albertinischen Visitation 1539 als Pfarrer in Herbsleben eingesetzt wurde; THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 496 f. Vgl. auch die Probleme vieler Pfarrer in der Zeit der evangelischen Lehrdifferenzen mit den wechselnden Anforderungen in den Visitationen; GEHRT, Dilemma.
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Hof, die eindrücklich über diese Vorgänge berichten. Ein Beispiel bietet der ehemalige Pfarrer von Tinz bei Gera. Dieser wurde in der ersten reußischen Visitation 1533 abgesetzt und nahm in der Folge ein Predigtamt in Chemnitz an. 1536, also vor Einführung der Reformation dort, beschrieb er in einem an Kurfürst Johann Friedrich gerichteten Schreiben pathetisch seinen Sinneswandel: Früher hätte er in Vorblendung in der papisterey gelebt. Durch das gotlich feur und erleuchtung seiner gnaden hätte er nun von der Kanzel widerrufen. Er hätte ein Weib genommen, um nicht weiter mit sträflichem Leben Ärgernis zu erregen, und bat nun um die Wiedereinsetzung in die Pfarrei Tinz. Spalatin hätte ihn bereits mit Freude wieder aufgenommen. 39 Die Antwort aus der Kanzlei fiel ebenfalls günstig aus. Für sein Pfarrgut in Tinz sollte er entschädigt und darüber hinaus mit einer anderen Pfarre versehen werden.40 Zusätzliche Pfarrer, die von außen kamen und das Kurfürstentum als evangelische Schutzmacht verstanden, waren selbstverständlich jederzeit willkommen. So sollte auch der ehemalige Pfarrer von Niedertrebra, den Hans Schenk von Tautenburg 1536 entlassen und Herzog Georg des Landes verwiesen hatte, da er das Sakrament unter beiderlei Gestalt gereicht hatte, so schnell wie möglich mit einer Pfarrei versehen werden.41 Im Schwarzburgischen konnte sich Graf Günther XL. 1542 über einen Geistlichen freuen, der sich freiwillig aus dem Kloster Paulinzella begeben hatte und nun die Pfarrei Gehren verwaltete. Dazu erhielt er neben einer Zulage aus dem Klostervermögen eine freie Behausung gestellt.42 Der Mangel an geeigneten Pfarrern war für entstehende Landeskirchen ein dauerhaftes Problem. So stellte es schon eine erfreuliche Ausnahme dar, dass Myconius 1529 einen Geistlichen gefunden hatte, der trotz des geringen Einkommens bereit war, die Pfarrei Großrettbach zu übernehmen. 43 Vor einem ähnlichen Problem stand Justus Menius 1552 in einigen benachbarten Dörfern mit der Besetzung der Pfarrei Frienstedt. Er stimmte dem Vorschlag der Bauern zu, den Schulmeister, des Pfarrers Sohn, dem alten Pfarrer als Diakon zur Seite zu stellen, da es wegen des geringen Einkommens schwierig wäre, überhaupt einen anderen Kandidaten zu finden.44 Der landesherrliche Druck auf die Pfarrer stieg mit den Visitationen enorm. Pauschalisierend passten sich jüngere Pfarrer wegen ihrer eigenen wirtschaftlichen Versorgung eher den Anweisungen der Visitatoren an. Ältere blieben öfter
39 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1002, fol. 1r–2r. 40 Ebd., fol. 3r. Die Pfarrei Tinz war inzwischen Gera zugeschlagen worden, weshalb eine Wiedereinsetzung ohnehin entfiel. 41 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1010. 42 LATh–StA Rudolstadt, Konsistorium Arnstadt, 6587. 43 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 421. 44 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 60b, 1.
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starrsinnig.45 Ein konkreter Vergleich anhand eines umgrenzten Gebietes über die Konstanz oder die Wechsel in den Pfarrämtern zwischen den Jahren der unmittelbaren Vorreformation und den Jahren nach den ersten Visitationen wäre bezogen auf einzelne Personen wünschenswert. An dieser Stelle können nur allgemeine Entwicklungen aufgezeigt werden.46 Zwischen den einzelnen Herrschaftsgebieten gab es deutliche Unterschiede. Die verzögerte Einführung der Reformation in den reußischen Gebieten führte etwa dazu, dass diese ein Rückzugsort für Altgläubige blieben.47 Folgerichtig war die Zahl der Pfarrer, die für völlig untauglich befunden wurden, deutlich größer. Es waren 36 von 76.48 In der ersten Visitation des kleinen ernestinischen Amtes Tenneberg war mindestens die Hälfte der Pfarrer abgesetzt worden. Allerdings konnten Pfarrer, ungeschickte ebenso wie altgläubige, nicht ohne weiteres entfernt werden. Es blieb bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts ein dauerndes finanzielles Problem, diese zu entschädigen. In einigen wenigen Fällen hatten sich Pfarrer mit ihren Vorgängern bereits geeinigt. Die Visitatoren, Superintendenten und das Amtspersonal konnten auch zwischen den Visitationen hierbei vermitteln. 49 Doch die ernestinische Visitation 1533 zeigt, wie viele Wechsel im Pfarramt noch ungeklärt waren. Es galt nun, jeweils eine Abfindung zu organisieren. Dabei gab es keine festen Grundsätze. Es musste eine Lösung nach den Umständen vor Ort gefunden werden. Der alte Pfarrer von Tüttleben
45 So im reußischen Gebiet 1533 der Pfarrer von Crispendorf; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 80r. Dabei gab es natürlich ebenfalls Ausnahmen, wie den alten Pfarrer von Pöllwitz, der sich in derselben Visitation anpassen wollte; ebd., fol. 130v. In der Visitation 1528/1529 wurde dem alten Pfarrer von Treppendorf die Möglichkeit eingeräumt, sein Amt zu behalten. Er wurde aber verwarnt, sich zu bessern und aus den Postillen zu predigen; GLEISS, Prüfstand, S. 173, Anm. 33. 46 Die Absetzung der Pfarrer anhand einiger Zahlen bei HERRMANN, Kirchengeschichte II. Exemplarische Vergleiche anhand der Karriereentwicklung einzelner Geistlicher könnten bereits mithilfe des gedruckt vorliegenden Materials und der Visitationsprotokolle erarbeitet werden. Neben vorreformatorischen Subsidienregistern und Einzelnachweisen liegen z. B. mit den Thüringer Pfarrerbüchern und jenen der Kirchenprovinz Sachsen auch Nachschlagewerke für die frühe evangelische Kirche vor. Solch eine Untersuchung könnte auch weitere Klarheit über den Anteil der ehemaligen Mönche unter den evangelischen Pfarrern bringen; vgl. KARANT-NUNN, Pastors, S. 8 f. 47 Vgl. Kap. III.7 dieser Arbeit. 48 HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 36. Aussagekräftig ist diese Zahl insofern, als die reußische Visitation ohne Vorbereitungen stattfand. In den anderen Gebieten waren in den vorangehenden Jahren bereits Pfarrer ausgetauscht worden. 49 Hans von Berlepsch, der Amtmann auf der Wartburg, hatte vor 1528 den alten und den neuen Pfarrer von Marksuhl mit einem Anteil des Getreidezehnten vertragen; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 25v.
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erhielt eine Getreideabfertigung,50 in Nottleben handelte es sich bei dem Ausgleich um Äcker,51 in Schwabhausen um einen Garten52 und in Thörey um eine Kornabgabe, die die Gemeinde und der neue Pfarrer gemeinsam aufbrachten.53 Gehäuft stellte sich dieses Problem bei jenen Pfarreien, die bis zur Reformation in eine geistliche Institution inkorporiert gewesen waren. Der Pfarrer von Ifta musste daher einen Resignationsausgleich an den Dechanten des Stiftes Großburschla reichen.54 Diese Ausgleichszahlungen belasteten das ohnehin geringe Einkommen vieler Pfarrer. Der Pfarrer von Pfiffelbach musste etwa das Einkommen aus seinem Filialdorf Goldbach für die Zahlung an einen Geistlichen aufwenden, von dem dort Messen bestellt waren.55 Da der Pfarrer von Dienstädt die acht Gulden, die er seinem Vorgänger als Ausgleich zahlen sollte, nicht zur Verfügung hatte, nahm er dafür einen Kredit bei der Kirchenfabrik des Dorfes auf.56 Was hier in erster Linie an der ernestinischen Visitation von 1533 gezeigt wurde, kann im Prinzip auf die anderen Territorien übertragen werden.57
2.2. Einkommenssituation Neben der Sicherstellung einer guten seelsorgerischen Versorgung der Bevölkerung war die Einkommenssituation der Pfarrer die zentrale Frage der ersten Visitationen. Dieses Problem kam erneut mit den Visitationen ab 1533 aufs Tapet. 58 Durch das Ausbleiben der Oblationen, der Stolgebühren und der Stif50 51 52 53 54
55 56 57
58
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 210r–210v. Ebd., fol. 214v. Ebd., fol. 296v. Ebd., fol. 254r. Die Abgabe sollte entfallen, falls der alte Pfarrer studieren würde und somit in der Lage wäre, ein Pfarramt anzunehmen. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 20r. Die Pfarrer von Sättelstädt und Stedtfeld mussten aus diesem Grund einen Ausgleich an das Stift in Eisenach geben; ebd., fol. 119r, 121r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 81r–81v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 280v. Vgl. die Handlung zwischen altem und neuem Pfarrer in Bilzingsleben in der albertinischen Visitation 1539 (LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 264v) sowie die Einigung in Großmehlra 1531 in den Handlungen der schwarzburgischen Kanzlei in Sondershausen (LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Sondershausen, 4650, fol. 84r). BURKHARDT, Visitationen, S. 125–127. Bereits 1527 finden sich in der ernestinischen Instruktion die allgemeinen Aufforderungen zur Erfassung der Einkommen aus Grundbesitz und Stiftungen; EKO 1, 1, S. 144. Zur Situation in den albertinischen Gebieten nach 1540 vgl. WARTENBERG, Landesherrschaft, S. 128–131. Vgl. weiterhin KARANT-NUNN, Pastors, S. 38–52 für das ernestinische Gebiet.
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tungszinsen hatte sich die Einkommenssituation im Laufe der frühen Reformation dramatisch verschlechtert.59 Dies war in allen Gebieten ein Hauptkritikpunkt der Pfarrer in den jeweilig ersten Visitationen. Entsprechende Verordnungen, die Zinsen zu zahlen, finden sich in allen Instruktionen und Verfügungen. 60 So wandten sich 1539 die Pfarrer der Dörfer der Vogtei am Hainich wegen ihres Unterhaltes an den Mühlhäuser Rat.61 Noch 1545 stellte der Pfarrer von Niedersynderstedt bei Weimar fest: Opffer, testament, Seelgerethe, begrebnis, tauffgelt, haben die menner meynen vorfarn und mir [seit] dem aufruhr abgezogen und dagegen nichts geordent.62 Wenngleich es nur in wenigen Fällen nachweisbar ist, versuchten wohl viele Pfarrer, verloren gegangene Rechte und Einnahmen wiederzugewinnen. Ein ausgezeichnetes Beispiel stellt Heinrich Tholde dar, der 1534 Pfarrer von Herda in der Werraaue wurde, nachdem er von Myconius verordnet, von der Gemeinde angenommen und in Marburg ordnungsgemäß examiniert worden war.63 In einem erhaltenen Register der Jahre 1473 bis 1539 beschreibt er selbst, wie er nach seiner Ankunft dieses alte Zinsregister gefunden habe und fortführte, um wieder einen Überblick über die der Pfarrei zustehenden Zahlungen zu erhalten. Sein Vorgänger hatte nach seiner Aussage diese Rechte wenig geachtet.64 So fand er Zahlungen einer Mühle in dem Register, die aber nicht gereicht wurden: [S]tehet an allen orthen In her Johan Ambachs seligen register Ist aber nicht ganghafftig, will versuchen ob Ichs widder Zu wege kriege mochte.65 Von einem Vorwerk standen ihm drei Malter Korn zu, von denen aber nur eines gereicht wurde. Heinrich Tholde vermerkte: Stehe In der forderung ganghaftig zu machen.66 Über viele Seiten wird man Zeuge, wie der Pfarrer schrittweise und mit muhe und kost bis zum Ende des Registers 1539 wieder einige Zahlungen erwirkte. So wurden ihm verschiedene Scheffel Korn, unter anderem von der Kirchenfabrik, durch seine Hartnäckigkeit wieder gegeben. 67 Im Falle der fehlenden zwei Malter von dem Vorwerk ersuchte er schließlich um die Hilfe des hessischen Landgrafen und des sächsischen Kurfürsten, die verfügten, dass die fehlenden zwei Malter gereicht werden sollten.68 59 60 61 62 63
64 65 66 67 68
Vgl. Kap. II.2. Z. B.: EKO 1, 1, S. 145. StAM, 10, E6, 4b, Acta Religionis 1535–1539, fol. 204. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2021, fol. 4r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 384, fol. 34r. Er stammte aus dem unweit gelegenen Allendorf und war seit 1527 Diakon in Berka an der Werra; vgl. THÜRINGER PFARRERBUCH 3, S. 437. Eine ähnliche, wenngleich weniger erzählende Quelle bietet WEGELE, Erbregister mit einem Register des Pfarrers von Saufeld (heute Thangelstedt) aus dem Jahr 1553. Dies ist ein wichtiger Hinweis auf die verkommende Rechnungsführung in den zwanziger Jahren in den Pfarreien und den Kirchen. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 384, fol. 41r. Ebd., fol. 48r. Ebd., fol. 52r, 72r. Ebd., fol. 83r.
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Wenngleich es ein einmaliger Quellenbefund ist, dass man einen Pfarrer in seinem Handeln über Jahre verfolgen kann, geht ein ähnliches Vorgehen anderer Pfarrer aus den Visitationsakten hervor. Dabei kam den Rechnungen der Pfarrei und der Kirche eine allgemein anerkannte Beweiskraft zu. So sollte der Pfarrer von Pfullendorf sein angebliches Anrecht auf eine Abgabe der Buflebener Mühle den Visitatoren mit Registern oder Urkunden beweisen.69 Nur gab es diese Register in vielen Orten nicht mehr. Die heute zu konstatierende Quellenarmut dieser Jahre in dieser Frage scheint in Teilen bereits zeitgenössisch entstanden zu sein. In Fröttstädt wurden Rechnungen und Urkunden mutwillig zerrissen, weshalb der Amtmann angewiesen wurde, die Schuldner der Pfarrei ausfindig zu machen und Register aufzustellen.70 Wie die Bauern kamen dabei auch Adlige als Urheber in Frage. Der von Reckerod hatte die Pfarrregister von Mechterstädt eingezogen und wurde nun angewiesen, sie herauszugeben. 71 Trotz solcher Widerstände in den Gemeinden gelang es vielen Pfarrern, mittels alter Rechnungen ihre Ansprüche nachzuweisen. Der Pfarrer von Rehmen konnte nachweisen, dass Kunz von Etzdorf ihm zu Unrecht Güter entzogen hatte, der Pfarrer von Jägersdorf bewies einen Hauzins der Gemeinde und der Pfarrer von Nimritz erstritt sich auf diese Weise ganze neun Äcker.72 Während sich diese konkreten Fälle in der Visitation 1533 ereigneten, konnte sich dieses Vorgehen bis in die Mitte des Jahrhunderts hinstrecken. 1545 wies der Pfarrer von Stedtfeld nach, dass Hans von Boyneburg ihm einen Zins zahlen müsste.73 Im selben Jahr stellte auch Johannes Birnstiel, Pfarrer von Niedersynderstedt, in alten Registern fest, dass ihm eine Abgabe von 22 Hühnern aus dem Nachbardorf Milda zusteht.74 Dies sind einerseits faszinierende Zeugnisse für das Vorhandensein und die Beweiskraft von Rechnungen und Urkunden in der ländlichen Gesellschaft in dieser Zeit. Für die Einkommenssituation der Pfarrer zeigen diese Fälle aber die Versorgungsnot und die vielen Streitigkeiten, in die die Visitationen eindrangen.75 Neben der Wiederaufrichtung verloren gegangener Rechte mussten zunächst Ersatzzahlungen für die nicht mehr gehaltenen Stiftungen und die nicht mehr gereichten Stolgebühren durchgesetzt werden. Im Laufe der Neuzeit konnte aus diesen traditionelle Naturalgeschenke zu bestimmten Anlässen werden. In 69 70 71 72 73 74 75
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 337v. Ebd., fol. 236r. Ebd., fol. 105v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 248r, 284r–284v, 325r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2016. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2021, fol. 5r. Vgl. die Festlegungen der Visitationsinstruktionen zu den Pfarreinkommen, etwa für 1527: EKO 1, 1, S. 144.
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Großrettbach sollte der Pfarrer ab 1533 vier Schock Groschen statt der früher gehaltenen Seelmessen erhalten. 76 In Sundhausen bei Gotha betraf es einen Ausgleich über fünf Schock Groschen für ein Salve, eine Annenmesse und eine Fronleichnamsmesse.77 In Markvippach erhielt der Pfarrer nun zwei Malter Korn statt der Begräbnis- und Taufabgaben.78 Im schwarzburgischen Visitationsprotokoll von 1533 findet sich häufiger die Regelung, dass sich die Gemeinden bereit erklärten, für Opfergaben und die Leistungen des Pfarrers bei Eheschließungen, Taufen und Begräbnissen pauschal drei Schock Groschen zu zahlen. 79 Diese Ausgaben der Gemeinden wurden aus dem Vermögen der Kirchenfabrik geleistet.80 Sofern das Pfarreinkommen dennoch nicht ausreichte, sollten die Gemeinden eine weitere pauschale Zulage aus dem Vermögen der Kirchenfabrik bzw. dem Vermögen der Gemeinde oder eine Hausabgabe zahlen. Meist handelte es sich dabei aber um recht geringe Summen – sei es wegen der finanziellen Lage in den Dörfern, sei es wegen des Unwillens der Bauern.81 Je nach rechtlicher Stellung der Pfarrei kamen freilich andere rechtliche Personen als Zahler von Zulagen in Frage. Dies konnten Grafen und Herren, 76 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 212v. 77 Ebd., fol. 227v. 78 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 52v. Ähnliches findet sich in Aspach (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 239v), Molsdorf (ebd., fol. 349r), Drognitz (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 301r), Lippersdorf (ebd., fol. 331v). In Dienstädt sollte statt dem Opfer eine Hausabgabe gezahlt werden (ebd., fol. 281r). 79 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 13v (Solsdorf); ebd., fol. 14v (Dörnfeld an der Heide). 80 Siehe dazu das Beispiel Bilzingleben, wo sich die entsprechende Ausgabe 1564 findet; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3123, fol. 66v. In Nermsdorf wurde 1533 festgestellt, dass zwar in der letzten Visitation bereits eine Zulage aus dem Kirchenvermögen des Pfarrdorfes und eines Filialdorfes verordnet worden war, nun aber eine weitere gezahlt werden sollte; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 48v. 81 In Bösleben sollten die Alterleute dem Pfarrer ein Schock Groschen und dem Kirchner achteinhalb Groschen zulegen (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 193v) und in Ziegenhain gab es eine Gemeindezulage über ein Schock (ebd., fol. 137v), während in Langula mit der Gemeinde über eine Hausabgabe verhandelt wurde, da sie anderenfalls der Pfarrei Oberdorla zugeschlagen würde. Die Gemeinde erbat sich zunächst eine Bedenkzeit (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 68v). Über die Haltung in den Gemeinden existieren nur wenige Hinweise. Die Bauern von Schnellmannshausen willigten in eine Zulage aus dem Vermögen der Kirchenfabrik ein (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 28v). In Kleinrudestedt wurde eine Gemeindezulage verordnet, ohne dass die Reaktion der beiden Dörfer der Pfarrei festgehalten wurde (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 51r). Aus dem Folgenden ergibt sich aber eine widerwillige Haltung in vielen Gemeinden.
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Niederadlige oder nicht-säkularisierte geistliche Institutionen sein. Der Graf von Gleichen legte 1528 dem Kirchner von Sülzenbrücken vier Schock Groschen zu.82 Ein Zweig der Familie von Brandenstein reichte dem Pfarrer von Langendembach ab 1533 Getreide aus einem Vikariegut.83 Der Abt des Erfurter Petersklosters ließ zwar die Visitation ihrer Patronatspfarrei Frankenroda an der Werra zu, versagte sich aber jede Einflussnahme auf die Finanzierung.84 Erst wenn all diese Möglichkeiten ausgeschöpft waren, kam der Weg zum Tragen, der im Allgemeinen mit der Aufbesserung der Pfarreinkommen assoziiert wird: die Zulagen aus den säkularisierten Klostergütern, wie es seit der ersten ernestinischen Visitationsinstruktion vorgesehen war.85 In den Visitationen der späten zwanziger Jahre wurden zwar bereits Zulagen verordnet, den hauptsächlichen Einschnitt bedeutete für das ernestinische Gebiet aber die Visitation von 1533. Parallel lief diese Entwicklung im selben Jahr in den schwarzburgischen und reußischen Gebieten ab. Zunächst gab es die Möglichkeiten, dass Abgaben an ein Kloster nun an eine Pfarrei gerichtet werden sollten oder Grundbesitz eines Klosters in den Besitz des Pfarrers überging. 86 Weitaus häufiger waren aber pauschale Summen, die aus dem Klostergut jährlich an den jeweiligen Pfarrer zu zahlen waren. Dies betraf – wie es sich aus dem Geschilderten ergibt – eher kleine und ärmere Pfarreien. Meist handelte es sich um zehn oder 15 Gulden,87 mitunter finden sich aber auch Zahlungen von mehr als 20 Gulden.88 Eine gute Übersicht vermitteln die Zusammenfassungen über die Zulagen aus den Klöstern am Ende des ernestinischen Visitationsprotokolles von 1533.89 Die Gewährung 82 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 299v. 83 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 320r. 84 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 67r–67v. Vgl. die Verhandlung mit dem Landkomtur des Deutschen Ordens wegen der Ausstattung einiger Pfarreien im Vogtland im Jahr 1533; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 7, fol. 184v. 85 EKO 1, 1, S. 144. 86 Z. B. sollten die Männer von Rodigast Getreidezinsen statt an das Kloster Bürgel nun an den Pfarrer von Taupadel geben; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 139v. Ein Weinberg des Klosters Berka/Ilm befand sich spätestens ab 1533 in Verwaltung des dortigen Pfarrers; ebd., fol. 184r. 87 Zwei Beispiele: zehn Gulden wurden aus dem Kloster Heusdorf nach Buchfart gereicht, ebenso zehn Gulden aus dem Jenenser Nonnenkloster nach Löbstedt; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 105r, 132v. 88 Die Pfarrei Ettenhausen erhielt eine Zulage über 22 Gulden aus dem Kloster Allendorf; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 76v. Dies konnte in Ausnahmefällen auch Pfarreien in Gegenden mit fruchtbareren Böden betreffen: Die Pfarrei Heichelheim erhielt 22 Gulden aus dem Kloster Heusdorf; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 107r. 89 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 384r–390v. Hier finden sich erneut größere Summen: Aus dem Eisenacher Nikolaikloster wurden 24 Gulden nach Nazza und
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einer solchen Zahlung bedeutete nicht ohne weiteres, dass diese für immer gezahlt wurde. So wurde etwa die bereits gewährte Zulage über 22 Gulden aus dem Kloster Heusdorf an den Pfarrer des heutigen Ortes Thangelstedt wieder gestrichen. Sie sollte nun von Heinrich von Bünau aus einem Vikariegut in Tannroda geleistet werden.90 In vielen Dörfern setzte sich das Pfarreinkommen nach den jeweils ersten Visitationen neben der kumulativen, vorreformatorischen Pfründe zusätzlich aus verschiedenen Zulagen zusammen.91 Die Höhen und die Vielzahl der Zulagen verdeutlichen das Problem der Pfarrversorgung in diesen Jahren. Friedrich Myconius traf in den oben aufgeführten Beispielen den Kern, wenn er feststellte, dass man froh sein könne, einen Kandidaten gefunden zu haben, da für ein solch geringes Einkommen kein anderer bereit wäre, die Stelle zu übernehmen. In einigen Orten wurden Summen zugelegt, die allein zu Beginn des 16. Jahrhunderts als gute Pfründe gegolten hätten.92 Diese Gegenüberstellung verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung der weggefallenen Oblationen, Stolgebühren und Stiftungszinsen für die Einkommen der Pfarrer. Selbstverständlich bedeuteten die ersten Visitationen nicht das Ende dieses Problems, zumal viele verordnete Zulagen aus den Gemeinden schlicht nicht gezahlt wurden. Johann Gulden, der durch die Visitation 1528 als neuer Pfarrer in Uhlstädt im Saaletal eingesetzt wurde, fasste es folgendermaßen zusammen: [D]i verordente Visitatores (nach dehme sy befunden hetten das di leipliche erhaldung eines pfarrers des ortes sperlich angestelt) etzliche Zulage [eine Wiese, vier Schock Groschen und weiteres, das unter anderem aus Stiftungen stammte, d. Verf.] vorordent, des sich doch bisher di alterleute und das Kirchspil mit etzlichen außzüge Zügebe gewegert haben, und noch nichts geben wollen.93
90 91
92 93
25 Gulden nach Farnroda gereicht; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 384v. Insgesamt sind hier für die thüringischen Gebiete des Kurfürstentums 1.190 Gulden und verschiedene Naturalien ab 1533 aufgeführt. Weitere 814 Gulden wurden ab 1536 gezahlt. Diese Beträge sollten bei der Verwendung der Klostergüter durch die Landesherren nicht vergessen werden. Vgl. weiterhin eine Jahresrechnung über die Zulagen aus dem Jahr 1550/1551 (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2258) und ein Verzeichnis der Zulagen aus den Klöstern Roda und Orlamünde ab Martini 1535 in einer Anweisung an den Neustädter Superintendenten (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 970). Auch in den anderen Protokollen dieses Jahres finden sich viele Klosterzulagen. Vgl. für das Amt Weida LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 7. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 112r. Der Pfarrer von Gaberndorf erhielt sowohl eine Zulage aus seinem Pfarrdorf, aus dem Filialdorf Daasdorf und aus dem Kloster Oberweimar; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 26r–26v. Vgl. oben Kap. I.2. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 262.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Er forderte die Umsetzung der Visitationsordnung. Die Visitation 1533 stellte ebenfalls für verschiedene Orte fest, dass in vorherigen Visitationen bewilligte Zulagen nicht gezahlt wurden. Meist betraf dies wie im Beispiel Zulagen aus dem Vermögen der Kirchenfabrik.94 Diese anhaltende Versorgungsnot und das Wissen um die Möglichkeiten bewegten viele Pfarrer in den folgenden Jahrzehnten, ein Zulagengesuch an ihren Landesherrn zu richten. In den Argumentationen finden sich neben der eigenen Armut und der Baufälligkeit der Behausung auch neue Punkte: Für den Pfarrer von Großenlupnitz führte ein Eisenacher Schultheiß 1529 dessen vor längst ertzeugte Kinder und tochter menner an.95 Ein weiteres Argument lieferte der Pfarrer von Ichtershausen 1535. Wegen der schlechten Versorgung hätte er über die letzten Jahre 30 Gulden Schulden anhäufen müssen, weshalb er um eine Zulage aus dem Ichtershäuser Klostergut bat. Nach Rückfrage der Visitatoren am Hof erhielt er einen Teil einer Vikarieausstattung. Wie in diesem Fall führten einzelne Beschwerden oft zu einer Klärung eines prinzipiellen Sachverhaltes. Die Visitatoren verknüpften ihre Rückfrage mit der Bitte um eine verallgemeinernde Aussage. 96 Die eigene Verschuldung verwendete auch Simon Hartung, Pfarrer in Kapellendorf, 1540 als Argument für eine geforderte Zulage. Er sei bei seiner Einsetzung von den Visitatoren beruhigt worden, dass sich sein Einkommen erhöhen könne. Allerdings sahen die Visitatoren eine weitere Zulage nicht als notwendig an.97 Wenn die Pfarrer auch gute Aussichten auf eine Zulage besaßen, wurde diese nicht prinzipiell gewährt. Bei jeder Frage wurden die Verhältnisse vor Ort geklärt. Nach einem Zulagegesuch des Pfarrers von Eichelborn 1540 wurde der Weimarer Hauptmann angewiesen, dafür zu sorgen, dass ihm wieder Opferpfennige gezahlt würden, wie durch die visitatores bey den umbliegenden dorfschafften geschafft ist und gehalten wierdt.98 Die fehlenden Abgaben und Zulagen aus der Kirchenfabrik spielten auch in den Suppliken weiterhin eine Rolle. Der Molschlebener Pfarrer bat 1539 um eine Zulage, da ihm sechs Gulden von den Alterleuten nicht gegeben wurden. Außerdem fehlten drei Hufen Landes, die inzwischen aus dem Pfarreinkommen 94 Dies betraf etwa Großfahner (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 345v), Großbrembach (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 37r) und Rehmen (ebd., fol. 248v). Der Pfarrer von Großfahner erhielt außerdem noch 1539 eine Zulage aus dem Vermögen zweier Vikarien nicht (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1255). 95 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 439. 96 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 921; vgl. zu seiner Person THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 270. 97 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1470. Zu dieser und weiterer Suppliken Simon Hartungs vgl. STEWING, Kapellendorf, S. 109 f. sowie S. 107, Anm. 59. 98 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1483. Eichelborn war Lehen der Erfurter Ratsfamilie Ziegler. Zu diesen Umständen vgl. Kap. III.9.
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zum Gothaer Stift geschlagen wurden, dem die Pfarrei früher inkorporiert gewesen war.99 Er erreichte zumindest, dass ihm die drei Hufen überlassen wurden. Ganz ähnlich unterstützten einige Gemeinden Zulagegesuche ihrer Pfarrer – und das aus zwei Gründen: Sie hofften erstens, weniger selbst beitragen zu müssen, und zweitens wussten sie um die schlechte Ausstattung ihrer Pfarrei. Sie waren besorgt, ob sie überhaupt einen Pfarrer fänden, der für einen geringen Lohn zu ihnen ziehen würde. Hier zeigt sich das Interesse der Gemeinden, ihre Kirche und einen Pfarrer zu behalten und dafür die Voraussetzungen zu schaffen. Die schlechte Ausstattung ihrer eigenen Stelle führte folgerichtig auch dazu, dass Pfarrer mit einer Supplik um Versetzung baten.100 Aus den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts haben sich ebenfalls einige Gesuche erhalten.101 Diese anhaltenden Probleme führten schließlich zu einer erneuten flächendeckenden Bearbeitung dieser Frage: dem Bewidmungswerk. In dessen Zuge sollte unter anderem auch der Umgang mit den Pfarrländereien untersucht werden. War es nicht besser, diese zu verpachten, um dem Pfarrer die zeitliche und materielle Last ihrer Bewirtschaftung zu ersparen?102 Ebenso wurden erneut Zulagen aus der Gemeinde herangezogen. Da bereits negative Erfahrungen mit der Zahlungsmoral der Bevölkerung in diesen Fragen gemacht wurden, wurden lokale Exemplare der Regelungen ausgestellt,103 die den Alterleuten im Amt verlesen wurden.104 Selbstredend stellten auch die Verfügungen des Bewidmungswerkes keinen finalen Zustand dar. Eine Vorstellung über die mannigfachen Beschwerden gegen 99 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Specialia, Amt Gotha 256. 100 So bat der Pfarrer von Tromsdorf 1536 um die Pfarrei Großrudestedt (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 998) und der Pfarrer von Immelborn bat 1544 um eine Kaplanei in Salzungen, da er seine Kinder nicht ernähren könne; einen Sohn hätte er bereits zum Studium nach Wittenberg geschickt (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 715). 101 1549 schlug der Pfarrer von Heilingen verschiedene Punkte vor, wie sein Einkommen gebessert werden könnte (LATh–HStA Weimar, Reg. Ll 385). Beachtung verdient die Gewährung einer Zulage für Johann Salzmann, Pfarrer zu Brüheim, im Jahr 1550. Dem armen, alten, schwachen Priester wurden Geld und zwei Malter Getreide aus dem Gothaer Stiftsgut gewährt. Salzmann lässt sich bereits im Jahr 1501 als Pfarrer des benachbarten Eberstädt nachweisen und hatte auch verschiedene Vikarien in der Umgebung inne; vgl. oben Kap. I.2 und I.4.3. Er stellt somit ein hervorragendes Beispiel für die Kontinuitäten in einigen Pfarrämtern, über die frühe Reformation hinweg, dar. 102 BURKHARDT, Visitationen, S. 217‒224. 103 Ein solches hat sich für Burgau erhalten; Archiv der evangelisch-lutherischen Kirche Jena, Bewidmung Burgau 1551. 104 So findet es sich in einer Kirchenrechnung aus Ammerbach: iiii gr. vortzert, Im Ampt gewest, als man die Erblich bewidmung der pfarhern uns hat furgelesen; Archiv der evangelischlutherischen Kirche Jena; Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602, fol. 39r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
einzelne Regelungen vermittelt ein Katalog über die Gebrechen der Gemeinden um Jena von 1551.105 Außerdem zogen die Schwierigkeiten, in die die Ernestiner gegen Ende der 1540er Jahre geraten waren, diese Unternehmung in die Länge.106 Die Klärung der Pfarreinkommen blieb über das gesamte 16. Jahrhundert ein dauerndes Verhandeln.107 Die Visitation von 1533/1534 hatte die schlimmsten Mängel beseitigen können, ohne langfristige Lösungen zu präsentieren.
2.3. Pfarrwitwen Die Probleme der Versorgung der Pfarrer übertrugen sich im Todesfalle natürlich in verstärktem Maße auf ihre Ehefrauen. Diese waren nun im Gegensatz zu den vorreformatorischen Pfarrköchinnen auch rechtlich mit den Pfarrern verbunden und sozial von ihnen abhängig. Jedoch gab es kein Handwerk und keinen Hof, dass sie von ihrem Mann übernehmen konnten, wie es sonst in der Gesellschaft durchaus üblich war. Die bewirtschafteten Ländereien der Pfarrei konnten freilich nicht vererbt werden, sodass die meisten Pfarrer ihren Familien kein Auskommen hinterlassen konnten. Kam ein neuer Pfarrer in das Dorf, musste die Witwe seines Vorgängers nach einer eingeräumten Gnadenzeit das Pfarrhaus räumen und konnte sich oft für sich und eventuelle Kinder keine Ersatzunterkunft leisten. 108 In den Quellen hat sich dieser Sachverhalt in erster Linie in Bittschriften dieser Witwen niedergeschlagen.109 Margarethe Reichardt, Witwe des 1548 verstorbenen Pfarrers von Molschleben, bat 1550 zunächst darum, dass die Gemeinde die Pfarrländereien versorgen solle, bis ein neuer Pfarrer gefunden sei. Sie hätte die Versorgung der Gemeinde mit Predigten und Sakramenten auf eigene Kosten sichergestellt; also wahrscheinlich einen anderen Geistlichen für eine Vertretung entlohnt.110 Ein weiteres eindrückliches Beispiel stammt aus dem Jahr 1555 von der Pfarrwitwe in Dienstädt, die sich selbst als verkrumbt und verlamt sowie als kröpel bezeichnet. Sie könne für sich und einen Knaben keinen Lebensunterhalt verdienen und finde keine Freunde, die ihr zu helfen bereit wären. In einem Hagel, unter dem Dienstädt gelitten hatte, sah sie eine Strafe Gottes für diese Zurückhaltung.111 Nachdem der Schosser des Amtes ihre Behinderung bestätigt hatte, erhielt sie zehn 105 106 107 108
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2277. BURKHARDT, Visitationen, S. 223 f. Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 121. Vgl. KARANT-NUNN, Pastors, S. 35. Vgl. allgemein den ideologischen Klassiker der älteren Forschung WERDERMANN, Pfarrfrau. 109 Ebd., S. 35 f. 110 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Specialia, Amt Gotha 219, fol. 26r–27r. 111 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 179, fol. 1r–1v.
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Gulden vom Hof, wie aus einer weiteren Supplik aus dem Jahr 1558 hervorgeht. Eine zusätzliche Gabe von einem Scheffel Korn verband Johann Friedrich der Mittlere mit der Bitte, ihn in Zukunft mit Gesuchen zu verschonen.112 Bereits die frühen Visitationen sahen sich mitunter vor die Frage der Witwenversorgung gestellt. In Wenigenjena wurden dem nachgelaßnenn weybe die Hälfte des jährlichen Einkommens und eine geringe Entschädigung für ihren in einem Weinberg geleisteten Aufwand zugestanden.113 In diesem Fall war das Geld eher verfügbar, da Wenigenjena in derselben Visitation 1533 der Stadtpfarrei Jena zugeschlagen wurde. Die starke Zunahme dieser Fälle führte schließlich auch zu einem Niederschlag in den Kirchenordnungen. 1554 wurde für die ernestinischen Gebiete eine umfangreiche Festlegung getroffen, noch deme sich auch durch absterben der alten pfarher zwischen den nauen und der vorstorbenen weiber und kindern vil irrung zugetragen, indeme das man etzliche pfarren vor einem halben oder ganzen jare mit keinem andern zuvorsehen.114 Die Abstimmungen führten also auch zu Schwierigkeiten bei der geistlichen Versorgung der Untertanen, weshalb nun die Superintendenten für eine beschleunigte Neubesetzung und einen billigen Vergleich zwischen der Witwe und dem Nachfolger binnen eines Monats sorgen sollten. Meist hatten die Nachfolger der verstorbenen Pfarrer den Aufwand zu tragen, da sie die Witwen aus ihren Einkommen auszahlen mussten. Zu einer einheitlichen, tragfähigen Lösung fanden die Visitationen in dieser Frage nicht. Es blieben Einzelfallklärungen nach den jeweiligen Umständen.
2.4. Verhältnis zwischen Gemeinde und Pfarrer Wie in der Vorreformationszeit wurde das Verhältnis zwischen Gemeinde und Pfarrer oft durch wirtschaftliche und praktische Fragen bestimmt. Stand auf der einen Seite das geschilderte Problem des Pfarreinkommens, war es auf der anderen Seite der alltägliche Umgang auch außerhalb der Kirche, der die Verbindung belasten konnte.115
112 Ebd., fol. 9r. 113 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 131v. 114 EKO 1, 1, S. 226. Fast wortgleich in der albertinischen Ordnung aus dem darauffolgenden Jahr: EKO 1, 1, S. 309 f. 115 Vgl. JADATZ, Land, S. 205; zu einem anderen wettinischen Gebiet: POLLACK, Oberlausitz, S. 17–31. Trotz verschiedener verfassungsrechtlicher und regionaler Unterschiede ähneln sich die Prinzipien. Ebd. auch eine sehr interessante Untersuchung der sozialen Herkunft der Pfarrer und ihrer Ehefrauen sowie die sich entwickelnden „Heiratsnetzwerke“ der protestantischen Geistlichkeit. Vgl. ferner die auf exzellenter Quellenbasis
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Neben den anhaltenden Zahlungsverweigerungen und der Frage der Zulagen zeigen die frühen Visitationsprotokolle, dass es in vielen Orten Streit zwischen einem Pfarrer und Bauern um Grundbesitz gab.116 Wie immer in der ländlichen Gesellschaft Thüringens stellten freilich auch Triftrechte ein Streitmotiv dar.117 Die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Pfarrer und Gemeinde erstreckten sich aber auch auf die Leistungen, die die Bauern für den Pfarrer erbrachten. Die Visitationen verstärkten solche Dienste gegenüber der Vorreformationszeit eher noch. In Hochdorf und Neckeroda bei Blankenhain wurde das Pflügen der Pfarrländereien als Fronleistung neu eingeführt.118 In Guthmannshausen sollte die Gemeinde die Nutzung ihres Brauhauses durch den Pfarrer gestatten. Dieser sollte sein Bier auch der Dorfschenke verkaufen dürfen. 119 Der anscheinend alleinstehende Pfarrer von Pferdingsleben sollte den Frauen der Gemeinde während deren Arbeiten am Pfarrhaus etwas zu essen geben: So arbeyten sie dann desta fruliger.120 Die zunehmende Verbindung zwischen Pfarrer und Gemeinde zeigt sich auch in den Spesen, die die Kirchenfabrik nun für den Geistlichen übernahm. Dazu gehörte etwa das in den Kirchenrechnungen genannte Abholen eines neuen Pfarrers und der Transport seines Hausrates in das Pfarrhaus: [Z]ufhurlohn und unkust do wir habe den nheuen pffharrer eingefurth.121 Neue Pfarrer erhielten mitunter auch ein Willkommensgeschenk. 122 Wenn ein Pfarrer zum Superintendenten bestellt wurde oder einen anderen dienstlichen Weg hatte, erhielt er von den
116
117
118 119 120 121
122
beruhende Studie von Ralf Kirstan zur Lebenswelt eines Dorfpfarrers im südlichen Niedersachsen; KIRSTAN; Letzner. 1528 schrieb ein Einwohner von Großenlupnitz an Kurfürst Johann. Er konnte vertraglich beweisen, dass er verschiedene Pfarrländereien auf Zins übernommen hatte. Allerdings erkannte der Pfarrer die Verträge nicht an; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 267. In Gumpelstadt gab es einen Streit zwischen dem Pfarrer und einem Einwohner um eine Wiese; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 81v. So etwa zwischen der Gemeinde Ballstädt und dem Pfarrer von Eschenbergen (LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 198r) oder zwischen den Gemeinden Tonndorf und Tiefengruben mit dem Pfarrer von Tonndorf (StAE, 1-0/B, I-1, fol. 25r). LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 188v–189v. Ebd., fol. 45v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 310v. PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 65v (1555). Ebenso 1566 in Tautenburg; PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 89v. Im schwarzburgischen Niederwillingen bezahlten die Alterleute 1533 de furleude do sy den pfaffen geholt haben; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5683, fol. 3r. So etwa 1564 in Langewiesen; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5260, fol. 7r.
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Alterleuten eine Wegzehrung. 123 Stellten die Visitatoren in einem Ort ein schlechtes Verhältnis zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde fest, versuchten sie zunächst es zu bessern. Zu Reinhardsbrunn wurde 1533 festgehalten: Als zwischen dem pfarrer, fursteher, gemeind und schulmeister zu Fridrichroda, sich etliche Irrung aus bittern worthen erreget und gehalten, Also seind sie durch Cristliche erinnerung dahin geweiset, das sie einander alles was sich bis anher zugetragen umb gottes willen vorzihen, und sich hinfurdar freundlich und fridlich unteinander zubegeben zugesagt haben.124
Selten wurde auch der Pfarrer aufgefordert, in einem Streitpunkt zurückzuziehen.125 War die Situation zu verfahren, konnte dem Pfarrer deshalb die Aufgabe der Pfarrstelle gestattet werden. Dies geschah 1533 gleichzeitig in Aspach bei Gotha und seinem direkten Nachbardorf Trügleben.126 In den folgenden Jahren änderte sich an dem umfangreichen Konfliktpotential nur wenig. Die vielen gegenseitigen Beschwerdeschriften, die sich vor allem im Ernestinischen Gesamtarchiv erhalten haben, deuten die ursprüngliche Zahl solcher Suppliken nur an. In den Pfarrbeschwerden finden sich freilich auch Problempunkte, die nicht die Gemeinde, sondern die jeweilige Pfarrorganisation betreffen. Beispielsweise beschwerte sich der in der Visitation 1528 eingesetzte Pfarrer von Burgau im selben Jahr darüber, dass er jeden Sonntag in drei Dörfern zu früher Tagzeit das Evangelium predigen müsse, was selbst in Eile sehr schwierig sei.127 In überwiegender Zahl richten sich die Beschwerden aber gegen die Gemeinde oder die Niederadligen.128 Aussagekräftig sind vor allem die Aufstellungen der Pfarrer über all ihre Schwierigkeiten, hier werden die bereits beschriebenen materiellen Probleme im Zusammenhang genannt. 1533 beschrieb der Pfarrer von Wittchendorf bei Weida seine Probleme. Von seinem Einkommen fehlten neben kleineren Posten zehn Schock Groschen wegen eines Grundstreits mit einem Bauern und eine Wiese, die die Bauern vermieteten, um das Geld zu vertrinken. Das baufällige Pfarrhaus könne er von seinem Einkommen nicht sanieren.129 Er erbat eine Aufbesserung seines Einkommens, da er 123 1548 in Dienstädt; PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 30v. 1571 in Riethnordhausen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3177, fol. 10r. Der Pfarrer von Lippersdorf erhielt 1564 eine Zehrung für seine Ordination; PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 90. 124 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 266v; Wahrscheinlich gelang dies, da der Pfarrer bis zu seinem Tod 1564 in Friedrichroda blieb. Seine Grabplatte hat sich erhalten; THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 195. 125 Der Pfarrer von Melborn sollte einen Anspruch auf eine Abgabe auf sich bewenden lassen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 115r. 126 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 240v–242v. 127 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 83. 128 Vgl. Kap. III.7 dieser Arbeit. 129 Zu dieser Frage vgl. Kap. III.2.5 dieser Arbeit.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
drei Kinder ernähren müsse und Gott ihm mit seinem Weyb Ein gros Kreuzs auff geleget.130 Bereits an dieser Stelle erscheint ein quellenkritisches Problem: Kann man die Berichte der Pfarrer für bare Münze nehmen? Da sie um die Möglichkeiten einer Aufbesserung ihres Einkommens wussten, waren die Schilderungen stets mit der Bitte um eine Zulage verbunden. Dabei stiegen die Aussichten, wenn ihre Lage drastischer erschien. Der Pfarrer von Gossel listete 1545 seine Einkommensverluste und weitere Probleme auf. Über seine Pfarrkinder verlor er dabei kein gutes Wort. Die Bauern vor dem Wald hätten seit dem Bauernkrieg schier selbst visitiert und Pfarrgüter eingezogen, wie sie wollten. Sie wüssten, dass genügend Pfarrer gezwungen seien, auch eine Pfarre mit niedrigem Lohn anzunehmen.131 Er schloss: Es ist warlich fur dem walde grob unbendigk volck, sonderlich hier zu Gossel.132 Die Beschwerdepunkte an sich sind glaubhaft, wie die vorangegangenen Kapitel zeigten, die Form der Beschwerdepunkte nimmt jedoch beinahe die Form von Topoi an. Zumindest sind die Suppliken mit Vorsicht zu betrachten. Eine Klage des Pfarrers von Eckolstädt aus dem Jahr 1551 verdeutlicht dies. Dieser hätte sein Dorf nach Übernahme der Pfarrstelle sechs Jahre zuvor ganz abgottisch unnd papistisch vorgefunden. Es hätte ihm den Hass der Pfarrkinder gebracht, dies auszurotten. Gern würden sie den Papismus wieder einrichten, weshalb sie ihm Zahlungen vorenthielten. Weiterhin verachten sie Gottes Wort. Während des Katechismus tantzet, pfeiffet, spilt und seufft man. Wenn sich die Gemeinde in Naumburg bei dem Dompropst beschweren würde, wozu der Ort gerichtlich gehöre, würde dieser wohl einen Papisten einsetzen, was ein großer Schaden für das Evangelium wäre. Nach dieser Selbstdarstellung als evangelischem Vorkämpfer schließt er mit der Feststellung, dass eine kleyne Zulage ihn das Amt freudiger und fleißiger abhalten ließe.133
130 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 700. Weitere Pfarrsuppliken wegen Einkommensproblemen z. B.: LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1054 (Seitenroda 1537) und LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1276 (Taupadel 1539). 131 Dieses Argument ist stark in Frage zu stellen. Dagegen sprechen die Berichte des Myconius (siehe oben) und auch die Darstellung verschiedener Gemeinden. 1533 stellte die Gemeinde Würschnitz fest, dass ihr Pfarrer wegen verschiedener Streitpunkte bald eine andere Pfarre annehmen könne, sie aber keinen Ersatz finden würden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 666. 132 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Ichtershausen 140a. Nicolaus Ottonis hatte erst in diesem Jahr die Pfarrstelle Gossel bezogen, sodass er wohl wie Heinrich Tholde in Herda zu Beginn die Einnahmen der Pfarrei ordnen wollte. Er blieb bis zu seinem Tod 1564 Pfarrer in dem Dorf; THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 520. 133 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2277, fol. 12r ff.
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Allgemein übernahmen die Pfarrer in der entstehenden Landeskirche eine bedeutende Rolle in der Sozialdisziplinierung. 134 Sie berichteten den Superintendenten, den Visitatoren oder direkt dem Hof über die Zustände in ihrem Dorf, nannten Missstände und stellten sich so implizit selbst als Schützer der Moral dar. Dies nahm deutlich zu. In den späteren Visitationen sind solche Berichte normaler Bestandteil der Beschreibungen der Pfarrer. Ein schönes Beispiel, das außerdem zeigt, dass dieser Prozess die kleineren Herrschaften ebenso wie die wettinischen Gebiete betraf, liefert ein Visitationsprotokoll der reußischen Herrschaft Gera aus der zweiten Hälfte der 1560er Jahre. Zu beinahe jedem Dorf finden sich hier Schilderungen über die fehlende Teilnahme am Sakrament, das Spielen und Saufen, die fehlende Verwaltung der Kirchenfabrik oder auch Verbrechen der Dorfbewohner.135 Wenngleich die Pfarrer meist pauschal von der Gemeinde berichteten, gibt es auch Beispiele, die das Denunzieren einzelner Bewohner zeigen. 1571 berichtete der Pfarrer von Tonndorf über einen Einwohner des Filialdorfes Nauendorf. Hans Schmied sei ein gottloser, verrückter Mann, der schlemme, prasse, saufe und gräuliche Gotteslästerung betreibe. Nachdem das öffentliche Verurteilen dieses Verhaltens von der Kanzel nichts geholfen habe, bat der Pfarrer den Nauendorfer Junker, Heinrich von Bünau, ihn zu bestrafen. Dieser habe sich jedoch geweigert und sei inzwischen beim Schlemmen mit Hans Schmied gesehen worden. Weitere Untaten des Letzteren waren das Anstiften zu Schmähliedern auf Gottes Sohn und zu einem Mord an einem Unschuldigen sowie selbstsicheres Auftreten. Inzwischen wolle der Junker einen neuen Prediger beschaffen.136 Natürlich behandelte der Großteil solcher Berichte nicht solch drastische Vorgänge; Gotteslästerung, Missachtung der Sakramente, erhöhter Alkoholverbrauch und kleinere Verbrechen waren aber übliche Punkte. Die Beziehung des Pfarrers zur dörflichen Gemeinde musste vor diesem Hintergrund distanzierter werden. Allerdings existieren keine Beschwerden der Gemeinden über diese Denunziationen. Im oben erwähnten Visitationsprotokoll der Herrschaft Gera zeigten sich die meisten Gemeinden mit ihren Pfarrern ausdrücklich zufrieden. Dies liegt jedoch in den erhaltenen Quellen selbst begründet, da Beschwerden kaum an den Nutznießer dieser Berichte zu richten gewesen wären. Dennoch empfanden die Einwohner der Dörfer die moralische Kontrolle durch den Pfarrer wohl als normal. Mehr noch: Einige Gemeinden drehten den Spieß um und beklagten den 134 Vgl. KÖHLE-HEZINGER, Pfarrvolk, S. 254‒257; SCHIRMER, Entmündigung, S. 180 f., S. 190–193, der auch auf die Relevanz der wegfallenden Sendgerichtsbarkeit für diese Entwicklung aufmerksam machte. 135 StAG, III B, 19334. 136 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 792.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Lebenswandel ihres Pfarrers. Das Verhältnis zwischen Gemeinde und Pfarrer musste auch dadurch belastet werden. Zeigten die bisherigen Beispiele die üblichen Kritikpunkte des Pfarrers gegen die Gemeinde, gibt es ebenso eine Vielzahl Quellen, die die andere Seite der Medaille abbilden. Die Gemeinden verwiesen sehr häufig auf ihre Armut, die weitere Abgaben an den Pfarrer nicht gestatten würde. Die Dörfer der Pfarrei Saara im Altenburger Land sahen 1529 ihren Pfarrer im Vergleich mit anderen ohnehin überreich begabet.137 Neben dem Einkommen bot die Lehre des Pfarrers Grund zur Klage. Die Beschwerden der Gemeinden über dieses Thema rissen mit den ersten Visitationen keineswegs ab.138 1533 beschwerte sich die südöstlich von Gera gelegene Gemeinde Wolfersdorf über ihren Pfarrer. Dieser wäre nicht immer vor Ort, würde das heilige Sakrament zu unbekannten Zeiten, auch nachts, abhalten, würde die Pfarrländereien verkommen lassen und die Messe nicht wie üblich, nicht wie an andern orternn Im furstenthum halten.139 Sollte er dies erfüllen, würden sie ihm Zehnt und Zinsen komplett zahlen. Allerdings müsse er sich auch um das Pfarrhaus und die Bewirtschaftung der Ländereien kümmern. Die ‚übliche Messe‘ wird in den dörflichen Beschwerden öfter genannt. Die Gemeinden waren gut über die Zustände in anderen Orten informiert und meldeten, wenn ihr Pfarrer sich unüblich verhielt. 1533 forderten die Bauern von Haselbach die reine Predigt. 140 1549 beschwerten sich die Dörfer der Pfarrei Uhlstädt bei Rudolstadt, dass ihr Pfarrer die Predigten nicht wie in anderen Orten und nicht wie ihm die letzte Visitation auferlegt hatte halte.141 Über den Zeitpunkt des Gottesdienstes beschwerte sich auch die Gemeinde Gräfenwarth: Die Predigt werde nicht zu bequemer Zeit mitgeteilt, sondern, dass der Kaplan tzu morgens kombt, do noch etlich leuth yn betten lygen, auch kein bewost davon haben, etliche tzeit
137 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 311, fol. 2r–3r. Weiterhin existieren viele Gemeindesuppliken, die den Streit um bestimmte Elemente des Pfarreinkommens differenzierter sehen lassen. Oft widersprachen sich die Darstellungen, sodass die herrschaftliche Verwaltung zunächst eine Einschätzung von Superintendenten oder Amtsleuten einholen musste. Vgl. die Anfrage der ernestinischen Kanzlei an die Superintendenten von Zwickau und Weida 1545 wegen verschiedener Streitpunkte in Teichwolframsdorf; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2006. 138 Vgl. Kap. III.8 dieser Arbeit. 139 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 663, Bl. 1r‒1v. 140 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 667. 141 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2207, Bl. 2r‒2v. Anscheinend ging eine Prüfung des Pfarrers von Bösleben im Jahr 1546 wegen Irrlehren und verdächtiger Artikel, die dieser von der Kanzel gepredigt haben sollte, ebenfalls auf eine Supplik der Gemeinde zurück; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2126.
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kombt ehr nachmittag und etliche mal bleibt ehr gantz ausßen.142 Solcherlei Beschwerden führten neben der genauen Prüfung des jeweiligen Falles zu einem Problembewusstsein.143 Beispielsweise findet sich in der ernestinischen Visitationsinstruktion von 1569 ein Passus, dass die Visitatoren sonderlich darauf sehen, das die pfarrkinder, die auf den zugehörigen filialen wohnen, nicht zu unbequemer zeit besucht werden.144 Die Gemeinden machten auf schwarze Schafe unter den Pfarrern aufmerksam und trugen so einen Teil zur flächendeckenden Beseitigung von Abweichungen in der Lehre bei. Fehlverhalten der Pfarrer, die sich bereits in den frühen Visitationen fanden, werden auch in den nachfolgenden Jahrzehnten in den Suppliken genannt. Es konnte vorkommen, dass auch der Pfarrer den Grundbesitz der Pfarre zweckentfremdete, weshalb dem Pfarrer von Bremsnitz 1533 auferlegt wurde, das Pfarrholz nicht zu verkaufen.145 Der Pfarrer von Uhlstädt wurde an seine Verpflichtung zum Katechismus erinnert und sollte für Taufen und Begräbnisse keine Abgaben fordern. Er sollte außerdem nichts am Pfarrhaus einreißen und sein gebrautes Bier nicht ausschenken.146 Im selben Dorf wurden 1549 erneut Beschwerden über den Pfarrer laut. Der Pfarrer nutzte ohne Erlaubnis die Kirchenländereien, hielt wochenlang keine Predigten, wolle nicht einmal Schwangeren das Altarsakrament reichen und hätte außerdem Möbel des Pfarrhauses zerschlagen und verheizt.147 Wenn sie ihre Interessen verletzt sahen, beschuldigten die Bauern ihren Pfarrer ebenso für dessen Verhalten. Das konnte etwa dessen Lebensführung betreffen. 148 Die Bauern eines Dorfes im Vogtland formulierten es 1533 wie folgt:
142 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 855. Wichtig zu betonen ist, dass Gräfenwarth zu dieser Zeit noch durch einen Kaplan aus dem Kloster Saalburg versorgt wurde, was wohl erheblich zu den Mängeln beitrug. 143 Leider sind in vielen Fällen die getroffenen Entscheidungen nicht überliefert. 144 EKO 1, 1, S. 243. 145 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 335r. 146 Ebd., fol. 263r–264v. 147 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2207. Trotz der Beschwerden blieb Johann Ziegler Pfarrer in Uhlstädt und erhielt in der Visitation 1554 die positive Einschätzung, dass er christlichen Wandels sei; THÜRINGER PFARRERBUCH 6, S. 533 f. 148 Dass die entstehenden Landeskirchen sich häufig mit solcherlei Beschwerden beschäftigen mussten, zeigt etwa der Bericht der thüringischen Superintendenten an den albertinischen Herzog Moritz 1541. Demnach beschwerten sich Alterleute und Kirchner meist über Pfarrer, die ihr Amt schlecht verwalteten und ein unordentliches Leben führten. Die Pfarrer kritisierten in vielen Fällen die schlechte Teilnahme an Gottesdienst und Kinderlehre sowie die geringen religiösen Kenntnisse in der Bevölkerung; WARTENBERG, Landesherrschaft, S. 123 f., Anm. 89 sowie S. 127.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
[I]st vor augen, das er mergklich unnd unordenntlich hawß heltt dy weill dy heilige Schrifftt offentlich sagtt, Ein gutterr hauß halderr ist auch ein getreurr Selh sorgerr, wy kann er ein gutter trewr selh sorger sein, dy weill er In der Hawß haldung so leslich und schedlich befund wirtt.149
Oft waren aber schwerere Vergehen der Auslöser. Zwei Brüder, wohnhaft zu Sundhausen bei Langensalza, beschwerten sich 1530 bei Herzog Georg von Sachsen, dass ihr Pfarrer ihre lahme und behinderte Schwester vergewaltigt hätte.150 Die Gemeinde Dachwig war mit dem Charakter ihres Pfarrers unzufrieden, der die Atmosphäre im Dorf belastete. Nach dem Evangelium sprach er von fremden Sachen und fing bei Widerworten ein getzengk, geschelt, gelester an, sodass das Volk über seinen Zorn die Botschaft des Evangeliums vergesse.151 Etliche würden zwar über ihn lachen und spotten, doch der unfreuntlich zornigk storrisch mann wurde vor allem zum Problem, wenn er getrunken hatte. Dann fing er im Feld Streit an, weshalb die Bauern wünschten, ihre Äcker lägen nicht neben denen des Pfarrers. Betrunken lästert er auch über Superintendenten und Visitationen und nun hatte er jüngst in der Schenke einen Mann mit einem Brotmesser angegriffen. In einem Verhör berichteten sie Friedrich Myconius, dass sie deshalb bereits drei Suppliken an den Kurfürsten geschrieben hätten. Nachdem Myconius nun dem Kurfürsten berichtete, erging aus der Kanzlei die Erlaubnis, wegen der Schwere des Falles den Pfarrer in Dachwig auszutauschen, selbst wenn man nicht jeden Pfarrer wegen der Aussage einiger Leute entlassen könne. Dies zeigt die Schwierigkeiten einer Gemeinde, gegen ihren Pfarrer vorzugehen. Nachdem drei Suppliken im Sande verliefen, wurde ein Wechsel im Pfarramt nur ausnahmsweise gestattet. Überdies besaßen die Pfarrer wie in der Vorreformationszeit noch immer ein Druckmittel: die geistliche Versorgung. Zwar unterstanden sie durch die entstehende Landeskirche einer größeren Kontrolle, doch einige Fälle zeigen, dass Pfarrer nicht davor zurückschreckten, auch wegen Kleinigkeiten den Bann anzuwenden. In Nischwitz bei Ronneburg bannte der Pfarrer 1557 drei Einwohner und verweigerte ihnen das Sakrament. Auslöser war ein Schappel, das zunächst vermisst, später aber wieder aufgefunden wurde. Im Verlauf der Untersuchung, die durch eine Supplik der Betroffenen zustande kam, offenbarte der Pfarrer den Grund seiner drastischen Maßnahme. Einer der Gebannten hatte angeblich im Wasser gesehen, wer das fehlende Stück hat und seine Frau sei zu einer Wahrsagerin nach Lichtenstein gegangen. Der Pfarrer konnte diese und andere Zauberei nicht mehr ertragen. Im Gegenzug 149 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 666. 150 ABKG III, Nr. 1902, S. 312. 151 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 175. Zu seiner Person vgl. PFARRERBUCH KPS 1, S. 404. Andreas Blumenschein oder Blumenstein war ein ehemaliger Mönch, der nach einem Streit mit dem Junker in Großfahner 1539 nach Dachwig versetzt wurde. Dort blieb er aber bis zu seinem Tod 1554.
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wurde dem Pfarrer Unzucht mit etlichen Weibern und die Vertuschung davon mit Schweigegeldern vorgeworfen. Außerdem würde er Tag und Nacht in Schenkhäusern liegen. Durch fürstlichen Befehl wurden die Einwohner aus dem Bann entlassen und der Ronneburger Amtsverweser Christoph von Auerswalde sowie der Weidaer Superintendent strengten eine Untersuchung über die Zauberei an.152 War die Bekämpfung des magischen Glaubens in der Bevölkerung durchaus im Sinne der Landeskirche, zeigt ein anderer Fall deutlich den Missbrauch der Amtsgewalten durch einen Pfarrer. Im Jahr 1560 verweigerte der Pfarrer von Graitschen der Frau und dem Sohn des örtlichen Müllers die Beichte und die Absolution. Er befand sich in einem Streit mit dem Müller, der an der Überflutung einer Wiese des Pfarrers Schuld haben sollte. In einer Untersuchung durch den Jenaer Schosser und den Jenaer Superintendenten gestand der Pfarrer allerdings ein, dass sein Verhalten unverhältnismäßig war und Frau und Sohn des Müllers keine Schuld hatten.153 Diese Beispiele wurden nur durch die umfangreichen Untersuchungen publik und fanden ihren Niederschlag im landesherrlichen Archiv. In vielen weiteren Fällen dürften Pfarrer der Verlockung nicht widerstanden haben, ihre Amtsgewalt als Druckmittel für ihre Interessen zu verwenden. Den Bauern blieb auf der anderen Seite in Streitfällen ebenso nur dasselbe Druckmittel wie in der Vorreformationszeit: das Pfarreinkommen. Somit schloss sich der Kreis erneut mit Verweigerungen der Abgaben. Das moralische Fehlverhalten der Pfarrer hatte eine sehr große Bandbreite. Abschließend soll auf einen Bericht des Weimarer Superintendenten und des dortigen Schossers über Vorkommnisse um den Pfarrer zu Gaberndorf aus dem Jahr 1549 eingegangen werden, 154 die wie eine literarische Groteske wirken. Wegen eines Streites des Pfarrers mit einigen Gaberndorfer Bauern wurden alle Parteien zur Klärung nach Weimar gebeten. Dort kam der Pfarrer bezecht aus einem Bürgerhaus, als er auf dem Weg zur Superintendentur auf einen der Gaberndorfer Bauern traf. Er nannte ihn einen Schelm, dip unnd boßwicht. Am Erfurter Tor warf er einen Sack mit Fischen umher und stach fluchend mit einem Spieß darauf ein. Als er dort die anderen Kläger zu Gesicht bekam, zog er eine Feuerbüchse und forderte sie zu einer Schlägerei auf. Als diese darauf nicht eingingen, bedrohte er sie mit der Schusswaffe und nahm sie in einer Scheune als Geiseln. Es gelang anderen Leuten, ihn davon abzubringen und zum Heimweg 152 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 623. 1561 wurde der Pfarrer wegen des Versuches, eine Frau zum Ehebruch zu verleiten, abgesetzt; THÜRINGER PFARRERBUCH 6, S. 432. Vgl. SCHIRMER, Zauberin, mit einem Beispiel zur Zauberei. 153 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2775. 154 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2208.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
nach Gaberndorf aufzufordern. Aber ungeacht alles seines Mutwillens konnten die Parteien vertragen werden. Dennoch stehet zubesorgenn, wie ehr selbsten bekenth, wan er eynenn Trunck habe, das ehr nicht wisse, was er thue.155 Obwohl der Superintendent und der Schosser wegen weiterer Klagen Sorge hatten, dass er bald jemandem einen Schaden zufüge, lautete die Anweisung aus der Kanzlei lediglich, den Pfarrer erneut einzubestellen und ihm das fürstliche Missfallen auszurichten. Für die Dorfpfarrer galten noch weit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht zwingend höhere moralische Ansprüche. Solcherlei Vergehen und auch Straftaten wurden prinzipiell geprüft und verhandelt. Ehe ein Pfarrer aus einem Amt entlassen wurde, mussten wiederholt schwere Vergehen gemeldet werden. Dabei war wichtig, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Pfarrer und Gemeinde war und ob sich der Pfarrer in der Lehre verdächtig zeigte. Prinzipiell wurden die Pfarrer bei Fehlverhalten lange Zeit ermahnt. Erwies sich der Zustand in einer Gemeinde als untragbar, wurden Pfarrer eher versetzt als prinzipiell aus dem Pfarramt entfernt.
2.5. Pfarrhaus Die verschiedenen Interessen eines Pfarrers und einer Gemeinde lassen sich exemplarisch deutlich an dem Streit um das Pfarrhaus und dessen Unterhaltung zeigen. In dieser Frage änderten die Visitationsordnungen alte Gewohnheiten, was auch langfristig zu vielen Meinungsverschiedenheiten führte. In vorreformatorischer Zeit gab es keine festen Regelungen. Die Baulast lag eher beim Pfarrer, der sich zumindest zur ordnungsgemäßen Verwaltung und Unterhaltung des Pfarrhauses und -hofes verpflichten musste. Zwar sorgten sich auch einige Gemeinden um die Behausung, doch öfter finanzierten Pfarrer Bauarbeiten.156 Dies sollte sich bereits mit den ersten Visitationsordnungen ändern, die eine feste Regelung anstrebten: Die Gemeinden wurden verpflichtet, für die Baukosten aufzukommen.157 Diese Maßnahme erzeugte in den folgenden Jahrzehnten viel Konfliktpotential. In der Visitationsinstruktion von 1532 erfährt die Regelung aber eine bedeutende Einschränkung: Wenn die Gemeinden dazu finanziell nicht in der Lage wären, sollte geprüft werden, woher die Gelder für einen Neubau des Pfarrhauses genommen werden könnten. Dies betraf auch das 155 Ebd. 156 Vgl. oben Kap. I.2. 157 EKO 1, 1, S. 145 f. Hier bereits mit dem Hinweis, dass der Kurfürst in Extremfällen eine Hilfe zum Bau, z. B. Holz, geben kann. Für das albertinische Gebiet: EKO 1, 1, S. 283, S. 286. Vgl. KÖHLE-HEZINGER, Pfarrvolk, S. 250‒252; KARANT-NUNN, Pastors, S. 32 f.; WEISS, Landschafft, S. 66.
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Pfarrgut.158 Und weiter: Was aber daruber tegliche zufellige noturft und die gemeine besserung als an ofen, fenstern, thüren, dachung und anderm dergleichen belangen thut, […], soll durch ainen iden pfarrer […] in wesen unterhalten werden.159 Diese Neuerung im Vergleich zur Instruktion von 1527 ist wohl nur darauf zurückzuführen, dass bei den ersten Visitationen festgestellt wurde, dass viele Gemeinden nicht in der Lage waren, die kompletten Kosten für das Pfarrgut zu tragen, bzw. dass die Gesandten vieler Gemeinden in der Visitation selbst auf ihre Interessen aufmerksam machten. Es zeigte sich, dass die scheinbar klare Lösung – Gemeinde zahlt Bau, Pfarrer zahlt Unterhalt – dennoch viel Spielraum und Auslegungsmöglichkeiten bot. Beide Seiten erkannten schnell ihre Argumentationsmöglichkeiten: In einigen Fällen beschwerten sich die Bauern nun über den ungenügenden Umgang des Pfarrers mit dem Haus.160 Gleichzeitig beschwerten sich viele Pfarrer über den grundlegenden Zustand des Pfarrhauses und baten, der Gemeinde zu verfügen, das Haus zu bessern. Doch der Reihe nach: Sofern es in den 1520er Jahren in einem Dorf überhaupt ein Pfarrhaus gab, befand sich dieses oft in einem sehr schlechten Zustand, sodass oftmals Neubauten unter Dach und Fach gebracht werden mussten. Bereits in den Visitationsprotokollen – erneut ist in erster Linie an jene des Jahres 1533 zu denken – werden sehr viele baufällige Pfarrhäuser beschrieben. Zu Nottleben wurde festgehalten: Das pfargebeude zerfellet gantz und gar. 161 Der Ingerslebener Pfarrer klagte gegenüber den Visitatoren, dass ihm die Pfarrgebäude schier aufn hals fallen wollen. 162 Freilich gab es in der Qualität der Behausungen keinen Unterschied zwischen den Herrschaftsgebieten, sodass auch im schwarzburgischen und ab 1539 im albertinischen Gebiet ähnliche Feststellungen getroffen wurden.163 Zusätzlich beschwerten sich viele Pfarrer in der Zeit der ersten Visitationen über ihre Behausungen. So beschrieb der Pfarrer von Großenlupnitz sein Haus 1529 als Eyne Elende bawefelligk behaussen das for an dem Dorffleyn lygeth.164 158 EKO 1, 1, S. 185. 159 Ebd. 160 So wurde dem Pfarrer von Rothenstein 1534 auferlegt, die Badestube und die Küche, die er aus dem Pfarrhaus gebrochen hatte, wieder aufzubauen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, fol. 147v. 161 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 214v. 162 Ebd., fol. 300v. Über seine Person ist wenig bekannt; THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 729. In Siebleben war das Pfarrhaus 1529 ebenfalls ganz baufällig; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 419. 163 1539 wurde die Pfarre von Dannheim bei Arnstadt als baufällig beschrieben (LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 32r). 1540 fällten die albertinischen Visitatoren dasselbe Urteil über die Pfarre in Oberbösa (LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 62v). 164 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 439, fol. 1r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Das Pfarrhaus in Farnroda war sehr baufällig, da die Pfarrei dem Kloster Weißenborn inkorporiert war und das Haus lange Zeit unbewohnt war.165 Zu einem Pfarrhof sollten neben dem Wohnhaus zumindest eine Scheune, ein Stall und ein umfriedeter Garten, außerdem wohl ein necessarium, gehören.166 Wie ein Garten im besten Falle aussehen konnte, beschrieb der zufriedene Pfarrer von Niedersynderstedt, der den sprechenden Namen Johann Birnstiel trug, 1545 anhand seines Hofes: Item ein lustigen baumgarten mit etlichen gut gepfropfften bawmen, von opffeln, birn und auch Kirßbaumen, pflaumbaum. Item auch ein Krautlandt uff einer wißen gemacht haben beyde viel vermachens und befridens mit zeunen und wenden.167
Der Rest seines Hofes war weniger zufriedenstellend: Zwar war sein Haus inzwischen neu erbaut worden, allerdings war die Scheune sehr baufällig. Bis in die Mitte des Jahrhunderts findet sich beinahe kein Bericht über ein Pfarrgrundstück, das vollständig den Anforderungen genügte. Die Liste der Mängel war lang.168 Das Pfarrhaus des 16. Jahrhunderts war in erster Linie ein Wirtschaftshof. Die Ländereien und die nötigen Nebengebäude dienten neben dem Geldeinkommen zur Versorgung des Pfarrers, der das Land in den meisten Fällen selbst bewirtschaftete. 169 Weiterhin wurden Verbesserungen an bestehenden Pfarrhäusern angestrebt. Häufig betraf dies die Stube des Pfarrers.170 In Crawinkel sollte dem Pfarrer eine größere Stube oder eine gesonderte Studierstube errichtet werden.171 In Eischleben lag das Pfarrhaus direkt neben einem Mühlgraben der Wipfra, weshalb die Stube des Pfarrers und dessen Bücher nass waren. Die Bauern sollten 165 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1023. 166 So 1540 in Oberweimar: LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3171, fol. 5r. 167 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2021, fol. 5v. Streuobstwiesen scheinen zum festen Bestand der Pfarrgärten gehört zu haben. „Baumgärten“ werden etwa auch in Hornsömmern (LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 82v) und Freienbessingen beschrieben (ebd., fol. 131r). 168 In Oberellen fehlte eine Scheune (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 24r), in Ruhla fehlte ein Stall (ebd., fol. 127v). In Neukirchen gab es keine Zäune um den Pfarrgarten (ebd., fol. 90r). In Ottendorf sollten die Bauern das Pfarrhaus decken (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 333v). Weitere Beispiele sind eine fehlende Scheune in Löbstedt (ebd., fol. 132v) oder ein Brunnen in Maua (ebd., fol. 150r). 169 Vgl. KARANT-NUNN, Pastors, S. 31–35. Zum mittelalterlichen Zustand: KOCH, Pfarrkirche, S. 329. Besonders im Protokoll der ersten Visitation des Amtes Altenburg 1527 werden oft die Ausgaben der Pfarrer angegeben. Dies vermittelt einen Eindruck von der aufwendigen Bewirtschaftung. U. a. gehörten dazu Lohnzahlungen an Gesinde, Hirten und Drescher. Vgl. das Beispiel Mehna; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 175r. 170 In Siebleben sollte die Unterstube hergerichtet werden. Es gab wohl zwei Stuben in diesem Pfarrhaus; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 208r. 171 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 258v.
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als Schutz einen Keller errichten.172 Der Pfarrer von Hoheneiche auf der Saalfelder Höhe regte eine Verlegung seines Pfarrhauses in eines der Dörfer seiner Pfarrei an, da das Haus allein im Feld liege und er böser Buben nicht sicher sei.173 Ein prinzipielles Fehlen oder einen sehr ungenügenden Zustand eines Pfarrhofes zeigen in den Visitationsprotokollen ferner die Bauanweisungen an die Gemeinden an.174 Erkennbar ist in der Folge, dass zwar einige Gemeinden sich schnell in die Anweisungen fügten,175 auf der anderen Seite aber die Weigerungen und Beschwerden enorm zunahmen. Die Bauern waren schlicht nicht gewohnt, die volle Baulast des Pfarrhauses innezuhaben. 176 Ein Neubau bedeutete eine große finanzielle Verpflichtung. In Tautenburg rechneten die Alterleute 1552 in einem gesonderten Konto beinahe 40 alte Schock Groschen ab.177 Diese Summen waren nötig, obwohl es vorher ein Pfarrhaus im Ort gab.178 Diese plötzlichen Kosten mussten natürlich den Missmut der Bauern nach sich ziehen und für viele Dörfer waren solche Beträge nur sehr schwer zu organisieren. Einige Gemeinden verwiesen auch auf die Höhe ihrer bestehenden Abgaben, so etwa die Bauern von Ramsla, nördlich von Weimar, die sich trotz Strafandrohung 1529 beharrlich weigerten, das Pfarrhaus zu bauen, da sie ihrem Pfarrer bereits fünf Schock Groschen zusätzlich zahlten, die allerdings aus einer Messstiftung stammten.179 Die vielen fehlenden Finanzierungen durch die Gemeinden zeigen die bereits erwähnten Bauanweisungen in den Visitationen, aber auch die Bitten um Bauhilfen. Wie bereits erwähnt, räumten die Instruktionen diese Möglichkeit ein; und die Gemeinden sahen darin ein probates Mittel.
172 Ebd., fol. 288v. 173 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 358v. 174 Einfache Bauanweisungen ergingen im ernestinischen Gebiet 1533/1534 z. B. an: Craula (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 88v), Bischofroda (ebd., fol. 98v), Ballstädt (ebd., fol. 193r), Tüttleben (ebd., fol. 210r), Sundhausen bei Gotha (ebd., fol. 229r), Laucha (ebd., fol. 237v), Thörey (ebd., fol. 254v–255r), Bienstädt (ebd., fol. 308r), Eckardtsleben (ebd., fol. 314r), Molsdorf (ebd., fol. 350r), Niedergrunstedt (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 22r), Troistedt (ebd., fol. 27v), Cospeda (ebd., fol. 125r), Achelstädt (ebd., fol. 202r), Breitenhain (ebd., fol. 232v), Oberpöllnitz (ebd., fol. 242v), Rehmen (ebd., fol. 248v), Großeutersdorf (ebd., fol. 266v), Gröben (ebd., fol. 336r). Diese Vielzahl kann auf die anderen Herrschaftsgebiete übertragen werden. 175 In Illeben hatten die Leute bis zur Visitation 1533/1534 bereits ein neues Pfarrhaus erbaut; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 273r. 176 HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 123. 177 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 54r. 178 Ebd., fol. 1v. 179 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 443.
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Dazu erkannten die Gemeinden zwar ihre prinzipielle Zuständigkeit an, verwiesen aber auf ihre Armut und baten um Hilfe bei dem Bau. In vielen Fällen waren dies direkte Holzgesuche; dazu einige Beispiele: Bereits nach der Visitation von 1529 schrieb die bei Gotha gelegene Gemeinde Bufleben an Herzog Johann Friedrich, da sie kein Holz für den Bau des Pfarrhauses hätten. Der Herzog schickte den Tenneberger Amtmann Christoph Goldacker in das Dorf, der den baufälligen, verdorbenen Zustand der Behausung bestätigte und nach Rat eines Zimmermanns 45 Stämme für einen Neubau ansetzte.180 Den Einwohnern von Lippersdorf wurde 1533/1534 das Holz für eine Pfarrscheune aus dem Amt zugestanden.181 1554 baten die Beutnitzer um Bauholz, da sie eine arme Gemeinde seien und über kein Holz verfügten. Ihr Pfarrhaus sei aber völlig unbewohnbar, da das Dorf dem Naumburger Domstift unterstand und des Dechants gesynde es abgenutzt hätte.182 Der hohe Holzpreis dieser Jahre zeigt sich auch in der Bitte der Einwohner von Thalbürgel von 1563. Sie baten um das Holz des Dachwerks des aufgelassenen Teils der Klosterkirche, um damit die geforderte Pfarrscheune errichten zu können.183 Den Einwohnern von Teichwitz wurde 1558 zwar das Bauholz zu180 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 395. Vgl. die zweite Bitte der Einwohner von Bufleben um Holz, diesmal wegen ihrer baufälligen Kirche, aus dem Jahr 1559; SLADECZEK, Gromann. In diesem Fall wurde ebenfalls ein Sachverständiger in das Dorf gesandt, der die Baufälligkeit überprüfen und den Aufwand beziffern sollte. Dies scheint häufiger vorgekommen zu sein. Aus dem Jahr 1551 hat sich eine Kanzleinotiz erhalten, die daran erinnerte, dass ein Baumeister das Pfarrhaus zu Georgenthal besichtigen solle; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2339, fol. 2r. Bei diesem Baumeister handelte es sich – wie in Bufleben – um Nickel Gromann. Ein 1551 von ihm gezeichneter Plan zeigt die folgenden Umbauten; LATh–StA Gotha, Sammlung Karten, Q 1.2 1551a. Bisher wohnte der Pfarrer im Klostergut in einem Teil des Stalls. Gromann entwarf die Neuanlage eines Pfarrhofes auf dem Klosterareal, wobei nicht sicher ist, ob dieser Plan ausgeführt wurde. Als Pfarrhaus war das aus dem 13. Jahrhundert stammende und heute noch erhaltene, sog. „Steinerne Haus“ vorgesehen. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Umbau des ehemaligen Abtshauses im 17. Jahrhundert zur Dorfkirche. Ich danke Udo Hopf, Weimar, für den Hinweis auf den Plan. Vgl. HOPF, Georgenthal zu den baulichen Umgestaltungen. 181 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 332r. Aus den Kirchenrechnungen des Ortes geht hervor, dass sich die Lippersdorfer 1545 an diesen Erfolg einer Supplik erinnerten, da sie erneut wegen Bauarbeiten am Pfarrhaus an den Hof schrieben; PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 28. Weiterhin belegt dieses Beispiel, dass sich nicht mehr erhaltene Suppliken über andere Quellen erschließen lassen. Die Zahl muss um ein Vielfaches über der der im Ernestinischen Gesamtarchiv erhaltenen Suppliken gelegen haben, obgleich dort bereits ein bemerkenswert großer Bestand vorhanden ist. 182 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2464. 183 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2800, fol. 2r‒2v.
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gestanden, allerdings verweigerten daraufhin die Bauern ihre Abgaben zum Bau.184 Dies lässt vermuten, dass die Bauhilfe von vornherein nur taktisch gedacht war und den Bau verzögern oder vermeiden sollte. Auch vielen Pfarrern wurden im Laufe der Jahre Holzzulagen bewilligt.185 Auf der anderen Seite zeigen die Suppliken der Pfarrer, dass längst kein Standard erreicht wurde. 1533 musste in Oberlödla im Amt Altenburg die Anweisung der Visitatoren einer vorherigen Visitation, dass der Pfarrer das Pfarrhaus bauen sollte, zurückgenommen werden. Inzwischen war aufgefallen, dass dies den Visitationsinstruktionen widersprach.186 Der Pfarrer von Jenaprießnitz berief sich 1539 ebenfalls auf die Visitationsordnung.187 In Herbsleben klagte der Pfarrer 1560 über die verweigerte Baulast der Gemeinde.188 Im reußischen Waltersdorf gab es noch Ende der 1560er Jahre gegenseitige Schuldzuweisungen wegen des schlechten Zustandes des Hauses.189 Selbstverständlich kamen auch solcherlei Klagen vor, die Adlige betrafen, die sich an der Finanzierung hätten beteiligen sollen.190 Die Probleme bei der Durchsetzung der Finanzierung der Pfarrhäuser vor Ort führten zu einer Vielzahl Suppliken. Neben den erhaltenen sprechen dafür auch zwei Hinweise aus Schreiben der Kanzlei. 1543 baten die Einwohner von Boilstedt um Holz für ihren Kirchenbau. Der Kanzleischreiber schrieb aus Gewohnheit aber vom dortigen Pfarrhaus.191 Ein Jahr zuvor bat der Eisenacher Superintendent Kurfürst Johann Friedrich darum, Bauarbeiten am Pfarrhaus von Stedtfeld zu befehlen, um sofort unwill zwischen dem Pfarrer und den Pfarrkindern zu vermeiden. Sowohl die Superintendenten als auch die Hofverwaltung waren solcherlei Probleme in großer Zahl gewohnt. Es zeigt sich, dass die Regelungen der Visitationsordnungen viele Differenzen heraufbeschworen. Die Pfarrer versuchten, einen Neubau zu initiieren, damit die Gemeinde die Kosten tragen müsste; die Gemeinde versuchte, es auf die Unterhaltspflicht des Pfarrers abzuwälzen. Dennoch wurden in den folgenden
184 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2719. 185 Eine Vorstellung vom Umfang dieser Zulagen vermittelt LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 2, fol. 44r–51r. 186 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 6, fol. 47r. 187 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1211; vgl. EKO 1, 1, S. 185 und S. 188. 188 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2774. 189 StAG, III B, 19334, fol. 42v–43r. 190 So 1541 in Großkamsdorf zwischen dem Pfarrer und den von Brandenstein (LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1517), 1542 in Crobitz mit Michel Koller (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1586) und 1570 in Friedebach mit Melchior von Etzdorf zu Herschdorf (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2850). 191 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1764, fol. 2r.
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Jahrzehnten viele Pfarrhäuser neugebaut und die gemeindliche Baulast entwickelte sich langsam zum akzeptierten Normalzustand. Der Wunsch der Gemeinden, die Kirche und auch das Pfarrhaus im Dorf zu lassen, zeigt sich an den vielen Weigerungen der Filialdörfer zur Beteiligung am Pfarrhausbau. Die übliche Regelung sah vor, dass das Dorf, in dem das Pfarrhaus steht, zwei Drittel und das Filialdorf ein Drittel der Baukosten tragen sollte. Diese Regelung wurde in der Visitation 1533/1534 angewendet, etwa zwischen Hainichen und seinem Filial Stiebritz.192 Gehörten zu einer Pfarrei mehr als zwei Dörfer, sollten diese das Pfarrhaus entsprechend gemeinsam finanzieren. 193 Dennoch weigerten sich viele Filialdörfer, dieses Drittel zu bezahlen und mussten erneut durch Visitatoren oder Amtmänner angehalten werden. 194 Ein offensichtliches Beispiel für diese Problematik bietet das Dorf Kleinrettbach, zwischen Erfurt und Gotha gelegen. Es war Bestandteil des Erfurter Landgebietes, kirchlich aber Filial des Dorfes Gamstädt, das im ernestinischen Amt Gotha lag. Bereits nach der ersten Visitation des Amtes Gotha gab es eine Zahlungsaufforderung für den Anteil am Pfarrhaus. Dies geht wegen des nicht erhaltenen Visitationsprotokolles nur aus einem Schreiben des Erfurter Rates an den Gothaer Amtmann aus dem Juli 1530 hervor.195 Danach berief sich die Gemeinde darauf, dass es bisher solche Zahlungen nicht gegeben hätte. Auch der Rat wollte nach dem Schreiben des Amtmannes die Zahlungen nicht ohne weiteres verfügen. Im Visitationsprotokoll von 1533 wurde erneut festgestellt, dass die Leute von Kleinrettbach ihren Anteil nicht zahlen wollten. Deshalb sollte wieder dem Erfurter Rat geschrieben werden, der sie dazu auffordern sollte.196 Der weitere Schriftverkehr geriet wohl etwas ins Stocken; im Frühjahr 1536 aber beantworteten die Heimbürgen und Alterleute des Dorfes ein unbekanntes Schreiben des Erfurter Rates mit der Bitte, sie gegen weitere Forderungen seitens der Visitatoren zu schützen.197 Der Rat leitete diese Antwort an den zuständigen Superintendenten Friedrich Myconius und den Gothaer Schosser mit dem Zusatz weiter, dass er nicht erkennen könnte, dass eine finanzielle Beteiligung der Kleinrettbacher billig wäre.198 Interessant ist zusätzlich, dass die Bauern sich in 192 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 130v. 193 So z. B. die sechs Dörfer, die zur Pfarrei Renthendorf gehörten; ebd., fol. 339r. 194 Zwei Beispiele: Das Dorf Weißen verweigerte 1536 die Beteiligung am Pfarrhausbau in Uhlstädt (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1028), das Dorf Tröbsdorf 1550 die selbige für das Pfarrhaus in Gaberndorf (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2241). 195 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 9, liber communium 1529–1533, fol. 115r. 196 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 211v. Ähnliche Verwicklungen mit einem Erfurter Dorf um den Bau des Pfarrhauses gab es 1536/1537 in Ulla; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 827. Vgl. Kap. III.9 dieser Arbeit. 197 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 976, fol. 1r. 198 Ebd., fol. 2r.
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einem weiteren Schreiben aus dem Juli 1536 auf das Alte Herkommen beriefen: Ihre Vorfahren hätten nichts zum Pfarrhof beigetragen und sie hätten Sorge, sich mit einer Einwilligung unbillig gegen ihre Nachkommen zu verhalten. 199 Die Bauern verstanden es nun bereits seit mindestens acht Jahren, mit Verzögerungen diese Zahlungen zu verhindern. Man erkennt außerdem ein bäuerliches Rechtsverständnis, eine Angst vor einer gewohnheitsrechtlichen Entwicklung. Der Rat leitete auch dieses Gesuch an Myconius weiter, der sich, bar jeder Handhabe, an Kurfürst Johann Friedrich wandte.200 Die Antwort aus der kurfürstlichen Kanzlei fiel etwas überraschend aus. Obschon es nicht unbillig wäre, dass die Kleinrettbacher ihren Filialbeitrag leisten würden, sollten sie finanziell verschont werden, und es sollte mit ihnen verhandelt werden, dass sie stattdessen einige Fuhren zum Bau freiwillig beisteuern mögen.201 Die Bauern von Kleinrettbach verstanden es also – man könnte sagen: bauernschlau –, ihre politische Situation einzusetzen und den Erfurter Rat als Schutzherrn gegen die Forderungen der Visitatoren zu verwenden. In anderen, weniger komplexen Fällen hatten die Dörfer freilich wenig Aussicht, sich der Zahlungen erfolgreich zu erwehren, jedenfalls ist kein weiterer Fall bekannt, in dem die Gemeinde nichts zahlen musste. Die Argumentation der Kleinrettbacher dürfte aber für die Denkweise aller Betroffenen zu pauschalisieren sein. Die Bauern widersetzten sich mit ihren Mitteln den neuen Forderungen. Dieser Streitpunkt zog sich ebenfalls noch über Jahrzehnte hin. In der Schwarzburger Oberherrschaft kam es 1547 zu einem Streit der Gemeinden Kettmannshausen und Niederwillingen um den Pfarrhausbau im zweitgenannten Dorf, da die Einwohner des erstgenannten sich weigerten, Holz zum Bau zur Verfügung zu stellen.202 1539 weigerte sich die Gemeinde Lindenkreuz, etwas zum Bau des Pfarrhauses in Tautendorf beizutragen. Erst nach einem Kanzleibescheid konnte der Schosser zur Leuchtenburg beide Gemeinden vertragen.203 Anscheinend war die neue Einigkeit beider Orte aber umso fester, da sie sich 20 Jahre darauf gemeinsam über die fehlende Beihilfe des Dorfes Lederhose, des
199 Ebd., fol. 3r. In diesem Zusammenhang sei noch die parallele Überlieferung eines Schreibens des Rates an Myconius und den Gothaer Schosser erwähnt, in dem er aufforderte, die Leute nicht weiter zu beschweren; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 11/1, liber communium 1534–1537, fol. 173v–174r. 200 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 976, fol. 5r. 201 Ebd., fol. 6r. Die zögerliche Haltung des Kurfürsten bzw. der Kanzlei ist wohl auf die Erfahrungen in anderen Streitfällen, die Erfurter Dörfer betrafen, zurückzuführen. Ein größerer Rechtsstreit wäre wegen des vergleichsweise kleinen Anlasses ohnehin nicht vertretbar gewesen. 202 LATh–StA Rudolstadt, Konsistorium Arnstadt, 10294. 203 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1338.
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zweiten Filials Tautendorfs, beschwerten.204 Auch Filialdörfer, die ihren Beitrag nicht verweigerten, stellten einer anderen Gemeinde nicht blindlings Geld zur Verfügung. Die Heimbürgen und Alterleute von Dietendorf rechneten einen Verzehr ab, als sie die Baustelle des Pfarrhauses im Nachbardorf Apfelstädt besichtigten. Erst im Anschluss gaben sie wieder eine Tranche ihres Anteils am Bau.205
Abb. 44: Altes Pfarrhaus in Trockenborn, Saale-Holzland-Kreis
Analog zu den Pfarreinkommen suchten die Visitatoren auch bei den Pfarrhäusern je nach den örtlichen Umständen Finanzierungsmöglichkeiten. So konnten geistliche Institutionen, die in einer Beziehung zur Pfarrei gestanden hatten, um einen Beitrag gebeten werden. 206 In Dörfern des Adels sollten natürlich die 204 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2734. 205 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3127, fol. 11r. Das Dorf war erst 1533 zu Apfelstädt geschlagen worden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 246r. 206 So sollte das Eisenacher Stift Geld für den Pfarrhausbau in Sättelstädt bereitstellen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 120v. In Oberellen, das ehemals zum Kloster Reinhardsbrunn gehörte, sollte das Holz für den Bau aus dem Klosterbesitz gestellt werden; ebd., fol. 24r.
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Junker ein Scherflein beitragen.207 Es konnten aber auch Besitztümer von geistlichen Lehen herangezogen werden, sofern diese vorhanden waren.208 In Liebstedt sollte der Pfarrer das offensichtlich sehr gute Haus des Kirchners nutzen, jener sollte ein neues erhalten.209 Trotz dieser umfangreichen Probleme setzte wie erwähnt in allen Gebieten eine enorme Vielzahl an Bauarbeiten an den Pfarrhäusern ein. In beinahe allen erhaltenen Kirchenrechnungen der Zeit ab den jeweilig ersten Visitationen finden sich Ausgaben zu den Bauarbeiten am Pfarrhaus.210 Das Paradebeispiel bietet das noch erhaltene Pfarrhaus in Trockenborn (Abb. 44). Die Visitatoren verfügten in der Visitation 1533/1534, dass das begonnene neue Pfarrhaus bis Pfingsten fertiggestellt und ausgebaut werden solle.211 Parallel hat sich, wegen eines späteren Neubaus, dieses Pfarrhaus trotz späterer Umbauten in der Anlage mit dem Erdgeschosskeller erhalten und der komplette Bauablauf lässt sich aus vorhandenen Kirchenrechnungen nachvollziehen – ein einmaliger Befund.212 Bereits in der Kirchenrechnung 1531/1532 legten die Alterleute ein gesondertes Konto Anfangk pfarhr Baw in der Rechnung an.213 Es finden sich hier erste Ausgaben für die Zimmerleute. In der Folgerechnung, die also unter anderem das Sommerhalbjahr 1532 umfasste, fand der Großteil der Bauarbeiten statt. Ein Maurer aus Neustadt wurde für das feste Untergeschoss bezahlt. Zum Reichen der Steine und anderen Diensten wurden Helfer aus der Gemeinde abgerech-
207 Z. B.: Wolf von Doheln zum Pfarrhaus in Bischofroda; ebd., fol. 99r. Prinzipiell waren die Adligen natürlich in ihren Dörfern als Gerichtsherren zuständig, die Bauern dazu anzuhalten, ihren Anteil zu bezahlen. So sollte Titz von Brandenstein 1551 die Einwohner von Krölpa dazu bringen, die Pfarrgüter zu errichten; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2336. 208 In Weira sollte der Pfarrer ab 1533 das ehemalige Haus der Vikarie nutzen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 217r. Der Pfarrer von Großobringen erhielt eine Zulage aus einem Vikariebestand, um das Haus zu bauen; ebd., fol. 23r. 209 LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 198r. 210 In der reußischen Kirchenordnung von 1552 wurde vorgesehen, dass jährlich in den Kirchenrechnungen der baufälligen Pfarrhäuser gedacht werden solle, um deren Zustand langfristig zu bessern; EKO 2, 2, S. 157. 211 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 285r. 212 Die Fachwerkformen verweisen eher ins 17. oder 18. Jahrhundert, eine dendrochronologische Datierung liegt leider nicht vor. Ich danke Torsten Lieberenz, Weimar, für diese Auskunft. Viele Details der Baubeschreibung stimmen aber mit dem heutigen Bau überein. 213 PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26, fol. 34r. Ein grundlegender Bau eines Pfarrhauses, ausgehend vom Fällen des Holzes, findet sich auch in der Ammerbacher Kirchenrechnung von 1547; Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602, fol. 4v.
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net.214 Im Anschluss gelang das Richtfest mit den Zimmerleuten aus unbekannten Gründen erst im dritten Anlauf. 215 Nachdem diese die Küche ausgebaut hatten, wurden zwei Türen angeschafft und Helfer bereiteten das Stroh zum Füllen der Gefache vor. Diesen Stand der Bauarbeiten konnten die Alterleute nun in Neustadt den Visitatoren berichten,216 die die oben erwähnte Anweisung erließen. Bis zum Rechnungsabschluss 1533 kostete das Haus 16 alte Schock und 17 Groschen, ein nahegelegener Stall fünf Schock Groschen.217 In den Folgejahren gingen die Bauarbeiten deutlich langsamer voran. Die Schindeln zum Decken des Hauses wurden erst 1537 abgerechnet.218 Der fertiggestellte Bau verursachte weiterhin Kosten. Bereits die Trockenborner Kirchenrechnungen zeigen, dass die Trennung der Visitationsinstruktionen in Bau und Unterhalt des Pfarrhauses nicht konsequent eingehalten wurde. Als 1540 ein Sturm Fenster des Pfarrhauses zerschlug, wurden die neuen von der Kirchenfabrik bezahlt.219 Im Jahr 1542 erhielt Trockenborn einen neuen Pfarrer, der wohl besondere Wünsche zu Verbesserungen am Pfarrhaus hatte. Direkt in Folge wurde eine Badestube zum Haus gebaut, ein Teich bei dem Pfarrhaus angelegt und das Untergeschoss verputzt.220 Ab 1550 fanden erneut große Bauarbeiten am Pfarrhaus statt, unter anderem wurden neue Bleiglasfenster eingesetzt.221 Nach über 20 Jahren musste Mitte der 1550er Jahre wohl grundlegend saniert werden, da erneut ein neuer Pfarrer die Stelle in Trockenborn antrat. Deshalb wurden Verhandlungen mit den Filialdörfern über deren Anteil angesetzt.222 1558 begannen die Modernisierungen, die insgesamt 22 alte Schock Groschen kosteten, dazu trug das Filial Breitenhain drei Pfennig bei und Stößwitz blieb seinen Anteil schuldig. Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Löwenanteil der Kosten für ein Pfarrhaus für das eigentliche Pfarrdorf anfiel.223 In der Folgezeit fanden jedes 214 PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26, fol. 38r. 215 Im unweit gelegenen Lippersdorf rechneten die Alterleute einen großen Schmaus mit der Gemeinde ab, als eine Pfarrscheune und ein Ofen im Pfarrhaus fertiggestellt wurden; PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 35. Für eine Gemeinde stellten die Bauarbeiten am Pfarrhaus ein wichtiges gemeinsames Projekt dar, was auch gemeinsam gefeiert werden sollte. 216 Dies geht aus dem Verzehr hervor, den die Alterleute wegen ihres Aufenthaltes bei der Visitation abrechneten; PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26, fol. 38v. 217 Ebd., fol. 39r. 218 Ebd., fol. 50r. 219 Ebd., fol. 69v. 220 Ebd., fol. 77r–90v. 221 Ebd., fol. 119r–121r. 222 PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.27, fol. 5v. 223 Dabei ist aber zu bedenken, dass beide Dörfer erst in der Visitation 1533 zu Trockenborn geschlagen wurden. Es gab also keine gewachsene Beziehung zwischen der Mater und
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Jahr Bauarbeiten am Pfarrhaus statt, die auf Kosten der Kirchenfabrik gingen. Für jede Kirche, von der sich Rechnungen erhalten haben, kann dies für das 16. Jahrhundert prinzipiell bestätigt werden, sodass dieser Zustand verallgemeinert werden kann.224 Einen häufigen Auslöser stellte dabei, wie in Trockenborn, die Amtsübernahme durch einen neuen Pfarrer dar.225 Nach dem Transport des Hausrates und der Bücher, den die Kirchenfabrik übernahm,226 wurde ein Inventar über die Pfarre und ihren Besitz erstellt, das die Alterleute der zur Pfarrei gehörigen Dörfer bestätigten. Dabei stellten einige Pfarrer Mängel fest, die sie behoben wissen wollten, was dann zu den beschriebenen kurzfristigen Umbauten und Sanierungen führte. Die Inventare der Pfarrhäuser zeigen, dass nicht nur der leere Bau bereitgestellt wurde, sondern eine vielfältige Ausstattung vorhanden sein konnte. Bestimmte Visitationsprotokolle zeigen diese Inventare der Pfarreien grundsätzlich an, sodass man sie vergleichend betrachten kann.227 Es werden Tiere genannt, die – nach dem Vorbild der ewigen Kühe – vom Pfarrer im Todesfall ersetzt werden mussten. 228 Zu deren Versorgung und der Produktion von Nahrungsmitteln gehörten Futtertröge, Eimer sowie Butterfässer und Backtröge. An Hausrat wurde vielen Pfarrern ein Mindestmaß an Möbeln gestellt, etwa ein Tisch und ein Bett. Weiterhin werden Teller, Kannen, Tischtücher oder auch Kissen und Federbetten genannt.229 In Gieba gehörten hierzu eine alte Bank, eine Mistgabel, ein
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den Filialen. Inwiefern dieses Beispiel verallgemeinert werden kann, muss also offenbleiben. Es folgen einige Beispiele aus verschiedenen Herrschaftsgebieten. Gebaut wurde 1546 in Niederwillingen (LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5687, fol. 9r), 1548 in Zeigerheim (LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2523, fol. 6r), 1553 in Hörselgau (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3151, fol. 3v), 1556 in Gehren (LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4336, fol. 3r), 1559 und 1561 in Ringleben (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3180, fol. 5v/Reg. Bb 3182, fol. 4v), 1561 und 1570 in Riethnordhausen (LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3173, fol. 11v/Reg. Bb 3175, fol. 13r), 1561 in Mittelhausen (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3162, fol. 6v), 1564 in Solsdorf (LATh– StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2553. fol. 4v), 1570 in Großmonra (BAE, Marienstift, VII e4, 4, Vol. 1, fol. 67r ff.). Z. B. 1565 in Roben: PfA Roben, 39, fol. 23v. Eine ähnliche Entwicklung gab es 1566 in Tautenburg (PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 90r) und 1564 in Lippersdorf (PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 90). Z. B. 1573 in Dienstädt: PfA Dienstädt, 121/8.Kart.4.D.3, fol. 88r; vgl. Kap. III.2.4. Dies gilt insbesondere für die Visitation im Amt Altenburg 1528 (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1) und die erste reußische Visitation 1533 (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9). Zu den ewigen Kühen vgl. Kap. I.4.1. Vgl. z. B. das Inventar von Breitenhain; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 171r.
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Brotkasten und eine Badewanne.230 In Reinsdorf gehörte eine Hundekette zum Bestand des Pfarrhauses,231 in Hohenleuben ein brettspiel.232 Wie zufällig einem Pfarrer die Ausstattung des Pfarrhauses erscheinen musste, zeigt ein wohl einmaliger Bericht von hohem kulturhistorischem Wert. Als der ehemalige Mönch Ulrich Bär im Jahr 1537 die Pfarrstelle in Mühlberg im Erfurter Territorium übernahm, bat er mehrfach darum, dass ein Inventar des Pfarrhauses erstellt werden möge.233 Sicherlich dachte er dabei an die Erfahrungen anderer Pfarrer und wollte sich bei eventuellen Diskussionen auf diese Mitschriften berufen können. Nachdem auch der Küster diesem Auftrag nicht nachkam, erstellte er am 19. Oktober 1537 im Beisein des Schultheißen selbst einen umfangreichen Bericht über den Zustand des Hauses, aus dem im Folgenden einige Abschnitte wiedergegeben werden sollen: Auf dem obersten Boden ist darüber auf den Balken weder Bret noch Dielen keines gewesen, weder Stangen noch Holze, das was zum Haus gehört. Dann der Schultes wär gern in den Taubenschlag gestiegen, da was keine Leitern da, er klimmet aber an dem Dachebön hinauf und besah’s, saget es wären 4 alte Tauben da, die fräss der Rätze [thür. für den Marder, d. Verf.] noch denselben Winter, denn es war Alles ohne Fenster offen, und der Regen und Schnee hätte die Pfosten an Fenstern so gar verfault, dass man noch zu gutter Mäss sehen kann, wie es Alles gestanden hat. Herabe auf dem andern Boden, da 3 Kammern sein, darin wär nicht gewesen ein Stecke, Stange oder Bret, dass einer ein Paar Hosen hätte mögen auflegen, also ganz wüest ständ’s. Auf diesem Boden steht auch das Studierstüblein, das war das beste, ein Ofen darin und 2 Fenster, das 3te war zübrochen, aber kein Banke, Tische noch Bretter, denn ein klein grün Brett über dem Fenster, das auf dem Kirchhof geht. […] Herünten im Hause musste ich über den Keller lassen ein Gestelle machen und herum verwahren, dass die Kinder nicht hinabfielen. Es war gut Raum da, stiess sich keiner an die Bänke. In der Küche ein einiges schwartz Bret, darauf man Töpf stürzt. In der untern Stuben ein bös Ofen, die Fenster nicht gut, ein Tisch mit zweien Beinen, den man an die Wand aufhängt, und drei Bänke, ein Kandelrikke [wohl ein Gestell für Kannen; d. Verf.] und ein Bret empor gemacht, da man etwas auflegen mocht. Ein Ofentopfe war da, der war voll Aschens und zuspalten, aber keine Stange da. Im Keller die Lager alle verspohrt [verschimmelt, vermodert; d. Verf.], faul […]. Summa, nichts was Gutes oder Ordentlichs in der Pfarre, dann das heimlich Gemach [Toilette; d. Verf.], das war verwahrt und fein ordentlich, dass man sich doch niedersetzen kondt, und bei dem Born ein lustiger Trenkstein, da Vieh und Leute trinken und sich reinigen können, wie wohl das Gestelle nicht kostlich war und der Eimer. […] Es wundert aber die fremden Pfarrhern, die auch mit waren, und solches
230 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 246r. Dass diese Sachen zum festen Bestand der Pfarrei gehörten zeigt ein deutlich jüngeres Inventar von 1546, in dem viele Stücke wieder auftauchen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2105, fol. 3v. 231 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 122r. 232 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 75r. 233 TETTAU, Bär, S. 77.
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DIE VERÄNDERUNG DER PFARRLANDKARTE
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sahen, das es so ganz wüste alles stünde, doch weiss man zu guter massen, wenn man ausszeucht, dass man nicht viel vergist.234
Die Erwartungen, mit denen Ulrich Bär das Pfarrhaus bezog, waren also bereits recht gering, und er konnte die Lage nachvollziehen. Dennoch boten sich ihm kaum haltbare Zustände, die sicherlich eine Sanierung nach sich zogen. Für die Bauarbeiten an den Pfarrhäusern mussten mitunter namhafte Summen organisiert werden. 1552 rechneten die Alterleute von Tautenburg in einem gesonderten Konto knapp 40 alte Schock Groschen ab.235 Da sich entsprechende Ausgaben in den vorreformatorischen Kirchenrechnungen nicht finden, ist in der Baulast des Pfarrhauses eine eindeutige Mehrbelastung für das Vermögen der Kirchenfabriken durch die landesherrliche Reformation zu sehen. Die angestrebte Regelung der Visitationen hatte sich durchgesetzt. Es war inzwischen billig und gewohnt, dass die Gemeinde die alleinige Baulast am Pfarrhaus trug. Dieses wurde in den evangelischen Landgemeinden immer stärker ein Zentrum des Dorfes, in religiöser wie sozialer Hinsicht. Im Laufe der Neuzeit erlangte es zweifellos eine große Bedeutung für die Kultur- und Sozialgeschichte.236
3. Die Veränderung der Pfarrlandkarte DIE VERÄNDERUNG DER PFARRLANDKARTE
Eine der größten Aufgaben der Visitationen war die Frage, wie mit der über Jahrhunderte gewachsenen Pfarreistruktur verfahren werden sollte. Die erste Assoziation bei dieser Frage sind zweifellos die vielen Zusammenlegungen von mehreren Dörfern zu einer Pfarrei. Doch ist dies nur eine Seite des Problems und keineswegs zu pauschalisieren. Vielmehr handelte es sich bei den Veränderungen 234 Zitiert nach TETTAU, Bär, S. 78–80. Im Anschluss beschreibt Bär die Nebengebäude und die Pfarrländereien, die er zu ordnen versuchte und z. T. verpachten wollte. Dafür bot er Grundstücke von der Kanzel aus an. 235 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 54r. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige Gemeinden versuchten, die Bauarbeiten zu finanziellen Geschäften zu nutzen, oder ihre starke Belastung durch den Bau überzubetonen. 1563 ereignete sich ein solch fragwürdiger Fall in Niederoppurg. Die Gemeinden des Pfarrdorfes und des Filials Kolba erbaten einen Erlass des Pfarrrechtes wegen des hohen finanziellen Aufwandes durch das Pfarrhaus. Herzog Johann Friedrich II. wunderte sich aber über solch statlich pfargebeud, da der Bau angeblich etwa 500 Schock Groschen kosten sollte. Er verfügte, dass die Gemeinde die Folgen zu tragen habe, wenn sie dies selbst beschlossen hätten, dass sich aber der Pfarrer beteiligen sollte, wenn er einen solch großen Bau gefordert hätte; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 618. 236 So GREIFFENHAGEN, Einleitung, S. 7. Vgl. ferner den gesamten Band GREIFFENHAGEN, Pfarrhaus sowie nun auch essayistisch EICHEL, Pfarrhaus.
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um Anpassungen an die jeweiligen Umstände.237 Dies konnte ebenso gut die Bildung einer neuen Pfarrei oder die Veränderung der Zugehörigkeit eines Filials zur Folge haben. In vorreformatorischer Zeit gab es nur wenige Änderungen an der Pfarreistruktur. 238 Diese hatte sich seit dem Hochmittelalter gebildet. 239 Selbstverständlich war sie an vielen Stellen nicht mehr ‚aktuell‘.
3.1. Klosterpfarreien Ein erstes Problem bildete die Einbindung der Klosterpfarreien und inkorporierter Pfarreien in das Pfarrnetz. In Thalbürgel sollten die Einwohner nun die Klosterkirche als Pfarrkirche nutzen, 240 ähnlich in Ettersburg, wo für diesen Schritt Bauarbeiten vonnöten waren.241 In den meisten Dörfern, in denen Klöster bestanden, gab es aber gesonderte Pfarrkirchen. Diese wurden oft von Mönchen oder eingesetzten Kaplänen des Klosters geistlich versorgt, was nicht selten Anlass zur Klage gab.242 In diesen Orten musste nun eine Pfarrpfründe geschaffen werden. In Berka an der Ilm wurden die von Witzleben als Gerichtsherren dazu verpflichtet.243 Eine andere Linie der Familie wurde in der ersten albertinischen Visitation 1539 mit dem gleichen Problem am ehemaligen Kloster Roßleben konfrontiert.244 In Oldisleben beschwerten sich die Bauern, da die älteren Einwohner zu berichten wussten, dass es im Dorf bis vor 50 Jahren eine unabhängige Pfarrpfründe gegeben hatte, die der Abt des Klosters aber eingezogen hätte. Nunmehr mussten die Visitatoren eine Lösung finden.245 In solchen Fällen war die Kooperation mit den Sequestratoren der Klöster gefragt, um die finanziellen Mittel zu organisieren. Bei Pfarreien, die in Klöster inkorporiert waren, die nicht säkularisiert waren und auf die die landesherrliche Kirche keinen Zugriff hatte, musste das Einkommen einer Pfarrei oft anderweitig aufgebracht werden. Gute Beispiele liefern die Pfarreien des Erfurter Peters237 Vgl. die jeweiligen Visitationsinstruktionen, etwa die ernestinische von 1527: EKO 1, 1, S. 145. 238 Vgl. oben Kap. I.2. 239 Vgl. SCHULZE, Pfarrorganisation. 240 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 153r. 241 Vgl. Kap. III.13.3 dieser Arbeit. 242 Ottenhausen wurde von einem Lohnpriester des dortigen Klosters versorgt; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 214r. 243 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 184v, 203v. 244 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 305r. Zum Widerstand der von Witzleben zu Wendelstein gegen die Verwendung der Roßlebener Klostergüter vgl. WARTENBERG, Landesherrschaft, S. 141. 245 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 268r.
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klosters. Frankenroda war Filial von Falken, das der Propstei Zella an der Werra unterstand. Bei Einrichtung der eigenständigen Pfarrei mussten die Visitatoren 1533 feststellen, dass sich der Abt des Petersklosters nur bedingt kooperativ verhielt. Zwar wollte er die Visitation als solche zulassen, er verbat sich aber Eingriffe in die Finanzierung der Pfarrei.246 Das Dorf Haarhausen war bis zur Reformation ein Filial der Pfarrei Sülzenbrücken, die ebenfalls dem Peterskloster unterstand. Bei Einrichtung einer eigenen Pfarrei konnte jedoch eine vorhandene Vikarie in das Pfarrgut umgewidmet werden.247 In diesem Fall fiel den Visitatoren die Einrichtung der Pfründe leicht. Bei den Klöstern, die sich unter landesherrlichem Zugriff befanden, übernahmen vor allem die Ernestiner die Patronatsrechte. Drei Beispiele sollen auch hier den Umgang mit den Klosterpfarreien zeigen: Oberellen und Boilstädt unterstanden in vorreformatorischer Zeit dem Kloster Reinhardsbrunn. Oberellen wurde in der Visitation 1528 eigene Pfarrei, während Boilstädt als Filial zu Uelleben geschlagen wurde und das Pfarrhaus verkauft wurde.248 Auch Pfarreien, die noch bestehenden geistlichen Institutionen inkorporiert waren, wurden normal veranschlagt. So sollte wegen der Pfarrei Aschara lediglich mit dem Erfurter Peterskloster verhandelt werden, welches Zinsland des Klosters in das Pfarreinkommen überging.249 In der ersten albertinischen Visitation 1539 blieben noch einige solcher Fälle offen. So wurde nur festgestellt, dass Haussömmern bisher von Mönchen aus Gernrode geistlich versorgt wurde, ohne dass sich nun eine Lösung anbot.250 Das Dorf Neuengönna wurde von einer Ordensperson aus der Porstendorfer Grangie des Klosters Pforta versehen, hier wurde gar festgelegt, dass der Abt des Klosters Vorschläge über das weitere Vorgehen unterbreiten sollte.251 Wie die Klosterpfarreien waren von diesen Fragen auch die der Ritterorden betroffen. Die Pfarreien, die zur Komturei des Deutschen Ordens in Zwätzen gehörten, wurden zunächst von Pfarrern anderer Dörfer mit evangelischen Predigten versorgt, da sich mit dem Orden keine schnelle Lösung finden ließ, dieser aber weiterhin das Einkommen der Pfarrei bezog. Dies betraf sowohl Zwätzen selbst und Flurstedt als auch die Pfarrei Liebstedt der dortigen Deutschordens-
246 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 67r–67v. 247 Ebd., fol. 263r. Die Vikarie war eine Stiftung der Gemeinde, an der das Peterskloster die Hälfte des alternierenden Patronates innehatte, vgl. die Tabelle Nr. 1 im Anhang dieser Arbeit. 248 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 23v, 225v. 249 Ebd., fol. 312r–312v. 250 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 85v. 251 Ebd., fol. 477v.
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kommende.252 In Liebstedt bestand ein weiteres Problem darin, dass keine Ordenspersonen mehr anwesend waren, die die Pfarrei hätten versorgen können.253 Für die Parochianen dieser Pfarreien, die geistlichen Institutionen unterstanden, dürften die Visitationen dennoch mittelfristig eine deutliche Verbesserung der kirchlichen Versorgung mit sich gebracht haben. Besonders in der Zeit der schrittweisen Auflösung der Konvente und Kommenden wurde die Versorgung der Dorfkirchen wohl oft gering geachtet. Doch auch wenn diese erfolgte, fiel sie nicht unbedingt zur Zufriedenheit der Einwohner aus: 1534 beschwerte sich die Gemeinde Gräfenwarth über den Kaplan des Klosters Saalburg, der bei ihnen Messe und Predigt halten sollte, oft aber gar nicht oder zu ungewohnten Zeiten im Dorf erschien.254
3.2. Bildung neuer Pfarreien Waren die Klosterdörfer in der Pfarrlandkarte eher in der Minderheit, standen dort über kurz oder lang aber die Klostergüter zur Versorgung der Pfarreien zur Verfügung. Dieses Problem des Einkommens wurde einmal mehr zur großen Frage bei der Bewertung der Situation vor Ort. In einigen wenigen westthüringischen Dörfern wurde im Kurfürstentum bereits bei der Visitation 1528 eine gesonderte Pfarrei eingerichtet. Dies betraf Pferdsdorf, Dankmarshausen und Möhra. 255 1533 kam Catharinau bei Rudolstadt hinzu. 256 Lässt sich in diesen Fällen die Ursache für die Separierung nicht genau feststellen, zeigen andere Beispiele, dass erneut die Gemeinden mit ihren Bedürfnissen diese Prozesse einleiteten. Bereits bei den Beschwerden gegen die Pfarrer fanden sich in vor- wie in reformatorischer Zeit ähnliche Beschwerden.257 1524 begehrte die Gemeinde Schmölln bei Hummelshain einen eigenen Pfarrer oder die Änderung ihrer Filialverhältnisse. Da der Weg nach Großeutersdorf sehr beschwerlich für Kinder und Frauen sei, räumten sie selbst die Eventualität ein, ein Filial von Hummelshain zu werden.258 Während sich die Bauern dieses Dorfes ihrer begrenzten Mittel bewusst waren, lag es durch die Möglichkeiten, die die Entwicklung der Visitationen mit sich brachten, für viele Filialgemeinden nahe, einen eigenen Pfarrer von den Visitatoren oder dem Landesherren zu fordern. Die Suppliken mit entsprechendem Inhalt nahmen zu. 252 253 254 255 256 257 258
Ebd., fol. 398v, 429r; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 200r. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 401v; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 196r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 855. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 22v, 31v, 59r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 356r. Vgl. die Kap. I.2 und II.2.2 dieser Arbeit. AGBM II, Nr. 1124, S. 35 f.
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1528 beschwerte sich die Gemeinde Göschwitz über ihre geistliche Versorgung.259 Allerdings änderte sich wenig, da die Gemeinde 1543 erneut einen eigenen Pfarrer forderte. Sie verwiesen darauf, dass sie selbst im 15. Jahrhundert eine Kirche gebaut hätten und es eine Sonntagspredigt und eine Wochenmesse gegeben hätte, die ein Lohnpriester des Burgauer Pfarrers gehalten hatte. 260 Dieses Einkommen wurde durch die Visitation 1529 der Burgauer Pfarrei zugeschlagen. Die Versorgung der Göschwitzer hatte sich deutlich verschlechtert. Der Burgauer Pfarrer verwies auf seine Überlastung, die Gemeinde sah in der mangelnden Versorgung die Ursache für die mangelhafte Teilnahme der Einwohner am Sakrament. Die kurfürstliche Kanzlei beließ es aber bei den Beschlüssen der Visitatoren, der Pfarrer sollte angewiesen werden, seinen Dienst ordnungsgemäß zu versehen.261 Im Gegensatz zu Göschwitz waren andere Gemeinden mit ihren Beschwerden erfolgreicher. Gossel sollte nach dem Engagement der Bauern einen eigenen Pfarrer erhalten. Die Einrichtung wurde jedoch erst durch eine Klosterzulage über 20 Gulden ermöglicht.262 In derselben Visitation wurde festgehalten, dass geprüft werden solle, ob Gräfenhain und Nauendorf eine zusätzliche Pfarrei bilden sollten. Die Mater Ohrdruf wäre weit entfernt, woraus oft Beschwerden entstünden; und in beiden Dörfern gäbe es gemeinsam etwa 80 Hauswirte, was die Einrichtung eines Pfarreinkommens ermöglichen würde. 263 Im Albertinischen wurde Henschleben von Werningshausen separiert, da viele Einwohner sich beschwert hatten und des weiten Weges wegen dem Sakrament ferngeblieben waren. Eine ergänzende Finanzierung erfolgte wohl durch den Grafen von Gleichen und den Abt des Klosters Pforta.264 An anderer Stelle wurde bereits auf die Beschwerde der Einwohner von Ziegenhain verwiesen.265 Sie erbaten 1534 mit üblichen Argumenten die Einrichtung einer eigenen Pfarrei und verwiesen dazu auf die finanziellen Möglichkeiten der Kirche durch die Einnahmen aus der Zeit der erfolgreichen Wallfahrt. In allen gezeigten Fällen erfolgten eine genaue Prüfung der Beschwerden und eine Einzelfallbewertung. Dabei stand die Frage nach der Finanzierbarkeit und nicht die Schwere der Probleme im Vordergrund. War Kapital vorhanden, das zur Einrichtung einer Pfarrei genutzt werden konnte, zeigten sich die Visitatoren und 259 260 261 262
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 318. Vgl. oben Kap. I.5.1. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 317. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 257r. Hier versuchte der Pfarrer der ehemaligen Mater Liebenstein an der Gera nicht, die Abziehung des Filials zu verhindern, sondern verwies selbst auf den weiten Weg. 263 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 280r–280v. 264 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 220r. 265 Vgl. oben Kap. II.2.4. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 793.
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die Kanzlei offen für die Wünsche der Bauern. Die Gewährung von Zulagen erfolgte aber nur, nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren.266
3.3. Auflösung der Großpfarreien Wie die Klosterpfarreien bildeten die Großpfarreien wichtige Ausnahmen in diesen Fragen. Zwar gab es dort ein gewachsenes System der kirchlichen Versorgung in allen Orten, doch war die Struktur mit teilweise über 20 Filialen nicht mehr zeitgemäß. Anhand der Großpfarreien des Orlagaues (Neunhofen, Krölpa und Graba) soll diese besondere Entwicklung beschrieben werden. Bis zur Reformation verfügte Neunhofen über 29 Filialorte, Krölpa über 13 und Graba über 17. Prominent ist die Herauslösung der Stadt Neustadt aus der Pfarrei Neunhofen. 267 Doch neben dieser überfälligen Maßnahme wurde die gesamte Pfarreistruktur der Region umgestaltet. Die bisherigen Vikarien in den Filialorten, bei denen es sich um Kaplaneien der Neunhofener Pfarre handelte, wurden zu einem großen Teil in eigenständige Pfarreien umgewandelt. Bereits 1529 wurden die Inhaber dieser Ämter als Pfarrer behandelt. So wurde zum Breitenhainer Pfarrer vermerkt: Der Pfarrer zu Breytenhayn, oder mer ein Vicarius. Dan es hat etwo auch gin Neunhofen gehort, Wie dan der merer teyl der pfarren und Vicareien [im Amt Arnshaugk].268 Diese Einschätzung traf den Kern, wenn man sich das Verzeichnis der ehemaligen Filialen von Neunhofen mit den dortigen Kapellen und Kaplänen vor Augen führt.269 Neustadt wurde bereits 1527 ausgepfarrt und auch die weitere Bildung gesonderter Pfarreien wurde in der Visitation im Sommer 1527 unter Leitung Melanchthons vollzogen. 270 Dabei wurde jeweils aus drei oder vier ehemaligen Filialorten eine Pfarrei gebildet. Die getroffenen Zuteilungen waren am Reißbrett entstanden und riefen wohl viele Probleme vor Ort hervor. Bereits 1528 beschwerten sich die Dörfer Dreitzsch und Molbitz, ehemalige Filialen der Großpfarrei Neunhofen, aus denen mittlerweile eine eigene Pfarrei gebildet worden war, über die ungenügende Ausstattung ihrer Pfarrei und die gegenstandslosen Abgaben, die sie gleichzeitig weiterhin nach Neunhofen zahlen 266 Vgl. oben Kap. III.2.2. 267 EKO 1, 1, S. 145; BÜNZ, Neustadt, S. 70–73 zur Entstehung dieser Struktur durch die Gründung des Klosters Saalfeld 1071 und die spätere Inkorporation von Neunhofen und Krölpa. 268 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 43v–44r. Allerdings wurde bereits 1516 ein Breitenhainer Pfarrer erwähnt; HANNAPPEL, Archidiakonat, S. 296. 269 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 106r–107r. 270 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 522, fol. 23r–26r. Zu Neustadt vgl. BÜNZ, Neustadt, S. 67; ebd., S. 69, Anm. 37 die Nennungen der Benefizien in den Filialen im Subsidienregister von 1506.
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müssten, weil sie auf der vorreformatorischen Pfarrsituation beruhten. 271 In Dreitzsch bestand eine Vikarie, deren Inhaber zwei wöchentliche Messen halten musste. Inzwischen betonten die Einwohner aber ihre lutherische Gesinnung: Unnd so [die Messen] Got lob auß gutem grundt nidergelegt Das Ewangelium des worts gots des almechtigen uns und alleyn am Sontag der Vicarius doselbist anzusagen und zu verkundigen behafft gewest. Die vollzogene Ablösung des Dorfes von Neunhofen und die Bildung der Pfarrei aus der Vikarie stellten sie nicht in Frage. Nur wurden bei dieser Umwandlung Steinbrücken und Alsmannsdorf, die der Vikar versorgt hatte, anderen Pfarreien zugeschlagen. Stattdessen kam das Filial Molbitz zu Dreitzsch, was eine Verschlechterung der Einnahmesituation zur Folge hatte. Die Bauern verstanden nicht, warum ihre Pfarrei so schlecht ausgestattet war, obwohl sie noch ohne Gegenleistung Geld an den Neunhofener Pfarrer zahlen mussten.272 Diese Diskussionen waren also bereits seit der Visitation von 1527 in regem Gange. Waren die dort getroffenen Entscheidungen auch nicht perfekt, war ein Anfang gemacht. In den folgenden Visitationen versuchten die Visitatoren durch weitere Änderungen der Filialverhältnisse eine Besserung herbeizuführen. So wurden 1529 das eben erwähnte Molbitz und Börthen nach Neustadt eingepfarrt, und auch zwischen den neugebildeten Dorfpfarreien wurden Filiale teilweise neu zugeordnet.273 Die ursprüngliche Auflösung der Großpfarrei im Zuge der Visitation 1527 und die ersten Änderungen 1529 bildeten jedoch nur den Auftakt zu einer langwierigen Neuorganisation der kirchlichen Verhältnisse im östlichen Orlagau. Parallel mussten die Einkommen der gebildeten Pfarreien aufgebaut und verbessert werden. Man verfuhr nach dem üblichen Prinzip. Es kamen Vikariegüter zum Einsatz; Zulagen aus den Kirchenfabriken und von den Einwohnern kamen wegen der finanziellen Situation der recht kleinen und oft armen Dörfer kaum in Frage. Die Visitation 1533/1534 führte zu weiteren umfangreichen Änderungen. Ehemalige Filialorte von Neunhofen wurden nun zum Teil auch mit anderen Dörfern verbunden. 274 In den Filialdörfern schien es wegen der getroffenen Entscheidungen zu gären. Der Pfarrer von Weira erhielt aus seinen drei Filialen keinerlei Abgaben, was auf eine Verweigerungshaltung zurückgeführt wurde.275 271 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 255. 272 Solche Probleme mit Abgaben an den Neunhofener Pfarrer bestanden auch in anderen ehemaligen Filialdörfern; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 225v–226v. 273 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 91r–91v. Unter LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 218v der Verweis auf die 1529 erfolgte Neubildung einer Pfarrei aus den Orten Weira, Kospoda, Kleina und Meilitz. 274 So erhielt Dreba ein Filialdorf im reußischem Gebiet; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 215v. Die Pfarrei Breitenhain erhielt mit Trockenborn ebenfalls ein Filial, das nicht zu Neunhofen gehört hatte; ebd., fol. 231v. 275 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 218v–219r.
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In Konsequenz wurde aus diesen drei Orten eine eigene Pfarrei gebildet, was vor allem wegen einer Vikarie in Kospoda möglich war. In Köthnitz wurde eine Pfarrei mit den Filialdörfern Linda und Steinbrücken gebildet. In beiden letztgenannten Orten bestand je eine Vikarie, die allerdings nicht komplett in das neue Pfarreinkommen überführt wurden, sondern auch Abgaben an die ärmere Pfarrei Dreitzsch leisten sollten. Hinzu kam die umfangreiche Abfindung der noch lebenden Vikare, weshalb gar eine Zulage aus dem Kloster Roda über zwölf Gulden vonnöten war.276 Selbstverständlich konnten die Visitatoren aber nicht frei über die gesamten Einkommen verfügen. Besonders bei den Benefizien und Pfarrpatronaten des Adels musste deren Zustimmung eingeholt werden und es war wohl oft Verhandlungsgeschick und Überzeugungskraft gefragt.277 Eine ähnliche Entwicklung kann für die benachbarte Großpfarrei Krölpa beobachtet werden. 1529 wurden noch 13 Filialorte von den Visitatoren festgestellt, für deren Betreuung der Pfarrer drei Kapläne unterhielt. 278 Allerdings werden 1533 15 Filialen genannt.279 In dieser Visitation wurden fünf Orte mit ihren kompletten Pfarrabgaben anderen Pfarreien zugewiesen. In Ranis wurde eine Kaplanei eingerichtet, die unter anderem die ehemaligen Krölpaer Filialdörfer Seisla und Wilhelmsdorf betreuen sollte. Die Familie von Brandenstein stimmte der Zuweisung des Filials Schmorda zur Pfarrei Gössitz zu.280 Die üb276 Die Zusammenschlagung und der komplexe Rezess unter LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 220v–222r. Trotz der Änderung der Filialverhältnisse gegenüber der Visitation von 1527 war auch in Dreitzsch eine Zulage über zwölf Gulden aus dem Kloster Roda nötig; ebd., fol. 234v. 277 Etwa die Zustimmung der Familie von Brandenstein zu der Unterstellung von Gertewitz unter Oberoppurg; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 223r. Caspar von Mosau stimmte der Verwendung seiner Vikarie in Zwackau für die Pfarrei Pillingsdorf zu; ebd., fol. 230v. Heinrich von Hain richtete eine Beschwerde wegen der Zusammenlegung von Daumitsch und Oberoppurg an den Hof; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 237. 278 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 96v–97r. Es gab also seit der Separierung von Könitz, Bucha und Goßwitz im Jahr 1498 keine weiteren Änderungen an der Pfarreistruktur; vgl. BÜNZ, Klerus II/1, S. 136 sowie S. 148. Allerdings werden im Protokoll von 1533 noch 26 Orte genannt, aus denen der Krölpaer Pfarrer oder sein Kaplan Einkommen bezog. Von den 1498 separierten Orten erscheint nur Goßwitz. Wenn man dies als Indiz für ehemalige rechtliche Beziehungen wertet, muss die Pfarrei noch deutlich größer gewesen sein; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 361r–363v. 279 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 365r. Von diesen werden nicht alle in der Liste der Einkommen genannt; vgl. die vorangehende Anm. Die Differenzen ergeben sich eventuell aus Ungenauigkeiten in den Visitationsprotokollen. 1533 wird auf die Kuratkapellen in einigen Filialen verwiesen, die Vikare innehatten; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 365r. Die Entwicklung der Pfarrei Krölpa erfordert eine eigenständige Bearbeitung. 280 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 311r–311v sowie 317r.
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rigen Orte sollten bei der Pfarrei Krölpa bleiben. Vier Dörfer sollten durch einen Kaplan geistlich versehen werden; der Pfarrer sollte neben Krölpa weitere vier Filialen betreuen.281 Bei der Verkleinerung der Großpfarrei Krölpa wurde also in den Visitationen 1529 und 1533 ein anderer Weg gewählt als bei der vollständigen Aufteilung der Großpfarrei Neunhofen ab 1527. Wurden in Neunhofen jeweils aus mehreren Filialen eigene Pfarreien gebildet, wurden von Krölpa nur einige Filialen abgetrennt,282 sodass die Pfarrei noch immer eine zweistellige Zahl an Orten betreute. Ein Kaplan, der fest zugeteilte Orte betreute, blieb in Krölpa ansässig. Ein Kompromiss zwischen diesen beiden Wegen wurde für die dritte Großpfarrei dieser Region gewählt. Graba bei Saalfeld behielt 1533 sieben Filialdörfer, von denen ein Teil von einem Kaplan fest betreut wurde. Aus weiteren vier ehemaligen Filialen wurde eine eigene Pfarrei gebildet.283 Die in den ersten Visitationen bei dem Umgang mit den Großpfarreien getroffenen Entscheidungen bildeten grundsätzlich eine Pfarrstruktur für die nächsten Jahrhunderte. Dennoch waren nicht alle Entscheidungen von langer Dauer. Immer wieder entstanden im Laufe des 16. Jahrhunderts Beschwerden über die Zuweisung bestimmter Dörfer, während auf der anderen Seite die Visitatoren in jeder Visitation gezwungen waren, wegen der Einkommenssituation der Pfarrer diese Zuweisungen zu ändern. 1558 mussten der Neustädter Superintendent und der Schosser zu Arnshaugk mit einem Adligen von Blankenberg verhandeln. Dieser erhob Einspruch gegen die jüngste Zuweisung von Kospoda zu Weira und von Kleina zu Dreba.284 Diese beiden Zuweisungen waren bereits 1527 getroffen worden, wurden aber spätestens mit der Visitation 1533 wieder aufgehoben, als aus Kospoda, Kleina und einem weiteren Dorf eine eigene Pfarrei gebildet worden war.285 Anscheinend führte die mangelnde Ausstattung dieser Pfarrei Mitte des Jahrhunderts zur erneuten Einführung der ursprünglich vorgesehenen Ordnung. Bei der Zuteilung
281 Ebd., fol. 365r–365v. Addiert man alle genannten Orte, ergibt sich eine Zahl von 13 Filialorten. Hinzu kommen Schlettwein, was einige Seiten später kommentarlos als Vicaria unter den Adelspfarreien genannt wird, und die etwas unklare Filialstellung von Öpitz; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 365v, 375v. 282 So wurde auch bei der Pfarrei Saara südlich von Altenburg verfahren. 1528 wurden sechs Filialdörfer anderen Pfarreien zugewiesen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 73r. In dieser Visitation verlor die Pfarrei Kriebitzsch alle ihre fünf Filialdörfer an die Pfarrei Ruppersdorf; ebd., fol. 183r. 283 Es handelte sich um Knobelsdorf, Weischwitz, Lositz und Reschwitz. Bei Graba blieben Köditz, Gorndorf, Wittmannsgereuth, Aue am Berg, Kamsdorf, Altsaalfeld und Oberpreilipp; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 350r–353v. 284 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2717. 285 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 218r.
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der vielen, teils sehr kleinen, Filialdörfer der ehemaligen Großpfarreien konnte keine abschließende Lösung gefunden werden.
3.4. Zusammenlegung von Pfarreien Trotz dieser genannten Beispiele der ehemaligen Kloster- und Großpfarreien waren die Zusammenlegungen von mehreren Pfarreien in den frühen Visitationen ungleich häufiger. Dieses Phänomen gab es prinzipiell in allen Landesteilen, natürlich mit siedlungsgeschichtlich bedingten Unterschieden. Über allem stand die Frage nach der Finanzierung der Pfarreinkommen. Münchenroda wurde zu Großschwabhausen geschlagen, da das Dorf einen eignen pfarrer nicht erhalten mag.286 Diese Argumentation betraf natürlich in erster Linie kleine und ärmere Dörfer, weshalb sich diese Fälle meist im Osten und Südosten Thüringens finden.287 Auch zwischen den Herrschaftsgebieten lassen sich keine grundlegenden Unterschiede feststellen, die nicht auf der Besiedlung beruhen würden. In den meist größeren Dörfern des albertinischen Gebietes im Thüringer Becken gab es freilich weniger Anlass zu Zusammenlegungen.288 Die Visitatoren gaben hier in der ersten Visitation 1539 an verschiedenen Stellen zu bedenken, ob eine Zusammenlegung sinnvoll wäre. 289 Allerdings hatten diese Überlegungen bereits ein Jahr später verschiedene Entscheidungen zur Folge. Während Altenbeichlingen nun nicht mehr vom Beichlinger Pfarrer, sondern vom Hemlebener Pfarrer versorgt werden sollte,290 wurde Niedertopfstedt, wie es vorgesehen war, Filial von Grüningen.291 Eßleben, was 1539 noch als Filial von Herrengosserstedt vorgesehen war, blieb auch über 1540 hinaus eine eigene Pfarrei.292 In anderen Fällen trafen die Visitatoren bereits 1539 feste Entscheidungen, die in der nächsten Visitation umgesetzt werden sollten.293 286 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 89r. 287 Eine Auflistung würde den Rahmen deutlich sprengen. 288 Dennoch verloren auch in den albertinischen Ämtern kleinere Dörfer ihre eigenen Pfarrer. Ködderitzsch kam 1539 zu Thüsdorf, Würchhausen und Rodameuschel zu Wichmar, LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 354r, 444r. 1540 kam Herrnschwende zu Nausiß; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 70r. 289 So etwa weil der Pfarrer von Beichlingen das Dorf Altenbeichlingen ohnehin geistlich versorgte; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 282v. 290 LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 111v. 291 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 208v; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 84v. 292 Ebd., fol. 155v. 293 Etwa die Zuschlagung von Rannstedt zu Thüsdorf; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 356v. In der zweiten Visitation im darauffolgenden Jahr wurde Rannstedt allerdings zu Auerstedt geschlagen; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 150v.
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An solchen Überlegungen hatte mit Sicherheit auch der allgemeine Pfarrermangel einen gehörigen Anteil. So wurden einige Dörfer für die Seelsorge anderen Pfarrern zugewiesen, ohne dass der Status der Kirche sofort geändert worden wäre. Wahrscheinlich waren zum jeweiligen Zeitpunkt keine Kandidaten für dieses Amt verfügbar. 294 Bei der ersten Visitation der schwarzburgischen Oberherrschaft wurden lediglich vier Dörfer zu Filialen. 295 Im ernestinischen Gebiet gab es bereits in den ersten Visitationen einzelne Zusammenlegungen,296 der Höhepunkt wurde aber einmal mehr mit der Visitation von 1533/1534 erreicht.297 In einigen Fällen wurde auch eine spätere Zusammenlegung vorgesehen, wenn noch beide Pfarrer am Leben und vor Ort waren und eine Abfindung nicht zu finanzieren gewesen wäre.298 Natürlich musste mitunter die Zustimmung eines adligen Patronatsherrn eingeholt werden. So stimmte Balthasar von Eichenberg der Vereinigung von Großeutersdorf und Kleineutersdorf unter bestimmten Bedingungen zu.299 Die Interessen der Bauern bei diesen Zusammenlegungen sind nicht leicht zu pauschalisieren. Auf der einen Seite waren sie oft nicht in der Lage, einen Pfarrer zu unterhalten und nach den neuen Ordnungen auch ein Pfarrhaus zu finanzieren. Auf der anderen Seite widersprach eine Verschlechterung der Stellung der Kirche dem gewohnten Streben der dörflichen Gemeinde nach einer Erhaltung oder möglichst Verbesserung der geistlichen Versorgung.300 Diesen Widerspruch zeigt deutlich das Verhalten der Bauern von Großrettbach. Ihnen wurde in der Visitation 1533 mitgeteilt, dass das Einkommen ihrer Pfarrei nicht zur Unterhaltung eines Pfarrers ausreiche. Damit aber die leuthe nicht anderswohin geweiset wurden, sondern einen eignen pfarrer bey sich erhalten mochten, haben sie wilkorlich und freywillig Nachvolgende besserung auf sich geschlagen.301
294 Beispielsweise die Zuweisung mit der seelsorg von Partschefeld zu Uhlstädt 1533; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 267v. 295 Friedersdorf kam zu Gillersdorf, Hausen zu Marlishausen, Görbitzhausen zu Dannheim und Dosdorf zu Siegelbach; LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 16r, 22r, 26r. 296 So etwa 1529 die Vereinigung von Cospeda und Lützeroda; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 18r. 297 Einige Beispiele aus den Ämtern Weimar und Roßla: Zusammengeschlagen wurden Neustedt und Reisdorf, Pfiffelbach und Wersdorf, Süßenborn und Kleinkromsdorf; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 58r, 81v, 100r. 298 So etwa die Zusammenlegung von Seifartsdorf und Reichardtsdorf bei Eisenberg; ebd., fol. 162r. 299 Ebd., fol. 265v–266r. 300 Vgl. dazu Kap. I.7. 301 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 212v.
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Dazu gehörten ein Stück Land, Brote und Geld aus jedem Haus sowie eine Erhöhung des Zehnten. Hinzu kam der nötige Bau eines Pfarrhauses samt Scheune. Diese freiwilligen Zulagen, womit sie sich hochlich beladen, wie es der Schreiber formulierte, wurden aber unter einer Bedingung gereicht: Sollte das Dorf später doch einer anderen Pfarrei zugeschlagen werden, müssten sie nicht mehr gereicht werden. Und weyl sie sich Zu forderung [Förderung] gottes worths und der Iren sehelen heyl So redlich angegriffen, Ist Inen vertrostung geschen; sie erhielten aus der Sequestration des Klosters Georgenthal, das früher das Patronatsrecht über Großrettbach hatte, eine Kornzulage für die Pfarrei.302 Solches Engagement war einmalig. Viele Gemeinden versuchten jedoch über Jahre hinaus mit Suppliken auf ihre Interessen aufmerksam zu machen, wie das Beispiel der Dörfer Lindig und Löbschütz bei Kahla demonstrieren soll. Beide Dörfer bildeten eine gemeinsame Pfarrei. Doch nach dem Tod ihres Pfarrers sollten sie keinen neuen Geistlichen erhalten, in die Kahlaer Stadtkirche eingepfarrt und vom dortigen Kaplan geistlich versehen werden.303 Jedoch stieß diese Entscheidung auf wenig Begeisterung in den beiden Gemeinden. Sie wandten sich 1535 mit einer Supplik direkt an Kurfürst Johann Friedrich und listeten ihm ihre Beschwerdepunkte zu dieser Entscheidung auf:304 Die armen elenden vorlassene Menschen,305 wie sie sich selbst bezeichneten, wussten nicht, wie sie nachts bei einer tödlichen Krankheit zum Pfarrer gelangen sollten, wenn die Tore der Stadt verschlossen waren. Auch würden Kinder im Winter wohl oft ungetauft sterben. Das alles stünde in keinem Verhältnis zu den hohen Abgaben, die sie nach Kahla leisteten. Der Schosser des Amtes Leuchtenburg und der Neustädter Superintendent hätten lediglich auf den gültigen Visitationsbeschluss verwiesen, sodass sie sich gezwungen sahen, sich direkt an ihren gnädigen Herren, den Kurfürsten, zu wenden mit der Bitte, wieder einen eigenen Pfarrer zu erhalten. Nichts geschah. Vier Jahre darauf, im September 1539, schrieben die Dörfer erneut an ihren Landesherrn und beschwerten sich über den Kahlaer Pfarrer, der sie nicht ordentlich versehen würde.306 Daraufhin wurde dieser angewiesen, seine Pflichten ordnungsgemäß auszuführen, bis die Dörfer wieder einen eigenen Pfarrer erhalten würden. Es kam aber keineswegs zu einer sofortigen Änderung; dies hätte neben der Armut der Gemeinden wohl schon der allgemeine Pfarrermangel verhindert. 1545 beschwerten sich erneut mehrere Kahlaer Filialen wegen mangelnder geistlicher Versorgung. Nach einigen Verhandlungen sollte nun ein 302 303 304 305 306
Ebd., fol. 213r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 259r, 286v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 883, fol. 3r–4r. Ebd., fol. 3r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1223.
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Kaplan eingesetzt werden, der Lindig, Löbschütz und ein weiteres Filialdorf versehen sollte.307 Seit der Visitation 1533 war es also nicht zur Einrichtung der geplanten Kaplanei gekommen. Die Beharrlichkeit der beiden Dörfer führte zwar nicht zu direkten Ergebnissen, aber sie nutzten ihre Möglichkeiten, zumindest auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Auch in den folgenden Jahrzehnten waren die Möglichkeiten der Gemeinden, etwas an dem Zuschnitt der Pfarreien zu ändern, sehr schlecht. Zwei Beispiele: 1551 beschwerte sich die Gemeinde Wichmar im Amt Camburg über die Ablösung des Filials Würchhausen, das erst in der albertinischen Visitation 1540 zugeschlagen worden war.308 Grund für die Abtrennung war die Beschwerde des Junkers in Würchhausen, der anführte, dass er für den Gottesdienst in Wichmar die Saale überqueren müsste. Die Wichmarer Bauern beschwerten sich, weil sich ohne das Einkommen aus Würchhausen kein Pfarrer in Wichmar halten könnte. Sie betonen in ihrer Beschwerde, dass der Junker die Saale beinahe täglich zur Bewirtschaftung seiner Weinberge queren könne und wenn ihn das Wasser bei der Bestellung nicht hindere, werden e[uer] f[ürstliche] g[naden] gnedig erachten, das ynen solchs zum gebrauch Gottes Worts und der Sacrament viel weniger auffhalten kan.309 Trotz dieses nicht von der Hand zu weisenden Argumentes fiel die Antwort der herzoglichen Kanzlei knapp aus, die Entscheidung wurde nach Bedenken getroffen und sie sollten es dabei bewenden lassen.310 Die zweite Beschwerde betrifft gar die Auflösung des gesamten Kirchgutes in Wilsdorf und seine Zuschlagung zur Kirche in Dornburg. Bei der Kontrolle der Kirchenrechnung durch den Dornburger Schosser 1551 wurde kein neuer Kirchenvorstand eingesetzt und verfügt, dass der Besitz der Kirchenfabrik als Zulage zum Dornburger Pfarrgut kommen sollte.311 Die Gemeinde verwies erfolglos auf die Funktion des Kirchgutes zur Unterhaltung ihrer Kapelle mit den Glocken und der Hilfe für arme Nachbarn. Die Entscheidung wurde damit verteidigt, dass in Dornburg sehr großer Bedarf herrsche und der Weg dorthin sehr kurz wäre. Zusätzlich sollten sie sich nicht beschweren, schließlich hätten die verbliebenen sieben Bauern in Wilsdorf die Kapelle bereits nur noch als Scheune benutzt.312
307 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 57, v. a. fol. 6r–7r. Das dritte Filial, Bibra, drohte im Rahmen dieser Verhandlungen, dass es sich, wenn keine ordentliche Versorgung erfolgen sollte, mit dem Pfarrer des benachbarten Eichenberg einigen würde (ebd., fol. 8v). Auch dieses Dorf wollte also die geistliche Versorgung in die eigene Hand nehmen und keineswegs nur die Visitationsbeschlüsse abwarten. 308 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2318, fol. 1r‒2r. 309 Ebd., fol. 1v. 310 Ebd., fol. 3r. 311 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2322. 312 Ebd., fol. 3r‒4r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Einmal mehr wird deutlich, dass sich die Frage der Zusammenlegungen durch das gesamte 16. Jahrhundert, ja meist gar durch die gesamte Neuzeit, zog. So wie bestimmte Dörfer aus finanziellen und anderen praktischen Gründen zu Filialen werden konnten, wurde natürlich auch die Zuweisung von Filialverhältnissen aus vorreformatorischer Zeit überprüft. Die Filialdörfer wurden dabei als Mittel zur Aufbesserung bestehender Pfarreinkommen gesehen, etwa wenn das Filialdorf Meckfeld zur Aufbesserung des dortigen Einkommens nun nach Milda statt nach Keßlar gewiesen wurde, aber weiterhin einen Teil der Abgaben nach Keßlar entrichten musste.313 Wie bereits einige Beispiele zeigten, fanden solche Lösungen meist wenig Verständnis bei den Bauern. Neben finanziellen Gründen konnten die Beschwerden der Gemeinden aber ebenfalls Auslöser von Änderungen der Filialverhältnisse sein. Die Bauern von Reichenbach baten 1533 vor den Visitatoren darum, zu einer anderen Pfarrei geschlagen zu werden. Der Weg zur jetzigen Mutterkirche Wolfsbehringen wäre sehr weit und der Pfarrer könne wegen seiner körperlichen Schwäche nicht zu ihnen laufen.314 Die speziellen örtlichen Verhältnisse erschwerten oft eine einfache Bildung neuer Strukturen. Neustädt bildete seit 1528 eine Pfarrei mit Sallmannshausen. Eine Betreuung beider Orte fiel dem Pfarrer doch vor allem, wann das wasser gros ist, schwer, lag doch die Werra zwischen beiden Orten.315 Sallmannshausen sollte fortan vom Pfarrer von Lauchröden versorgt werden, der aber dem Neustädter Pfarrer zwei Schock Groschen vom Einkommen abgeben musste. Da dies für dessen Einkommen dennoch nicht reichte, erhielt er verschiedene Zulagen. Ein Beispiel, dass die Dreieckskonstellationen zeigt, mit denen die Visitatoren in vielen Orten zu kämpfen hatten. Wegen der Probleme der Pfarreinkommen konnten sie nicht ausschließlich nach praktischen Gesichtspunkten vorgehen, was allerdings praktische Probleme nach sich zog.316 Es fällt auf, dass in den genannten Beispielen die Bauern nicht mit ihrem eigenen Aufwand argumentierten, sondern den des Pfarrers anführten.317
313 314 315 316
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 273v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 327v. Ebd., fol. 35r. Einige Filialdörfer wurden innerhalb kurzer Zeit mehrfach anderen Mutterkirchen zugewiesen, wie etwa Förtha, das allein zwischen 1528 und 1533 zweimal zu einer anderen Pfarrei kam; ebd., fol. 26v–27r. 317 Zu den Topoi, die die Gemeinden anführten, wollten sie einen eigenen Pfarrer erhalten, vgl. oben Kap. I.2.
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3.5. Dörfer mit mehreren Pfarrkirchen Es wurde dargestellt, dass die Zusammenlegung von Pfarreien in erster Linie Gebiete mit kleineren, ärmeren Dörfern traf. In den Gebieten West- und Zentralthüringens, die über bessere Bodenwerte und größere Dörfer verfügten, findet sich aber eine entsprechende Entwicklung in den Orten mit mehr als einer Pfarrkirche. Bereits in der ersten Visitation, 1526 im Amt Tenneberg, stellte Friedrich Myconius fest, dass zwei Kirchen in Sundhausen bei Gotha unnötig seien.318 In der folgenden Visitation 1528 wurden beide Pfarreien vereinigt, die jeweiligen Einkommen von Pfarrer, Kirchenfabrik und Kirchner zusammengelegt. 1533 wurde der Gemeinde verfügt, die zweite Kirche vor dem Dorf abzureißen und die Baumaterialien für das zu bauende Pfarrhaus und andere Zuständigkeiten der Gemeinde zu verwenden.319 Auch in Olbersleben sollte es nach Auflösung einer der Pfarrpfründen ebenfalls nur noch einen Kirchner geben, der aber das zweite Einkommen für sein obligatorisches Wirken in der kinder schule erhalten sollte.320 Zuvor hatten die Bauern selbst entschieden, dem Kirchner nur eines der Einkommen zu reichen. Aus Großenlupnitz hat sich die Urkunde über die Zusammenlegung der Peter-und-Pauls- mit der Bonifatiuspfarrei in Kopie erhalten.321 Sie datiert auf den Heiligen Abend 1528 und nennt das unzureichende Einkommen der Peter-und-Pauls-Pfarrei als ausschlaggebenden Grund. In dem Vertrag, der mehrfach ausgefertigt wurde, wurde in erster Linie geregelt, wie sich das Einkommen des verbleibenden Pfarrers aus den beiden Pfründen zusammensetzen würde. Im Zuge dieses Vertrages wurden beide bisherigen Pfarrer abgesetzt und abgefunden. Der eine wurde in Lehre und Leben ungeschickt befunden, der andere war ein Eisenacher Kanoniker, der nicht in Großenlupnitz residierte und auch keinen Vertreter bestellt hatte.322 Für die verbleibende Pfarrei wurde ein neuer Pfarrer bestellt. In Tüngeda legten die Patronatsherren, die von Wangenheim zu Wangenheim, bereits vor den ersten Visitationen beide Pfarrkirchen zusammen.323 Für diejenigen, die die Kirchen und die Pfründen zu unterhalten hatten, war mit einem solchen Vorgehen selbstverständlich auch ein bedeutendes Einsparpotential verbunden. Die beiden Molsdorfer Pfarreien wurden 1528 vereinigt, da eine von beiden ohne Pfarrer vorgefunden wurde. Spätestens ab 1533 gab es ebenfalls nur noch 318 319 320 321 322
DREWS, Bericht, S. 13. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 227r–229r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 43v–44r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 439, fol. 2r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 128r. Beide Pfarrkirchen hatten gemeinsam 17 Filialorte, von denen ein großer Teil aber wüst war. 323 WANGENHEIM, Wangenheim, S. 149.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
einen Kirchner, allerdings blieben beide Kirchenfabriken erhalten. Der Pfarrer sollte jeden Sonntag in beiden Kirchen Gottesdienst abhalten. Dass beide Kirchen erhalten blieben, hing eventuell mit den Patronatsrechten zusammen. Die eine Pfarrei war ein niederadliges Lehen derer von Thun, die andere ein erzbischöflich-mainzisches Lehen.324 In den vielen Dörfern des Thüringer Beckens, die über mehrere Pfarrkirchen verfügten,325 fanden in den ersten Visitationen kaum Änderungen statt. In der albertinischen Visitation 1539 wurden einzig zwei der drei Kirchen in Kirchheilingen vereinigt.326 Ein Kirchner sollte beide Einkommen erhalten, aber auch die Schüler beider Gemeinden unterrichten. Allerdings blieben beide Kirchen zunächst erhalten. Die dritte Kirche des Ortes, dem hl. Bonifatius geweiht, war von den Änderungen unbenommen. Alles in allem wurde die Struktur mit mehreren Pfarrkirchen in vielen Dörfern überhaupt nicht berührt. In den meisten Fällen handelte es sich um recht junge Neubauten, die zur Versorgung der großen Gemeinden auch vonnöten waren. Außerdem waren die Gemeinden auch finanziell in der Lage, ihre Pfarrer zu unterhalten. In vielen Orten kam es freilich im Laufe der Neuzeit doch zu Zusammenlegungen, in deren Zuge auch die Kirchengebäude verschwanden, sodass diese Besonderheit nur noch in wenigen großen Dörfern des Thüringer Beckens, wie etwa in Großen- und Altengottern, erlebbar ist.
3.6. Politische Gründe für Änderungen der Filialverhältnisse Zusätzlich zu den materiellen und den praktischen Gründen sprachen in der Frühzeit der Reformation auch politische und religiöse Gründe für die Änderung bestimmter Filialverhältnisse. Dies geschah bei Dörfern, die an einer Grenze zu einem noch nicht reformierten Gebiet lagen. Solche Fälle lassen sich in den frühen ernestinischen Visitationen in den Grenzgebieten zu den albertinischen und reußischen Territorien feststellen. Es gab ernestinische Filialdörfer von Mutterkirchen außerhalb des Landes. Wurde von den Pfarrern dieser Mutterkirchen kein evangelischer Gottesdienst gehalten, sahen sich die Visitatoren gezwungen, einzugreifen. Meist wurde diese geänderte Zuweisung als Übergangslösung angesehen. So sollten die Einwohner von Neudeck nach Dreba in die Kirche gehen, bis die reußischen Pfarreien
324 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 349r–350r. 325 Vgl. die Tabelle Nr. 4 im Anhang dieser Arbeit. 326 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 73v–78v. Es handelte sich um St. Marien, die zur Pfarrei St. Wigbert geschlagen wurde. Ebenso erscheint es ohne weitere Änderungen im Visitationsprotokoll 1540; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 399r–401v.
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evangelisch seien.327 Hainchen und Willschütz bei Schkölen waren Filialdörfer eines Ortes im Herzogtum. Den Bauern beider Orte wurde, da man sie keiner Pfarrei im Kurfürstentum zuweisen konnte, geraten, nach Gelegenheit an den Gottesdiensten in benachbarten Dörfern teilzunehmen. Prinzipiell wurde auch die Einrichtung einer eigenen Pfarrei mit Hilfe einer Zulage aus den Sequestrationen erwogen.328 Ähnlich verhielt es sich in Eberstedt und Burgheßler. Erstgenannter Ort war Filial der Pfarrei Niedertrebra, in der Hans Schenk von Tautenburg kein Evangelium predigen ließ, zweitgenannter Ort Filial der Pfarrei Klosterhäseler. Allerdings stellten die Visitatoren fest, dass die Orte zu keiner anderen Pfarrei im Kurfürstentum geschlagen werden könnten und empfahlen den Leuten bey gesund leybe, Gottes Wort und die Sakramente an anderen Orten zu empfangen. Den Eberstedter Bauern wurde eindeutig aufgetragen, dem Pfarrer von Niedertrebra kein Einkommen zu übergeben, bis dieser nicht evangelisch predige.329 Auf albertinischer Seite wurde ähnlich verfahren. Kleinromstedt war eigentlich Filial der Pfarrei Hermstedt im Kurfürstentum. Wegen der spaltung der religion wurde zu Zeiten Herzog Georgs das Dorf zu Sulzbach geschlagen, damit die Einwohner eine katholische Messe hören würden.330 Bei der albertinischen Visitation 1539 wurden diese Zuweisungen nun zumindest überprüft, da sich beide wettinische Linien prinzipiell geeinigt hatten, die Filialzugehörigkeit unabhängig von den politischen Grenzen anzuerkennen.331 Eine Besonderheit stellte Burgwenden dar. Es war Filial der Pfarrei Großmonra, was kirchlich und gerichtlich gemeinsamer Besitz der Erfurter Stifte St. Marien und St. Severi war. In der Visitation 1540 wurde festgehalten, dass das Dorf bisher durch den Pfarrer christlich mit dem Evangelium versorgt würde, sollte sich daran aber etwas ändern, dürfte der Herr von Werthern, dem das Filial unterstand, dieses einer anderen Pfarrei zuschlagen.332
327 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 215v. Ebenso verhielt es sich mit Neuenbeuthen; ebd., fol. 302r. 328 Ebd., fol. 181r. 329 Ebd., fol. 59v. 330 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 421v. Ebenso wurde mit dem Nachbardorf Großromstedt verfahren, dass Filial von Kapellendorf im Kurfürstentum war, aber vom Pfarrer von Vierzehnheiligen versorgt werden sollte; ebd., fol. 423v. 331 BURKHARDT, Landtagsakten, Nr. 452, S. 248 f., hier S. 249. 332 LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 116v.
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3.7. Regelungen mit Filialdörfern In den Dörfern, deren kirchlicher Status durch die Beschlüsse der Visitationen geändert wurde, bestand natürlich das Ziel, zumindest die eigenen Bedürfnisse vertraglich zu fixieren. Zu sehr war man selbst und aus den Erzählungen Anderer Probleme mit Pfarrern gewohnt, die nicht im eigenen Dorf residierten. Die Rezesse waren in Voraussicht dafür vorgesehen, sich rechtlich auf sie berufen zu können. Neben der Niederschrift in den Visitationsprotokollen wurden Kopien des Vertrages an alle beteiligten Dorfschaften ausgestellt. Zunächst wurde festgehalten, wann der Pfarrer wo predigen solle. Bei einem Filialdorf sollte er in der Regel abwechselnd sonntagmorgens im einen und nachmittags im anderen Gottesdienst halten. 333 Eventuelle Wochenpredigten kamen hinzu.334 Bei zwei Filialkirchen wurde diese Regelung beibehalten, im dritten Ort wurde sodann meist eine Wochenpredigt gehalten.335 Bei mehreren Filialen, die ein Pfarrer ohne Kaplan versorgen musste, entstanden interessante Dreiecksregelungen. Der Pfarrer von Burgau sollte Burgau und Ammerbach im Wechsel versorgen, jeden dritten Sonntag aber Winzerla und Ammerbach. Somit fanden im Filial Ammerbach mehr Gottesdienste statt als im Pfarrdorf.336 Beispielhaft ist der Rezess, der den Dörfern Ottmannshausen und Stedten am Ettersberg 1533 von den Visitatoren ausgestellt wurde.337 Zunächst wurde die übliche Predigtregelung aufgeführt, im Anschluss aber festgehalten, dass beide Dörfer ihren Kirchner behalten sollen, was beileibe keine Selbstverständlichkeit war. Weiterhin sollten beide Kirchhöfe erhalten bleiben und auf diesen Begräbnisse stattfinden. Dies war für die Bauern des Filials Stedten mit Sicherheit ein sehr wichtiger Punkt, der einen Teil des kirchlichen Lebens im Dorf bewahrte.338 Abschließend wurde der Umgang mit den beiden vorhandenen Pfarrhäusern geregelt. Der Pfarrer sollte in Ottmannshausen wohnen, das dortige Pfarrhaus sollte zu zwei Dritteln von der Gemeinde Ottmannshausen und zu einem Drittel von der Gemeinde Stedten unterhalten werden. Das Pfarrhaus in Stedten sollte vermietet oder verkauft werden, wobei jeweils der Ertrag dem Pfarrer auszu-
333 So etwa die Regelung in der Pfarrei Niedergrunstedt mit dem Filial Obergrunstedt; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 22r. 334 In Lehnstedt und seinem Filial Hammerstedt gab es jeweils eine zusätzliche Wochenpredigt; ebd., fol. 30r. 335 So etwa in der Pfarrei Cospeda mit den Filialen Closewitz und Lützeroda; ebd., fol. 125v. 336 Ebd., fol. 128r. 337 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 650. 338 Dem Pfarrer von Uhlstädt wurde 1533 gesondert auferlegt, auch im Fililaldorf Weißen zu taufen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 263v.
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händigen war.339 Dies traf sicherlich auf weniger Zustimmung in der Filialgemeinde, da sie ihr Pfarrhaus opfern sollten, um im Gegenzug den Aufbau eines anderen zu bezahlen. Die Streitigkeiten, die aus solchen Regelungen um die Pfarrhausfinanzierung entstehen konnten, wurden bereits in einem anderen Kapitel thematisiert.340 Das Pfarrhaus war längst nicht der einzige Grund, aus dem Probleme mit den Filialdörfern entstehen konnten. So distanzierten sich die Bauern von Oberhasel von ihrer Mutterkirche in Kirchhasel, da dort noch ein Pfarrer nach altem Brauch wirkte. 1533 wurde ihnen auferlegt, sich, sollte sich an der Situation nichts ändern, an den Superintendenten zu wenden.341 Der Pfarrer von Heilingen sollte einen Kaplan zur Versorgung zweier Filialen halten. Da er das nicht tat und es weitere unrichtickeit zwischen ihm und den Gemeinden gab, sollten Engerda und Mötzelbach ab 1533 eine eigene Pfarrei bilden.342 Letztendlich schließt sich der Kreis, da viele Filialdörfer ihre Unzufriedenheit mit der Pfarrstruktur oder ihrem konkreten Pfarrer in Verweigerungen der Abgaben zum Ausdruck brachten. Ebenfalls ist in diesen Fällen, wie bei beinahe allen Verweigerungen, die konkrete Motivation nicht erkennbar. Verfolgten die Bauern einen materiellen Vorteil oder gab es Vorkommnisse, die sie zu diesem Instrument greifen ließen? In den Visitationsprotokollen wird lediglich auf diese Fälle aufmerksam gemacht, wie im Falle des Filialdorfes Kornhochheim, dessen Einwohner sämtliche Abgaben an den Pfarrer in Sülzenbrücken verweigerten, weshalb sie der Amtmann der Wachsenburg zu Mithilfe an den pfarburden anhalten sollte.343 Auch diese Probleme konnten von den frühen Visitationen nicht beseitigt werden. Entsprechende Beispiele finden sich erneut in der gesamten Neuzeit. Gegen Ende der sechziger Jahre des 16. Jahrhunderts erhielt der Pfarrer von Waltersdorf in der reußischen Herrschaft Gera von seinem Filialdorf St. Gangloff im Holzland keinerlei Abgaben. Anscheinend war die Situation zwischen den Parteien sehr gestört, der Pfarrer wollte das Dorf am liebsten fallen lassen.344
339 In dieser Frage gab es Unterschiede zwischen den Dörfern, die Bauern von Hammerstedt sollten den Erlös ihres Pfarrhauses zum Kirchenbau oder ihrem Beitrag zum Pfarrhaus im Pfarrdorf Lehnstedt verwenden. Einfach gesprochen: Das Geld ging in den Bestand der Kirchenfabrik über; ebd., fol. 30r. Ganz ähnlich wie den Stedtenern erging es in der zweiten albertinischen Visitation 1540 den Bauern von Niedertopfstedt und Ködderitzsch; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 84v, 153v–154r. 340 Vgl. oben Kap. III.2.5. 341 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 261r. 342 Ebd., fol. 268r. 343 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 248v. 344 StAG, III B, 19334, fol. 42v, 97r.
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4. Die Umwandlung der Stiftungsgüter DIE UMWANDLUNG DER STIFTUNGSGÜTER
Aus dem Vorangegangenen, aus den vielen Problemen mit den Pfarreinkommen, ergibt sich als logische Konsequenz, dass die Visitatoren den Großteil der Stiftungsgüter für die Verbesserung der materiellen Situation der Pfarreien verwendeten. Der gesamte Prozess der Umwandlung der geistlichen Lehen setzte mit den jeweilig ersten Visitationen ein.345 Die Stiftungsgüter wurden als kirchliche Rechte verstanden, somit hatten die Stifter kein Recht, diese einzubehalten.346 Aus der ernestinischen Visitation von 1533 ergab sich die Verfügung, dass noch immer ungeklärte und nicht erfasste Lehen und geistliche Stiftungen nach Absprachen entweder zur Besserung der Pfarrei, für Stipendien oder zur Armenfürsorge gebraucht werden sollten.347 Es konnte gezeigt werden, wie vielfältig die vorreformatorischen Stiftungen in den thüringischen Dörfern waren. 348 Keineswegs waren Stiftungen „selten“.349 Auch entspricht es keineswegs den Tatsachen, dass die „Verwendung dieser Stiftungen zu kirchlichen Zwecken […] nicht ins Gewicht [fiel]“.350 Somit stellte sich die Frage nach der Umwandlung und Verwendung der Güter für alle Regionen. Natürlich trafen die Visitatoren in vielen Orten auf Unwillen oder auf bereits getroffene Entscheidungen. Die Bauern von Angstedt hatten 18 Gulden von einer Fronleichnamsmesse bereits unter sich aufgeteilt. 351 Auch in Reinstädt hatten die Bauern bereits eine Regelung für das Einkommen der Vikarie getroffen, die die Visitatoren zunächst rückgängig machen mussten.352 In Kirchheilingen hielten die albertinischen Visitatoren 1539 fest, dass die Stifter die Vikarien nicht unterziehen sollten. 353 Man traf aber mitunter auf positive Beispiele, so 345 Für das ernestinische Gebiet ist an dieser Stelle das Fehlen der Protokolle der Visitation von 1528 besonders bedauerlich. In der Visitation von 1533/1534 finden sich aber, wie bei den Veränderungen der Pfarrlandkarte, einige Hinweise auf vorher getroffene Entscheidungen. Meist gibt es aber keine Angaben oder diese fallen sehr grob aus. So in Molschleben, wo 1533 lediglich festgehalten wurde, dass die Vikarie verwendet werden solle, wie es 1528 vorgesehen war; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 203v. Für die Anforderungen der Instruktionen vgl. besonders die ernestinische von 1527: EKO 1, 1, S. 144. 346 Ebd. 347 Ebd., S. 196. 348 Vgl. oben den Abschnitt I.4. 349 So HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 96, der auch zu pauschal feststellt, dass diese „kleineren Stiftungen“ den Pfarrpfründen oder den Kirchenfabriken zugeschlagen wurden. 350 So BURKHARDT, Visitationen, S. 136. 351 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 7r. 352 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 271r. 353 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 78v.
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DIE UMWANDLUNG DER STIFTUNGSGÜTER
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hatten die Einwohner von Eschenbergen bereits vor der Visitation mit dem Einkommen einer Vikarie das Einkommen ihres Pfarrers aufgebessert.354 Erneut trifft man auf das Quellenproblem, dass Verhalten im Sinne der Visitationsinstruktionen kaum als solches erwähnt wird, da damit keine weiteren Regelungen verbunden waren. Es muss vermehrt vorgekommen sein, was die schwarzburgischen Visitatoren zu Thälendorf gesondert vermerkten: Dass die Bauern die Abgaben einer Messstiftung gern weiter an ihren Pfarrer reichen wollten.355 Viel häufiger waren freilich Probleme und fehlende Kooperationsbereitschaft in den Orten. Die Stifter oder deren Erben beanspruchten Teile des Stiftungsgutes oder verweigerten die Abgaben, wie dies bereits geschildert wurde.356 Des Weiteren trafen besonders die frühen ernestinischen Visitationen auf Schwierigkeiten mit ‚papistischen‘ Amtsinhabern noch bestehender Stiftungen. In Oberdorla bestand kein Zugriff auf zwei Vikarien, die sich in Verwaltung des Langensalzaer Stiftes befanden. Eine Regelung wurde nicht eingehalten und inzwischen hatte ein Vikar gar begonnen, Scheunen abzureißen und im albertinischen Gebiet wieder aufzubauen.357 Eine Kapelle bei Molschleben und weitere Lehen in Westthüringen befanden sich in Händen eines Erfurter Katholiken, der die Zinsen nutzte und anscheinend den Visitatoren den Zugriff verweigerte, weshalb sich ein etwas ratloser Myconius noch 1539 an den Weimarer Hof wandte. 358 Fehlende Unterlagen führten bisweilen zu der Herausforderung, überhaupt erst einmal zu klären, welche Einnahmen zu einem Benefizium gehörten.359 Besondere Probleme bestanden bei geistlichen Lehen, die auf adlige Stiftungen zurückgingen. Adlige sahen sich in ihren Rechten eingeschränkt und versuchten, möglichst viel Einkommen für den Familienbesitz zu sichern.360 Für die 354 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 198r. In Trügleben hatten die Bauern eine Holzung, die zum Stiftungsgut einer nicht bestätigten Jahrtagsstiftung gehörte, selbst verkauft und den Erlös für die Kirchenfabrik auf Zins angelegt. Von diesem Ertrag zahlten sie ihrem Pfarrer eine Zulage. Dies mussten die Visitatoren nur noch bestätigen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 242r. 355 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 13v. 356 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 128r (Burgau). 357 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 70r–72r. 358 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Specialia, Amt Gotha 256. 359 In Oberdorla (vgl. oben) konnten die Leute nicht angeben, welche Zinsen zu einer Kommende gehörten, und in Warza war das Einkommen einer Vikarie unklar, da der Vikar wegen Mordes landflüchtig war; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 70v, 187r. 360 Vgl. die Kap. II.5 und III.7 dieser Arbeit; z. B. die Beschwerde der Gemeinde Krölpa gegen die Unterschlagung der Fronleichnamsvikarie durch Christoph von Brandenstein. Solches Verhalten konnte auch das fehlende Aushändigen von Rechnungen und Urkunden betreffen, sodass die Visitatoren nicht wussten, worüber sie verhandelten. So
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Visitatoren blieb oft nur, auf diese Fragen aufmerksam zu machen und die Adligen zu ermahnen. In Dörfern mit einer breiten Sakraltopographie aus vorreformatorischer Zeit hatten die Visitatoren somit viel größere Möglichkeiten beim Aufbau einer neuen Struktur. Nur waren dies oft ohnehin größere und reichere Dörfer, die zur Unterhaltung eines Pfarrers und anderer Institutionen in der Lage waren. 361 Zu Döllstädt vermerkten die Visitatoren, dass man wegen der Klostervikarien die Pfarrei und die Schule wol bestellen oder Knaben Stipendien ermöglichen könne, und das, obwohl es im Dorf zwei Pfarreien gab. 362 Insofern bestanden diese Möglichkeiten gerade in Orten, in denen sie weniger nötig waren. Sofern es möglich war, wurden Einkommen daher auch anteilig für Pfarreien in anderen Dörfern eingesetzt.363 Die Problematik der V e r b e s s e r u n g d e r P f a r r e i n k o m m e n wurde bereits an anderer Stelle erläutert, daher sollen lediglich die Vielzahl der Beispiele und einige Grundlinien demonstriert werden. Verschiedene Benefizien wurden als Ersatz für nicht mehr gezahlte Jahrtagsstiftungen oder Stolgebühren einem Pfarreinkommen zugeschlagen. 364 In den meisten Fällen sind solche Zahlungen aber schwer von allgemeinen Zulagen zu trennen, da sie nur im Einkommen des Pfarrers genannt werden.365 Benefizien konnten nur frei verwendet werden, wenn deren Inhaber inzwischen verstorben waren oder ihre Stellen verlassen hatten. 366 Anderenfalls wurde zunächst versucht, Vikare, die
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verfuhren die von Reckerod mit dem Geschäftsgut der Annenbruderschaft in Lauchröden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 109v. Freilich kam den Benefizien gerade bei der Umstrukturierung der Großpfarreien eine große Bedeutung zu; vgl. oben Kap. III.3.3. Dort wurden z. B. die Vikarien in Weira und Zwackau Teil einer Pfarrei; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 216v, 230v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 305r. In Gräfentonna wurde etwa verfügt, dass unerledigte Vikarien für arme Pfarrer und Stipendien verwendet werden sollten. Das Einkommen einer Kapelle bei Molschleben wurde zur Pfarrei Hohenkirchen geschlagen; ebd., fol. 303v, 275r. Weiter im Osten des Landes bietet die Auflösung der Beutnitzer Stiftungen ein solches Beispiel. Ein Teil einer Vikarie wurde an die arme Pfarrei Schleifreisen gerichtet, eine andere an die Pfarrei Isserstedt; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 135r. Dies konnte auch Fabrikgüter von Kapellen betreffen, wie in Illeben, wo das Kapellengut zwischen den Pfarrern von Eckardtsleben und Illeben als Ersatz für Stiftungen geteilt wurde; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 273r. So verfügte der Pfarrer von Obernissa über drei Schock Groschen von einer Kommende, der Pfarrer von Isserstedt über vier Schock Groschen von der Fronleichnamsvikarie in Beutnitz; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 112v, 123r. Bei der Frühmessvikarie in Gräfenroda wurde vermerkt, dass deren Inhaber 1532 nach Franken unther die Bischofe gezogen sei; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 355v.
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geeignet waren, in die geistlichen Aufgaben einzubinden.367 Weigerten sich diese oder waren sie ungeeignet, wurde versucht, sie abzufinden oder zu verpflichten, einen Teil ihres Einkommens abzugeben.368 Führte kein Ansatz zu einer Lösung, wurde auf den Tod des Vikars gewartet und eine Eventualverfügung für den Umgang mit der Pfründe getroffen.369 Einfacher verhielt es sich natürlich bei anderen Stiftungsgütern, die nicht an eine Person gebunden waren.370 Sofern es sich um gemeindliche Stiftungen handelte, lässt sich nachvollziehen, dass die Bauern auf einer vertraglichen Festsetzung bestanden. In Friemar erhielt der Pfarrer das Einkommen der Vikarie und weitere Sachleistungen, musste aber die Gemeinde im Gegenzug die Pfarrscheune zum Lagern des Getreides benutzen lassen.371 Die Friemarer schrieben bereits 1528 eine Supplik an den Kurfürsten, die eine gesonderte Überprüfung zur Folge hatte. In deren Folge wurde verfügt, dass die Heimbürgen und Gesandte des Amtes gemeinsam das Vikariegut verwalten sollten, von dem zwar der Großteil an den Pfarrer gegeben werden sollte, ein Teil aber auch für die Armen des Dorfes verwendet werden konnte.372 Weitere Benefizien, die auf gemeindlichen Stiftungen beruhten, finden sich ohne weitere Angaben im Einkommen des Pfarrers.373 Die Gegenleistungen konnten praktischer Natur sein, wie in Friemar, oder aber auch geistliche Dienstleistungen umfassen. So erhielt der Pfarrer von Elxleben am Steiger die Zinsen der dortigen Kapelle, musste aber dafür eine Dienstagspredigt abhalten.374 Dem Pfarrer von Bucha wurden die Zinsen der Kommende in Schorba genehmigt, dafür musste er in diesem Dorf zusätzlich donnerstags predigen.375 Solche Regelungen lassen sich auch bei den Zahlungen für einfache Messstiftungen feststellen. In Dienstädt sollte der Pfarrer für das Geld einer zusätzlichen Sonn367 In Goldbach durfte der Vikar das Haus der Vikarie behalten, sollte dafür dem Pfarrer behilflich sein, in Wangenheim half ein Vikar konkret beim Pfarrdienst; ebd., fol. 183r, 319v. 368 Ein Vikar in Großfahner sollte aus seinem Einkommen eine Zulage an den Pfarrer des Ortes zahlen. Nach seinem Tod sollte die Vikarie dem Pfarrer, der Schule oder einem Stipendium zugutekommen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 346r. 369 Die Vikarien in Tambach, Hochheim bei Gotha und Braunsdorf sollten nach dem Tod des jeweiligen Vikars an den Pfarrer fallen; ebd., fol. 277v, 335r; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 247r. 370 Der Pfarrer von Reisdorf erhielt das Einkommen des inzwischen abgeschafften Kalands; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 265r. 371 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 205r–207r. 372 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 246. 373 So die Vikarie in Hochdorf (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 35r; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 188v) und die Fronleichnamsvikarie in Kannawurf (LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 105r). 374 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 7r. 375 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 146r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
tagsmesse nun eine zusätzliche Predigt an jedem dritten Sonntag halten.376 In Uhlstädt wurde der Pfarrer verpflichtet, für zwei Schock Groschen statt einer Fronleichnamsmesse eine sonntägliche Kinderpredigt zu halten. 377 Es kam in diesen Fällen auf die Hartnäckigkeit der Gemeinden und ihr Verhandlungsgeschick an; nur durften sie nicht die Verfügungsgewalt der Visitatoren an sich in Frage stellen. In größeren Pfarrdörfern oder Pfarreien mit vielen Orten kam auch vor, dass aus ehemaligen Stiftungsgütern zusätzliche geistliche Stellen geschaffen wurden.378 Insgesamt überwiegt die Verwendung der Benefizien für die Pfarrer andere Verwendungen deutlich. Beispiele sind Legion.379 Trotz dieser Bevorzugung der Pfarreieinkommen konnten die Ausstattungen der Pfründen auch in andere Vermögen eingehen. Wenn die Bauern auf Schwierigkeiten aufmerksam machten, wurde auch die eventuelle Armut der K i r c h e n f a b r i k berücksichtigt. Einige Stiftungen wurden dazu zwischen dem Pfarrer und den Alterleuten geteilt. Von der Rudersdorfer Kapelle erhielt der Pfarrer die Einnahmen der Vikarie, die örtliche Kirchenfabrik das Kapellenvermögen.380 Das Einkommen der Vogelsberger Vikarie sollte nach dem Tod des Vikars zwischen Pfarrer und Kirche zu gleichen Teilen geteilt werden.381 Vorrangig soll erneut nach den Stiftungen gefragt werden, die sich eindeutig auf die bäuerliche Gemeinde zurückführen lassen. In Hörselgau gab es bereits 1528 einen starken Streit zwischen der Gemeinde und dem Pfarrer um das Einkommen der Vikarie.382 Die Visitatoren entschieden, dass das Einkommen des Benefiziums, außer dem Haus des Vikars, der Kirche zufallen sollte. Ebenso wurde es 1533 376 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 74r. 377 Ebd., fol. 80v. 378 So sollte eine Vikarie in Lehesten der dortigen Prädikatur zugeschlagen werden (LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 399), in Mihla und Möbisburg sollte eine Kaplanei zur Unterstützung des Pfarrers eingerichtet werden (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 95r, 253r). 379 Außer den genannten Beispielen finden sich Teile oder vollständige Benefizien im Einkommen des Pfarrers in folgenden Orten wieder: Mihla (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 95r), Holzhausen (ebd., fol. 250r), Ingersleben (ebd., fol. 300r), Töttelstädt (ebd., fol. 309r), Erffa (ebd., fol. 339r), Neumark (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 69r), Oberndorf (LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 22v), Sundhausen (LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 93v), Körner (ebd., fol. 109r), Sachsenburg (ebd., fol. 257r), Kannawurf (ebd., fol. 259v), Gebesee (LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 39v), Wenigentennstedt (ebd., fol. 41r), Gangloffsömmern (ebd., fol. 66v), Tunzenhausen (ebd., fol. 86v), Rudersdorf (ebd., fol. 147r), Münchengosserstedt (ebd., fol. 235v) und Pahren (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 56r–56v). 380 LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 147r. 381 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 40v. 382 LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 432; zur Einrichtung der Hörselgauer Vikarie vgl. oben Kap. I.4.3.
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bestätigt, mit der Einschränkung, dass die Vikarie noch in Besitz des Pfarrers von Mechterstädt sei und erst nach dessen Tod nutzbar werde.383 In Bufleben wurde das Lehen der Johanneskapelle 1528 dem Pfarrer zugeschlagen.384 Ohne eine Angabe von Gründen findet sich aber 1533 die Verfügung, dass es zur Unterhaltung der Gebäude zum Kirchenvermögen kommen solle.385 Auf unbekannte Art und Weise war es den Alterleuten gelungen, die Visitatoren von dieser Notwendigkeit zu überzeugen. 386 Die Vikarie der Gemeinde in Eckolstädt wurde 1539 den Alterleuten zugeschlagen, um davon Kirche und Pfarrhaus zu unterhalten.387 Solche zweckgebundenen Zuweisungen erscheinen noch in anderen Fällen, nur waren sie freilich schwer zu kontrollieren. Ebenso lässt sich der Weg dreier Bruderschaftsvermögen in den Bestand einer jeweiligen Kirchenfabrik nachvollziehen.388 Anteile von Benefizien oder Messstiftungen erhielten die Kirchenfabriken anscheinend nur, wenn sie einen Bedarf nachweisen konnten oder die materielle Lage der Kirche entsprechend schlecht war.389 Neben dem Einkommen der Pfarrer beherrschte der Pfarrermangel das Handeln der Visitatoren. Auch die allgemein darniederliegenden Zustände an Schulen und Universitäten führten wohl zur Förderung der B i l d u n g s f i n a n z i e r u n g .390 Die Vergabe von Stipendien und die finanzielle Förderung der schulischen Versorgung in den Dörfern sollen aus dieser Perspektive gemeinsam betrachtet werden. Verwiesen sei auf die Stipendien aus den Stiftsgütern, die an dieser Stelle keine Beachtung finden.391 Stipendien aus den Einkommen vorreformatorischer Benefizien sind in erster Linie ein Phänomen aus den Verhandlungen mit adligen Patronatsfamilien. Diese 383 384 385 386 387 388
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LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 234r–234v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 278. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 190v–191r. In diesem Zusammenhang sei auf ein Holzgesuch der Gemeinde aus diesen Jahren verwiesen, dem ebenfalls stattgegeben wurde; vgl. oben Kap. III.2.5. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 449r. Dies sind die Bruderschaft in Krippendorf (LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 212r), die Sebastiansbruderschaft in Sundhausen bei Langensalza (LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 94v) und die Bruderschaft in Marksuhl, von deren Vermögen die Bauern ein Pfarrhaus bauen sollten (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 27v). Anteile finden sich in Sättelstädt (ebd., fol. 120r), Tambach (ebd., fol. 277v), Großmölsen (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 30v) und Dienstädt (PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 58v). Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 128‒132. Zu allgemeinen Fragen des Universitätsbesuches in dieser Zeit vgl. WALTER, Universität; GRAMSCH, Universitätsbesuch sowie zukünftig DIETMANN, Schulwesen. Zur Relevanz dieses Vorgehens aus Sicht der Landesherren vgl. STRAUSS, Learning; MENK, Schulwesen; POHL, Jülich. Vgl. BURKHARDT, Visitationen, S. 204‒207.
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fühlten ihre Rechte ungenügend berücksichtigt, wenn Stiftungen ihrer Familie einem völlig anderen Zweck zugeführt wurden. Die Visitatoren waren feinfühlig genug, sich an diesen Stellen zumindest der Unterstützung der Adligen zu versichern. Für diesen Vorgang sprechen die Formulierungen in den Protokollen, die besagen, dass Stiftungsgüter „mit Wissen“ eines Adligen benutzt wurden.392 Ein weiteres Entgegenkommen stellte es dar, wenn die Pfründen zumindest noch für einen gewissen Zeitraum dem Haus zur Verfügung standen, um dem Versorgungsproblem innerhalb der Familie zu begegnen.393 Erneut finden sich Fälle gleichermaßen im ernestinischen und albertinischen Territorium, jeweils dort, wo die Einkommen, wie geschildert wurde, nicht für andere Zwecke benötigt wurden. Es ist nicht erkennbar, dass es sich bei diesen Benefizien meist um Vikarien, die nicht in den Pfarrkirchen, sondern in den Kapellen der Adelssitze gestiftet worden waren, handelte. Beispiele finden sich bei den reicheren Adelsfamilien im Amt Gotha und im Thüringer Becken. Heinrich von Erffa weilte 1533 zu einer Ausbildung an einer Gothaer Schule, wobei ihm die Marienvikarie in der Erffaer Kirche als Auskommen diente.394 Der Familie von Wangenheim wurde die Marienvikarie in Wangenheim für die Dauer des Studiums eines Sohnes der Familie zur Verfügung gestellt. Im Anschluss sollte sie als Stipendium für einen anderen Knaben dienen.395 Ebenso verhielt es sich mit einer Vikarie im benachbarten Haina, die momentan derselbe Sohn in Besitz hatte.396 Eine Brüheimer Vikarie diente dem jungen Christoph von Uetterodt für sein Studium in Wittenberg, allerdings sollte die Familie einen Bericht über das Studium ablegen.397 Solche Regelungen waren möglich, sofern die Adligen nicht gegen die Beschlüsse der Visitationskommissionen verstießen. Hans von Obernitz erhielt 1529 das Einkommen der Frühmessvikarie in Volkmannsdorf zeitweise für das Studium seiner Söhne. Allerdings unterzog er die Vikarie in der Folge vollständig, wogegen ermittelt werden sollte.398 Das Vorgehen, den Adligen die Vikariegüter auf Zeit zu überlassen, wurde in den albertinischen Visitationen gleichermaßen angewandt. Hans von Oberweimar erhielt eine Beichlinger Vikarie auf fünf Jahre, die Familie von Hausen ein Einkommen aus Großballhausen gar auf zwölf Jahre, allerdings unter der Maßgabe, dass ein Sohn sie auch wirklich zu einem Studium nutze.399 Diese Familie 392 393 394 395 396 397 398 399
Vgl. EKO 1, 1, S. 144 f. Vgl. SLADECZEK, Adel sowie Kap. III.7 dieser Arbeit. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 340r. Ebd., fol. 319r. Ebd., fol. 324r–324v. Ebd., fol. 185v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 312v–313r. LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 56v, 109v. Weitere Stipendien auf Zeit wurden aus Vikarien in Auerstedt und Kannawurf gereicht. Die Kannawurfer nutzte gar der Sachsenburger
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erhielt weiterhin zwei Vikarien in Lützensömmern für das Studium ihrer Söhne Valentin und Joachim auf vier bzw. sechs Jahre.400 In diesem Ort wird die Reihenfolge der Vergabe besonders deutlich. Beide Stipendien waren möglich, da vorher das Einkommen einer dritten Vikarie dem Pfarrer zugeordnet worden war. Einem adligen Amtsinhaber der Vikarie in Guthmannshausen wurde das Einkommen noch für die Dauer seines Studiums eingeräumt, anschließend sollte es hälftig dem Pfarrer und der Kirchnerschule zugutekommen.401 Eine Besonderheit stellt eventuell die Annenvikarie in Schwerstedt dar. Es handelte sich um eine gemeindliche Stiftung unter gemeindlichem Patronat. Bei dem Studenten Christoph Schütz, der 1540 das Vikarieeinkommen für sein Studium nutzte, handelte es sich unter Umständen um einen Angehörigen der bäuerlichen Gemeinde, zumindest ist er nicht als Mitglied einer adligen Familie erkennbar. Er verfügte weiterhin über das halbe Einkommen einer Vikarie in Wundersleben.402 Einige wenige andere Vikarien sollten als Stipendien dienen, ohne dass deren Empfänger bereits genannt wurden.403 Programmatisch für die Linie der Visitatoren ist ein Vertrag über die Verwendung der Vikarie in der Ballstädter Kapelle aus dem Jahr 1528. Sie sollte „zur Jugendlehre“ eingesetzt werden. Die eine Hälfte erhielt der Sohn des Creuzburger Amtmannes für sechs Jahre als Stipendium. Im Anschluss sollte sie einem anderen Studenten dienen. Die andere Hälfte sollte der Kirchner für seine Dienste in der Schule des Dorfes erhalten.404 Pfarrer und Gemeinde waren an der Lösung beteiligt, da beide einen Rezess erhielten. Sehr ähnlich lief es im Flecken Sulza ab, wo eine Vikarie ebenfalls für ein Stipendium und die örtliche Schule genutzt wurde.405 Adliges Engagement in dieser Frage lässt sich erneut am Beispiel der Familie von Wangenheim zeigen. Im Gegensatz zu den genannten Vikarien, die sie zur Nutzung als Stipendien überlassen bekamen, setzten sie 1528 eine Sonneborner Vikarie zur Aufbesserung der dortigen Schule ein – anscheinend auf eigene Initiative.406
400 401 402 403 404 405 406
Amtmann; ebd., fol. 103r, 149v–150r. Zumindest einen Teil einer Vikarie in Olbersleben konnte sich die Familie von Kölleda für ein Stipendium sichern; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 38r–38v. LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 89r–89v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 46r. LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 62r, 73r–73v. Zur Schwerstedter Vikarie vgl. oben Kap. I.4.7. Dies betraf z. B. zwei Vikarien in Hardisleben (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 42r). LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Specialia, Amt Gotha 181. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 80r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 179v. Dabei handelte es sich wohl um eine lateinische Schule, was für ein Dorf dieser Zeit recht bemerkenswert ist; WANGENHEIM, Wangenheim, S. 149.
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Wie wirkte sich die finanzielle Förderung einer Schule im Dorf aus? In der Praxis erhielt der Kirchner, der die Schule abhielt, von dem umgewandelten Einkommen eine Lohnaufbesserung. Die Kirchner waren, wie die Pfarrer, seit den frühen zwanziger Jahren einer deutlichen Verschlechterung ihrer Einkommenssituation ausgesetzt. Vermutlich waren viele Stellen unbesetzt. Über den Zustand der Schulen und die Umsetzung des Unterrichtes existieren aus diesen Jahren kaum Quellen. In einigen Orten wird deutlich, dass es sich um bereits bestehende Schulen handelt, in anderen Orten muss dies nach dem ersten Eintrag in einem Visitationsprotokoll offenbleiben.407 So wurde in Ringleben lediglich vermerkt, dass die Vikarie zur kynderschule verwendet werden solle, sodass damit unter Umständen auch erst die Einrichtung dieser Schule verbunden war, wenngleich dies unwahrscheinlicher ist.408 Aus Erwähnungen in anderen Quellentypen geht es oft ebenfalls nicht exakt hervor, ob die Schule bereits länger bestand. Zum 6. September 1548 vermerkte der Pfarrer von Klettbach in seinem Zinsregister, dass auf Ansuchen der Gemeinde festgelegt wurde, dass der Küster keine Salve-Gesänge mehr abhalten sollte. Der dazugehörige Grundbesitz sollte nun einem Schulmeister „zu der Kinderlehre“ zustehen.409 In Goldbach bei Gotha wird anhand des Einkommens 1545 deutlich, dass es sich um die Kirchnerstelle handelte. Allerdings erhielt dieser für den Schuldienst zusätzlich Stroh von Eltern, die Land besaßen. Für Kinder armer Eltern kam die Kirchenfabrik auf, indem sie eine Strohabgabe stellte.410 In Remstädt bezahlten die Eltern für jeden Knaben pro Jahr vier Schneeberger Groschen.411 Diese gesamte Akte vermittelt einen Überblick über den Zustand des ländlichen Schulwesens im Amt Gotha in der Mitte des 16. Jahrhunderts.412 Allerdings können die Zustände wohl nicht verallgemeinert werden. Es konnte gezeigt werden, dass die in der Regel recht großen und reichen Dörfer dieses Amtes bereits in vorrefor407 Zur vorreformatorischen Schulsituation in den Dörfern vgl. oben Kap. I.3.7. Zu solchen Schwierigkeiten bei der Zuweisung der Schulen anhand von Beispielen aus der Pflege Coburg vgl. SOBOTTA, Schulwesen, S. 139–145. 408 Eindeutig um Verbesserungen der finanziellen Ausstattung bestehender Schulen handelte es sich etwa in Reinhardsbrunn (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 266r) und Reinstädt (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 73v). 409 ALBERTI, Reformation, S. 57. 410 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 2, fol. 112v. Eine ähnliche Regelung gab es mit Geld in Molschleben. Hier erhielt der Schulmeister eine pauschale Abgabe von der Kirchenfabrik und zusätzlich jährliche Zahlungen der Eltern; ebd., fol. 117v. 411 Ebd., fol. 114r. 412 Ebd., fol. 109r–139r. Vgl. auch das dem Amt benachbarte Erfurter Dorf Frienstedt, das in der Mitte des 16. Jahrhunderts über einen Schulmeister verfügte, der der Sohn des örtlichen Pfarrers war und diesem sodann auch als Diakon zur Seite stand; ein Beispiel für die Bildung, die diese Kirchner-Schulmeister haben konnten; LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 60b, 1.
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matorischer Zeit über ein breites Schulwesen verfügten. 413 Die Visitationen konnten darauf aufbauen. In anderen Gebieten des Landes und in vielen kleineren Orten bestanden noch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts keine Schulen. Einen Eindruck vermittelt eine Supplik der Gemeinde Seega an Graf Günther XLI., „Bellicosus“, aus dem Jahr 1556. Im Vorfeld hatte der engagierte Arnstädter Superintendent Nikolaus Herco im Rahmen einer Visitation in der schwarzburgischen Unterherrschaft verfügt, dass alle Dörfer eine Schule unterhalten sollten. Die Gemeinde Seega sah sich dazu aber finanziell nicht in der Lage, auch wenn sie über „taugliche Knaben“ verfügte. Sie baten – wie könnte es anders sein – um finanzielle Hilfe.414 Trotz solcher Befunde muss festgehalten werden, dass keineswegs die Reformation die ‚Volksschule‘ geschaffen hat. Die Alphabetisierungsrate lag wahrscheinlich deutlich höher als die üblich genannten 5 %.415 Über die Qualität des Unterrichtes in den Dorfschulen sind dabei kaum Aussagen möglich. Eine Ausnahme bietet die Schule in Oberweimar. Sie lässt sich in der Kastenrechnung des Ortes 1536 erstmals feststellen, wird jedoch derart selbstverständlich behandelt, dass von einem längeren Bestehen auszugehen ist. Eventuell gab es auch eine Traditionslinie aus dem vor Ort gelegenen Nonnenkloster. 1536 gab es jedenfalls ein Schulgebäude und einen Schulmeister, der aus dem Kastenvermögen entlohnt wurde.416 Aus einer Kastenrechnung der Jahre 1540/1541 geht hervor, dass der Schulmeister teilweise unentgeltlich unterrichtete, sich also sehr mit seiner Schule identifizierte.417 Eventuell ist auch darauf zurückzuführen, dass in diesem Rechnungsjahr Kleider für die Schüler, vor allem aber Bücher für bestimmte arme Schüler angeschafft wurden. Dazu gehörten eine Grammatik Melanchthons, eine lateinische Ausgabe des Buches Jesus Sirach und die Fabeln des Äsop.418 Das Beispiel Oberweimar belegt, dass unter der Ägide eines enga413 414 415 416 417
Vgl. oben Kap. I.3.7. LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Sondershausen, 3317, fol. 4r–5r. ENDRES, Verbreitung, passim. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3170, fol. 3r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3171, fol. 4v: I Sch. dem Schulmeister umb seine muhe und arbeit der armen schuler welche er zum theil umbsonst lehret. Dieses Engagement geht auch aus einem Briefwechsel aus dem Jahr 1543 hervor, der sich wohl denselben Schulmeister bezieht. Der Weimarer Hauptmann Ewald von Brandenstein beschrieb die Verhältnisse vor Ort. Der Schulmeister Bonaventura Dittrich unterrichte über 20 Schüler, wegen der Armut der Eltern aber alle bis uff acht umbsunsten. Außer eines Vikarieeinkommens verfüge er über keine Einkünfte, weshalb ihm dieses dringend gelassen werden müsse; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1910, fol. 2r–3v. 418 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3171, fol. 3r–4r. Während einem Schüler Geld für eine grammatica philippi gestellt wurde, konnten sich drei weitere eine grammatica kaufen. Dies dürfte bedeuten, dass in der Dorfschule selbst Latein gelehrt wurde. Dass sich die Einträge auf die griechische Grammatik Melanchthons beziehen, kann zwar nicht aus-
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gierten Schulmeisters der Unterricht in den Dorfkirchen ein beachtliches Niveau erreichen konnte.419 Dass sich Einflüsse des Humanismus in dieser Form bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den Dörfern niederschlugen, dürfte jedoch die Ausnahme geblieben sein. Prinzipiell war mit den ersten Visitationen auf dem Land aber eine Institutionalisierung der Kirchnerschulen verbunden.420 In den Dörfern, in denen dies möglich war, wurde der Schuldienst des Kirchners auch finanziell unterstützt. Allerdings waren mit solchen Regelungen auch stärkere Verpflichtungen des Kirchners verknüpft. In Beutnitz hieß es dazu, dass sein Einkommen erhöht werde, auf das ehr der Kinder schule desta fleissiger warthe.421 Wie im Falle der Pfarreien mussten die Visitationen die Finanzierung der Schulen sicherstellen, um eine festere Organisation zu ermöglichen. Die Einkommen der Schulmeister blieben aber kumulativ. Sie setzten sich noch immer aus Einzelabgaben der Nachbarn des Dorfes, Nutzungsrechten und bestimmten Getreide- oder Geldposten zusammen.422 Selbst in größeren Orten war eine finanzielle Aufbesserung der Schule notwendig. In Herbsleben gab es eine wohl recht gut organisierte Schule, zu der neben einer vergleichsweise gut ausgestatteten Schulmeisterstelle die eines Gesellen, eines Locaten, gehörte. Daneben gab es eine Küsterstelle.423 In der zweiten albertinischen Visitation 1540 wurde verfügt, dass der Küster einen Teil seines Einkommens an den Schulmeister abtreten müsse. Weiterhin wurde diesem das Stiftungsgut einer Vikarie zugeschlagen, verbunden mit der Auflage, dafür Schule zu halten – also zusätzlichen Unterricht anzubieten. Durch die Einkommensaufbesserung konnten somit auch bereits bestehende Schulen inhaltlich aufgewertet und fester organisiert werden. Beachtung verdient die Verfügung, dass
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geschlossen werden, erscheint aber unwahrscheinlich. Vgl. zur lateinischen Grammatik Melanchthons JENSEN, Grammatik. Oberweimar verfügte im Jahr 1588 über 59 Häuser; KOERNER, Bevölkerungsverteilung, S. 275. Dies entspräche wegen des Bevölkerungswachstums im 16. Jahrhundert einer Einwohnerzahl von sicher unter 300 in der ersten Jahrhunderthälfte. Die Größe des Ortes kann also nicht als Argument angeführt werden. Vgl. zu dieser Entwicklung auch in den Städten DIETMANN, Schulwesen. Vgl. für das Leipziger Umland JADATZ, Land, S. 207. Vgl. zur obrigkeitlichen Steuerung von Schulreformen im albertinischen Gebiet WARTENBERG, Visitationen. Ebd., S. 172 f., eine Einschätzung zur Situation der ländlichen Schulen in Sachsen. Einen Forschungsüberblick über das frühneuzeitliche Schulwesen bietet der Sammelband SCHILLING/EHRENPREIS, Schulwesen. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 135r. Das Kapital dazu entstammte der örtlichen Annenbruderschaft. Als Beispiel etwa die Schulbesoldung in Sülzenbrücken 1553; LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2987, fol. 84r. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 164r–165r.
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vermögende Knaben jährlich vier Groschen bezahlen sollten, der Schulmeister arme jedoch verschonen sollte. Trotz solcherlei Aufbesserungen durch die jeweiligen Visitationen war also die Situation der Schule im Dorf keineswegs gefestigt. So machte Myconius 1537 darauf aufmerksam, dass die ungenügende Ausstattung eines Großteils der Schulen verhindere, dass viele Studenten als Schulmeister wirken könnten.424 Er verwies vor allem auf die großen Dörfer im Bereich der Gothaer Superintendentur, in denen Vikarien dem Pfarrvermögen zugeschlagen worden waren.425 Die Thüringer Visitatoren bestätigten auf kurfürstliche Nachfrage, dass es in vielen Orten, wie in diesen genannten Dörfern, eine große Zahl an Leuten gebe, die ihre Kinder zum Studium schicken möchten, weshalb eine gute Schule nötig sei. Wichtig sei daher, dass die Dorfgemeinden Kirchner nicht allein annähmen, sondern zumindest vom Pfarrer bestätigen lassen würden. So sollte ein entsprechendes Niveau der dörflichen Schulmeister gewährleistet werden. 426 Die gesamte Akte kündet von den Bestrebungen, den Dorfschulen – und dabei zunächst ihrer finanziellen Ausstattung – mehr Beachtung zu schenken und dort gelehrte Schulmeister anzustellen. Die Dorfschulen wurden immer stärker als Unterbau eines landesherrlichen Schulwesens gesehen. Allerdings änderte sich an diesen Zuständen kurzfristig nur sehr wenig.427 1560 beschrieb der Weimarer Superintendent die Zustände in den Dörfern seines Zuständigkeitsbereiches: Man hat auf den Dorffern gemeiniglich grobe ungeschickte Kirchner und Schulmeister, so mehr Ihres handtwergs als der Schule warten.428 Daher forderte auch er, dass die Besoldung der Schulmeister in den Dörfern sicherstellen solle, dass man gelehrte Leute berufe. Allerdings machte er auch Angaben über die Verbreitung der Schulen. Danach gab es von den vielen Dörfern der großen Weimarer Superintendentur lediglich in Troistedt, Legefeld, Kleinkromsdorf, Schwabsdorf, Ballstedt und Alperstedt keine Schulen. Allerdings sei dies zum Teil auch darauf zurückzuführen, dass die Leute ihre Kinder nicht in die Schule schickten, weshalb die Pfarrer sie dazu ermahnen sollten.429 Das Interesse, das die Visitatoren der finanziellen Organisation der Schulen entgegenbrachten, stoppte somit wohl den weiteren Verfall des Schulwesens in 424 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1052, fol. 2r–3v. Ich danke Andreas Dietmann, Jena, für diesen Hinweis. 425 Er nennt Goldbach, Friemar, Molschleben, Ballstädt, Tambach, Hohenkirchen, Sonneborn, Wechmar und Friedrichroda. 426 Ebd., fol. 5v. 427 Ebenso für die albertinischen Gebiete JADATZ, Land, S. 207. 428 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 841, fol. 4v. 429 Ebd., fol. 37v, 44r. Solche Beschwerden sind in den Visitationsprotokollen auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch häufig zu finden; vgl. auch JADATZ, Land, S. 207 f.
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kleinen Orten,430 auch wenn Klagen über die mangelnde Teilnahme der Kinder am Unterricht im 16. Jahrhundert häufig bleiben. Trotz der nicht zu unterschätzenden Zahl vorreformatorischer Schulen in den Dörfern und dem fördernden Einfluss der Visitationen gab es keineswegs in allen Regionen in allen Dörfern Schulen.431 Allerdings dürften diese zumindest in den größeren Orten die Regel gewesen sein. Ihre Zahl stieg durch die Visitationen im Laufe der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zweifellos an, auch wenn keine statistischen Aussagen möglich sind. Ein Beispiel bietet das Dorf Großobringen bei Weimar. Hier verfügten die Visitatoren 1533, dass der Kirchner aus der Kirchenfabrik vier alte Schock jährlich erhalten sollte, dafur er die kinder lehren soll.432 Hinter dieser Anweisung verbirgt sich wohl die erstmalige Einrichtung einer Schule in diesem Dorf. In Wickerstedt wurde in der Visitation 1554 festgelegt, dass das Dorf eine Schule erhalten solle.433 In der Folge zeigt sich die Institutionalisierung auch in den Kirchenrechnungen. In Niederwillingen verhandelte eine Gemeindeversammlung 1574 unter anderem über die Finanzierung des Schulmeisters. Man einigte sich, dass er fortan mehr Korn und Geld aus dem Kirchenvermögen erhalten solle, damit niemand seine Kinder wegen der Höhe des Schulgeldes nicht zur Schule schicken könne.434 In den folgenden Jahren erscheint dann in den Kirchenrechnungen eine entsprechende Zahlung: 3 Schock dem Schulmeister vonn den Schullern in der Schule zu Lehrenn das Jahr uber.435 Neben dem Schulmeister gab es einen Schuldiener im Dorf, der unter anderem verschiedene Küsterdienste wahrnahm.436 Im selben Jahr fanden auf Kosten der Kirchenfabrik auch umfangreiche Bauarbeiten am 430 Dass der Einfluss der Visitationen auf diese Entwicklung auch nicht überschätzt werden darf, belegt das Beispiel des Mainzer Küchendorfes Witterda. Hier lässt sich für 1554 ein hauptamtlicher Schulmeister nachweisen, obwohl es freilich in diesem offiziell katholischen Dorf keine Visitation gegeben hatte; BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 91v. 431 HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 127 f. und HEERDEGEN, Kirchenvisitation, S. 166 mit einigen Nachweisen. 432 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 23r. 433 HEERDEGEN, Kirchenvisitation, S. 83. Die weitere Zunahme und Institutionalisierung der Dorfschulen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts könnte eine Untersuchung mittels der Visitationsprotokolle und weiterer Konsistorialakten belegen. Beispielsweise befinden sich in den Beständen des Sondershäuser Konsistoriums verschiedene Akten zu Schulstellen in den Dörfern in dieser Zeit; LATh–StA Rudolstadt, 5-14-1180/8. Vgl. die Schulsituation im Gothaer Herzogtum in der Mitte des 17. Jahrhunderts; ALBRECHT-BIRKNER, Reformen, S. 374–386, S. 424–462. 434 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5693, fol. 10r. 435 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5697, fol. 29r. 436 Unter anderem schrieb er die Kirchenrechnung. Deutlich von diesem getrennt wird der Schulmeister genannt; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5693, fol. 5v.
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Schulhaus statt.437 Dieses verfügte über einen Keller, eine Schlafkammer und eine Stube für den Schulmeister sowie über eine räumlich getrennte Schulstube, die also wohl ebenfalls beheizbar war. 438 So zeigt sich in Niederwillingen, wie in verschiedenen anderen Orten, ein Engagement der Bauern für die Schule in ihrem Dorf, das in scheinbarem Widerspruch zu den Klagen der Visitatoren über das Desinteresse der Bauern an den Schulen steht. An dieser Stelle trafen völlig verschiedene Vorstellungen vom nötigen Niveau der Schulen aufeinander. Der vermittelnde Bericht eines ernestinischen Visitators von 1594 zu Tonndorf verdeutlicht dies: Uber den schulmeister klaget die Gemeine, das Er die Knaben unfleißig lere, Er wiederumb das sie ihm dieselben nicht allzeit fleißig zur schule schicken. Ich zwar befinde, ob wol hie keine doctores können gezogen werden, daß er dennoch die knaben fleißig leret den Catechismum, gebett und psalmen, welches mir sehr wol gefellet.439
Lediglich Musik lehrte er nicht, da seiner Meinung nach die Kinder zu klein waren. Die Bauern ergriffen die Initiative, bestmögliche Bildung für alle Kinder des Dorfes zu ermöglichen. 1568 wandten sich die Alterleute von Gorsleben gemeinsam mit dem Pfarrer an den Weimarer Superintendenten Bartholomäus Rosin. Sie baten um finanzielle Unterstützung, da sie für den Schulmeister einen Gehilfen anstellen wollten und außerdem eine Studienstiftung eingerichtet werden sollte, die armen Kindern Kleidung und Bücher ermöglichen sollte.440 In Gorsleben muss die Schule also recht gut besucht gewesen sein, wenn eine Unterstützung für den Schulmeister nötig war. Außerdem wird in diesen Beispielen das Gemeindeprinzip bei der Organisation der Schule deutlich. Reiche Bauern, die führenden Familien des Dorfes, setzten sich dafür ein, dass allen Kindern des Ortes der Schulbesuch ermöglicht wurde. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts lassen sich zunehmende Investitionen in Schulgebäude feststellen. In vielen Dörfern dürfte es sich um den erstmaligen Bau eines gesonderten Schulhauses gehandelt haben. 1542/1543 gab es Bauarbeiten an der Schule in Leutenberg.441 1559 gab es Bauarbeiten am Schulhaus in Geh437 Ebd., fol. 6v. 438 Ebd., fol. 7r. Weitere Ausgaben in den folgenden Jahren betreffen ein Schloss für das Haus, Fensterläden und einen danebengelegenen Kuhstall. Für das Haus wurden kacheln angeschafft. 439 Zitiert nach ALBERTI, Reformation, S. 53. 440 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 371, fol. 2r. 441 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2561, fol. 17r. Die Verhältnisse der Schule in der sehr kleinen Stadt Leutenberg sind dennoch bereits deutlich von den Dörfern zu trennen. Der Schulmeister erhielt ein festes Einkommen von zwölf Gulden und die Schule wurde von neun Auslendern, also von Schulknaben aus anderen Orten, möglicherweise aus anderen politischen Territorien besucht; ebd., fol. 15r, 17v. Für solche externen Schulbesucher in den Dorfschulen fehlen Hinweise, wenngleich es sie mit Sicherheit gegeben hat, wenn
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ren.442 1563 wurde ein entsprechendes Gebäude in Bilzingsleben errichtet, wofür der Baumeister im folgenden Jahr die Restsumme des nawen schuel hauses halben erhielt. 443 1570/1571 legten die Alterleute von Mittelhausen ein gesondertes Konto für die umfangreiche Sanierung eines Schulhauses an.444 Dazu gehörte das Flicken von Fenstern, ein Schloss an die Stubentür oder auch die Anlage eines Stalles. Das Holz für die Bauarbeiten bekamen die Dorfeinwohner vom Landesherrn gestellt und holten es aus einem Wald bei Waltershausen ab. Wie die Schulen gehörten S p e n d e n a k t i o n e n bereits zu den selbstverständlichen Bestandteilen der vorreformatorischen Sakraltopographie in vielen Dörfern.445 Mit den ersten Visitationen war in einigen Dörfern die Einrichtung eines Kastens verbunden, in anderen wurde die dörfliche Fürsorge verstärkt. 446 Für diese Zwecke boten sich freilich auch eventuell zur Verfügung stehende Stiftungsgüter an. Oft findet sich die Wendung, dass bestimmtes Geld „zu milder Sache“ verwendet werden solle.447 In erster Linie betrifft diese Verwendung der Mittel aber die ersten beiden albertinischen Visitationen im Thüringer Becken. Vikarien wurden in Kutzleben, Gorsleben und Bilzingsleben einem Kasten zugeschlagen. 448 In Kirchheilingen wurde eine bestehende Spendenstiftung mit dem Einkommen einer Bruderschaft aufgewertet und verfügt, dass diese Gelder nunmehr nicht ortsfremden Bettlern, sondern ausschließlich hausarmen Leuten aus dem Dorf zukommen sollten. 449 Die Hospitäler und Siechenhäuser finden sich seltener in den Verfügungen. In Windischleuba im Amt Altenburg sollten die Vorsteher der Kirchenfabrik eine Kapelle auf dem Kirchhof abreißen und für ein Siechhaus verwenden dürfen.450
442 443 444
445 446 447 448 449 450
Kinder aus Dörfern ohne Schule in größeren Dörfern oder Pfarrdörfern die Schule besuchten. LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4337. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3123, fol. 59r. Die Bauarbeiten wurden 1564 fortgesetzt; ebd., fol. 63r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3164, fol. 14v–15r. In diesem Dorf wurde auch ein gesonderter Schuldiener entlohnt; ebd., fol. 13r. Dieser schrieb die Kirchenrechnung; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3166, fol. 12r. Vgl. Kap. I.4.5 dieser Arbeit. Vgl. allgemein und zur großen Zahl der Kästen, die sich in Dörfern nachweisen lassen MANDRY, Armenfürsorge. So etwa eine Vikarie in Denstedt und der Zinsertrag einer Messstiftung in Unterwellenborn; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 98v, 371v. LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 69r, 95v, 107r. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 78v. Auch das Einkommen der Hospitalkapelle in Günstedt sollte den Armen zukommen; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 50r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 6, fol. 48r.
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Alle aufgeführten Möglichkeiten der Verwendung der Stiftungsgüter finden sich vorrangig in großen Dörfern und im Thüringer Becken. Bei allen genannten Schwierigkeiten, die für die Visitatoren bei der Umwandlung der geistlichen Lehen bestanden, hatten sie in diesen Orten doch ganz andere Möglichkeiten. Die im ersten Teil dargelegten regionalen Unterschiede der Sakraltopographie fanden dementsprechend ihren Niederschlag im Aufbau der evangelischen Landeskirche.451 Ein gutes Beispiel bietet Herbsleben an der Unstrut. Von sechs Vikarien, die es in der Kirche und den Kapellen des Ortes gab, standen fünf unter landesherrlichem Patronat. Die albertinischen Visitatoren hatten somit mit weniger Widerstand durch Adlige und auswärtige geistliche Institutionen zu rechnen. 1539 wurde verfügt, dass eine Vikarie als Ersatz für nicht mehr gereichte Oblationen zur Pfarrei kommen solle. Zwei weitere wurden zur Anstellung eines Kaplans genutzt. Die vierte sollte der Schule zugutekommen, die fünfte als Stipendium für einen angehenden Pfarrer dienen. Somit blieben immer noch die Fabrikgüter der Kapellen und das Einkommen des Kalandes zur Unterstützung des Sondersiechenhofes im Ort. 452 Mit der Einrichtung eines Kastens in der folgenden Visitation 1540 wurde diese Aufteilung zwar grundlegend geändert,453 dennoch wird deutlich, auf welch gesicherten Fundamenten die örtliche Kirche auch weiterhin stand. Große Orte profitierten somit auch im 16. Jahrhundert von den Stiftungen der vorangehenden Generationen. Für alle Dörfer gilt: Selbst wenn Bauern und Adlige das Geld mitunter gern abweichend von den Visitationsinstruktionen verwendet hätten, war doch eines aus ihrer Sicht positiv: Das Geld blieb vor Ort. Nur wenn bei den kirchlichen Institutionen des eigenen Dorfes partout kein Bedarf bestand, wurden Anteile der Einkommen auch in anderen Orten verwendet. Dies war jedoch die Ausnahme. In noch selteneren Fällen fielen Stiftungsgelder aus den Dörfern an Einrichtungen in den Städten.454 Wie die anderen Fragen, die die frühen Visitationen in den Dörfern berührten, zog sich auch das Problem der Stiftungsgüter noch über Jahrzehnte hin. Anhand einiger im Rahmen des Bewidmungswerkes erscheinender Probleme wird dies deutlich. Noch 1551 gab es Vikarien in Besitz der vorreformatorischen Vikare, die sie auf Lebenszeit innehatten.455 Noch immer mussten die Visitatoren und die 451 452 453 454
Vgl. oben Kap. I.4.11. LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 167v–168v. LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 36v–38r. Der Kaland in Süßenborn bei Weimar wurde dem Kasten in der Residenzstadt zugeschlagen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 438. Einige Stiftungen in Ibenhain befanden sich zum Zeitpunkt der Visitation 1533 in Händen des Stadtrates von Waltershausen und sollten wohl für die dortige Schule genutzt werden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 220v. 455 So etwa in Golmsdorf bei Jena; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2277, fol. 2r.
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landesherrlichen Kanzleien eine Vielzahl an Anfragen und Ansprüchen zu Stiftungsgütern klären. 456 Noch 1554 gab es Diskussionen mit Adligen um die Verwendung und die Zuständigkeit von Benefizien. 457 Und natürlich bestand weiterhin das Problem der nicht gezahlten Abgaben aus der Bevölkerung, wie es an anderer Stelle geschildert wurde.458 Dies betraf häufig die Vikariegüter, sodass die Verfügungen der Visitationen nicht unbedingt die gedachten Empfänger erreichten.
5. Der wachsende Einfluss der Herrschaft im Kurfürstentum DER WACHSENDE EINFLUSS DER HERRSCHAFT IM KURFÜRSTENTUM
Die Einführung der Reformation und deren herrschaftliche Durchsetzung im Zuge der Visitationen stellen zweifellos eine starke Ausweitung des landesherrlichen Kirchenregiments dar.459 Doch wie weitete sich dieser Einfluss vor Ort aus und auf welchen Gebieten änderte sich etwas gegenüber den vorreformatorischen Verhältnissen? 460 Gab es dabei bemerkenswerte Unterschiede zwischen den Wettinern sowie den Grafen und Herren? Dabei soll in diesem Kapitel keine komplette Geschichte der ‚Fürstenreformation‘ geliefert werden, sondern es sollen Themen angesprochen werden, die die kirchlichen Verhältnisse vor Ort betrafen. Selbstverständlich kam es dabei zwischen den einzelnen Herrschaften zu zeitlichen Unterschieden, der Prozess als solcher ist aber vergleichbar. Nicht zuletzt wurde die religiöse Kontrolle der Untertanen als Lehre aus dem Bauernkrieg ausgeweitet. Die Furcht vor einem erneuten Aufruhr blieb latent vorhanden.461 Die ersten Eingriffe im ernestinischen Gebiet, die vor Ort spürbar waren, stellten sicher die Vorschriften für die Pfarrer über die Art des Gottesdienstes im 456 Dies zeigt etwa eine Art Erinnerungsliste aus der herzoglichen Kanzlei zu Schwierigkeiten in Dörfern um Gotha aus dem Jahr 1551. Der Großteil der Probleme belangte Stiftungsgüter; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2339. 457 Etwa die Irrungen mit Nickel von Lichtenhain wegen der Beutnitzer Vikarie; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2480. 458 Vgl. oben die Kap. II.2.1 und III.2.2. Natürlich gilt dies keineswegs für alle geistlichen Lehen. Eine Abrechnung über die Zinsen des Vikariegutes in Kleinneuhausen aus dem Jahr 1560 zeigt, dass dort beinahe alle Zinsen gezahlt wurden; BAE, IV k 23, fol. 38r– 41v. 459 Vgl. etwa EHRENPREIS/LOTZ-HEUMANN, Reformation, S. 39; HAMM, Problematik; KRUMWIEDE, Kirchenregiment; zukünftig OERTZEN-BECKER, Johann; WESTPHAL, Instrument zur Verbindung des Kirchenregimentes mit der Landfriedenspolitik. Vgl. auch das Fazit der marxistischen Forschung des Sieges „der Fürstenreformation über die Volksreformation“ bei Max Steinmetz; BLICKLE, Reformation, S. 136–139. 460 Vgl. dazu oben Kap. I.6. 461 Vgl. CONRAD, Elsass, S. 156.
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Jahr 1525 dar.462 In der Folge nutzten die Ernestiner im Zuge der Visitationen Patronatsrechte, die ihnen bisher juristisch nicht zustanden. Dies betraf in erster Linie klösterliche Patronate, die nun vom Landesherrn wahrgenommen wurden, aber auch auswärtige geistliche Institutionen waren betroffen. Dabei erscheint es oft wie ein beherztes Zugreifen, wobei sich die Entwicklung verselbständigte und gewohnheitsrechtliche Züge annahm. In Vogelsberg war die Pfarrei Lehen des Nordhäuser Kreuzstiftes. Als die Bauern 1527 eines Pfarrers mangelten, wurde die Stelle von Kurfürst Johann verliehen.463 Im Falle der Pfarrei Krautheim wurde dem Abt des Erfurter Schottenklosters offen mit dem Entzug des Patronates gedroht, sollte er nicht kurzfristig einen Pfarrer bestellen.464 Es wurde bereits auf die vorübergehende Veränderung der Filialverhältnisse an der ernestinisch-albertinischen Grenze verwiesen. 465 Bereits in den frühen Visitationen konnte es auch zur Nutzung von adligen Patronaten kommen. So wurde der Pfarrer von Hainspitz aus nicht bekannten Gründen vom Kurfürsten belehnt, obwohl dieses Recht der Familie von Wöllnitz zustand. 466 Selbstverständlich waren die Bauern Zeuge solcher Entwicklungen. Sie konnten sehr gut einschätzen, was es bedeutete, wenn solche festen Rechte, um die oft Streit entstand, plötzlich von einem Fürsten missachtet wurden. So erkannten sie auch, dass der Landesherr nun erster Ansprechpartner in kirchlichen Fragen sein würde.467 Für reformatorisch gesinnte Bauern aus anderen Territorien erschien der Ernestiner folgerichtig als evangelischer Schutzherr.468 Ein bedeutendes Zeugnis für diese Entwicklung stellt ein Schreiben des Bauern Jörg Fritzsch aus Kirschkau im Reußischen Oberland dar. Bei seiner Hochzeit 1528 gab es Unstimmigkeiten mit dem Pfarrer, den er nicht zu den Feierlichkeiten einladen wollte, außerdem ließ er einen nicht genannten Geistlichen am Tisch predigen. Nun verteidigte er sich in einem ersten Schreiben an Heinrich d. J., Herrn zu Gera, gegen die Vorwürfe des Pfarrers, dass er die Messe verachte.469 In einem weiteren Schreiben an seinen Herren vom 6. Januar 1529 fiel seine Verteidigung seines Glaubens 462 Vgl. oben Kap. II.2.2 und den Bericht, dass der Tenneberger Amtmann bereits vor Weihnachten 1525 dem Sundhausener Pfarrer die lateinische Messe verbot; LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc. 19, Nr. 1, fol. 2v. Auch an solchen einzelnen Hinweisen wird der große Einfluss der Amtmänner und Schosser im frühen Reformationsprozess deutlich. 463 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 40r. 464 Ebd., fol. 66r. 465 Vgl. oben Kap. III.3.6. 466 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 176v. 467 Vgl. SLADECZEK, Beschwerden, S. 95–97. 468 Für die Schutzfunktion für Adlige in anderen Gebieten vgl. Kap. III.7 dieser Arbeit. 469 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 352, fol. 1r. Dass der Pfarrer ein strikter Gegner der Reformation und wohl auch ein schwieriger Charakter war, ergibt sich auch aus der Einschätzung der Visitatoren 1533; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 77r.
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bereits deutlicher aus: Ich aber Glaub das Christ ein mal für uns am Creutz geopffert, und nicht mher, das mir des Babsts mess stet in meinem gewissen entgegen. Weiter wollte er nicht zulassen, dass der Reuße Herr über seinen Glauben sei, da es Got ungefellig wäre, jemandem zum Glauben zu zwingen. Er wollte sich auch nicht davon abbringen lassen, dass Etliche ihn als Ketzer schelten würden.470 Da er von seinem Herren auf beide Schreiben keine Antwort erhielt, sich aber in seinem Besitz bedroht fühlte, wandte er sich in einem weiteren Schreiben an Kurfürst Johann. Erneut berief er sich auf die Freiheit des Glaubens, wollte sich nicht zur römischen Messe zwingen lassen.471 Der Kurfürst schrieb den Visitatoren des Vogtlandes, sich um diesen Fall zu kümmern und sicherzustellen, dass Jörg Fritzsch unbeschwert bliebe, so es keinen weiteren Kritikpunkte gebe.472 Bereits an diesem Beispiel begegnet die Einflussnahme des Ernestiners auf die Kirchenpolitik in den Gebieten der Grafen und Herren, die noch mehrfach erscheinen wird. Bereits mit den ersten ernestinischen Visitationen war eine enge Verbindung zwischen den Visitatoren und der weltlichen Verwaltung deutlich. Nach der Instruktion von 1532 sollten die Visitatoren etwa die Händelbücher in den Kreisen überprüfen, ob allem nachgegangen wurde.473 Sowohl die kirchliche als auch die weltliche Landesverwaltung ging gegen Missstände in der ländlichen Gesellschaft vor. Dies betraf etwa die Verurteilung von Gotteslästerung und Zutrinken, von Spiel und Müßiggang sowie Ehebruch und Ungehorsam gegen die Eltern. 474 Auch in den Dorfordnungen zeigt sich dieser moralische Einfluss, wenn etwa Predigtgehorsam eingefordert wird.475 Die Visitationsartikel wurden Teil dieser obrigkeitlichen Kontrolle. Damit Unwissenheit nicht als Argument gegen eine Bestrafung dienen konnte, mussten diese in den Orten vorhanden 470 471 472 473 474
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 352, fol. 2r. Ebd., fol. 3r. Ebd., fol. 4r. EKO 1, 1, S. 184. Entsprechende Verfügungen finden sich in fast allen Visitationsinstruktionen, so etwa 1527 für das ernestinische Gebiet: EKO 1, 1, S. 147. Vgl. eine Notel des Torgauer Ausschusses 1531; BURKHARDT, Landtagsakten, Nr. 409–411; vgl. TROSSBACH/ZIMMERMANN, Geschichte, S. 99. In Mühlhausen und seinem Landgebiet wurde 1535 das Fluchen beim Leiden Christi unter ernste Strafe gestellt. Außerdem durfte niemand weltliche oder geistliche Personen in Ehebruch beherbergen; StAM, 10/Y ½, Nr. 1, fol. 13r). Im Rahmen der ersten Visitation des Mühlhäuser Gebietes wurde auch ein Edikt gegen Saufen, Ehebruch und Spielen aufgestellt (ebd., fol. 38v). Erneut wird die Verbindung zwischen Visitation und Sittenpolizei deutlich. Zur Mühlhäuser Visitation vgl. NEBELSIECK, Mühlhausen, S. 145. Vgl. allgemein HÖLSCHER, Frömmigkeit, S. 79 f. und Anm. 17 zu Strafen bei ausbleibendem Kirchenbesuch. 475 Vgl. die Edition der Ortsordnung von Herbsleben von 1548 bei ZEYSS, Herbsleben, S. 269 ff. Zur Verbindung dieser Regelungen mit der herrschaftlichen Polizei SCHILDT, Gemeinde, S. 108‒110; SCHIRMER, Entmündigung.
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sein, weshalb mitunter die Kirchenfabriken sie erwarben. 1571 vermerkten die Alterleute von Mittelhausen: i Schock iiii Groschen vor die artickell welche in der visitation geordnet, wie es in jedem Dorff beydes mitt geistlichen und weltlichen Regiment sol gehalten werden.476 Bei der Ausweitung des vorreformatorischen Kirchenregimentes stellte die dörfliche Kirchenfabrik ein Ziel der Ernestiner dar. Es konnte gezeigt werden, dass die Kontrolle der Rechnungen durch einen landesherrlichen Bediensteten in vorreformatorischer Zeit aber nicht erreicht wurde.477 Dieser Anspruch scheint sich seit den ersten Jahren der Reformation schrittweise durchgesetzt zu haben, da etwa 1523 ein Amtsgesandter die Kirchenrechnung von Trockenborn kontrollierte.478 Diese Entwicklung beschleunigte sich mit den ersten Visitationen stark. 479 Bereits die Visitationsprotokolle zeigen, dass in vielen Orten Anweisungen zur Rechnungsführung und Rechnungslegung getroffen wurden. Dies diente nicht nur einem größeren herrschaftlichen Einfluss, sondern sollte auch Missstände beseitigen. Erneut zeigen sich die Visitationen als Katalysator eines langfristigen Verwaltungsfortschrittes. Den Bauern von Daasdorf am Berge wurde etwa auferlegt, nicht mehr Kirchen- und Gemeindebesitz zu vermischen und jährlich Rechnung über die Kirchenfabrik zu legen. 480 Prinzipiell wurde in vielen Ämtern die Rechnungsführung angemahnt: Das auch die heyligenmeister oder Altherleuth wie sie das eingebracht und ausgewand jerlich vor dem Ambtmhan und Vogt ordentlicher weise berechen, Unnd was die einnham die Ausgab ubertreffen wird dasselbige also palde ann Barschaft den Kirchen uberantwurthen und nyderlegenn und keinem gestat wird soll, solch gelt der kirchen Inne zubehalten und seine guthere damit zubeschwerenn.481
Man kann hinter solchen Verfügungen Hinweise auf die Verwendung der Kirchengüter durch die Bauern, speziell die reicheren Familien, speziell die Alterleute sehen. Dass diese Entfremdungen bestanden, steht außer Frage. Sicherlich waren die Zustände aber nicht überall so wüst wie in Gossel: 1545 beschrieb der Pfarrer Probleme bei der dortigen Rechnungslegung. Augenscheinlich gab es in diesem Dorf ebenfalls keine ausreichende Trennung zwischen den Vermögen, da die Heimbürgen mit dem Kirchengetreide umgingen, wie sie wollten. Bei der Neuwahl der Alterleute wollten nun die Bauern den Pfarrer außen vor lassen. Der Prozess der Rechnungslegung endete in wüsten Zuständen, Geschrei setzte ein 476 477 478 479
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3165, fol. 9r. Vgl. oben Kap. I.6. PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26, fol. 1r. EKO 1, 1, S. 189. Vgl. zur Rechnungslegung vor einem Schosser o. Ä. in den Dörfern des Kurkreises BIRGELEN, Reformation, S. 31–34. 480 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 26v. 481 Verfügung für das Amt Creuzburg; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 46v.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
und jeder wollte es anders machen. Aufgrund dieses Ablaufs wünschte der Pfarrer eine obrigkeitliche Kontrolle der Rechnungslegung, die es also in Gossel bis 1545 noch nicht gab. Bei diesem Bericht ist allerdings zu bedenken, dass der Pfarrer nicht der beste Gewährsmann ist. Er lag wegen verschiedener Einkünfte in Streit mit der Gemeinde und beschrieb seine Schäfchen wie folgt: Es ist warlich fur dem walde grob unbendigk volck, sonderlich hier zu Gossel.482 Die frühen Jahre der Reformation hatten solche Missbräuche bekanntlich zunehmen lassen.483 Der landesherrliche Einfluss diente somit nicht nur einer Ausweitung der Macht, sondern sollte, wie die Sozialdisziplinierung, dem Abstellen von Missständen dienen. Nach dem Selbstverständnis der Fürsten gehörte das Behüten des geistlichen Lebens innerhalb der Landesgrenzen zu ihren Aufgaben. Somit ist auch hinter der ab den ersten Visitationen zunehmend durchgesetzten Rechnungskontrolle durch herrschaftliche Institutionen das Streben zu erkennen, die Kirchengüter zu beschützen und für einen ordnungsgemäßen Umgang mit den Fabriken zu sorgen. Wie in der Vorreformation und bei der sinkenden Bedeutung der geistlichen Gerichtsbarkeit handelt es sich eher um ein Reagieren auf einen aktuellen Notstand. Die Zunahme dieser Kontrollen zeigen die Kirchenrechnungen selbst. In Dienstädt legten die beiden Alterleute die Rechnung 1506 nur dem Pfarrer und der ganczen gemeyn vor.484 1537 aber kontrollierte zusätzlich der Schosser des ernestinischen Amtes Leuchtenburg die Kirchenrechnung. 485 Der zuständige Schosser oder ein anderer Amtsvertreter ließen durch einen Schreiber einen Rezess ausstellen, der den Alterleuten die Abnahme der Rechnung bestätigte.486 Anscheinend handelt es sich bei den im Ernestinischen Gesamtarchiv vor allem aus den 1550er Jahren erhaltenen „Auszügen der Alterleute“ um verkürzende Abschriften, die die Ämter anlegten, um in den folgenden Jahren die Verwendung der Gelder und die Summen vergleichen zu können.487 Bemerkenswert ist, dass die Ernestiner diesen Anspruch auch gegen einige Adlige durchsetzen konnten. Üblicherweise hatten die nie482 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Specialia, Amt Ichtershausen 140a. 483 Zu den Alterleuten und ihrem Einfluss auf die Kirchengüter vgl. oben Kap. I.3.1. Zu den zunehmenden Missbräuchen in den 1520er Jahren vgl. oben Kap. II.2.1 und II.3. 484 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1, fol. 1r. 485 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 1r. 486 1549 stellte der Jenenser Amtsschreiber den Alterleuten von Ammerbach einen Rezess aus; Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602, fol. 24r. 487 Z. B.: LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3130/3139/3151. Dabei zeigt dieser Archivbestand auch, dass in vielen Fällen die Rechnungen der Heimbürgen und der Alterleute gemeinsam geprüft wurden, was zeigt, dass sich im Zuge der Visitationen auch der landesherrliche Einfluss auf die dörfliche Selbstverwaltung ausweitete.
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deradligen Gerichtsherren in ihren Besitzungen neben der Gemeinde und eventuell dem Pfarrer die Kirchenrechnungen kontrolliert. In Tegkwitz nahm nach den frühen Visitationen auch der Schosser des Amtes Altenburg an der Rechnungslegung teil.488 Allerdings waren dies Ausnahmen. Schon im Altenburger Land findet sich ein Gegenbeispiel. Die Kirchenrechnung in Falkenhain wurde noch 1557 nur durch den Junker und die Gemeinde kontrolliert.489 Die Entwicklung verlief in den beiden wettinischen Territorien vergleichbar. Die Albertiner konnten die fürstliche Rechnungskontrolle aber ebenfalls nicht gegen mächtigere Adlige durchsetzen. In Tautenburg nahm in den 1540er und 1550er Jahren Hans Schenk von Tautenburg die Rechnung persönlich ab.490 Die Schwarzburger mussten ebenfalls akzeptieren, dass Adlige die Rechnungen in ihren Besitzungen selbst kontrollierten, 491 wenngleich sich für deren Territorium ebenfalls die zunehmende Rechnungskontrolle durch Amtsgesandte nachweisen lässt. In Niederwillingen wurden die Rechnungen vor der Reformation nur der Gemeinde und dem Pfarrer vorgelegt; 1535, zwei Jahre nach der ersten schwarzburgischen Visitation, auch dem gräflich-schwarzburgischen Amtsschosser von Arnstadt und dem Richter und Schultheißen des Nachbardorfes Oberwillingen.492 Allerdings bildet es hier keine lineare Entwicklung, da auch Rechnungen aus späteren Jahren erneut nur vom Pfarrer und der Gemeinde kontrolliert wurden. Wurde für das Erfurter Landgebiet der Einfluss des Stadtrates auf die Kirchenfabriken in den Dörfern bereits eindeutig für das 14. und 15. Jahrhundert gezeigt, konnten solche Nachweise für das Mühlhäuser Landgebiet für die vorreformatorische Zeit nicht erbracht werden.493 Aus den vorhandenen Quellen lässt sich auch ein Einfluss der ersten Visitation nicht nachweisen. Der früheste Beleg für die Rechnungslegung der Alterleute vor dem Stadtrat findet sich in einer Kirchenrechnung von Dörna aus dem Jahr 1563, als die Alterleute mit dem register In der stadt waren.494 Dieser Nachweis zeigt aber, dass auch der Mühlhäuser Rat diesen Einfluss auf das kirchliche Leben in den Dörfern spätestens in der Mitte des 16. Jahrhunderts, wahrscheinlich aber früher, durchsetzen konnte. Die obrigkeitliche Kontrolle der Rechnungen kann beispielhaft für einen zunehmenden herrschaftlichen Einfluss auf die dörfliche Kirchenverwaltung im 488 PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 187, S. 199. 489 PfA Falkenhain bei Meuselwitz, A.c.i., Vol. IV. 490 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 27r, 51v. 491 Etwa in Solsdorf, wo die Edlen von Gräfendorf die Rechnung kontrollierten; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2553, fol. 6v. 492 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5684, fol. 1r. 493 Vgl. oben Kap. I.6. 494 StAM, 239/4b, Bd. 1, fol. 3r.
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Zuge der ersten Visitationen stehen. Jene stellten freilich überhaupt eine neue Qualität der herrschaftlichen Kirchenpolitik dar. Die vorangehenden Kapitel zeigten, wie, scheinbar im Handstreich, über Pfarrer, die Pfarrstruktur oder den Umgang mit den Stiftungsgütern entschieden wurde. Ebenso verfügte der Ernestiner nun über die Klostergüter. So kamen die Einwohner von Thalbürgel zu einer Dorfkirche ungeahnter Größe, da ihr gnädiger Herr verfügte, fortan die große romanische Klosterkirche für diesen Zweck zu nutzen.495 Der Begriff ‚Fürstenreformation‘ ist dennoch irreführend, da diese herrschaftliche Durchsetzung der Reformation im Umgang mit den Untertanen nicht auf den Fürsten beschränkt war. Die Visitatoren, Superintendenten und Amtleute wirkten ebenso auf diesen Prozess ein und trafen Entscheidungen wie die Räte in der Kanzlei und im Hofrat. Deren Entscheidungsgewalt bei Problemen vor Ort sollte auf keinen Fall zu niedrig angesetzt werden, ist jedoch meist schwierig abzugrenzen.496 Auf den gleichsam wichtigen Einfluss des Adels und der Gemeinden wird noch einzugehen sein. All diese Prozesse unterschieden sich zwischen den ernestinischen Territorien und den Gebieten der Grafen und Herren nur marginal. Die Reformation lief sowohl in den albertinischen, schwarzburgischen, reußischen und gleichenschen Gebieten nach ernestinischem Vorbild ab. Besonders auf die Schwarzburger und die Reußen übte Herzog Johann Druck aus, sich der Reformation zu öffnen, als diese dies in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren verweigerten. So forderte der Kurfürst 1526 Graf Günther XXXIX. von Schwarzburg zur Annahme evangelischer Prediger auf und verlangte die Anpassung der Zeremonien an das Kurfürstentum.497 Nur hatte man verschiedene Vorstellungen, was einen Prediger „christlich“ sein ließ. Günther sah seine Untertanen bestens versorgt und unterdrückte die lutherische Lehre, wo er konnte. Der Tod Günthers und die Machtübernahme durch seinen stark lutherisch gesinnten Sohn Heinrich ermöglichte zu Beginn der 1530er Jahre einen reformatorischen Dammbruch, der auch zur ersten schwarzburgischen Visitation 1533 führte.498 Dennoch wird keine solch starke Einflussnahme Graf Heinrichs selbst deutlich. Jedoch ist die Quellenlage im Falle der Schwarzburger sehr viel schlechter als bei den Ernestinern, sodass eine vergleichende Untersuchung, die Einzelfälle und Beschwerden der Untertanen betreffend, nicht möglich ist. Der Graf genehmigte 495 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 153r. 496 In den meisten Fällen sind die einzelnen Räte und ihr konkreter Einfluss schwer abzugrenzen. Bei der Bearbeitung einer dörflichen Supplik 1543 wurden auf dem Rand des Schreibens die anwesenden Räte namentlich genannt; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 317. 497 EINICKE, Reformationsgeschichte I, S. 378‒381. Vgl. das ähnliche Vorgehen des Kurfürsten in der reußischen Herrschaft Gera; JAUERNIG, Reformation, S. 61‒67. 498 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II, S. 26‒63; KRÜNES, Schwarzburg.
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dem Pfarrer von Oberndorf einen Ländereitausch; und in Gehren wurde ein Kaplan mandatum comitis eingestellt.499 Die Rückfragen der Visitatoren und die letzte Entscheidungsgewalt des Herrschers wurden von den Schwarzburgern identisch gehandhabt. Obwohl beide schwarzburgische Herrschaften Lehen beider wettinischer Linien besaßen, wird der Lehenseinfluss Herzog Georgs im Falle der Unterherrschaft deutlicher, wobei sich auch in Günther XL. zumindest ein kritischer Betrachter der Reformation fand. 500 Dieser verfolgte nach der Vereinigung der Ober- und der Unterherrschaft eine weitere Abgrenzung der eigenen Religionspolitik. Vor Ort äußerte sich dies in Diskussionen um die Visitationszuständigkeit in einigen Orten. So verweigerte Günther zwar nicht das Erscheinen der Bauern seiner Patronatspfarreien in sächsischem Gebiet vor der albertinischen Visitationskommission, verhinderte dies jedoch strikt für Dörfer in seinem Herrschaftsgebiet und veranlasste seine Lehensnehmer ebenso zu handeln.501 Bei späteren Visitationen brandeten diese Streitigkeiten immer aufs Neue auf.502 Die Entwicklung dieser Jahre in den reußischen Gebieten gleicht zunächst der in den schwarzburgischen Territorien. Ein streng altgläubiger Herr unterbindet eine öffentliche Ausbreitung der Reformation und widersetzt sich dem wachsenden Druck des Kurfürsten, evangelische Prediger einzustellen.503 Ebensolche werden aus dem Land vertrieben. Die Herren widersetzen sich den Versuchen einer Visitation durch die Ernestiner.504 Unter Umständen gab es einen Schutz des Kurfürsten für die zweifellos zahlreichen evangelischen Untertanen der Reußen. Doch 1533 wurde der Widerstand durch die Hartnäckigkeit des Kurfürsten gebrochen und die reußischen Gebiete, außer dem böhmischen Lehen Lobenstein, wurden von den Visitatoren des Vogtlandes erfasst.505 499 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 22v, 23r. 500 EINICKE, Reformationsgeschichte I, S. 408 f. Zur Einführung der Reformation in der schwarzburgischen Unterherrschaft vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II, S. 112‒ 120. 501 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 269v–270r. Die von Werthern ließen ihre schwarzburgischen Lehen ebenfalls nicht visitieren; ebd., fol. 274r. Vgl. zu diesem Vorgehen des Grafen EINICKE, Reformationsgeschichte II, S. 116‒119. 502 So etwa 1554 die Diskussion um die Zuständigkeit für die Pfarrei Gräfenroda zwischen den Schwarzburgern und den Ernestinern; LATh–StA Rudolstadt, Konsistorium Arnstadt 7797. Allerdings sollte nicht verschwiegen werden, dass die zweite Visitation in der Schwarzburger Oberherrschaft unter starkem Einfluss des Kurfürsten und auch unter Teilnahme Myconius’ stattfand; HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 41. 503 JAUERNIG, Reformation, S. 68 ff. 504 Ebd., S. 79‒95. zu den langen Streitigkeiten bis zum Zustandekommen einer reußischen Visitation. 505 Dabei ist auch die reußische Herrschaft Kranichfeld zu bedenken, wobei der Herr dort auf den alten Bräuchen beharrte; BURKHARDT, Visitationen, S. 141.
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Im Falle der Grafen von Gleichen wird bereits um 1525 bei Graf Siegmund II. eine evangelische Haltung erkennbar. 1527 berief er einen lutherischen Geistlichen aus Preußen nach Gräfentonna.506 Auch Wolfgang von Gleichen in der Blankenhainer Linie scheint sich früh der Reformation geöffnet zu haben. Bereits 1526 bat er Graf Günther von Schwarzburg um die Anstellung eines evangelischen Predigers in dem Dorf Haufeld bei Blankenhain.507 In der Folge wurden die gleichenschen Gebiete vollständig von den ernestinischen Visitationen erfasst. In den Protokollen wird aber auch ein Wirken der Grafen in kirchlichen Fragen deutlich. Graf Wolfgang schlichtete in der Blankenhainer Herrschaft einen Predigtstreit zwischen dem Pfarrer von Großliebringen und seinen Filialdörfern Nahwinden und Kleinliebringen, dessen Ergebnis 1529 im Visitationsprotokoll lediglich vermerkt wurde. 508 In der Linie Gleichen-Tonna wird der Versuch einer eigenständigen Kirchenpolitik noch deutlicher.509 Zwar wurden ihre Orte 1533 von der ernestinischen Kommission mit erfasst – anscheinend versuchten die Grafen auch nicht, dies zu verhindern. Die Amtleute zu Gleichen und Tonna bestätigten die Beschlüsse der Visitatoren und leiteten sie an den Grafen weiter. Dieser hatte bereits vorher beschlossen, seine Herrschaft im Anschluss zusätzlich selbst zu visitieren. Dazu sollte eine Visitationskommission aus zwei Pfarrern und weiteren Personen gebildet werden. Deshalb hatten sie keine Gesandten aus den Dörfern zu den ernestinischen Visitatoren geschickt, die über die Vermögen der Kirchenfabriken unterrichteten.510 Der Einfluss auf diese sollte dem Ernestiner nicht überlassen werden. Über solch eine eigene Visitation fehlen Nachrichten oder gar direkte Quellen wie Protokolle. Die Visitationen zeigen deutlich die Unterschiede zwischen den drei wichtigsten Gebieten der Grafen und Herren Thüringens. Zwar wurden die schwarzburgische Oberherrschaft und die Gebiete der Reußen im selben Jahr erstmals visitiert, doch kam dies verschieden zustande. Die Schwarzburger konnten sich erfolgreich widersetzen und ihre Rechte gegen den Kurfürsten wahren. So war es nicht seine Einflussnahme, sondern die persönliche Überzeugung Heinrichs XXXII., die zur Einführung der Reformation in der Oberherrschaft führte. So ist auch die Aufstellung einer eigenen Visitationskommission ohne ernestinische Beteiligte ein deutliches Zeichen für die Abgrenzung der Kirchenpolitik. Dennoch orientierte man sich am Vorgehen der Ernestiner und 506 507 508 509
REINHARDT, Gräfentonna, S. 126 f. BANKWITZ, Blankenhain, S. 1. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 36v–37r. Diese muss es auch in vorreformatorischer Zeit gegeben haben, wie an den vielen gleichenschen Patronaten in der Herrschaft deutlich wird; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 302r ff. Einmal mehr begegnet man dem großen Desiderat der Geschichte der Grafen von Gleichen. 510 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 315v.
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übernahm das Muster. In der Unterherrschaft konnten sich durch den Lehenseinfluss Herzog Georgs in diesen Jahren noch keine Änderungen ergeben. Die Reußen hatten dem Kurfürsten augenscheinlich weniger entgegenzusetzen. Nach langen Diskussionen, die auf reußischer Seite vor allem aus einer Verzögerungstaktik bestanden, wurden die reußischen Gebiete, trotz des Widerstandes, von den Ernestinern visitiert. Ähnlich verhielt es sich im Falle der Grafen von Gleichen. Beide wichtige Besitzungen – Tonna und Blankenhain – wurden von den ernestinischen Visitationen erfasst und sogar in deren Ablauf und deren Auswertung miteinbezogen. Versuche, eine eigenständige Kirchenpolitik zu wahren, blieben Stückwerk. Zwischen den einzelnen Besitzungen der Grafen und Herren bestanden große Unterschiede in der Einführung der Reformation. Für die Bauern der entsprechenden Gebiete waren indes spätestens nach 1533 keine großen Unterschiede erlebbar. Die Visitationen liefen nach den gleichen Kriterien ab. Das kirchliche Leben vor Ort war im selben Maße betroffen. Im ernestinischen Einflussbereich hatte sich die Reformation durchgesetzt, im albertinischen Einflussbereich, und somit auch in der schwarzburgischen Unterherrschaft, sollte dies noch sechs Jahre dauern. Analog zum Kurfürstentum wuchs aber auch in den schwarzburgischen Gebieten in den folgenden Jahren die kirchliche Bindung an den Grafen. Dieser entwickelte sich zu einem kirchlichen Schutzherr. Als einzige Vertreter ihres Standes verstanden es die Schwarzburger in Thüringen eine eigenständige Kirchenpolitik, wenn nicht gar ein Kirchenregiment, zu bewahren.
6. Die unterdrückte Reformation im albertinischen Gebiet vor 1539 DIE UNTERDRÜCKTE REFORMATION IM ALBERTINISCHEN GEBIET
Ein besonderer Reiz des Untersuchungsgebietes liegt im Vergleich zwischen der Entwicklung im ernestinischen Thüringen mit ihrer Vorbildwirkung für viele andere Gebiete des Reiches und der gehemmten Ausbreitung der Reformation in den benachbarten schwarzburgischen und albertinischen Gebieten. Im Folgenden sollen in groben Zügen die Zustände im albertinischen Gebiet bis zu den ersten Visitationen 1539 und 1540 aufgezeigt werden. Während im ernestinischen Gebiet die Umsetzung reformatorischer Ideen seit 1525 landesherrlich gefördert wurde, bekämpfte Herzog Georg jede reformatorische Regung. 511 Allerdings kann von einem blühenden kirchlichen Leben im Herzogtum in diesen Jahren keine Rede sein. Darüber legt schon der Zustand der Klöster im albertinischen
511 Zum Umgang mit Adligen, die eine Hinwendung zu reformatorischen Ideen zeigten, vgl. Kap. III.7 dieser Arbeit.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Teil Thüringens Bericht ab, der sich seit der Mitte der zwanziger Jahre zusehends verschlechterte.512 Während in den frühen ernestinischen Visitationen die Pfarrer im Mittelpunkt standen, um flächendeckend die reformatorische Predigt durchzusetzen, verwendete Georg die Instrumente des Kirchenregimentes, um ebendies zu verhindern.513 Dieses Vorgehen hielt in den späten zwanziger und den frühen dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts ungebrochen an. 1532 ließ Georg den Pfarrer von Oberdorla nach Dresden führen und gefangen setzen. Dieser hatte sich zcwingelischen Lehre verdächtig gemacht. Pikant wurde dieser Fall dadurch, dass ebendieser Pfarrer wenig vorher durch den hessischen Landgrafen Philipp eingesetzt wurde, als jener die Obrigkeit in den Dörfern der Vogtei innehatte.514 Georg bestand aber trotz Philipps Beschwerde auf seinem Standpunkt, da er die Sakramentslehre des Pfarrers in seinem Territorium nicht dulden könne. Ist leider zuvil, das wir horen mussen, das solchs inn andern landenn gelarth wirdett.515 Im August 1535 ermahnte Georg die Gemeinde Langula, für ihre freie Pfarrstelle nur nach Priestern zu suchen, die nach der Kirchenordnung geweiht
512 Zum Zustand der Klöster existieren verschiedene Nachweise. 1531 wurde der Herbslebener Amtmann angewiesen, die Zeremonien im Kloster Döllstädt zu überprüfen. Auch ihre Zinsen sollten die Zisterziensernonnen nur erhalten, wenn alles der christlichen Gewohnheit entspräche; ABKG III, Nr. 1978, S. 373. Im Kloster Frauenprießnitz war seit 1525 gar keine Nonne mehr ansässig; ABKG IV, Nr. 2696, S. 92. Vgl. auch die folgenden Berichte über den Zustand in den Komturhöfen Zwätzen, Utenbach, Liebstedt und Nägelstedt. Der schlechte Zustand nötigte Georg letztendlich zum Eingreifen in Form von Klostervisitationen; vgl. etwa ABKG IV, Nr. 3442, S. 623 f. Demgegenüber war das Herzogtum aber auch Rückzugsort für Mönche aus dem ernestinischen Gebiet, wie etwa die paradoxe Wahl eines neuen Abtes des Klosters Reinhardsbrunn 1536 zeigt; ebd., Nr. 3099, S. 360 f. 513 Vgl. Kap. I.6 sowie VOLKMAR, Kirchenpolitik. 514 ABKG III, Nr. 2086, S. 459 f.; Nr. 2098, S. 466 f. Bereits 1526 beschwerten sich zwei Oberdorlaer Vikare über einen reformatorischen Prediger, den die Bauern aufgenommen hätten; ABKG II, Nr. 1358, S. 660 f. Dies hatte ebendiesen langen Rechtsstreit zur Folge. Vgl. im selben Band die Nummern 1362, 1370, 1374, 1389 f., 1410, 1419, 1424 f., 1427 f., 1430, 1433 f., 1438 f., 1441, 1453, 1472 und 1475. Das darunter angegebene Schreiben an den Siegler in Erfurt wegen der Überstellung des Predigers und die Urfehde desselben befinden sich unter BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, III B 29, fol. 45v–49r. Der Geistliche bekannte myt disser myner eygen handtschrifft noch den ich hy heuern zcu Dorla wyder dy heylige meße auch sunst wydder Christliche Ceremonien der heylige Christlichen Kyrchen und uff dy newen verdampten unchristlichen Luthrischen verfurische Lere hefftiglichen geprediget habe. 515 ABKG III, Nr. 2103, S. 470 f.
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waren.516 Dieses Beispiel ist von großer Bedeutung, da in Langula die Gemeinde das Patronatsrecht der Pfarrei besaß und man somit Zeuge des Interesses der Bauern an einem evangelischen Prediger wird.517 Andererseits zeigt es, dass sich solche Fälle über lange Zeit ziehen konnten. Bereits im Dezember 1531 hatte sich der Mühlhäuser Rat mit diesem Fall beschäftigt und dem Prediger angedroht, ihn in Haft zu nehmen, sollte er weiterhin „von der Kanzel strafen“.518 Im April 1535 schrieb nun Friedrich von Witzleben, Amtmann von Langensalza, an die ganze Gemeinde zu Langula. Sie sollten ihr Lehensrecht nur behalten dürfen, wenn sie einen Pfarrer annähmen, der sichs des alten christlichen gebrauchs vorhalten thut. Anderenfalls würde ihnen ein Pfarrer gestellt. Das anfänglich angeführte Schreiben Georgs stellte also das vorläufige Ende einer längeren Entwicklung dar. Bereits 1529 war es zu einem Prozess gegen den Pfarrer von Günstedt gekommen, bei dem aber nicht recht ersichtlich wird, ob es sich bei den Beschwerdepunkten nur um den moralischen oder auch den geistlichen Lebenswandel des Priesters handelte. Ihm wurden seine Güter durch den Weißenseer Schosser entzogen. Jedenfalls sollte der Bezichtigte mit einem Eid und Zeugen seine Unschuld beweisen.519 1533 wurde Simon Hartung als Pfarrer von Edersleben abgesetzt, da er das Abendmahl unter beiderlei Gestalt reichte.520 In den vielen albertinischen Patronatspfarreien verhielt es sich sehr viel einfacher. Es kamen ohnehin nur verlässlich katholische Geistliche für die Stellen in Frage. Diese wurden in der Folge streng beobachtet. Widerstand dagegen wird in den Quellen nicht laut: Die Gemeinde Herbsleben bat nach dem Tod ihres Pfarrers 1536 um einen neuen Pfarrer.521 Der Amtmann des Ortes bestätigte den von den Bauern vorgeschlagenen Kandidaten und versah auch eine Vikarie mit einem Geistlichen, der sich gemäß der herzoglichen Kirchenpolitik verhalten würde.522 Solch ein Vorgehen verlangte Georg auch von seinen Lehensempfän516 ABKG IV, Nr. 2878, S. 204. Die Angabe, dass die Pfarrei frei war, deckt sich nicht mit den bekannten Hinweisen, wonach ein Just Ballwein von 1525 bis zu seinem Tod 1557 als Pfarrer in Langula wirkte; PFARRERBUCH KPS 1, S. 192. 517 Vgl. dazu Kap. II.2.2. 518 StAM, 10/E 6, Nr. 4a, Acta Religionis 1530–1534, fol. 46. 519 ABKG III, Nr. 1761, S. 233. 520 STEWING, Kapellendorf, S. 107. 521 ABKG IV, Nr. 3121, S. 375. In den Städten wurde ebenso verfahren. 1536 verlangte Georg vom Rat zu Langensalza, einen verdächtigen Priester gefangen zu nehmen und an den Siegler des geistlichen Gerichtes in Erfurt auszuliefern; ABKG IV, Nr. 2988, S. 277. Bereits 1531 wurde der Rat angewiesen, gegen Priesterköchinnen und die unsittlichen Lebenswandels verdächtigen Priester vorzugehen; ABKG III, Nr. 2009, S. 399. Zu den albertinischen Patronatsverhältnissen vgl. BURKHARDT, Visitationen, S. 274. 522 ABKG IV, Nr. 3168, S. 405. Es existiert ein Bericht über einen evangelischen Pfarrer im Ort im Jahr 1539; ARNSTADT, Vargula, S. 240; THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 496 f. sowie Kap. III.2.1 dieser Arbeit.
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gern. 1535 forderte Georg von Graf Heinrich XXXII. von Schwarzburg, einen Priester in Greußen abzusetzen, der Neuerungen im Umgang mit den Sakramenten eingeführt hatte.523 Selbiger Graf war wegen der Hinwendung zur Reformation nach seiner Machtübernahme in der schwarzburgischen Oberherrschaft im Jahr 1533 für Georg ohnehin verdächtig. Er sah es als Verstoß gegen die Belehnung.524 1532 wurde eine Neubesetzung der Pfarrei Schmiedehausen diskutiert. Zwischen der Gemeinde und dem Pfarrer gab es grundsätzliche Differenzen, die Gemeinde wünschte sich einen neuen Pfarrer. Herzog Georg bat Hans von Wolframsdorf, den Amtmann von Dornburg und Camburg, um Klärung, hielt es aber für das Beste, den Pfarrer dennoch im Amt zu belassen. Nur solle dieser sich an den bereits geschlossenen Rezess mit der Gemeinde halten. Die klassischen Probleme im Umgang zwischen Bauern und Pfarrern hielten im albertinischen Gebiet unverändert an.525 Falls es doch zu einer Neubesetzung käme, solle der Amtmann sichergehen, dass der Kandidat nicht der lutherischen Sekte verdächtig sei.526 Ob vielleicht auch lutherische Interessen hinter der Beschwerde der Gemeinde standen, kann nicht gesagt werden. Zumindest griffen die Elemente des vorreformatorischen Kirchenregimentes in diesen Fragen noch immer. Herzog Georg sorgte sich um eine gute Pfarrversorgung der Untertanen. Es sollte keinen, nach seinen Maßstäben begründeten, Grund zur Klage geben.527 Neben der Kontrolle der Pfarrer versuchte Georg wiederholt mit Mandaten die Ausbreitung der lutherischen Lehre einzuschränken. Diese sprachen alle Untertanen an und forderten dazu auf, den neuen Lehren nicht anzuhängen und auch Orte zu meiden, an denen diese gelehrt würden. 528 Bereits im zweiten Mandat aus dem Dezember 1533 merkte Georg selbst an, dass seinen Anweisungen in Bezug auf die Religion nicht allenthalben nachgekommen wird. Keineswegs dürfe es aber bis zu einem Konzil zu Abweichungen von den Zeremonien der heiligen christlichen Kirche kommen.529 In der Tat bestehen aus diesen Jahren einige Hinweise auf solche Abweichungen. So mussten alle Amtleute 1528 angewiesen werden, speziell gegen an-
523 ABKG IV, Nr. 2868, S. 197 f. Von einer Verzögerungstaktik des Grafen und des Greußener Rates ließ sich Georg nicht beeinflussen; ebd., Nr. 2872, S. 199 f. 524 ABKG III, Nr. 2299, S. 633. 525 Vgl. oben Kap. I.2. 526 Domstiftsarchiv Naumburg, Tit. XXXIV 5. Das Patronatsrecht besaß das Kloster Eisenberg; HANNAPPEL, Archidiakonat, S. 148. 527 Vgl. entsprechende Beispiele aus dem Elsass bei CONRAD, Elsass, S. 159. 528 ABKG III, Nr. 2139, S. 499 f. (September 1532); ebd., Nr. 2333, S. 663 (Dezember 1533). 529 Ebd.
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tiklerikale Handlungen im Territorium vorzugehen.530 Doch gab es immer wieder gewalttätige Aktionen. Im Volk herrschten durch Georgs Kirchenpolitik mit Sicherheit unterdrückte Aggressionen gegen altgläubige Geistliche. 1534 kam es in diesem Zusammenhang gar zur Ermordung des Pfarrers von Grumbach. Der Tatverdächtige sollte nach den Zeugenaussagen unter Umständen peinlich befragt werden. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens müsse er aber das Land verlassen, da er das Abendmahl unter beiderlei Gestalt empfangen hätte.531 Gewalt und die lutherische Lehre wurden in einem engen Zusammenhang gesehen, daran hatte sich seit dem Bauernkrieg nichts geändert. Im Gegenteil, bestand doch nach wie vor die Sorge vor einem erneuten Aufruhr.532 Nur indirekt kann aus der ausbleibenden Bestellung von Stiftungsmessen auf eine weitere Ausbreitung der Reformation in den entsprechenden Orten geschlossen werden.533 Darüber hinaus existieren aber Berichte über Einwohner von Dörfern und Kleinstädten, die nicht am traditionellen Abendmahl teilnahmen.534 Die strenge Religionspolitik von Georg führte selbstverständlich nicht zu einer vollständigen Beseitigung lutherischer Ideen in der Bevölkerung. Diese blieben lediglich unterdrückt. Man hielt sich aber aus Angst vor Konsequenzen bedeckt. 535 Nur selten kam es zu solchen offenen Ausbrüchen wie 1538 in Eckolstädt. Die dortige Gemeinde hatte Kraft ihres Patronatsrechtes die Vikarie im Ort dem Priester Johann Welsch verliehen. Allerdings zahlten sie ihm nur einen Bruchteil der Zinsen, weshalb dieser parallel die Pfarrei Niedertrebra annahm.536 Die Bauern verboten ihm daraufhin den Zutritt zur Kirche – und er bannte sie. Im Anschluss verjagten sie ihn in einer konzertierten Aktion aus dem Dorf und gaben das Lehen an einen verheirateten Priester aus dem Kurfürstentum. Dieser Zustand hielt trotz der Beschwerde des Geistlichen beim Naumburger Dompropst seit einigen Jahren an. Georg wies nun, da er von dem Fall Kenntnis erhielt, den Dornburger Amtmann an, den Bauern mit Strafe zu dro530 ABKG III, Nr. 1655, S. 168. 531 ABKG III, Nr. 2487, S. 750. 532 So in Schreiben zwischen Kardinal Albrecht und Herzog Georg 1535; ABKG IV, Nr. 2692, S. 89 f. 533 Vgl. unter ABKG IV, Nr. 2720, S. 104, den Streit mit Matthias Reinecke, dem Siegler des geistlichen Gerichtes zu Erfurt, da dieser einen Prozess gegen die Bauern von Edersleben wegen der ausbleibenden Bestellung von Stiftungsmessen anstrengen wollte. Georg bestätigte jedoch die Meinung der Ederslebener, dass es sich nicht um ein bestätigtes geistliches Lehen handelte und es den Bauern demnach freistehe, diese nicht zu bestellen. Vgl. auch die nicht gehaltenen Messen der Vikarien in Tennstedt; ebd., Nr. 3218, S. 444. 534 ABKG IV, Nr. 3191, S. 424. 535 Vgl. die ähnlichen Ergebnisse zum Adel im Herzogtum; Kap. III.7 dieser Arbeit. 536 ABKG IV, Nr. 3403, S. 589 f. Die Pfarrei Niedertrebra war 1538 freigeworden, da Hans Schenk von Tautenburg den dortigen Pfarrer entlassen hatte, da dieser lutherisches Abendmahl abhielt, vgl. Kap. III.7 dieser Arbeit.
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hen, die jedoch behaupteten, dass der Bericht des Vikars nicht der Wahrheit entspreche. Vorrangig um Schaden für sich selbst zu vermeiden, berichtete der Amtmann, dass es gar keinen verheirateten Priester in Eckolstädt gegeben hätte. 537 Die Verantwortung der Amtmänner für die Beachtung der Kirchenpolitik in den Ämtern machte diese angreifbar. So musste sich auch der Herbslebener Amtmann Philipp von Reibisch bereits 1532 rechtfertigen, dass die Gerüchte über einen verheirateten lutherischen Prediger in seinem Amt nicht der Wahrheit entsprachen. Er würde diese Prediger in seinem Amt nie gestatten und bat den Herzog, ihn nicht weiter zu verdächtigen. Vor diesem Hintergrund werden auch die genauen Abläufe in Eckolstädt nicht genau aufzulösen sein. Allerdings zeigt der Fall sicher, dass es trotz der strengen Kontrolle denkbar war, dass es reformatorische Predigten im Herzogtum gab, die auch über längere Zeit unbekannt blieben. Selbstverständlich konnten diese aber keinen Niederschlag in den Quellen finden. Die Quellen zeigen aber auch, dass trotz der Politik Georgs immer wieder Reformatorisches aufflammte. So gibt es Hinweise, dass auch in der zweiten Hälfte der zwanziger und in den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts noch umherziehende Prediger im albertinischen Gebiet wirkten. Bezeugt ist dies etwa 1529 für einen entlaufenen Mönch in den Dörfern der Vogtei südlich von Mühlhausen.538 Auch bei den altgläubigen Eliten im albertinischen Einflussbereich wuchs die Sorge, die Reformation nicht verhindern zu können. Man beobachtete zumindest ihre Ausbreitung.539 Was sagen nun die Quellen aus den Dörfern über dieses Aufflammen aus? Nach einigen erhaltenen Kirchenrechnungen lief in den Kirchgemeinden ein relativ ungestörtes altgläubiges Leben ab. In Edersleben stellte die Gemeinde 1527 wie gehabt für Mariae Lichtmess gemeinsam Lichter her. Es gab den üblichen Schmaus zur Osterkerze und der Pfarrer wurde sowohl für Jahrtagsstiftungen als auch für die Abhaltung des Salve Regina entlohnt.540 Die Alterleute von Tautenburg schickten 1537 einen Boten wegen eines neuen Pfarrers nach Erfurt; mutmaßlich handelte es sich nicht um einen lutherisch Gesinnten. Im selben Jahr
537 ABKG IV, Nr. 3403, S. 591. 538 StAM, 10, E6, Nr. 3a, Bd. I, fol. 114r. 539 Vgl. das Schreiben des Erfurter Syndikus Dr. Wolfgang Plick an Herzog Georg vom 19. Dezember 1536, in dem er Bezug auf die Entwicklung in der Gegend von Sömmerda nimmt. Ihm wurde, während er eine Messe besuchte, sein Pferd und sein Wagen gestohlen, was er direkt mit der zunehmenden Zahl der Anhänger der Reformation in Verbindung setzte; ABKG IV, Nr. 3132, S. 385 f. sowie Nr. 3137. 540 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 19r, 19v, 21v.
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wurden auch normale Mengen Chrisam und Weihrauch beschafft.541 Im Nachbardorf Steudnitz wurden noch 1539 eine Messe zu Fronleichnam und Begängnisse mit mehreren Priestern in der Woche danach abgehalten. Gleiches kann für den Katharinentag, also den 25. November 1539, festgestellt werden.542 Diese Nachweise zeigen, dass in den Pfarreien meist ein kirchliches Leben ablief, das ganz im Sinne Herzog Georgs war, und dass sich Gemeinden wohl nicht offen seinen Vorgaben widersetzten. Allerdings lassen die wenigen Quellen keine pauschalisierenden Aussagen zu. Zunächst sind die Nachweise über die Abhaltung der Stiftungsmessen keine Nachweise über deren Besuch. Zusätzliche Stiftungen dürfte es in diesen Jahren kaum gegeben haben. Schwerer wiegt noch, dass selbst diese mikrohistorischen Hinweise keine Rückschlüsse auf die religiöse Gesinnung der Einwohner gestatten. Das rigide Vorgehen Georgs gegen jede Regung der Reformation zeigte den Untertanen, dass öffentliche Hinwendungen zur Lehre Luthers schwere Folgen haben konnten. Auch einzelne evangelische Predigten oder die Abschaffung von gestifteten Messen in einer Dorfkirche wären durch die Mittel des Kirchenregiments bekannt geworden. Neben dieser Sorge widersprach dem aber vor allem das der Gesellschaft immanente Obrigkeitsdenken. Die starke Ausbreitung der Reformation in der ersten Hälfte der 1520er Jahre lässt es aber unmöglich wirken, dass es unter diesen Deckmänteln keine reformatorischen Gedanken in der Bevölkerung mehr gab. Im Gegenteil, wird doch der Großteil der Bevölkerung der Reformation nicht abweisend gegenüber gestanden haben. In den dreißiger Jahren hoffte man eventuell auf einen bevorstehenden Wandel in der Kirchenpolitik nach Georgs Tod. Mit diesem und den ersten Visitationen trat dieser Wandel auch in den Pfarrgemeinden ein. In Steudnitz, wo, wie oben gezeigt wurde, 1539 noch Begängnisse und Stiftungsmessen abgehalten wurden, wurden 1541 eine deutsche Agenda und eine große Weinkanne beschafft, während sich von den Stiftungen keine Spur mehr findet.543 Aus diesen Jahren gibt es keine Hinweise auf Widerstand in der ländlichen Bevölkerung gegen die Einführung der Reformation. Wie im Falle von Steudnitz wurde das kirchliche Leben in den Dorfkirchen recht schnell angepasst. In vielen Orten wurden, anscheinend auch durch die Verordnungen der Visitatoren, lutherische Bücher oder auch größere Kelche erworben.
541 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 1v. 542 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 1. Fach, 9. Karton, lfd. Nummer 623–732, Kirchenrechnungen Steudnitz 1539–1584, fol. 3r–3v. 543 Ebd., fol. 11v.
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7. Der Niederadel und die landesherrliche Kirchenpolitik DER NIEDERADEL UND DIE LANDESHERRLICHE KIRCHENPOLITIK
Bisher wurde festgestellt, dass sich der Großteil des Niederadels der Reformation in ihrer Frühzeit zuwandte. Viele Adlige waren an deren Umsetzung auch in verschiedenen Positionen in der fürstlichen Verwaltung beteiligt. Dennoch bildeten viele adlige Besitztümer altgläubige Widerstandsorte. Nachdem bereits seit der ersten Hälfte der 1520er Jahre Schwierigkeiten mit diesen bestanden, wurden auch in den ersten Visitationen unkooperative Adlige festgestellt.544 Diese Entwicklung veränderte sich in den späten zwanziger und dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts nur unwesentlich. Noch immer gab es Adlige, die sich der Reformation verschlossen. Die Visitationen des Jahres 1533 deckten weitere Fälle von katholischen Adligen auf, die es bis dahin vermutlich verstanden hatten, nicht aufzufallen. Bereits 1524 erklärte Adam Puster zu Großbockedra, dass er seinem Pfarrer die geforderten Abgaben nicht zu reichen gedenke, da jener die Pflichten aus den Urkunden nicht erfülle.545 Sein Sohn (?) Hans Puster argumentierte 1533 gegenüber den Visitatoren gleich, als er ihnen wohl sehr stolz sagte, das ehr es kurtz umb nicht thun woll, und mit dem anhang, Es solt Ime der pfarrer nichts dienen, so wolt ehr Im auch nichts geben. Die Visitatoren vermerkten dazu, dass er keinen Gottesdienst besuche, sondern sich von auswärtigen papistischen pfaffen mit Seelsorge und den Sakramenten versorgen lasse.546 Sein Einfluss auf die Besetzung der Pfarrstellen schwand aber zusehends. 1538 starb der Pfarrer des Dorfes Rabis. Wegen der Nachfolge schrieb der zuständige Superintendent an den Dekan des Naumburger Stiftskapitels als Inhaber des Patronates. Er bat um die Einwilligung in seinen Kandidaten, der bereits examiniert worden sei und durch evangelische Lehre und einen sittlichen Lebenswandel bestach. Ursprünglich hatten sich Hans Puster und das Kirchspiel wegen der Besetzung der Stelle an den Superintendenten gewandt.547 Selbst wenn Hans Puster innerhalb der fünf Jahre von 1533 bis 1538 seine ablehnende Haltung nicht geändert haben sollte, blieb
544 Vgl. oben Kap. II.5. 545 AGBM II, Nr. 1135, S. 53. 546 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 292r. Gleichzeitig gibt es Adlige, die bereits in den 1520er Jahren mit Widerstand auffielen und nun noch immer katholische Pfarrer unterhielten. So etwa Götz von Ende, wegen dessen Haltung die Einwohner von Ponitz 1533 keine Pfarrabgaben zahlen sollten; WIESSNER, Naumburg, S. 159. 547 Domstiftsarchiv Naumburg, Tit. XXXIV 5, Rabis 1538 (ohne Foliierung). Ein anderer Zweig der Familie mit dem Oberhaupt Burgold Puster saß in Trautzschen bei Pegau. In der Visitation des Amtes Altenburg 1533 gab es Streit um Rechte in Breitenhain. Burgold Puster berief sich gegenüber den kurfürstlichen Visitatoren aber auf Herzog Georg als seinen Herrn. Er wolle es halten wie dieser; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 6, fol. 28r.
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ihm kaum Einfluss auf die sich bildenden kirchlichen Abläufe. Er erscheint verglichen mit dem Superintendenten in einer recht passiven Rolle. Adlige im reußischen Gebiet mussten lange keine Visitation fürchten. Im Gegensatz zu den ernestinischen Teilen Ostthüringens konnte sich der Widerstand hier länger halten. Bei der ersten Visitation dieses Territoriums 1533 wurde somit eine erstaunliche Zahl Adliger aufgefunden, die sich nicht zur Reformation bekannten. Offenbar war den Visitatoren diese Aufgabe bereits im Vorfeld bekannt, da im Gegensatz zu den anderen Visitationen dieser Zeit die Junker wie die Pfarrer nach ihren Ansichten befragt wurden. So gab Utz von Ende zu Töppeln zu Protokoll, dass er sich eine Zeit lang komplett dem Sakrament enthalten habe, dass es aber Recht sei, es unter beiderlei Gestalt zu empfangen. Seinem Pfarrer bescheinigte er, das Evangelium recht zu predigen.548 Der Adel stand hier im Blickpunkt. Diese Herangehensweise bestätigt sich in der, wie erwähnt, großen Zahl Adliger, die das lutherische Abendmahl und viele weitere Regelungen keineswegs für rechtens hielten. Krieg von Etzdorf zu Großaga erklärte, dass er nur einen Gott hätte und diesen daher nicht in zweierlei Gestalt empfangen wollte. Sollten die Visitatoren ihm einen anderen Pfarrer schicken, würde er ihn nur annehmen, wenn er ihm gefiele. Die Visitatoren verwarnten ihn für diese Haltung.549 Nachdem Georg Metsch zu Schönfeld bei Greiz, auf verschiedene Ladungen hin, nicht erschienen war, wurde den Visitatoren glaubhaft berichtet, dass jener der vardamlichen papistrey anhengig sein solt. 550 Die Visitatoren forderten ihn schriftlich auf, sich den unchristlichen, päpstlichen Zeremonien zu enthalten. Es zeigt sich, dass die Adligen zunächst keine strikten Gegenmaßnahmen zu fürchten hatten. Wie diese in der Folge der Visitation eventuell ausfielen, muss offenbleiben. Vorerst bestand das Ziel darin, die Orte mit evangelischen Predigern zu versorgen und römische Pfarrer abzusetzen. Heinrich von Bünau zu Elsterberg sollte daher den entgegen eingestellten Pfarrer in seiner Patronatspfarrei Schönbach abfinden und einen christlichen Prediger anstellen.551 In Großsaara trafen die Visitatoren ebenfalls auf einen Pfarrer, der kein Eheweib hatte, das Sakrament nicht unter beiderlei Gestalt reichte und das Evangelium lehrte, wie er wollte. Sein Lehensherr, Hans von Wolframsdorf, bat allerdings, keine Änderungen zu erzwingen, da er ein alter Mann sei und bei der 548 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 9r. 549 Ebd., fol. 10r. Dennoch kam es 1533 zu einer Neubesetzung, als der verlässlich evangelische Pfarrer des unweit gelegenen Röpsen nach Großaga versetzt wurde, dort allerdings nur ein Jahr blieb. Ein Streit mit dem Patronatsherrn kann nur vermutet werden; THÜRINGER PFARRERBUCH 4, S. 315. Jedenfalls konnte sich der von Etzdorf nicht dem Eingriff in sein Patronatsrecht widersetzen. 550 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 122v. 551 Ebd., fol. 125r–126v.
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alten weis bleiben wollte.552 Wie in diesem Fall hatte der Genrationswechsel innerhalb der ritterlichen Familien eine sehr große Bedeutung für die Annahme der Reformation.553 Ebenfalls waren die Familien in ihrer religiösen Haltung keineswegs zwangsläufig geschlossen. Deutlich wird dies etwa auch im Falle der von Schaurodt zu Zschippach. Heinrich von Schaurodt wurde wie sein Pfarrer in Dorna rechtschaffen befunden. Der ebenfalls in der Pfarrei residierende Berchardt von Schaurodt bekannte sich jedoch anders: Er hätte seinen Glauben, würde das Sakrament weiterhin unter einer Gestalt empfangen und wollte sich nicht drängen lassen. Die Visitatoren vermerkten jedoch: [H]at sich doch letzlich ein wenig lencken lassen. 554 Was darunter zu verstehen ist, kann nicht gesagt werden, da keine Zeugnisse darüber existieren, ob er fortan an einem evangelischen Gottesdienst teilnahm. Die Visitatoren hatten freilich wenig Zugriff auf die private Religionsausübung der Adligen. Allerdings wurde in keinem Fall einem Adligen offiziell eine katholische Messe hinter verschlossenen Türen zugestanden, wie es dies noch 1528 in der altenburgischen Visitation gegeben hatte.555 Selbstverständlich gab es neben diesen vielen Widerständen auch adlige Patronatsherren, denen ihre Rechtschaffenheit bestätigt wurde und die teilweise auch als gute Christen bezeichnet wurden. Neben dem angesprochenen Generationswechsel müssen einige Adlige, die nach den ersten Visitationen nicht mehr als Problemfälle erscheinen, aber ihren Widerstand im Glauben beendet haben. Allerdings muss offenbleiben, aus welchen Motiven dies geschah. Nachdem sich Heinrich von Wolfersdorf 1529 noch der Visitation verweigert hatte556 und sich von einem katholischen Pfarrer die Messe lesen ließ,557 stiftete er 1543 eine neue Pfarrei in Endschütz, ein Stipendium und eine Spende.558 Doch der Wandel in den dreißiger Jahren war keineswegs vollständig. Im Kurfürstentum finden sich noch in den folgenden Jahrzehnten Niederadlige als Träger einer katholischen Lobby. So z. B. die Familie von Seebach in den sogenannten Fahnerdörfern nordwestlich Erfurts. 1543 beschwerte sich der Pfarrer 552 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 7r. Diese Einwände fruchteten wenig, es wurde ein ehemaliger Augustinermönch aus Grimma als neuer Pfarrer eingesetzt; THÜRINGER PFARRERBUCH 4, S. 89, S. 113. 553 Allerdings fanden sich bisher keine Quellen, die eindeutig einen innerfamiliären Dissens in der Religionsfrage beschreiben. 554 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 3v. 555 Vgl. oben Kap. II.5. 556 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2, fol. 215v–216r. 557 WIESSNER, Naumburg, S. 311. 558 SHStAD, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10508/8. Zur Herrschaft der von Wolfersdorf im 16. Jahrhundert vgl. SCHWARZE, Struktur, S. 146‒149.
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von Großfahner bei Friedrich Myconius über seinen Junker Jost von Seebach.559 Dieser sei, wie die Dorfvorstände, einem Erfurter Papisten verfallen und arbeite gegen das Evangelium. Weiterhin stellt er fest: [A]lso ist auch de volck, wie die Oberkeit ist, die regiret an dem Orte.560 Myconius berichtet an Kurfürst Johann Friedrich, dass sich Jost von Seebach im Moment beim Bischof von Straßburg aufhalte und den Papisten gar als Verwalter seiner Dörfer eingesetzt habe.561 Der Kurfürst erlässt einen Befehl an den Gutsherren, einen evangelischen Prediger einzusetzen und die Pfarrhäuser herzurichten.562 Eine recht stumpfe Klinge, da die Klage ja vom evangelischen Pfarrer des Ortes ausging. Die von Seebach entzogen den Kirchen Land und hinderten ihre Bauern auch, vor den Visitatoren zu erscheinen. Noch in den dreißiger Jahren verweigerten sie Zinsen in Dörfer mit einem evangelischen Pfarrer.563 Als 1551 ihre Pfarrei Gierstädt mit einem Dorf eines anderen Gerichtsherrn zusammengeschlagen werden sollte, versuchten sie, dies zu verhindern sowie ihre Rechte zu schützen, und behaupteten doch tatsächlich, dass seit Beginn der 1520er Jahre keine Klage über sie laut und kein Mangel festgestellt wurde.564 Nicht nur katholische Adlige wurden argwöhnisch beobachtet. So war etwa der Junker in Zossen allgemein als Sakramentsschwärmer bekannt.565 Noch in der Visitation 1554 mussten Adlige wegen der Zeremonien ermahnt werden.566 Im albertinischen Gebiet lassen sich vice versa die entsprechenden Beispiele finden. Hier wurde die Reformation erst 1539 durch Herzog Heinrich eingeführt. Die vorherige Kirchenpolitik Herzog Georgs war durch eine strenge Verteidigung des alten Glaubens gekennzeichnet. Lutherische Ketzer wurden in der Regel mit Landesverweis bestraft.567 Die Umsetzung dieser ‚Glaubenskontrolle‘ oblag entweder den Gerichtsherren eines Ortes oder den Amtmännern. So wurde der komplette Stadtrat der Stadt Kölleda mit Stadtschreiber und Schulmeister 1523 von Herzog Georg ihrem Gerichtsherrn Hans von Werthern zur Bestrafung überstellt, weil diese eine evangelische Predigt in der Stadt nicht verhindert hatten.568 Trotz der rigiden Religionspolitik ihres Landesherren vertrieben die von 559 560 561 562 563 564 565 566 567 568
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1682, fol. 3r–3v. Ebd., fol. 3r. Ebd., fol. 4r. Ebd., fol. 8v–9v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 348r; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 722. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2305. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 81. Vgl. auch den Fall des Ambrosius von Utenhof im Amt Weida; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 7, fol. 180v. HEERDEGEN, Visitation, S. 112 mit dem Beispiel der Familie Gans zu Denstedt bei Weimar. Vgl. oben Kap. III.6. ABKG I, Nr. 505, S. 502 f; vgl. weiterhin Nr. 516, S. 514. Dass sich Herzog Georg bei der Abwehr der reformatorischen Entwicklung entscheidend auf die Ritterschaft stützte,
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Hopfgarten, die umfangreiche albertinische Lehen um Langensalza innehatten, 1534 die Mönche des Klosters Mülverstedt und brachen Stiftungsmessen ab.569 Der Amtmann zu Langensalza, Friedrich von Witzleben, legte Herzog Georg nahe, dass diese wegen des Ungehorsams ihre Güter verkaufen und das Land verlassen müssten. Die Hopfgarten verteidigten sich, dass sie den römischen Brauch nicht halten könnten und baten den Herzog, es zu überdenken. Vom Herzog wurde es aber als klarer Verstoß gegen die Lehenspflicht gewertet, und die Dörfer wurden angewiesen, den Hopfgarten keinen Gehorsam zu leisten; die Messen wurden wieder eingesetzt. Man sieht an diesem Beispiel das direkte Gegenüber von widerstrebenden Junkern und willfährigen Amtleuten. Auch der Amtmann zu Dornburg an der Saale wurde angewiesen, die Güter des Volrad von Watzdorf einzuziehen, da dieser sich der Reformation geöffnet hatte. 570 Die Argumentation der Hopfgarten, das Sakrament unter beiderlei Gestalt nur auf den kursächsischen Lehen zu halten und den Untertanen in den Dörfern die neue Lehre nicht vorzuschreiben, wurde nicht anerkannt. Allerdings gibt es keinen Nachweis, dass tatsächlich Adlige zum Verkauf ihrer Güter gezwungen wurden.571 Auch im albertinischen Gebiet folgten aber die meisten Ritter der kirchlichen Politik ihres Landesherren. Hans Schenk von Tautenburg etwa entließ 1536 noch den Pfarrer von Niedertrebra, weil dieser das Sakrament unter beiderlei Gestalt gereicht hatte und gelehrt hatte, dass die deutsche Taufe löblich sei.572 1539, im Jahr der Einführung der Reformation im albertinischen Gebiet, bittet er um einen
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zeigt sich v. a. an einem Brief an etliche Ritter aus dem Januar 1525, worin er zu einem organisierten Widerstand gegen die lutherischen Prediger aufruft; ABKG II, S. 13, Anm. 2. ABKG III, Nr. 2554, S. 785; vgl. weiterhin Nr. 2597, 2627, 2629, 2632 sowie ABKG IV, Nr. 2638, 2640, 2645, 2652, 2654, 2660, 2665, 2669, 2675, 2680, 2682, 2797, 2811 f., 2819 f., 2829, 2834, 2859, 2897 f., 2901, 2930, 2945. Die Akte unter SHStAD, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/6. Vgl. zusammenfassend WINTER, Adel, S. 259 f. ABKG IV, Nr. 2778, S. 140; vgl. weiterhin ABKG III, Nr. 2313, S. 643. In diesem Schreiben aus dem Oktober 1533 wird der Dornburger Amtmann Hans von Wolframsdorf beauftragt, zu erkunden, wo und in welcher Form Volrad von Watzdorf zu Ostern das Sakrament empfangen habe. Sollte dies nicht unter einerlei Gestalt geschehen sein, solle der Amtmann ihm auflegen, wie andere seine Güter zu verkaufen. Erneut wird die Beteiligung des Adels auf beiden Seiten dieser Fälle deutlich; vgl. WINTER, Adel, S. 260. Vgl. ebd., S. 262. Die Beispiele zeigen, dass die Einschätzung Göses, dass allenfalls Bemühungen der adligen Ständevertreter erkennbar waren, der restriktiven Religionspolitik Georgs etwas die Schärfe zu nehmen, die Zustände nicht ausreichend charakterisiert; GÖSE, Führungsgruppen, S. 181. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1010, fol. 1r; vgl. ABKG IV, Nr. 2922.
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evangelischen Prediger.573 Für den evangelischen Adel im albertinischen Gebiet bedeutete die Einführung der Reformation eine Erlösung. Die eben erwähnten von Hopfgarten hatten schon vor der ersten Visitation einen evangelischen Prediger aus dem Kurfürstentum in eines ihrer Dörfer berufen.574 Im Dezember 1538 wurden Gerüchte an den albertinischen Hof getragen, wonach ein Herr Goldacker das Sakrament unter beiderlei Gestalt empfangen hatte.575 Mutmaßlich kam durch den nahenden Tod Herzog Georgs kein solch umfangreiches Verfahren wie gegen die von Hopfgarten vier Jahre zuvor zustande.576 Ein Teil des albertinischen Adels leistete 1539 Widerstand gegen die Einführung der Reformation.577 Allerdings ist hierbei ein Unterschied zwischen den Adligen des meißnischen und des thüringischen Besitzteils der Albertiner festzustellen. Während große Teile des schriftsässigen Adels in Meißen ein Element der altgläubigen Opposition bildeten, wünschten Adlige aus einigen thüringischen Ämtern die Einigkeit in Glaubensfragen zwischen dem Kurfürstentum und dem Herzogtum.578 Wahrscheinlich meinte dies eine Hinwendung zu einer Reformation nach ernestinischem Vorbild, was den Einfluss des Kurfürsten und des Adels im Kurfürstentum auf denjenigen des Herzogtums zeigen dürfte. Für die Visitationskommission wurden natürlich religiös verlässliche Adlige gefunden. Dies waren auffälligerweise eben jene, die in den Jahren zuvor unter Herzog Georg ihren evangelischen Glauben betont und somit ihre Stellung riskiert hatten: Friedrich von Hopfgarten, Volrad von Watzdorf und Hartmann Goldacker. 579 In der zweiten Visitation 1540 waren mit Christoph von Hopfgarten, Georg Goldacker und Friedrich von Hain zu Göttern ebenfalls Angehörige solcher Familien vertreten. Der Adel aller Gebiete war gleichermaßen gespalten in der Glaubensfrage. Die genannten Visitatoren, die Herren Goldacker und von Hain, wurden 1541 gesondert mit einer Erfassung der kirchlichen Zustände betraut. Dabei sollten sie besonders auf die Einhaltung der kirchlichen Vorgaben der „Heinrichsagende“ 573 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1218. 574 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 144v. In der ersten Visitation verhandelten die Hopfgarten nun auch über die Verwendung des Besitzes des Klosters Mülverstedt für ihre Pfarreien und die Einrichtung eines Gemeinen Kastens; ebd., fol. 155v. Bei Joachim Merlin, der um 1540 Pfarrer in Mülverstedt war, kann es sich um einen der Mönche gehandelt haben, da er bereits 1524 als Priester im Dorf nachgewiesen ist; PFARRERBUCH KPS 6, S. 64. 575 ABKG IV, Nr. 3481, S. 657. 576 Ebenso lässt sich im Falle des Lorenz von Rolitz, der sich im Herbst 1535 verdächtig machte, der Lutteryschen Sect anhengig zu sein, kein umfangreiches Verfahren nachweisen; ABKG IV, Nr. 2889, S. 211. 577 Vgl. WINTER, Adel; SCHATTKOWSKY, Schleinitz, S. 142 mit Erklärungsansätzen und weiterer Literatur. 578 WARTENBERG, Landesherrschaft, S. 100 f., Anm. 417. 579 Zu der albertinischen Visitation vgl. BURKHARDT, Visitationen, S. 241.
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durch die von Ebeleben, von Heilingen, von Berlepsch und von Witzleben achten. Diese würde auf ihren Gütern andere Zeremonien abhalten.580 Unabhängig von der jeweiligen persönlichen Meinung zur Lehre Luthers ist nach der Stellung zu den Visitationen zu fragen. Leisteten Adlige Widerstand gegen dieses herrschaftliche Instrument der Landesherren? Welche Rechte waren betroffen? Im entsprechenden Kapitel wurde die Abwertung adliger Pfarreien zu Filialen besprochen. 581 Dieser Kritikpunkt erscheint im Laufe des 16. Jahrhunderts noch häufig. Die Abwertung der eigenen Pfarrei sollte vermieden werden, möglichst, ohne selbst Geld einzusetzen. Adlige versuchten daher eher, Geld für das Einkommen der Pfarrer von den Visitatoren zu erhalten, die Visitationen somit auch als Chance zu begreifen.582 Durch den starken Einfluss der Visitationen auf die Pfarrstruktur und -finanzierung verlor der Niederadel per se Kontrolle über das Kirchenwesen in seinen Dörfern. Landesherrliche Beamte entschieden nun über die Abwertung der eigenen Pfarrei oder Zulagen für den Pfarrer; bei allen eigenen Interessen blieb nur der offizielle Weg über die landesherrlichen Instanzen. Den Gipfel dieser Entwicklung bildete der Verlust des Patronatsrechtes, der einige Adlige betraf. Welche Ursachen dazu führten, bleibt unklar. Zwar wird in einigen Schreiben aus der landesherrlichen Kanzlei mit diesem Schritt gedroht, ein konkreter Ablauf lässt sich aber nicht nachweisen. Die Visitationsprotokolle lassen lediglich die Beobachtung zu, dass sich ursprünglich adlige Patronatsrechte nun in landesherrlicher Hand befanden. So war die Pfarrei Vierzehnheiligen 1539 ein Lehen der Vitztume von Apolda und 1540 wird der Albertiner als Patron genannt.583 Auch in den späteren Visitationen finden sich solche Fälle.584 Ein Entzug des Patronates durch die Landesherren wäre noch einige Jahre zuvor undenkbar gewesen und zeigt die Qualität, die die Einflussnahme annehmen konnte. Allgemein wurde das Patronatsrecht aber eingeschränkt. Superintendenten mussten einer Vergabe zumindest zustimmen.585 Auch außerhalb solcher Extremfälle gab es vielfältigen Kontakt zur entstehenden Landeskirche, etwa in Form der Superintendenten zu den Pfarrern in den adligen Herrschaften – nicht nur während der eigentlichen Visitationen. Trotz dieser wachsenden Einflussnahme behielten die Kirchen in den Dörfern freilich eine große Bedeutung für die 580 Vgl. WARTENBERG, Landesherrschaft, S. 140 f. 581 Vgl. oben Kap. III.5. 582 Ähnlich bei Bitten um Beihilfen für Bauarbeiten. So bat Siegfried von Kirchberg um eine Bauhilfe für das Pfarrhaus in Farnroda; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1023. 583 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 452v; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 225r. 584 HEERDEGEN, Visitation, S. 82, S. 107 f. Zum idealtypischen Ablauf bei der Pfarrbesetzung ab der Mitte des Jahrhunderts vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 120 f. 585 Vgl. etwa JADATZ, Land, S. 208.
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adlige Repräsentation – auch und insbesondere gegenüber anderen Adligen – und die Familienmemoria.586 Einige Adlige versuchten schlicht, sich den Visitationen durch Nichterscheinen zu verweigern; allerdings war dieser Widerstand nicht von Dauer. Durch eine Abweisung trotz mehrfacher schriftlicher Aufforderung erregte man erst recht die Aufmerksamkeit des Herrschers und seiner Verwaltung.587 Zu den grundlegenden Eingriffen der Visitationen in die gewachsenen kirchlichen Rechte des Adels gehörte natürlich auch die Verwaltung der Stiftungen. 1523 hatte die Ritterschaft auf dem Altenburger Landtag gefordert, dass geistliche Lehen, wenn kein Pfarrer Anspruch auf sie habe, in den Ämtern gemeldet und in den Kreisen verwaltet werden sollten.588 In der Folgezeit sollte sich jedoch zeigen, dass dies keineswegs zu den Interessen der meisten Adligen gehörte. Bereits in der Visitationsinstruktion von 1527 wurde verfügt, dass besonders auf Adlige und Bürger geachtet werden solle, die geistliche Stiftungen zum eigenen Nutz unterzogen hatten. Den Lehensherren sollte auferlegt werden, dass die Einkommen der Pfarrbesoldung oder christlichen Werken zukommen sollten.589 Auch Adlige, von denen sonst kein antireformatorisches Verhalten bekannt ist, versuchten in der Zeit des Übergangs Stiftungsgut zu retten, hierin ist also nicht per se ein Verhalten gegen das Evangelium zu sehen. Viele Adlige versuchten aber eher stillschweigend, Stiftungsgut zu unterziehen, teilweise auch solches, das ihnen gar nicht zustand. Sie hofften wohl, dass solche ‚Kleinigkeiten‘ in den großen Umstrukturierungen der kirchlichen Finanzen untergingen. Drei Beispiele: 1533 versuchte Georg von Harras das Einkommen einer Vikarie in Oßmannstedt zu unterschlagen. Nach langen Diskussionen – unter anderem behauptete er, es habe sich gar nicht um ein geistliches Lehen gehandelt – setzten sich die Visitatoren durch und die Stiftung wurde einem Kasten zugeschlagen.590 Im selben Jahr beklagten sich verschiedene Bauern, dass Rudolf von Bünau zu Tannroda eine Frühmesse und ein weiteres geistliches Lehen in der dortigen Kirche unterzogen hätte.591 1541 wurde Christoph von Seebach zu Kleinfahner eine Strafe über 672 Gulden auferlegt, da er nach dem Bauernkrieg Land der Kirche und einer Bruderschaft verkauft hatte.592 586 Vgl. JACOBS, Mecklenburg, S. 29–39. 587 Ein Beispiel bilden verschiedene Herren von Witzleben, die 1533 bei der ernestinischen Visitation nicht erschienen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 354r, 356v. 588 Vgl. oben Kap. II.5. 589 EKO 1, 1, S. 144. Vgl. zu dieser Problematik JADATZ, Land, S. 208 f. 590 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 786. Vgl. die entsprechenden Festlegungen der Visitatoren im selben Jahr; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 102r. 591 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 646. 592 LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 2c. Allerdings beschwerte sich die Gemeinde Kleinfahner zwei Jahre darauf, dass der Junker keinem der Punkte des Vertrages
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Selbst wenn diese Beispiele dem ernestinischen Territorium entstammen, gab es auch in dieser Frage keinen Unterschied zwischen den Herrschaftsbereichen.593 Durch die Visitationen wurden auch viele Fälle offenbar, in denen Adlige Pfarr-, Kirchen- oder Stiftungsgut in den zwanziger Jahren an sich gezogen hatten.594 Von ihnen wurde die Zurückdrängung der kirchlichen Aufsicht im Zuge der frühen Reformation als Chance verstanden, einen finanziellen Vorteil zu erzielen. Die vielen Unterschlagungen aufzuführen, würde an dieser Stelle zu weit führen; ein paradigmatischer Fall geschah 1533 nahe Arnstadt. Dort habenn Die leuthe, sambt dem pfarrer zum libenstein bericht, das Kuntz von witzleben, der pfar etliche ecker entzog deßgleichen auch dem gotshaus etzliche wachszinße furenthaltenn soll.595 Wenn Adlige einer Kirche oder einem Geistlichen Zinsen vorenthielten, zahlten meist auch ihre Untertanen nicht mehr. So sollte Adam Puster auch seine Leute aus dem Dorf Rabis anhalten, Zinsen an die Kirche von Lobeda zu zahlen.596 Viele solcher Fälle wurden keineswegs von den ersten Visitationen geklärt, sondern liefen noch über Jahre und Jahrzehnte, bis sie durch Beschwerden der Pfarrer oder die Verhandlungen im Zuge des Bewidmungswerkes offenbar wurden. So beschwerte sich auch der Pfarrer von Keßlar bei Blankenhain 1539 über ausbleibende Zinsen von Joachim von der Pforten zu Reinstädt.597 Dabei ging es oft um sehr hohe Beträge. Silvester von Teutleben zu Laucha sollte Zinsen von Seelmessen zahlen und nicht verweigern. Darüber hinaus sollte er darlegen, wo sich abhandengekommenes Stiftungsgut im Wert von 500 Gulden befände. Ob er dies tat oder die Summen erfolgreich vor den Visitatoren verbarg, ist wie bei anderen, ähnlich gelagerten Fällen nicht aufzulösen.598 Einige Adlige protestierten erst zur Zeit der jeweiligen Visitation, meist direkt durch Suppliken an den Hof. Wahrscheinlich hatten sie diese Gefahr des Ent-
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nachkommen und weiterhin kirchliche Zinsen für sein eigenes Gut einsammeln würde. Wegen der fehlenden Gelder und da er die Rechnungsführung der Kirchenfabrik verhindere, war inzwischen auch die Kirche baufällig; ebd., fol. 4r–5r. Aus dem albertinischen Gebiet ist etwa der Fall des Oswald von Tottleben zu nennen, der das Land einer Vikarie seinem Besitz einverleibte; LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 199v. Im Schwarzburgischen wurde Siegfried von Schönfeld angewiesen, alle Retardaten einer Vikarie zu bezahlen; LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 3272, fol. 12r. Dies ist für alle Herrschaften festzustellen. Bei der zweiten albertinischen Visitation 1540 wurde z. B. festgestellt, dass Christian von Bendeleben eine Vikarie unterzogen hatte und sich dazu nicht äußern wollte; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 52r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 256v. Es handelt sich um Liebenstein an der Gera. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 144r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1230. Einige weitere Beispiele bei BAUER, Territorialstaat, S. 65. Zum Herrschaft der von der Pfordten vgl. SCHWARZE, Struktur, S. 137‒ 139. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 237v.
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zuges ihrer Rechte schlicht nicht in vollem Umfang geahnt. Allerdings wurde es belohnt, wenn Adlige sich schnell zu einer Übereinkunft mit den Visitatoren durchringen konnten, etwa indem sie einen Teil des Gutes behalten konnten oder eine Zeit lang das Einkommen als Studienstipendium für einen Sohn verwenden durften.599 Freilich finden sich auch positive Beispiele, bei denen Adlige ganz im Sinne der Visitationskommissionen handelten. 1529 bitten Ewald und Felix von Brandenstein, das Einkommen ihrer Pfarrei Ranis mit erledigten Lehen aufbessern zu dürfen.600 Friedrich von Mülverstedt erhöhte bereits vor der schwarzburgischen Visitation freiwillig das Einkommen des Pfarrers von Ettischleben mit Geld aus Stiftungen.601 Auch in der Struktur der Visitationen liegt begründet, dass über die positiven Beispiele weniger informiert wird. Wenn Lehen umgewandelt werden, wird nicht betont, ob dies mit Zustimmung der Adligen geschehen sei. Vergleicht man die Vielzahl der vorreformatorischen Stiftungen des Adels in den Dorfkirchen mit der Zahl der Probleme, von denen die Visitationsakten berichten, fällt aber auf, dass keineswegs alle Adligen versuchten, Stiftungen zu unterschlagen. In der Mehrzahl der Fälle lief die Umwandlung anscheinend reibungslos, sodass zumindest von einer stillschweigenden Anerkennung des fürstlichen Vorgehens ausgegangen werden kann. Dies wurde wohl durch ein Entgegenkommen der Visitationsinstruktionen begünstigt, die verschiedentlich die Möglichkeit einräumten, dass adligen Patronatsherren die Nutzung eines Teils eines Stiftungsgutes zugestanden wurde. In der Visitationsinstruktion von 1527 wurde zu bedenken gegeben, dass ein Drittel eines Lehens in einen Gemeinen Kasten geschlagen werden konnte, um es armen Patronen zum Unterhalt oder einem Stipendium zur Verfügung zu stellen.602 Da eine prinzipielle Rückerstattung kirchlichen Gutes ohnehin nicht erfolgte, versuchten Viele, ehemaliges Stiftungsgut in Studienstipendien für ihre Familie umzuwandeln.603 Etwa die Familie Meerrettich, die 1546 ein Vikariegut für 230 Gulden verkaufte und davon eine Studienstiftung für die Söhne der Familie ein-
599 Vgl. oben Kap. III.4 und den Fall der Familie von Witzleben im Kap. II.5. 600 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 66v. Bei diesen beiden von Brandenstein wird die Verbindung zum Hof in der Frage der Visitationen gut deutlich. Ewald war kurfürstlicher Rat und zeitweise Hauptmann in Weimar, Felix war in den 1530er Jahren Münzaufseher und einer der Sequestratoren; HELD, Brandenstein, S. 194. Das prinzipiell visitationskonforme Verhalten dürfte bei der Erlangung v. a. der Sequestratorenämter wichtig gewesen sein. 601 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 21v. 602 EKO 1, 1, S. 144 f. 603 Vgl. oben Kap. III.4.
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richtete.604 Allerdings war auch diese nicht von Dauer. Eigene Initiativen wurden schnell unterbunden; eine Einrichtung von Stipendien war nur mit Absegnung der entstehenden Landeskirche möglich und war meist auf wenige Jahre begrenzt. Hier zeigt sich, dass die Adligen sich des Problems der Versorgung ihrer Kinder immer bewusster wurden. Volrad von Watzdorf, der unter Herzog Georg wegen seines evangelischen Verhaltens aufgefallen war und dann der ersten albertinischen Visitationskommission angehörte, hatte inzwischen eine Stelle im ernestinischen Kurfürstentum gefunden, er war Verwalter des säkularisierten Klostergutes Bürgel.605 1540 und 1542 bat er in Schreiben an Kurfürst Johann Friedrich jeweils um Empfehlungsschreiben für Söhne oder Neffen. 606 Erschwerend wirkte aus seiner Sicht, dass eine geistliche Laufbahn weniger in Frage kam, obwohl ich unnd andere unvormogende edelleut vor zeittenn unsern hochsten trost die Kinder hin zu steckenn gehabt.607 Auch die unversorgten Töchter der Familien stellten zunehmend ein Problem dar. Ab 1544 stellte der Kurfürst 1600 Gulden jährlich aus den Klostergütern für deren Versorgung zur Verfügung.608 Weiterhin belasteten die zunehmenden Erbteilungen innerhalb der Geschlechter die Versorgung aller Mitglieder einer Familie, weshalb eine gute Verbindung zum Hof immer wichtiger wurde.609 Vor der Reformation erfüllten neben den Klöstern, Stiften und den Komtureien der Ritterorden vor allem auch eigene geistliche Lehen, die sehr oft mit Mitgliedern der Familie besetzt wurden, diese Versorgungsfunktion.610 Hier bildete sich nun ein Vakuum. Es wurde gezeigt, dass Adlige bereits ab der ersten Hälfte der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts Zinsen verweigerten.611 Dies ist zwar teilweise als ein reformatorisches Bekenntnis zu werten, hatte aber vorrangig praktische Gründe. Das Geld sollte gespart werden, viele Junker sahen die Gelegenheit, ihre armen und verschuldeten Güter durch Gelder aus Kirchenbesitz zu sanieren. Dies zeigt sich ebenfalls in der ab der Mitte der zwanziger Jahre zunehmenden Unter604 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2124. Die Meerrettich fielen bereits 1533 durch viele Unterziehungen auf; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9, fol. 15r. 605 Er gehörte zu den Adligen, die sich unter Herzog Georg wegen ihrer evangelischen Gesinnung verantworten mussten (siehe oben in diesem Kapitel). 606 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Gg 3533, fol. 3r. 1542 betonte er, dass er durch den Tod seines Bruders nun zwölf eigene Kinder (davon neun Söhne) und neun Kinder seines Bruders (davon fünf Söhne) versorgen müsse. 607 Ebd., fol. 3r. 608 HELD, Landadel, S. 216. 609 Ebd., S. 205–207 und S. 212–214. Vgl. außerdem WARTENBERG, Landesherrschaft, S. 140–142; VOLKMAR, Niederadel. 610 Vgl. Kap. I.4.3 dieser Arbeit. 611 Vgl. oben Kap. II.5. Die Verweigerungen hielten an. Nachweise der vielen Fälle würden an dieser Stelle zu weit führen.
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schlagungen von Kirchenbesitz.612 Man sah in der fehlenden kirchlichen Kontrolle eine Chance. Durch die einsetzenden Visitationen veränderte sich die Sachlage. Anhand alter Kirchenrechnungen und Zinsregister sollten nun die Besitztümer wieder gesammelt werden. Die Visitationsprotokolle zeigen die hohe Zahl dieser adligen Unterschlagungen. Sie betrafen sowohl Land als auch Geld der Kirchenfabriken. So beanspruchte Curd von Witzleben etliche Äcker der Kirche von Liebenstein,613 die Leute von Deubach stritten mit Berlt von Uetterodt um eine Holzung614 und verschiedene Adlige wollten den Kirchenfabriken für geliehenes Geld nicht zinsen.615 Außer vielen kleineren Beträgen konnte es sich dabei auch um mehrere hundert Gulden handeln. Ähnlich verhielt es sich mit Wertgegenständen aus den Kirchen. In vielen Fällen wurde in den Visitationen offenbar, dass Edle Kirchenkleinodien eingezogen hatten. Ob dahinter immer das Ziel der eigenen Bereicherung stand oder mitunter die Kleinodien gegen Missbrauch durch die Gemeinde – etwa im Bauernkrieg – geschützt werden sollten, kann nicht gesagt werden. Dass persönliche Bereicherung und wie im Falle der Stiftungen auch ein gewisses Rechtsdenken eine Rolle gespielt hat, zeigen Fälle, in denen Adlige Kleinodien bereits verkauft hatten und nun aufgefordert wurden, der Kirche den Verkaufserlös zu erstatten. Alexander von Brandenstein zu Niederoppurg hatte verschiedene Stücke aus der Kirche von Oppurg auf das Schloss geholt und wurde in der Visitation 1529 aufgefordert, zwei Kelche und eine Braupfanne auszuhändigen und den Verkaufserlös einer Monstranz zu erstatten.616 1533 wurde Sebastian von Pappenheim aufgetragen, Monstranzen und andere Kleinodien zurückzugeben, die er aus dreien seiner Dörfer eingesammelt hatte.617 Für die Gemeinden und die Alterleute stellten die Visitationen somit eine Chance dar. Sie hatten selbst kaum Mittel, gegen Adlige vorzugehen. Nunmehr wurden ihre Rechte vor Ort von einer landesherrlichen Instanz vertreten.
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Vgl. ebenfalls oben Kap. II.5. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 256v. Ebd., fol. 118r. Einige Beispiele aus Vippachedelhausen, Großliebringen, Eichenberg und Niederkrossen: LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 35v, 191v, 274v, 276v. 616 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 49v–50r. 617 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 379r–381v. Erneut begegnen diese Probleme in allen Herrschaftsgebieten. Ein Beispiel eines Adligen aus dem albertinischen Gebiet, der Stiftungsgut und Kleinodien gleichermaßen unterzog, ist Christian von Bendeleben; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 51v–52r. Auch innerhalb des ernestinischen Territoriums lassen sich keine regionalen Unterschiede feststellen. Vgl. den Fall des Junkers Gans zu Denstedt, der zwei Monstranzen verwahrte; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 98r.
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Um dies zu verdeutlichen, soll ein paradigmatischer Fall aus Daasdorf bei Buttelstedt geschildert werden. 1548 entstand dort ein Streit zwischen den Brüdern Wolf und Ludolf von Gottfart um die Finanzierung des Kirchenbaues. Wolf beschuldigte seinen Bruder verschiedener Vergehen, unter anderem sollte er ohne Wissen Wolfs 90 Gulden von der Gemeinde und 100 Schock Groschen von der Kirchenfabrik geliehen haben. Nachdem die Räte bereits entschieden hatten, dass die baufällige Kirche des Ortes saniert werden sollte, wolle Ludolf die Bauarbeiten dennoch aufschieben und weigerte sich, die Schuld zu begleichen. Wolf sah die Ursache für dieses Verhalten in der geringen Achtung, die Ludolf der Kirche und dem Glauben entgegenbrachte.618 Der Schosser des Amtes Weimar, der mit der Untersuchung beauftragt wurde, stellte vor Ort fest, dass die Gemeinde die baufällige Kirche sehr gern bessern wolle, dies aber wegen ihrer Armut ohne die Rückzahlung der 100 Schock Groschen nicht bewerkstelligen könne.619 Aus der Kanzlei erging nun eine Weisung an Ludolf von Gottfart, den Alterleuten das geliehene Geld zurückzuzahlen.620 Der Junker antwortete, dass ihm von dieser Schuldverschreibung nichts bekannt sei und bat um eine Untersuchung, bei der die Alterleute die entsprechenden Urkunden vorlegen sollten.621 Dieser geschickten Verzögerungstaktik konnte schlecht widersprochen werden, weshalb in Folge die Alterleute und die Heimbürgen des Dorfes nach Weimar gebeten wurden, um die Beweise zu zeigen.622 Der Ausgang ist unbekannt. Der Fall zeigt aber, dass Ludolf von Gottfart trotz der Opposition in der eigenen Familie am längeren Hebel saß.623 Die Gemeinde konnte nur auf die Unterstützung durch die landesherrliche Verwaltung hoffen, wollte sie ihre Interessen gegen den Adligen durchsetzen. Insgesamt lassen sich nur sehr wenige niederadlige Familien feststellen, bei denen sich nach den ersten Visitationen noch Spuren einer eigenständigen Kirchenpolitik finden. Wie diese Spuren aussehen können, zeigt das Beispiel der Familie von Wangenheim. Bereits vor der ersten Visitation ihrer Herrschaft 1528 entließ Friedrich von Wangenheim zu Winterstein einen katholischen Geistlichen, obwohl sich dieser nach eigener Aussage nicht geweigert hatte, ann stadt des
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LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2204, fol. 1r–2r. Ebd., fol. 3r. Ebd., fol. 7r. Ebd., fol. 8r. Ebd., fol. 11r. Die Unstimmigkeiten scheinen zum größten Teil wirklich auf Ludolf von Gottfart zurückzuführen gewesen sein, da sich im Jahr 1549 auch der Pfarrer des Dorfes mit einer Beschwerde an den Hof wandte. Er bat wegen des Umganges mit dem Junker und einigen finanziellen Streitpunkten um Versetzung an eine andere Pfarrstelle; ebd., fol. 13r– 32v.
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meßhaltenns etwas got gefelligers mit willen zu thun.624 Die frei werdende Vikarie wurde zur Sonneborner Schule geschlagen.625 Anscheinend wandelte die Familie auch in anderen Dörfern ihrer Herrschaft bereits selbst geistliche Lehen um und verstärkte etwa in Wangenheim das Einkommen der Spende.626 In Tüngeda wurden beide Pfarrkirchen auf ihre Initiative vor der ersten Visitation zusammengelegt.627 In der Folge setzten sie auch in den ersten Visitationen ihre Interessen stärker durch, als andere Adlige dies konnten. Bereits die Struktur des Visitationsprotokolles spricht eine deutliche Sprache, erhielten die 10 Pfarreien in wangenheimischen Dörfern doch ein eigenes Kapitel, getrennt von den sonstigen Edelleuten.628 Sie behaupteten ein Vikarieeinkommen als Studienstipendium für einen Sohn629 und setzten einen Kaplan für den Stammort Wangenheim durch, dessen Notwendigkeit in der Ortsgröße kaum begründet lag.630 Im Gegensatz zu den meisten anderen Adligen verhandelten sie nicht selbst mit den Visitatoren, sondern ließen dies einen Verwalter, Silvester Heuchelheim, tun.631 Über Jahrzehnte ist das Streben erkennbar, sich Sonderrechte auszubedingen. Bei der Visitation von 1554 versuchten die Wangenheim erneut, eine Einschränkung ihrer kirchlichen Kontrolle vor Ort zu verhindern. Sie betonten, nicht mit dem restlichen Adel auf einer Stufe zu stehen, und bestritten, dass der Gothaer Superintendent Rechte an der Bestallung ihrer Pfarrstellen habe. Auch die Verwendung der geistlichen Lehen zu milden Sachen liege bei ihnen und nicht den Visitatoren.632 1555 setzten sie einen eigenen Verwalter für die geistlichen Lehen ein.633 Allerdings mussten sie sich nach einer nochmaligen Ladung fügen. Der Streit um die Kompetenzen hielt allerdings weiter an. 1559 mussten sie sich erneut rechtfertigen, da sie Pfarreien ohne Ersuchen des Gothaer Superintendenten besetzt hatten. Dabei beriefen sie sich auf die Rechte des Wangenheimer Pfarrers aus den ersten Visitationen, die angeblich auf der Stellung Wangenheims als Erzpriestersitz im Papsttum beruhten.634 Erneut mussten sie aber um Ent624 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 277. 625 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 179v; WANGENHEIM, Wangenheim, S. 149. 626 Ebd. 627 Vgl. oben Kap. III.3.5. 628 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 316r ff. Auf welche Rechte genau diese Sonderbehandlung zurückzuführen ist, muss offenbleiben. 629 Vgl. oben Kap. III.4. 630 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 319v. 631 Ebd., fol. 325r, 328r. Dieser war seit 1527 Pfarrer in Wangenheim; MOLZAHN, Wangenheim, S. 130; THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 326. 632 Die Streitpunkte mit den Visitatoren unter LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 23–26, fol. 367r–370r; vgl. HEERDEGEN, Visitation, S. 76 f. 633 WANGENHEIM, Wangenheim, S. 149 f. 634 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2745.
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schuldigung bitten. Selbst diese bedeutende niederadlige Familie konnte bei allen Versuchen keine Sonderrechte über einen längeren Zeitraum behaupten.635 Ihre eigenen Interessen konnten Adlige nur über Kooperation mit dem Landesherrn und seiner Verwaltung geltend machen. Darüber hinaus verbot sich ein starker Widerstand, da das Verhältnis der Familie zum Hof zu wichtig war. Vor allem die vielen Räte, Amtmänner und auch Visitatoren hatten aber entscheidenden Anteil an der flächendeckenden Umsetzung der Reformation. 636 Die Amtmänner verhandelten in vielen Fragen mit den Gemeinden und Pfarrern um die Folgen bestimmter Entscheidungen. Sie folgten ihren Landesherren qua Amt. Viele dürften so ihre Entscheidung für oder gegen die neue Lehre aus Vernunft getroffen haben, um ihre Familie nicht ins politische Abseits zu stellen und Ämter am Hof erhalten zu können. Eine erneute Abkehr vom Evangelium war aus diesen Gründen ohnehin nicht möglich, die Konfession wurde sehr schnell ‚staatstragend‘.637 Natürlich waren auch die Landesherren auf den Adel angewiesen, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. Der Adel war der wichtigste Kreditgeber beider wettinischer Linien;638 und der Landesherr war bei der Erhebung von Steuern auf die Stände angewiesen. Im Zuge des steigenden Finanzbedarfs in diesen Jahren stützte insbesondere Kurfürst Johann Friedrich seine Finanzpolitik und die Kirchengüterfrage auf eine Zusammenarbeit mit den Ständen.639 An verschiedenen Stellen wurde Rücksicht auf deren Interessen genommen, wie Volker Press anführte, etwa durch die leichte Beteiligung an den Sequestrationen;640 allerdings immer aus einer Position der Stärke. Das kirchenpolitische Engagement der Adligen in der eigenen Herrschaft wird seit dem Hochmittelalter deutlich und verstärkt sich im Spätmittelalter. Kirchliche Rechte und Stiftungen waren ein wichtiges Element der Herrschaftskonso635 Unter Herzog Ernst dem Frommen wurde der Familie im 17. Jahrhundert zugestanden, dass der Wangenheimer Pfarrer als Co-Adjutor anwesend sein dürfe; MOLZAHN, Wangenheim, S. 130. 636 Vgl. v. a. BLAHA, Visitatoren mit einer Fülle an Fallbeispielen aus den ersten Visitationen; beispielhaft das Wirken der Räte beim „Unterricht der Visitatoren“; BAUER, Territorialstaat, S. 67. Vgl. außerdem die Rolle der Räte in der Kirchenpolitik unter dem albertinischen Herzog Moritz bei WARTENBERG, Landesherrschaft, S. 143–158. 637 GEHRT, Konfessionspolitik, passim. 638 SCHIRMER, Staatsfinanzen, S. 241–249, S. 338–344 sowie S. 488–495. 639 Ebd., S. 396–417, bes. S. 405–407; WESTPHAL, Ausgestaltung, S. 269 f. 640 PRESS, Adel, S. 347; SCHIRMER, Reformation, v. a. S. 184 f.; SCHIRMER, Staatsfinanzen, S. 405. Vgl. den jüngst erschienenen Aufsatz Monika Lückes zur Beteiligung Adliger an der Säkularisierung der Klöster mit thüringischen Beispielen; LÜCKE, Adel.
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DIE GEMEINDE UND IHRE EINFLUSSMÖGLICHKEITEN
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lidierung. Diese Entwicklung verliert durch die Reformation und insbesondere die Visitationen an Stärke. Der fürstliche Einfluss stieg. Erst ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lässt sich anhand der Stiftungen und Grabmäler in den Kirchen wieder ein stärkeres Engagement für die Dorfkirche als sichtbare Herrschaft vor Ort erkennen. Zwei Beispiele: 1568 bittet Levin von Wolframsdorf zu Törpla Herzog Johann Wilhelm um eine Zulage für einen Pfarrer, da er in Törpla nun eine neue Kirche bauen wolle.641 1585 stiftete der kursächsische Rat Erich Volkmar von Berlepsch Neubauten der Kirchen in Groß- und Kleinurleben.642 Beide Kirchen wurden tatsächlich abgerissen und nach den Vorstellungen des Rates und seiner Frau neu errichtet. Die Kirche in Kleinurleben war ferner für die Aufnahme eines prunkvollen Erbbegräbnisses vorgesehen, wofür unter anderem Portraits der Stifter bei Lucas Cranach d. J. in Auftrag gegeben wurden.643 Freilich nahm die Zahl solcher Beispiele in diesen Jahren enorm zu und ist kaum noch zu überblicken.644
8. Die Gemeinde und ihre Einflussmöglichkeiten DIE GEMEINDE UND IHRE EINFLUSSMÖGLICHKEITEN
In vorreformatorischer Zeit engagierten sich die Bauern sehr für das kirchliche Leben in ihren Dörfern. Sie versuchten auf mehreren Wegen, die geistliche Versorgung zu verbessern, und scheuten sich nicht, ihre Bedürfnisse gegen Obrigkeiten zu verteidigen. Die Gemeinde und ihre führenden Familien kontrollierten über die Kirchenfabrik selbst die Verwaltung des Kirchenbesitzes und des Kirchengebäudes.645 An dieser Organisation änderte sich durch die Visitationen beinahe nichts. Noch immer standen im Laufe des 16. Jahrhunderts zwei Alterleute an der Spitze der Kirchenfabrik und auch deren Aufgabenbereich blieb bestehen. Zwar stieg, wie gezeigt, der herrschaftliche Einfluss auf diese Verwaltung,646 doch lag die Ausgestaltung des kirchlichen Lebens vor Ort noch immer in Händen der Bauern. Die Visitationen griffen selbstverständlich auf diese Organisation zurück und bauten darauf wesentliche Teile des Vorgehens auf. Bereits bei der ersten Visitation 1526 im Amt Tenneberg bestellte der Amtmann aus jedem Dorf zwei Mann, die wahrheitsgetreu die Zustände in ihrem Ort beschreiben sollten. Dass auf diesen Berichten viele Entscheidungen beruhten, wird etwa an einem Schreiben 641 642 643 644 645 646
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 793. Vgl. Kap. III.13.3 dieser Arbeit. Vgl. ebd. und DEHIO, S. 707 f. Beispielsweise MÜLLER, Bendeleben. Vgl. oben den Abschnitt I.3. Vgl. oben Kap. III.5. Vgl. SCHLÖGL, Bedingungen mit einigen Überlegungen, wie sich Änderungen der gemeindlichen Öffentlichkeit in den Visitationsquellen greifen lassen.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
deutlich, das Martin Luther, Benedict Pauli und Hans Metzsch 1528 an Kurfürst Johann schrieben.647 Sie baten, Hans von Taubenheim bei der Visitation zu lassen, weil uns die kirchenrechnungh sehre dunkel und irrig vorgetragen [werden], und unter uns ist keiner, der derselben nach notdorft verstehet. 648 Auf der anderen Seite trugen die Gesandten aus Sicht der Gemeinde eine große Verantwortung, auf diesem Wege bestimmte Interessen durchzusetzen. Nicht zuletzt sollten die zwei Männer auch die Arbeit des Pfarrers einschätzen, da sie diesen kannten.649 Bereits in der zentralen Aufgabe der ersten Visitationen wird ein nicht zu unterschätzender Einfluss der bäuerlichen Gemeinde deutlich. Aus Sicht der Visitatoren handelte es sich bei diesen zwei Männern mit Sicherheit um die Alterleute eines Dorfes. Nicht selten wurden diese in die Umsetzung der Visitationsbeschlüsse eingebunden, etwa wenn sie für Zulagen aus der Gemeinde verantwortlich waren.650 Dass die Alterleute durch das gesamte 16. Jahrhundert Ansprechpartner für die Visitatoren aller Gebiete waren, zeigen wiederum Kirchenrechnungen. Die Alterleute von Niederwillingen rechneten 1533 während der ersten schwarzburgischen Visitation Spesen ab, die bei ihrer Berichterstattung über die kirchlichen Zustände vor Ort anfielen: Item VIII schne[eberger Groschen] do Sy zw arnstat sey gewest vor den fysidores.651 Deutlich zeigen solche Ausgaben die Organisation der jeweiligen Visitation als Mittelpunktvisitation. Dem entspricht eine Ausgabe in der Dienstädter Kirchenrechnung von 1554: XV gr. ist vozert worden zu der Naustat auff der visitacio.652 Allerdings gab es Visitationen, die weniger starr auf die 1526 vorgesehene Regelung zurückgriffen. So gab es auch größere Abordnungen aus den Dörfern, wie etwa in der reußischen Visitation 1569, als in der Robener Kirchenrechnung notiert wurde: X gr. vertzehret tzu Gera under dem hause, Ihr sechsse, die tzur visitation hinein gefordert, und den gantzen tag haben müssen drauff warten.653 So bildeten die Visitationen freilich interessante Tage für das Leben im Dorf. Was würde sich am kirchlichen Leben ändern? Waren weitere Abgaben erforderlich? Behielt das Dorf einen eigenen Pfarrer? Die Gesandten der Gemeinde waren wohl begehrte Gesprächspartner.
647 648 649 650
BLAHA, Visitatoren, S. 83 nach LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 257, fol. 1r. Zitiert nach BLAHA, Visitatoren, S. 83. LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 1, fol. 2r. So sollten z. B. die Alterleute von Breitenhain die verordnete Hausabgabe für das Pfarreinkommen einsammeln und dem Pfarrer aushändigen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 232r–232v. 651 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-320, 5683, fol. 3v. 652 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 54v. Ähnlich 1563 und 1571 in Lippersdorf; PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 83, S. 100. 653 PfA Roben, 39, fol. 55v.
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DIE GEMEINDE UND IHRE EINFLUSSMÖGLICHKEITEN
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Anhand der Suppliken konnte gezeigt werden, dass sich die Dörfer selbst seit der frühen Reformation zunehmend der landesherrlichen Kirche zuwandten. Für einen Widerstand gegen die Ausbildung der Reformation unter landesherrlicher Führung fehlt jeder Hinweis. Man verstand diese Entwicklung prinzipiell wohl nicht nur als rechtens, sondern auch als segensreich, da nun eine ordnende Hand in das darniederliegende kirchliche Leben eingriff. Wenngleich nicht ohne Hintergedanken gewählt, zeigen auch Formulierungen in bäuerlichen Suppliken diese Haltung. So sahen die gut informierten Bauern von Krölpa bereits im Jahr 1526 in einem Schreiben an den Kurfürsten in der Einziehung einer Vikarie durch den Niederadligen Christoph von Brandenstein eine Handlung wider e[uer] churf[ürstlich] g[naden] Reformacion.654 Sie sahen in den Eingriffen des Fürsten in kirchliche Belange eine nötige Reform der kirchlichen Zustände. In vielen gemeindlichen Schreiben finden sich implizite Stellungnahmen zu dieser Entwicklung. So sahen die Bauern von Gräfinau in den dreißiger Jahren in der Ausbreitung der Reformation die gnadenreiche predigt des heiligen evangelii.655 Selbst wenn man in solchen Formulierungen nur sich verbreitende Topoi sehen möchte, bleibt die Identifizierung der Führungsgruppen eines Dorfes mit der entstehenden Landeskirche. Dabei verloren die Bauern keineswegs das Denken in rechtlichen Kriterien und verfolgten ihre Ansprüche. Oft formulierten sie Wünsche oder auch Forderungen an die Visitatoren und wussten zu verhandeln oder Verhandlungen zu verschleppen. Wenn die Gemeinde Großobringen 1528 die Rückgabe der zur dörflichen Vikarie gehörigen Urkunden mahnte, dann weil sie um deren Rechtskraft wussten und sich später auf sie berufen wollten.656 Wenn die Bauern von Klettbach sich 1542 anhand eines Zinsregisters von ihrem neuen Pfarrer schriftlich versichern ließen, dass er von diesem Einkommen langfristig bei ihnen leben könnte, dann um späteren Verhandlungen einen Riegel vorzuschieben.657 Wenn sich jedoch die Alterleute von Craula im Hainich 1543 über einige Dorfeinwohner beschwerten, die das Brauhaus und den Teich gemeinem nutz zu nachteil verwandten, dann weil sie im Kurfürsten, ihrem Herrn, den Schutzherrn der Rechte der Gemeinde und ihrer Kirche sahen.658 Die Hinwendung zur obrigkeitlichen Religionspolitik zeigt sich auch im häufigsten Kontaktfeld zwischen Bauern und Visitatoren, bei der Zuordnung neuer Pfarrer und Problemen mit diesen. Das Streben der Bauern nach einem guten,
654 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 170. 655 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1059. 656 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 273. Zur Rechtsgültigkeit von Rechnungen und Urkunden in den Verhandlungen der Visitationen vgl. oben Kap. III.2.2. 657 ALBERTI, Reformation, S. 46 f. nach einem nicht mehr aufzufindenden Register im Pfarrarchiv. 658 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1733.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
evangelischen Pfarrer wurde bereits an verschiedenen Quellen deutlich.659 Der Einfluss der Gemeinde wurde auch außerhalb der eigentlichen Visitationen durch Suppliken möglich. So wies die kurfürstliche Kanzlei 1539 die Visitatoren zu Thüringen an, die Verhältnisse in Knobelsdorf zu prüfen und die Gemeinde gegebenenfalls mit Predigt- und Pfarramt zu versehen. Diese hatte zuvor angezeigt, dass sie der seelsorge mangel haben. 660 Bei der Besetzung einer Pfarrstelle wurden den Bauern nach den ersten Visitationen in der Regel Kandidaten vorgestellt, die im Dorf zur Probe predigten. Dies wurde mit einem Schmaus zum gegenseitigen Kennenlernen begangen. Schließlich musste nach den Erfahrungen genau abgewogen werden, ob sich beide Seiten ein jahrelanges Engagement des Pfarrers im Dorf vorstellen konnten. Vom zuständigen Superintendenten erging in Folge ein Bescheid, welcher Pfarrer in den Ort gesandt würde.661 Diese Probepredigten dürfen keinesfalls überbewertet werden. Es handelte sich nicht um eine Art anteiliges Patronatsrecht. Die Gemeinden mussten sehr ausdauernd und geschickt argumentieren, wollten sie einen Kandidaten verhindern. Wie bereits geschildert, war die Gemeinde für den Transport des Hausrates des Pfarrers in das Dorf verantwortlich.662 Selbstverständlich herrschten bei der Besetzung einer Pfarrstelle in den ersten Visitationen andere Voraussetzungen als in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Eine langfristige Konstante gab es allerdings bereits seit der Vorreformation durch alle Wirren der zwanziger und dreißiger Jahre hinweg: den Unterschied zwischen einer einträglichen Pfründe und einer armen Pfarrei. Ein sehr eindrückliches Beispiel für die Besetzung einer gut ausgestatten Pfarrstelle sind die Vorgänge in Bischleben bei Erfurt im Jahr 1555, die daher ausführlicher geschildert werden sollen: Die Gemeinde sollte anhand von Probepredigten eine Auswahl zwischen zwei Kandidaten treffen. Der eine Kandidat, Jeremias Kirchner, war gar Pfarrer der Erfurter Kaufmannskirche, dennoch war ein Wechsel nach Bischleben für ihn offenbar interessant. Mittwoch nach 659 Vgl. oben Kap. II.2.2. Zu Bitten um Pfarrer im Straßburger Landgebiet vgl. CONRAD, Elsass, S. 167. 660 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1212. Der Fall ist besonders bemerkenswert, da es sich bei Knobelsdorf um ein schwarzburgisches Dorf handelte, dessen Einwohner dennoch den Kurfürsten um Hilfe baten. Knobelsdorf war 1533 von der Großpfarrei Graba separiert worden; vgl. zu diesen Zusammenhängen oben Kap. III.3.3. Augenscheinlich litten die Einwohner dieses Filialdorfes aber ebenso unter der neuen Pfarreieinteilung. 661 Dieser Ablauf ergibt sich aus verschiedenen Quellen. Beispielhaft die Kirchenrechnung des Dorfes Mittelhausen der Jahre 1561/1562, in der sich ein Schmaus mit dem Pfarrkandidaten, ein Schmaus mit dem Superintendenten und folgender Eintrag finden: III gr. Einem bothen gegeben der den brieff von Weimar bracht, des Neuen pfarres halbenn; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3162, fol. 7v–8r. 662 Vgl. oben die Kap. III.2.4 und III.2.5.
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DIE GEMEINDE UND IHRE EINFLUSSMÖGLICHKEITEN
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Palmarum schrieb nun die Gemeinde an den zuständigen Superintendenten Justus Menius in Gotha, dass sie sich dennoch für dessen Konkurrenten Valentin Poltermann entschieden haben und um die Bestätigung bitten, damit dieser bereits zum anstehenden Osterfest in der Dorfkirche predigen könne.663 Aus dem folgenden Schreiben des Superintendenten an den Weimarer Hof wird ein Widerspruch in den Interessen deutlich. So hatte Menius ursprünglich den Auftrag, Jeremias Kirchner in das Dorf zu schicken, die Bauern baten aber inständig, keinen Pfarrer gegen ihren Willen zu erhalten.664 Der Wunsch der Gemeinde, zum Osterfest mit dem neuen Pfarrer ihrer Wahl versehen zu sein, wurde augenscheinlich nicht erhört. Am Walpurgistag des Jahres wandten sie sich nun selbst an die drei Herzöge in Weimar. Sie betonten, dass Kirchner niemandem gefallen habe und sie auch darüber Bescheid wüssten, dass er in seiner Erfurter Gemeinde nicht sonderlich beliebt sei. Allerdings seien sie vom Superintendenten angeschrieben worden, da es hieß, dass sich nur die Gemeindevorstände für Poltermann ausgesprochen hätten, der Großteil der Gemeinde aber Kirchner gewollt hätte. Außerdem gebe es haltlose Gerüchte, dass Poltermann die Gemeinde mit Weingeschenken bestochen hätte. Daher befragten die Vorstände nun alle Hausvorstände des Ortes einzeln nach ihrer Meinung und legten eine Liste mit Unterstützern bei. Darauf finden sich 43 Einwohner Bischlebens und weitere Gemeindevorstände der Filialdörfer. Auch der Schulmeister des Filials Möbisburg sprach sich für Poltermann aus.665 Über den Ausgang dieses Streites ist zwar aus den Akten nichts bekannt; allerdings hat sich in der Bischlebener Kirche das Epitaph des Pfarrers Poltermann aus dem Jahr 1574 erhalten (Abb. 45).666 Abermals zeigt sich in gemeindlichen Suppliken eine große Hartnäckigkeit, wenn es um kirchliche Interessen vor Ort geht. Selbst wenn der Hof und die landesherrliche Kirche andere Interessen verfolgten, war eine Besetzung einer Pfarrei gegen den Widerstand einer Gemeinde nicht ohne weiteres möglich. Bei aller Anerkennung der Obrigkeit und ihres kirchlichen Einflusses waren sich die Bauern dieses Einflusses bewusst und gaben selten klein bei. Dennoch finden sich Beispiele dafür, dass Gemeinden die 663 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Specialia, Amt Ichtershausen 96, fol. 6r. Vgl. zu diesem Vorgang auch die Akte LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2579. Es sei auf einen vorreformatorischen Streit um die Besetzung der Pfarrei Bischleben verwiesen. Beide Fälle im Vergleich zeigen sehr gut die Veränderungen durch die Reformation; vgl. oben Kap. I.2. Der vorherige Pfarrer Johannes Stromayer, der 1555 starb, hatte die Pfarrstelle in Bischleben bereits vor 1517 inne. Drei seiner Söhne wurden Pfarrer; vgl. THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 651 f. 664 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Specialia, Amt Ichtershausen 96, fol. 7r–8r. 665 Ebd., fol. 10r‒12v. 666 Zu Poltermann vgl. THÜRINGER PFARRERBUCH, Bd. 1, S. 528.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Versorgung in die eigenen Hände nahmen und nach alter Gewohnheit eine Art Lohnpriester engagierten. Dieses vorreformatorische Handlungsprinzip lebte fort, selbst wenn es seltener Grund dazu gab.
Abb. 45: Epitaph für den Pfarrer Poltermann und seine Familie in der Kirche von Erfurt-Bischleben
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DIE GEMEINDE UND IHRE EINFLUSSMÖGLICHKEITEN
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Wenn ihre Interessen betroffen waren, zögerten die Bauern wie in den Jahrzehnten zuvor nicht, Beschwerden zu schreiben. Im Zuge der Visitationen des 16. Jahrhunderts taten sie dies außer bei Problemen mit dem Pfarrer vor allem aus materiellen Gründen. Durch die Bestimmungen der Visitationsinstruktionen, also z. B. zusätzliche Abgaben der Gemeinden, die Baulast für das Pfarrhaus oder den Umgang mit den geistlichen Lehen, vermehrten sich die Kritikpunkte vor allem in finanziellen Fragen.667 Die Beharrlichkeit der Dörfer führte zwar selten zu direkt umgesetzten Ergebnissen, aber sie nutzten ihre Möglichkeiten, Einfluss auf die Visitationsbeschlüsse auszuüben. Gleichzeitig wurde der Weg der geistlichen Beschwerden in der entstehenden Landeskirche institutionalisiert. Implizit sahen auch die Visitationsinstruktionen diese Möglichkeiten vor, wenn etwa 1527 die Möglichkeit eingeräumt wurde, dass die Visitatoren nach eigenem Ermessen entscheiden sollten, wenn sie Mangel spürten oder Probleme an sie getragen würden.668 Folgerichtig lässt sich ab 1528 ein deutlicher Anstieg der Beschwerdeschriften feststellen. Auch in der kurfürstlichen Kanzlei wurde dies bemerkt: 1531 klagte Kurfürst Johann in einem Ausschreiben über die vielen unnottürftige Klagschrift so an unsern hof gelangen.669 Beschwerden sollten zunächst anderen Befehlshabern oder Inhabern der Gerichtsbarkeit vorgebracht werden, da der Hof anderenfalls keine Zeit für wichtige notturft des Landes habe. 670 Allein diese Forderung fand wenig Gehör. Auch in den folgenden Jahren stieg die Zahl der Suppliken weiter an. Die Visitationen ab den dreißiger Jahren griffen immer stärker in die kirchlichen Finanzen ein und betrafen so an vielen Stellen zusätzlich gemeindliche Interessen. Wurden der Kurfürst und sein Hof bis zu den Visitationen eher als geistlicher Schutzherr oder als gerichtliche Instanz angerufen, wurden die Gemeinden nun oft auch gegen die Regelungen der landesherrlichen Kirche vorstellig. Dabei finden sich keine Verbindungen zwischen kirchlichen und sozialen Forderungen mehr, wie es noch in der Frühphase der Reformation vorkam. Bereits in der älteren Forschung wurde der dörflichen Gemeinde des Öfteren ein Versinken in der politischen Bedeutungslosigkeit nach dem Bauernkrieg unterstellt. Diese Entwicklung gipfelte in dem Diktum der dreihundertjährigen „Dumpfheit“ der Bauern bei Günther Franz.671 Nach Franz standen die Bauern nach 1525 „der Reformation gleichgültig, wenn nicht feindselig gegenüber“.672 667 Zu anderen Gründen vgl. die vorangegangenen Kapitel. 668 EKO 1, 1, S. 148. 669 Ebd., S. 182. Ähnlich findet es sich in der Landesordnung von 1531; SCHIRMER, Entmündigung, S. 180. 670 EKO 1, 1, S. 182. 671 FRANZ, Bauernkrieg, S. 299. Zur älteren Forschungsgeschichte in dieser Frage: BLICKLE, Entmündigung, S. 298‒303. 672 FRANZ, Bauernkrieg, S. 299.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Wenngleich diese These auch viel Kritik erfahren hat,673 ist sie nicht „überzeugend widerlegt worden“674 und findet noch oft Eingang in Überblicksdarstellungen.675 Franziska Conrad meinte für das Elsass feststellen zu können, dass die Bauern durch die obrigkeitliche Kontrolle nach dem Bauernkrieg die reformatorische Begeisterung verloren. 676 Ihre anschließende, nüchterne Unterstellung, dass die Bauern nur „aus Wissen um die Notwendigkeit von Gottesdienst und Seelsorge“ weiterhin nach einem ehrbaren Pfarrer strebten,677 kann ebenso nicht widerspruchslos hingenommen werden. Wenngleich die Reformation vieles entsakralisierte, blieb das Verhältnis zwischen den Bauern und dem Pfarrer prinzipiell unbenommen. Natürlich war der dörfliche Alltag auch über die Reformation hinaus streng religiös organisiert und bildete die Basis eines jeden Lebens. Für den ernestinischen Raum konnte gezeigt werden, dass die Bauern keineswegs „gleichgültig“ oder „feindselig“ waren. Bereits vor der Reformation stützten Laien das landesherrliche Kirchenregiment durch Suppliken in geistlichen Fragen. Es handelte sich dabei um eine implizite Folge. Es war nicht die Intention der Bevölkerung, das Kirchenregiment auszubauen. Über einen längeren Zeitraum wurde so die Stellung der geistlichen Gerichtsbarkeit eingeschränkt. Dieser Prozess wurde durch die einsetzende Reformation enorm beschleunigt. Innerhalb kürzester Zeit verloren die geistlichen Gerichte ihre Funktion. Der ernestinische Landesherr war nun einziger Adressat kirchlicher Beschwerden. Mit der Entstehung landesherrlicher Visitationen wurden die Beschwerdemöglichkeiten der Laien verbessert. Gleichzeitig wurden durch die Instruktionen neue Kritikpunkte geschaffen. Die dörflichen Gemeinden hatten selbstverständlich keinen entscheidenden Einfluss auf die Instruktionen oder die Beschlüsse der Visitationen. Ihre Schreiben waren aber auch keineswegs per se vergebens. Die Belange der Laien wurden ernst genommen, selbst wenn die zentralen Fragen, etwa die Versorgung der Pfarrer, in den frühen Visitationen wichtiger waren. Zumindest wurde jede einzelne Beschwerde geprüft. Wenn die Visitatoren keine sichere Entscheidung treffen konnten, schrieben sie Rückfragen an den Hof. In vielen Fällen wurden 673 Einige Beispiele bei: BLICKLE, Revolution, S. 274‒277. Mit Bezug auf soziale Konflikte: SCHULZE, Konflikte; SCHIRMER, Entmündigung. Zu den Positionen in der älteren Forschung vgl. KLEIN, Folgen. 674 BLICKLE, Revolution, S. 274. 675 Als Beispiel kann Bernd Moeller dienen, der zwar auf die Verbesserungen für die Bauern in einigen Gebieten des Reiches nach 1525 aufmerksam macht, aber zu folgendem Schluss kommt: „Die große Mehrheit der Bauern hingegen verfiel in der Folge erneut der politischen Lethargie, so wie sie auch im geistigen und im religiösen Bereich wieder ebenso stumm wurden wie vor 1524.“ MOELLER, Zeitalter, S. 101. 676 CONRAD, Elsass, S. 175. 677 Ebd.
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ERFURTER DÖRFER IN DEN ERNESTINISCHEN VISITATIONEN
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zudem Visitatoren oder Amtleute zur genauen Einschätzung in den jeweiligen Ort gesandt. Die höchsten Erfolgsaussichten, natürlich im Rahmen der Ordnungen, gab es bei Kritik am Pfarrer und bei bestimmten finanziellen Fragen, bei den Bauhilfen, den Zulagen oder der Verwendung kirchlicher Ausstattung für einen gemeinen Nutzen. Eher geringe Hoffnungen konnten sich die Bauern bei den prinzipiellen Fragen wie der Baulast des Pfarrhauses oder den Änderungen der Pfarrverhältnisse machen. An einigen kleinen Stellen konnte eine Rückwirkung der Suppliken auf spätere Visitationsordnungen gezeigt werden. Wenn die bäuerlichen Gemeinden das Kirchenregiment auch nicht entscheidend getragen haben, so waren sie doch auch aktiv beteiligt. Mit Sicherheit ist es aber verfehlt, der bäuerlichen Gemeinde eine gänzliche Passivität in kirchlichen Fragen in den Jahren nach dem Bauernkrieg zu unterstellen. Abschließend soll die Frage nach der Bedeutung der nicht vorhandenen Suppliken aufgeworfen werden: Kann ex negativo davon ausgegangen werden, dass die Gemeinden bestimmte Beschlüsse der Visitationen unterstützten, wenn dagegen keine Beschwerden geführt wurden?678 Dies muss weitergehend untersucht werden, um ein umfassendes Bild vom Verhältnis der Bevölkerung zur entstehenden Landeskirche zu gewinnen.
9. Erfurter Dörfer in den ernestinischen Visitationen ERFURTER DÖRFER IN DEN ERNESTINISCHEN VISITATIONEN
Das umfangreiche Landgebiet der Stadt Erfurt war zu einem großen Teil von wettinischen Besitzungen umgeben, in erster Linie von den ernestinischen Ämtern Gotha und Weimar. Hinzu kamen jeweilige Exklaven. Diese enge Verknüpfung brachte es mit sich, dass es grenzüberschreitende Rechte gab. So besaßen etwa die Ernestiner einige Patronatsrechte über Pfarrkirchen, die im Landgebiet lagen.679 Weiterhin übernahm der Kurfürst ab 1524 eine Vielzahl an ehemaligen Klosterpatronaten.680 Im Zuge der Visitationen entstanden daraus verschiedene Streitigkeiten, da die Ernestiner beanspruchten, diese Dörfer zu 678 Wenngleich von umfassenden Quellenverlusten auszugehen ist, lässt die Vielzahl der direkt und indirekt überlieferten Suppliken zu den angesprochenen Themen die Möglichkeit vollständiger Überlieferungslücken bei bestimmten anderen Fragen unwahrscheinlich wirken. 679 So etwa Obernissa; HANNAPPEL, Archidiakonat, S. 179. 680 So etwa Ulla, das bisher vom Kloster Oberweimar zu Lehen ging (HANNAPPEL, Archidiakonat, S. 219), oder Dachwig, dessen Pfarrei dem Kloster Ichtershausen unterstand (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 289v). In Töttleben gab es einen umfangreichen Patronatsstreit zwischen dem Rat und dem Ernestiner, der inzwischen das Patronatsrecht des säkularisierten Klosters Bürgel wahrnahm; WEISS, Bürger, S. 229; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 10, liber communium 1529–1534, fol. 25r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
visitieren. Längst wurden solche kirchlichen Rechte und die Visitationen als Herrschaftsmittel verstanden. In dem Dauerkonflikt mit dem Erfurter Stadtrat konnten so neue Impulse gesetzt werden. Bereits bei der ersten ernestinischen Visitation im Erfurter Umland 1528 kam es zu Schwierigkeiten in den benannten Dörfern. Die prominenten Visitatoren Christoph von der Planitz, Melanchthon, Menius und Myconius mussten sich etwa für den Pfarrer von Nottleben einsetzen, dem von seinen Pfarrkindern Abgaben verweigert wurden. Sie baten den Rat darum, diese dazu zu bewegen.681 Auch in einigen privaten Streitfällen im Rahmen der Visitationen griff der Rat ein.682 Auf der anderen Seite verlief diese professionelle Umsetzung der Reformation im Landgebiet der bikonfessionellen Stadt sehr viel schleppender. Die Zustände waren oftmals nicht vergleichbar mit ernestinischen Dörfern. Dennoch lassen sich die Streitpunkte in die allgemeine Entwicklung einordnen. Ein erstes Problem stellten Zinsverweigerungen der Bauern dar. Für die Erfurter Dörfer mit einem ernestinischen Pfarrpatronat wurden aus solcherlei Kleinigkeiten schnell Probleme, die beiderseits die gesamte Verwaltungshierarchie betrafen. In Obernissa verfügten die Visitatoren 1533, dass wegen der vorenthaltenen Zinsen der Bauern an den Pfarrer der Weimarer Schosser bemüht werden solle, der an den Erfurter Rat schreiben solle, man möge das Problem lösen. Dass sich diese Probleme in die Länge zogen, war folgerichtig. Dies war in den Gemeinden bekannt. Bereits der oben geschilderte Streit um den Bau des Pfarrhauses in Gamstädt und die Beteiligung der Bauern des Erfurter Dorfes Kleinrettbach zeigte, dass in diesen Fällen die Korrespondenz über den Erfurter Rat lief und die Gemeinden verstanden, daraus Kapital zu schlagen.683 Ähnlich verlief es in Ulla in den Jahren 1536 und 1537. Der Pfarrer schrieb an den Weimarer Hauptmann Ewald von Brandenstein mit der Bitte, den Erfurter Rat zu Hilfe bei seinem baufälligen Pfarrhaus zu bewegen. Er verwies darauf, dass er den Visitatoren die Notwendigkeit von Bauarbeiten 1533 anzeigte, seitdem aber nichts passiert sei.684 Wenige Tage später erging ein Schreiben des Hauptmannes an den Rat. 685 Auf eine Stellungnahme der Bauern reagierte der Pfarrer mit einer erneuten Auflistung seiner Monita, die deutlich über das Pfarrhaus hinausging. Neben verschiedenen 681 Archiv des evangelischen Ministeriums Erfurt, A VIII, a 3, fol. 8r. Auch die Pfarrei Nottleben war vor der Reformation ein geistliches Patronat. Sie war dem Kloster Paulinzella inkorporiert; UB Paulinzella, Nr. 80, S. 89. 682 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 9, liber communium 1529–1533, fol. 39r. 683 Vgl. oben Kap. III.2.5. 684 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 827, fol. 2r. Bemerkenswert ist, dass Ulla nicht im Visitationsprotokoll 1533 genannt wird. Der Austausch mit dem dortigen Pfarrer hatte wegen der Verschränkung der Rechte mit dem Erfurter Rat wohl keine offiziellen Züge. 685 Ebd., fol. 3r.
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ERFURTER DÖRFER IN DEN ERNESTINISCHEN VISITATIONEN
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materiellen Fragen kritisierte er auch die Respektlosigkeit der Bauern gegenüber dem Wort Gottes.686 Da sowohl die Gemeinde Ulla als auch der Rat sichtlich das Problem verzögerten, veranlasste Ewald von Brandenstein im Spätsommer des folgenden Jahres die Beschlagnahme der Ullaer Gemeindekühe. Er forderte eine Fertigstellung des Pfarrhauses vor dem Winter und berief sich schlicht auf die fürstliche Macht. 687 Dies führte natürlich zu einer erhöhten Dringlichkeit auf Seiten der Ullaer und des Erfurter Rates; der Weimarer Hauptmann gab den Fall nun direkt an Kurfürst Johann Friedrich. Dieser sah in dem Vorgehen seines Hauptmannes keinen Rechtsbruch, da das Dorf schließlich auch kurfürstliches Lehen sei, und verlangte vom Rat, dass er die Ullaer dazu bringen sollte, sich gemäß der Visitationsordnung zu verhalten. Sodann würden sie ihr Vieh zurückerhalten.688 Der Fall zeigt, wie nur über das Patronat politischer Druck aufgebaut wurde. Die Visitationen hatten sich als Instrument verselbständigt. Besonders im Zuge der ernestinischen Visitation 1533/1534 kam es zu vielen solchen Problemen in Erfurter Dörfern. In Nottleben wurde zwar der alte, wenig geeignete Pfarrer Conrad Hinkelbein abgesetzt,689 es gab aber andere grundlegende Probleme mit dem Dorf: Das pfargebeude zerfellet gantz und gar, Kirchner und altherleut seint nit erschinnen. 690 Die indifferente Haltung des Erfurter Rates zur kirchlichen Entwicklung im Landgebiet führte natürlich zu solchen Problemen 686 Ebd., fol. 4r–5r. 687 Ebd., fol. 11r. 688 Ebd., fol. 13r. Einen weiteren Streit um die Beteiligung der Gemeinde an den Kosten des Pfarrhauses gab es im erfurtischen Dorf Dachwig. Dieser wurde jedoch durch die Einflussnahme Herzog Georgs erschwert. Dachwig gehörte zum Erfurter Landgebiet, war aber albertinisches Lehen. Das Pfarrpatronatsrecht stand ursprünglich dem Kloster Ichtershausen zu, wurde inzwischen von den Ernestinern wahrgenommen. Herzog Georg stellte die Rechtmäßigkeit in Frage und verlangte vom Erfurter Rat, sich gegen die Forderungen des Ichtershäuser Vorstehers zu richten. Parallel wurde sein Ansinnen jedoch von den kurfürstlichen Räten zurückgewiesen; ABKG IV, Nr. 3305, S. 505 f. 689 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 214v. Um die Absetzung des Pfarrers durch Myconius gab es 1531 Diskussionen. Der Geistliche hatte sich bei Kurfürst Johann über diesen Schritt beschwert und wollte wieder eingesetzt werden, worum der Kurfürst Myconius nun bat. Dieser wollte dieser Bitte jedoch nicht folgen und führte die Gründe für die Absetzung an: Der Pfarrer liege Tag und Nacht im Schenkhaus und hätte schon oft beim Spiel seine Kleider verloren. Weiterhin sei er auch in den Dörfern der Umgebung ein Ärgernis und unterhielt Kontakt zu Altgläubigen in Erfurt. Auf Nachfrage hätten sich auch die Bauern des Dorfes beschwert; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 531. Bereits 1525 hatte der Erfurter Rat den Kurfürsten um die Ermahnung des Pfarrers gebeten; AGBM II, Nr. 1191, S. 95 f. Zu Problemen des Erfurter Rates mit Beschwerden über diesen Pfarrer, der ein „leichtfertig leben“ führte, vgl. weiterhin WEISS, Bürger, S. 228. 690 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 214v.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
im kirchlichen Alltag.691 Dass die Bauern sich nicht ohne weiteres zu den Visitatoren begaben, hatte verschiedene Gründe: Zunächst wussten sie nicht um die rechtlichen Umstände. Die Zuständigkeit der Visitatoren war eine neue Frage und sicher verhielten sich die Bauern auch loyal gegenüber dem Erfurter Rat, solang sie die Wahl hatten.692 Auf der anderen Seite herrschte Angst vor Sanktionen des Fürsten. In Dachwig erschienen die Alterleute und der Kirchner zwar ebenfalls nicht vor den Visitatoren, bisher verweigerte Abgaben an den Pfarrer zahlten sie aber aus Furcht vor den Reitern wieder.693 Der zweite gewichtige Grund war die Sorge vor weiteren finanziellen Verpflichtungen. Eine freiwillige Hinwendung zu den Visitationen schien bei allem Interesse an einer Ordnung der kirchlichen Zustände nicht geraten. Ein dritter Grund konnte die Ablehnung reformatorischer Gedanken in der entsprechenden Gemeinde sein. Wenngleich sich auch im Erfurter Landgebiet der Großteil der Gemeinden der Reformation öffnete, gab es einige Orte, die deutlich eher dem römischen Glauben zugewandt blieben. Auch für dieses Verhalten bot die schwankende Politik des Erfurter Stadtrates Möglichkeit. In Frienstedt stellten die Visitatoren folgendes fest: Die pfarleuthe sein ein boß, ungehorsam papistisch volck, das der mhererteyl den Erffurtischen zu lieb, Gott, predigt, Sacramente und Cathecismum verachtenn.694 Dies drückte sich im Handeln der Bauern aus. Sie nahmen einen papistischen Buben als Kirchner an und verweigerten (beinahe obligatorisch) eine finanzielle Beteiligung am Bau des Pfarrhauses. Die Umstände waren wohl derart verfahren, dass im Protokoll nahezu starrköpfig vermerkt wurde, dass dennoch versucht werden müsste, die Situation der Pfarrei zu verbessern.695 Doch anscheinend gelang dies nicht. Aus dem Spätsommer 1534 hat sich ein Schreiben des Erfurter Rates an den gleichenschen Amtmann zu Gräfentonna erhalten. Nach Rücksprache mit den Bauern stellte der Rat fest, dass er die Leute nicht 691 Zur Kirchenpolitik des Rates im Landgebiet in den Jahren nach dem Bauernkrieg vgl. WEISS, Bürger, S. 226–230. 692 Zu dieser Sorge vor einer gewohnheitsrechtlichen Entwicklung anhand des Falles Kleinrettbach vgl. SLADECZEK, Beschwerden, S. 100. 693 In diesem Jahr gab es anscheinend eine Aktion gegen die Bauern von Kühnhausen, bei der Reiter die Bauern mit Kuhschellen jagten. Die Visitatoren stellten fest, dass die Dachwiger dadurch auch erschrocken seien und die Rüstung keinesfalls vergebens erfolgt sei. Sollten erneut Probleme bestehen, sollte der Pfarrer nicht zögern, sich von den Reitern helfen zu lassen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 289v–290r. Auf eine schnelle Eingreiftruppe der Visitatoren gibt es darüber hinaus keine Hinweise. 694 Ebd., fol. 315r. Frienstedt wurde visitiert, da die Pfarrei Lehen der Grafen von Gleichen war. Zwischen den Grafen und dem Rat gab es jedoch 1525 eine Abstimmung um die Besetzung; AGBM II, Nr. 1749, S. 561. Recht eindeutig ist die Haltung der Gemeinde in diesen Jahren aber nicht. 1531 verhinderten die Bauern den Zutritt des Grafen zur Kirche, da dieser die Messe aufrechterhalten wollte; BERTRAM, Bilterisleybin, S. 39. 695 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 315v.
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ERFURTER DÖRFER IN DEN ERNESTINISCHEN VISITATIONEN
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anweisen würde, dem Pfarrer mehr als bisher zu zahlen. Weiterhin sollte es billig bleiben, dass der Pfarrer die Baulast des Pfarrhauses aus seinem Einkommen trug. 696 Dass es aus ernestinischer Perspektive langfristig Schwierigkeiten in Frienstedt gab, belegt das Protokoll der Visitation von 1554. Danach wollten sich die Einwohner nicht am Bau des Pfarrhauses beteiligen, verweigerten bestimmte Abgaben und ließen den Pfarrer nicht an der Kontrolle der Kirchenrechnung teilnehmen.697 Doch Frienstedt war keineswegs das einzige Erfurter Dorf, in dem sich altgläubige Gruppen hielten. Der Pfarrer von Utzberg fühlte sich von einem bösen Buben und der Wirtin des Dorfes bedroht und schrieb 1544 eine Supplik an den Weimarer Hof. Er sah im Kurfürsten einen lutherischen Schutzherren, da der Erfurter Rat ihm in dieser Sache nicht behilflich war, die Ratsherren sagen wol hat uns der Teufel mit den marthinischen buben beschissen. 698 Der Erfurter Vogt, die Heimbürgen und die Gemeinde seien aber Feinde des Evangeliums und hätten mit dem bösen Buben gegessen. Als er das Dorf verlassen wollte, sei er mit Messern und Hellebarden daran gehindert worden. Der Angerufene beauftragte immerhin den Weimarer Hauptmann damit, den Schosser nach Utzberg zu schicken, um den Pfarrer zu beschützen.699 Der Vergleich der bisherigen Beispiele zeigt bereits, dass die Situation in den Erfurter Dörfern verschieden war. Der Zugriff der Visitatoren gestaltete sich je nach den rechtlichen Umständen vor Ort. Hinzu kam die jeweilige Haltung zum Erfurter Rat, die in Frienstedt wohl recht gut war. Der Fall Frienstedt zeigt außerdem, dass die Dörfer in kirchlichen Fragen keineswegs geschlossen waren.
696 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 11/1, liber communium 1534–1537, fol. 48r. In der Folge muss es dennoch zu einer Änderung gekommen sein, da 1552 ein Einfluss Justus Menius’ als Gothaer Superintendenten auf die Besetzung der Pfarrei deutlich wird. Die Heimbürgen und Alterleute beschreiben, dass ihr Pfarrer sie seit 20 Jahren fleißig unterrichtet. Sein Sohn war als Schulmeister im Dorf tätig. Es muss also gerade in den Jahren um 1533 zu einer Neubesetzung der Pfarrei gekommen sein; LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 60b, 1. Vgl. zur Reformation in Alach und Frienstedt BERTRAM, Bilterisleybin, S. 38 ff. 697 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 23–26, fol. 338v. Dass dies unbedingt darauf zurückzuführen ist, dass Frienstedt ein Erfurter Dorf war, zeigt das Vergleichsbeispiel Dachwig, in dem es dieselben Probleme gab; ebd., fol. 338r. 698 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1857, fol. 2r–3r. Die Pfarrei understand dem Patronat des Klosters Fulda; HANNAPPEL, Archidiakonat, S. 181. 699 Ebd., fol. 4r–4v. Um Utzberg gab es bereits 1534 einen sehr typischen Streit. Die Weimarer Amtmänner hatten Utzberger Einwohner wegen Zinsen, die dem Georgenthaler Klostergut zustanden, nach Weimar geladen. Der Rat sah darin einen groben Rechtsverstoß, da seine Untertanen dem nicht Folge leisten müssten; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 11/1, liber communium 1534–1537, fol. 58r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Nur der mhererteyl der Gemeinde und nicht ihre Gesamtheit verachtete die lutherische Vorstellung der Sakramente. Doch diese Dörfer scheinen eher Ausnahmen gewesen zu sein. In den meisten Orten wird man Zeuge einer anhaltenden Hinwendung zum Evangelium. Einige Gemeinden unterhielten freiwillig einen zusätzlichen evangelischen Prediger, da sie keinen Pfarrer erhielten, der ihren Vorstellungen entsprach.700 Jedoch fehlte im Landgebiet eine ordnende Hand. Die uneindeutige Religionspolitik des Erfurter Rates war in erster Linie darauf ausgerichtet, das Landgebiet stabil zu regieren und die Bevölkerung zu beschwichtigen. Selbstverständlich wurde dies seit den frühen 1520er Jahren schwieriger, weshalb der Rat in einigen Orten die evangelische Predigt duldete, obwohl eher altgläubige Priester eingesetzt werden sollten.701 Im benachbarten ernestinischen Gebiet erfolgte ein Neuaufbau der kirchlichen Zuständigkeiten, während die Erfurter Dörfer in den losen Verhältnissen der frühen Reformationszeit verfangen blieben. So gab es teilweise evangelischen und katholischen Gottesdienst in einem Dorf in verschiedenen Kirchen. In einigen Orten scheint es die ersten evangelischen Pfarrer erst in den vierziger und fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts gegeben zu haben.702 Erst später entwickelte sich das, in Thüringen einzigartige, Besetzungsrecht der Gemeinden, das die Dörfer des Erfurter Landgebietes mit einer erheblichen Freiheit in kirchlichen Fragen versah.703 In den Dörfern mit einem ernestinischen Patronatsrecht war es daher nur logisch, dass sie sich bei stärkeren Problemen an den Fürsten wandten. Die Gemeinde Dachwig, die wie erwähnt noch 1533 die Mitwirkung an der Visitation verweigert hatte, wurde in der Folge wegen Schwierigkeiten mit ihrem Pfarrer auf diese Weise aktiv. 704 Ebenfalls brachte sich diese Gemeinde in der Mitte des 16. Jahrhunderts in die Besetzung ihrer Pfarrstelle ein. Mittlerweile waren sie an die Zuständigkeit der Ernestiner gewöhnt, forderten von diesen einen guten christlichen Prediger und hatten keine Hemmungen, einen Kandidaten zurückzuweisen, der ihnen nicht genehm war. 705 Schließlich mussten sie auch die Nachteile der landesherrlichen Visitationen über sich ergehen lassen, waren doch erst in der Bewidmung 1551 die Einkünfte des Pfarrers überprüft worden und gestiegen.706 Doch nicht nur in den ernestinischen Patronatspfarreien ist ein Einfluss der Visitatoren auf die Pfarrbesetzung erkennbar. Ulrich Bär, ein ehemaliger fuldi700 701 702 703 704 705 706
Vgl. zur allgemeinen Entwicklung WEISS, Bürger, S. 226–230 sowie S. 256–260. WEISS, Kirchenpolitik, S. 181; WEISS, Bürger, S. 226–230, S. 256–260. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 46 f. EKO 1, 2, S. 361‒380. Vgl. WEISS, Landschafft, S. 76 f. Vgl. oben Kap. III.2.4. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 180. LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 2a.
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scher Mönch, der sich der Reformation zugewandt hatte und nun als Schuster im Amtsort Mühlberg arbeitete, schilderte in einer bemerkenswerten Quelle, wie er 1537 Pfarrer in Mühlberg wurde.707 Da die Pfarre leer stand und bereits die Gefahr eines „Lehrers der Römischen Kirche“ drohte, ließ er sich von der Bevölkerung und dem Amtmann Heinrich Spitznase überzeugen, dass Amt anzunehmen. Da sich auch nach einigen Monaten kein anderer Pfarrer fand, ging er gen Eisenach zu Justo Menio und zu Er Friedrich gen Gotha, fraget sie um einen getreuen Rath, wie ich mich halten solle.708 In der Folge stimmte sich auch der Erfurter Amtmann mit Myconius wegen der Besetzung der Mühlberger Pfarrei ab. Schließlich erfolgte die Einsetzung durch den Erfurter Rat; und Bär blieb für 28 Jahre Pfarrer in Mühlberg. In Einzelfällen waren Myconius und andere führende Theologen des Kurfürstentums also sehr wohl in die Besetzung der Pfarrstellen im Erfurter Landgebiet eingebunden und wussten so die Ausbreitung der Reformation dort zu verstetigen. Auf der anderen Seite bestand freilich ein anhaltend großer Einfluss der geistlichen Institutionen, namentlich der beiden großen Erfurter Stifte. So bestätigte das Marienstift 1555 einen Pfarrerwechsel in Tonndorf.709 Deutlicher noch war dieser Einfluss in Stotternheim, wo es jahrzehntelang Streit mit dem Marienstift um die Besetzung der Pfarrei gab. Das Stift wollte einen römischen Geistlichen einsetzen, den die Bauern aber nicht annehmen wollten. Sie teilten schließlich das Pfarreinkommen und stellten selbst zusätzlich einen evangelischen Prediger an.710 Besonders kompliziert wurde es, wenn politische Streitigkeiten eine Rolle spielten. Das Landgebiet befand sich an verschiedenen Stellen dem Expansionswillen des Kurfürsten ausgesetzt. Seit 1483 waren den Erfurtern bereits verschiedene Besitzungen verloren gegangen. Neben der Grafschaft an der Schmalen Gera wog besonders die Verpfändung des Reichslehens Kapellendorf 1507 schwer.711 Sobald es einen Hebel gab, den Erfurtern etwas streitig zu machen, wurde dieser in Weimar angesetzt. In der Reformationszeit verbanden sich so in Großrudestedt politische und kirchliche Fragen in einem langwierigen Besitzstreit. Das Dorf war vom Erfurter Marienstift nach dem Bruderkrieg wiederkäuflich an den Erfurter Rat veräußert worden. Allerdings waren die Einwohner wohl nie begeistert über diesen Schritt. Hinzu kam ein offensichtliches Interesse der Ernestiner an dem Dorf, was sich bereits 1486 in einer Schutzbestätigung
707 708 709 710
TETTAU, Bär. Der Erfurter Rat hatte das Patronatsrecht über die Pfarrei Mühlberg. Ebd., S. 72. StAE, 1-0/B, I-1, fol. 26r. ANDREÄ, Stotternheim, S. 17 f.; WEISS, Bürger, S. 258. Vgl. auch das Beispiel Bindersleben, wo es 1544 einen Patronatsstreit mit dem Severistift gab; BERTRAM, Bilterisleybin, S. 37. 711 OERGEL, Gebiet, S. 184.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
durch Kurfürst Ernst ausdrückte.712 1519 versuchte das Marienstift schließlich von seinem Recht der Wiedereinlösung Gebrauch zu machen. Der Rat weigerte sich allerdings, das Dorf zurückzugeben.713 Dies steigerte den Unwillen zwischen den Bauern und dem Rat und es kam zu verschiedenen Unmutsäußerungen.714 Ein in der Folge geschlossener Vertrag ließ das Dorf noch auf zwölf Jahre bei Erfurt bleiben.715 In der Gemeinde gab es dadurch jedoch keine Ruhe. Noch immer gab es eine Erfurter und eine fürstliche Gruppe unter den Einwohnern; der Rat hatte immer wieder Probleme bei der Durchsetzung bestimmter Machtinstrumente, wie etwa der Einziehung des Kirchengutes 1524. 716 Das Provozieren der Ernestiner hielt jedoch an. 1529 wurden am Dorf sächsische Wappen angeschlagen.717 Anscheinend war die sächsisch gesinnte Gruppe der Dorfbevölkerung auch eine evangelisch gesinnte.718 Die schlechte geistliche Versorgung der Bauern diente schließlich auch dem Weimarer Schosser bei einer Überprüfung als Argument für die Notwendigkeit eines Einschreitens. Die Gemeinde selbst ließ sich von einem Schreiben des Erfurter Rates nicht einschüchtern.719 Nach weiteren Provokationen und langen Rechtsstreiten nahm der Kurfürst das Dorf wohl um 1537 endgültig in seinen Besitz. Die parallel vom Rat und vom Stiftskapitel geführten Beschwerden bewirkten ebenso wenig, wie die Hilfegesuche an Kardinal Albrecht und Herzog Georg.720 Zu dieser Entwicklung gehörte, dass der Kurfürst wie selbstverständlich ohne Einwilligung des Stiftskapitels 1536 das Pfarrpatronatsrecht übernahm und den evangelischen Pfarrer Konrad Goldfuß aus Tromsdorf einsetzte. 721 Gegenüber der Dorfbevölkerung und gegenüber dem Rat wirkte die religiöse Entwicklung als politisches Argument. Dass es sich dabei in Großrudestedt nicht um einen Einzelfall handelte, dahinter vielmehr eine Taktik der Ernestiner stand, belegt das Beispiel Ollendorf. Hier wurde von Seiten des Kurfürsten 1529 die Behauptung, das Pfarrlehen der Oberkirche St. Peter stünde den Grafen von Gleichen zu, mit jener verbunden, dass das Dorf eigentlich zum Amt Weimar 712 BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1242 f. 713 SPIESS, Großrudestedt, S. 68 ff.; WEISS, Bürger, S. 227 sowie S. 260; BAE, Marienstift, Urkunden I, Nr. 1428 sowie Nr. 1454. 714 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 5, fol. 21v, 22v, 27r, 42r, 50r, 151v. 715 SPIESS, Großrudestedt, S. 69 f. 716 StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 56r. Vgl. auch ein Schreiben des Rates an den Weimarer Schosser wegen bestimmter Rechte im Dorf: StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 10, fol. 77r. 717 SPIESS, Großrudestedt, S. 75 f; WEISS, Bürger, S. 227. 718 SPIESS, Großrudestedt, S. 77‒79. 719 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 11/1, fol. 83a. Dazu und zur gesamten Entwicklung die vorzügliche ältere Ortschronik; SPIESS, Großrudestedt, S. 75‒82. 720 ABKG IV, Nr. 3251, S. 463 f., Nr. 3281, S. 484, Nr. 3320, S. 519, Nr. 3351, S. 546. 721 SPIESS, Großrudestedt, S. 82.
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ERFURTER DÖRFER IN DEN ERNESTINISCHEN VISITATIONEN
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gehöre. Der Rat wies beides entschieden zurück. Die Pfarrei stünde ihm und dem Erfurter Peterskloster zu und das Dorf ginge von den Schwarzburgern zu Lehen, von denen er es erworben hatte.722 Im Gegensatz zu Großrudestedt entwickelte sich aus diesem Versuch kein solch langanhaltender Rechtsstreit. Zu den Dörfern des Erfurter Rates gesellten sich jene im ernestinischen Gebiet, in denen Erfurter Ratsfamilien Besitz hatten oder die Gerichtsrechte besaßen. Bei letzteren handelte es sich um vier Orte in der direkten Umgebung Erfurts. Nöda befand sich im Besitz der Familie Milwitz, Stedten und Eichelborn waren Besitz der Familie Ziegler und in Alperstedt war ein Vertreter der Familie von der Sachsen Erbherr.723 Anhand letzterer Familie sollen Berührungspunkte mit der entstehenden ernestinischen Landeskirche verdeutlicht werden. Jakob von der Sachsen sollte dem Pfarrer von Molsdorf Abgaben von einem freien Hof in diesem Dorf reichen.724 Dem Pfarrer von Werningshausen wurden Kornabgaben von Dr. Johann von der Sachsen vorenthalten.725 Der reiche Besitz des Erfurter Bürgertums in den wettinischen Orten oder den Dörfern des Adels (etwa Molsdorf) wurde in den Visitationen normal behandelt. Anders verhielt es sich mit den Dörfern, in denen die Familien die Gerichtsrechte besaßen. Dr. Johann von der Sachsen war Jurist und Rat des Kurfürsten Johann, von welchem er 1525 außerdem das Dorf Isseroda käuflich erwarb.726 In der Visitation 1533 wurde Isseroda nicht visitiert. Dies kann auch für die anderen Dörfern des Erfurter Patriziats festgestellt werden: Stedten, Nöda, Eichelborn und Alperstedt finden sich in keinem der frühen Visitationsprotokolle. Den Erfurter Ratsfamilien Milwitz, Ziegler und von der Sachsen gelang etwas, was im gesamten ernestinischen Machtbereich keinem Adligen gelang: die Visitatoren von der eigenen Gerichtsherrschaft fernzuhalten, obwohl es sich um ernestinische Lehen handelte. Wäre es im Falle des Dr. Johann von der Sachsen noch denkbar, dass es sich um ein Zugeständnis des Kurfürsten für den Rat 722 StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 10, liber communium 1529–1534, fol. 66v–68r. 723 Zu den Ziegler in Stedten vgl. etwa StAE, 1-0, A VIII-3a, fol. 106v, wonach das Dorf den Zieglern seit 100 Jahren unterstand, sowie LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Generalia, Loc 60e, 1. Dabei konnten sich die Familien teilweise auch die Patronatsrechte der Pfarreien sichern; für Eichelborn HANNAPPEL, Archidiakonat, S. 175. 724 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 351v. Die Erfurter Ratsfamilien des 15. und 16. Jahrhunderts, die „Gefrunden“, stellen ein großes Forschungsdesiderat dar. Zu den einzelnen Familien existieren im besten Falle kleinere Aufsätze. Vgl. etwa BIEREYE, Von der Sachsen; BIEREYE, Ziegler. 725 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 306r. 726 MÜLLER, Annales, S. 80. Das Dorf befand sich jedoch bereits vorher in Familienbesitz; BIEREYE, Von der Sachsen, S. 80. Das Patronatsrecht über die Pfarrei stand allerdings zu Beginn des 16. Jahrhunderts dem Mainzer Vitzthum in Erfurt zu; BÜNZ, Klerus, II/2, S. 400.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
handelte, gab es zu den anderen Familien keine solchen persönlichen Beziehungen. Aus der Mitte des 16. Jahrhunderts existiert eine umfangreiche Akte, die etwas detailliertere Einblicke in die Verhältnisse in einem dieser Dörfer gewährt.727 Im Jahr 1551 wurde wegen eines immensen Dissenses um die Kirchenrechnung in Alperstedt doch ein wachsender Einfluss der kurfürstlichen Verwaltung deutlich. Ausgangspunkt war ein fürstlicher Befehl an den Weimarer Schosser, die Kirchenrechnung zu überprüfen. Auch diese Kontrolle griff in diesen Dörfern also deutlich später als in ernestinischen Amtsdörfern.728 Bei der Kontrolle durch den Schosser wurde ein in den letzten Jahren auf beinahe 60 Schock Groschen angewachsenes Defizit festgestellt. Der Erbherr Franz von der Sachsen beschuldigte die Bauern des Dorfes, in allem nur ihren eigenen Nutzen zu suchen, und auch ihm erschien die Rechnung gantz vordechtig. Viel seltzamer aber ists zu horenn, dass nach Addition des Kirchengutes noch immer ein Minus stand. Die Einwohner weigerten sich, ihm die Kirchenrechnungen zu übergeben, weshalb er sich sicher war, dass sie die Ausgaben der Kirche um Kosten ihrer Felder ergänzten. Weiterhin war er sich sicher, dass die Einnahmen nicht stimmen konnten, da er selbst Getreide der Kirche für mehr Geld gekauft habe, als in der Rechnung aufgeführt sei. Er bat bemerkenswerterweise darum, seine eigenen Untertanen anzuhalten, gut mit dem Kirchenvermögen umzugehen. Auf der anderen Seite hätten die Bauern gern einen eigenen Pfarrer (bisher wurden sie vom Pfarrer von Riethnordhausen versorgt), wofür aber auf keinen Fall das Geld reiche. So sie darauf beharrten, sollten sie es selbst bezahlen. In einer folgenden Stellungnahme der Gemeinde verwiesen diese auf etliche Schwierigkeiten mit ihrem Erbherrn, wegen der sie sich in den letzten Jahren an den Weimarer Hof gewandt hatten. Sie erinnerten an ihre Bitte nach einem eigenen Pfarrer, nahmen aber keinen Bezug auf die Veruntreuungsvorwürfe, die daher wohl der Wahrheit entsprochen haben dürften. Gleichzeitig beschwerten sie sich darüber, dass Franz von der Sachsen verlangt hatte, das jährliche Geschoss nun nicht mehr an ihn zu zahlen, sondern in Erfurt im Rathaus abzuliefern. Dies hatte der Schosser bereits einmal verboten. Es wird deutlich, dass auch in Alperstedt seit den Jahren der frühen Reformation die ordnende Hand in kirchlichen Fragen fehlte. Die Bauern nutzten das Kirchenvermögen für ihren persönlichen Besitz, wie es auch aus anderen Dörfern aus den 1520er Jahren bekannt ist. Jedoch fanden in den Dörfern der Erfurter Patrizier keine Visitationen statt, die dieses Vorgehen eingeschränkt hätten. Im Nachbardorf und Pfarrdorf der Alperstedter, in Riethnordhausen, wurde 1533 ein ähnliches Fehlverhalten der Gemeinde aufgedeckt, wo727 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 6. In der folgenden Visitation 1554 wurde nichts über einen Streit laut; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 23–26, fol. 48r. 728 Vgl. oben die Kap. I.6 und III.5.
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ERFURTER DÖRFER IN DEN ERNESTINISCHEN VISITATIONEN
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raufhin ihr aber ein Plan für die Rückzahlung des unterzogenen Geldes aus dem Kirchenvermögen genannt wurde.729 Wie dies in Alperstedt gehandhabt wurde, kann nicht gesagt werden. Auf der anderen Seite zeigte der Erbherr des Dorfes anscheinend wenig Interesse an einer besseren Verwaltung und einer größeren Kontrolle. Über Jahrzehnte konnten sich diese Verhältnisse entwickeln. Vielmehr versuchte er, das Dorf durch rechtliche Schritte, wie das Entrichten des Geschosses, an den Erfurter Rat zu binden. Der Rat und die Familien versuchten ebenso wie die Ernestiner, einzelne weltliche und kirchliche Rechte zu verwenden, um ihren Einfluss auf wechselseitig umstrittene Besitzungen auszudehnen. Ähnlich verhielt es sich in Alperstedt einige Jahre später, als ein neuer Pfarrer berufen werden sollte und Franz von der Sachsen gegen einen Weimarer Kandidaten einen Geistlichen durchsetzte, den der Pfarrer der Kaufmannskirche empfohlen hatte. 730 Diese enge Verbindung zwischen diesen Dörfern und dem Erfurter Rat wird auch in dessen Korrespondenz deutlich. In vielen Fällen ließen die besitzenden Familien Schreiben an den Kurfürsten aus der städtischen Kanzlei richten. Dabei ging es oft um Abgaben und Rechte in den entsprechenden Dörfern.731 Wie alle Probleme der frühen Visitationen blieben auch die Auseinandersetzungen mit den Erfurter Dörfern mit ernestinischem Patronat eine Konstante der Kirchenpolitik der kommenden Jahrzehnte. Dabei finden sich in den entsprechenden Fällen dieselben Konfliktfelder, die in den vorangegangenen Kapiteln geschildert wurden. Im Rahmen der Bewidmung 1550 adressierte die kurfürstliche Kanzlei ein Schreiben an den Erfurter Rat, Zulagen für die Pfarrer der Erfurter Dörfer Obernissa und Ulla betreffend. Der Rat sollte veranlassen, dass nach einer fürstlichen Zulage die Bauern jeweils fünf oder sechs Gulden zulegen sollten.732 Die Antwort des Rates lässt sich in die bekannten Muster einordnen. Zwar sei es billig, dass jeder Pfarrer einen guten Unterhalt habe, allerdings sagen die Bauern, dass sich die bisherigen Pfarrer nicht beschwert hätten. Statt der vorgeschlagenen Zulage schlug der Rat geringe Abgaben für die Beerdigung eines Hauswirts oder für das Reichen des Sakramentes vor. Dies kann jedoch nicht als Beginn der Suche nach einem Kompromiss gesehen werden, da das Schreiben 729 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 53v. 730 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 6, fol. 61r–63r. 731 So schrieb der Rat etwa 1532 auf Bitten des Asmus Ziegler an den Kurfürsten und erinnerte diesen an die Befreiung des Ortes Eichelborn von bestimmten Abgaben. Auslöser war, dass die Ernestiner eine Türkensteuerabgabe verlangten; StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 9, liber communium 1529–1533, fol. 213r. Dasselbe Problem gab es bereits 1529 für mehrere betroffene Familien; StAE, 1-1, XXI, 1b-1b, Bd. 10, liber communium 1529–1534, fol. 68r. Vgl. weiterhin ebd., fol. 95r für eine Verschreibung wegen eines privatrechtlichen Problems in Alperstedt. 732 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2239.
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mit den Feststellungen endet, dass die Pfarrer ausreichend versorgt seien und der Rat die Sache als erledigt ansehen wolle.733 Seit den ersten Visitationen hatten sich die Umstände nicht geändert. Noch immer stellte sich der Rat quer und fürchtete, mit einem Kompromiss eigene Kompetenzen zu verlieren. Der Schutz des Landgebietes war weitaus wichtiger. Außerdem wurde in der Stadt mittlerweile auch die Notwendigkeit einer Ordnung der kirchlichen Verhältnisse in den Dörfern erkannt. 1557 mussten die Pfarrer des Landgebietes das evangelische Ministerium als vorgesetzte Behörde anerkennen.734 Die tiefe Durchdringung des kirchlichen Lebens in den Dörfern durch die ernestinischen Visitationen wurde hiermit freilich nicht erreicht. Die Dörfer mit wettinischem Pfarrpatronat blieben ein Zankapfel. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden dabei auf ernestinischer Seite die Visitationsberichte von 1533 als juristische Argumente verwendet.735
10. Die Langlebigkeit der vorreformatorischen Frömmigkeit DIE LANGLEBIGKEIT DER VORREFORMATORISCHEN FRÖMMIGKEIT
Nach dem Vorangegangenen könnte der Eindruck entstehen, dass die Reformation auf dem Land durch Visitationen fest umgesetzt wurde und eher ein Verwaltungsproblem darstellte. Diese Vorstellung resultiert aus dem Vorgehen der reformationshistorischen Forschung, ausschließlich Visitationsprotokolle zu untersuchen. Diese vermitteln eine Umsetzung der Reformation durch die Einsetzung evangelischer Pfarrer und die Kontrolle bzw. die Umstellung des kirchlichen Lebens. Allerdings kann daraus keine Geschlossenheit dieser Umstellung gefolgert werden. Die Protokolle sagen nur in absoluten Ausnahmefällen etwas über die Meinung in der Bevölkerung, den Wandel im Kirchengebäude oder gar die Entstehung einer ‚evangelischen Frömmigkeit‘ aus.736 Die aufgezeigten Entwicklungen, dass sich Elemente der vorreformatorischen Frömmigkeit lange Zeit auch in den evangelischen Gebieten halten konnten und es in vielen Gebieten Thüringens katholische Dörfer und katholische Interessengruppen gab, lässt die Fragen entstehen, wie und wann sich parallel Formen einer evangelischen Frömmigkeit bildeten. Ein evangelisches Bewusstsein lässt sich bereits seit der frühen Reformation feststellen. In den Schreiben der Gemeinden wird die Reformation als Argument 733 734 735 736
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2295. Archiv des evangelischen Ministeriums Erfurt, A VII, a, 1g, Vol. I. LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 60, 1. ENDRISS, Synoden mit Einblicken in Zustände vor Ort anhand der Protokolle und anderer Akten. Vgl. LEPPIN, Normierung zu die Frömmigkeit betreffenden Festlegungen im „Unterricht der Visitatoren“ und den Kirchenordnungen.
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DIE LANGLEBIGKEIT DER VORREFORMATORISCHEN FRÖMMIGKEIT
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verwendet, man erkennt an vielen Stellen ein Gruppenbewusstsein. Dieses definiert sich freilich in erster Linie durch die Abgrenzung vom Bisherigen und die Abgrenzung von allem Katholischen – im Effekt durch eine Selbstvergewisserung. Diese Tendenzen in den frühen evangelischen Gemeinden wurden verschiedentlich festgestellt und zeigen sich etwa in Liedtexten.737 Zu dieser Entwicklung gehört die Hinwendung zu der sich ausformenden Landeskirche. Es fehlen Zeichen von Widerstand gegen den steigenden Einfluss des Landesherrn.738
Abb. 46: Inschrift an einer Hauswand in Apfelstädt, Lkr. Gotha
Dass sich in der bäuerlichen Oberschicht ein evangelisches Selbstverständnis ausformte, zeigt eine Fülle an Inschriften an Bauernhäusern aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. In vielen Orten findet sich ein VDMIAE in Bauinschriften dieser Zeit. Die große Zahl der erhaltenen Inschriften lässt aufgrund der geringen Zahl erhaltener Hofgrundstücke aus dem 16. Jahrhundert vermuten, dass dies sehr verbreitet war. Verbum domini manet in aeternum – Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit. Diese Wendung diente im 16. Jahrhundert als evangelische Bekennt737 Vgl. HÖLSCHER, Frömmigkeit, S. 64. 738 Vgl. Kap. III.5 und III.8.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
nisformel. Schrieb ein Bauer diese Abkürzung an sein Haus, sollte es einerseits das Haus unter göttlichen Schutz stellen, sollte andererseits aber betonen, dass in diesem Haus eine fest im lutherischen Bekenntnis stehende Familie wohnt. Solche Tafeln an Bauernhäusern finden sich beispielsweise in Apfelstädt von 1541 (Abb. 46), Hochstedt von 1550 (Abb. 47),739 Kirchheim aus dem Jahr 1566 und Oldisleben aus dem Jahr 1568.740 In Rettwitz ist eine Steintafel mit diesem Leitspruch von 1592 in die Kirchhofsmauer eingelassen. Das VDMIAE zeigt ebenfalls das evangelische Selbstbewusstsein in den Dörfern, das sich aus der Abgrenzung zum Anderen bildete.
Abb. 47: Inschrift an einer Hauswand in Erfurt-Hochstedt
Auf der anderen Seite wird zu zeigen sein, wie sich diese Vorstellungen im Kirchenbau und im Umgang mit den Elementen der vorreformatorischen Frömmigkeit niederschlugen. Bei einem Kirchenbesuch herrschten selbstverständlich individuell geprägte Erwartungen, doch es fehlte ein Kanon an allgemeinen Vorstellungen, wie eine evangelische Kirche auszusehen habe. Die Verfestigung der Reformation war in den Dörfern immer eine Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition. So stellten die Bauern von Gräfinau 1537 in einer Supplik fest, dass in ihrer Kapelle durch die gnadenreiche predigt des heiligen evangelii solche abgotterey nicht mehr gehalten werde. Auch anderes teuffels gespenst und solcher abgottischer gotsdienst sei aus der Mode gekommen.741 Die genaue Abgrenzung dessen, was
739 Die Hochstedter Inschrift lässt sich heute nicht mehr komplett lesen. Lehfeldt gibt sie wie folgt wieder: Anno MDL [eine Pflugschar] | V.D.M.I.E. [Kreuz] i.n.r.i.; LEHFELDT 16, S. 57. 740 In Gaberndorf bei Weimar haben sich zwei Inschrifttafeln mit einem VDMIAE und einem sächsischen Rautenkranzwappen erhalten; MÜLLER, Weimar, S. 980. Ob sich dahinter eine herrschaftliche Einflussnahme verbirgt, die u. U. auch auf die Gestaltung der Tafel einwirkte, konnte bisher nicht geklärt werden. 741 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1059.
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DIE LANGLEBIGKEIT DER VORREFORMATORISCHEN FRÖMMIGKEIT
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dabei in der Folge als Element einer „evangelischen Frömmigkeit“ gelten kann, fällt für das 16. Jahrhundert schwer. Bereits in der älteren Forschung wurde auf die Langlebigkeit altgläubiger Riten in den protestantischen Konfessionen aufmerksam gemacht.742 Jüngere Arbeiten zu diesen Phänomenen sind aber selten.743 Die Ursache für die Konstanten lag zu einem großen Teil in der Herangehensweise der Reformatoren und Visitatoren. In den frühen Visitationen war es nie Ziel, römisch gesinnte Laien ausfindig zu machen und zur Änderung ihres Gewissens zu zwingen. Solang diese sich unauffällig verhielten und nicht aktiv gegen die Reformation wirkten, blieben sie relativ unbehelligt.744 Auch dem „Unterricht der Visitatoren“ zufolge sollte niemand gegen sein Gewissen gezwungen werden, sich zum lutherischen Glauben zu bekennen. Als Folge dieser Entwicklung werden katholische Laien sehr selten in den Quellen genannt.745 Ebenso ließen die Theologen bei der Umstellung des Gottesdienstes Vorsicht walten.746 Natürlich wurde die ausufernde Zahl der vorreformatorischen Feiertage eingeschränkt. Allerdings konnten auch Heiligen- und Marienfeste erhalten bleiben. In der schwarzburgischen Visitationsordnung von 1533 wurde etwa festgehalten, dass die Pfarrer die Feiertage wie im Kurfürstentum halten sollten. Dies betraf den Stefanstag, Johannis, Epiphanias, Karfreitag, Ostersonntag, Ostermontag, Himmelfahrt, Pfingstsonntag, Pfingstmontag, Johannes Baptist, die Aposteltage, Michaelis, aber auch die in der Bibel begründet liegenden Marienfeste Mariä Lichtmess, Mariä Verkündigung und Mariä Heimsuchung. 747 Im „Unterricht der Visitatoren“ findet sich die Feststellung, dass viele Feiertage nach der Gewohnheit einer jeden Pfarrei abgehalten werden.748 Sicherlich war bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts in vielen Kirchen nicht erkennbar, ob man sich in einem evangelischen oder einem katholischen Gottesdienst befand. Die Innenräume veränderten sich nur langsam. 749 Die Kirche trug weiterhin den Namen des heiligen Patrons, dem im Denken der Menschen auch der Kirchenbesitz zugeordnet blieb.750 Viele Gläubige verspra742 743 744 745 746 747 748
Vgl. z. B.: GRAFF, Auflösung. HOYER, Wandel; HERRMANN, Kontinuität. Vgl. HERRMANN, Reformation, S. 7. Vgl. Kap. III.2.1. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 112 f. EKO 2, 2, S. 128. EKO 1, 1, S. 169. Zu den Zeiten der Gottesdienste vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 115 f. 749 Vgl. Kap. III.13.3 dieser Arbeit. 750 Vgl. die Aufschrift der Kirchenrechnung von Lippersdorf von 1540: der heylige dem dieses Kirchengut zustendig ist heyst Sanctus Nicolaus; PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 1. Erst 1567 wurde die Rechnung Im Namen der heylig dreyfaltigkeyt abge-
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chen sich von den Heiligen weiterhin Zuspruch. Ihre Verehrung war bei vielen Menschen fest in den Köpfen verankert.751 Die Bevölkerung war darüber hinaus einen recht lockeren Umgang mit den Gottesdiensten und Predigten gewohnt. Berichte, wonach die Menschen in großer Zahl während der Predigt über die Kirchhöfe spazierten und die Jugend spielte, finden sich in großer Zahl.752 Diese Missstände hielten auch in den späteren Visitationen an.753 1570 wurde für die Superintendentur Weimar eine Strafe von einem Gulden eingeführt, die bei verschiedenen Vergehen während der Predigt an den Gotteskasten zu entrichten war.754 In der Kirche hielt der Pfarrer die Ämter oft in Mischformen ab, reichte mitunter gar das Sakrament, wie es der Kommunikant wünschte.755 Dabei trug er unverändert die vorreformatorischen Gewänder. 756 Diese wurden zwar nach Synoden 1543 abgeschafft,757 was aber in der Folge kaum Wirkung zeigte. Für das schwarzburgische Gebiet wurde 1533 gar festgelegt, dass der Priester beim Abendmahl ein Messgewand, bei der Taufe, der Predigt und einem Begräbnis einen Chorrock tragen solle.758 In der ernestinischen Visitation 1554 wurde die Verwendung der Messgewänder in vielen Orten festgestellt. 759 Kirchenrechnungen der folgenden Jahrzehnte zeigen aber, dass auch die Behandlung dieser Frage durch die Theologen in diesen Jahren keine Änderungen mit sich brachten. Im schwarzburgischen Langewiesen wurde 1556 ein Chorrock angeschafft und 1561 eine Albe ausgebessert. 760 In diesem Gebiet wurde das Tragen eines
751
752 753 754 755 756 757 758 759 760
schlossen; ebd., S. 93. Ein weiteres Beispiel findet sich in der Kirchenrechnung von Niederwillingen 1571. Hier wurde die Abrechnung über den Zinshafer der Kirche im Namen des hl. Bartholomäus abgehalten; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5691. Dazu existieren nur sehr wenige Indizien. Interessante Quellen bilden etwa Sagen, die auf den Gegensatz zwischen evangelischer Theologie und katholischen Riten hinweisen. In Gebesee soll der erste evangelische Pfarrer eine Marienfigur aus einer Nische in der Kirche entfernt haben, da sich die Einwohner weiterhin davor bekreuzigten; GRÜNDLER, Gebesee, S. 66 f. Vgl. etwa die Problematisierung des Themas im Mühlhäuser Rat in den 1540er Jahren; StAM, 10, E 6, Nr. 5, fol. 148 f. Vgl. CONRAD, Elsass, S. 169 f. Beispiele aus der Visitation 1554: HEERDEGEN, Kirchenvisitation, S. 160. Dies betraf Zechen, Spielen, Schießen, Tanzen, Spazieren, Bierbrauen, die Mühle benutzen, andere hantierung oder einfach das vor der Kirche Stehen; EKO 1, 1, S. 688 f. Vgl. oben Kap. III.2.1. Allgemein zur Weiternutzung der Gewänder GRAFF, Auflösung, S. 106; PALLAS, Gebrauch. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 113. EKO 2, 2, S. 128. HEERDEGEN, Kirchenvisitation, S. 111. LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5266, fol. 2r; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5259, fol. 7r.
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Chorrockes während der Predigt 1574 nochmals festgeschrieben. 761 1566 beschaffte die Kirchenfabrik von Tautenburg einen Chorrock.762 1579 rechneten die Alterleute von Niederwillingen Zwirn zum Ausbessern eines Messgewandes ab.763 1584 benötigte man in Seebergen Leinwand zum Reparieren eines Chorrockes.764 Das Ende des Untersuchungszeitraumes stellt keineswegs das Ende dieser Entwicklung dar. Noch bis ins 18. Jahrhundert kam es vor, dass Messgewänder verwendet wurden. Daneben existieren Nachweise für die Verwendung von Rauchfässern bis ins 19. Jahrhundert.765 In der bäuerlichen Gesellschaft blieben ebenso Elemente des magischen Glaubens weitverbreitet. Die frühen Visitationen stellten in dieser Frage keinen Einschnitt dar. Zwar wurde seitens der Visitatoren und Superintendenten besonders auf Hellseherei, Zauberei und Ähnliches geachtet, diese Vorstellungen konnten aber nicht beseitigt werden. 766 So entstand 1557 ein großer Disput zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde Nischwitz bei Ronneburg. Der Pfarrer hatte einige Einwohner in den Bann getan, da sie sich der Zauberei und des Wasserlesens bedient hatten, um ein vermisstes Schapel aufzufinden. In diesem Fall verteidigte der Pfarrer seinen Schritt, da er das andauernde Zaubern nicht mehr ertragen habe.767 Ein Dienstädter Kircheninventar aus dem Jahr 1549 kann beispielhaft für die Tatsache stehen, dass keinesfalls alle Pfarrer gegen den ‚Aberglauben‘ wirkten. Die Alterleute vermerkten: Ein alde osterkercz sallen das wachs 761 EKO 2, 2, S. 133. 762 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 89r. 763 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5696, fol. 10r. 764 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2556, fol. 9r. 765 GRAFF, Auflösung, S. 102 f.; BERTRAM, Bilterisleybin, S. 42. Dies ist nicht mit bäuerlichem Traditionalismus zu begründen; Beispiele finden sich auch aus dem städtischen Bereich; BAUMBERG, Arnstadt. 766 Der Weimarer Superintendent berichtete 1560, dass sich fast alle Pfarrer über Zauberei, Kristallsehen u. Ä. beschwerten; LATh–HStA Weimar, EGA. Reg. Ll 841, fol. 5r. Zu den Nachweisen in den Visitationsprotokollen von 1554/1555 und 1569/1570 vgl. HERRMANN, Generalvisitationen, S. 101, S. 134. 767 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 623. Auch in Molschleben gab es Beschwerden und Prozesse zu Zauberei; GEBHARDT, Molschleben, S. 35. Vgl. zu einem aufsehenerregenderen Fall bei Wittenberg 1540 SCHIRMER, Zauberin. Ebd., S. 146 f. auch die Verbindung zu Luther und der sich ausbreitenden Reformation. Im Zuge der Visitation 1529 kam es im Amt Arnshaugk zu einem Fall mit einer blinden Heilerin und Zauberin. Diese wurde in vielen Fällen von der Bevölkerung angesucht, zeigte ihr Handeln gegenüber dem Kurfürsten aber selbst an. Nachdem sie der Visitation fernblieb, sollte der Amtmann sie ausweisen; HERRMANN, Zauberkünstlerin nach LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 415. Vgl. allgemein FÜSSEL, Hexenverfolgungen. Man kann aber keineswegs davon ausgehen, dass alle Einwohner eines Dorfes einen magischen Glauben behielten.
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davon mit vorwissen des pfarners vorkauffen.768 Die Menschen maßen in vorreformatorischer Zeit der Kerze und ihrem Wachs, sowie Gegenständen, die damit in Berührung kamen, eine schützende Wirkung zu.769 Nach der Formulierung des Inventars waren die Dienstädter Alterleute verunsichert, ob sie das Wachs der Osterkerze noch verkaufen dürften. Sie suchten den Rat ihres Pfarrers, der diesen magischen Glauben nicht unterband. Für den Pfarrer des Dorfes Trockenborn lässt sich gar nachweisen, dass er den Alterleuten 1543 eine Osterkerze abkaufte.770 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren Elemente des magischen Glaubens nicht nur in der Mentalität, sondern auch dinglich vorhanden. Von Talismanen und geweihten Gegenständen versprach man sich noch immer schützende Wirkungen. Die Reformatoren gingen an verschiedenen Stellen gegen diese Vorstellungen vor. 771 Für die Bauern erfüllten solche Dinge eine feste Funktion in ihrem Alltag. In ihrem Verständnis bestand kein Widerspruch zwischen magischen Vorstellungen und christlicher Lehre. 772 Bei der Bewertung religiöser Vorstellungen darf der pastorale Aspekt nie unterschätzt werden.773 Wahrscheinlich berührte die Annahme reformatorischer Gedanken selbst solche Vorstellungen viel weniger als das Wirken der Pfarrer, Superintendenten und Visitatoren vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, also fast zwei Generationen nach der Ausbreitung der Reformation, häufen sich die Berichte über das Vorhandensein papistischer Elemente in vielen Regionen. Bei kleineren lokalen Visitationen wurde ebenso wie seitens der Pfarrer vermehrt auf die flächendeckende und geschlossene Umsetzung der Kirchenordnungen geachtet. So stellte der Arnstädter Superintendent Nikolaus Herco bei einer Visitation der schwarzburgischen Unterherrschaft 1556 nicht wenig ungeschicklickeiten und unrichtickeyten […], bey den pfarnern, schulmeystern und gemeinen fast allenthalben fest.774 Aus den Jahren unmittelbar vor 1570 existiert ein Bericht des Pfarrers von Thieschitz bei Gera über die Missstände des gemeindlichen Lebens. Er kritisierte, dass Messgewänder, Geräte und Kleinodien zwar nicht genutzt, aber in der Sakristei verwahrt würden. 768 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 34r. 769 Das Wachs der Osterkerze kann beispielhaft für das sakramentale Denken in der Frömmigkeit dieser Zeit stehen; vgl. FRANZ, Benediktionen, S. 552 f.; SCRIBNER, Magie, S. 256. 770 PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26, fol. 84r. 771 Vgl. aber auch eine reußische Ordnung von 1525; WIESSNER, Naumburg, S. 347. Allerdings ist hinter den Benediktionen etc. nicht nur ein naiver Aberglaube zu sehen. So auch BLICKLE, Hintergrund, S. 26. 772 Vgl. DÜLMEN, Volksfrömmigkeit, S. 19–29. 773 Vgl. SCRIBNER, Volksglaube, bes. S. 121 f. 774 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Sondershausen, 3317, fol. 1r–3r.
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INDIZIEN FÜR ANDERSGLÄUBIGKEIT
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Die Gemeinde wolle es erhalten, da sie sich nicht sicher seien, ob man es „heute oder morgen“ wieder nutzen dürfe. Ebenso gebe es etliche abgöttische Bilder.775 Leichen würden nur auf Brettern bestattet, zum Johannestag gäbe es ein Feuer und die Bauern tanzten und sprangen wie die Kinder.776 So wurde zur Zeit der späteren Visitationen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch erst die Wahrnehmung dafür geschärft, was als falscher Brauch zu gelten hat.777 In Zeiten der Not und bei bestimmten Problemen vertrauten die Menschen auch im Laufe des 16. Jahrhunderts bewährten Bräuchen. Beispielsweise gibt es eine Vielzahl an Berichten, dass das Wetterläuten noch immer verbreitet war. Nur sehr langsam entwickelte sich eine protestantische Frömmigkeit in weiten Teilen der Bevölkerung.778 Die Bedeutung des Generationenwechsels kann bei dieser Frage wohl nicht hoch genug eingeschätzt werden.
11. Indizien für Andersgläubigkeit INDIZIEN FÜR ANDERSGLÄUBIGKEIT
Wie bereits erwähnt, versuchten die Visitatoren in den frühen Visitationen nicht, altgläubige Laien zum lutherischen Bekenntnis zu zwingen. Ausnahmen bildeten einzig die Niederadligen.779 Ihnen wurde wegen ihres Einflusses auf die Bauern und den Pfarrer wohl eine gewisse Multiplikatorenfunktion unterstellt, weshalb in diesen Fällen durchaus sanfter Druck ausgeübt wurde. Nichtadlige Laien mussten keine Rechenschaft über ihren Glauben ablegen, weshalb Altgläubige kaum in den Quellen genannt werden. Vor allem bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts wurden sie meist gar nicht als Problem verstanden. Ihnen wurde innerhalb des jeweiligen obrigkeitlichen Einflussgebietes lediglich die Möglichkeit genommen, ihren Glauben wie gewohnt auszuüben. Die territoriale Zersplitterung des Landes brachte es aber mit sich, dass es Möglichkeiten gab, an katholischen Messen in benachbarten Gebieten teilzunehmen. So wie evangelisch Gesinnte in der Frühzeit der Reformation evangelische Predigten außerhalb des eigenen Ortes besuchten,780 zogen zweifellos auch 775 Vgl. Kap. III.13.5 dieser Arbeit. 776 StAG, III B, 19334, fol. 77v–80r. 777 Der Weimarer Superintendent Bartholomäus Rosinus nennt im Bericht einer Spezialvisitation verschiedene Hochzeitsbräuche. In vielen Orten würden Messgewänder aufbewahrt, falls man sie doch wieder bräuchte; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 841, fol. 3v–4r. Zu Pfingstreiten, Glockenzeichen und dem Umgang mit Schwangeren in der ernestinischen Visitation von 1569/1570 vgl. HERRMANN, Generalvisitationen, S. 134 f. 778 Vgl. WEISS, Grundzüge; VOGLER, Entstehung. Zur Situation im Herzogtum Gotha in der Mitte des 17. Jahrhunderts vgl. ALBRECHT-BIRKNER, Reformen. 779 Vgl. oben Kap. III.7. 780 Vgl. oben Kap. II.2.2.
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römisch Gesinnte zu Gottesdiensten in anderen Orten. Bis 1539 bot sich dafür das albertinische Gebiet oder die schwarzburgische Unterherrschaft an. Es wurde jedoch gezeigt, dass sich auch in den evangelischen Gebieten einzelne papistische Pfarrer noch lange Zeit hielten und adlige Herrschaften ebenfalls eine Zuflucht darstellen konnten.781 Noch längere Zeit blieb etwa die bikonfessionelle Stadt Erfurt ein Ziel; auch in deren Umfeld gab es einige Orte im Landgebiet und vor allem die sogenannten Mainzer Küchendörfer, in denen Messen gehalten wurden. Dass es trotz der Hinwendung des Großteils der Bauern zur Reformation in großer Zahl Menschen gab, die sich vom kirchlichen Wandel abkehrten, kann man an einer Vielzahl Indizien erkennen.782 Im Folgenden sollen Beispiele dargelegt werden, die verdeutlichen, dass die reformatorische Geschichtsschreibung eine ‚Geschichte der Sieger‘ ist und die Sicht auf die zeitgenössische Entwicklung leicht durch die spätere konfessionell geprägte Forschung verstellt wird. Ein erstes Indiz sind Menschen, die nicht am lutherischen Abendmahl teilnahmen. Dabei ist zu bedenken, dass nicht alle Fälle eindeutig auf eine katholische Gesinnung schließen lassen. Über die Gründe, warum die Menschen nicht am evangelischen Gemeindeleben teilnahmen, schweigen die Quellen des Untersuchungsgebietes. Eigentliche Abendmahlslisten existieren für die Frühzeit nicht. Mitunter machten Amtleute auf Bauern aufmerksam, die nicht in die Kirche kamen. 1542 meldete dies etwa der Gerstunger Schosser. Daraufhin wurden Amtmann und Superintendent zu Eisenach angewiesen, die verdächtigen Leute festzustellen und über ihre religiöse Haltung zu befragen. Sollten Irrtümer bestehen, sollten sie christlich unterwiesen werden. Würde es weitere Vorkommnisse geben, müssten die Namen gemeldet werden.783 Denkbar ist, dass es sich bei diesen ‚verdächtigen Leuten‘ um Täufer handelte, auf die die landesherrliche Verwaltung in dieser Zeit häufig ein besonderes Auge warf. Die entstehende Amtskirche ließ mit den staatlichen Mitteln in diesen Jahren den Druck auf ausscherende Laien spürbar ansteigen. Hinzu kam die denunzierende Funktion der Pfarrer.784 1546 stellte der Pfarrer zu Gieba im Altenburger Land fest, dass Gottes Wort zwar seit neun Jahren im Dorf gepredigt werde, dies aber bei etlichen wenig frucht bracht habe. So seien viele in diesen Jahren nie beim Abendmahl gewesen. Man begegne Flüchen und Gotteslästerung.785 Der Pfarrer setzte aus der Sicht seiner praktischen Erfahrung das Fernbleiben von der Kirche 781 Vgl. die Kap. III.2.1 und II.5. 782 Vgl. die Hinweise auf Widerstand gegen die Reformation in fränkischen Dörfern bei DIXON, Transformation, S. 32–34. 783 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1626. 784 Vgl. oben Kap. III.2.4. 785 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2105. Allerdings wurde dieser Pfarrer, Simon Neydeck, in der Visitation 1554 aus einer anderen Pfarrstelle wegen gänzlicher Unwissenheit und pastoraler Unfähigkeit entlassen; THÜRINGER PFARRERBUCH 6, S. 363.
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mit der fehlenden Annahme des lutherischen Bekenntnisses gleich. Darauf, dass dies in vielen Fällen den Tatsachen entsprach, deuten auch die Zeiträume hin. So erschienen im ernestinischen Hohenkirchen bei Gotha etliche Männer seit 1525 nicht bei der Kommunion – also seit dem Jahr, in dem für den ernestinischen Bereich der evangelische Gottesdienst vorgeschrieben war. 786 Die bewusste Abkehr vom Abendmahl als reformatorischem Schlüsselproblem zeigt, dass sich hinter diesem Handeln durchaus theologische Vorstellungen verbargen. Für das Schwarzburger Gebiet ist unter anderem auf den Schultheißen von Siegelbach zu verweisen, der seit den frühen dreißiger Jahren, also seit der schrittweisen Einführung der Reformation unter Graf Heinrich XXXII., nicht beim Abendmahl erschienen war.787 Dass einzelne Bauern die Ablehnung gegen die evangelische Kirche und den lutherischen Gottesdienst auch über einen langen Zeitraum nicht ablegten, zeigen Akten aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Der Pfarrer von Windischleuba verband 1557 einen Bericht an den Altenburger Superintendenten über zwei Bauern, die seit circa 30 Jahren nicht am Abendmahl teilgenommen hatten, mit der Frage, wie er sich verhalten solle, wenn diese stürben.788 In beinahe allen Orten des Altenburger Landes finden sich in diesem Jahr Leute, die wegen der Ausübung der Religion ermahnt wurden. Dabei verbinden die Pfarrer aber sittliche Klagen über den Lebenswandel mit dem fehlenden Empfang der Sakramente zur Feststellung, dass diese Menschen ein gottloses Leben führten. In der Visitation 1569/1570 wurde aus Kapellendorf berichtet, dass im sechsjährigen Schnitt 227 von 306 Abendmahlsberechtigten das Sakrament empfingen.789 Über die religiöse Gesinnung dieser Menschen sagen diese Quellen, mit Ausnahme der genannten Beispiele, in denen Jahrzahlen erwähnt werden, somit kaum etwas aus. Sie zeigen aber, dass es in der bäuerlichen Gemeinde religiöse ‚Ausscherer‘ gab. Dabei konnte es sich gleichermaßen um Katholiken, Täufer oder eben ‚Gottlose‘ handeln. Zu diesen Berichten gesellen sich solche über offene Kritik an der neuen Lehre. So wusste man am Weimarer Hof 1544, dass etliche Einwohner der reußischen Herrschaft Lobenstein von der lere des heiligen Evangelii nicht allein nichts halten
786 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 275v. Allerdings sei darauf verwiesen, dass der Pfarrer in Hohenkirchen erst 1527 wegen seiner alten Zeremonien entlassen werden sollte; vgl. oben Kap. III.2.1. 787 EINICKE, Reformationsgeschichte II, S. 98. 788 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2667, fol. 3r. 789 HERRMANN, Generalvisitationen, S. 138. JADATZ, Land, S. 210, folgerte aus der Erwähnung einzelner „Sakramentsverächter“ einen allgemein schlechten Besuch des evangelischen Gottesdienstes, was wohl kaum haltbar ist.
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sondern auch schmelich und schimpflich In birheusern und sonst davon redenn.790 Sollte sich der Herr von Gera nicht darum kümmern, wolle der Kurfürst selbst Strafen verteilen. Weitere Berichte zeigen, dass es wohl oft der Alkohol war, der die Leute leichtfertig über die religiösen Zustände sprechen ließ. 1560 berichtete ein Kapellendorfer Diakon an den dortigen Schosser, dass sich in Hohlstedt Einwohner uff dem bier hinreißen ließen, höhnische Worte über Gottes Wort zu verlieren.791 In Nauendorf wurde 1571 von Zechgesellen ein Schmählied auf Jesus angestimmt.792 Ein Bauer aus Tünschütz bezeichnete das Abendmahl unter beiderlei Gestalt als Gotteslästerung.793 Auf eine stark zunehmende Zahl negativer Äußerungen zu religiösen Fragen lässt auch die ernestinische Landesordnung von 1531 schließen. Sie stellte verschiedene Formen der Gotteslästerungen – gegen Maria, gegen das Wort Gottes, Schwören und Fluchen bei Gott – unter strenge Strafe.794 Inwiefern sich hinter diesen Gotteslästerungen andere religiöse Vorstellungen verbergen, muss freilich offenbleiben. Sie stellen aber weitere Argumente gegen die Vorstellung einer einträchtigen kirchlichen Gemeinde bzw. für eine vorhandene kirchliche Verunsicherung oder gar Gleichgültigkeit dar. Keineswegs war die Gemeinde geschlossen. Sie blieb eine Herrschaftsebene der fürstlichen Verwaltung. Die führenden Familien vertraten die Gemeinde und ihre kirchliche Haltung nach außen. Nichtsdestoweniger gab es Gruppen in einem Dorf, die sich mit dieser Haltung nicht identifizierten.795 Dazu gehörten auch Katholiken, die sich nach der offiziellen Einführung der Reformation und den ersten Visitationen in den Dörfern hielten. In Töttelstädt bei Erfurt stellten die Visitatoren 1533 fest, dass der Pfarrer einen Teil von Abgaben von Ländereien einer Wüstung nicht erhielt. So halten Ihm die Meintzischen pawern die ahn dem orthe lenderey haben Ir teyl das sie geben sollten fuhr.796 Solche Probleme schilderte auch der Pfarrer von Eckolstädt 1551, also zwölf Jahre nach Einführung der Reformation im albertinischen Gebiet. Die Bauern enthielten ihm seit sechs Jahren 790 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 17. Dabei ist natürlich die recht späte Durchführung der ersten Visitation in der Herrschaft Lobenstein zu bedenken; BURKHARDT, Visitationen. 791 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 422. 792 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 792. 793 WIESSNER, Naumburg, S. 173. Ebd., S. 450 f. weitere Gotteslästerungen in der frühen Reformationszeit. 794 SCHIRMER, Entmündigung, S. 179. 795 Vgl. auch die Beispiele Großrudestedt und Frienstedt im Erfurter Landgebiet, wo es eine evangelische und eine katholische Gruppierung gab; vgl. oben Kap. III.9. Bei relativer Entscheidungsfreiheit entschieden sich einige Gemeinden in Graubünden für und einige gegen die Reformation. Vgl. zu diesem interessanten Beispiel HIPPENMEYER, Nachbarschaft, S. 289. 796 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 309r.
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Zinsen vor, da sie gern den Papismus wieder einrichten würden.797 Wie groß die sozialdisziplinierende Funktion der Gemeinde in solchen Fällen war, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. Wahrscheinlich bestand aber eine größere Gelassenheit all diesen Gruppen gegenüber als in der landesherrlichen Verwaltung. Heterodoxie war wohl ein akzeptiertes Phänomen. Zu den verschiedenen Gruppen, die es in einem Dorf geben konnte, gehörten freilich auch die Täufer.798 Ihre Verbreitung und ihr Wirken lassen sich insbesondere an einigen Führungsfiguren verfolgen. Dazu gehören etwa Melchior Rinck im Werraraum und Hans Römer in Erfurt. Die Täuferbewegung war sehr heterogen und entwickelte sich zunehmend zu einem ländlichen Phänomen.799 Zweifellos entstand die Bewegung vorrangig aus dem Bauernkrieg und der Enttäuschung über den Verlauf der Reformation nach 1526 in Teilen der Bevölkerung. Beispielhaft ist das Wirken des Bauern Klaus Ludwig aus Tüngeda bei Gotha. Dieser hatte keine Schule besucht, als Autodidakt aber die Bibel lesen können. Darüber kam er zunehmend in täuferische Kreise und weigerte sich 1543, sein Kind taufen zu lassen. Die Herren von Wangenheim, denen Tüngeda unterstand, ließen ihn von Myconius verhören. Er verwarf die Kindertaufe, bestand darauf, dass der Glaube allein nicht genüge, die Vergebung der Sünden zu erlangen, und sah im Abendmahl nur ein Gedenkzeichen für die Leiden Christi.800 Nach einer zwischenzeitlichen Flucht wurde er verhaftet. Welche Bedeutung die Bewegung für den weiteren Verlauf der Reformation auf dem Land hatte und wie sich das Leben der Täufergruppen in den Gemeinden gestaltete, konnte an dieser Stelle nicht untersucht werden. Charakteristisch waren die Diaspora und die strenge Verfolgung durch die Obrigkeit. Bei diesen Begriffen wie ‚Schwärmer‘ oder ‚Papist‘ handelt es sich um Fremdbezeichnungen. Keineswegs waren diese Gruppen in sich geschlossen. Viele Menschen dürften sich einen eigenen Glauben gebildet haben. Einen ‚Menocchio‘ hat es wohl auch in manchem thüringischen Dorf gegeben.801 Ein 1584 hingerichteter Schafknecht aus Lauterbach in Westthüringen glaubte an zwei Meister. Ihm zufolge sei der gute Meister für die ewige Welt zuständig, der
797 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2277, fol. 12r. Zur Quellenkritik dieser Supplik vgl. Kap. III.2.4. 798 Vgl. die trotz ihres Alters noch immer grundlegende und quellenreiche Arbeit WAPPLER, Täuferbewegung. 799 Vgl. dazu die grundlegende Arbeit CLASEN, Anabaptism. GOERTZ, Täufer, S. 43–75, versuchte v. a. eine Verbindung zum vorreformatorischen Antiklerikalismus zu schlagen. 800 WAPPLER, Täuferbewegung, S. 182–184 nach LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. N 1029. 801 Vgl. den Klassiker der Kulturgeschichte, in dem Carlo Ginzburg die Vorstellungswelt des italienischen Müllers Menocchio anhand dessen Äußerungen entwirft; GINZBURG, Käse.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
böse Meister habe die Menschen und die Obrigkeit erschaffen. Jesus sei nicht Gottes Sohn und sei nicht auferstanden.802 Auf keinen Fall darf man sich die Bauern streng in Altgläubige und Protestanten eingeteilt vorstellen. Auch das Problem eines eventuellen Atheismus in der frühneuzeitlichen Gesellschaft ist von der Forschung bisher ungenügend behandelt.803 Auf der anderen Seite gab es natürlich Gebiete und einzelne Orte, in denen das kirchliche Leben weiterhin ohne erkennbare reformatorische Einflüsse ablief. Großmonra, der gemeinsame Besitz der beiden großen Erfurter Stifte, war solch ein Ort. Hier wurde 1546 das Salve Regina abgehalten und das Altargerät gepflegt,804 obwohl das Dorf 1540 zur Superintendentur Weißensee geschlagen worden war und Bugenhagen im selben Jahr einen Pfarrer für das Dorf in Wittenberg ordinierte.805 1541 stellte der Mühlhäuser Senat fest, dass alle Dörfer der Stadt außer der Dörfer der Vogtei noch in einem papistischen unchristlichen Wesen verharren würden. Daher forderten die Wettiner eine Visitation, die solche Missbräuche abstellen sollte.806 Diese fand in der Folge statt.807 Allerdings können diese Visitation und ihre Konsequenzen in den folgenden Jahren keinen durchschlagenden Erfolg gehabt haben. Als Beispiel für die unvollständige reformatorische Entwicklung kann eine Kirchenrechnung von Ammern aus dem Jahr 1563 dienen. In diesem Jahr wurde ein Messgewand geflickt und Weihrauch angeschafft. Wären diese beiden Posten durchaus auch in einer ernestinischen Dorfkirche dieser Jahre denkbar, waren es der Erwerb von Chrisam, das Anfertigen einer Osterkerze und das Abhalten eines Salve Regina nicht.808 In Ammern zeigt sich, dass die obrigkeitliche Durchsetzung der Reformation im Mühlhäuser Landgebiet nicht zwingend genug ablief. Dafür war die staatsrechtliche Stellung Mühlhausens als Reichsstadt unter starkem Einfluss des hessischen Landgrafen und der Wettiner verantwortlich. Dass dies direkten Einfluss auf die religiösen Verhältnisse vor Ort haben konnte, zeigt beispielhaft ein Vorgang aus Eigenrieden aus der Zeit des Interims. 1549 schrieb Kaiser Karl V. aus Brüssel an die hessischen Befehlshaber in Eschwege. Es sei zu ihm gedrungen, dass diese unter dem Deckmantel des Patronatsrechtes in dem Dorf die Durchführung der Predigt nach dem Augsburger Interim verhinderten. Allgemein sollten sie die Mühlhäuser nicht an der Umsetzung des Interims hindern.809 802 803 804 805 806 807 808 809
Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 88. Vgl. HÖLSCHER, Frömmigkeit, S. 83 f. und Anm. 23. BAE, Marienstift, VII, e 4, 4, Vol. 1, fol. 9v, 15v. STRUEMPFEL, Großmonra; PFARRERBUCH KPS 8, S. 133. StAM, 10, E 6, Nr. 5, fol. 34 f. Vgl. NEBELSIECK, Mühlhausen. StAM, 239/1b, Bd. 1, fol. 6r, 13r. StAM, 10, Venus, 1c Eigenrieden, 4c.
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Es wurde bereits gezeigt, dass diese schwankende Durchführung der Reformation ebenso für einige Orte des Erfurter Landgebietes nachgewiesen werden kann. Hier zeigte sich auch der Einfluss der existierenden Klöster in stärkerem Maße. In Alach, wo das Erfurter Peterskloster einen Hof unterhielt, wirkte noch im 17. Jahrhundert ein Mönch des Klosters als katholischer Priester neben dem evangelischen Geistlichen des Ortes.810 Durch solche Einflüsse wurden weiterhin katholische Interessengruppen in einigen Dörfern ermöglicht und die Gelegenheit zur Ausübung der Religion blieb gewahrt. Keineswegs bedeutet dies unbedingt, dass diese Gemeinden katholisch waren. Es zeigt lediglich die Form der Umsetzung des kirchlichen Lebens vor Ort. Die besten Beispiele für diesen Gegensatz stellen sodann die sogenannten Mainzer Küchendörfer im Erfurter Umland dar. Melchendorf, Dittelstedt, Daberstedt, Hochheim und andere waren spätestens seit dem 12. Jahrhundert direkt dem Mainzer Hof in Erfurt unterstellt und dienten unter anderem der Versorgung seiner Tafel. Bei Anwesenheit des Erzbischofes und seines Gefolges in Erfurt mussten sie auch deren Versorgung sicherstellen.811 Im späteren Mittelalter gehörten sie zum Aufgabenkreis des Amtes des Küchenmeisters im Mainzer Hof, der auch die Eide der Dorfämter entgegennahm und deren Rechnungen kontrollierte.812 Von den ursprünglichen Küchendörfern konnte der Erfurter Rat spätestens im 14. Jahrhundert zwei seinem Landgebiet einverleiben, dafür erwarb der Erzbischof im 13. Jahrhundert das Dorf Witterda. 813 Die Küchendörfer blieben über das gesamte Spätmittelalter unter engem Einfluss der Mainzer Verwaltung. Im 16. Jahrhundert lagen sie inmitten des Erfurter Landgebietes und der ernestinischen Besitzungen, sodass sie für die Ausbreitung der Reformation einen exzellenten Untersuchungsgegenstand darstellen.814 Trotz des engen Mainzer Einflusses zeigt sich in den Dörfern bereits früh eine Rezeption reformatorischer Gedanken. In dem sogenannten Engelmannbüchlein, Aufzeichnungen eines Mainzer Küchenmeisters, findet sich folgende Beschreibung eines Wechsels im Amt des Wiesenmeisters zu Hochheim in den frühen 1520er Jahren: Item. Zu dem wiesenmeisterampt hot man eynen zu Hocheim gehabt, Hans Wettich gnant, derselbe ist luterisch vnd boesz meintzisch worden; hot mein gnedigster her eynen getrewen alten diener darzu verordnet […].815 Wenngleich diesem Nachweis keine 810 BERTRAM, Bilterisleybin, S. 39. 811 KLAUS, Küchendörfer, S. 13–25. 812 DOMINIKUS, Gebiet, S. 154 f. Die Patronatsrechte der Pfarreien in den Dörfern standen wohl dem Erzbischof zu. Es ist wahrscheinlich, dass sie in vielen Fällen vom Küchenmeister wahrgenommen wurden; vgl. die Ortseinträge bei BÜNZ, Klerus II, insbesondere S. 441. 813 Vgl. BERTRAM, Bilterisleybin, S. 10–21. 814 Vgl. BRODKORB, Engelmann. 815 Zitiert nach MICHELSEN, Hof, S. 45.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
weiteren zur Seite gestellt werden können, kann man anhand der Entwicklung in den umliegenden Gemeinden auch für die Küchendörfer eine Aufnahme reformatorischen Gedankengutes in Teilen der Bevölkerung zugrunde legen. Zweifellos hielt sich in den nächsten Jahrzehnten eine evangelische Gruppe in diesen Orten. Aus Witterda existiert ein Bericht eines neuen Pfarrers. Nach der Amtsübernahme verweigerten ihm die Bauern die Abgaben, da sie ihren Pfarrer wählen wollten und einen nach der nuwen weyße haben wollten. Der Pfarrer floh nach Erfurt in den Mainzer Hof, während die Bauern Strafandrohungen ignorierten und das Pfarrhaus verwüsteten. Gottesdienste ließen sie durch Geistliche aus umliegenden Dörfern halten. Nach einem geschlossenen Kompromiss sollte der Pfarrer Messe und Frühmesse abhalten, zu der allerdings kein Einwohner erschien. Man besuchte stattdessen die Predigten eines verheirateten ehemaligen Mönches. Die mainzischen Amtleute waren gegen diese Vorgänge machtlos.816 Was sich liest, wie die Beschreibung von Ereignissen aus den frühen 1520er Jahren, ereignete sich in dem Küchendorf im Jahr 1545. Die Zurückhaltung der Mainzer Obrigkeit aus den Anfangsjahren der Reformation schlug sich in diesen Dörfern noch Jahrzehnte später nieder. Auch aus den Jahren 1557 und 1577 gibt es Hinweise auf starke evangelische Einflüsse.817 Die Küchendörfer stellten jedoch durch ihre direkte Unterstellung unter Mainz eindeutige Exklaven dar. Dies führte etwa dazu, dass im Schmalkaldischen Krieg spanischsprachige Warnschilder an den Ortseingängen aufgestellt wurden, um Plünderungen durch kaiserliche Truppen zu verhindern.818 Doch wie sah das kirchliche Leben in den Dörfern im 16. Jahrhundert aus? Durch eine Vielzahl erhaltener Kirchenrechnungen aus Melchendorf, Hochheim und Witterda kann man diese Frage recht sicher beantworten. In Melchendorf wurden 1544 Begängnisse abgehalten sowie eine Osterkerze und Weihrauch angeschafft. 1550 finden sich Ausgaben für den Johanneswein, im darauffolgenden Jahr wurde Chrisam erworben und es wurden Jahrgedächtnisse abgerechnet. 1564 ging man mit dem Pfarrer eine Prozession um das Dorf.819 Ausgaben für Umgänge finden sich ebenfalls in Hochheim. Weiterhin ging der Pfarrer mit dem Kreuz nach Erfurt und die Frauen des Dorfes nahmen nach alter gewoheit wie die Alterleute an einer Prozession in der Kreuzwoche in das Küchendorf Daberstedt teil. In Hochheim gab es ebenfalls eine Osterkerze und die Tradition des Johannesweins wurde durchgeführt. Die Vasa Sacra der Kirche 816 JANSON, Witterda, S. 52 ff.; WEISS, Bürger, S. 258 f. Ähnliches ereignete sich wohl bereits in den Jahren 1537 bis 1539, als Andreas Blumenschein/Blumenstein lutherische Gottesdienste im Ort abhielt und trotz Protesten der Gemeinde entfernt wurde; PFARRERBUCH KPS 1, S. 404. 817 BEYER/BIEREYE, Erfurt, S. 457; JANSON, Witterda, S. 55. 818 ALBERTI, Reformation, S. 50; BEYER/BIEREYE, Erfurt, S. 428. 819 BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 59.
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holten die Alterleute 1561 aus dem Mainzer Hof in Erfurt, was die enge Beziehung zur erzbischöflichen Verwaltung zeigt. Diese war freilich in erster Linie rechtlich bedingt; die Kirchenrechnung wurde vom Siegler und vom Küchenmeister des Mainzer Hofes kontrolliert. Weiterhin wird eine liturgische Beziehung zum Zisterzienserinnenkloster an der Erfurter Kirche Martini extra deutlich. In den sechziger Jahren wurden Jahrgedächtnisse in der Kirche abgehalten und der Fronleichnamstag festlich begangen.820 In Witterda finden sich in den Kirchenrechnungen der 1550er und 1560er Jahre ebenfalls Hinweise auf die Art des kirchlichen Lebens. Es wurden Weihrauch, Chrisam und eine Osterkerze bezahlt. 821 Wie in den anderen Dörfern finden sich Ausgaben für den Johanneswein und eine Prozession am Markustag. Anscheinend wurde auch ein Ziborium bei der Krankensalbung verwendet. Dass in Witterda auch vor der einsetzenden Gegenreformation im Mainzer Erzbistum Gottesdienste nach römischem Ritus abgehalten wurden, zeigt eine Supplik eines Mühlhäuser Bürgers. 1548 wandte sich Claus Gyße aus Mühlhausen an die Richter des geistlichen Gerichtes in Erfurt. Er beklagte sich darüber, dass der Mühlhäuser Rat seine Ehe mit der Mühlhäuserin Ottilie Keule nicht bestätigen wollte. Dabei hatte der Siegler sie bereits gestattet; und sie wurden von einem priester In bey seynn vil fromer leuthe offentlich in der Kirche zu Witterde getraut.822 Der Siegler schrieb an den Mühlhäuser Rat und verlangte, dass dieser sich der Ehe nicht wiedersetze und sich prinzipiell nicht die Ehegerichtsbarkeit anmaßen solle.823 Da sich protestantische Bürger kaum an das geistliche Gericht gewandt hätten, kann man davon ausgehen, dass es sich bei diesen Mühlhäusern um Katholiken handelte. Somit zeigt die Quelle, dass das Küchendorf Witterda eine altgläubige Zuflucht darstellte, in der auch Auswärtige römische Sakramente empfangen konnten. Trotz unzweifelhafter evangelischer Einflüsse und eines wohl recht großen Anteils an Protestanten unter den Einwohnern zeigen die Kirchenrechnungen deutlich, dass sich in den Küchendörfern kein öffentliches evangelisches Leben durchsetzen konnte. Der Herrschaftseinfluss war durch Patronatsrechte und weltliche Rechte zu groß. Zweifellos blieb ein vergleichsweise großer Teil der Einwohner römisch gesinnt. In den Dörfern wurden katholische Priester eingesetzt, was dazu führte, dass auch römische Laien aus anderen Gebieten in die Küchendörfer kamen. Die Küchendörfer stellen, wie eingangs beschrieben, einen sehr interessanten Untersuchungsgegenstand dar. Zwar bestanden in den Dörfern herrschaftliche Rechte des Erzbischofes und der erzbischöflichen Verwal820 821 822 823
BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 10. BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 89v. StAM, 10, E 6, Nr. 13, fol. 3r–3v. Ebd., fol. 1r–2r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
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tung in Erfurt, es kam jedoch bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts zu keinem solch starken obrigkeitlichen Eingreifen wie in den umliegenden fürstlichen Gebieten. Als Konsequenz setzten sich lutherische Ideen in weiten Teilen der Bevölkerung durch, während die Dörfer gleichzeitig altgläubige Zufluchten bleiben konnten.
12. Der Klingelbeutel DER KLINGELBEUTEL
Im Folgenden soll die Organisation der Almosen als ein möglicherweise evangelisches Element diskutiert werden, das sich in den Dörfern zunehmend in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausformte. In vorreformatorischer Zeit finden sich in den Kirchenrechnungen der Dörfer kaum Ausgaben für Arme. Almosen wurden aber als Elemente von Stiftungen gereicht, in vielen Dörfern gab es auch größere Spendenaktionen.824 Durch die Abkehr von der leistungsorientierten Frömmigkeit mit Ausbreitung der Reformation brachen mit den Spendengeldern an die Kirchen aber auch diese Gaben aus der Bevölkerung ein.825 Zwar wurde bei der Umwandlung der Stiftungsvermögen in einigen Fällen auch der Armen gedacht, dies konnte auf das gesamte Land gesehen aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein bleiben.826 Es waren einzelne Zahlungen, wie im Falle einer Armen in Marksuhl, die ein Schock Groschen aus einer elterlichen Stiftung erhielt,827 oder Spendeneinrichtungen in größeren Dörfern profitierten. In der Folge musste somit eine Organisationsform der Fürsorge für alle Dörfer gefunden werden. Dabei kam es seit den 1530er Jahren vereinzelt zur Einführung Gemeiner Kästen. Dieses Element setzte sich aber nicht prinzipiell in den Dörfern durch. In den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts begann sich aber der Klingelbeutel territorienübergreifend in den thüringischen Dorfkirchen durchzusetzen. 1565 heißt es zur Einführung des Klingelbeutels in Roben bei Gera: [H]at das Gottshaus tzu Roben ein Secklin In der Kirchen damit die Alterleute alle Sontage und Feiertage under der predigt herumb gehen und die almosen von einem Jeden In sunderheit was derein legeth samleth und es alsdem bald In den verschlossenen stock der Ihn stehet thun. Wilche almosen fur dem Rechenstage heraus
824 825 826 827
Vgl. oben Kap. I.4.5. Vgl. oben Kap. II.2.1. Vgl. oben Kap. III.4. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 25r.
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DER KLINGELBEUTEL
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genummen und Ihn beysein des pfarherns getzalt und von den Alterleuten was des getragen am Rechentage uber antwortet und ordentlich von Ihnen berechnet worden.828
Nach dieser Beschreibung waren die Alterleute der Kirchenfabrik für das Einsammeln in der Kirche und die Aufbewahrung der Erträge verantwortlich. Diese waren fester Bestandteil der Rechnungslegung. In den ersten beiden Jahren wurden in Roben je 78 Groschen gesammelt.829 In der ernestinischen Visitation 1569/1570 sollten die Alterleute gefragt werden, ob sie mit dem beutel für die armen auch almosen samlen; wie sie soliches austeilen.830 Dies machte sich in der Folge bemerkbar, da es wohl bisher keineswegs verbreitet war. Bereits in den Protokollen musste mehrfach die Anschaffung eines Säckleins für die Armen befohlen werden. 831 Die Umsetzung dieser Beschlüsse in den Dörfern lässt sich in den Kirchenrechnungen zeigen: In Mittelhausen wurde in der Rechnung 1571 zu einem neuen Konto vermerkt: Einnahm an gelde auß dem Klingen segklein von den hern visitatoribus also geordnett unde am 16. Sontag nach Trinitatis Im Ihar Anno dni 1570 angefangen. Wurden am ersten und zweiten Sammeltag über neun Groschen erzielt, pegelte sich der Ertrag in der Folge auf drei bis fünf Groschen pro Sammlung ein. 832 Im ersten Jahr wurden die höchsten Sammlungsergebnisse zu Ostersonntag, Weihnachten, Pfingsten, Neujahr, Ostermontag und Himmelfahrt erzielt.833 Auf der Seite der Ausgaben dieser Rechnung werden nun auch Spenden an arme Männer aus anderen Dörfern aufgeführt. Neben diesen umherziehenden Bettlern erhielten aber auch die Einwohner von Apolda nach einem Brand eine milde Gabe aus Mittelhausen.834 Im Folgejahr vergrößerte sich das Herkunftsgebiet dieser Armen, die im Dorf Spenden emp-
828 PfA Roben, 39, Kirchenrechnungen 1558–1610, fol. 31v. Verfügungen der Kirchenordnungen der reußischen Gebiete für den Klingelbeutel lassen sich nur für die Stadt Lobenstein im Jahr 1543 feststellen. Hier sollte zu allen Sonn- und Feiertagen in der Kirche gesammelt werden, da die Armut in der Stadt die Einrichtung eines Gemeinen Kastens verhindere; EKO 1, 1, S. 152. 829 Ebd. sowie fol. 32r. Allerdings findet sich in der Abrechnung in einem Visitationsprotokoll für 1566 der Ertrag von 150 Groschen aus dem Klippersecklin. Wie dieser Unterschied zu erklären ist, muss offenbleiben; StA Gera, III B, 19334, fol. 13v. 830 EKO 1, 1, S. 247. 831 HERRMANN, Generalvisitationen, S. 140. 832 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3164, fol. 8r–9v. In diesem Jahr wurde auch ein Schneider für das Anfertigen des Säckleins entlohnt; ebd., fol. 17r. 833 Ebd., fol. 8r–9v; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3166. Zum Vergleich sei auf verschiedene Ergebnisse von Sammlungen in vorreformatorischer Zeit verwiesen: vgl. Kap. I.3.2; SLADECZEK, Pfarrkirchen, S. 212 für die Arnstädter Bonifatiuskirche; PETKE, Oblationen, S. 51 für die Göttinger Johanniskirche. 834 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3164, fol. 14r–15r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
fingen, deutlich. Nunmehr kamen sie aus dem Vogtland oder aus dem Mansfeldischen und es finden sich auch vertriebene Pfarrer unter ihnen.835 Dass die Einrichtung des Klingelbeutels im gesamten ernestinischen Gebiet eindeutig auf diese Visitation zurückzuführen ist, zeigt der Vergleich mit anderen Dörfern. In Riethnordhausen wurden im selben Rechnungsjahr zwey Klingell seckel für die Kirche angeschafft.836 Hier wurde zwei Wochen später als in Mittelhausen mit den Sammlungen begonnen, die höchsten Erträge wurden ebenfalls zu Ostern, Weihnachten und Neujahr erzielt.837 Die anderen Ergebnisse sind gleichsam deckungsgleich, es finden sich auch viele durchziehende Bettler. Für andere ernestinische Dörfer kann die Durchsetzung dieses Prinzips ebenfalls für diese Jahre festgestellt werden. In Lippersdorf bei Stadtroda wurden ab 1570 Ausgaben für arme Leute und Bettler genannt.838 Gleiches gilt für Tautenburg, wo 1570 erstmals ein armer Mann umb gottes willen zwei Groschen erhielt,839 und Dienstädt.840 In Ammerbach lässt sich die Entstehung aus den erhaltenen Kirchenrechnungen auf die Jahre zwischen 1567 und 1589 einschränken, die Analogie zu den anderen Dörfern spricht ebenfalls für das Jahr 1570.841 In all diesen Dörfern nennen die Rechnungen der folgenden Jahre sehr typische Empfänger dieser Spenden.842 Zu diesen Gruppen gehörten kranke Frauen, die ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten konnten,843 Einwohner anderer Städte und Dörfer, die durch Brände ihren Besitz verloren hatten,844 und umherziehende Bettler, die sich wiederum verschiedenen Motiven zuordnen lassen. Eine wichtige Gruppe stellten dabei die vertriebenen Pfarrer. Ob es sich in den einzelnen Fällen tatsächlich um Pfarrer handelte, die wegen ihres Glaubens ein anderes Territorium verlassen mussten, kann freilich nicht aufgelöst werden. Auf jeden Fall zeigen diese Fälle, dass man in den Dörfern Erzählungen von vertriebenen Pfarrern kannte und es in der Zeit der Konfessionalisierung als selbstverständliche Aufgabe ansah, Menschen, die 835 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3166, fol. 15r. 836 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3175, fol. 13r. 837 Ebd., fol. 16r. Auch für Ringleben können ebendiese Punkte in der Rechnung des Jahres 1571 festgestellt werden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3184, fol. 4v. 838 PfA Lippersdorf, 121/8, S. 97 ff. 839 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 96v. 840 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.4.D.3, fol. 60v. 841 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602v, fol. 158v ff. 842 Vgl. MÖTSCH, Spenden, S. 437–448 zu tatsächlichen und vermeintlichen Opfern von Katastrophen und tatsächlichen und vermeintlichen Glaubensflüchtlingen. 843 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602, Kirchenrechnung 1597. 844 Ebd. gab es Spenden für die „verbrannten Leute von Großschwabhausen“.
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DER KLINGELBEUTEL
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zur Verteidigung des evangelischen Bekenntnisses eigene Nachteile in Kauf genommen hatten, zu helfen. So gaben die Alterleute von Tautenburg 1574 drei Groschen an einen armen vertriebenen pfarher. 845 Den größten Teil stellten aber Einwohner des eigenen Dorfes und nahegelegener Orte. Die Alterleute von Dienstädt gaben 1571 unter anderem ein oder zwei Groschen an einen Aussätzigen aus dem Altenburger Land, einen „Abgebrannten“ aus Oppurg und an den „großen Heinz“ aus dem eigenen Dorf.846 Die Verbreitung des Klingelbeutels und dieser Form der Armenfürsorge kann auch für die anderen thüringischen Herrschaftsgebiete für einen ähnlichen Zeitraum festgestellt werden. In Dörna im Mühlhäuser Landgebiet finden sich erstmals 1575 Gaben einem armen man umb gottes willen.847 In Görmar bei Mühlhausen finden sich im selben Jahr Zahlungen an einen Pfarrer, den angeblich die Moskowiter vertrieben hatten, und einen Pfarrer, der der reinen lehr halbern aus einem Stift ausgeschlossen wurde.848 Im schwarzburgischen Niederwillingen finden sich nach einer Überlieferungslücke Einnahmen aus dem Klingelbeutel ab 1588.849 In einem nicht genau zu datierenden Fragment einer Kirchenrechnung aus diesem Zeitraum finden sich neben Almosen für Arme aus der Umgebung auch solche für arme vertriebene exulantcz.850 Almosen aus Gemeinen Kästen gab es in einigen Dörfern auch bereits in früheren Jahren. Ein Beispiel bildet die Kirchenrechnung von Gehren aus dem Jahr 1557.851 Anhand des Gehrener Kastens lässt sich zeigen, dass die Kästen in den Dörfern, sofern ihr Kapital ausreichte, auch die Funktion einer dörflichen Kreditkasse übernehmen konnten, wie sie bereits in vorreformatorischer Zeit für die Kirchenfabriken typisch war.852 Die Kirchenfabriken konnten sich auch für einzelne Kranke aus der Gemeinschaft verantwortlich zeigen. Die Alterleute von Langewiesen gaben Peter Roth 1561 Geld für eine Wegzehrung, da er an der Lepra erkrankt war und deshalb nach Nürnberg zog.853 Dass die Dorfkirche und ihre Verwaltung in der 845 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 111v. 846 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.4.D.3, fol. 71r. 847 StAM, 239/4b, Bd. 1, fol. 18v. 848 StAM, 239/8b, Bd. 1, fol. 35r, 36v. 849 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5698, fol. 8v. 850 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5701, fol. 14r. 851 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4336, fol. 5r. Die Einrichtung von Kästen auch in Dörfern wurde verschiedentlich von den Instruktionen vorgesehen. Geistliche Lehen und andere Stiftungen sollten so den Armen zugutekommen. Z. B. bereits 1527 für das ernestinische Gebiet: EKO 1, 1, S. 146. Zur Einrichtung Gemeiner Kästen und deren Verbreitung in den Dörfern zukünftig MANDRY, Armenfürsorge. 852 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4339, fol. 5r ff. Zu den Krediten der Kirchenfabriken in vorreformatorischer Zeit vgl. oben Kap. I.3.6. 853 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5259, fol. 6v.
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entstehenden evangelischen Kirche auch eine stärkere sozialkontrollierende Funktion innerhalb der Dörfer übernahm, zeigt auch ein Fall aus Meura aus dem Jahr 1563: Hans Sorge soll seinen Vater mitt Claidung und Kost unterhalten, Er gebe Ihm aber also das er widder Kleidung nach schue hat, dadurch er vorhinderet werde, zu Kirchen zugehen und die Sacramenta zubrauchen Ist ein Unchrist Verachten der Sacramenta.854
Die Alterleute achteten immer stärker auf die Situation der einzelnen Dorfbewohner. Sie wiesen die Familien an, für ärmere Angehörige zu sorgen. Fehlende Fürsorge wurde als unchristlich definiert. Konnte die Fürsorge nicht von Angehörigen geleistet werden, versuchte man sie anderweitig zu organisieren. In Roben erhielt eine alte Schäferin Geld von der Kirchenfabrik, die zwei arme Kinder aufgenommen hatte.855 Die Fürsorge in den Dörfern musste durch den Zusammenbruch der kirchlichen Finanzen im Zuge der frühen Reformation schrittweise umstrukturiert werden. Almosen wurden in dieser Entwicklung immer stärker zu einem Element der entstehenden evangelischen Frömmigkeit. Sie gehörten zu einem frommen, rechtschaffenen Leben, wie etwa auch die Inschrift an der Kirchhofsmauer von Wundersleben aus dem Jahr 1581 formuliert: Kirchen gehen seumet nich almos geben armut nich unrecht gut fasel nit.856
13. Der Wandel an und in den Kirchen DER WANDEL AN UND IN DEN KIRCHEN
13.1. Vasa Sacra Durch die vielen Stiftungen und Schenkungen der Vorreformationszeit befand sich selbst in ärmeren Dorfkirchen oft eine Vielzahl an Vasa Sacra, anderer Altarausstattung, Paramenten und Ähnlichem. Neben dem eigentlichen Bestand der Kirchenfabrik sind dabei auch die Kleinodien der Bruderschaften und die Ausstattungen der Seitenaltäre zu bedenken. Es wurde bereits auf die steigenden Kirchendiebstähle in der Zeit der Frühreformation aufmerksam gemacht.857 Diese Entwicklung hielt auch in den späten 1520er und den 1530er Jahren an. Das kirchliche Leben lag vielerorts darnieder, weshalb auch die Aufsicht über die Kirchengebäude zu wünschen übrig ließ. Der Vergleich zwischen ernestinischem und albertinischem Gebiet zeigt dabei aber deutlich den Einfluss der Visitationen. Diese stellten im ernesti854 855 856 857
LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2560, fol. 4r–5r. PfA Roben, 39, fol. 44v. Zitiert nach OTTE/SOMMER, Weißensee, S. 68. Vgl. oben Kap. II.3.
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nischen Gebiet nur an wenigen Stellen Diebstähle nach dem Bauernkrieg fest. 1533 wurde festgestellt, dass inzwischen ein Kelch in Kleinrudestedt gestohlen worden war. 858 Während in diesem Fall eine eindeutige zeitliche Einordnung nicht möglich ist, wurden in Cospeda Kelch und Geschmeide ein Jahr vor der Visitation entwendet.859 In der Zeit nach den ersten Visitationen gab es nur noch wenige einzelne Kirchendiebstähle, wie dies auch in vorreformatorischer Zeit vorkam. Ein Beispiel bietet der Diebstahl des Kelches der Kirche von Hörselgau im Jahr 1557. Der Amtsschreiber des Amtes Tenneberg berichtete an den Weimarer Hof, dass der Pfarrer das Fehlen des Kelches beim Abendmahl am Tag Johannes des Täufers feststellte. Sofort kamen Gerüchte auf, da die Schlösser der Kirche und der Sakristei nicht zerstört waren: Der Kirchner des Dorfes wurde verdächtigt. Die Einzelteile des Kelches wurden bei einem Arnstädter Goldschmied aufgefunden.860 Im Gegensatz zu diesen Einzelvorgängen zeigt die Vielzahl der Diebstähle in den albertinischen Kirchen, dass dort zwischen dem Bauernkrieg und den ersten beiden Visitationen in vielen Orten die kirchliche Aufsicht gering war. Die Visitationen 1539 und 1540 stellten in vielen Kirchen Diebstähle und Einbrüche in den zurückliegenden Jahren fest. In Kranichborn war die Kirche aufgebrochen worden.861 In Henschleben wurde vermerkt: Dieße Kirche ist beraubt.862 In Oberbösa blieb nach einem Raub nur ein kupferner Kelch im Ort vorhanden.863 1588 beschaffte die Gemeinde daraufhin einen neuen Kelch, wovon die Inschrift berichtet: OBERNBESA * DIE GANZE * GEMEINDE DA * SELBST * HAT * DIESEN * KELCH * MACHEN * LASSEN * IM * IHARE * CHRIST * 1588. Dass sich diese Diebstähle nicht erst in der letzten Zeit vor den ersten Visitationen abspielten, zeigen verschiedene Briefe Herzog Georgs. Im Mai 1533 schrieb er an alle Amtleute. Nachdem ann viell orthen der Teuffell seynen sahmen alß manchfeltig außgeseth hath, seien viele Kirchen aufgebrochen worden. Dabei wurden Silber, Geschmeide und Sakramentsgefäße zerschlagen oder geraubt. Die Amtleute sollten alle Goldschmiede anhalten, nichts Verdächtiges anzunehmen. Die Diebstähle setzte Georg mit einer Gotteslästerung gleich.864 Dass diese Verfügung nur wenig nutzte, zeigt ein Schreiben aus dem Oktober 1536, in dem Georg feststellte, dass sich die Diebstähle im Erzgebirge mehren und die Goldschmiede Stücke aus den Kirchen leichtfertig aufkauften.865 858 859 860 861 862 863 864 865
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 51v. Ebd., fol. 126r. Die komplette Akte unter LATh–StA Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 4z. LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 47v. Ebd., fol. 53v. Ebenso in Wohlsborn: ebd., fol. 203r. Ebd., fol. 63v. ABKG III, Nr. 2254, S. 592. ABKG IV, Nr. 3098, S. 359 f.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Am Beispiel eines Kirchenraubes in Schwerstedt bei Straußfurt wird eine weitere Gegenmaßnahme deutlich. Zwar mussten die Verdächtigen mangels Beweisen wieder freigelassen werden. Die entwendeten Stücke sollten aber diejenigen ersetzen, die die Kirche bewachen sollten und dies nicht erfüllt hatten.866 Nach den Visitationen sanken die Zahlen der Diebstähle aus den Kirchen anscheinend wieder deutlich. In den folgenden Jahren lässt sich nur ein Fall feststellen, der eventuell auf einen Diebstahl zurückzuführen ist. In Steudnitz wurde 1549 ein neuer Kelch angeschafft, da der vorherige verloren gegangen war.867 Diese besondere Vielzahl der Kirchendiebstähle im albertinischen Gebiet in den 1530er Jahren ist auffällig. Von herzoglicher Seite wurde auf verschiedenen Wegen versucht gegenzusteuern. Zunächst wurden die Amtleute zu besonderer Achtung angewiesen, parallel aber Wachen für die Kirchen organisiert, die sich wohl aus der jeweiligen Gemeinde rekrutierten. Die Visitationen waren vor allem im ernestinischen Gebiet noch aus anderen Gründen wichtig für den Umgang mit den Vasa Sacra. Zunächst wurde vielen Gemeinden auferlegt, den Verkaufserlös von Kleinodien der Kirche zu erstatten, wenn sie diese im Bauernkrieg verkauft hatten. In Hörselgau handelte es sich um eine Summe in Höhe von 88 Schock Groschen, die unter anderem für eine Monstranz und einen Kelch erstattet werden sollte.868 In Schmölln bei Hummelshain hatten die Bauern einen Kelch verkauft und sollten im Jahr 1533 einen neuen anschaffen.869 Neben den Kosten für den Bauernkrieg werden auch andere Gründe genannt, warum Gemeinden in den 1520er Jahren Kleinodien aus der Kirche absetzten: In Tegkwitz verkaufte man eine Monstranz für den stolzen Betrag von 115 Gulden, um die Schulden für den Kirchenbau zu finanzieren.870 In Mockern wurde den Bauern vorgehalten, ein silbernes Kreuz verkauft zu haben und das Geld vertan zu haben.871 In den meisten Gemeinden fanden die Visitatoren aber noch sehr viel Altarausstattung vor, die aus ihrer Sicht inzwischen schlicht überflüssig geworden 866 Ebd., Nr. 3375, S. 568. 867 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 1. Fach, 9. Karton, lfd. Nummer 623–732, Kirchenrechnungen Steudnitz 1539–1584, fol. 44r, 49r. 868 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 234r. Vgl. auch die ähnlichen Fälle Fernbreitenbach und Herda (ebd., fol. 40v, 45r) sowie Heilingen (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 268v) und Graitschen (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 3, fol. 24v). 869 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 290r. 870 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 194v: [H]at man die schuldt mitbezcalt so man zu dem baw geporget hat. Zu den Bauarbeiten an der Tegkwitzer Kirche zu Beginn des 16. Jahrhunderts vgl. oben Kap. I.5.1. 871 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 252v.
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war. Für den evangelischen Gottesdienst waren ein Kelch und eine Patene nötig, die vorgehalten werden sollten. Alle anderen Geräte sollten verkauft werden. Zu vielen Orten finden sich 1533 Einträge wie im Falle Gerstungens: Mit den Bawern ist verschafft das sie die Monstranczen, Ciborium, loffell, und was der Ambtman Wilhelm von Boyneburg sonst mehr von Kirchen cleynotern In verwharung hat, mit rath verkeuffen, das gelt dem gotshaus zeguth aufthun, unnd davon die kirchen und pfargebeude desta statlicher erhaltenn sollenn.872
Diese die Verwendung betreffende Wendung findet sich in vielen anderen Orten und bedeutete in der Praxis nichts anderes, als dass der Verkaufsgewinn in das Vermögen der Kirchenfabrik aufgenommen wurde.873 In einigen Orten wurde auch verfügt, dass das Geld der Kirche zugute angelegt, also auf Zins ausgegeben werden sollte. 874 Wenn, wie in Gerstungen, eindeutige Anweisungen gegeben wurden, wie mit dem Geld zu verfahren sei, fanden dabei ähnliche Motive Anwendung wie bei der Umwandlung der geistlichen Stiftungen.875 Die Bauern von Ulrichshalben sollten den Verkaufserlös den Armen ausgeben.876 In einer großen Zahl Dörfer Ostthüringens sollten überzählige Monstranzen, Kelche, Paxtafeln, Metallspangen und andere Kleinodien verkauft und mit dem Geld der Bau des Pfarrhauses unterstützt werden.877 Dazu wurden gesonderte Verfügungen ausgestellt, wie die Gemeinden verfahren sollten. Ein solches Exemplar hat sich für das Dorf Steinheid im Thüringer Wald erhalten. Dort heißt es: Hat mein gnedigster her bewilliget und Nachgelassen, das die Monnstranz und uberige Kelich so zu Kirchampten nit gebraucht, mugen verkaufft und das gelt an der pfarkirchen unnd sunst nirgent verpawet oder […] gebraucht werden.878
Allerdings kamen die Gemeinden den Befehlen der Visitatoren wenn überhaupt sehr schleppend nach. Zwar gab es in einigen Dörfern bereits nur noch einen Kelch, sodass der Verkauf wohl direkt während der jeweiligen Visitation erfolgte.879 In den meisten Dörfern finden sich aber große Mengen an Metallgegen872 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 30r. 873 Ebd., fol. 33r (Dankmarshausen). 874 Ebd., fol. 88v (Craula), 127v (Ruhla); LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 355r (Langenschade). 875 Vgl. dazu oben Kap. III.4. 876 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 102r. 877 Diese Verfügung findet sich in jeweils leicht abgewandelter Form zu Vippachedelhausen (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 35r), Oberroßla (ebd., fol. 75v–76r), Leutra (ebd., fol. 149v), Königshofen (ebd., fol. 177v), Rosendorf und Dreitzsch (ebd., fol. 234v), Chursdorf (ebd., fol. 237v), Uhlstädt (ebd., fol. 264r), Catharinau (ebd., fol. 356v), Jüdewein (ebd., fol. 359v). 878 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 600. 879 So etwa in Altenbeuthen, Drognitz und Reitzengeschwenda, wohl im Jahr 1529; LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 411.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
ständen in den Inventaren. Verhandlungen aus den folgenden Jahrzehnten zeigen, dass mit den Verfügungen der Visitationen keineswegs ein flächendeckender Verkauf verbunden war. So bat die Gemeinde Gräfinau 1537 darum, Kelche, Glocken und ein Kapellengebäude für den gemeinen Nutz verwenden zu dürfen.880 Die Visitatoren empfahlen, das Geld anzulegen und für den Anteil der Gräfinauer am Bau des Pfarrhauses in Angstedt zu verwenden.881 Im selben Jahr wurden in Dienstädt ein Kelch und eine Patene aus der Elisabethkapelle in das Inventar der Pfarrkirche übernommen.882 In Dietendorf kam der Verkauf vieler Textilien, einiger Bücher und einer gewissen Menge Silberwerks erst 1539 zustande. Es geschah auff bevhel der visitatores und des pfarrers. 883 Wahrscheinlich war eine ‚Erinnerung‘ der Visitatoren nötig, woraufhin es erst zu dem Verkauf kam. Die Bauern von Kapellendorf baten 1543 darum, den Kelch der Marienkapelle im Dorf verwenden zu dürfen, um eine zerbrochene Braupfanne zu ersetzen.884 In Gossel wurde das Geschmeide der Kirche auf nochmaligen Befehl erst 1544 veräußert.885 Diese Verkäufe konnten Streit nach sich ziehen. Der Pfarrer von Neunhofen hatte 1535 Silber aus der Kirche im Wert von circa 200 Gulden in Naumburg verkauft. Dies geschah ohne Vorwissen des Amtmannes von Arnshaugk,886 welches also offenbar vorausgesetzt wurde. Inwieweit die Gemeinde an diesem Verkauf beteiligt war, wird nicht recht deutlich. Auf der einen Seite müssen zumindest die Alterleute eingeweiht gewesen sein, da der Pfarrer wegen des Verkaufs einen Schmaus in der Kirchenrechnung abrechnete. Dies wäre ohne Wissen der rechnungsführenden Alterleute nicht möglich gewesen. Auf der anderen Seite wurde von Seiten des Amtes hervorgehoben, dass der Pfarrer ohne Wissen der Gemeinde die Gelder für Bauarbeiten an der Pfarrscheune verwendete. Der Pfarrer berief sich in seiner Rechtfertigung auf den Visitationsbeschluss von 1533, wonach sechs Kelche, eine Monstranz und verschiedenes Silberwerk verkauft und der Erlös für die Pfarrgebäude verwendet werden sollte.887 Pfarrer und Alterleute handelten also, wie es die Visitatoren verfügt hatten, dennoch erregten sie damit den Argwohn der Amtleute und eines Teils der Gemeinde. In der schwarzburgischen Oberherrschaft lief dieser Prozess recht ähnlich ab. In Niederwillingen kam es 1538 zur Aufnahme der vorhandenen Kirchengerä880 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1059, fol. 1r. 881 Ebd., fol. 4r. 882 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 4v. Hier wurde 1546/1547 wieder einiges aus dem Kircheninventar veräußert; ebd., fol. 16v. 883 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb, 3127, fol. 10v. 884 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 139. 885 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Ichtershausen 140a, fol. 4v ff. 886 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 907. 887 Ebd., fol. 4r–6r.
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te.888 In Eschdorf wurde alt geretlich im Rechnungsjahr 1540/1541 verkauft. Hier kann, wie im oben beschriebenen Beispiel Dietendorf, ein direkter Zusammenhang zum Erwerb lutherischer Bücher hergestellt werden.889 In der reußischen Herrschaft Gera scheint der Verkauf noch längere Zeit unterblieben zu sein. Nach einer Visitation 1567 sollten Stücke für bestimmte Zwecke verwendet werden. So wurde in Aga eine Monstranz verkauft, um einen Seiger anzuschaffen.890 Im albertinischen Gebiet kam es zu einer anderen Entwicklung, wie am Beispiel Herbslebens gezeigt werden soll. In der ersten Visitation 1539 wurde verfügt, dass die ubrigen unnotigen kirchen Cleynode, bis uf zwen kilch fur die kirch unnd eynen kilch fur die krancken vorkauft unnd das erkauf gelt uf eynen jherlichen Zinß ausgethan werde.891 Mit der Einrichtung des Gemeinen Kastens mit der folgenden Visitation 1540 sollten zwar Paramente diesem zugute verkauft werden, Silberwerk und Kleinodien sollten aber zunächst verwahrt werden.892 Im Jahr 1546 schrieben die Heimbürgen und die Alterleute des Ortes eine Supplik an Herzog Moritz. Ihr Amtmann hätte ihnen den Befehl angezeigt, dass Kleinodien, die nicht zur Kommunion benötigt würden, zur Verwahrung an den Leipziger Rat geschickt werden sollten.893 In der Beschwerde zeigten sie aber an, dass ihre Kirche sehr baufällig sei und sie hofften, die Stücke mit Wissen des Herzogs verkaufen zu dürfen. Das beigelegte Inventar zeigt, dass es sich in Herbsleben tatsächlich um einen sehr umfangreichen Bestand handelte. Die große Zahl der Kelche, der Ringe, silberner Schalen und Spangen, Paxtafeln und auch Lotsilbers dürfte einen großen Wert gehabt haben.894 Über den Ausgang des Falles ist nichts bekannt, allerdings dürfte den Herbslebenern wenig Erfolg beschieden gewesen sein. Der Herzog versuchte diese, auf das gesamte Land betrachtet, enorme Menge an Wertgegenständen für die fürstliche Finanzverwaltung einzuziehen, wie es der Erfurter Rat in seinem Landgebiet bereits 1524 betrieben hatte.895 Dieses Vor888 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5685, fol. 3r. Ein in der Folge abgerechneter Besuch der Alterleute und des Pfarrers in Arnstadt ist wohl im Zusammenhang mit dem Verkauf der Stücke einzuordnen. Im folgenden Jahr wurden Stücke des Inventars geschätzt und zwei Humeralien verkauft, sodass der Verkauf nicht mit einem Mal ablief; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5686, fol. 4r. 889 Vgl. dazu das Kap. III.13.2 dieser Arbeit. 890 StAG, III B, 19334, fol. 11v. 891 LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 168v. 892 LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 37v. 893 SHStAD, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10595/9, fol. 12r. 894 Ebd., fol. 13r. Nach einem anderen Bericht wurden in Herbsleben Teile des Kastenvermögens und der Kleinodien verkauft, um Kontributionen im Schmalkaldischen Krieg aufbringen zu können; ZEYSS, Herbsleben, S. 76. 895 StAE, 1-0, A VIII-3a; zur Entstehung vgl. WEISS, Bürger, S. 166.
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gehen der Albertiner war allenthalben bekannt und auch ernestinische Gemeinden verwiesen darauf, wenn es darum ging, ihre Vasa Sacra behalten zu dürfen.896 Aus dem bisher Gezeigten wird deutlich, dass sich der Verkauf der überflüssigen Vasa Sacra und anderer Kirchenausstattung über Jahrzehnte hinzog. Bereits die ersten Visitationen verfügten im ernestinischen Raum den Verkauf der Stücke und die Verwendung des Geldes für einen bestimmten Zweck. Doch erst nach nochmaligen Aufforderungen durch Amtleute und Superintendenten kamen die Gemeinden diesen Verfügungen nach. Wahrscheinlich hingen die Menschen an diesen Stücken, die sie und ihre Vorfahren den Kirchen gestiftet hatten. Ob an diese noch Heilsvorstellungen gebunden waren oder sie gar Verwendung in den Kirchen fanden, lässt sich anhand der vorhandenen Quellen nicht sagen. Dies ist aber denkbar, da der Verkauf auch in den Orten verzögert wurde, wo der Erlös der Kirchenfabrik zukommen sollte, also der Wert der Stücke der Gemeinde erhalten blieb. Offen ist noch die Frage nach den Käufern. Der Pfarrer von Neunhofen veräußerte die dortigen Stücke in Naumburg, die Alterleute von Niederwillingen zogen mit dem Pfarrer nach Arnstadt. Hinter den Käufern sind Goldschmiede in den Städten zu vermuten. Die Alterleute von Trockenborn verkauften 1543 Bruchsilber an einen Goldschmied in Jena.897 1560 begann in den ernestinischen Ämtern eine große Welle des Verkaufs vorreformatorischer Kirchenausstattung. Dazu erstellten die Amtmänner Inventare der Kirchen, die sich aus vier Ämtern erhalten haben.898 Für viele Fragen der Kirchenausstattung des 16. Jahrhunderts stellen sie hervorragende Quellen dar. Neben dem Umgang mit Büchern und den Bildern in der Kirche899 betrifft dies auch den Verkauf der Vasa Sacra. Neben einzelnen Einwohnern, dem Pfarrer und der Gemeinde treten im Amt Sachsenburg besonders Krämer und Goldschmiede aus Frankenhausen als Käufer hervor. Überraschend viele Stücke aus den Kirchen gingen im Laufe des 16. Jahrhunderts in Privatbesitz über, was erklärt, dass solche Stücke im Vergleich zu Bildwerken in den Kirchen äußerst selten erhalten geblieben sind. Dass die Käufer auch der eigenen Gemeinde entstammten, belegt ebenfalls eine Abrechnung über den Verkauf aus Lippersdorf aus dem Jahr 1543.900 Die Frau des Kirchners und die „Pfarrersmaid“ erwarben verschiedene Alben und Tücher. Der Schultheiß des Ortes kaufte ein Messge-
896 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2694 (Supplik der Gemeinde Obergosserstedt 1557). 897 PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26, fol. 84r. 898 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2770 (Amt Volkenroda); LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2771 (Amt Tenneberg); LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 667 (Amt Roßla); LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 714 (Amt Sachsenburg). 899 Vgl. die entsprechenden Kap. III.13.2 und III.13.5 in dieser Arbeit. 900 PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 13.
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wand. Der Pfarrer leistete sich ebenfalls verschiedene Alben und Tücher, außerdem aber ein silbernes Kreuz und Bruchsilber. Alles in allem war der Verkauf der Vasa Sacra und anderer Kirchenausstattung im Laufe des 16. Jahrhunderts ein recht komplexer und langwieriger Prozess. Keinesfalls kann er als ein „Aufräumen“ pauschalisiert werden.901 Viele Kelche blieben erhalten.902 Parallel begann in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die vermehrte Neuanschaffung von einfachen Kelchen. In Gehren wurde 1560 ein Messingkelch angeschafft, 903 in Langewiesen 1564 ein Kelch aus Zinn. 904 Die Materialien zeugen dabei von den materiellen Möglichkeiten der Gemeinde. Auch der Realbefund in den Kirchen belegt diese zunehmende Anschaffung, wie etwa das Beispiel aus Oberbösa zeigte. Daneben ist auch in vielen Dorfkirchen das Phänomen anzutreffen, dass mittelalterliche Kelche mit einer größeren Kuppa versehen wurden, um der Kelchkommunion der Gemeinde dienen zu können.
13.2. Bibliotheken Für die flächendeckende Vermittlung und Durchsetzung der evangelischen Lehre war die Verbreitung entsprechender lutherischer Bücher, Lehrwerke und der Kirchenordnungen unerlässlich. Vor diesem Hintergrund ist der Buchbestand der Pfarr- und Kirchenbibliotheken in den Dörfern ein sehr entscheidendes Indiz für die Entwicklung eines protestantischen Kirchenwesens auf dem Land. Anhand verschiedener Quellenindizien soll gefragt werden, wie sich der Buchbesitz an einer Dorfkirche zusammensetzte und was dabei im Laufe des 16. Jahrhunderts als protestantisch gelten kann. Gab es einen klaren Bruch oder lassen sich in stärkerem Maße Kontinuitäten feststellen? Welche Bedeutung kam dabei den Pfarrern zu, welche den Visitatoren? In welchen Zeiträumen spielte sich die Anschaffung evangelischer Bücher ab und wie wurde mit dem vorreformatorischen Buchbestand verfahren? Ist der Buchbesitz eines Pfarrers in dieser Entwicklung immer streng von dem Bestand der Kirche zu trennen? Für die Anschaffung der Bücher und ihre Erhaltung waren in vorreformatorischer Zeit die Kirchenfabriken zuständig. Wie bei allen entsprechenden Fragen wurden die Entscheidungen durch die Alterleute getroffen. Die Auswahl der anzuschaffenden Bücher wurde im Einzelnen sicher in Abstimmung mit dem Ortspfarrer bzw. den im Ort weiter bepfründeten Geistlichen getroffen, während 901 So HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 137. 902 Zur Entwicklung in den Erfurter Pfarrkirchen vgl. MEISSNER, Bewahrung, S. 287–289. Die Kelche konnten auch weiterhin für Versehgänge benutzt werden. 903 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4338, fol. 4v. 904 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5260, fol. 8r.
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die Pflege und Beaufsichtigung des Bestandes wahrscheinlich Aufgabe des Kirchners war. Zwar gab es kirchenrechtliche Vorschriften, welche Bücher in einer Kirche vorhanden sein sollten, doch wurde dies nur selten erreicht.905 Die Anschaffung der Bücher durch die Alterleute beschränkte sich aber auf solche mit einer eindeutigen Funktion für den Gottesdienst. Der Aufbau einer Bibliothek für den Geistlichen wurde nie verfolgt.906 Natürlich spiegeln sich im Buchbestand einer Kirche ebenfalls die Größe der Gemeinde und ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Hinzu kommt die Vielfalt der vorhandenen Stiftungen, zu deren Ausstattung ebenfalls Bücher gehören konnten. Über den Bestand an Büchern in den Dorfkirchen in vorreformatorischer Zeit informieren nur wenige Quellen, die im Folgenden exemplarisch beleuchtet werden. Bücher können Teil einer Stiftung sein, wie ein Messbuch, das ein Einwohner des Dorfes Buchfart der Kirche vor 1506 stiftete. 907 Mitunter wird der Erwerb der Bücher durch die Kirchenfabriken selbst deutlich. Dabei werden jedoch die konkreten Titel nicht genannt. In den Kirchenrechnungen ist in diesen Fällen lediglich die Rede etwa von einem messebuch.908 Allerdings bestätigen diese Quellen den Erwerb durch die Kirchgemeinde und zeigen die Summen, die dafür aufgewendet wurden. 1503 erwarben die Alterleute von Tegkwitz ein messe buch für fünf alte Schock Groschen.909 Diese Ausgabe war für die Kirchenfabriken der meisten Kirchen problemlos aufzubringen. Mitunter können einzelne erhaltene Bücher Rückschlüsse auf dörfliche Kirchgemeinden als vorherige Besitzer erlauben. So hat sich in einigen Pfarrarchiven ein Exemplar eines Missale Moguntinum, in der Regel aus den Jahren 1493 (GW M24557) oder 1497 (GW M24564), erhalten.910 Auch das Missale Speciale, das Johann Prüß 1504 in Straßburg druckte (VD 16 M 5626), gibt es noch heute in verschiedenen thüringischen Pfarrhäusern. Schriftliche Nachweise für Messbücher im Besitz der Kirchenfabriken sind häufig. Die Trennung zwischen diesen Kirchenbibliotheken in vorreformatorischer Zeit und den privaten Buchbeständen der Pfarrer ist in der Regel undeutlich, muss aber zwingend bedacht werden.911 Wahrscheinlich 905 Vgl. REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 273‒280. Für die thüringische Kleinstadt Rudolstadt konnte Frank-Joachim Stewing dank mehrerer erhaltener Verzeichnisse die Entwicklung der Kirchenbibliothek vom späten 15. bis zum späten 16. Jahrhundert zeigen; STEWING, Rudolstadt. 906 BÜNZ, Buchbesitz, S. 49. 907 BERGNER, Buchfart. 908 LASA, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 12r. 909 PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 144. 910 Zu einem Exemplar aus Eschdorf vgl. STEWING, Almanach. 911 Vgl. BÜNZ, Buchbesitz, S. 54 f. Eine eindeutige Trennung zwischen Pfarr- und Kirchenbibliothek ist auch in den wenigen Nachweisen der Visitationsprotokolle nur selten möglich.
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gehörten Bibeln, Messbücher und Ähnliches zu den Büchern, die die Alterleute stellten, da sie zum Abhalten der Gottesdienste nötig waren. Weitere Bücher, die ihnen die Amtsführung erleichterten, erwarben die Pfarrer wohl üblicherweise auf eigene Rechnung. Pauschalisierende Aussagen zum Zustand der Pfarrbibliotheken in den Dörfern am Vorabend der Reformation sind dabei kaum möglich. Im Jahr 1525 informierte Johann Rupel, Pfarrer von Mehrstedt, über den Schaden, den er im Bauernkrieg erlitten hatte. In diesem Verzeichnis werden zehn Bücher genannt; neben verschiedenen Predigtsammlungen betraf dies das Rationale divinorum officiorum des Guillelmus Duranti (GW 09101–09144) und eine Ausgabe des Manipulus curatorum. Dabei handelte es sich um ein Handbuch für die Verrichtung der Pflichten eines Seelsorgers. Solche Bücher waren in vorreformatorischer Zeit sehr typisch und dürften sich auch in vielen dörflichen Pfarrbibliotheken befunden haben – der Manipulus erschien vor 1500 in 68 Auflagen.912 Dass sich der Mehrstedter Pfarrer nicht nur mit den geistlichen Inhalten seiner Tätigkeit befasste, zeigen verschiedene juristische Werke in seinem Besitz, darunter das Handbuch für die Führung von kanonischen Prozessen in einzelnen Instanzen des Erfurter Rechtsgelehrten Johannes Urbach und eine Ausgabe des Sachsenspiegels.913 Wahrscheinlich besaß Rupel diese Bücher, um sie bei Rechtsstreitigkeiten nutzen zu können.914 Natürlich geben auch frühe Visitationsprotokolle Hinweise auf den spätmittelalterlichen Bestand in den Dorfkirchen und auf den Zustand der Bibliotheken, den die Visitatoren vorfanden. Die Überlieferungslage ist dabei jedoch – wie bei der gesamten Fragestellung – sehr schlecht. Nur wenige Einträge vermerken wirklich einzelne Bücher. Ein gutes Beispiel bietet das Protokoll der Visitation des Amtes Altenburg 1528, in dem sich umfangreichere Inventare der Pfarrhäuser befinden. In Windischleuba gehörten in diesem Jahr drei Bücher zum Bestand der Pfarrei.915 Dabei handelte es sich um eine grosse bibel, das Rationale divinorum officiorum des Guillelmus Duranti und eine Ausgabe der Sermones des Meffreth,916 einer
912 OEDIGER, Bildung, S. 128–132. Vgl. etwa auch die Wirkung des „Manuale Curatorum“ des Kleinbasler Priesters Johannes Surgant auf die pastorale Praxis; KONZILI, Surgant. 913 EINICKE, Reformationsgeschichte I, S. 324, Anm. 2 nach einer Quelle im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden; zu den Predigtsammlungen vgl. oben Kap. I.4.8. 914 Zu den vielen Rechtsstreiten, denen Pfarrer ausgesetzt sein konnten, vgl. die Kap. I.2 und II.2.2. Zu einem Rechtsstreit Rupels mit einem Heimbürgen: BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, II 8, fol. 125r; vgl. den Eintrag bei BÜNZ, Klerus, III/2. 915 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 204v. 916 http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/MEFFRET.htm (letzter Zugriff: 2.5.2016). Einige Hinweise auf Bücherinventare in Visitationsprotokollen des Henneberger Gebietes bei GLEISS, Prüfstand, S. 175, Anm. 42.
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verbreiteten Sammlung mit Musterpredigten. Hier wird der vorreformatorische Bestand – oder zumindest dessen Überrest – deutlich. In Thonhausen gab es drei geschrieben betbucher und drei gedruckte Werke, darunter einen Thesaurus de sanctis und ein Discipulum lamberticam historiam.917 Beide Beispiele zeigen, dass es in den Pfarrbibliotheken ausgewählte liturgische Werke und Predigtsammlungen geben konnte. Daneben zeigen die frühen Protokolle aber auch, dass es in einigen Pfarrbibliotheken bereits lutherische Bücher gab. Die Quellen lassen eine Anschaffung durch die Gemeinden möglich erscheinen, wenngleich diese durch den jeweiligen Pfarrer wahrscheinlicher ist. Sie zeigen aber, dass dies vor den ersten Visitationen geschehen sein muss. In Oberlödla im Altenburger Land gab es einen Band mit Luthers Postillen für das Winterhalbjahr.918 Ein besonderes Beispiel für dieses frühe Engagement der Pfarrer stellt die Pfarrbibliothek von Hörselgau dar. Dem Pfarrer Cyriax Zahn wurde in der Visitation des Amtes Tenneberg 1526 bescheinigt, er sei gelehrt und besitze vil der neuen bucher.919 Solche Beispiele bildeten aber in allen Visitationen Ausnahmefälle. Daher lassen sich in den folgenden Instruktionen Regelungen über den Erwerb lutherischer Bücher finden. Für die ernestinische Visitation 1533/1534 wurde eine Liste mit elf Büchern erstellt, die zum Aufbau evangelischer Pfarrbibliotheken mit Mitteln der jeweiligen Kirchenfabrik verwendet werden sollte. Als Ursache wurde festgehalten, dass die Pfarrer sich die Bücher oft nicht leisten konnten und die Menschen dadurch wichtige Inhalte versäumen würden. Zu dieser Liste gehörten zunächst eine lateinische und eine deutsche Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. Weiterhin waren die Postillen Luthers, die Loci Communes Melanchthons, der Unterricht der Visitatoren, die Katechismen, ein Gesangbuch, die Apologie der Confessio Augustana, Luthers verdeutschter Psalter und die Summarien zu den Psalmen vorgesehen.920 Diese Liste zeigt, dass die Bücher in 917 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 307r. Dies meint wahrscheinlich einen Sammelband, der u. a. die Legenda aurea des Jacobus de Voragine enthielt. Die Betbücher meinen Breviere. 918 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 218v. 919 LATh–StA Gotha, Oberkonsistorium, Loc 19, Nr. 1, fol. 2v. Von diesen Büchern hat sich ein Exemplar der Deutschen Messe in der Hörselgauer Pfarrbibliothek erhalten; KOCH, Hörselgau. Über den Pfarrer ist nichts Weiteres bekannt; THÜRINGER PFARRERBUCH 1, S. 732. Zum Buchbestand in Hörselgau im Jahr 1560 vgl. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2771, fol. 3v. Einige Beispiele für Bibliotheken von Stadtpfarrern und Superintendenten bei GEHRT, Spezialvisitation, S. 204 f. Vgl. DIETMANN, Lucka zum Einfluss des dortigen Pfarrers auf die Bibliothek 1583. 920 EKO 1, 1, S. 194 f. Zur Bedeutung des Unterrichts der Visitatoren für die Pfarrer vgl. GEHRT, Spezialvisitation, S. 206. Zu den Bestimmungen der Kirchenordnungen im überregionalen Vergleich SCHADE, Einfluss, S. 160–169; vgl. weiterhin JADATZ, Befunde, S. 279 zur Übernahme dieser Bestimmungen für die albertinischen Gebiete 1539.
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dieser Zeit auch der Abgrenzung des Protestantismus in der breiten Bevölkerung dienen sollten. Die Pfarrer sollten die Unterschiede zwischen den Bekenntnissen verstehen und den Menschen erklären können. Somit finden sich in dieser Liste nicht nur eine Bibel und Auslegungen biblischer Texte, sondern mit der Apologie auch die Verteidigungsargumente gegen die Katholiken und die Grundlage der neuen kirchlichen Organisation. Betrachtet man die Protokolle dieser Visitation, fällt allerdings ein enormer Unterschied zwischen der normativen Quelle und dem Vorgehen der Visitatoren auf. Keinesfalls lässt sich, wie Jadatz meint, allein aus den Visitationsordnungen „die Entwicklung der Bibliotheken evangelischer Pfarrer und Gemeinden im 16. Jahrhundert rekonstruieren.“921 Sie geben allenfalls eine Orientierung, in welchen Bahnen diese Entwicklung verlaufen sollte. Für Erkenntnisse zu den tatsächlichen Zuständen vor Ort spielen einmal mehr die Visitationsprotokolle und -akten eine wichtige Rolle. Eine eigentliche Untersuchung des Bestandes in den Kirchen im Verhältnis zu dem Forderungskatalog scheint es 1533 nicht gegeben zu haben – zumindest wurde es nicht aufgezeichnet.922 Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass die Visitatoren durch den allgemein schlechten Zustand des Buchbesitzes keinen Sinn in einem Abgleich mit der Visitationsinstruktion sahen. Des Weiteren hatten verschiedene praktische Aufgaben – Pfarreinkommen, Pfarrhaus, Umwandlung der Stiftungsgüter – eindeutig Vorrang. Bei allen methodischen Problemen ist aber eindeutig, dass der Zustand der Kirchenbibliotheken in den Dörfern sehr schlecht war. Im Amt Altenburg gab es demnach nur in neun von 70 Pfarreien überhaupt Bücher, nur in zweien gab es lutherische Bücher. 923 Gemessen an solchen Zuständen fiel die Reaktion der Visitatoren sehr verhalten aus. In Einzelfällen finden sich in den Visitationsprotokollen durchaus Anweisungen zum Erwerb neuer Bücher, allerdings nicht gemessen an den Forderungen der Instruktion. In Osthausen handelte es sich um die Forderung, dass die 921 JADATZ, Befunde, S. 278. Ebd., S. 282 der daraus folgende, aber völlig falsche Schluss, dass „bald nach Einführung der Reformation in Kursachsen und im Herzogtum Sachsen der Unterricht der Visitatoren, die Katechismen Luthers, mitunter Luthers Predigtpostillen und im albertinischen Sachsen die Heinrichsagende zum Grundbestand der Kirchenbibliotheken gehörten.“ Ebd., S. 283, führt Jadatz z. B. selbst an, dass noch im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts nur die Hälfte der Pfarreien im Leipziger Land die Heinrichsagende besaß. 922 Auch in Dörfern, deren Buchbestand aus anderen früheren oder späteren Quellen bekannt ist, werden keine Bücher genannt. Weiterhin wird diese Fehlstelle im Vergleich zu anderen Visitationsprotokollen, wie dem angesprochenen des Amtes Altenburg von 1528, deutlich. Man kann davon ausgehen, dass ein Visitationsprotokoll, in dem prinzipiell Bücher erwähnt werden, den Bestand relativ vollständig abbildet, während das Protokoll von 1533 in dieser Frage nicht belastbar ist. 923 Anhand des bereits erwähnten Visitationsprotokolls KARANT-NUNN, Pastors, S. 29.
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Gemeinde Gesangbücher erwerben sollte.924 In den Jahren nach den ersten Visitationen übten die Visitatoren immer wieder Druck aus, und es kam zu dem bereits angesprochenen Verkauf von Kirchenausstattung mit dem Zweck, lutherische Bücher zu finanzieren.925 Für die ernestinischen Gebiete lässt sich dies für Dietendorf nachweisen. Neben Silberwerk, Tüchern und Messgewändern wurden 1539 auch alte pergamentene Bücher verkauft. 926 Mit dem Verkaufserlös wurden unter anderem die Kosten von vier Schock und vier Groschen vor die biblia gegeben yn der kirchen finanziert.927 Daneben wurden aber wohl noch andere Bücher erworben, die in der Rechnung nicht genannt werden, da ein Verzehr abgerechnet wird, da man die bucher geholt hat zu Erffordt.928 Der Verkauf – und damit wohl auch der Erwerb der Bücher – geschah auff bevhell der visitatores undt des pfarrers.929 Für die schwarzburgische Oberherrschaft lässt sich ein ebensolches Beispiel feststellen. In Eschdorf wurden 1540/1541 alte Kirchengeräte verkauft und davon zwölf Groschen gegeben vor eyn buchleyn in die Kirchen.930 Durch den Zusammenhang kann gefolgert werden, dass es sich um ein lutherisches Buch gehandelt haben muss. Im selben Jahr lässt sich der gezielte Büchererwerb für zwei albertinische Dörfer feststellen. Freilich stand dies hier unter einem gänzlich anderen Stern. Die Reformation war erst ein Jahr zuvor obrigkeitlich eingeführt worden, sodass hinter diesen Käufen gezielte und kurzfristige reformatorische Umstellungen zu vermuten sind. In Tautenburg wurde 1541 ein buch erworben,931 in Steudnitz eine deuthsch agenda.932 Ob dies direkt auf die zweite albertinische Visitation zurückzuführen ist oder eine Initiative des jeweiligen Pfarrers und der Gemeinde war, lässt sich mit den vorhandenen Quellen erneut nicht differenzieren. Eventuell spricht es aber für den Nachholbedarf durch die verzögerte Reformation im albertinischen Gebiet.
924 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 203r. Grob zur Entwicklung der Gesangbücher im frühen Protestantismus HÖLSCHER, Frömmigkeit, S. 62 f.; VEIT, Kirchenlied. Der große Stellenwert, den der Gemeindegesang und die Musikaufführung in Thüringer Dorfkirchen in Form der Adjuvanten in der Frühen Neuzeit erreichten, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht thematisiert; vgl. dazu WEISS, Landschafft, S. 78 f.; ROLLBERG, Adjuvantenchöre; zu einem herausragenden Beispiel vgl. VOSS, Udestedt. 925 Vgl. oben Kap. III.13.1. 926 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3127, fol. 10v. 927 Ebd., fol. 12r. 928 Ebd. 929 Ebd., fol. 10v. 930 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2218, fol. 1v, 2v. 931 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 20r. 932 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 1. Fach, 9. Karton, lfd. Nummer 623–732, Kirchenrechnungen Steudnitz 1539–1584, fol. 11v.
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In den folgenden Jahren finden sich in allen Territorien immer wieder einzelne Anschaffungen von Büchern in den Kirchenrechnungen: 1538 wurde in Niederwillingen ein amet buch in dy kyrch erworben.933 In Dienstädt wurde 1548 eine Bibel für zwei Schock und 16 Groschen gekauft934 und 1567 wurde ein Buchbinder für ein Altes und ein Neues Testament bezahlt.935 Die Alterleute von Lippersdorf schafften 1550 die Summaria des Veit Dietrich an.936 In Ammerbach wurden 1555 gesangbuchlein, 1557 eine nicht näher bezeichnete Agende und 1566 ein zusammengebundener Band mit den Evangelien, Episteln und dem Buch Sirach erworben.937 1574/1575 stiftete ein Einwohner der Kirche von Görmar ein Antiphonar umb gottes willen.938 Dennoch blieb es die Ausnahme, wenn sich in Utenbach in der Mitte der 1540er Jahre nur evangelische Bücher im Bestand der Kirche befanden. Hier gab es ein Neues Testament, ein Psalterium, ein Gesangbuch, ein Buch der Sprüche Salomos und eine Kirchenagende. 939 Für die Anschaffung der Bücher waren immer der jeweilige Pfarrer und mit Abstrichen die Alterleute zuständig. Dies zeigt etwa eine Supplik des Pfarrers von Trockenborn aus dem Jahr 1543.940 Im Jahr zuvor hatte ihn gott der almechtige auß dem Babstthumb […] gnediglich erhort und heraus gefurt.941 Im Anschluss sei ihm die Pfarrstelle in Trockenborn zugewiesen worden. Die geringe Besoldung der Pfarrstelle erlaubte ihm nach Aussage des Briefes kaum, Brot für sich und seine kinlin zu kaufen. Anscheinend gab es in der Pfarrei bis zu diesem Zeitpunkt keine lutherischen Bücher, da er um finanzielle Unterstützung bei der Anschaffung einer deutschen Bibel und der Postillen Luthers bat. Die Anfrage hatte Erfolg, der Schosser des Amtes Leuchtenburg wurde aus der kurfürstlichen Kanzlei angewiesen, beides zu kaufen.942 Armut galt noch Jahrzehnte später als Ursache für die schlechte Ausstattung der Pfarreien mit den geforderten Büchern. Der Weimarer Superintendent 933 934 935 936
937 938 939 940 941 942
LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5685, fol. 3r. Damit ist wohl eine Agende gemeint. PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 30v. PfA Dienstädt, 121/8.Kart.4.D.3, fol. 59v. PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 46. Die Summaria z. B. unter VD 16 D 1634; oder eine Ausgabe, die bereits die Summarien zum Alten und zum Neuen Testament enthielt: VD 16 D 1644. Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602, fol. 72r, 82v, 158v. StAM, 239/8b, Bd. 1, fol. 36r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2023. Die Art der Nennung lässt es unwahrscheinlich wirken, dass es in dem Dorf noch vorreformatorische Bücher gab. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1685. Ebd., fol. 1r. Ebd., fol. 2r. Entgegen der Angaben des Pfarrerbuches zeigt die Supplik, dass Nicolaus Elsner bereits 1542 oder 1543 Pfarrer in Trockenborn wurde; THÜRINGER PFARRERBUCH 6, S. 145 f.
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Rosinus stellte 1560 fest, dass zwölf Pfarrer seines Bereiches aus diesem Grund über keine Bücher verfügten.943 Er empfahl, dass die Kirchenfabriken schrittweise die Anschaffung der notwendigen Bücher übernehmen sollten, da die Pfarrer sich dies auch in Zukunft nicht leisten könnten. Bereits 1535 war für das ernestinische Gebiet diese Forderung der Visitationsinstruktion wiederholt worden.944 Dies bedeutete einen grundlegenden Wandel. War die Kirchenfabrik in vorreformatorischer Zeit zwar bereits prinzipiell für die Anschaffung zentraler Werke für die Kirche zuständig, sollte nun auf ihre Kosten eine Pfarrbibliothek aufgebaut werden. Wie im Falle der Baulast für das Pfarrhaus werden diese zusätzlichen Kosten den Bauern schwer zu vermitteln gewesen sein. 945 Dieser Sachverhalt dürfte neben der Höhe der Kosten ein Grund für die lange Dauer der Umsetzung sein. Selbst wenn eine Gemeinde sich bereit erklärte, die Bücher zu kaufen, wäre dies in einem Zuge ebenso wie für die Pfarrer nicht zu leisten gewesen. Die finanzielle Situation der Kirchenfabriken erlaubte solch hohe Zusatzausgaben nicht. So ist es auch zu erklären, wenn die Gemeinden argwöhnisch auf den Umgang des Pfarrers mit den Büchern blickten. Mitunter nahmen Pfarrer Bücher bei einem Wechsel im Amt mit oder achteten sie wenig.946 So ließ die Gemeinde eines schwarzburgischen Dorfes in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einer Visitationsakte das Folgende festhalten: Zugedencken der bucher ßo die gemeyne gekaufft und dem pferner zugestellt.947 Nur sehr wenige Pfarrer scheinen persönlich trotz der eigenen Armut Wert auf die Anschaffung von Büchern gelegt zu haben. Eine bedeutende Quelle stellt in diesem Zusammenhang ein erhaltenes Verzeichnis zumindest eines Teils des Buchbesitzes des Kapellendorfer Pfarrers Simon Hartung von 1566 dar.948 Dieser besaß eine recht große Zahl zeitgenössischer theologischer Titel, mindestens 33 Werke; vorrangig exegetische Texte zu den Paulinischen Briefen und weitere Kommentarwerke.949 Wenn auch der ursprüngliche Umfang seiner Sammlung unbekannt ist, kann festgestellt werden, dass Hartung mit seinem Buchbesitz keineswegs die Norm darstellte.950
943 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg, Ll 841, fol. 35r. Zur Einkommenssituation der Pfarrer vgl. oben das Kap. III.2.2. 944 KARANT-NUNN, Pastors, S. 29 f. 945 Vgl. zur Baulast des Pfarrhauses oben das Kap. III.2.5. 946 Vgl. JADATZ, Befunde, S. 283–285. 947 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2988, fol. 3r. 948 STEWING, Kapellendorf. 949 Ebd., S. 94‒96. 950 Zu einem Bücherverzeichnis seines Diakons und Nachfolgers, Johannes Langepeter, aus der Visitation von 1569, das über 100 Drucke nennt; vgl. GEHRT, Spezialvisitation, S. 205 f. sowie ebd., Anhang Nr. 4, S. 223–227.
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Die langsame Umstellung in den Bibliotheken lässt sich aber auch auf andere Gründe zurückführen. Im albertinischen Gebiet sollten die Pfarrer 1555 daran erinnert werden, dass das regelmäßige Lesen der Bibel, der Loci Communes und der Augsburgischen Konfession zu ihren Pflichten gehöre. 951 Selbst diese Grundlagen ihrer Tätigkeit erfüllten viele Pfarrer wohl nicht. Eine eigentliche theologische Beschäftigung mit bestimmten Texten und Auslegungen kann anhand des Buchbesitzes für die Geistlichkeit in den Dörfern nur in wenigen Ausnahmefällen konstatiert werden. Fehlte bei dem Pfarrer und der Gemeinde das Interesse, die benötigten Bücher anzuschaffen, erreichten die Visitatoren offensichtlich nur wenig, und die Anschaffung der vorgesehenen Bücher verlief sehr schleppend. So stellte die Visitationsinstruktion der drei ernestinischen Herzöge von 1554 fest, dass viele arme Dorfpfarrer weder über eine deutsche Bibel noch die Predigtpostillen Martin Luthers verfügen würden.952 Diese Problematik führte im ernestinischen Gebiet zu einer flächendeckenden konzertierten Aktion des Verkaufs vorreformatorischer Kirchenausstattung und Bücher im Jahr 1560, die über die Ämter organisiert wurde.953 Aus dem Erlös sollten für jede Kirche eine deutsche Bibel, die Hauspostille und die Jenaer Lutherausgabe finanziert werden.954 Die geführten Inventare, die aus vier Ämtern erhalten sind, zeigen die großen Unterschiede, die zwischen den Gemeinden bestanden. In Pfiffelbach gab es lediglich ein altes Messbuch,955 in anderen Orten des Amtes Roßla werden gar keine Bücher erwähnt. Sicherlich führten die Amtleute die Protokolle dieses Verkaufs auf verschiedene Weise, aber auch innerhalb der Ämter werden große Unterschiede deutlich. Im Amt Tenneberg gab es in Fröttstädt lediglich fünf alte Bücher, die aus Sicht der landesherrlichen Kirche nur zum Teil für den Gottesdienst zu verwenden waren,956 in Teutleben gab es eine Kirchenagende, daneben ein Messbuch, ein Graduale, ein Antiphonar und ein lateinisches Psalterium,957 in Trügleben gab es ausschließlich die drei letztgenannten,958 ähnlich verhielt es sich in Leina.959 In Aspach, im selben Amt gelegen, gab es neben sieben vorreformatorischen Büchern immerhin bereits ein Altes Testament, ein Neues Testa951 952 953 954
955 956 957 958 959
EKO 1, 1, S. 314. EKO 1, 1, S. 227. Vgl. oben Kap. III.13.1. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2770, fol. 1r; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 667, fol. 1r. Vgl. zur zeitgleichen Spezialvisitation in der Superintendentur Weimar in dieser Frage GEHRT, Spezialvisitation, S. 209–214. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 667, fol. 2r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2771, fol. 4r. Ebd., fol. 5v. Ebd., fol. 6v. Ebd., fol. 11r.
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ment und eine Kirchenagende, jeweils auf Deutsch.960 In Sundhausen gab es über diese drei Bücher hinaus einen deutschen Psalter, einen Katechismus und zwei deutsche Gesangbücher.961 Auch im Amt Volkenroda wird dieser Unterschied an zwei Beispielen deutlich. Während es in Obermehler neben zwei vorreformatorischen Messbüchern nur eine Erklärung des Briefes an die Galater und ein gedrucktes Graduale gab, befand sich die Bibliothek der Wigbertikirche zu Körner viel näher am Zielzustand. Zwar gab es noch sieben Papistische Bucher, darunter drei große und zwei kleine Messbücher, aber auch eine recht lange Liste evangelischer Bücher. Zu diesen Gutten Buchern, also solchen, die für den Gottesdienst zu gebrauchen waren, gehörten zwei deutsche Psalter, eine Kirchenagende, eine deutsche Bibel, ein großer Katechismus, eine Auslegung des Briefes an die Galater und eine Ausgabe der Loci Communes.962 Unterschiede bestanden auch in der Größe der Bibliotheken. Diese lag zwischen drei und 15 Büchern beider Kategorien, also papistischer und gutter Bücher. Aus den Gemeinden ist kein grundlegender Widerstand gegen den Verkauf bekannt, lediglich der Rosslaer Schosser beschreibt, dass die Gemeinde zu Sulza Psalter, Responsorien und Antiphonen gern der schul Jugent willen behalten hätte, fest lutherisch wie er war, konnte er diesem Ansinnen natürlich nicht nachgeben, do nicht bißweylen etwas papistisch nit underleufft.963 Zum Teil lassen sich die Käufer der vorreformatorischen Bücher aus dem Protokoll über den Verkauf aus dem Amt Sachsenburg feststellen. Neben nicht zuzuordnenden, namentlich genannten Personen, die wohl aus den Gemeinden stammten, werden einige Käufer mit ihrem Amt bezeichnet. So kauften der Amtmann und der Schulmeister aus Sachsenburg ein Graduale bzw. ein Anniversar.964 Ein Krämer aus Frankenhausen kaufte zwei papierene Messbücher aus der Kirche von Gorsleben.965 Einige pergamentene Bücher aus Gorsleben und Büchel nahm der Superintendent Rosinus mit nach Weimar, wohl um sie dort zu verkaufen.966 Schließlich kaufte ein Buchfhurer aus Frankenhausen ein altes pergamentenes Messbuch aus Bilzingsleben.967 Wie im Falle der Vasa Sacra kann anhand des Verkaufs von Kircheninventar im Amt Sachsenburg im Jahr 1560 auch für die Bücher gezeigt werden, dass der Großteil über entsprechende Händler in den Städten verkauft wurde. Nicht zuletzt ist dies auf den reinen
960 961 962 963 964 965 966 967
Ebd., fol. 7r. Ebd., fol. 8v–9r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2770, fol. 3r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 667, fol. 1r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 714, fol. 3r. Ebd., fol. 3v. Ebd., fol. 4r, 5r; vgl. GEHRT, Spezialvisitation, S. 201. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 714, fol. 6v.
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Rohstoffwert des Pergaments zurückzuführen. Die vorreformatorischen Bücher waren zum überwiegenden Teil entbehrlich geworden. Immer wieder wurde von den einzelnen Instanzen der landesherrlichen Kirche eine flächendeckende Anschaffung lutherischer Bücher gefordert. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeigte dies aber deutlich mehr Erfolg als in den ersten Visitationen. Dennoch kam es nicht zu einer gleichwertigen Ausstattung der Pfarrbibliotheken, wie sie seit den ersten Visitationen vorgesehen war. 1569 berichtete Herzog Johann Wilhelm in einer Visitationsinstruktion, dass ihm zugetragen würde, dass etliche arme dorfpfarrer keine deutsche biblien oder hauspostillen haben sollen.968 Daher wurden die Pfarrer in der Visitation betont gefragt, ob sie über die nötigen Bücher verfügen würden.969 Der Anspruch hatte sich seit 1533 verändert. Nun wurden als Sollzustand eine deutsche und eine lateinische Bibel, die Augsburger Konfession und die Apologie, die Schmalkaldischen Artikel und das Konfutationsbuch von 1559 genannt. Der Streit der Bekenntnisse hatte seinen Niederschlag gefunden.970 Aus verschiedenen Kirchenrechnungen lässt sich zeigen, dass in dieser Visitation in den Dörfern Ausgaben des Corpus doctrinae erworben wurden. In Dienstädt geschah dies 1569 auf fürstlichen Befehl: i alte Schock ii neue Groschen fur das Neue buch geben das gantze Corpus doctrinae Christianae genant welches man auff unsers gnedig Fursten und Herren bevhel in die Kichen hat schaffen müssen.971 In Riethnordhausen wurde in der Rechnung 1570/1571 vermerkt: ii alte Schock fur das Corpus Doctrinae, welches uns in der visitation ist zu gestalt wordenn.972 Die Anschaffung des Corpus Doctrinae wurde zur Pflicht. Die Erfahrungen mit der langsamen Entwicklung der Bibliotheken führten dazu, dass der Vertrieb direkt durch die Visitatoren organisiert wurde und die Anschaffung wohl auch subventioniert war. Das Protokoll dieser Visitation zeigt in vielen Orten eine deutliche Entwicklung der Pfarrbibliotheken. 973 Der Austausch von vorreformatorischen und nachreformatorischen Büchern nahm zu. Die Abgrenzung des Bekenntnisses wurde wichtiger. Eine genaue Auswertung der jüngeren Visitationsprotokolle in diesen Fragen kann an dieser Stelle jedoch nicht geleistet werden, sondern muss 968 EKO 1, 1, S. 244. 969 Ebd., S. 245. Vgl. die Verfügungen der Visitationsinstruktion von 1554; ebd., S. 227. Vgl. GEHRT, Spezialvisitation, S. 210 sowie die Motive der Landesherren ebd., S. 211 f. 970 Vgl. für die albertinischen Verfügungen JADATZ, Befunde, S. 280 f. Zur Literaturpolitik der Albertiner in diesen Jahren vgl. HASSE, Zensur. 971 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.4.D.3, fol. 60v. 972 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3175, fol. 11v. Ähnlich in Ringleben: LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3184, fol. 3r. In Lippersdorf wurden nur elf Groschen als Ausgabe für das Buch verrechnet; PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540– 1663, S. 100. 973 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 53.
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als Ansatzpunkt für die Forschung bestehen bleiben.974 Insgesamt wird deutlich, dass die Visitationsprotokolle kein vollständiges Bild zeichnen, da beispielsweise größere Bibliotheken, die aus anderen Quellen bekannt sind, fehlen. Trotz ungenauer und scheinbar willkürlicher Überlieferung zeigen die Protokolle aber die Linien, auf denen sich die Bibliotheken entwickelten; ein Bild entsteht freilich nur im Abgleich mit anderen Quellentypen. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erscheinen auch in den Rechnungen schwarzburgischer Dorfkirchen deutlich häufiger Ausgaben für evangelische Bücher. 1560 wurde in Gehren ein Katechismus angeschafft. 975 1561 kauften die Alterleute von Langewiesen ein ganz Biblia und die Summarien Veit Dietrichs, 976 im folgenden Jahr eine Agende. 977 Diese Entwicklung lässt sich ebenfalls in einigen Inventaren aus den 1570er und -80er Jahren zeigen. In Niederwillingen werden in der Mitte der 1570er Jahre folgende Bücher erwähnt: i Bibel in quarto, in weiß ledder gebunden; i Evangelien buch in quarto mit Rothen ledder gebunden, gesang weise; 3 Agente die Sächsische Coburgische und Schwartzburgische.978
In Dornheim gab es 1586 ein Gesangbuch, eine zweiteilige Bibel und eine Ausgabe der Predigtsammlung des niedersächsischen Reformators Anton Corvinus.979 In Reinsfeld gab es eine Bibel, eine Ausgabe der Augsburger Konfession, die Loci Communes, eine Agende und ebenfalls die Postille des Anton Corvinus.980 Dieselben Bücher sowie ein Katechismus und ein Psalter waren in Espenfeld vorhanden.981 Nur zu sehr wenigen Dörfern werden, wie in Görbitzhausen, vorreformatorische Bücher genannt. Im konkreten Fall handelte es sich um ein pergament Meßbuch. 982 Im schwarzburgischen Gebiet war nach diesen Quellen die Umstellung der Pfarrbibliotheken deutlich weiter fortgeschritten als unter den Ernestinern. Anhand der Kirchenordnungen lässt sich dieser Prozess aber nicht weiter einschränken. Eventuell ist er auf das Wirken einzelner Superintendenten zurückzuführen, was die weitere Beschäftigung mit diesem Thema zeigen muss.
974 Vgl. die Aussagekraft des Protokolls einer Weimarer Spezialvisitation bei GEHRT, Spezialvisitation, S. 207 f. 975 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4338, fol. 4r. 976 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5259, fol. 7v. 977 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5260, fol. 8v. 978 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5701, fol. 16v. 979 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2988, fol. 84v–85r. 980 Ebd., fol. 90r–90v. 981 Ebd., fol. 114r. 982 Ebd., fol. 104v. In einem anderen Fall werden z. B. acht kleine lateinische Bücher erwähnt, deren Einordnung schwerfällt; ebd., fol. 73r.
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Welche generellen Aussagen lassen sich über den Umgang mit den vorreformatorischen, liturgischen Büchern in den Gemeinden treffen? Deutlich wird, dass diesen recht schnell mit weniger Respekt begegnet wurde. Sie wurden, wie am Realbestand deutlich wird, in vielen Fällen makuliert und als Einbände für Rechnungen, Zinsverzeichnisse und Ähnliches verwendet.983 Dieses Zerschneiden der Messbücher und anderer Werke geht auch aus zwei schriftlichen Nachweisen hervor. 1536 beschwerte sich die Gemeinde von Ulla unter anderem darüber, dass ihr Pfarrer ihre Messbücher ausgeschnitten habe, was dieser auch nicht bestritt.984 Wahrscheinlich entfernte er gezielt bestimmte Teile, wie Abbildungen, um sie zu behalten oder zu verkaufen. Ebendies lässt sich in einem anderen Fall nachweisen. Dem Pfarrer von Drackendorf wurde 1551 vorgeworfen, zwei sechstern aus einem alten pergamentenen Messbuch geschnitten zu haben, was dieser allerdings bestritt.985 Diese beiden Fälle lassen freilich prinzipiell die Frage nach den Urhebern der Makulaturen der Bücher entstehen. Neben dem Zerschneiden der Bücher lassen sich seitens der Gemeinden auch Versuche feststellen, diese unzerstört zu verkaufen. Die Alterleute von Mittelhausen veräußerten 1561 ein pergamentenes Graduale und ein Antiphonar, allerdings nach Gewicht für den geringen Ertrag von 14 Groschen.986 In Kapellendorf wurde ein altes Pergament gegen die Hauspostille getauscht.987 Insgesamt scheint eine gewisse Unsicherheit geherrscht zu haben, wie mit den Büchern zu verfahren sei. Eine einheitliche reformatorische Linie gab es, wie auch in der Bilderfrage,988 nicht. Deutlich wird dies beispielsweise an einer Anfrage an den Mühlhäuser Rat im Jahr 1562: Ob man die meß bucher aus den Dorff Kirchen sol abfordern. Die ehrbaren Räte antworteten: [E]s sei notwendig und vielmal davon geredet.989 Augenscheinlich zog sich auch im Mühlhäuser Landgebiet die Entwicklung der Pfarrbibliotheken über einen langen Zeitraum hin. Anders als man erwarten könnte, kam es nirgendwo zu einer plötzlichen Anschaffung eines bestimmten Korpus evangelischer Texte und Bücher. In allen Territorien des Untersuchungsgebietes zog sich dieser Prozess über Jahrzehnte hin. Ebenso blieben trotz der klaren Abgrenzung von allem Altgläubigen in vielen Kirchen und Pfarrhäusern vorreformatorische Bücher erhalten. Auch die frühen Visitationen konnten 983 Beispiele für diese Verwendung zeigen etwa die Rechnungen von Tautenburg (PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667), Falkenhain (PfA Falkenhain, A.c.i., Vol. IV) und Bittstädt (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1186). 984 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 827, fol. 4r‒5r. 985 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2277, fol. 5v. 986 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3162, fol. 6r. 987 STEWING, Kapellendorf, S. 101. 988 Vgl. dazu das Kap. III.13.5 in dieser Arbeit. 989 StAM, 10 T, 1–4 (1/2), Nr. 4, fol. 363.
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an diesen Zuständen nur marginal etwas ändern. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es zu einer umfassenden Welle des Erwerbs neuer Bücher. Davon legen bis heute die Bestände vieler Pfarrbibliotheken Zeugnis ab.
13.3. Kirchenbau Ohne Zweifel führte die Reformation zu Veränderungen im Kirchenbau. Vielfältig sind die Lösungen, die im Laufe der Frühen Neuzeit für evangelische Gemeindekirchen entwickelt wurden. Die größte Herausforderung bei der Gestaltung des Innenraumes des evangelischen Kirchenbaues war die steigende Bedeutung der Kanzel. In den thüringischen Dorfkirchen ist besonders die Konstruktion des Kanzelaltars anzutreffen, der die beiden Orientierungspunkte des evangelischen Gottesdienstes in einer Achse vereinte.990 In vielen Dörfern wurden individuelle Lösungen gefunden, die dem vorhandenen Kirchenbau angepasst wurden. Doch diese Entwicklung fand besonders im Barock statt, vorrangig in den 100 Jahren von 1650 bis 1750,991 sodass vor allem diese Zeit heute die Wahrnehmung eines evangelischen Kirchenbaues auf dem Land prägt. Ebenso wurde die barocke Architektur der Dorfkirchen bisher stärker in der Forschung beachtet als die des 16. Jahrhunderts. Über die Genese dessen, was später als evangelische Gemeindekirche gilt, ist dabei kaum etwas bekannt.992 Bereits im 16. Jahrhundert begann in den protestantischen Gebieten aber die Suche nach geeigneten Raumstrukturen für die Predigtgottesdienste. Zeugnis legen davon vor allem die Schlosskapellen ab – im mitteldeutschen Raum in erster Linie Torgau und Schmalkalden.993 In Torgau (1544 geweiht) steht der Altar an der Schmalseite eines rechteckigen Raumes, während sich die Kanzel am mittleren Pfeiler der Längsseite befindet. In Schmalkalden (1590 geweiht) wurden erstmals Orgel, Kanzel und Altartisch mit Taufbecken in einer Reihe an der Schmalseite eines mit Emporen umgebenen Raumes angeordnet – ein Prinzip, 990 Vgl. MAI, Kanzelaltar. 991 Vgl. WERNER, Problem; WEX, Raumprobleme. 992 Vgl. etwa das Inhaltsverzeichnis der Festschrift für Peter Poscharsky: RASCHZOK/SÖRRIES, Geschichte. Über die Folgen der Reformation für die Erfurter Pfarrkirchen existiert eine Untersuchung: MEISSNER, Bewahrung; vgl. PANTER, Ausstattung für St. Michael in Schwäbisch Hall. Anhand der Kirchen des Leipziger Umlandes versuchte Gerhard Graf eine idealtypische Rekonstruktion des Wandels von einer spätmittelalterlichen Dorfkirche im 16. Jahrhundert; GRAF, Dorfkirchen. Solche Pauschalisierungen sind jedoch mit einem hohen Risiko verbunden und können der Vielfalt der Zustände in den Dörfern nicht gerecht werden. 993 Vgl. ELLWARDT, Kirchenbau, S. 28–32; KOERNER, Image, S. 402–440. Zur Orientierung dieser Suche am Tempel Salomos vgl. MAI, Innovation, S. 12–17.
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das wegweisend werden sollte; doch gehört Schmalkalden bereits einer gänzlich anderen Zeit an. Wie verhielt es sich in den ersten beiden Generationen nach Ausbreitung der Reformation? Im Dorfkirchenbau kam es in diesen Zeiträumen auf den ersten Blick zu keiner Entwicklung eines unabhängigen ‚evangelischen Kirchenbaues‘, auch die vorhandenen Kirchen erfuhren keine prinzipiellen Änderungen. Die Grundanforderungen, die die Protestanten an ein Kirchengebäude stellten, waren folgende: Dass die Kirche für die gesamte Kirchgemeinde zu festen Gottesdienstzeiten genüge, in ihr Gottes Wort verkündet werde und Sakramente, Taufe und Abendmahl, gespendet werden können. Die Gotteshäuser aus vorreformatorischer Zeit waren für den evangelischen Gottesdienst zu gebrauchen. Dazu gehörten ein Altar, Glocken, ein Taufstein und eine Kanzel. Diese ‚Genügsamkeit‘ spiegelt sich auch in den Kirchenordnungen und Visitationsinstruktionen, in denen der Kirchenbau kaum Erwähnung findet. 1557 wurde für die albertinischen Gebiete etwa nur die – natürlich prinzipiell vorhandene – Einsetzung zweier Verwalter für das Kirchengut festgeschrieben, damit die kirchengebeude desto bas erhalten werden mögen.994 Eher am Rande wurde die kaum in Frage gestellte und unveränderte Baulast festgehalten.995 In allen Gebieten wurden nur sehr wenige Neubauten begonnen und Investitionen in bestehende Gebäude gescheut. Mitunter wurden lediglich begonnene Bauten fertiggestellt.996 Diese fehlenden Investitionen bezogen sich aber nicht nur auf Neu- oder Umbauten, sondern auch auf die Unterhaltung bestehender Gebäude, sodass sich viele Kirchen im Laufe des 16. Jahrhunderts in einem zunehmend schlechten Zustand befanden. Im Allgemeinen lässt sich ab den ersten Visitationen ein Verfall vieler Kirchengebäude aus den Schriftquellen ermitteln, der auf eine gewisse Missachtung in den Jahren seit der frühen Reformation schließen lässt. In Langenleuba im Altenburger Land wurde bereits 1528 der sehr schlechte Zustand der Kirche bemängelt.997 In der schwarzburgischen Visitation 1533 wurden viele baufällige Gebäude erwähnt, womit neben den Pfarrhäusern in einigen Fällen auch die Kirchen gemeint gewesen sein dürften.998 In Teichröda wurde nur knapp vermerkt: Sollen die kirch bawen.999 Auch im Protokoll der ersten albertinischen Visitation 1539 findet sich ein entsprechendes Beispiel: Vom finanziellen Vorrat der
994 EKO 1, 1, S. 330. 995 Ebd., S. 188. 996 Vgl. HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 137 mit den Beispielen der Stadtkirchen von Gotha, Jena und Neustadt/Orla. 997 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1, fol. 236r. 998 Vgl. EINICKE, Reformationsgeschichte II, S. 98 f. 999 LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt, 2983, fol. 10v.
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Kirchenfabrik sollte in Seebach die baufällige Kirche saniert werden. 1000 Auf konkrete Bauarbeiten nahmen die Visitatoren jedoch nur selten Einfluss, nämlich dann, wenn die Nutzung eines Gebäudes für den vorgesehenen Zweck als Gemeindekirche nicht geeignet war. In Ettersburg wurde die vormalige Klosterkirche nach der Aufgabe des Klosters als Dorfkirche genutzt. 1533 legten die Visitatoren Folgendes fest: Item das der Fursteher, die Kirch in beulich weßenn halten, darin, broth und wein, tauf kessel, leichtucher, unnd anders verschaff und eine thur, von aussen hinein machenn lasenn soll, damit der pfarrer und die leuthe zur notturft, aus, und ein kommen mogen.1001
Diese Türe sollte auf den Kirchhof hinausgehen, stattdessen sollte jene zum Klostergelände verschlossen werden; der Kirchner erhielt die Schlüssel.1002 Doch dies waren freilich Einzelfälle. Ebenfalls blieb der Abbruch nicht mehr benötigter Gotteshäuser selten. Dies betrifft etwa die Auflösung des gesamten Kirchgutes in Wilsdorf und seine Zuschlagung zur Kirche in Dornburg. Bei der Kontrolle der Kirchenrechnung durch den Dornburger Schosser 1551 wurde kein neuer Kirchenvorstand eingesetzt und verfügt, dass der Besitz der Kirchenfabrik als Zulage zum Dornburger Pfarrgut kommen solle.1003 Die Gemeinde verwies erfolglos auf die Funktion des Kirchgutes zur Unterhaltung ihrer Kapelle mit den Glocken und der Hilfe für arme Nachbarn. Die Entscheidung wurde damit verteidigt, dass in Dornburg sehr großer Bedarf herrsche und der Weg dorthin sehr kurz wäre. Zusätzlich sollten sie sich nicht beschweren, schließlich hätten die verbliebenen sieben Bauern in Wilsdorf die Kapelle bereits nur noch als Scheune benutzt.1004 1548 führte der schlechte Zustand der Kirche von Daasdorf bei Buttelstedt zu einem Streit zwischen zwei Brüdern der Familie von Gottfarth. Der Weimarer Schosser bestätigte den ganz baufälligen Zustand und die Gemeinde zeigte sich auch willig, den Bau zu sanieren, allerdings fehlten ihr wegen einer Schuld eines der Adligen über 100 Schock Groschen bei der Kirchenfabrik schlicht die Mittel. 1005 1558 wurde für die Kirche von Tiefengruben im Erfurter Landgebiet festgestellt, sie sei bawfellig, also das sie deckens sehr noetig bedorffe.1006 1555 wurde der sich allgemein verschlechternde Zustand der Gebäude auch in der albertinischen Visitationsinstruktion festgehalten:
1000 1001 1002 1003 1004
LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 117v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 94r. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 614, fol. 1v. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2322. Ebd., fol. 3r‒4r. 1005 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2204. 1006 StAE, 1-0/B/I-1, fol. 41r–42r.
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Nachdeme wir aus manchfeldiger klagen, so an uns gelangen, befinden, das in vielen stedten und dörfern die kirchengebeude, pfarr und diaconheuser, auch die schulen zerfallen und derwegen die dieselben zu bessern, auch an etzlichen orten gar von neuem zu bauen die notdurft erfordert.1007
Im Jahr 1570 wurde der Niederadlige Hans Puster wegen der Baufälligkeit der Kirche in seinem Dorf Rabis in die Pflicht genommen, da bereits in der letzten Visitation darauf hingewiesen wurde, ohne dass sich seither etwas daran geändert hatte.1008 Noch zur folgenden Jahrhundertwende wurde in vielen Orten ein derart schlechter baulicher Zustand der Kirchen festgestellt, dass es oftmals zu Neuoder grundlegenden Umbauten kam. 1603 trat dies in Kleinmölsen ein.1009 1605 wiesen die Bauern von Straußfurt in einer Supplik auf den schlechten Zustand ihrer Kirche hin.1010 1616 hielten die Gemeindevertreter von Hochstedt bei Erfurt in einem Vertrag mit zwei Baumeistern aus benachbarten Dörfern fest, dass sie unsere bawfellige kirche undt Gotteshauß verdinget haben dieselbige aufs neue wiederumb aufzuebawen.1011 Im Falle Hochstedts war die Baufälligkeit soweit fortgeschritten, dass ein Neubau sinnvoller wirkte. Die wenigen gewählten Beispiele verdeutlichen, dass der beschriebene Rückgang der Bauaktivitäten und Bauunterhaltung seit der frühen Reformation in den nächsten Jahrzehnten zu einer dramatischen Verschlechterung des baulichen Zustandes führte.1012 Inzwischen war es an vielen Kirchen zu einem Investitionsstau gekommen, sodass viele Gemeinden nicht in der Lage waren, die erforderlichen finanziellen Mittel aufzubringen. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts, vor allem ab den 1560er Jahren, lassen sich jedoch in vielen Orten wieder in stärkerem Maße Unterhaltungsmaßnahmen feststellen. In Tautenburg wurde in den Jahren 1544 und 1545 am Dach und am Glockenstuhl gebaut.1013 1549 fanden in Dienstädt umfangreichere Umbauten statt. Es wurden Bauholz und Kalk abgerechnet.1014 In Ammerbach musste 1555 der Glockenstuhl ersetzt werden, was mit umfangreichen Änderungen am Mau1007 EKO 1, 1, S. 310. Auch eine reußische Ordnung aus dem Jahr 1552 bemerkte Ähnliches: EKO 2, 2, S. 157. 1008 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2848. 1009 STÖRZNER, Burchardi-Kirche, S. 4. 1010 OTTE/SOMMER, Weißensee, S. 48. 1011 BLAHA, Dorfkirche, S. 128. Der Vertrag benennt in der Folge alle Einzelheiten und Maße des Baues, der jedoch im Jahr 1978 abbrannte. 1012 Hinzu kamen natürlich, wie in allen Zeiten, Unwetter, die den baulichen Bestand gefährdeten. 1550 mussten die Alterleute von Lippersdorf Reparaturen in Auftrag geben, von Fenstern in der Kirchen und pfarre so der windt zubrechen; PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 45. 1013 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 33r. 1014 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 35r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
erwerk verbunden war.1015 Augenscheinlich waren diese Arbeiten nicht erfolgreich, da sich in den nächsten zehn Jahren in jedem Jahr Änderungen an den Glocken und an der Turmhaube in den Rechnungen finden. Überhaupt stellten die Türme und die Dächer die höchsten Anforderungen an die Unterhaltung. Dächer mussten beinahe jedes Jahr geflickt, an Türmen mussten in vielen Fällen Wetterschäden beseitigt und die Hauben repariert werden.1016 So führten die Jahre der Vernachlässigung in vielen Fällen dazu, dass die ersten Neubauten an den Kirchen Türme waren. Im Mainzer Küchendorf Witterda wurden 1550 dafür gesonderte bowmeister eingesetzt, die Gelder von der Kirchenfabrik und der Gemeinde empfingen, eine Organisationsform, die sich sonst nicht im Untersuchungsgebiet nachweisen lässt.1017 Ab dem Frühjahr 1550 wurden Steine aus Langensalza geholt und dortige Steinmetze entlohnt.1018 Die Bauarbeiten vor Ort begannen im Frühjahr 1551. Zunächst wurden Werkzeuge zum Abbrechen des alten Turmes und für den Neubau erworben. Dazu gehörten hebe yßen, hawen, schuffeln, eine pigke und helm.1019 Ab dem 10. Mai wurden Steine aufgeladen und Kalk beschafft, in den letzten Maitagen fand die Grundsteinlegung statt. Zwischen dem 8. Juli und dem 18. August waren die Bauarbeiten unterbrochen. Am Sonnabend nach dem Ägidiustag, dem 5. September, und am Sonntag nach Severi, dem 25. Oktober, fanden die Abrechnungen mit den Steinmetzen statt, die danach abgegangen sind. 1020 Nach dieser kurzen Bauzeit müssen die Bauarbeiten im Wesentlichen beendet gewesen sein; im Frühjahr 1552 werden nur noch einzelne Steine beschafft. Während der Bauarbeiten holten die Dorfeinwohner wiederholt Holz aus dem Wald, wofür sie Absprachen mit einem walt mann bei einem Stübchen Wein trafen.1021 Gleichzeitig baute man am Gewölbe, bezahlte einen Schmied für gegitter am Kirchtor, erweiterte die Emporen und veränderte die Fenster.1022 Mit der Turmbaustelle war eine komplexe Kirchensanierung verbunden. Die gesondert eingesetzten Bauherren erhielten das 1015 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602, fol. 65v–71r. 1016 So etwa 1578/1579 in Niederwillingen; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5696, fol. 9r. Eine Dachreparatur durch Erfurter Ziegeldecker war auch 1570 in Riethnordhausen nötig geworden; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3175, fol. 13r. Vgl. zu den beinahe in jedem Jahr nötigen Dachreparaturen an den Stadtkirchen REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 170–172. 1017 Es sei auf die Bezeichnung „Baumeister“ in Inschriften des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts in den unweit von Witterda gelegenen Dörfern Frienstedt und Gottstedt verwiesen, die eine ähnliche Organisation vermuten lassen; vgl. unten. 1018 BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 60v. 1019 Ebd., fol. 54r–54v. Zum Turmbau vgl. JANSON, Witterda, S. 50. 1020 Ebd., fol. 57r, 59r. 1021 Ebd., fol. 53v, 56r. 1022 Ebd., fol. 53r–68r, zu den Emporen vgl. unten in diesem Kapitel.
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Geld dafür von den Alterleuten der Kirche, holten aber wiederholt Geld bei unsern hern, also im Mainzer Hof in Erfurt, ab. Somit wird eine finanzielle Beteiligung der Obrigkeit an den Kirchenbauten in den Mainzer Küchendörfern um Erfurt deutlich.1023 Insgesamt wurden für die Bauarbeiten 202 Schock Groschen aufgewendet.1024 In den darauffolgenden Jahren wurde – abgerechnet in den normalen Rechnungen der Alterleute – mit der Innenausstattung des Turmes fortgefahren. So besichtigte ein Einwohner des benachbarten Dorfes Walschleben den Glockenstuhl, um einen Rat zu dessen Bau zu geben.1025 Der Turm in Witterda steht bis heute (Abb. 48), während sich von dem Kirchenschiff nichts erhalten hat.
Abb. 48: Bauinschrift „1553“ am Witterdaer Kirchturm 1023 Zum kirchlichen Leben in den Küchendörfern in dieser Zeit vgl. oben Kap. III.11. 1024 BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 62r. 1025 Ebd., fol. 91v.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Aus dem Jahr 1559 ist der interessante Fall des Buflebener Kirchturmes überliefert, der bereits an anderer Stelle dargelegt wurde. 1026 Der Gothaer Schosser und der dortige Superintendent kamen zu dem Ergebnis, dass der Turm dringend saniert werden müsse, um zu verhindern, dass er auf die Kirche und umliegende Gebäude stürze. Auch der angefragte prominente Baumeister Nickel Gromann beschrieb die Mauer des Turmes als murbe und wandelbar, woraufhin er wohl mit fürstlicher Bauhilfe neu gebaut wurde. In Mittelhausen bei Erfurt wurde 1571 mit dem Neubau des Turmes begonnen. Die Alterleute vermerkten in einem gesonderten Konto, waß am Kirchthurm verbauet und drauf gangen ist. 1027 Zunächst wurde der alte Turm abgebrochen und Holz und Steine von ihm verkauft sowie Zimmerleute für ein Gerüst bezahlt. Zu Bauverzögerungen kam es hier durch die Brüstung des Turmumganges. Ein Steinmetz in Langensalza stellte diese nicht rechtzeitig her, weshalb ein Altermann mehrfach zu ihm reisen musste. 1028 Am Beispiel des Mittelhäuser Turmes zeigt sich auch eine Änderung, die die Reformation im Kirchenbau zur Folge hatte. Vor der Reformation mussten die Alterleute, wie gezeigt wurde, eine Bauerlaubnis beim geistlichen Gericht einholen, hatten aber die Möglichkeit, dort auch eine Erlaubnis zum Sammeln von Spenden in anderen Orten zur Finanzierung der jeweiligen Bauarbeiten zu erlangen.1029 Durch die Abwendung von den kirchlichen Hierarchien gingen verschiedene Funktionen auf die entstehende landesherrliche Kirche über.1030 Dies betraf auch solcherlei Finanzierungsmöglichkeiten und so wurde den Mittelhäusern eine Steur für ihren Kirchturm bewilligt.1031 Prinzipiell ist die Entwicklung des protestantischen Kirchenbaues bisher eher für Stadtkirchen erforscht.1032 Dabei herrscht an vielen Stellen noch eine sehr klassische Sicht auf den Bauwandel vor, die einen plötzlichen Bruch zugrunde legt.1033 Bei genauerer Betrachtung der Zustände in den Dörfern fällt zunächst auf, dass sich an der Architektur der Dorfkirchen nichts änderte. Für die Jahre ab 1520
1026 1027 1028 1029 1030 1031 1032
Vgl. SLADECZEK, Gromann. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3166, fol. 12v. Ebd., fol. 10r, 12v. Heute trägt der Turm eine barocke Welsche Haube. Vgl. oben Kap. I.5.1. Vgl. oben die Kap. II.2.5 und III.5 sowie SLADECZEK, Beschwerden. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3166, fol. 9r. Beispielsweise SEEHASE, Pfarrkirchen; JADATZ, Veränderung mit dem Beispiel der Nikolaikirche in Geithain sowie den Beitrag Kai Wenzels zu den Oberlausitzer Stadtkirchen im selben Band. 1033 Etwas zu pauschalisierend zum Umbau der Kirchen war auch HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 136 f.
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wurde eine geringe Zahl an Befunden konstatiert.1034 Dies hält bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts an und wurde auch für die thüringischen Stadtkirchen festgestellt. 1035 Prinzipiell gilt diese Feststellung für die Dorfkirchen aller Gegenden des Untersuchungsgebietes. 1036 So sind etwa in und um Jena „kaum nennenswerte Baumaßnahmen zu verzeichnen“. 1037 Im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts gab es aber durchaus regionale Unterschiede, wie noch zu zeigen sein wird. Ein eigentlicher ‚Bauboom‘, wie er für die vorreformatorische Zeit vor allem anhand der vielen Chorbauten diskutabel ist, entwickelte sich in unmittelbarer Folge der Reformation nicht. In der Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden Kirchenneubauten meist aus konkreten örtlichen Umständen. 1543 wandte sich die ganze Gemeinde zu Boilstedt bei Gotha wegen ihrer baufälligen Kirche an die Visitatoren, welche an vielen ortern gancz gefarlichen tzum nidderfallen in sorgen stehet.1038 Sie baten ganz dezidiert um Stämme aus dem Tenneberger Burgholz. Die Visitatoren bestätigten den schlechten Zustand der Kirche und reichten das Ansinnen an die kurfürstliche Kanzlei weiter.1039 Nun wurde der Amtmann zu Schwarzwald angewiesen, den Bauern einen Platz zum Schlagen der Stämme anzuordnen.1040 Die Boilstädter erhielten ihr gewünschtes Holz. Neben den genannten Vernachlässigungen konnten es natürlich Unglücksfälle sein, wie in Dorndorf, wo die Kirche 1547 nach einem Brand grundlegend erneuert werden musste.1041 In einigen Fällen erforderten die Einflüsse der Visitationen und die geänderten Pfarrverhältnisse Bauarbeiten. In Döllstädt gab es zur Zeit der Visitation von 1533 zwei Pfarreien.1042 Beide gingen von den Grafen von Gleichen zu Lehen, eine der beiden ging auf das Zisterzienserinnenkloster im Dorf zurück. Die Visitatoren vermerkten zu den Verfügungen der vorangegangenen Visitation: Umb des Frewleins von Gleichen willen, seind inn nechster visitation Zwei pfarn an den orth verordent. Damit das Frewlein Im Closter auch gottes wort gehaben konth. Sonst kunde es woll ein pfarrer versorgen.1043 In der Folge muss es aber doch zur Zusammenlegung der Pfarreien 1034 Vgl. oben Kap. II.3. 1035 MERTENS, Stadtkirchen, S. 22, hält fest, „daß keine neuen Kirchen mehr gebaut wurden, wenn dies nicht etwa durch Zerstörung erzwungen worden ist.“ Allerdings führt er dies ausschließlich auf die Nutzung der Klosterkirchen zurück. 1036 Für die Dörfer um Weimar: MÜLLER, Ortsteilgemeinden, S. 243. Für den Kyffhäuserkreis: MÜLLER, Kyffhäuserkreis, S. 173‒176. 1037 MÜLLER, Jena. 1038 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1764, fol. 1r‒1v. 1039 Ebd., fol. 3r. 1040 Ebd., fol. 2r. 1041 Vgl. MÜLLER, Jena; DEHIO, S. 224. 1042 Döllstädt war Besitz der Grafen von Gleichen, wurde aber von der ernestinischen Visitation mit erfasst; vgl. oben Kap. III.5. 1043 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 304r. Der weitere Ablauf dieser interessanten Anekdote zum Einfluss der Grafen von Gleichen und zur Auflösung der
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
gekommen sein, die eine größere Kirche erforderlich machte. An Stelle der anderen Pfarrkirche, St. Peter und Paul, wurde im Jahr 1543 ein völliger Neubau errichtet. Eine Bauinschrift aus diesem Jahr zeigt die finanzielle Beteiligung des Grafen Philipp von Gleichen zu Tonna und des örtlichen Niederadligen, eines Herrn Knobloch. Beider Wappen befinden sich in der Bauinschrift; der Herr Knobloch wird als Bwemeister der kerchen bezeichnet (Abb. 49).
Abb. 49: Bauinschrift von 1543 an der Kirche von Döllstädt, Lkr. Gotha Nonnenklöster lässt sich aus einer barocken Beschreibung erschließen. Dort wird bemerkt, dass es sich um eine der letzten Nonnen oder gar die letzte Äbtissin handelte. Anschließend wird ein Eintrag aus den „Döllstedter Pfarr-Buechern“ zitiert, der sich heute nicht mehr auffinden lässt: „Fraeulein Margarethen, Gräfin zu Gleichen, und Graf Siegmund II. zu Gleichen fuenfte Tochter, ward geistlich im Closter Tullstedt, daselbst sie auch nach der Reformation und der Ablegung des Closter-Lebens, in einer besonderen Behausung bis an ihr Ende wesentlich verblieben, auch allda in der Pfarr-Kirche, nachdem sie im Jahr 1572. am Palm-Sonntag seelig abgelebet, vermoege ihres letzten Willens, so Freytags nach Ostern, war der 27te April 1565. verfertiget, und weil das Fraeulein selbst nicht wohl hat unterschreiben koennen, auf ihr sonderliches Begehren von ihren kriegischen Vormunde Vormunde (sic!), Hans Schaden den Eltern, unterschrieben ist, begraben.“ In der Folge wird die Umschrift des im 18. Jahrhundert noch vorhandenen „Leichen-Steins“ zitiert; BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 3, S. 21 f.
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Eine jüngst erfolgte dendrochronologische Untersuchung des Dachwerkes erbrachte das Ergebnis, dass die Bäume für die Sparren im Winter 1543/1544 gefällt wurden. 1044 Der Kirchenbau wurde also tatsächlich bereits 1544 unter Dach gebracht. Seine Fertigstellung fällt damit in dasselbe Jahr wie die ungleich berühmtere Torgauer Schlosskapelle. Bei der Kirche von Döllstädt handelt es sich um den ältesten ‚protestantischen‘ Kirchenneubau in Thüringen, der bisher festgestellt werden konnte. Der Bau ist ein Rechtecksaal ohne baulich ausgezeichneten Chorbau. Die schlichten Fenster zeigen kein Maßwerk. Alles in allem folgt die Kirche für die Zeit sehr modernen architektonischen Vorstellungen, die für die weitere Genese des protestantischen Kirchenbaues wegweisend waren. 1548 wollten die Bauern des Dorfes Eigenrode bei Mühlhausen, das kurz zuvor aus zwei anderen Orten entstanden war, eine eigene Kirche mit einer Glocke bauen. Sie erbaten dafür vom Mühlhäuser Rat die Erlaubnis, Almosen für den Bau sammeln zu dürfen, welche ihnen gewährt wurde.1045 Ähnlich verhielt es sich 1558 in dem ernestinischen Dorf Ütteroda bei Eisenach. Das Dorf gehörte zur Pfarrei Madelungen, die Bauern baten aber darum, eine eigene Kirche bauen zu dürfen. Die herzogliche Kanzlei beauftragte den Eisenacher Superintendenten und den Schosser des Amtes Creuzburg, den Fall zu prüfen und über eine eventuelle Zulage zu entscheiden, da die Leute geistlich ordentlich versorgt werden sollten.1046 Ob es zu einer Zulage kam, kann nicht gesagt werden, zumindest wurde den Bauern aber der Bau gestattet. Bis die Finanzierung gesichert war, scheint es noch weitere Verzögerungen gegeben zu haben, da erst ab 1569 mit dem Bau begonnen wurde, auf den die heutige schlichte Kirche aus dem 18. Jahrhundert zurückgeht.1047 Ein kompletter protestantischer Neubau lässt sich auch für Illeben zeigen. (Farbtafelteil, Abb. 50) Eine Bauinschrift über der dortigen Kirchentür beschreibt, dass der Bau im Jahr 1555 zu Ehren der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit fertiggestellt wurde. Der einheitlich errichtete schlichte Saal mit auf der Südseite eingezogenem Chorpolygon und Westturm verfügte über Emporeneinbauten. Im Gegensatz zum Rechtecksaal in Döllstädt folgt der Bau somit sehr traditionellen Architekturmustern und steht unter starkem Einfluss der Nachgotik (s. u.). Gleiches gilt für die Gestaltung der Fensteröffnungen, die 1044 DENDROCHRONOLOGISCHER BERICHT DÖLLSTÄDT; ich danke Herrn Thomas Nitz, Erfurt, für diese Auskunft. Brückner berichtet davon, dass die Kirche 1542 neu erbaut wurde; BRÜCKNER, Schulenstaat, 2, 3, S. 22. 1045 StAM, 10, E6, Nr. 5, fol. 256. Wahrscheinlich handelt es sich im Kern um die heutige Dorfkirche St. Johannes. Rechnungen der Kirche sind seit 1563 im Mühlhäuser Stadtarchiv überliefert. 1046 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2718. 1047 VOSS 40, S. 588. Vgl. den ähnlichen vorreformatorischen Fall in Göschwitz oben im Kap. I.5.1.
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spätgotisch erscheinen. Wenige Jahre nach der baulichen Fertigstellung wurde im Jahr 1564 eine durch verschiedene Mitglieder der bäuerlichen Gemeinde und den Pfarrer finanzierte farbige Fassung der Tonne vorgenommen (Abb. 51 im Farbtafelteil, die Decke im Chorraum). Das Wappen des Pfarrers befindet sich im Chor. An der Decke des Saales sind die Kirchenvorsteher und andere Bauern des Dorfes mit ihren Wappen verewigt (Abb. 52 im Farbtafelteil). Es handelt sich um ein herausragendes Beispiel für das Repräsentationsbedürfnis, das für die Bauern mit einem solchen Neubau verbunden war. Die Prächtigkeit der Decke und die Wappen der reichen Bauernfamilien symbolisierten die Gemeinde und ihre Möglichkeiten. Solche Neubauten konnten natürlich auch auf adlige Initiative hin entstehen, wie bereits das Beispiel Döllstädt zeigte.1048 1568 bat Levin von Wolframsdorf Herzog Johann Wilhelm um die Zustimmung zu einem angestrebten Kirchenneubau in Törpla und eine Pfarrzulage.1049 Auch im Falle des Adels wird der steigende Einfluss der weltlichen Herrschaft auf den Kirchenbau deutlich, der unter anderem durch die wegfallenden Indulte des geistlichen Gerichtes ermöglicht wurde. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Verbesserung der eigenen geistlichen Versorgung unverändert das Leitmotiv des Handelns der Gemeinden in kirchlichen Fragen war. Dabei herrschte Konsens zwischen niederadligen Gerichtsherren und Bauern. Die Interessen des Adels, solch einen Neubau mit auszulösen, gingen aber darüber hinaus: Ehrenplätze oder Patronatslogen in der Kirche betonten die Stellung der Herrschaft im Ort, Grabdenkmäler dienten unverändert der persönlichen Memoria in der Familie und der Herrschaft, eine starker Einfluss auf die Kirche erhöhte die Bindung des Pfarrers an die Herrschaft und war auch Teil eines möglichst weitgehenden Widerstandes gegen die landesherrliche Kirche. Gleichzeitig waren die Kirche und der gemeinsame Kirchenbesuch sinnbildliche Zeichen für die Einigkeit und den Konsens zwischen Adel und Bauern.
1048 Zur Funktion der Kirchen als Grablegen für den Adel vgl. BRINKMANN, Grabdenkmäler, v. a. S. 178–230. Zur Aussagekraft dieser protestantischen Kirchenneu- und -umbauten für die konfessionelle Haltung des Adels vgl. WIEDEN, Konfessionalisierung, bes. S. 315–318. Eventuell ist der Kirchenneubau in Illeben auch mit der Besitzübernahme des Dorfes durch die Grafen von Gleichen-Tonna 1548 zu sehen; BRÜCKNER, Schulenstaat, 1, 9, S. 43. Brückner spricht ebd., S. 45, auch davon, dass die Kirche „von Grund aus A. 1555. erbauet und der H. Dreyfaltigkeit consecriret worden“ sei, da die „Inwohner sich vermehret und das Dorff groesser worden.“ Als Bauursachen können für Illeben also die zunehmende Bevölkerung und die Aufgabe einer Kapelle am anderen Ende des Dorfes angesehen werden. Zum Einfluss des Adels auf den jeweiligen Kirchenbau vgl. unten in diesem Kapitel das Beispiel Weberstedt. 1049 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 793.
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All diese Punkte vereinen sich in den Kirchen von Groß- und Kleinurleben, zu deren Bau der kursächsische Rat Erich Volkmar von Berlepsch 1585 1000 Gulden stiftete und so die Bauten wohl erst ermöglichte. Acht Jahre danach beschrieb Johannes Lentzen diesen Vorgang in seiner Chronik der Familie Berlepsch: Dieweil aber die beyden Doerffer Grossen und kleinen Uhrleben von Jharen zu Jharen ergroessert und erweittert unnd auch der Herr Oberhauptman daselbst das Schloß gebawet und alda hat wohnen woellen, sind die beyden obgenannten Kirchen vor das Volck zu klein, auch ohne das finster und uber das fast bawfellig gewesen, darumb dann der Edle, Gestrenge und Ehrnveste Erich Volckmar von Berlebsch, Erb-Cammerer zu Hessen und Oberhauptmann etc. unnd seine liebe Haußfraw Fraw Lucretia auff Mittel und Wege gedacht, wie diesen beyden Kirchen fueglich geholffen unnd die Ehre Gottes darinn befoerdert werden moechte.1050
Da der Oberhauptmann selbst durch seinen Hofdienst verhindert war, hat seine Ehefrau, eine geborene von Schleinitz, den Bau organisiert. Aus sonderlichem von Gott begabtem Verstande, wie die Kirchen sein sollten, ließ sie sie abreißen und nacheinander neu erbauen. 1585 geschah dies in Großurleben; diese Kirche wurde aber 1972 abgerissen. 1051 1586 wurde die Marienkirche in Kleinurleben außer dem Turm abgerissen und bis auf geringe ikonographische Unterschiede identisch der Kirche in Großurleben neu gebaut. Dazu gehörten Tauffstein, Predigstuel und Altar zierlich bekleidet, Stuele und Poerkirchen, außerdem eine Orgel, die der örtliche Schulmeister neben dem Schülerchor betreuen musste. 1052 Neben diesem eigentlichen Kirchenbau verfügten beide Kirchen über eine Besonderheit: Es ist aber auch an jetztbemelte Kirche oder Chor gegen Mitternacht eine sonderliche Sacristey gebawet, in welche man vom Chor eingehen kan. In der Hoehe aber ist es eine gereumige Poerkirchen, auff welche man mit einer daran gelegten und verschlossenen Treppen von aussen her kommen kan. Nach dem Chor aber mit einem gewelbeten Bogen gefasset und mit einem Gegitter vorschraencket, doch also das man auff dieser Poerkirchen die Kirche und alles ubersehen unnd hoeren kann.1053
An dem gewölbten Bogen waren die acht Ahnenwappen des Ehepaares angebracht. Diese Patronatsloge hat sich trotz eines Umbaus im 18. oder 19. Jahrhundert in weiten Teilen erhalten. Ihr Innenraum war mit einer szenischen Renaissancemalerei versehen, von der sich auf dem Dachboden Teile er-
1050 LETZNER, Berlebsch, Kap. 30 (ohne Seitenzählung); VD 16 L 1329. Zum Verfasser dieser Chronik vgl. KIRSTAN, Letzner. Zu Erich Volkmar von Berlepsch und seiner Stellung als Oberhofrichter und Oberhauptmann vgl. SCHIRMER, Staatsfinanzen, S. 652, wonach Berlepsch aus diesen Ämtern bereits ein Einkommen von über 1500 Gulden jährlich zustand. Vgl. weiter ebd., S. 671 und S. 682. 1051 DEHIO, S. 1257. 1052 LETZNER, Berlebsch, Kap. 30 (ohne Seitenzählung). 1053 Ebd.
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halten haben.1054 Wie bereits in anderen Fällen kann eine enorm kurze Bauzeit festgestellt werden, da noch im selben Jahr am Sonntag nach Michaelis zum ersten Mal in der neuen Kirche gepredigt wurde. Es folgten weitere Stiftungen zum Kirchengerät und Paramenten. Des Weiteren hat Berlepsch das Einkommen von Pfarrer und Schulmeister ziemlich vorbessert. Wie sehr sich Erich Volkmar von Berlepsch mit diesen Stiftungen auch um die Kirchenzucht in seiner Herrschaft bemühte, zeigt die Anekdote, dass er, wenn er einen Kirchenbesucher während der Predigt schlafen sah, ihn von seinem Gesinde mit dem Stock aufwecken ließ.1055 Diese frommen Tugenden wurden auch in seiner Leichenpredigt betont.1056 Er ließ sich in der Kirche von Kleinurleben bestatten, wo ihm ein großes und qualitätvolles Epitaph des Erfurter Bildhauers Israel von der Milla gesetzt wurde, an dessen Bildprogramm der Stifter selbst beteiligt war (Abb. 53 im Farbtafelteil).
Abb. 54: Kirchenbau in Urleben
1054 Dendrochronologisch konnten Bauteile der Loge auf das Jahr 1586 datiert werden; DENDROCHRONOLOGISCHER BERICHT URLEBEN. GRAF, Dorfkirchen, S. 59, stellte fest, dass es solcherlei Patronatslogen im Norden des Chores im Leipziger Umland erst ab dem 18. Jahrhundert gab. 1055 Ebd. 1056 Sie hat sich in verschiedenen Bibliotheken erhalten (VD 16 T 675).
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Abb. 55: Inschrift in Urleben
Dieser gesamte Bau hat sich prinzipiell erhalten (Abb. 54). Es wurde gezeigt, dass die Kirche von Kleinurleben verschiedene Motive des Kirchenbaus auf dem Land im 16. Jahrhundert vereint. An erster Stelle stand das Repräsentationsbedürfnis einer reichen, niederadligen Familie, die mit dem Bau nicht zuletzt ihre evangelische Gesinnung betonen wollte. Bauauslösend waren allerdings das Bevölkerungswachstum im 16. Jahrhundert, weshalb die Kirche zu klein wurde, und die Vernachlässigung und folgende Baufälligkeit der alten Kirche. Anhand der Schilderung in der Chronik und einer am Chor der Kirche erhaltenen Bauinschrift (Abb. 55), lässt sich aber zeigen, dass der Bau nichtsdestoweniger durch die Alterleute des Dorfes ausgeführt wurde. Die Baulast der Kirchenfabrik hatte unverändert eine stärkere Bedeutung für den Kirchenbau als das Patronatsrecht. Die Beteiligung eines Patronatsherrn in Form von Stiftungen für die Kirchenfabrik ermöglichte aber grundlegendere Neubauten. Für Knobelsdorf auf der Saalfelder Höhe wird ein kompletter Kirchenneubau aus einer Kirchenrechnung des Jahres 1564 deutlich. Beginnend mit Zahlungen an einen Förster, listet die Rechnung Ausgaben für einen Zimmermann, einen Maurer, einen Ziegler sowie für Kalk, Bretter, Nägel, Leinöl und das Bier des Richtfestes auf, bevor ein Turmknauf und eine Fahne den Bau abschließen. Daraufhin organisierten die Alterleute einen großen Schmaus mit der gesamten Gemeinde, bevor der Innenausbau begann.1057 1057 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2906.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Ein Kirchenbau stellte wie in den Generationen zuvor ein Großprojekt aller Einwohner des Dorfes dar. Man scheute nicht mehr die Investitionen in groß angelegte Bauarbeiten, wenn es erforderlich war. In Elxleben bei Erfurt kam es infolge der Zusammenlegung der beiden Pfarrgemeinden im Ort ab 1576 zu einem sehr großen Neubau der verbliebenen Kirche, wie dies bereits oben für Döllstädt gezeigt werden konnte. Am 18. Dezember 1576 fand die letzte Taufe in der alten Kirche statt. Danach vermerkte der Pfarrer im Taufregister: Diese nachfolgenden sindt in der Gottshaus scheinen getauft worden wie die kirchen johan. Bapt. ist abgebrochen worden.1058 Am 15. Dezember 1577, dem dritten Adventssonntag, fand die erste Hochzeit In der Neuen Kirchen statt.1059 Diese für einen Bau dieser Größe und Ausführung enorm kurze Bauzeit war wohl nicht zuletzt auf die Beteiligung des Erfurter Rates, zu dessen Landgebiet Elxleben gehörte, zurückzuführen. Über die Baubeteiligung informiert eine sehr umfangreiche zweisprachige Bauinschrift, deren gereimter, deutscher Part hier wiedergegeben werden soll: ALS.MAN.SCHREIB.FV…ZEHEN.HVNDERT.IAR NEBEN.SECHS.VND.SIEBENTZIG.ZWAR. NACH.CHRISTI.VNSERS.HERREN.GBVRT. DIE.KIRCH.VON.NEW.GEBAVET.WVRD. DER.STAD.ERFVRT.EIN.ERBAR.RHAT. DIS.NEW.GEBEW.VEWILLIGET.HAT.1060
Dass der Rat nicht nur die Erlaubnis zu dem Bau erteilte, sondern einen konkreten Einfluss ausübte, belegt eine Nachricht aus der Chronik des Johannes Wellendorf, wonach der Erfurter Rats Zimmerman am 2. August 1578 den Knauf des Kirchturmes aufsetzte. 1061 Zunächst zeigt diese Nachricht, dass auch im Erfurter Landgebiet der Einfluss der Herrschaft auf die Ausführung der Bauarbeiten stieg.1062 1058 PfA Elxleben, Gesamtregister 1575–1692, fol. 8r; vgl. WEISS, Landschafft, S. 66 f. 1059 PfA Elxleben, Gesamtregister 1575–1692, fol. 10r, 200v. 1060 Die komplette Inschrift mit minimalen Lesefehlern findet sich bei ORTMANN, Landgebiet, S. 76. 1061 TROMM, Wellendorf, S. 419. Ich danke Herrn Tim Erthel, Erfurt, für diesen Hinweis. Diese Nachricht findet Bestätigung durch eine jüngst erfolgte dendrochronologische Datierung verschiedener Ständer und Streben der Turmspitze. Die Bäume wurden in den Wintern 1576/1577 und 1577/1578 gefällt; DENDROCHRONOLOGISCHER BERICHT ELXLEBEN. 1062 Eine ähnliche Inschrift bezeichnet die Fertigstellung des Kirchenneubaues in Udestedt 1593. In dieser ist gar die Rede davon, dass der Rat den Bau VOLNFURT hat; Transkription: ebd., S. 82. In einer Bauinschrift an der Kirche von Niederzimmern aus dem Jahr 1618 werden Ratsmeister namentlich genannt. Vgl. WEISS, Landschafft, S. 67 f. mit
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Abb. 56: Wappenstein in der Kirche von Zimmernsupra, Lkr. Gotha
Aus der Zeit nach der Reformation gibt es an vielen Kirchen des Erfurter Territoriums Bauinschriften, die mit dem Stadtwappen, dem Erfurter Rad, versehen sind, wie jenes in der Kirche von Zimmernsupra aus dem Jahr 1538 (Abb. 56). Durch die Entwicklung der Reformation sank der Einfluss der geistlichen Gerichte. Ein stärkerer landesherrlicher Einfluss auf die Kirchenbauten wurde so durch die nicht mehr nötigen Bauindulte der Gerichte ermöglicht – wie es oben bereits für die ernestinischen Gebiete gezeigt wurde. Die Herrschaftszeichen verdeutlichen dies. Allerdings beruhte diese Einflussnahme auf den vorreformatorischen Zuständen.1063 In der Regel nennen Bauinschriften an Dorfkirchen der Feststellung, dass die Formulierungen nicht eindeutig auf eine finanzielle Beteiligung des Rates schließen lassen. 1063 Vgl. oben Kap. I.6.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
des späten Mittelalters und des 16. Jahrhunderts die Bauverantwortlichen. Dies waren die Alterleute, die Heimbürgen und mitunter der Pfarrer. Das Erfurter Stadtwappen als Herrschaftszeichen an den Kirchen spricht erneut für eine Kontrolle des Stadtrates über die bauverantwortlichen Kirchenfabriken.1064
Abb. 57: Bauinschrift an der Kirche von Kleinmölsen, Lkr. Sömmerda 1064 Vgl. ebd. Weitere Klarheit könnte ein umfassender Vergleich der Steinmetzzeichen in der Stadt und im Landgebiet bringen. Eine Untersuchung zu den Steinmetzzeichen in Erfurt existiert; STECHER, Steinmetzzeichen. Zu Nachweisen an Kirchen des Landgebietes vgl. ORTMANN, Landgebiet, S. 83–86.
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Selbstverständlich hatte das Stadtwappen an einer Kirche eine hohe symbolische Bedeutung. Weiterhin zeigen die Räder eine Beteiligung – mutmaßlich auch eine finanzielle – am konkreten Bau. Nur in einem Fall lässt sich ein Zusammenhang zwischen einer Bauinschrift und der Aufbringung der Finanzen herstellen. 1604 wurde im Erfurter Dorf Kleinmölsen ein neues Kirchenschiff gebaut. Dafür nahmen die Einwohner des Dorfes einen Kredit über 500 Gulden beim Erfurter Rat auf. Vermittler war der Ratsherr und spätere Obervierherr Herbord Nacke. Für die Bedienung der Zinsen hafteten die Heimbürgen und die Alterleute des Dorfes. In der Bauinschrift finden sich die Namen Herbord Nackes, der Heimbürgen und der Alterleute (Abb. 57).1065 Wenngleich dieses Beispiel bereits aus dem frühen 17. Jahrhundert stammt, ist es im Prinzip doch mit den Verhältnissen des 15. und 16. Jahrhunderts vergleichbar.1066 Neben einer anteiligen Finanzierung der Kirchenbauten durch den Rat ist also auch denkbar, dass der Rat als Kreditgeber auftrat, den jeweiligen Bau erst ermöglichte und darüber Einfluss auf die Art des Baues ausübte. Insbesondere die Vielzahl der Wappensteine an Kirchen im Erfurter Landgebiet lässt ein festes System der Kirchenbaufinanzierung unter städtischer Beteiligung vermuten, da solcherlei Herrschaftszeichen an Kirchen in anderen Gebieten vollständig fehlen oder nicht derart gehäuft auftreten. Ein Zwischenfazit: Neubauten und umfangreichere Sanierungen lassen sich nach einer nahezu vollständigen Stagnation in den 1520er und -30er Jahren ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wieder häufiger feststellen; und zwar dort, wo die Umstände es erforderten. In diesem Zeitraum begann ebenfalls die Entfernung bestimmter vorreformatorischer Ausstattungsstücke, die nun als störend oder nicht dem evangelischen Glauben gemäß empfunden wurden. Die evangelischen Kirchenordnungen sahen einen Hauptgottesdienst der gesamten Gemeinde vor, sodass Seitenaltäre, die es in den Dorfkirchen in großer Zahl gab, überflüssig wurden. Seit den 1550er Jahren lässt sich das Abbrechen dieser Altäre feststellen.1067 Diese Maßnahmen waren oft Teil von komplexeren Maßnahmen, die die Kirchen ‚evangelischer‘ machten. Dazu konnten die Einbauten von Emporen und Gestühlen sowie die Neuanschaffung von Kanzeln gehören. Diese Veränderungen in der Ausstattung von Kirchen werden klassisch als Anhaltspunkte für
1065 STÖRZNER, Kleinmölsen, S. 61–63. Der Kredit findet auch Erwähnung in einer Stadtrechnung; STÖRZNER, Burchardi-Kirche, S. 4, Anm. 11. 1066 Vgl. oben Kap. I.6 anhand der Funktionen der Kirchtürme im Erfurter Landgebiet. 1067 Vgl. auch das Kap. III.13.5 in dieser Arbeit. Außerdem die Umbauten in der Wallfahrtskirche Crock, wo 1559 im Zuge von Emporeneinbauten ebenfalls ein Altar abgebrochen wurde; HANETZKY, Wallfahrtskirchen, S. 79.
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eine bauliche Veränderung der Kirchen durch die Reformation gesehen.1068 Sie bilden gar Stereotype der landläufigen Grundvorstellungen zu den Auswirkungen der Reformation: Durch die Reformation kamen die Emporen und Gestühle sowie die Kanzeln in die Kirchen. Im Folgenden sollen diese drei Parameter – Emporen, Gestühle, Kanzeln – vor allem anhand der Kirchenrechnungen untersucht werden, um festzustellen, wann und in welchem Maße bauliche Veränderungen eintraten. Auf der anderen Seite gab es natürlich eine Vielzahl an Ausstattungsstücken, an deren Verwendung sich nichts änderte. Dazu gehören etwa die Hauptaltäre der Kirchen, die Glocken oder die Taufsteine. Sicher finden sich neue Taufsteine des 16. Jahrhunderts, die oft auch ikonographisch die Taufe in den Mittelpunkt rücken. Allerdings ist die Zahl der mittelalterlichen Taufen, die weiterverwendet wurden, ungleich höher. Diese wurden oft im Kirchenraum verrückt und befanden sich dann im Angesicht der Gemeinde an zentralem Ort. E m p o r e n gab es in den Dorfkirchen bereits in vorreformatorischer Zeit,1069 in Form der Westemporen bereits seit der Romanik. Sie sind heutigentags aber meist nur bauhistorisch festzustellen.1070 Meist weisen Arkadenbögen im Erdgeschoss auf sie hin. Man geht davon aus, dass diese Emporen als Ehrenplätze adliger und klösterlicher Kirchenpatrone gedient haben. Daneben kamen sie aber auch als Altarstandorte in Frage. Außerdem zeigen entsprechende Portalöffnungen in Emporenhöhe, dass es hölzerne Emporeneinbauten bereits seit dem Hochmittelalter gegeben haben muss. 1071 An den Kirchen von Hachelbich und Kirchengel weist die Art der Anordnung der Fenster auf vorreformatorische Emporen hin.1072 In der Regel wurden diese von innen erschlossen. Ein besonderes Zeugnis stellt eine noch vorhandene Empore in der Kirche von Goldbach bei Gotha dar (Abb. 58), die, wie neueste dendrochronologische Untersuchungen belegen, mit dem Neubau der Kirche 1518/1519 angelegt und wohl baubegleitend fertiggestellt wurde.1073 Sie ruht auf verschieden gestalteten, steinernen Pfeilern, die wie die Kassetten der Brüstung farbig gefasst waren. 1068 Z. B. für die Frage der Gestühle: JUNGMANN, Missarum, S. 315 f.; WEX, Raumprobleme, S. 3; PETERS, Platz. Für Gestühle und Kanzeln z. B.: GRAF, Dorfkirchen, S. 59. 1069 Vgl. für Franken BEDAL, Dorfkirchen. 1070 Hierzu und zum Folgenden: MÜLLER, Dorfkirchen, S. 61 f. 1071 Ebd., Anm. 358. 1072 MÜLLER, Kyffhäuserkreis, S. 172. 1073 Dafür spricht neben den Ergebnissen der Dendrochronologie auch eine Vielzahl an baulichen Befunden. So befinden sich beispielsweise in der Nordwand keine Fenster, der eingerückte Chor folgt der Tiefe der Empore und eine Pforte auf Höhe der ersten Empore ist bauzeitlich.
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Diese erste Ebene wurde bereits um 1540 um eine zweite Ebene und zu unbekannter Zeit um eine dritte Ebene erweitert, die beide stilistisch angepasst wurden. Bereits dieser Fall belegt also, dass Emporen in vorreformatorischer Zeit als Bestandteil eines Neubaus betrachtet werden konnten. Innerhalb einer Generation reichte wohl der Platz bereits nicht mehr aus, sodass eine zweite Ebene nötig wurde. Eventuell war die Erweiterung der Emporen auch bereits anfänglich vorgesehen. Die genaue Gestalt der ursprünglichen Anlage lässt sich wegen verschiedener späterer Umbauphasen nicht genau erschließen. Die Empore wurde über einen bauzeitlichen, steinernen Treppenturm auf der Nordseite der Kirche von innen erschlossen.1074
Abb. 58: Emporen im Kirchenschiff der Kirche von Goldbach, Lkr. Gotha
In schriftlichen Quellen lassen sich Emporen ebenfalls in vorreformatorischer Zeit nachweisen.1075 1483 wurde in der Kirche von Tinz eine Empore eingebaut, 1513 wurde sie von einem Zimmermann gerichtet. 1076 1516 rechneten die Alterleute von Niederwillingen eine Mandel Groschen für Arbeiten an der 1074 Ich danke den Herren Rainer Müller, Erfurt, Thomas Nitz, Erfurt, und Tim Erthel, Erfurt, für die bauhistorische Auswertung und die dendrochronologischen Daten. 1075 Dies gilt freilich auch für Stadtkirchen. Tim Erthel konnte für einige Erfurter Stadtkirchen Emporen im 15. Jahrhundert nachweisen. In der Bartholomäuskirche gab es bereits 1440 zwei Emporenebenen; ERTHEL, Pfarrkirchen, S. 50–52. 1076 StAG, III B 19334, fol. 101v, 103v.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
borkirche ab, die also bereits vorher bestanden haben muss.1077 Klassisch wird die Entwicklung der protestantischen Emporen auf die spätgotischen Kirchenbauten der erzgebirgischen Bergstädte und deren Raumbedarf zurückgeführt. 1078 Die Nachweise zeigen aber, dass diese Erklärung zu kurz greift. Vielmehr riss der Entwicklungsstrang auch in den Dörfern nie ab. Für eine vermehrte Anschaffung von Emporen in den nunmehr evangelischen Kirchen sprachen in erster Linie drei Gründe. Zum ersten sollte allen Kirchenbesuchern ermöglicht werden, den Pfarrer gut zu verstehen und bestenfalls auch zu sehen. Dieser Grund wird von den Verordnungen der Visitatoren für Gera aus dem Jahr 1534 bestätigt, wo es heißt, dass der Einrichtung einer por kirchen gedacht werden solle, domit das volk desto bas horen kan.1079 Zweitens führte der Einbau von Gestühl zu einem größeren Platzbedarf pro Gemeindemitglied.1080 Drittens aber war Thüringen, wie das gesamte Reich, im 16. Jahrhundert von einem starken Bevölkerungswachstum erfasst. Besonders in der ersten Hälfte des Jahrhunderts stieg die Einwohnerzahl stark. 1081 Dies führte ohne Zweifel dazu, dass in vielen Orten die Kirchen zu klein wurden, man sich aber zunächst mit dem Einbau von Emporen für die Schaffung zusätzlicher Plätze behalf.1082 Allerdings kann wegen fehlender Berichte nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass durch die vermeintliche Konzentration des Kirchenbesuches auf den Sonntagsgottesdienst der Platzbedarf stieg. 1083 Welches Gewicht diese Gründe im Einzelnen besaßen, kann nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden, seit der Mitte des 16. Jahrhunderts lässt sich aber ein stark zunehmender Einbau
1077 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5695, fol. 1v. Zum Begriff der „Borkirche“ oder „Porkirche“ vgl. DWB, Bd. II, Sp. 243. 1078 So etwa bei GROSSMANN, Emporenkirchen, S. 28 f. Vgl. weiterhin ERFFA, Empore, Sp. 292 f. 1079 EKO 2, 2, S. 152. Darüber hinaus lassen sich keine Verfügungen der Kirchenordnungen des Untersuchungsgebietes zum Einbau von Emporen feststellen. 1080 Die Einbauten der Emporen in den Stadtkirchen von Pirna und St. Thomas in Leipzig erfolgten um 1570 nachweislich, um mehr Sitzplätze zu gewinnen; ERFFA, Empore, Sp. 302. 1081 KOERNER, Bevölkerungsverteilung, S. 308 f.; MAUERSBERG, Schleusingen, S. 46, konnte glaubhaft zeigen, dass sich die Bevölkerung des Amtes Schleusingen zwischen 1500 und 1572 fast verdoppelte. 1082 In Molschleben wurde eventuell zwischen 1528 und 1552 die Kirche vergrößert; GEBHARDT, Molschleben, S. 25. Auch im Falle der Kirchen in Groß- und Kleinurleben wurde in den 1580er Jahren angegeben, dass Neubauten nötig wurden, da die Kirchen zu klein geworden waren; vgl. oben. Ob die Abgrenzung von Männern und Frauen im Kirchenraum bereits in dieser frühen Zeit als Motiv diente, wird nicht recht deutlich. 1083 So bereits POSCHARSKY, Kanzel, S. 64 f.
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von Emporen feststellen.1084 Ausgaben für Emporen lassen sich 1549 in Dienstädt, 1085 1550 und 1551 in Tautenburg, 1086 1555 in Lichtenhain, 1087 1558 in Langewiesen,1088 1559 in Crock,1089 1562 in Felchta,1090 1567 in Gehren1091 und erneut in Tautenburg1092 sowie 1584 in Seebergen nachweisen.1093 In vielen dieser Fälle finden sich im gleichen Zusammenhang Arbeiten an den Fenstern des Kirchensaales, da diese den Emporenebenen angepasst werden mussten.1094 Von diesen vielen Emporen, die im 16. Jahrhundert neu oder umgebaut wurden, haben sich nur sehr wenige in den Dorfkirchen erhalten. In Kleindembach gibt es ein Fragment einer Emporenbrüstung, wohl aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, auf dem sich Darstellungen der Evangelisten mit Beschreibungen befinden. Eventuell entstammt eine Empore in der Kirche von Zipsendorf im Altenburger Land derselben Zeit. In diesem Fall ist die Brüstung schlicht mit Bahnen bespannt und mit Kassetten bemalt.1095 Ein herausragendes Beispiel für eine Empore des 16. Jahrhunderts hat sich in der Kirche von Zeigerheim bei Rudolstadt erhalten. Die Darstellungen in den
1084 Aus den Notizen der Kirchenrechnungen geht meist nicht eindeutig hervor, dass es sich um völlige Neueinbauten handelte. Wahrscheinlich handelte es sich bei einigen der folgenden Nachweise um Umbauten, Vergrößerungen oder Anpassungen. Zu Emporeneinbauten in Erfurter Pfarrkirchen, v. a. den ehemaligen Klosterkirchen, im 16. Jahrhundert vgl. MEISSNER, Bewahrung, S. 275–277. 1085 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 35v. 1086 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 48r, 51r. 1087 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Jena, Rechnungen Lichtenhain, fol. 3r. 1088 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5264, fol. 2v. In diesem Fall ist eindeutig, dass es sich um Arbeiten an einer bestehenden Empore handeln muss. 1089 HANETZKY, Wallfahrtskirchen, S. 79. 1090 StAM, 239/7b, Bd. 1, fol. 5v. 1091 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4344, fol. 3r. 1092 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 92v. 1093 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2556, fol. 7r. In diesem Fall handelte es sich eindeutig um einen Neubau, was aber wiederum nicht sicher bedeutet, dass es vorher keine Empore gab. In der Kirche haben sich Emporen des frühen 17. Jahrhunderts erhalten, die nach einem Kirchenbrand im Jahr 1610 angelegt wurden; vgl. DEHIO, S. 1136. 1094 Sichere Ergebnisse können auch an dieser Stelle nur vergleichende bauhistorische Untersuchungen erbringen. 1095 Eventuell entstammt das Gestühl der Kirche, mit ähnlichen Kassetten und Bögen, auch dieser Zeit und wurde gemeinsam mit der Empore angeschafft. Sicherheit könnte nur eine dendrochronologische Untersuchung bringen.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Brüstungsfeldern zeigen Szenen des Neuen Testamentes und der Trinität; 1096 weiterhin betonen Sinnsprüche die evangelische Gesinnung der Stifter, so z. B.: Drei in einen und sonst keinen. Diese Stifter, acht Personen, die wohl der dörflichen Oberschicht zuzurechnen sind, werden namentlich in einem der Felder genannt. Die Finanziers lassen sich auch in Weberstedt ablesen, wo die obere Empore Wappen der niederadligen Familie Goldacker trägt. Die heraldische Zuweisung ergab, dass es sich um Hermann von Goldacker auf Ufhoven und seine Frau Catharina Hund von Wenkheim sowie um das Ehepaar Georg Wolf von Goldacker auf Weberstedt und seine Frau Barbara von Nesselrodt handelt.1097 An der Kirche in Weberstedt, die in den Jahren zuvor umfangreich erweitert worden war, waren demnach verschiedene Linien der Familie Goldacker beteiligt. Die zweigeschossigen Emporen sind mit einer, allerdings 1911 erneuerten, Malerei auf 1554 bzw. 1560 datiert, die Malerei der Brüstungsfelder mit Ornamentmalerei folgte wohl im Jahr 1562 (Farbtafelteil, Abb. 59).1098 Bemerkenswert ist, dass die Weberstedter Emporen innerhalb weniger Jahre zweigeschossig ausgeführt wurden, was wohl nur mit einem hohen Platzbedarf erklärt werden kann. Sie sind – auch das typisch für die Zeit – als Galerien ausgeführt, die ohne konstruktive Verbindung mit der Decke in den Saal gestellt wurden. 1099 Entsprechende Portalöffnungen weisen darauf hin, dass die Emporen ursprünglich ausschließlich von außen erschlossen wurden. Die Weberstedter Befunde gleichen somit denen aus Goldbach (siehe oben in diesem Kapitel), wo ebenfalls eine galerienartige Empore im Laufe des 16. Jahrhunderts erweitert wurde. Die Ursache dafür war das allgemeine Bevölkerungswachstum.
1096 In Zeigerheim waren die Emporen ebenfalls Teil einer umfassenderen Bauphase, vgl. LUNDGREEN, Zeigerheim, S. 10 f.; MÜLLER, Dorfkirchen Katalog, S. 162. Vgl. allgemein zu den Bildprogrammen an den Emporen POSCHARSKY, Bildprogramm, S. 27 f. 1097 Ich danke Rolf-Torsten Heinrich, Dresden, für die Zuweisung der Wappen. Die Epitaphe der beiden Letztgenannten und der Grabstein des Georg Wolf von Goldacker befinden sich noch in der Weberstedter Kirche. 1098 Vgl. DEHIO, S. 1295. Neuere dendrochronologische Untersuchungen ergaben Fälljahre der Hölzer der Empore ab 1549; DENDROCHRONOLOGISCHER BERICHT WEBERSTEDT. Zu entstehenden Emporenbilderzyklen in thüringischen Dorfkirchen ab dem 17. Jahrhundert vgl. UNGER, Emporenmalerei, S. 29 f. 1099 Vgl. GROSSMANN, Emporenkirchen, S. 34 und Abb. 1, S. 27 mit dem Hinweis auf die Emporen in der Kirche von Helsa bei Kassel aus den Jahren 1593 bis 1594. Eventuell ist die obere Westempore in Weberstedt, die sehr prominent die Wappen der Familie Goldacker trägt, auch als früher Adelsstand in einer Empore zu deuten. In seiner Predigt zur Einweihung der Torgauer Schlosskirche hatte Luther die Trennung der Plätze zwischen Adel und anderen Kirchenbesuchern thematisiert. In den neuen Schlosskapellen finden sich die Fürstenplätze auf den Emporen. Eine Vorbildwirkung für niederadlige Kirchen ist möglich.
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Oben wurden bereits die möglichen Gründe für die Zunahme der Emporeneinbauten in den evangelischen Kirchen dargelegt. Dass der Einfluss der Reformation dabei keineswegs überschätzt werden darf, belegt das mainzische, und somit offiziell katholisch gebliebene, Küchendorf Witterda. Im Zuge der oben beschriebenen Bauarbeiten an der Kirche kam es 1552 zum Einbau einer zweiten Empore, der nowen borkerchen. 1100 Diese wurde mit einem Gesprenge versehen, also wohl einem Zierdach mit Bögen.1101 Im Anschluss wurde rote, schwarze und grüne Farbe zum Bemalen der alden borgkirchen und der neuen Empore erworben.1102 Wie in Weberstedt wurde also in Witterda eine bestehende Empore um eine zweite, wahrscheinlich auch in zweiter Ebene, erweitert. Beide wurden danach mit einer gemeinsamen Fassung versehen, um einen einheitlichen Eindruck zu erzeugen. Dies geschah also in ähnlicher Zeit in einem Dorf unter der Herrschaft einer protestantischen Adelsfamilie und in einem Dorf unter Mainzer Herrschaft. Der Einfluss der wachsenden Bevölkerung des 16. Jahrhunderts auf die zunehmenden Emporeneinbauten ist vor diesem Hintergrund stärker zu gewichten. Sie ermöglichten den eigentlichen Bau kleiner und somit sparsamer auszuführen. Im 16. Jahrhundert gehörten die Emporen selbstverständlich zum Kirchenbau, sodass die Neubauten dieser Zeit ihren Einbau bereits berücksichtigten. Keineswegs bedeutete der Einbau von Emporen in den Dorfkirchen aber, dass die Raumordnung diesen angepasst wurde, wie dies in den Schlosskapellen geschah. Allerdings waren viele Dorfkirchen durch ihre vorhandene Baustruktur besser für die Ausrichtung aller Plätze auf Altar und Kanzel geeignet, als Stadtund Klosterkirchen.1103 Die K a n z e l n waren wohl meist am Chorbogen oder an einer Längswand der Kirche angeordnet, wenngleich ihre Position im Kirchenraum nicht völlig sicher ist. 1104 Zwar lässt sich aus Kirchenrechnungen nachweisen, dass Kanzeln versetzt wurden, die Formulierungen lassen aber weder eindeutig eine reformatorische Ursache erkennen, noch wird deutlich, von wo nach wo die Kanzel gerückt wurde.1105 Ob sich dahinter also bereits das Ansinnen verbirgt, Kanzel und Altar in Blickachsen zu setzen, wie es später mit den Kanzelaltären geschah, kann nicht gesagt werden.
1100 1101 1102 1103 1104
BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 54r. Vgl. DWB, Bd. 5, Sp. 4168. BAE, Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI l 84, fol. 54r. Vgl. zu diesem Problem ELLWARDT, Kirchenbau, S. 18. Für diese Anordnung spricht neben der reinen Logik die Position der erhaltenen, festverbauten Kanzeln wie in Zipsendorf; vgl. oben Kap. I.4.8. Außerdem fällt auf, dass die frühen, im Grundriss u-förmigen Emporen auf einer Seite kürzer ausgeführt sind, um Platz für die Kanzel zu lassen. Vgl. weiterhin POSCHARSKY, Kanzel, S. 30. 1105 Etwa 1578 in Niederwillingen; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5696, fol. 9r.
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Auf die große Zahl an Kanzeln in vorreformatorischer Zeit wurde bereits an anderer Stelle verwiesen.1106 Daher kann für die Kanzeln ein grundlegender Einfluss der Reformation nicht angenommen werden. Dennoch zeigen sich in den Jahren ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wieder häufiger Ausgaben für Kanzeln. Diese ordnen sich aber in die Zeit der überhaupt steigenden Investitionen in Kirchengebäude und -ausstattung ein. In den Visitationsprotokollen werden Kanzeln nur sehr selten erwähnt. Lediglich in Osthausen wurde den Bauern auferlegt, aus den Finanzmitteln der Kirchenfabrik einen predigstul anzuschaffen. 1107 Dieses Beispiel belegt, dass die Visitatoren durchaus auf diese Frage achten konnten. Dass es nicht öfter als Problem genannt wird, zeigt mit hoher Sicherheit, dass es in den meisten Dörfern eine Kanzel gab. Die Nachweise aus den Kirchenrechnungen sprechen eine ähnliche Sprache. In Tautenburg wurden 1542 nach den ersten albertinischen Visitationen lediglich von einem Maurer Stufen an der Kanzel repariert.1108 Wahrscheinlich handelte es sich in diesem Fall um eine Anpassung für einen neuen Pfarrer, wie sie auch 1566 in diesem Dorf stattfand, als der Predigtstuhl erhöht wurde.1109 Die Anschaffung neuer Kanzeln lässt sich nur an wenigen Beispielen zeigen. Wahrscheinlich wurden in diesen Fällen aber oft ältere Kanzeln durch geräumigere und ansehnlichere ersetzt. 1560 gaben die Alterleute von Knobelsdorf einen bredigstul in Auftrag,1110 1567 wurde in Gehren eine neue Kanzel gemeinsam mit Emporen angeschafft. 1111 In Niederwillingen findet sich 1574 eine neue Kanzel in der Kirchenrechnung, die in der Folge bemalt wurde.1112 Über die Bildprogramme der Kanzeln des 16. Jahrhunderts in den Dorfkirchen wird anhand der erhaltenen Stücke, die allesamt eher dem Ende dieser Periode entstammen, Folgendes deutlich: Die Kanzel wurde, ihrer gewachsenen Stellung entsprechend, häufig repräsentativ gestaltet. In der Regel befanden sich in den Feldern des Kanzelkorbes Darstellungen der vier Evangelisten mit ihren Attributen.1113 In Unterwellenborn steht der Korb auf einer dorischen Säule; in den Feldern befindet sich außer den Evangelisten eine Darstellung des Salvator mundi. Die Kanzel in Gerstungen (1588) wurde aus Sandstein gefertigt, steht ebenfalls auf einer schlanken Säule und zeigt die Evangelisten in den Feldern. Ein herausragendes Stück hat sich in der Kirche von Schilbach erhalten. Der Kanzelkorb aus der 1106 Vgl. oben Kap. I.4.8. Grundlegend: POSCHARSKY, Kanzel. 1107 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 203r. 1108 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 23r. 1109 Ebd., fol. 89v. 1110 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2905, fol. 29r. 1111 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4344, fol. 3r–4r. 1112 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5693, fol. 6v. 1113 Zur Ikonographie an den Kanzeln vgl. POSCHARSKY, Bildprogramm, S. 24 f.
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zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde dabei im 18. Jahrhundert in einen Emporenkanzelaltar integriert. Gefertigt aus Schiefermarmor steht er auf einer Figur des Moses mit den Gesetzestafeln.1114 Alle genannten Beispiele tragen ebenfalls Darstellungen der Evangelisten, die Schilbacher außerdem Jesus mit Kreuz und Lamm.1115 Die Kanzeln zeigten somit die ihnen zugedachte Funktion: Sie dienten der Verkündigung des Evangeliums. Sie waren sichtbare Zeugnisse des evangelischen Glaubens in den Kirchen und setzten somit oft Kontrapunkte zu noch vorhandener vorreformatorischer Ausstattung. Bei allen genannten Kanzeln wurden die Schalldeckel im Barock ergänzt, sodass nicht davon auszugehen ist, dass diese Unterstützer der Stimme des Pfarrers zwangsläufig zu den Predigtstühlen des 16. Jahrhunderts gehörten.1116 G e s t ü h l e gab es wie Kanzeln und Emporen bereits in vorreformatorischer Zeit in den Kirchen, jedoch wohl eher selten in Form eines geschlossenen, einheitlichen Gestühls, das den gesamten Raum erfasste.1117 Selbstverständlich gab es Sitzgelegenheiten und auch Sediliennischen für die Geistlichen in den Chorräumen. Auch Herrschaftssitze für adlige Patronatsherren, wie sie für die Mitte des 16. Jahrhunderts nachgewiesen sind,1118 dürfte es mit Sicherheit bereits im Spätmittelalter gegeben haben. Feste Laiengestühle in Dorfkirchen vor der Reformation wurden von der bisherigen Forschung konsequent ausgeschlossen.1119 Dem muss widersprochen werden. So beauftragten etwa die Alterleute von Tinz 1513 einen Zimmermann aus dem unweit gelegenen Silbitz mit verschiedenen Arbeiten. Neben Emporen und einer Kanzel sollte er ein mansgestule
1114 Dies war besonders in der Zeit ab 1590 eine übliche Konstruktion; vgl. POSCHARSKY, Bildprogramm, S. 25 mit Anm. 48. 1115 In Tiefenort hat sich eine Kanzel aus dem Jahr 1550 erhalten, die fünf Seiten des Korbes tragen ein schlichtes spätgotisches Maßwerk; VOSS 37, S. 65 und Abb. auf S. 67. Außerdem sei auf die Kanzel in der Stadtkirche von Jena-Lobeda aus dem Jahr 1556 verwiesen. Diese ist rund und trägt in den Feldern einen Schmuck aus gotischem Stabwerk. 1116 POSCHARSKY, Bildprogramm, S. 25, sieht in dem Schalldeckel einen „unerlässlichen Bestandteil“. 1117 Vgl. SIGNORI, Kirchengestühl; SIGNORI, Frauen; SIGNORI, Sitzen; REITEMEIER, Pfarrkirchen, S. 464 f.; zu erhaltenen Gestühlen: REINLE, Ausstattung, S. 67‒70; zur Entwicklung in den Erfurter Kirchen vgl. ERTHEL, Pfarrkirchen, S. 88 f.; MEISSNER, Bewahrung, S. 274 f. 1118 Beispielsweise in Sundhausen bei Gotha, wo 1560 ein Junckernn Gestuel erwähnt wird: LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2771, fol. 8r. In Heichelheim hat sich eine Empore im Chor erhalten, die wohl als Herrschaftsloge anzusprechen ist. Sie stammt aus der zweiten Hälfte des 16. oder dem frühen 17. Jahrhundert Zur Rolle der Gestühle für die Selbstdarstellung des mecklenburgischen Adels in der Frühen Neuzeit vgl. JACOBS, Mecklenburg, S. 33–36. 1119 Vgl. KOCH, Pfarkirche, S. 323.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
und ein frawengestule anfertigen.1120 Im folgenden Jahr erwarben die Kirchenvorsteher von Tegkwitz im Altenburger Land holtz tzu den gestulen.1121 Wenngleich der Großteil der Kirchenbesucher im späten Mittelalter stand, dürfte es in einigen Dorfkirchen auch einzelne private Sitze gegeben haben. Dass die Erlaubnis zu deren Aufstellung von den Alterleuten verkauft wurde, wie es in städtischen Kirchen gang und gäbe war, lässt sich aus den erhaltenen Dorfkirchenrechnungen nicht nachweisen. Allerdings zeigt der Nachweis aus Tinz, das es in den Dörfern bereits das Bestreben gab, die Aufstellung von Gestühl zentral zu ordnen, was in der Regel auf die wilde Anordnung der privaten Stühle zurückzuführen ist.1122 Außerdem sollten mit diesem Vorgehen wohl die Kirchenbesucher diszipliniert werden, da es sonst üblich war, während der Messe in der Kirche umherzulaufen. Diese Bestrebungen müsste es demnach ebenfalls in den Dorfkirchen gegeben haben. Bereits für eine Arnstädter Stadtkirche konnte festgestellt werden, dass sich in den Jahren ab 1510 die Gestühle häuften.1123 Sollte dies auf eine steigende Bedeutung und längere Dauer der Predigt zurückzuführen sein, könnte eine ähnliche Entwicklung auch für die Dorfkirchen angenommen werden. Auf jeden Fall wurde diese Entwicklung durch den reformatorischen Gottesdienst verstärkt. 1124 Mitunter sehr lange Predigten ließen das Bedürfnis an Sitzplätzen steigen. Aus der Mitte der 1540er Jahre existiert eine Klage der Pfarrer des Mühlhäuser Landgebietes, nach der Dorfeinwohner wegen des Mangels an Gestühl in den Kirchen zusätzliche Gottesdienste forderten. 1125 Man war inzwischen durchaus gewohnt, in der Kirche zu sitzen. Neben den Gestühlen zeigt sich diese Gewöhnung an längere Predigten an der Anschaffung von Sanduhren. Bereits 1539 bezahlten die Alterleute von Dietendorf einen Groschen vor eyne sant uhr in die kirch.1126 1574 heißt es in einer Kirchenrechnung von Görmar: 2 schneeberger gr. von ein sandt seiger geben in die Kirchen auff den predigestull.1127 Erhalten hat sich eine Sanduhr aus dem späten 16. oder frühen 17. Jahrhundert in Döschnitz. Sie
1120
StAG, III B 19334, fol. 103v. PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539, S. 185. Vgl. REINLE, Ausstattung, S. 67–70; SIGNORI, Sitzen, S. 90–94; SIGNORI, Frauen, S. 193. Vgl. SLADECZEK, Verwaltung, S. 74 f. Vgl. HÖLSCHER, Frömmigkeit, S. 52 f. mit einer zu starken Betonung des sozialen Moments der Sitzordnung im Zuge der Anschaffung der Gestühle. Zur Entwicklung und dem Zusammenhang zwischen Gestühl und Kanzel vgl. POSCHARSKY, Kanzel, S. 64‒71. Zur Entwicklung der sozialen Abgrenzung im Kirchenraum vgl. WEX, Kirchenraum. 1125 StAM, 10, E 6, Nr. 5, fol. 148 f. 1126 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3127, fol. 11r. 1127 StAM, 239/8b, Bd. 1, fol. 35r.
1121 1122 1123 1124
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verfügte über vier einzelne Sanduhren, die verschiedene Zeiträume anzeigten und somit den Gottesdienst und vor allem die Predigt strukturierten.1128 Im Jahr 1537 gab es Arbeiten am gestull in der Dienstädter Kirche, wahrscheinlich handelte es sich wegen des geringen Betrages von 18 Groschen aber um Reparaturen einer bestehenden Einrichtung. 1129 Umfangreichere Arbeiten fanden in Dienstädt 1549 statt, als im Zuge des Einbaues einer Empore das Gestühl zumindest teilweise neu angelegt wurde.1130 Nur um Änderungen handelte es sich ebenfalls 1555 in Großmonra, wo ein vorhandenes Gestühl versetzt wurde.1131 Wie im Falle der anderen Parameter lässt sich eine zunehmende Investition in Kirchengestühle seit der Mitte des 16. Jahrhunderts feststellen. Darunter fallen nach wie vor Bänke im Chorraum für den oder die Geistlichen, wie 1555 in Langewiesen,1132 aber auch eine deutlich zunehmende Zahl an festen Laiengestühlen. In Dienstädt wurde 1556 zunächst eine größere Anzahl an Brettern für Stühle und Bänke angeschafft, daraus wurden unter anderem spezielle kinder bencken gefertigt.1133 Drei Jahre darauf wurde in Ringleben ein neues Gestühl eingebaut, man unterschied die Bencke in der Kirchen und das gestuel, letzteres bezieht sich wohl entweder auf die Sitzmöglichkeit des Geistlichen in Altarnähe oder ein Ehrengestühl für einen Adligen oder die Dorfämter. 1134 In Langewiesen beschaffte man 1564 ebenfalls lange Dielen, um Bencke in der Kirche einzurichten.1135 Wie in Ringleben wird von diesen das gestuel fur den altar unterschieden. 1563 und 1564 investierten die Alterleute von Lippersdorf geringe Beträge in gestule und pencklein in die Kirch.1136 Ähnlich verhielt es sich 1567 in Roben bei Gera, wo allerdings nur die breter tzu den bencklin Inn der Kirchen beschafft wurden, die eigentlichen Arbeiten der Erstellung der Bänke also wohl in der Gemeinde organisiert wurden.1137 1570 wurde in der ehemaligen Wallfahrtskirche Eichen im Mühlhäuser Landgebiet ein Gestühl eingebaut. 1138 Die jeweiligen Formulierungen legen nahe, dass es sich bei diesen Gestühlen nicht um kom1128 Eine weitere Sanduhr, die wohl auf die Zeit um 1600 zurückgeht, hat sich in Waltershausen erhalten. Hierbei handelt es sich um eine komplexere Kanzelsanduhr mit ehemals vier Stundengläsern. In Großneundorf gibt es noch eine barocke Sanduhr; KIRCHENBLICKE, S. 62, ebenso in Oberwellenborn. 1129 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 6r. 1130 Ebd., fol. 35v. 1131 BAE, Marienstift, VII e4, 4, Vol. 1, fol. 30r. 1132 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5265, fol. 2r. Ähnlich 1542 in Leutenberg; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2561, fol. 17r. 1133 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.4.D.3, fol. 1v. 1134 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3180, fol. 6v. 1135 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5260, fol. 7r–7v. 1136 PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 83–85. 1137 PfA Roben, 39, fol. 43v. 1138 BEMMANN, Eichen, S. 7 f.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
plexe, geschlossene Sitzmöbel handelte, sondern eher um einfache Bänke, die aus langen Brettern gefertigt wurden. Dies würde neben der oftmals aufsteigenden Nässe in den Kirchenräumen erklären, warum sich von diesen Gestühlen aus dem 15. und 16. Jahrhundert in den Dorfkirchen keine erhalten haben.1139 Ein extremer Fall ist aus Winkel überliefert. Dort befanden sich auf der Empore keine Bänke, sondern ein „ungeschlacht Stück Holz“, das während des Gottesdienstes mitunter umfiele.1140 Selbst in ärmeren Gemeinden wurden sie wahrscheinlich im Barock und im 19. Jahrhundert gegen komfortablere und schmückendere Stücke ersetzt. Der Kirchenordnung Kurfürst Augusts von 1580 zufolge lag die Anschaffung der Stühle in den Kirchen noch zu dieser Zeit keineswegs zentral in Händen der Alterleute. Da oftmals Stühle in die Kirchen gestellt würden, die die Sicht versperrten oder die Gänge blockierten, sollten nunmehr keine Stühle ohne Wissen des Pfarrers und der Alterleute aufgebaut werden. Die privaten Stühle in den Kirchen sollten nicht mehr erblich sein, sondern nach dem Tod des Inhabers in die Verwaltung der Kirchenfabrik fallen, die sie gegen eine Gebühr an dessen Erben ausgeben könnten. Diese Regelungen galten nicht für die Ehrenplätze und Gestühle des Adels, der Schöffen und der Alterleute. 1141 Eine Trennung der Geschlechter oder nach sozialen Positionen, wie sie prinzipiell postuliert wird, geht aus den Nennungen nur in Einzelfällen hervor. Neben dem oben erwähnten Nachweis aus Tinz handelt es sich um die Anschaffung eines Frawenstuhls in Niederwillingen 1574.1142 Die soziale Ordnung im Kirchengebäude ist nicht in Frage zu stellen, sie ergab sich.1143 Neben dem Frauengestühl wurden in diesem Jahr in Niederwillingen weitere Gestühle angeschafft, die zu einer sehr interessanten Frage der frühen evangelischen Frömmigkeit überleiten – der Beichte: i gr. 3 pf. für zwey eyserne benderlein unnd nageln zw dem stuhle und kleyne bencklein fur dem Althar yhm Kohr do die Communicanten 1139 Bei einigen Stücken ist die Datierung unsicher. Vgl. das oben bei den dortigen Emporen beschriebene Gestühl in der Kirche von Zipsendorf. Eventuell befinden sich unter den erhaltenen Sitzmöglichkeiten auch nicht identifizierte Stücke aus dem 16. Jahrhundert, da stilistische Merkmale kaum anzuführen sind. 1140 HERRMANN, Generalvisitationen, S. 140. 1141 EKO 1, 1, S. 451. Auch in der folgenden Zeit musste sich eine Ordnung der Nutzung und der Gestühle erst herausbilden. Die Schwarzburger sahen sich im 17. Jahrhundert zu verschiedenen Kirchstuhl-Ordnungen genötigt; EKO 2, 2, S. 127. 1142 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5693, fol. 6v. 1143 Als eventuelle Grundlage der Verstärkung der sozialen Trennung im Kirchenraum ist der Ausschnitt aus Luthers Predigt zur Einweihung der Torgauer Schlosskapelle zu nennen, in der er die soziale Trennung der Sitzplätze als Abbild der sozialen Schichten verstanden wissen wollte; WA, Bd. 49, S. 606. Zur sozialen Ordnung in der Kirche im Laufe der Frühen Neuzeit, v. a. im 18. Jahrhundert, vgl. PETERS, Platz. Die dort beobachteten Prinzipien sind wohl auch auf das 16. Jahrhundert anwendbar.
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ihnne Knihen Und dorauf der pfarherr beychte sitzt.1144 Trotz des Bruches mit der vorreformatorischen Bußtheologie wurde die Privatbeichte in der frühen lutherischen Kirche selbstverständlich beibehalten, ja sie blieb eine Pflicht des Gläubigen und war verbreitet die nötige Voraussetzung für den Empfang des Abendmahles. 1145 Allerdings war das Beichtgespräch stark formalisiert und bestand meist aus vorformulierten Fragen des Pfarrers. Über den Ort der Beichte in den Dorfkirchen herrscht bereits für die vorreformatorische Zeit Unklarheit. So „scheint die Beichte ihren Ort in Dorfkirchen häufig hinter dem Hauptaltar gehabt zu haben, wo Priester und Beichtender auf einer Bank nebeneinander saßen oder der Beichtende neben dem Priester kniete“.1146 Jedenfalls war die Beichte in der spätmittelalterlichen und frühen evangelischen Kirche viel weniger geheim. 1147 Geschlossene Kastenmöbel existierten nicht und der Nachweis aus Niederwillingen zeigt, dass Pfarrer und Beichtender schlicht im Kirchenraum nebeneinander saßen. Für Sachsen wurden zwei hauptsächliche Formen der evangelischen Beichtstühle festgestellt, die sich auch in thüringischen Dorfkirchen finden. Bei einsitzigen Möbeln saß der Pfarrer, während der Beichtende vor ihm kniete, bei zweisitzigen Möbeln saßen beide nebeneinander.1148 Verschiedentlich finden sich ikonographische Gestaltungen, die auf Reue und Buße Bezug nehmen. Die Anordnung der zahlreichen erhaltenen barocken Beichtstühle und einige Quellenhinweise weisen jedoch eher darauf hin, dass die Beichte in der Regel hinter dem Altar, bzw. nachdem dies möglich war, hinter den Kanzelwänden abgehalten wurde.1149 Es haben sich viele Beichtstühle des 17. und 18. Jahrhunderts vollständig und einige fragmentarisch
1144 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5693, fol. 6v. 1145 Vgl. BEZZEL, Beichte; BEZZEL, Einzelbeichte; SATTLER/KÜHN/BAUMGARTNER, Bußsakrament; KLEIN, Beichte; SCHWARZ, Bußtheologie; WIECKOWSKI, Beichtstühle, S. 13‒ 33; HEIDELMANN/MEISSNER, Beichtstühle, S. 17‒35. Vgl. die recht umfangreichen Anordnungen zur Beichte in der albertinischen Kirchenordnung von 1539: EKO 1, 1, S. 268 f. In mehreren Fällen wurde in der ernestinischen Visitation 1554/1555 angeordnet, dass an Sonnabenden vor der sonntäglichen Kommunion Beichte abgehalten werden sollte; HERRMANN, Generalvisitationen, S. 104. Vgl. LEPPIN, Normierung, S. 168–176 zum Eingang der Bußtheologie in den „Unterricht der Visitatoren“. 1146 KOCH, Pfarrkirche, S. 325. 1147 Vgl. SCHLOMBS, Entwicklung, v. a. S. 20–36; KAT. ALLTAG UND FRÖMMIGKEIT, S. 77–82. 1148 Vgl. WIECKOWSKI, Beichtstühle. 1149 An dieser Stelle sei ausdrücklich dem inzwischen leider verstorbenen Karl-Heinz Meißner für die Aushändigung von Notizen eines vor der Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte gehaltenen Vortrages über evangelische Beichtstühle in Thüringen gedankt. Vgl. weiterhin MEISSNER, Bewahrung, S. 286 f.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
erhalten (Farbtafelteil, Abb. 60), reale Zeugnisse aus dem 16. Jahrhundert fehlen jedoch.1150 Die steigenden Investitionen in die Kirchengebäude ab der Mitte des 16. Jahrhunderts schlugen sich freilich auch in vielen anderen Anschaffungen und Bauarbeiten nieder. Zu den häufigsten Arbeiten an den Kirchen gehörten die Veränderungen der Fenster und der Einbau zusätzlicher Fenster. In den meisten Fällen stand dies schlicht, wie geschildert, in Zusammenhang mit dem Einbau von Emporen, es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass auch die zusätzliche Beleuchtung zum Lesen und Singen gewünscht war. Die einfachen Nachrichten lassen nur selten genauere Deutungen zu. 1546 wurden etwa in Dienstädt lediglich vorhandene Fenster gebessert.1151 1547 und 1560 wurden in Ammerbach nach dem Wortlaut der Rechnung wohl neue Fenster eingebrochen.1152 Eindeutig ist dies 1566 in Gehren und 1575 in Niederwillingen, wo zwey naue fenster in die Kirche gebrochen wurden.1153 Die Lage neuer Fenster wird nur in einem Rechnungsposten aus Dörna aus dem Jahr 1576/1577 beschrieben, wo ein neues Fenster bei der Kanzel und ein neues Fenster im Chor erwähnt werden.1154 Bisher wurde eine Zunahme an Investitionen in die Kirchen und ihre Ausstattung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts festgestellt. Dies betraf vor allem Prinzipalstücke und Emporen, also Stücke, die in einem eventuellen Zusammenhang zur reformatorischen Theologie stehen. Um diese Entwicklung an einem nicht-liturgischen Ausstattungsstück zu untersuchen, wird im Folgenden die zunehmende Anschaffung von U h r e n beleuchtet, die freilich in keinerlei Zusammenhang mit der Reformation steht. Seit dem späten Mittelalter stieg das Bedürfnis, die Zeit genauer festzustellen und den Tag persönlich einteilen zu können. Dies zeigt sich zunächst in den vielen Sonnenuhren aus dem Spätmittelalter, die sich an den Dorfkirchen erhalten haben.1155 Eine zeitliche Orientie1150 Es hat sich mindestens eine mittlere zweistellige Zahl an evangelischen Beichtstühlen in Thüringen zumindest fragmentarisch erhalten. Viele stammen aus dem 18. Jahrhundert und stehen in Verbindung mit einem Kanzelaltar. Für Franken und Sachsen existieren vergleichende Arbeiten zu den erhaltenen Beichtstühlen: HEIDELMANN/MEISSNER, Beichtstühle; WIECKOWSKI, Beichtstühle. Vgl. außerdem POSCHARSKY, Bildprogramm, S. 26. 1151 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 12v. 1152 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602, fol. 13r, 104v. 1153 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5694, fol. 17v. In Gehren lautet die Formulierung ähnlich; LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 4343, fol. 3r. 1154 StAM, 239/4b, Bd. 1, fol. 28v. 1155 Vgl. die Nachweise bei MÜLLER, Dorfkirchen Katalog; PHILIPP/ROTH/BACHMANN, Katalog; für das südliche Sachsen-Anhalt: MEINICKE, Sonnenuhren. Grundlegend: ZENKERT, Sonnenuhr; ZINNER, Sonnenuhren.
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rung wurde unter anderem durch zusätzliche Messstiftungen erforderlich, die den Tag einrahmten.1156 Zweifellos gab es aber auch in vorreformatorischer Zeit eine große Zahl an mechanischen Uhren an den Kirchtürmen, wie deren Betreuung durch die Kirchner nachweist. Zu vielen Orten wird in den frühen Visitationsprotokollen erwähnt, dass der Küster ein Einkommen, vom seyger zustellen, erhielt.1157 Dabei gab es keine Unterschiede zwischen großen Dörfern und kleinen Städten,1158 aber auch in einigen kleineren Dörfern lassen sich Uhren auf diese Weise feststellen. Somit dienten wohl viele der erhaltenen Sonnenuhren eher dem Stellen der Turmuhren, bei denen es sich meist um schlichtere Einzeigeruhren gehandelt haben dürfte. Eine Abbildung einer spätmittelalterlichen Turmuhr hat sich in einer Zeichnung des Kirchturmes von Bufleben erhalten (Abb. 61). Im Jahr 1559 berichtete der Baumeister Nickel Gromann über den maroden Zustand des dortigen Kirchturmes an den herzoglichen Hof. 1159 Zur Verdeutlichung der Zustände fertigte er eine Zeichnung an, auf der sowohl der alte Turm als auch sein Entwurf für den neuen Turm zu sehen sind. Beide Türme tragen gut sichtbar Uhren, demnach gab es in Bufleben bereits seit einiger Zeit eine Turmuhr. Bei der Uhr im Entwurf handelt es sich gut sichtbar um eine Einzeigeruhr mit römischen Zahlen. Auch in seiner schriftlichen Erklärung führte Gromann die Einfügung einer urher an geeigneter Stelle als Argument für die gewählte Konstruktion ins Feld.1160 Im 16. Jahrhundert normalisierte sich dies weiterhin, sodass es wohl in beinahe jedem Dorf eine Turmuhr gab. 1551 wurde in Gebesee eine neue Uhrglocke beschafft, die also wohl die Stunde schlug.1161 Ein eindrückliches Zeugnis bietet auch eine Supplik der Gemeinde Judenbach aus dem Jahr 1555. Schultheiß, Kastenmeister und die ganze Gemeinde wandten sich wiederholt an den Hauptmann zu Coburg und baten um Hilfe bei der Anschaffung einer Orha. Sie argumentierten, dass diese nicht nur ihnen, sondern auch Fremden und Reisen1156 Vgl. oben Kap. I.4.2. 1157 In diesen Worten in Mihla; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. I, fol. 94r. Vgl. beispielsweise auch die Nachweise aus Neunheilingen (LASA, A 29a, II, Nr. 1b, fol. 121v) und Gorsleben (ebd., fol. 250v). Die mitunter hohen Summen – in Neunheilingen erhielt der Kirchner ein Schock Groschen für diese Arbeit – zeigen, dass das Stellen der Uhr wahrscheinlich sehr oft zu erfolgen hatte. Die Entwicklung der Turmuhren ist bisher sehr schlecht erforscht. Eine Ausnahme bildet PETER, Westfalen. 1158 Vgl. etwa den Kirchner in der sehr ländlich geprägten Stadt Neumark; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 69r. Vgl. ERTHEL, Pfarrkirchen, S. 60 f. zu Nachweisen für Uhren an Erfurter Kirchen. 1159 Vgl. oben. 1160 Vgl. SLADECZEK, Gromann, S. 237. 1161 Vgl. KUHLES, Gebesee, S. 145.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
den zugutekäme.1162 Wegen der Lage des Dorfes an der Straße nach Nürnberg und seiner Funktion als Vorspannstation vor der Überquerung des Thüringer Waldes war dieses Argument wohl auch nicht von der Hand zu weisen.
Abb. 61: Entwurfszeichnung Nickel Gromanns für den Kirchturm in Bufleben
Jedenfalls scheint es eine Besonderheit dargestellt zu haben, wenn es in einem recht kleinen Dorf wie Judenbach keine Uhr gab. Dendrochronologisch konnte der Uhrenkasten in Toba auf 1573 datiert werden. Wenngleich sich das Uhrwerk selbst nicht erhalten hat, legt er Zeugnis von der Integrierung der Uhr in den Turm ab.1163 Fragmente von Turmuhren des 16. oder frühen 17. Jahrhunderts 1162 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ff 84b. 1163 MÜLLER, Kyffhäuserkreis, S. 222. Der Turm eines Torhauses des Kirchhofes in Abtsbessingen konnte dendrochronologisch auf die 1550er oder 1560er Jahre datiert werden.
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haben sich in Oberwellenborn und Tiefurt erhalten. In Tiefurt handelt es sich um eine Waaguhr der Zeit um 1600 in einem schmiedeeisernen Rahmen, die im 17. Jahrhundert in eine Pendeluhr umgebaut wurde.1164 In den Kirchenordnungen finden sich keine Hinweise auf eine obrigkeitliche Steuerung dieses Prozesses. Erst in der sehr ausführlichen Kirchenordnung Kurfürst Augusts von 1580 wurde festgelegt, dass in Dörfern, in denen es keinen schlagenden zeiger gebe, ein solcher beschafft werden solle, damit die Kirchenämter zu rechter Zeit stattfänden. Sollten die Einwohner eines Ortes wirklich zu arm sein, sollte der Pfarrer sich um die Anschaffung eines sonnenseigers kümmern und dem Kirchner das Ablesen der Stunden lehren, damit dieser wisse, wonach er sich mit dem Geläut zu richten habe.1165 Somit erfüllten auch die Glocken eine bedeutende Funktion bei der Einteilung des Tages im Dorf. 1528 wurde im Unterricht der Visitatoren festgestellt, dass das Läuten in vielen Orten die Funktion erfülle, das die leute wissen, welch zeit es am morgen ist, auch zu welcher zeit sie des abends vom felde zu haus gehen sollen.1166 Neben der Organisation des Tagesablaufes im eigenen Dorf und der Festlegung der Gottesdienstzeiten war das Vorhandensein einer Uhr auch für den Umgang mit der Herrschaft wichtig. So konnte der Erfurter Rat 1525 die Schöffen und Gemeindevorsteher von Mühlberg für einen Dienstag umb acht hore zu einer Anhörung auf das Rathaus bestellen,1167 wissend, dass die Mühlberger sich an diese exakte Angabe halten konnten, also über eine Uhr verfügen mussten. Gleiches lässt sich für Großvargula und andere Orte feststellen. 1168 In vielen solchen Anweisungen finden sich aber auch noch Formulierungen wie zu fruer tagetzeit, 1169 wobei denkbar ist, dass sich hinter solchen Formulierungen im Sprachverständnis der Zeit ein engerer ‚Code‘ verbarg, man also wusste, welche Zeit gemeint war. Die Anschaffung einer neuen Uhr lässt sich aus einer Kirchenrechnung des Dorfes Niederwillingen von 1581 zeigen.1170 Der Seyermeister besuchte das Dorf, um den Turm zu besehen, die Auftragsvergabe wurde mit einem Schmaus begangen. Wegen dieses Auftrages mussten die Alterleute mehrfach nach Erfurt in
1164
1165 1166 1167 1168 1169 1170
Seine Konstruktion lässt darauf schließen, dass er der Aufnahme einer Uhr diente; DENDROCHRONOLOGISCHER BERICHT ABTSBESSINGEN. Auskunft der Kunstguterfassung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Erfassung durch Karen Schaelow-Weber. Das Fragment der Turmuhr in Oberwellenborn lässt sich nur sehr grob in das 16. oder 17. Jahrhundert datieren. EKO 1, 1, S. 453. Ebd., S. 171. StAE, 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 6, fol. 203r. Ebd., fol. 209r. Ebd., fol. 221v. LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5697.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
die Werkstatt des Meisters, bevor sie ihn bezahlten: 32 [Gulden] vor das Seyerwerck Meister Mertten Seyfferdt vonn Erffurdt geben.1171 Zusätzlich kauften die Alterleute, als sie das Werk in Erfurt abholten, Stricke, Bley, baumöhll undt anders zur Einrichtung der Uhr. Im Turm fanden gleichzeitig Arbeiten am Glockenstuhl statt und es wurde eine werck kammer eingerichtet, die mit einem zusätzlichen Schloss gesichert wurde. Anscheinend verlief die Einrichtung der Uhr nicht problemlos, da der Meister aus Erfurt ein weiteres Mal nach Niederwillingen kommen musste, um die Spindel am Werk einzurichten. Abschließend gab es ein weiteres Essen mit ihm, als er gantz undt gar ferttigk worden.1172 Die Untersuchung des baulichen Wandels an und in den Dorfkirchen ab den ersten Visitationen zeigte, dass es diesen im eigentlichen Sinne kaum gab. In der Frühzeit der Reformation wurden keine architektonischen und innenarchitektonischen Idealvorstellungen erhoben und auch in den Kirchenordnungen finden sich keine Forderungen.1173 Eine Nachfolge der Schlosskapellen formte sich erst bedeutend später heraus. Die langsame Entwicklung eines protestantischen Kirchenbaues zeigen auch die Bauformen. Im späten 16. Jahrhundert war die Nachgotik im Dorfkirchenbau vorherrschend. 1174 Selbst ein prinzipiell sehr fortschrittlicher Bau, wie die Elxlebener Kirche, der außerdem unter Einwirkung progressiver städtischer Bauleute entstand,1175 wurde in diesen Formen ausgeführt. Weitere wichtige Beispiele für die Nachgotik an thüringischen Dorfkirchen sind der wenig später, bis zum Jahr 1593 ausgeführte Neubau der Kirche zu Haßleben und der zeitgleiche Bau des Saales in Udestedt.1176 Doch nicht nur in den Dörfern wurden Sakralbauten in gotischen Formen erbaut. Vertreter unter den Stadtkirchen finden sich z. B. in Rudolstadt und Sondershausen.1177 Allgemein war die Nachgotik in Mitteldeutschland wohl weniger stark ausgeprägt als etwa in Westdeutschland und Franken, vielfach handelte es sich, folgt man Kirschbaum, mehr um Reminiszenzen als um eigentliche gotische Strukturen.1178 1171 Ebd., fol. 25v. 1172 Ebd., fol. 26v. 1173 Eine evangelische Architekturtheorie bildete sich überhaupt erst später. Ihr bedeutendster Vertreter war Leonhard Christoph Sturm. Zu ihm vgl. WEX, Raumprobleme, S. 139–146; BERNET, Sturm. 1174 Zur Nachgotik: KIRSCHBAUM, Nachgotik; HIPP, Nachgotik; SCHMIDT, Kirchenbau, S. 16 f. 1175 Dies zeigt sich auch an der Ausführung der Zimmermannsarbeiten. Ich danke Herrn Thomas Nitz, Erfurt, für diesen Hinweis. 1176 Vgl. DEHIO, S. 564, S. 1248; zu Haßleben: KIRSCHBAUM, Nachgotik, S. 73, S. 91; zu Udestedt: MÜLLER, Dorfkirchen, Katalog, S. 147 f. 1177 KIRSCHBAUM, Nachgotik, S. 20, S. 38. 1178 Ebd., v. a. S. 88–97.
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Jedoch gab es durchaus auch bei den Bautypen der Dorfkirchen spätgotische Strukturen und die Wirkung der Nachgotik blieb nicht auf Fensterformen etc. beschränkt. 1179 Im Gegensatz zum Profanbau und auch den kirchlichen Ausstattungsstücken, bei denen die Renaissance längst Einzug gehalten hatte, blieb die Gotik im Sakralbau, insbesondere auf dem Land, vorherrschend.1180 Sicher waren die Dorfeinwohner sehr traditionsbehaftet. Die Entwicklung kann jedoch nicht darauf beschränkt werden, da die gotischen Formen im Kirchenbau schlicht der Zeit entsprachen und kein Argument für eine Fortschrittsfeindlichkeit darstellen. Außerdem kam an einzelnen Bauten auch ein gewisser Eklektizismus zum Tragen, wenn Elemente der Gotik und der Renaissance gemeinsam Verwendung fanden. Genauer betrachtet wurden Emporen, Kanzeln und Gestühle, um den Einfluss der Reformation auf den Umgang mit der Kirche einordnen zu können. Dabei wurde deutlich, dass alle drei Parameter keine Erfindungen der Reformation waren, sondern es sie bereits im Spätmittelalter in den Dorfkirchen gab. Sicher gab es im 16. Jahrhundert auch unter Einfluss der Reformation eine Beschleunigung dieser Entwicklung dergestalt, dass deren Vorhandensein zur Normalität wurde. Anhand der Turmuhren wurde jedoch verdeutlicht, dass diese Entwicklung bei anderen Objekten ähnlich verlief, auch wenn diese weniger die religiöse Nutzung der Kirche tangierten. Es konnte gezeigt werden, dass die Vernachlässigung der Kirchengebäude seit der frühen Reformation bei vielen Kirchen zu Baufälligkeit führte und somit auch praktische Gründe für die zunehmenden Bauarbeiten ursächlich waren. Ebenso verhält es sich mit dem Einfluss des starken Bevölkerungswachstums. Von den zunehmenden Investitionen in die Dorfkirchen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kann also nicht unbedingt auf eine stärkere Frömmigkeit geschlossen werden. Allerdings zeigen Bauten und Ausstattung, dass mit ihnen die fromme, evangelische Gesinnung der Erbauer betont werden sollte. In vielen Fällen werden komplexe Maßnahmen deutlich, wobei eine Kirche an die Erfordernisse des evangelischen Gemeindegottesdienstes angepasst wurde. Oftmals wurden wie 1549 in Dienstädt oder 1567 in Tautenburg zur gleichen Zeit neue Gestühle angeschafft, Emporen eingebaut und die Fenster an die Emporen angepasst. Zu einer eigentlichen Änderung der Raumstrukturen kam es dabei nicht, die Veränderungen waren eher Ergänzungen. Beim Dorfkirchenbau des 16. Jahrhunderts ist die Bedeutung der Tradition nicht zu unterschätzen. So gab 1179 Anhand einiger Beispiele aus dem Kyffhäuserkreis, etwa der Kirche von Wasserthaleben von 1590: MÜLLER, Kyffhäuserkreis, S. 175 f. 1180 Zur Nachgotik an den Stadtkirchen Thüringens vgl. MERTENS, Stadtkirchen, S. 23. Zur Nachgotik an Dorfkirchen im Süden Hessens vgl. SCHMIDT, Hessen-Darmstadt. In Sachsen finden sich Gemeindekirchen der Renaissance; MAI, Kirchenbau, S. 163.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
es keine innovativen Lösungen für die Standorte von Kanzel und Taufstein, und selbst bei großen, bedeutenden Bauten wie in Elxleben herrschte die Nachgotik vor. Nur langsam brach sich die Renaissance Bahn.1181 Dies hielt prinzipiell bis ins frühe 17. Jahrhundert an. Die lange Zeit der geringen Investitionen und der Vernachlässigung begann um 1522. Aus den folgenden Jahrzehnten sind nur sehr wenige Bauten erhalten. Ab 1550, stärker aber in den 1560er und 1570er Jahren, ist eine zunehmende Bautätigkeit zu verzeichnen. 1182 Damit endete die als „Kulturrevolution“ bezeichnete Stagnation im ländlichen Kirchenbau, die selbstverständlich eine direkte Folge der Reformation war.1183 Diese Zurückhaltung in den Investitionen erklärt sich aus der Ungewissheit der Menschen, was diese Entwicklung für Folgen für ihr kirchliches Leben haben würde. Grundsätzlich waren die Menschen nun einer sehr engen Einflussnahme des Landesherrn auf ihre kirchlichen Zustände ausgesetzt. Sie folgten den Visitationen, ohne prinzipiellen Widerspruch zu erheben. Die Visitationsinstruktionen und die anschließenden Verfügungen enthielten aber keine Richtlinien für den Kirchenbau. So dauerte es mindestens zwei Generationen, bis sich parallel zu traditionellen Formen ein eigentlicher ‚evangelischer Kirchenbau‘ aus sich selbst zu entwickeln begann.
13.4. Beinhaus Eine der interessantesten anthropologischen Fragen in der Behandlung religiöser Veränderungsprozesse ist der Wandel in den Begräbnisriten. War der Umgang mit dem Tod und der Memoria in vorreformatorischer Zeit Triebfeder der starken Frömmigkeit und ist anhand vieler Elemente gut erkennbar, wurde er im Zuge der Reformation zweifellos bescheidener. Allerdings konnte gezeigt werden, dass verschiedene Bräuche keineswegs plötzlich abgeschafft wurden. Im Folgenden soll anhand des Umgangs mit den Beinhäusern in den Dörfern deutlich werden, wie sich der bisher festgestellte langsame reformatorische Wandel auf den Kirchhöfen niederschlug. Dazu fehlen für den mitteldeutschen
1181 Vgl. SLADECZEK, Gromann zu einem seltenen Beispiel früher Anwendung von Architekturelementen der Renaissance. 1182 Zur zunehmenden Zahl an Bauarbeiten an den evangelischen Kirchen Erfurts gegen Ende des 16. Jahrhunderts vgl. MEISSNER, Bewahrung, S. 275 f. Für die Vorstellung von schleppenden Auswirkungen der Reformation auf den ländlichen Kirchenbau plädiert anhand des Leipziger Umlandes auch GRAF, Dorfkirchen, S. 60. 1183 Dieses drastische Zitat bei JEZLER, Kirchenbau, S. 16.
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Raum bisher Untersuchungen.1184 Sicher ist, dass religiöse Zeichen, wie Kreuze und Ölberge, nicht entfernt wurden. Im späten 16. Jahrhundert wurden erstmals externe Friedhöfe angelegt.1185 Es setzte sich die Auffassung durch, dass Tote unter der Erde begraben bleiben müssten. Beinhäuser widersprachen dem und wurden sukzessive beseitigt. Jedoch setzte diese Entwicklung keineswegs spontan ein.1186 Meist erfolgte sie erst im 17. Jahrhundert. In dieser Zeit änderten sich die Begräbnisriten und die Liturgie insgesamt. Es entwickelten sich protestantische Elemente wie die bestimmende Leichenpredigt. Die Memoria individualisierte sich. Wann begann diese Entwicklung auf dem Land und wie lief sie ab? Die Visitationsinstruktionen und vergleichbare normative Quellen widmen sich dem Ablauf der Begräbnisse in vielerlei Form: Sie sollten nicht nachts oder in aller Frühe und nicht heimlich ablaufen. Der Pfarrer sollte darüber Bescheid wissen und dieser oder der Kirchner sollte anwesend sein. Eine Beteiligung des Pfarrers an einem Begräbnis war demnach keineswegs zwangsläufig. Während der Bestattung sollten die Nachbarn deutschen gesang anstimmen. 1187 Zwischen einzelnen Begräbnissen waren deutliche soziale Abstufungen vorgesehen.1188 Die Beinhäuser oder die sonstige Gestalt der Friedhöfe finden in den Kirchenordnungen aber kaum Erwähnung. Einzig in zwei Fällen lässt sich aus den Verordnungen, die Friedhöfe gut zu unterhalten und zu befrieden, schließen, dass dies nicht der Normalzustand war. Tatsächlich finden sich auch in den Visitationsprotokollen Anweisungen, dass Bauern ihre Kirchhöfe gegen umherlaufendes Vieh umfrieden sollen.1189 Noch 1560 beschrieb der Weimarer Superintendent diesen Zustand: Die Kirchoffe und Gothis ecker werden an vielen oertenn von den seuen durchwulet.1190 Ob der Zustand der Friedhöfe allgemein schlecht war oder in einigen Fällen unter den Jahren der frühen Reformation gelitten hatte, kann nicht gesagt werden. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeigen sich aber gehäuft Reparaturen an den Kirchhofsmauern. Solche Ausgaben finden sich etwa 1562 in
1184 Vgl. BRADEMANN, Sepulkralkultur für die Entwicklung im Münsterland bis ins 18. Jahrhundert. Zu den vorreformatorischen Nachweisen für Beinhäuser vgl. oben Kap. I.5.2. 1185 Im Flecken Gebesee wurde 1602 ein Friedhof vor den Toren angelegt, der 1630 um eine Gottesackerkapelle ergänzt wurde; BOHLEN, Gebesee, S. 6 f. 1186 DIEHL, Beinhäuser, S. 41 f. 1187 EKO 1, 1, S. 189. 1188 Ebd., S. 195. 1189 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4, Bd. II, fol. 27v (Troistedt), 47r (Teutleben bei Weimar). 1190 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 841, fol. 4r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Ammerbach, 1191 1567 in Dienstädt 1192 oder 1570 in Zeigerheim. 1193 Dennoch reißen die Klagen über unverwahrte und verwahrloste Friedhöfe nicht ab.1194 Wie wurde mit den Beinhäusern verfahren, wenn deren Abschaffung nicht auf die Kirchenordnungen zurückzuführen ist? Viele Kirchenrechnungen zeigen, dass die Beinhäuser keineswegs schnell von einem reformatorischen Wandel betroffen waren. Für die Gemeinden blieben sie normaler Bestandteil ihrer kirchlichen Welt. Sie erhielten sie und investierten in Sanierungen, was sie natürlich nur taten, wenn diese genutzt wurden. In Zeigerheim fanden 1549 Bauarbeiten am Beinhaus statt.1195 1552 wurde das Dach des Beinhauses in Tautenburg neu gedeckt.1196 1557/1558 wurde im Beinhaus von Langewiesen ein neues beynen fudder gelegt.1197 Wahrscheinlich handelte es sich dabei um eine Art Innenauskleidung, in die die Gebeine bestattet wurden. Bauarbeiten am Beinhaus gab es ebenfalls 1561/1562 in Ringleben.1198 1567 in Dienstädt und 1571 in Riethnordhausen erhielten die dortigen Beinhäuser jeweils ein neues, geschindeltes Dach. Umfangreichere Bauarbeiten lassen sich schließlich 1565/1566 in Hochheim, einem der Mainzer Küchendörfer bei Erfurt, feststellen.1199 Abgerechnet wurden unter anderem ein neues Fundament und ein Dach. Es muss bereits vorher ein Beinhaus gegeben haben. Während der Bauarbeiten wurde das Gebein aus diesem in ein vorbereitetes Loch auf dem Kirchhof gegeben und nach Abschluss der Bauarbeiten in das neue Beinhaus geräumt. In Hochheim wurde noch 1565 ein komplett neues Beinhaus gebaut, in das sehr pietätvoll die Gebeine aus dem vorherigen umgebettet wurden. Die Vielzahl der Beispiele aus verschiedenen Herrschaftsgebieten zeigt, dass die Einrichtung eines Beinhauses auch weit nach Ausbreitung und Einführung der Reformation in den Dörfern gepflegt und geachtet wurde. Der Prozess der Auflösung und der Beseitigung der Beinhäuser setzte erst gegen Ende des Untersuchungszeitraumes ein. Für Hessen wurden die ersten 1191 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602., fol. 122v. 1192 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.4.D.3, fol. 37v. 1193 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2525, fol. 5r. 1194 Vgl. etwa die Klage des Pfarrers von Dürrenebersdorf; StAG, III B, 19334, fol. 39r. 1195 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2524, fol. 8r. 1196 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 54r. 1197 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5267, fol. 2r. 1198 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3182, fol. 4v. 1199 Zu den Küchendörfern in dieser Zeit vgl. oben Kap. III.11. Freilich sind diese Fragen zwischen den (katholischen) Küchendörfern und den mittlerweile evangelischen Dörfern schlecht vergleichbar. Wegen der Parallelität der Ereignisse wurde dieses Beispiel hier dennoch aufgeführt. In Dörfern beider Konfessionen wurden Beinhäuser im 16. Jahrhundert baulich unterhalten.
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Abschaffungen von Beinhäusern in Dörfern für die Jahre um 1560 festgestellt.1200 In den Quellen lässt sich dieser Prozess bisher für zwei Dörfer Thüringens belegen. In Roben bei Gera wurde ein Arbeiter 1565 bezahlt, der zwei Gruben anlegte, in die man die gebeine Ihm beinhause vergraben.1201 Da die Lage der Gruben beschrieben wird und sich in diesen Jahren keine Bauarbeiten am Beinhaus nachweisen lassen, kann es sich nur um dessen Auflösung handeln. Ähnliches lässt sich für das Jahr 1578 in Niederwillingen bei Arnstadt feststellen. Im Rahmen größerer Bauarbeiten an der Kirche und auf dem Kirchhof wurden die Todten bein in eine Wanne auf dem Kirchhof geräumt. Da sich ebenfalls keine Bauarbeiten am Beinhaus feststellen lassen, war es wohl keine temporäre Lösung während eines Neubaus, wie dies für Hochheim gezeigt werden konnte. Das Niederwillinger Beinhaus wurde nicht mehr genutzt und die Gebeine wurden endgültig beerdigt. Dabei handelte es sich wohl nicht um stille, heimliche Beseitigungen der Gebeine, sondern um pietätvolle Bestattungen, bei denen der Pfarrer eine Predigt hielt.1202 Auf diesen Prozess der Auflösung der Beinhäuser und die (Dritt-)Beerdigung der Knochen in Gruben verweisen auch die archäologisch festgestellten Knochendepots auf den Kirchhöfen.1203 Eine Nachnutzung der Beinhäuser, wie sie für verschiedene andere Regionen nachgewiesen ist, konnte für Thüringen bisher nicht festgestellt werden. 1204 Die Untersuchung jüngerer Visitationsprotokolle dürfte auch zum Umgang mit den Beinhäusern einiges beitragen können. Jedenfalls erfolgte die Räumung der Beinhäuser in den allermeisten Fällen bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts. Es stellt einen wichtigen Befund dar, dass auch die Nutzung der Beinhäuser mit der Reformation aus der Mode geriet, diese aber keineswegs sofort beseitigt wurden, sondern zumindest stehen blieben oder gar baulich erhalten wurden.
1200 DIEHL, Beinhäuser, S. 42. Hier handelte es sich um einzelne, individuell organisierte Fälle, bevor die Beseitigung zu Beginn des 17. Jahrhunderts obrigkeitlich gefordert wurde. Interessant sind Vergleichsbeispiele aus katholischen Gebieten. Im Fürstbistum Münster wurden Beinhäuser im 17. Jahrhundert instand gesetzt und „im 18. Jahrhundert war das Vorhandensein eines Karners die Regel“; BRADEMANN, Sepulkralkultur, S. 218– 222. Erst gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Beinhäuser abgebrochen oder zu profanen Zwecken, z. B. als Spritzenhaus, genutzt. 1201 PfA Roben, 39, fol. 23r. 1202 DIEHL, Beinhäuser, S. 43. 1203 PETZOLD, Friedhöfe, S. 245–247 für den Kirchhof der Erfurter Bartholomäuskirche sowie die Kirchhöfe in Stepfertshausen und Tiefenort. 1204 In Biberach wurde das Beinhaus zu einem Kohlenhaus umgebaut; SCHILLING, Reformation, S. 190. In Hessen wurden verschiedene Beinhauskapellen zu Schulhäusern umgebaut; DIEHL, Beinhäuser, S. 42–52.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
13.5. Bilder Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Ausbreitung der Reformation nur in seltenen Fällen unmittelbare Folgen für die Kirchenausstattung in den Dörfern hatte. Bilderstürme waren kein typisches Phänomen der frühen Reformation auf dem Land. Vielmehr konnte der Rückgang der Anschaffung jeglicher Kirchenausstattung im Allgemeinen und der Bilder im Besonderen als Indiz für einen reformatorischen Prozess aufgezeigt werden.1205 Dies hielt, wie noch zu zeigen sein wird, auch im Falle der Bilder in den folgenden Jahrzehnten an. Parallel zum Umgang der Gemeinde mit ihrer Dorfkirche wurde jedoch auch diese Frage von den Visitationen tangiert. Die Bilderfrage gehörte zu den Elementen der sich ausformenden kirchlichen Praxis in den Landeskirchen und Superintendenturen. Es wird außerdem zu zeigen sein, dass es keineswegs eine lineare Entwicklung gab, sondern verschiedene Prozesse nebeneinander abliefen. Die Betrachtung darf keineswegs auf die vermeintliche Entwicklung „lutherischer“ oder „reformatorischer“ Bildthemen beschränkt bleiben. Strenge Kategorien würden die Entwicklung aus den vorreformatorischen Zuständen verschleiern.1206 Das Thema fand, verglichen mit anderen Aspekten dieses Hauptkapitels, immer wieder das Interesse der Forschung. Von kirchengeschichtlicher und theologischer Seite wurden die Positionen Luthers und Zwinglis herausgearbeitet. 1207 Besonders im Umfeld des Lutherjubiläums 1983 wurde es in beiden deutschen Staaten behandelt und fand seinen Niederschlag in je einer großen Ausstellung.1208 Daneben wurde es auch wiederholt in der amerikanischen Forschung aufgegriffen. 1209 Darüber hinaus sind wichtige Arbeiten Peter Poscharskys und seiner Schüler zu nennen.1210 Zweifellos hatte die Reformation einen bedeutenden Einfluss auf die Kunstgeschichte und die Ausbildung gänzlich neuer Genres in dieser Zeit. 1211 Allerdings wurde die Umsetzung dieser Entwicklung vor Ort, speziell in den Dörfern, bisher kaum beachtet.1212 1205 Vgl. oben Kap. II.3. 1206 Vgl. JÜRGENSEN, Arts anhand der Entwicklung in Dänemark. Jürgensen spricht von konfessionellen Interpretationen allgemeiner Bildinhalte. 1207 Vgl. CAMPENHAUSEN, Bilderfrage; STIRM, Bilderfrage. 1208 ULLMANN, Kunst; KAT. FOLGEN; KAT. REFORMATIONSZEIT. 1209 Vgl. CHRISTENSEN, Decline; MICHALSKI, Visual Arts; KOERNER, Image. Vgl. auch KROESEN/STEENSMA, Church, S. 390‒393. 1210 Z. B.: POSCHARSKY, Bildprogramm; SÖRRIES, Evangelischen. 1211 Vgl. die Thesen Hans Beltings zu diesem fundamentalen Einfluss; WARNKE, Spätmittelalter, S. 129. 1212 Die Arbeit Reinhard Lieskes zur protestantischen Frömmigkeit im Spiegel der kirchlichen Kunst des Herzogtums Württemberg betrachtet die Bildthemen ausschließlich aus sich selbst und stellt nicht den Wandel des 16. Jahrhunderts dar. Der Schwerpunkt liegt folgerichtig auf dem 17. und dem 18. Jahrhundert; LIESKE, Frömmigkeit.
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Im Vergleich mit den anderen in diesem Hauptkapitel untersuchten Indizien fällt auf, dass die Bilderfrage in den frühen Visitationen keine Rolle spielte. In den Visitationsprotokollen finden Bilder und ihre angedachte Entfernung keine Erwähnung und in den Visitations- und Kirchenordnungen werden sie nicht thematisiert.1213 Dass es einige Änderungen gegeben haben muss, geht nur aus wenigen späteren Hinweisen hervor.1214 Dennoch gab es freilich auch ab der frühen Reformation eine Beschäftigung mit diesem Problem. Luther machte sich sehr konkrete Gedanken über die Auswahl der Bilder. Nach ihm konnten selbstverständlich Kruzifixe in den Kirchen eine positive Wirkung haben, aber auch Marienbilder und Christophorusdarstellungen konnten seiner Meinung nach erhalten bleiben, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllten.1215 Freilich sollte Maria nicht in Form von Gnadenbildern und Ähnlichem verherrlicht werden.1216 Die Bilder selbst sollten nicht verehrt werden, sondern dem Betrachter Trost spenden und ihn stärken. 1217 Daneben konnten sie nach Luther aber auch eine illustrative Wirkung haben und so eine didaktische Hilfe sein. 1218 Diese Vorstellungen, die den Bildern eine schmückende Wirkung zubilligten, ein Anbeten derselben aber ausschlossen, zogen sich durch die folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte der protestantischen Theologie hindurch.1219 Nicht zuletzt auch wegen dieser Nichtbeachtung der Bilder durch die Visitatoren und Superintendenten änderte sich in den nächsten 20 Jahren wenig an ihrer Stellung. Die Gemeinden schafften noch immer keine neuen Tafeln und Figuren an, die vorhandenen blieben aber oft unverändert in den Kirchen. Nur in Einzelfällen lässt sich eine Umgestaltung durch die Gemeinden feststellen. In Lichtenhain bei Jena wurde im Jahr 1546 ein Altar abgebrochen.1220 Selbstverständlich musste bei der Beseitigung eines Seitenaltares auch eine Lösung für den darauf vorhandenen Altarschmuck gefunden werden. Sofern es ein Retabel gab, wurde dieses wohl meist entfernt. Es hatte seine Funktion verloren. Für Lichtenhain 1213 Eine Ausnahme stellt etwa die Verfügung der albertinischen Visitatoren 1540 dar, dass die abgöttischen Bilder aus der Spitalkapelle in Günstedt entfernt werden sollten; LASA, A 29a, II, Nr. 1c, fol. 50v. Vgl. LEPPIN, Kirchenausstattung. 1214 GEHRT, Spezialvisitation, S. 196. 1215 Vgl. STIRM, Bilderfrage, v. a. S. 69–80. 1216 Vgl. etwa WA, Bd. 7, S. 569. 1217 STIRM, Bilderfrage, S. 117. 1218 Ebd., v. a. S. 81–85. Zu Luthers Positionen vgl. auch MAI, Kirchenbau, S. 154–157 sowie WARTENBERG, Bilder, S. 25. 1219 Vgl. etwa GRAFF, Auflösung, S. 104 f. 1220 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Jena, Rechnungen Lichtenhain, fol. 4r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
lässt sich solcherlei nicht nachweisen. Es bleibt unklar, ob es einen Altaraufsatz gab, ob dieser verwahrt, verkauft oder zerstört wurde. In einigen Dorfkirchen befinden sich allerdings bis heute Teile mehrerer Retabel, sodass man nicht davon ausgehen kann, dass die Aufsätze von Seitenaltären prinzipiell beseitigt wurden. Zu Beginn der fünfziger Jahre des 16. Jahrhunderts änderte sich der unentschlossene Umgang mit den Bildern jedoch. Mitunter findet sich diese Frage nun auch in den Visitationsinstruktionen. Die Forschung machte bereits auf die Bedeutung der ernestinischen Visitation von 1554 für diese Frage aufmerksam.1221 In der ernestinischen Visitationsinstruktion wurde erstmals explizit eine Vorgehensweise gefordert: [S]ollen die pfarher in ihren kirchen keine papistische oder abgottische bilder und gemelde leiden, sondern die mit wissen der superattendenten halten dormit dergleichen bilder und gemelde in iren kirchen auch nicht befunden.1222
Den Pfarrern wurde auch in dieser Frage, wie es bereits an anderer Stelle geschildert wurde, eine Aufsichtsfunktion zugeschrieben.1223 Die Instruktion fordert nach Jahren der Nichtbeachtung nun eine sehr genaue Beschäftigung und gegebenenfalls eine Beseitigung der Bilder. Was als abgöttisches Bild galt, definieren die Artikel der Visitatoren für Gotha genauer: Es sollten die abgottische papistische bilder, so biblischer historien nicht gemess, inder kirchen nicht geduldet werden.1224 Dies bedeutet bereits eine sehr viel striktere Haltung, als sie Luther vertrat. Widerstand gegen dieses vorgesehene Vorgehen der Pfarrer und Superintendenten ist aus Monstab im Altenburger Land überliefert. Die Bauern wollten eine Entfernung der Bilder, Messgewänder und Lichter zunächst nicht zulassen, weshalb sie erst fünf Jahre später ausgeführt werden konnte.1225 Überhaupt scheint dieses Vorgehen im Amt Altenburg durchgreifender gewesen zu sein, da es aus dem Jahr 1597 eine Schilderung gibt, dass die Altartafeln sämtlich beseitigt seien.1226 Die Durchsetzung blieb vom Engagement der jeweiligen Superintendenten, Amtleute und Pfarrer abhängig.1227
1221 HERRMANN, Kirchengeschichte II, S. 114, S. 137 f. Zur Vorgeschichte dieser Visitation und zu dem Rahmen, in dem sie ablief, vgl. KOCH, Beseitigung, S. 226 f; GEHRT, Spezialvisitation, S. 197 f. 1222 EKO 1, 1, S. 225. 1223 Vgl. oben Kap. III.2.4. 1224 EKO 1, 1, S. 569. Ähnlich auch in Quellenzitaten bei HEERDEGEN, Kirchenvisitation, S. 22, S. 109–111. 1225 WIESSNER, Naumburg, S. 174. 1226 KOCH, Beseitigung, S. 237. 1227 Vgl. GEHRT, Spezialvisitation, S. 202.
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Zu einer weiteren Besonderheit führte die Visitation von 1554, da nun die Geistlichen den Altardienst mit dem Gesicht zur Gemeinde verrichten sollten.1228 Dies erforderte in vielen Dörfern Veränderungen und nicht zuletzt eine Entfernung der Altaraufsätze. Wahrscheinlich gehört es in diesen Zusammenhang, dass 1560 die Alterleute von Ammerbach Geld aufwandten, vom altar zu endern.1229 Durch die Art der Bauarbeiten wird deutlich, dass es sich nicht nur um einen Abbruch, sondern um einen Umbau des Altarblockes gehandelt haben muss. Die Stellung des Pfarrers hinter dem Altar hielt sich für einen sehr langen Zeitraum und galt in der Frühen Neuzeit als thüringische Besonderheit.1230 In den folgenden Jahren trat im ernestinischen, aber auch im schwarzburgischen Gebiet ein Wandel ein. Man ging nun offensiver mit den Bildern um. Dass dies nicht nur in den Visitationen vorgesehen war, sondern in vielen Orten zur Umsetzung kam, zeigen verschiedene Quellen. Zunächst wird die Entfernung von Seitenaltären in Kirchenrechnungen deutlich. 1556 wurden in Merkendorf bei Zeulenroda Ausgaben von einem Winkel Altar abzubrechen und wegzuräumen abgerechnet.1231 Im selben Jahr wurden in Dienstädt fünf Groschen den Nachbauern geschanckt da sie einen altar aus der Kirchen gereumet haben.1232 1560 stellte der Weimarer Superintendent lediglich für Oberndorf bei Buttelstedt fest, dass zwei unnötige Seitenaltäre abgerissen werden sollten. 1233 In den anderen Dörfern seiner Superintendentur war dies demnach wohl bereits erfolgt. Dass von dieser Entwicklung nicht nur ernestinische Dörfer betroffen waren, zeigt das Beispiel des schwarzburgischen Langewiesen. Hier wurde im darauffolgenden Jahr ein Groschen von eynem altar außczureumen abgerechnet.1234 Wie im Falle des Lichtenhainer Altars (siehe oben) kann nicht gesagt werden, was mit eventuellen Aufsätzen geschah. Zumindest mussten die Bilder bei diesen Arbeiten aber aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang entfernt werden.1235 Ein Verkauf kann allerdings beinahe vollständig ausgeschlossen werden, da sich in allen entsprechenden Kirchenrechnungen und auch solchen der folgenden Jahre keine Spuren davon 1228 HEERDEGEN, Kirchenvisitation, S. 109 f; HERRMANN, Generalvisitationen, S. 104 f.; KOCH, Beseitigung, S. 227 f. Vergleichend: MERKEL, Angesicht. 1229 Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena, Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602, fol. 104v. 1230 KOCH, Beseitigung, S. 238. Die Umsetzung dieser Beschlüsse zog sich freilich über einige Jahre hin. 1560 konnte der Weimarer Superintendent Rosinus aber feststellen, dass außer in 16 Dörfern seiner großen Superintendentur die Altäre überall wie vorgesehen benutzt werden konnten; GEHRT, Spezialvisitation, S. 202. 1231 KOCH, Beseitigung, S. 232. 1232 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 1v. 1233 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 841, fol. 43r. 1234 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5267, fol. 2r. 1235 Zur Überführung von Altaraufsätzen aus anderen Kirchen in die evangelische Kaufmannskirche in Erfurt vgl. MEISSNER, Bewahrung, S. 284.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
finden. Anhand einiger Indizien ist aber eher von einem Abbau und einer Einlagerung der entsprechenden Stücke auszugehen. Erneut stellen die bereits mehrfach erwähnten Inventare der Schosser im Zuge der Verkaufsaktion in den ernestinischen Ämtern 1560 ausgezeichnete Quellen dar.1236 Zunächst zeigen sie die Zahl der noch vorhandenen Bildwerke, für viele Orte aber auch den Ort deren Aufbewahrung. So gab es in Körner in der Wigbertikirche zwei Retabel, die noch auf den Altären standen, weiterhin hing in dieser Kirche ein Marienn Biltt inn ein Hirschgeweihe gefast.1237 Nur sehr summarisch ist der Bericht aus dem Amt Roßla gehalten (bspw. für Zottelstedt: I Alttar Taffel mit X bildernn), sodass über die dortigen Zustände keine Rückschlüsse möglich sind, mit Ausnahme der Tatsache, dass sich in allen Kirchen des Amtes im Jahr 1560 noch ein Retabel befand.1238 Der Schosser des Amtes Sachsenburg schenkte der Bilderfrage in seinem Bericht überhaupt keine Beachtung. Allerdings führt er einzeln die verkauften Stücke auf, sodass zumindest für die sechs genannten Dörfer zweifelsfrei festgehalten werden kann, dass im Gegensatz zu Paramenten, Vasa Sacra und Büchern keine Bilder verkauft wurden.1239 Besonders ausführlich beschrieb der Schosser des Amtes Tenneberg die in den Kirchen vorhandenen Bilder.1240 Bereits aus dem Bericht über das erste Dorf, Hörselgau, geht deutlich der Einfluss der letzten Jahre vor 1560 hervor. Hier wurde wohl im Jahr 1559 das Retabel des Hauptaltares auseinandergebaut. Zwei Flügel, darahn seint die XII aposteln nur, blieben gemeinsam mit der Predella, die die vier Virgines capitales und Gottvater zeigte, auf dem Altar stehen, während der Schrein des Aufsatzes auf die Emporen geräumt worden war. In diesem befanden sich Schnitzfiguren der Heiligen Bonifatius, Michael und Cyriax. Ironischerweise hat sich dieser Schrein mit den drei genannten Heiligen bis heute in der Kirche erhalten;1241 die im 16. Jahrhundert belassenen Aposteltafeln hingegen sind wohl beim Einbau eines barocken Kanzelaltares verloren gegangen. An einer Innenwand der Kirche befand sich eine Darstellung der Passion auf einer Holztafel.1242 In Fröttstädt befand sich ein Retabel mit einer Marienkrönung, verschiedenen Heiligen und Aposteln wohl noch an seinem Platz auf dem Hochaltar. Allerdings war ein holtzernn Bilde maria mit II Kindelein zu einem unbekannten Zeitpunkt in die 1236 Vgl. oben die Kap. III.13.1 und III.13.2. Zur Vorgeschichte dieser Aktion vgl. KOCH, Beseitigung, S. 233. 1237 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2770, fol. 3v. Dabei handelt es sich um ein sog. Lüsterweibchen bzw. wegen des Marienbezuges um einen Muttergottesleuchter. Aus einer Dorfkirche hat sich kein solches Stück erhalten. 1238 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 667. 1239 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 714. 1240 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2771. 1241 Vgl. DEHIO, S. 618. 1242 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2771, fol. 3r–3v.
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Sakristei verräumt worden.1243 In Teutleben hing ein Kruzifix über dem Altar. Ein Altarretabel war in der letzten Visitation, also 1554, zurückgesetzt worden.1244 In diesem Dorf wurde also die vorgesehene Regelung, dass der Geistliche das Abendmahl mit dem Blick zur Gemeinde ausführen sollte, sofort umgesetzt. In Trügleben befand sich lediglich ein hölzernes Kruzifix.1245 Die Kirche in Sundhausen verfügte über den umfangreichsten Bestand an vorreformatorischen Bildern im Amt: I ganze geschnitzte ubergulte taffelnn mit II flugelnn, Ist Im Corpus ein bischoff wippertus, uff denn Flogelnn die XII Apostelnn, Epiphania domini und Nativitatis domini Sampt IIII Junckfrauen, Obenn uff der taffel ein Crucifix sampt IIII Andern Bildernn I alt geschnitzt taffel mit einnem Crucifix Sampt etlichen bildern I gemalte taffelnn uber des Junckernn Gestuel, Ist etwann uber dem predig stuel gewest, Voran Die Junckfrau maria gemalt I grosse gemalte taffel, Oben uber dem altar daran die verkundigung Maria gemalt IIII Andere geschnitzte bilder, hinder dem altar I taffeln uber des Junckern gestullich, daran ein Crucifix, Sant Leonhardus und ander Bischoff Samptt Etlichenn Bildern gemalt1246
Außer den vier Bildern, die sich hinter dem Altar befanden, lässt sich an diesem Bestand noch keine Veränderung ausmachen. Die Bilder waren nicht entfernt, verrückt oder verändert worden. In Uelleben befand sich ein Retabel noch unverändert auf dem Altar, während das der Leinaer Kirche unmittelbar vor der Aufnahme des Schossers vom Altar genommen und gemeinsam mit zwei alten Heiligenfiguren in die Sakristei verräumt worden war. In letzterer Kirche befand sich im Chor allerdings ein großes Wandgemälde, das den hl. Christophorus zeigte.1247 Ebenfalls sehr interessant ist die Beschreibung der Kunstwerke in der Kirche zu Wahlwinkel, die daher auch vollständig wiedergegeben wird: I Kleine taffel uber dem altar, Darrahn Stehen VIII ubergulte geschnitzte Bilder ein Crucifix uf der taffel I gemalt tuch Im Kohr, daran die schepffung mit Adam und Eva, die Geburt Christi, die passio und die aufferstehung gemalet ist Item hinder dem altar der himlische vater mit eim apffel und Maria gemalet
1243 1244 1245 1246
Ebd., fol. 4r. Ebd., fol. 5v. Der gleiche Befund wurde in Aspach festgestellt, ebd., fol. 6v. Ebd., fol. 6v. Ebd., fol. 8r–8v. In Sundhausen gab es also wohl ebenfalls in vorreformatorischer Zeit eine Kanzel; vgl. dazu Kap. I.4.8. 1247 Ebd., fol. 9v, 11r.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
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Item hinder dem altar sant Annen bilde hat uf Einem Arm das Kint Jesum und uf dem andern Arm Maria Ist gemalet Item Im Kohr Sant Gothart ein Bischoff uff eim plaw tuchlein gemalet Item Sant Christoff uber dem predig Stul gemalet Item Das Jungste gericht ist ahnn einer taffelnn ubern Kohr gemalet1248
Die Fülle der Bilder in Wahlwinkel muss nach dem Verständnis der Zeit in zwei Gruppen eingeteilt werden. Zunächst eindeutig papistische, wie der hl. Gotthard (der Titelheilige der Kirche) oder die Anna selbdritt; auf der anderen Seite aber Bilder mit eindeutig biblischen Inhalten, wie das Tuch im Chor mit der Schöpfung und Stationen aus dem Leben Jesu. Eventuell handelte es sich bei diesem bereits um eine kurz zuvor erfolgte Neuanschaffung, da es sich ikonographisch gut in diese Jahre einordnen würde. Sämtliche Stücke hätten somit einzeln bewertet werden müssen; und es hätte über deren Verbleib in der Kirche entschieden werden müssen. Über solch einen Vorgang fehlt aber jeder Nachweis. Die Akte aus dem Amt Tenneberg belegt somit vor allem eines: Der Umgang mit den Bildern war sehr unterschiedlich. Es hat den Anschein, dass über deren Belassung oder Entfernung eher die Gemeinden und die Pfarrer entschieden. Während sich in einem Dorf sämtliche vorreformatorischen Bilder in ihrem ursprünglichen Zusammenhang befanden, wurde im Nachbardorf streng getrennt, und nicht-biblische Darstellungen wurden aus dem Blickfeld der Kirchenbesucher entfernt. Ob dies aus theologischer Überzeugung geschah oder sich die Einwohner in einigen Orten schlicht direkter an einer bestimmten Kirchenordnung orientierten, kann nicht gesagt werden. Ein Nachweis für Widerstand gegen diese Aufnahme und die eventuelle Entfernung der Bilder von Seiten der Bauern fehlt. Für das Dorf Gorsleben im Amt Sachsenburg berichtet eine Akte aus dem Jahr 1560 jedoch von einem Protest eines Adligen. Georg von Germar beschwerte sich beim Amtmann dabei nicht über die Entfernung der abgöttischen Bilder, sondern darüber, dass mit diesen eine Kriegsfahne der Familie aus dem Chor entfernt worden sei. Nach Gesprächen mit den Brüdern des genannten Adligen und einem fürstlichen Rat aus Weimar, die Fahne doch an einer unauffälligeren Stelle aufzuhängen, hatte Georg von Germar sie bereits selbst aus der Kirche entfernt.1249 Selbst in dieser 1248 Ebd., fol. 12r–12v. In Leina und Wahlwinkel gab es also großformatige Christophorusdarstellungen in den Kirchen, wie sie für das Spätmittelalter durchaus typisch waren; vgl. oben Kap. I.5.3. Der Anblick des Nothelfers sollte vor einem plötzlichen Tod schützen. 1249 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 370. Der Weimarer Superintendent Bartholomäus Rosinus berichtet im selben Jahr, dass es in mehreren Orten Probleme mit solcherlei Ausstattungsstücken gab: Item an etlich oertenn laßen die Junckern die Kriegsfenle, so etwa sie oder
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umfangreichen Akte wird an keiner Stelle die Entfernung der Bilder an sich kritisiert, das Problem stellt immer nur die Fahne dar. Wie in Gorsleben mit den Bildern verfahren wurde, wird ebenfalls nicht erwähnt. Wahrscheinlich wurden sie aber, wie in vielen anderen Dörfern, eher verhängt oder in die Sakristei oder auf die Emporen geräumt.1250 Der Brauch der Altarverhüllungen hielt sich im Luthertum recht lang. 1251 Unter Umständen spielte in diese Entwicklung auch die Meinung Luthers hinein, Retabel zu schließen, um entsprechende Gnadenbilder zu verbergen.1252 Selbst wenn eindeutige Nachweise dafür fehlen, ist daher folgende Entwicklung wahrscheinlich: In den meisten Fällen befanden sich auf den Außenseiten der Flügel durchaus biblische Szenen, wie die Verkündigung, Christi Geburt oder Teile der Passion. Somit konnten die Retabel in den Kirchen bleiben, ohne den Kirchenbesuchern Heilige zur Andacht zu zeigen. Die Konstruktion der Retabel erlaubte somit eine dauerhafte Verhüllung bestimmter Bilder im Schrein und auf den Flügelinnenseiten. Das Vorhandensein gestalteter Fastentücher macht auch ein bewusstes Verhängen bestimmter Bilder wahrscheinlich. Gute Beispiele liefern das oben genannte Tuch mit der Darstellung der Schöpfung und Ereignissen des Neuen Testamentes in Wahlwinkel und ein Fastentuch mit der Darstellung der Passion in Körner.1253 Ob es sich dabei um ein Fortleben des vorreformatorischen Brauches des zeitweisen Verhüllens oder um ein bewusstes und dauerhaftes Verdecken ungewünschter Bilder handelt, ist für den Einzelfall nicht zu entscheiden, da entsprechende Berichte fehlen. In einigen Kirchen wurden auch recht drastische Maßnahmen ergriffen, um die Bilder oder ganze Chorräume zu verbergen. In Oberwellenborn wurde einer Beschreibung zufolge bereits 1529 der Chor zugemauert. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Wand entfernt und der Chorraum mit dem Retabel war wieder offen sichtbar.1254 In Haina bei Gotha soll das Retabel ebenfalls bis ins 20. Jahrhundert in einem Holzverschlag an der nördlichen Innenwand der Kirche verborgen gewesen sein.1255 In vielen Dörfern wurden zur Zeit der Inventarisierung Ende des 19. Jahrhunderts Teile von Retabeln auf Dachböden, auf
1250
1251 1252 1253 1254 1255
Ire Eltern und vorfarn auß dem Kriege bracht, oder Inn der schlacht eroebriget haben, Im chor uber dem altar zum Spectacul auffhengen. Oder laßen sonst selzame bilder Inn die kirch malen; LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 841, fol. 3r–3v. Ähnliches wurde für Nürnberg und seine Landgemeinden festgestellt: „Insgesamt lässt sich also eine Nichtnutzung in Verbindung mit Aufbewahrung feststellen.“ LITZ, Nürnberg, S. 96. Vgl. GRAFF, Auflösung, S. 100. WA, Bd. 7, S. 569. LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2770, fol. 3v. KIRCHENBLICKE, S. 16. KOCH, Beseitigung, S. 235.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Emporen und in den Sakristeien angetroffen. Dieser Zustand weist ebenfalls auf diesen Prozess hin, wenngleich solche Veränderungen freilich auch bei späteren Umbauarbeiten, vor allem im Barock vorgenommen wurden. Noch heute befinden sich in manchen Kirchen und Pfarrhäusern Einzelteile von Retabeln, die in Folge der Reformation auseinandergenommen wurden. Hingegen sind die Gesprenge der Aufsätze nur in sehr wenigen Fällen erhalten, was vermuten lässt, dass diese bei Änderungen oder beim Abbauen beschädigt oder beseitigt wurden. Im selben Jahr kam es in der Superintendentur Weimar zu einer Spezialvisitation, die ebenfalls die Bilder behandelte. Aus den erhaltenen Protokollen wird deutlich, dass einzelne Altartafeln genau auf ihren Bildinhalt hin untersucht wurden und auch die Gemeinden darauf drängten. 1560 begehrten die Bauern von Kleinkromsdorf bei Weimar, dass ihre Altartafel besehen würde, also auf ihre Ikonographie hin eingeschätzt würde, als es um ihre Entfernung ging. Mutmaßlich wollten sie sie erhalten.1256 Die genannten Quellen verdeutlichen, dass es ab den 1550er Jahren zu umfangreicheren Veränderungen im Umgang mit den vorreformatorischen Bildern in den Kirchen kam. Dabei kann keineswegs von einer einheitlichen Entwicklung in allen Orten gesprochen werden. Wie verschieden der Umgang mit den Bildern sein konnte, zeigen Beispiele, die sich durchaus nicht in diese Entwicklung der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einordnen lassen. Der prominente, bereits in anderen Kapiteln besprochene, Dienstädter Altar ist ein solches Beispiel. 1524, wahrscheinlich unter dem Einfluss Karlstadts, war er auf unbekannte Art verschlossen worden.1257 Wahrscheinlich hielt dieser Zustand für die nächsten 30 Jahre an. 1554, in dem Jahr, in dem die ernestinische Visitation in vielen Orten die Bilder entfernte, wurde dieses Retabel wieder aufgestellt. 1258 Mutmaßlich gehört auch ein ansonsten zusammenhangsloser Schmaus, den die Alterleute in diesem Jahr mit Zimmerleuten abhielten, in diesen Kontext.1259 Es wurde bereits auf den Widerstand der Einwohner von Monstab im Altenburger Land gegen die Entfernung der Bilder 1554 verwiesen. 1567 fanden in Tautenburg umfangreiche Arbeiten in der Kirche statt. Darunter finden sich Ausgaben für das Abnehmen und die Wiederaufrichtung des Altares und seines Aufsatzes. 1260 Auch in diesem Dorf wurden die Bilder am Altar als selbstverständlich und schützenswert belassen. Für einige Kirchen konnte bereits nachgewiesen werden, dass mitunter bereits im 16. Jahrhundert begonnen wurde, 1256 1257 1258 1259 1260
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 841, fol. 43r. Vgl. oben Kap. II.3. HEERDEGEN, Kirchenvisitation, S. 109; BERGNER, Kahla, S. 49. PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2, fol. 54v. PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667, fol. 92v.
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Retabel zu restaurieren.1261 Heilige konnten auch weiterhin als Vorbilder dienen, was sich ebenfalls in der Erhaltung der Bilder niederschlagen konnte.1262 1550 wurde ein Schmied für eine Reparatur an dem Retabel der Kirche in Lippersdorf bezahlt, was das Motiv der Erhaltung und Pflege auch für eine thüringische Dorfkirche nachweist.1263 1567 beschwerte sich der Pfarrer des reußischen Dorfes Thieschitz bei Gera über seine Gemeinde, da diese Paramente, Geräte, Tücher und Bilder erhalten wolle, da sie nicht sicher seien, ob man es heute oder morgen wieder nutzen dürfe. In der Kirche gab es nach seiner Auskunft noch eine Vielzahl abgöttischer Bilder, die den Alten Leuthen nicht wenig ursach geben zu Aberglauben, sonderlich das Bapistische Creutz, so man vor den Leychen hertragen muss.1264 Ein Bericht, der verdeutlicht, wie sehr die Bilder Teil der Langlebigkeit vorreformatorischer Riten und Bräuche waren. Dass der Pfarrer dies vor allem auf ältere Gemeindemitglieder bezieht, zeigt, dass diejenigen, die im römischen Glauben erzogen worden waren, noch immer einen bedeutenden Einfluss auf die Haltung einer Dorfgemeinde haben konnten. Die Entwicklung eines ‚evangelischen‘ Gemeindelebens in den Dörfern war nicht zuletzt eine Generationenfrage. Abschließend muss man bei der Frage der Erhaltung der Bilder bedenken, dass keineswegs alle Bilder der evangelischen Theologie widersprachen. Neben Marienkrönungen und Heiligen zeigten viele Darstellungen durchaus biblische Szenen. Oben wurde bereits auf die Außenseiten der Retabel verwiesen, die zwar ursprünglich Marienszenen, wie die Verkündigung, zeigten, aber durchaus den Darstellungen der Heiligen Schrift entsprachen. Ähnlich verhielt es sich mit den vielen Darstellungen der Passion, selbst solchen nicht genuin biblischen Inhalts wie der Beweinung Christi. 1265 Die Erinnerung an die Leiden Christi mittels Bildern entsprach durchaus reformatorischen Vorstellungen.1266 Somit wurden viele der Bilder in den Kirchen zu bloßen Illustrationen des gesprochenen Wortes, standen aber nicht im Widerspruch zu selbigem. Inwiefern mit der Reformation der Glauben an die Realpräsenz der Dargestellten verlorenging, muss offenbleiben.
1261 Für die Restaurierung einer Marientafel in der Erfurter Kaufmannskirche 1550 vgl. MEISSNER, Bewahrung, S. 286; für sächsische Kirchen: MAI, Kirchenbau, S. 168. 1262 Vgl. SCHMIDT, Fülle, S. 77. 1263 PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663, S. 45. 1264 StAG, III B, 19334, fol. 77v–80r. 1265 DESEL, Schnitzretabel, S. 94 f. Zur konstant hohen Bedeutung der Passionsfrömmigkeit anhand der Ikonographie vgl. HEAL, Eye. 1266 ELZE, Verständnis.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
Die Kirchenordnungen ließen solch einen vorsichtigen Umgang mit den Bildern meist auch zu.1267 Luthers Positionen fanden immer wieder Eingang und führten zu einer passiven, abwartenden Haltung, die die Erhaltung der Stücke in den Kirchen ermöglichte. Beispielhaft kann die schwarzburgische Kirchenordnung aus dem Jahr 1574 angeführt werden. Dort steht unter der Teilüberschrift Vom ornat der kirchen Folgendes: Der ornat und geschmuck, welchen der mann gottes d. M. Lutherus nicht verworfen, und bishero in der zeit des evangelii in übung und brauch blieben ist, als der priesterliche ornatus, der chorrock, altar, liechter, tafeln, biblisch figuren und gemelde, werden noch erhalten, dieweil das volg unterrichtet ist, solchen dingen keinen gottes dienst, oder einigen missbrauch und abgötterei anzulegen, sondern nur ein eusserliche zierde und wolstand sei, dodurch das volg zu mehrer andacht bewogen werde, wie dan solche breuchliche und übliche dinge viel ein grosser ergernis gemeinem volg und einfaltigen laien geben wurden, wenn man sie aus der kirchen wegreumen und wie ein weldlich theatrum zurichten soll.1268
Wie in den ernestinischen Instruktionen 1554 werden Bilder mit biblischen Darstellungen von anderen getrennt. Die Regelung beruft sich eindeutig auf die oben genannten Vorstellungen Luthers und sieht in den Bildern und Paramenten schmückendes Beiwerk, das die Inhalte der Predigten illustriert. Man verließ sich mit dieser Ordnung auf die erfolgreiche Unterrichtung des Volkes in diesen Fragen und betonte, dass sich seit der Reformation keine wesentlichen Änderungen ergeben hätten. Sicherlich gab es gerade in diesen Jahren der protestantischen Lehrstreitigkeiten verschiedene Meinungen, ob diese Unterrichtung des Volkes wirklich ausreichend war. In der Schwarzburger Ordnung findet sich eher die Vorstellung, dass eine grundsätzliche Entfernung der Bilder und anderer gewohnter Dinge sowie eine Umbildung der Kirchen zu schlichten Räumen den Unmut der Bevölkerung zur Folge hätten. Die erfolgreiche Durchsetzung der Reformation fußte nicht zuletzt auf solchen abwartenden Haltungen, die es der Bevölkerung leichter machten, gewohnte Riten und Bräuche über einen längeren Zeitraum auslaufen zu lassen. Dennoch bildete sich, wie gezeigt, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein anderer Umgang mit den Bildern heraus. Diese neue und offensivere Behandlung zeigt sich auch in ikonographischen Veränderungen bestehender Altaraufsätze und in ersten Neuanschaffungen. Das beste Exempel für eine ikonographische Umgestaltung eines Retabels in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stellt der sog. Ziegenhainer Altar dar (Farbtafelteil, Abb. 62). Er befindet sich noch in der Kirche, für die er geschaffen wurde, wenngleich nicht 1267 Vgl. HEAL, Weiterbestehen zu der prinzipiellen Frage nach dem Verhältnis zwischen den Kirchenordnungen und der praktischen Verwendung der Bilder. Ebd., S. 173, stellt sie fest, dass das Vorhandensein der Bilder keinesfalls als Nachweis für ihre langfristige, altgläubige Verwendung dienen kann. 1268 EKO 2, 2, S. 136.
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mehr auf dem Altarblock. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden die Heiligenfiguren aus dem Schrein und den Innenseiten der Flügel genommen, der Großteil der Maßwerkbaldachine und wahrscheinlich Tafelgemälde von den Außenseiten der Flügel entfernt.1269 Im Anschluss wurde ein Maler beauftragt; der Goldgrund der Innenseiten wurde nun mit alt- und neutestamentlichen Szenen neu bemalt: In der Mitte befindet sich die Darstellung einer Kreuzigung, umgeben von der ehernen Schlange, der Opferung Isaaks, der Auferstehung und Christus als Weltenrichter. Die Darstellung der Erhöhung der Schlange kann durchaus als ein ikonographisches Zeichen verstanden werden, dass sich die Neugestaltung gegen einen Götzendienst in der ehemaligen Wallfahrts- und nunmehrigen Dorfkirche richtete.
Abb. 62: Umgestaltetes Altarretabel in der Kirche von Jena-Ziegenhain
Sehr schlicht blieb die Umgestaltung eines Triptychons in Buchfart. Hier wurde im 16. Jahrhundert auf den oberen Rahmen des Schreins über der zentralen Mondsichelmadonna nur die Inschrift VDMIAE ergänzt (Farbtafelteil, Abb. 16). Ohne sich von dem Retabel zu trennen, betonten die Einwohner so ihre evangelische Gesinnung. In Oberweimar wurde ein vorhandenes Retabel lediglich als 1269 Dass diese Veränderungen nicht vorher in einem eventuellen Bildersturm erfolgt sein können, belegt zum einen die Datierung der Malerei, zum anderen das Kircheninventar aus der ersten Visitation, das umfangreiche Zerstörungen sehr unwahrscheinlich macht; vgl. Kap. II.2.4.
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Grundlage für eine völlige Neugestaltung verwendet. 1572 wurde ein Triptychon des 15. Jahrhunderts vom Cranachschüler Veit Thiem mit alt- und neutestamentlichen Szenen übermalt. Das Zentrum der mittleren Tafel bildet der Gekreuzigte. Der Blutstrahl aus seiner Seitenwunde endet in weitem Bogen auf den Köpfen einer Gruppe in Anbetungshaltung auf der rechten Seite, die eventuell die Gemeinschaft der Gläubigen darstellen soll. Im linken Teil der Mitteltafel befindet sich eine Darstellung des Auferstandenen mit einer Siegesfahne. Auf den Seitenflügeln befinden sich Abbildungen der Taufe Christi und des Abendmahles; auf den Außenseiten der Flügel das Goldene Kalb und das Jüngste Gericht.1270 In Oberweimar wurden die neutestamentlichen, die Erlösung verdeutlichenden Darstellungen in den Mittelpunkt gerückt. Zu welchen Anlässen das Retabel geöffnet oder geschlossen war, kann nicht eindeutig geklärt werden, jedenfalls wurde die vorreformatorische Struktur bewusst aufgegriffen. In der Kirche zu Schaala wurde, wohl im Jahr 1570, ein vorreformatorisches Retabel umgestaltet.1271 Hierbei wurde als Aufsatz eine Tafel mit der Darstellung der Kreuzigung vor verdunkeltem Himmel angefertigt. Maria und Johannes stehen zu Füßen des Gekreuzigten, Maria Magdalena trauert sichtbar. Somit wurde die Kreuzigung in die Mitte der Betrachtung durch die Gemeinde gerückt, erneut war der Respekt vor dem spätgotischen Retabel aus Saalfelder Werkstatt zu groß, als dass es hätte zerstört werden können. Wahrscheinlich wurde es als Schmuck der Kirche empfunden. Da seit seiner Anschaffung drei Generationen vergangen waren, scheiden persönliche Motive, die in der Stiftung des Triptychons wurzeln könnten, aus. Erst 1991 wurde das Retabel in den ursprünglichen Zustand versetzt und die Tafel aus dem späten 16. Jahrhundert an einer Kirchenwand aufgehängt. Selten lassen sich die Auftraggeber der Umgestaltungen genauer benennen. Dies ist im Falle eines Retabels möglich, dass ursprünglich aus der Kapelle der schwarzburgischen Burg Straußberg stammt. 1582 wurden bei einem kleinen Retabel die Flügel auf den Innen- und den Außenseiten mit neuen Malereien versehen, während im Schrein eine Maria sowie die hl. Elisabeth und Barbara unversehrt blieben (Abb. 63).1272 Die Außenseiten zeigen einen kreuztragenden Christus und einen Christus mit Siegesfahne und Lamm. Der Auftraggeber dieser Umgestaltung war mit Sicherheit Graf Wilhelm von Schwarzburg, der die Burg in diesen Jahren als Residenz nutzte und 1580 das Konkordienbuch unterzeichnete. Der Umgang mit den Bildern unterschied sich in diesen Jahrzehnten kaum 1270 Vgl. MÜLLER, Ortsteilgemeinden, S. 1019; DEHIO, S. 1355 f. 1271 HINTZENSTERN, Dorfkirchen, S. 159, machte auf Rechnungsnotizen im Jahr 1570 aufmerksam, die die Umgestaltung einer taffel beschreiben. Vgl. LEHFELDT 19, S. 73. Die Datierung der Umgestaltung ins 18. Jahrhundert bei DEHIO, S. 1069, bezieht sich wohl auf eine barocke Predella mit dem Letzten Abendmahl, die später hinzugefügt wurde. 1272 DEHIO, S. 636.
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zwischen Hochadel und Bauern. Auch für Dorfkirchen in anderen Regionen ist bekannt, dass man bereits im 16. Jahrhundert begann, Retabel ikonographisch umzugestalten oder zu erweitern.1273
Abb. 63: Retabel aus der Burgkapelle der Burg Straußberg, Kyffhäuserkreis
Die zunehmende Auseinandersetzung in den Gemeinden mit der Ausschmückung der Kirche und dem erzählerisch-erzieherischen Effekt der Bilder zeigen auch die Neuanschaffungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die erste eindeutig nachweisbare Anschaffung eines neuen Gemäldes für eine Dorfkirche erfolgte 1561 in Ringleben. Dabei handelte es sich um ein gemehle zu der tafel, sodass ebenfalls eine Erweiterung eines bestehenden Retabels denkbar ist. Zusätzlich wurden gemalte Tücher zur taffeln angeschafft, von denen eines die Sintflut zeigte. Diese wurden angenagelt, wobei nicht eindeutig ist, ob an einem Retabel oder an den Innenwänden der Kirche. 1274 An der Organisation dieser Anschaffungen hatte sich durch die Reformation nichts geändert. Auch nach langer Zeit ohne Neuerwerbungen erfolgten diese im Auftrag der Gemeinde über die Kirchenfabrik. Die Alterleute vergaben Aufträge an einen Maler, wobei im konkreten Fall der Pfarrer an der Erwerbung beteiligt war. Obgleich dies bisher der einzige Nachweis über die Anschaffung einer neuen Altartafel aus einer Kirchenrechnung ist, spricht der Realbefund in den Kirchen eine ähnliche Sprache. Deutlich stieg in den Jahren nach 1560 und 1570 der 1273 Zu Ostmitteleuropa: HARASIMOWICZ, Glaubensbekenntnis, S. 32 f.; zu Sachsen: MAI, Kirchenbau, S. 168. Vgl. HEAL, Weiterbestehen, S. 164–166 mit einem Beispiel aus einer Lausitzer Dorfkirche. 1274 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Bb 3182, fol. 4v. Durch einen historistischen Neubau hat sich davon nichts erhalten.
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Erwerb von Tafelgemälden. Selten wurden dabei aber mehrteilige Altaraufsätze geschaffen, wie es Jahrzehnte zuvor noch üblich war. Ein Triptychon, das ganz in der Tradition der spätgotischen Retabel steht, hat sich in Dienstedt erhalten (Abb. 64).
Abb. 64: Mitteltafel des Altarretabels in Dienstedt, Ilm-Kreis
Es stammt aus dem Jahr 1577 und zeigt auf der mittleren Tafel die Kreuzigung. Auf den Flügeln sind die Taufe und die Verklärung Christi dargestellt. 1275 Wenngleich die kunstvollen Tafeln später übermalt wurden, hat sich an der 1275 Vgl. DEHIO, S. 208 f. LEHFELDT 17, S. 119; Allgemein zur Entwicklung des lutherischen Retabels POSCHARSKY, Altar. Die heutige Anbringung der Altartafeln in Dienstedt erlaubt selbst mit einem Ultraweitwinkelobjektiv leider keine vollständige Aufnahme.
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Komposition nichts geändert, die sich gut in die Themen dieser Jahre einordnet. Heute sind die Flügel festgestellt und das gesamte Stück ist fest am Orgelkasten verbaut. So sind momentan keine Erkenntnisse darüber möglich, ob es sich ursprünglich um eine Form des Retabels mit unbeweglichen Flügeln handelte oder ob diese später fixiert wurden. Einmal mehr wäre eine eingehendere Betrachtung wünschenswert. Die Kreuzigung ist das alles beherrschende Bildmotiv der frühen evangelischen Altartafeln. Ein gutes Beispiel, das zugleich auf die häufiger werdende Form der Stifterbilder verweist, befindet sich in Gaberndorf. Es stammt bereits aus dem Jahr 1560 und zeigt eine Stifterfamilie, eventuell den damaligen Pfarrer des Ortes mit Frau und Kindern.1276 In der Mitte die Kreuzigung, zeigt die Tafel außerdem die Taufe Christi und die Höhle nach der Auferstehung. Ganz ähnlich verhält es sich in Harra, wo eine Stiftertafel aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert ebenfalls die Kreuzigung in den Mittelpunkt stellt, und in Wernburg. Die dortige Tafel stammt aus dem Jahr 1599. In Eichicht zeigt eine adlige Stiftertafel aus den Jahren um 1600 einen knienden Ritter neben einer Darstellung der Kreuztragung. Die Ehrfurcht vor den Leiden Christi wurde durch diese Bilder zweifellos verstärkt. Daneben entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine weitere Form, die in der Folge für lutherische Kirchen typisch werden sollte: Die „Zeugenreihe wahrer Lehrer der Kirche“. 1277 Zunächst gehören dazu die Lutherbildnisse, wie jenes in Golmsdorf, auf dem Luther mit der Linken auf das Buch zeigt, dass vor ihm auf dem Tisch liegt. In dieser Zeit ebenfalls verbreitet waren Pappmaché-Arbeiten, die Luther oder Melanchthon zeigten. Ein solches Lutherbildnis aus dem Jahr 1595 hat sich in Wormstedt erhalten. In Erweiterung der Formulierung Kochs ließen sich auch die Darstellungen der Evangelisten anführen, die meist die Kanzeln schmückten. 1278 Vor allem aber können die frühen Pastorenbildnisse in diesen Zusammenhang gestellt werden. In Udestedt befindet sich eine Darstellung des damaligen Pfarrers aus dem Jahr 1595. Alles diente dem Unterstreichen der Tatsache, dass in der jeweiligen Kirche die reine Lehre gepredigt wird. Mit den Pastorenbildnissen wurde eine Tradition begründet, die die evangelische Kirche von der vorherigen Zeit abgrenzte. Die Passion war das zentrale Thema des frühen evangelischen Bildprogramms, besonders der ersten neuen Altartafeln. 1279 Poscharsky resümierte: „Dieses Programm bildet sich nach einer Phase des Experimentierens und Su-
1276 1277 1278 1279
Vgl. LEHFELDT 18, S. 239; MÜLLER, Ortsteilgemeinden, S. 977. KOCH, Ikonographie, S. 12; vgl. LIESKE, Frömmigkeit, S. 119–124. Vgl. oben Kap. III.13.5. Vgl. KOCH, Ikonographie, S. 11–13; POSCHARSKY, Bildprogramm, S. 22 f.
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chens etwa ab 1580 heraus.“1280 Allerdings konnte gezeigt werden, dass bereits in den Jahren um 1560 in den Dorfkirchen entsprechende Anschaffungen getätigt wurden. Die Herausbildung des Programms war wohl gegen 1580 vielmehr bereits abgeschlossen. Neben der Kreuzigung und weiteren Teilen der Passion waren auch andere Szenen des Neuen Testamentes weitverbreitet. Seltener waren hingegen Darstellungen des Alten Testamentes.1281 Diese Auswahl lässt sich auf Luthers Meinung zurückführen, der klare Bilder wünschte, die den Text unterstützten. 1282 Darin liegt auch die Kombination aus Bild und Bibelzitaten begründet, die sich ebenfalls bereits Ende des 16. Jahrhunderts etwa in der Emporenmalerei ausformte.1283 In den thüringischen Dorfkirchen stieg die Zahl der Anschaffung von Bildern ab 1560 stark an. Es wurde jedoch längst nicht das Investitionsniveau der vorreformatorischen Zeit erreicht. Es bleiben zaghafte, stückweise Umgestaltungen der vorhandenen Kirchen und ihrer Ausstattungen. Dennoch trägt die sich ausformende Kunst deutlich konfessionelle Züge, die auch identitätsstiftend für eine Gemeinde oder den Niederadel wirken konnte. Ermöglicht wurde dies nicht zuletzt durch die schrittweise Beilegung theologischer Streitigkeiten in den 1570er Jahren.1284 Die Entwicklung, dass vorhandene Bilder und Ausstattungsstücke verändert und weiter genutzt wurden, setzte, wie geschildert, in den 1560er Jahren ein und hielt bis in den Barock an. In kaum zu überblickender Zahl haben sich in thüringischen Dorfkirchen spätgotische Heiligenfiguren erhalten, die bei Umbauarbeiten der Renaissance und des Barock eine neue Verwendung fanden.1285 In der Regel wurden sie aus ihrem Retabelzusammenhang entfernt und finden sich heute an Kanzeln, Emporenfeldern oder an den Innenwänden der Kirche (Abb. 65 und 66 sowie Abb. 67 im Farbtafelteil). Mitunter wurden sie gar bei völligen Neuanschaffungen integriert. So findet sich eine Maria als gekrönte Himmelskönigin in einem barocken Kanzelaltar in Landsendorf.1286 Solcherlei Verwendungen widersprachen freilich dem evangelischen Grundsatz, wie mit Maria umzugehen sei: Maria honoranda, non adoranda. Es blieben Einzelfälle. Auf der anderen Seite wurde dieser Grundsatz in vielen 1280 1281 1282 1283 1284 1285
POSCHARSKY, Bildprogramm, S. 21. Vgl. KOCH, Ikonographie, S. 11–13. Vgl. CAMPENHAUSEN, Luther, S. 4. KOCH, Ikonographie, S. 11. Für die spätere Zeit vgl. UNGER, Emporenmalerei. Vgl. HARASIMOWICZ, Glaubensbekenntnis, S. 19 f. Vgl. die Wiederverwendung spätgotischer Bildwerke in einer fränkischen Dorfkirche bei SCHMIDT, Kirchenbau, S. 10 f. Vgl. ferner das Beispiel Schlossvippach, wo alle Teile eines Retabels 1712 Eingang in einen Kanzelaltar fanden; Abbildungen bei STÜCKRAD, Aura, S. 32 f. 1286 KIRCHENBLICKE, S. 41.
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Kirchen befolgt, indem zwar die spätgotischen Retabel erhalten blieben, den zentralen Marienkrönungen jedoch die Krone entfernt wurde. Für dieses Vorgehen lassen sich Beispiele aus Hornsömmern (heute im Angermuseum Erfurt), Ballstädt (heute im Thüringer Museum Eisenach) und Aschara (heute im Herzoglichen Museum Gotha) anführen. In Aschara wurde gar die gesamte Krone entfernt, auf die Rückwand des Schreines eine Taube gemalt, und somit die gesamte Szene zu einer Darstellung der Trinität umgedeutet.1287
Abb. 65: Altarfiguren an den Emporenkassetten in Mittelpöllnitz, Saale-Orla-Kreis
Zu diesen Umnutzungen sind auch die Sakramentshäuser zu zählen, die in vielen Fällen erhalten blieben und wohl der sicheren Verwahrung von Vasa Sacra und anderen Wertgegenständen dienten. 1288 1560 beschrieb auch der Weimarer Superintendent Bartholomäus Rosinus in dem bereits angesprochenen Bericht summarisch diesen Zustand in den Dorfkirchen seines Zuständigkeitsbereiches und nennt die Sakramentshäuser unter den Bildern: An vielen oerten hatt man noch viel abgoettischer altar Tafeln unnd bilder. Item man braucht noch die papistisch Sacramentheußlein. Item etliche wollen die gegitter und gesprenge des chors vorm altar nicht abthun, Welche doch hinderlich sein, In Chor uber den altar zusehen und sonst Niemandts nutz bringen.1289 1287 SCHUTTWOLF, Kat. Gotha, S. 42–46. Zur Entfernung einer Marienkrönung aus einem Retabel in der Erfurter Predigerkirche vgl. MEISSNER, Bewahrung, S. 283. 1288 Vgl. KROESEN/TÅNGEBERG, Sakramentsnische, S. 107 f. 1289 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 841, fol. 3r–3v. Vgl. auch die Nennung der Orte ebd., fol. 43r–43v.
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Abb. 66: Figuren aus einem Altarretabel an der Kanzel der Kirche von Hainchen, Saale-Holzland-Kreis
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Die folgenden Jahrhunderte veränderten den Bestand an vorreformatorischen Bildern in den Dorfkirchen stärker als die eigentliche Reformationszeit. Gefährliche Zeiten für das ererbte Mittelalter folgten eigentlich erst im Zeitalter des Pietismus, der Aufklärung und insbesondere im 19. Jahrhundert, trotz der Begeisterung für das wiederentdeckte Mittelalter und der Bemühungen der gerade als Institution entstandenen Denkmalpflege.1290
Wurden bestimmte Stücke in vielen Kirchen über Jahrhunderte mit Verachtung gestraft, entdeckte man im 19. Jahrhundert oft ihren Wert. Inzwischen war ein Markt entstanden, sodass viele Gemeinden Retabel verkauften, wenn sie Geld für Bauarbeiten benötigten oder neue Stücke anschaffen wollten. Eine Zusammenstellung aus dem Südosten Thüringens zeigt die Vielzahl dieser Vorgänge: 1866 wurde der Schweinbacher Altar des Hans Gottwalt von Lohr verkauft. Seine Bestandteile befinden sich heute in Rudolstadt und Frankfurt am Main.1291 Die katholische Kirche in Rudolstadt erwarb 1872 auch das Retabel aus Unterloquitz.1292 Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Zuge von Bauarbeiten auch ein Retabel aus Goßwitz veräußert, das sich heute im Bremer Focke-Museum befindet.1293 Das Retabel aus Probstzella, das man im Thüringer Museum in Eisenach betrachten kann, wechselte ebenfalls in dieser Zeit den Eigentümer. Heinrich Bergner fasste 1901 den Zustand der Retabel im Kreis Ziegenrück ähnlich zusammen: Sie seien übermalt, es gebe keinen einzigen vollständigen Schrein, die Figuren befänden sich als Schmuck an den Kanzeln, die Stücke stünden in Rumpelkammern oder seien im 19. Jahrhundert verkauft worden.1294 An dieser Stelle der Arbeit muss ein letztes Mal auf den bedeutenden Dienstädter Altar verwiesen werden, der in den verschiedenen Kapiteln zum Umgang mit den Bildern in den Dorfkirchen als wichtige Quelle genannt wurde.1295 Im Jahre 1909 erwog die Gemeinde den Verkauf des Retabels, der jedoch glücklicherweise durch den „Heimatschutz“ des Herzogtums Sachsen-Altenburg verhindert wurde. Durch diesen Vorgang rückte das Stück aber in die Wahrneh-
1290 1291 1292 1293 1294
FRITZ, Kunstwerke, S. 13. KIRCHENBLICKE, S. 46. Ebd., S. 54. Ebd., S. 25. BERGNER, Ziegenrück. Hermann Gebhardt resümierte im 1880 erschienenen ersten Teil seiner Kirchengeschichte ähnlich: „Viel häufiger bergen noch heute die Böden und Sacristeien in Dorfkirchen einzelne Ueberbleibsel der Bildhauerarbeiten und Malereien, mit denen diese Kirchen im Jahrhundert vor der Reformation, ja bis in die Reformationszeit hinein, beschenkt und verziert worden sind.“ GEBHARDT, Kirchengeschichte I, S. 374. 1295 Vgl. Kap. I.5.3, II.3 und oben in diesem Kapitel.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
mung, sodass es in den 1930er Jahren in Eisenach restauriert wurde. 1296 Der Dienstädter Altar blieb somit im Gegensatz zu vielen spätgotischen Retabeln in seinem Chor stehen. Die Ironie der Geschichte: So wie der Geldmangel der Gemeinden in diesen Fällen dafür sorgte, dass sich viele spätgotische Bildwerke heute in Museen oder auch in Privatbesitz befinden, verhinderte er jahrhundertelang deren Beseitigung aus den Dorfkirchen. Verfügten die Gemeinden in der Neuzeit über ausreichende Mittel, wurden Ausstattungen aus einem Guss beschafft. Dies führte besonders zu den vielen barocken Kirchenausstattungen mit Kanzelaltären, Emporen und Kanzeln. Die „bewahrende Kraft des Luthertums“,1297 die es zweifellos auch, oder insbesondere, in den Dörfern gegeben hat,1298 wurde somit oft nur durch die Armut der Gemeinden verursacht. Möglich wurde sie durch die abwartende Haltung Luthers, die Vorsicht vieler Visitatoren und die Unsicherheit sowie das Festhalten der Gemeinden am Überlieferten.1299 Bei der Frage nach dem Verhältnis von Reformation und Kunst wird gern auf die Meinung Georg Dehios verwiesen, wonach die Lutheraner die Kunst degradiert haben und ihr keinen wichtigen Platz zubilligten.1300 Allerdings war das, was in der Rückschau wie eine plötzliche, bewusste Abkehr von den Bildern erscheint, wohl vielmehr der religiösen Unsicherheit in der Bevölkerung in diesen Jahrzehnten geschuldet. Die Nachfrage nach Bildern in den Kirchen war anhaltend gering, da erst definiert werden musste, was einen protestantischen Kirchenraum auszeichnete. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stieg sie langsam wieder an, und es zeigten sich in den Dorfkirchen Elemente einer evangelischen Frömmigkeit, die das Leiden Christi in den Mittelpunkt rückte. Dies ermöglichte, dass neben den neu geschaffenen Altartafeln und Stifterbildern auch viele vorreformatorische Passionsdarstellungen und Szenen des Neuen Testamentes erhalten bleiben konnten und nicht zuletzt eine didaktische Funktion erfüllten. Andere Bilder gerieten eher über einen längeren Zeitraum aus der Mode, als dass sie dem rechten Glauben entgegengestanden hätten. 1296 Zu dem gesamten Vorgang die umfangreiche Akte unter PfA Dienstädt, 130.Kart.11.D.1. 1297 FRITZ, Kraft. Vgl. auch HEAL, Weiterbestehen; SEYDERHELM, Kraft. 1298 KROESEN/STEENSMA, Church, S. 386 f. zu diesem Prozess im europäischen Vergleich. 1299 Vgl. oben den Bericht des Pfarrers von Thieschitz. Zu Gleichgültigkeit als einem möglichen Motiv der Erhaltung vgl. MEISSNER, Bewahrung, S. 290. Bei HEAL, Weiterbestehen, S. 164 findet sich der interessante Nachweis, dass das Zwickauer Retabel aus der Wohlgemut-Werkstatt u. a. wegen der Erinnerung an die Vorfahren erhalten blieb. Ebd. nennt den Respekt vor Privateigentum und die zierende Funktion der Bilder als weitere wichtige Gründe. 1300 DEHIO, Geschichte, S. 174. Zitiert z. B. als „Fazit eines zornigen Kunsthistorikers“ bei SÖRRIES, Evangelischen, S. 229.
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ERGEBNISSE
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14. Ergebnisse ERGEBNISSE
Die Verfestigung der Reformation dauerte mehrere Jahrzehnte. Dies gilt gleichermaßen für die Durchsetzung des Systems der obrigkeitlich organisierten Landeskirchen wie für die Entwicklung protestantischer Frömmigkeitsformen. Die vorgestellten Fragen der frühen Visitationen hatten über Generationen Bestand. In den ersten Visitationen in den 1520er und 1530er Jahren konnte keines dieser Probleme vollständig gelöst werden. Dazu zählten etwa die Finanzausstattung der Pfarreien und die Veränderungen der Pfarrlandkarte. Einige dieser Fragen bestanden bereits seit Jahrhunderten, wie z. B. bestimmte strittige Punkte zwischen Pfarrer und Gemeinde, die oftmals in der Struktur des Miteinanders begründet lagen. So stritt man sich über Abgaben, über die Verrichtung der geistlichen Pflichten durch den Pfarrer oder über soziale Fragen. Betrachtet man diese Langfristigkeit, erscheint die Frage nach dem Bruchcharakter der Reformation als zu oberflächlich. An der Baulast des Pfarrhauses konnte gezeigt werden, dass die Visitationen und die neuen kirchlichen Hierarchien nun oftmals in diese Fragen eingriffen und über einen längeren Zeitraum Änderungen erreichten. Dabei war stets ein Ziel, die Zustände zu institutionalisieren und zu vereinheitlichen. Das kirchliche Leben in den Dörfern wurde enger an einem Idealzustand ausgerichtet. Der Vergleich zwischen den Visitationsinstruktionen und Kirchenordnungen sowie der konkreten Umsetzung vor Ort zeigte dabei deutliche Differenzen. Die Ausrichtung an diesem Idealzustand gelang, wie geschildert, erst im Laufe von Jahrzehnten. Neben den Punkten, welche den Pfarrer betrafen, berührte dies beispielsweise auch das dörfliche Schulwesen und den Umgang mit dem Kirchenbesitz oder den Stiftungsausstattungen. Die Visitationsprotokolle wirken in der Überlieferung zu den einzelnen Orten an vielen Stellen beliebig. Im Vergleich ergibt sich aber ein wohl recht vollständiges Bild. Sie stellen ohne Zweifel die wichtigste Quelle dar, um der angestrebten Aufnahme ‚typischer‘ Zustände näherzukommen. So wird aus ihnen deutlich, wie vergleichbar die Zustände in den Dörfern waren. Weiterhin zeigt sich bereits in den ersten Visitationen eine enge Zusammenarbeit zwischen kirchlicher und weltlicher Verwaltung. Die Visitatoren und Superintendenten richteten Rückfragen an den Hof, wurden von diesem in bestimmten Fragen beauftragt und wirkten gemeinsam mit Amtmännern und Schossern. Sie entwickelten sich zu Amtleuten in kirchlichen Fragen. In vielen Fällen wurden Schosser und Superintendenten gemeinsam vom Hof beauftragt, Zustände vor Ort festzustellen. Wahrscheinlich sollten die Schosser dabei die tatsächliche Notwendigkeit bestätigen, um eine unnötige Belastung des Landeshaushaltes zu vermeiden. Viele der angesprochenen Probleme finden sich bereits in den ersten Visitationsinstruktionen und anderen landesherrlichen Quellen, was keineswegs be-
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
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deutet, dass die frühe evangelische Kirche eine ausschließlich obrigkeitlich umgesetzte war, wie es oft behauptet wurde, sondern dass es umfangreiche Wechselwirkungen gab. Oft wurden die Visitatoren erst durch die Befragungen auf bestimmte Probleme aufmerksam gemacht. Die Verfestigung der Reformation erfolgte gleichermaßen von oben und von unten. Wegen der Beteiligung der Räte, der Amtleute, der neuen Amtskirche, des niederen Adels, aber auch der Bürger und Bauern ist vor diesem Hintergrund auch die feste Vorstellung einer „Fürstenreformation“ kaum haltbar. Wenngleich der Einfluss des Landesherrn ohne Zweifel hoch einzuschätzen ist, greift dieses Prädikat zu kurz. Man könnte für den weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts genauso gut von einer ‚Reformation der Personen‘ sprechen, um dem entscheidenden Anteil der Pfarrer, Superintendenten, Dorfvorsteher etc. bei der Art der Umsetzung der Reformation vor Ort und den Veränderungen des kirchlichen Lebens gerecht zu werden. Die Ziele der Bauern in dieser Entwicklung blieben bestehen. Sie wollten die Kirche im Dorf lassen, die geistliche Versorgung verbessern und ihre Selbstverwaltung verteidigen.1301 Dabei ist es keineswegs so, dass sich der reformatorische Prozess auf jeder Seite der geschilderten Quellen aus den Gemeinden ablesen lässt. Vieles änderte sich am Alltag scheinbar gar nicht, liest man die Quellen oberflächlich. Die Reformation vor Ort aus Rechnungen und Briefen zu lesen, bleibt eine Spurensuche. Dennoch wird auf den zweiten Blick deutlich, dass die Ereignisse sehr wohl einen Einfluss auf viele Bereiche des Lebens hatten, wenn oft auch erst nach einiger Zeit. Die Kirche blieb der Mittelpunkt des individuellen und des gemeinschaftlichen Lebens im Dorf. Am Pfarrsystem selbst änderten Reformation und Visitationen nichts, sodass das Verhältnis zum Pfarrer grundlegend für das kirchliche Leben blieb. Die Pfarrei wurde zwar ein Teil der landesherrlichen Verwaltung sowie der entstehenden Landeskirchen und wurde, wie geschildert, eng geführt, dennoch waren weiterhin lokale Initiativen und Einflussnahmen bei der Ausgestaltung des kirchlichen Lebens möglich. Dabei kam der Kirchenfabrik unverändert eine enorme Bedeutung zu. Sie wurde stärker kontrolliert, die Bauern sollten jährlich Rechnung vor den Amtleuten legen und mussten sich bei zu hoch erscheinenden Ausgaben rechtfertigen. Solang sich alles in den – an vielen Stellen recht weiten – Bahnen der Kirchenordnungen bewegte, behielten die Bauern einen wichtigen Einfluss. Selbstverständlich bedeuteten diese Entwicklungen eine Engführung, eine Professionalisierung und eine Angleichung. Dies sollte aber keinesfalls überbewertet werden; auch vorher gab es nur wenige Absonderlichkeiten. Die Angleichungen orientierten sich an den gewachsenen Zuständen. Seit der zweiten Hälfte der 1520er Jahre lässt sich kein prinzipieller Widerstand gegen die reformatorische Entwicklung unter landesherrlicher Führung 1301 Vgl. oben Kap. I.7.
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feststellen. Im Gegenteil, argumentierten doch auch die Bauern selbst mit den Vorgaben der Visitationsinstruktionen.1302 Sicherlich gab es aber Streit um einzelne Fragen, wie die Baulast des Pfarrhauses oder die Verwendung bestimmter Stiftungsgüter. Die Visitationen führten zwar zu größeren Verpflichtungen der Laien und zu einer stärkeren Kontrolle der kirchlichen Zustände, boten den Bauern aber auch Unterstützung bei der Klärung von Problemen vor Ort – etwa gegen einen Pfarrer oder einen Junker. Dazu wurde in vielen Fällen das Mittel eines festen Vertrages bemüht – bei der Abwertung einer Kirche zu einer Filialkirche oder der Verwendung einer Vikarieausstattung. Die Visitatoren wollten so für Klarheit und rechtlich belastbare Zustände sorgen, aber auch die Gemeinden beharrten darauf. Sie waren es seit dem Spätmittelalter gewohnt, feste Urkunden und Verträge, vor allem in finanziellen Fragen, zu schließen – ebenfalls um sich später darauf berufen zu können. So wie in den Quellen ‚die Gemeinde‘ geschlossen in ihrer kirchlichen Meinung und in ihrem Handeln auftritt, so trat sie auch den Visitatoren, Superintendenten und anderen Handelnden als ‚Gemeinde‘ entgegen; ausschlaggebend waren weiterhin reichere Bauern, Heimbürgen und Alterleute. Die materiellen Voraussetzungen in den einzelnen Dörfern und die Ortsgröße blieben grundlegend. Die Visitatoren versuchten zwar an einigen Stellen Umverteilungen bei der Umnutzung der Stiftungsgüter vorzunehmen, doch blieb dies Stückwerk und traf auf Widerstand aus den Gemeinden. Für die bessere finanzielle Ausstattung der Pfarreien und Kirchen in ärmeren Dörfern erhielten so die Klostergüter eine entscheidende Rolle. Neben diesen obrigkeitlich gesteuerten Prozessen existierte eine Entwicklung einer protestantischen Frömmigkeit in den Gemeinden. Aus den Visitationsprotokollen und anderen Quellen der 1520er und 1530er Jahre gehen kaum Erkenntnisse über die weitere Ausbreitung und Annahme reformatorischer Ideen in der ländlichen Bevölkerung hervor. Allerdings wurde deutlich, dass es durchaus verschiedene ‚Altgläubige‘ in dieser Zeit in den Dörfern gab. Offenbleiben muss jedoch, wie belastbar solche Aussagen sind, da die Bezeichnung missliebiger Zeitgenossen als ‚Papisten‘ in diesen Jahren beinahe die Form eines Topos annahm. Für die Entwicklung der kirchlichen Struktur war das Vorhandensein einzelner Abweichler aber unerheblich. So fragte die Visitationsinstruktion 1527 nicht nach Sektierern und Katholiken. Es war ein Erfolgsmodell der Durchsetzung einer protestantischen landesherrlichen Kirche, dass ohne Zwang ein ‚Aussterben‘ der Altgläubigen über einen langen Zeitraum ermöglicht wurde. 1302 Dies gilt für das Handeln der politischen und kirchlichen Gemeinden. Individuell hat es freilich viele verschiedene Meinungen und Abkehr von der landesherrlichen Kirche gegeben. Es sei an die offene Frage der Täuferbewegung erinnert. Die Diversität in der religiösen Entwicklung dieser Zeit stellt ein großes Desiderat dar.
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TEIL III: DIE ZEIT DER ERSTEN VISITATIONEN
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Man darf nicht davon ausgehen, dass es seit der ersten Visitation einen festen Gegensatz zwischen Protestanten und Katholiken in der religiösen Kultur gab. Eine protestantische Frömmigkeit musste sich erst ausbilden. Dieser Übergang wurde ferner dadurch vereinfacht, dass viele Teile des religiösen Alltages zunächst unverändert blieben. Oft war in einer Dorfkirche nicht erkennbar, dass die Reformation sie bereits beeinflusst hatte. Auch die Gottesdienste ließen viele bekannte Elemente erkennen. Der Wandel in den Kirchen verlief dabei nicht gleichmäßig. Anhand des Kirchenbaus und der Kirchenausstattung ist die Frage nach dem Bruch der Reformation differenziert zu betrachten. Zwar brach die hohe Nachfrage nach Altartafeln und Figuren zu Beginn der 1520er Jahre plötzlich weg, andererseits blieb der Umgang mit der vorreformatorischen Ausstattung in den Jahrzehnten danach sehr ruhig. Bei allen untersuchten Punkten zeigte sich aber, dass sich die Auseinandersetzung mit vorreformatorischen Elementen ebenfalls über Jahrzehnte hinzog. Noch immer trug der Priester beim Gottesdienst eine Kasel, noch immer standen auf den Altären die Retabel – ja selbst die Nebenaltäre blieben über Jahrzehnte unangetastet. Im Vollzug des Glaubens hielten sich viele Elemente, die eifrige Lutheraner, vor allem in der Zeit der Lehrstreitigkeiten, als ‚papistisch‘ brandmarken mussten. So wurde 1570 für die Superintendentur Weimar festgestellt: Die abgottisch altar und biltnus in den kirchen, auch alles aberglaubisch ave Maria, salve, pacem und hinleuthen der todten solle vorboten und abgeschafft sein.1303 Die anhaltenden Verbote bestimmter Elemente in den Kirchenordnungen zeigen im Abgleich mit den Visitationsprotokollen diese Langfristigkeit. Dabei muss jedoch eine erhöhte Achtsamkeit im Umgang mit den Quellen an den Tag gelegt werden. Oftmals funktionierte eine Profilierung der Pfarrer und Superintendenten über den anhaltenden Kampf gegen die ‚Papisten‘. Auf der anderen Seite ging der Respekt vor den vorreformatorischen Büchern recht schnell verloren. Im Falle der Bilder wurde deutlich, dass die Gemeinden selbst diese behalten wollten, teils aus Traditionalismus, teils wegen des Schutzes des Eigentums, teils weil man sich nicht sicher war, ob man ‚katholische‘ Ausstattung wieder brauchen würde. Die Verfestigung der Reformation war bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts keineswegs so weit fortgeschritten, wie es aus heutiger Sicht erscheinen mag. Für die Bevölkerung war nicht sicher, welchen Einfluss die kaiserliche Partei – etwa in der Zeit des Interims – wieder erringen würde oder welche Positionen sich aus den innerlutherischen Lehrstreiten herauskristallisieren würden. Selbst wenn man dieser Entwicklung Vertrauen schenken wollte, hatte sich noch nicht ausgeformt, was eine protestantische Frömmigkeit auszeichnen würde. Die Kirchenordnungen machten hierzu kaum Vorgaben, ließen viel Spielraum und beschränkten sich oft auf Verbote alter Formen, was 1303 EKO 1, 1, S. 689.
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sehr typisch für die Evangelischen dieser Zeit war, die sich am stärksten über die Abgrenzung vom Anderen definierten.1304 So dauerte es bis in die zweite Jahrhunderthälfte, bis sich bestimmte Elemente aus sich selbst heraus bildeten, wobei sie natürlich unter Einfluss der Traditionen standen. Im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts entstanden Kirchenneubauten oder grundlegende Umbauten noch beinahe nur aus strukturellen Gründen. Wenn der akute Bedarf fehlte, unterblieben in vielen Fällen auch Sanierungen – von Neuanschaffungen ganz zu schweigen. Ob daraus auch auf eine allgemeine religiöse Verunsicherung geschlossen werden kann, ist bisher undeutlich. Unsicherheit bestand jedenfalls nicht, was den Glauben selbst oder dessen Inhalte betrifft, sondern unsicher war man sich lediglich über die Umsetzung und die Formen der Frömmigkeit. Keinesfalls darf das Missverständnis entstehen, dass die Menschen weniger gläubig oder gar in großer Zahl atheistisch wurden. Diese Dinge zeigen aber anschaulich, wie allmählich und langfristig sich der reformatorische Wandel vollzog. In Bezug auf den Wandel an und in den Kirchen war die Reformation keine Revolution und kein jäher Bruch – so langfristig und unaufgeregt wurde sie wahrscheinlich auch vom Großteil der Zeitgenossen erlebt. Anschaffungen für die Kirche mehrten sich erst deutlich nach der Jahrhundertmitte. Insbesondere anhand des Kirchenbaus und der Bilder konnte gezeigt werden, dass sich in dieser Zeit protestantische Motive ausbildeten. Es lässt sich die These aufstellen, dass dieser Verlauf der Investitionen, die nach dem Einbruch der frühen Reformation etwa zwei Generationen später wieder schrittweise anstiegen, die Bindung der Menschen an die Kirche zeigt. Wenngleich sich der individuelle Glaube natürlich nicht in einer Statistik ausdrücken lässt, spiegelt die sichtbare Frömmigkeit doch eine zum Teil veränderte Mentalität wider.
1304 Vgl. HÖLSCHER, Frömmigkeit, S. 64 zu Selbstvergewisserung und Abgrenzung als Grundzügen der frühen evangelischen Frömmigkeit, v. a. anhand von Liedtexten. Ein Wandel ist dort gegen Ende des 16. Jahrhunderts zu beobachten.
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FAZIT:
UMBRUCH UND BEHARRUNG – DER SCHEINBARE WIDERSPRUCH DER REFORMATION AUF DEM LAND
DER SCHEINBARE WIDERSPRUCH DER REFORMATION AUF DEM LAND
Die Reformation fiel in eine Phase gesellschaftlicher Umwälzungen und wirkte gleichzeitig als Katalysator derselben. Dies ist mit Blick auf die Weltgeschichte – auf Humanismus und Renaissance – selbstverständlich. Die Dörfer waren Teil dieser Entwicklung, auch wenn dies keineswegs immer so gesehen wird. Wie lassen sich die beschriebenen Phasen zusammenfassen? Das vorreformatorische Leben in den Dörfern war geprägt von einer allumfassenden Frömmigkeit. Die Gemeinden kontrollierten über die Kirchenfabrik ihr Kirchengut und versuchten auf vielen Wegen, die geistliche Versorgung zu verbessern. Dabei fanden sich keine Elemente einer explizit rustikalen Frömmigkeit. Die Erweiterung und Verdichtung der sakralen Welt geschah in den Bahnen der Frömmigkeitsmoden. Vor allem in den größeren Dörfern und Flecken findet sich eine Vielzahl an Vikarien, Kapellen oder auch Bruderschaften. Kirchliche Stiftungen spiegelten die Möglichkeiten der Gemeinde wider. Dies gilt auch für den Kirchenbau und die Kirchenausstattung, die gemeinsam von den Einwohnern finanziert wurden. Stiftungswelle und Bauboom fielen aber keineswegs überall gleich aus, sondern unterschieden sich zwischen den Gebieten und den einzelnen Orten. Daneben existierte aber auch in den Dörfern eine individuelle Frömmigkeit, die von verschiedenen Strömungen beeinflusst war. Bereits in vorreformatorischer Zeit sahen sich die Gemeinden einem wachsenden Einfluss des Landesherrn auf die kirchlichen Zustände ausgesetzt. Diesem waren durch die Zuständigkeit kirchlicher Instanzen aber Grenzen gesetzt. Das Handeln der Gemeinden in diesem Spannungsfeld ist disparat. Auf der einen Seite versprach das Eingreifen des Landesherrn Unterstützung gegen kirchliche Missstände, auf der anderen Seite waren damit weitere Verpflichtungen und eine engere Kontrolle verbunden. Gab es ein Gefälle in der Verbreitung reformatorischer Ideen? Die frühe Reformation auf dem Land verlief grundsätzlich zeitlich analog zur Entwicklung in den Städten.1 Nach ersten Zeichen für die Akzeptanz reformatorischer Ideen 1
Solche ähnlichen Entwicklungen in Städten und Dörfern wurden an vielen Stellen festgestellt. Allgemein sollten die Unterschiede zwischen den Siedlungsformen nicht zu stark betont werden. Mit Ausnahme der Großstädte ist eine klare Trennung kaum möglich. Vielmehr wurde die politisch-religiöse Entwicklung von den jeweiligen Oberschichten
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FAZIT: UMBRUCH UND BEHARRUNG
wurden besonders die Jahre 1522 bis 1524 als Zeit der starken Ausbreitung der neuen Lehre deutlich. Dies zeigte sich speziell an den Zinsverweigerungen, die Klöster und Pfarrer stärker betrafen als die eigene Kirche. Die Bauern hatten bei Unzufriedenheit mit einem Geistlichen dieses Mittel bereits seit Generationen eingesetzt und wandten es nun selbstverständlich an – unter anderem, da sie bestimmte geistliche Leistungen nicht mehr gehalten haben wollten. Sehr schnell erfolgte eine Abkehr von Messstiftungen und Bruderschaften. Bei dieser Entwicklung sind kaum Unterschiede zwischen den Herrschaftsgebieten festzustellen: Die reformatorische Welle erfasste alle Gebiete. Anschließend wurde sie entweder herrschaftlich unterstützt oder es erfolgte eine Gegenreaktion. In den zur Verfügung stehenden Quellen konnte kein wesentlicher Einfluss struktureller Ursachen, wie der Straßenverhältnisse oder der Lage zu Städten, auf diese Entwicklung ausgemacht werden. Dass die Stadt-Land-Verhältnisse einen bedeutenden Einfluss auf das kirchliche Leben in den Dörfern hatten, kann aber unterstellt werden. Dies gilt für alle betrachteten Momente und wurde in vielen Details, wie etwa der Kirchenausstattung deutlich. Trotz der schnellen Hinwendung zur Reformation ist an vielen Stellen ein traditionelles Festhalten am Gewohnten festzustellen. Außerdem gab es in vielen Dörfern altgläubige und evangelische Gruppen. Die scheinbar geschlossene Haltung der Gemeinden entstand durch die ausschlaggebende Bedeutung ihrer führenden Familien. Briefe, Protokolle und Rechnungen sind Zeugnisse der Haltung der Heimbürgen und Alterleute bzw. einer Gemeindemehrheit. Diese konnte zwar mitunter knapp ausfallen; die jeweilig ‚oppositionelle‘ Gruppe fand aber keinen Niederschlag in den Quellen. Auseinandersetzungen über die Stellung des Dorfes zur Reformation ließen sich selten feststellen, obwohl es sie mit Sicherheit ebenso wie in den Städten gab. Wie kann die frühe Reformation vor diesem Hintergrund charakterisiert werden und wie entwickelte sich das Verhältnis zum Landesherrn in dieser Zeit? Die Ausbreitung der Reformation darf nicht für einen anhaltenden revolutionären Zustand gehalten werden; sie verlief eher fließend. Bruch und Konstanz bestanden nebeneinander. Immer mehr Menschen begeisterten sich für diese Ideen, ohne zu gewalttätigen Aktionen, Pfaffen- oder Bilderstürmen zu schreiten. Diese gab es zwar durchaus, doch immer nur durch kleine Gruppen. Gleichzeitig ist ein Beharren auf den gewohnten Zuständen unverkennbar, was den weltlichen und kirchlichen Verwaltungen ebenfalls nicht verborgen blieb.
getragen, was gleichwohl nicht als starke Trennung in eine Volks- und Elitenkultur missverstanden werden darf. Die Reformation war, wie viele historische Prozesse, eine gesamtgesellschaftliche Erscheinung.
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Ungeachtet der Abkehr von der römischen Kirche glaubten die Bauern noch immer an denselben Gott. Allerdings herrschte in der Bevölkerung eine gewisse Unklarheit, was diesen Glauben auszeichne. Man war ein Handeln gewohnt, um seinen Glauben und seine Demut vor Gott zu demonstrieren. Die zurückgehende schablonenhafte Frömmigkeit – der sichtbare Glaube – darf nicht mit einem sinkenden Glauben an sich verwechselt werden. Dieser Unterschied zwischen reiner Religion und angewandtem Glauben ist wichtig zu betonen, kann aber kaum ergründet werden. Das soziale Moment von Religion gilt für alle Zeiten. Besonders für die Jahre vor dem Bauernkrieg ist es wichtig, sich die Offenheit der Situation zu vergegenwärtigen. Die Entwicklung war keineswegs vorgezeichnet. Das Verhalten aller Akteure war situativ. Dass eine proreformatorische Haltung keine Konsequenzen haben würde und der Landesherr und seine Verwaltung die direkte Kontrolle über kirchliche Abläufe einnehmen würden, zeichnete sich erst in der zweiten Hälfte der 1520er Jahre deutlich ab. Die zunehmende Hinwendung der Gemeinden zum Landesherrn in diesen Jahren war somit ebenfalls aus der Situation geboren. Er war die greifbarste Macht, die eine Absicherung und einen Schutz der Ordnung – des Alten Herkommens – versprach. Dies wurde durch den Ausgang des Bauernkrieges unterstrichen, weshalb sich die Entwicklung in der Folge verstärkte. Das Verhalten der kirchlichen Hierarchien, des Kaisers und des Papstes war nicht absehbar. Für die kirchlichen Mächte, vor allem die Bischöfe, war das große Ganze durch die gleichzeitige Kleinteiligkeit der frühen Reformation nicht zu überblicken. Damit lässt sich die lange Zeit ausbleibende Reaktion vor Ort erklären. Die Landesherren wiederum erkannten die Chancen des Vakuums, das durch die Abkehr der Bevölkerung von diesen Mächten entstanden war. Die Legitimität der lutherischen Reformation beruhte vor allem auf dem fehlenden landesherrlichen Widerspruch. Hinter der gesamten Entwicklung, die als logische ‚Fürstenreformation‘ erscheint, stand jedoch kein großer Plan. Die Situation entwickelte sich schrittweise und Fortschritte entstanden aus Reaktionen auf Probleme. So rührten auch die ersten Visitationen nicht von einem Idealismus her, die reine Lehre zu schützen und durchzusetzen, sondern waren strukturbildende Maßnahmen. Diese einzelnen Schritte waren folgerichtig, um die Ordnung zu wahren. Die Visitationen waren in den Landgemeinden zunächst vor allem von materiellen Fragen bestimmt. Der Einbruch der kirchlichen Finanzen ab den frühen 1520er Jahren erforderte eine grundlegende Umstellung – vor allem der Pfarreinkommen. Prinzipiell sollten die Gemeinden dabei stärker in die Verantwortung genommen werden. In vielen Orten mussten die Visitatoren jedoch feststellen, dass die Gemeinden dazu finanziell nicht in der Lage waren, sondern die Kirchenfabrik ebenfalls eine finanzielle Unterstützung benötigte. Wo Stiftungsgut vorhanden war, wurde dieses für den Neuaufbau der kirchlichen Finanzen genutzt. In anderen Fällen kam zumindest für die Pfarreinkommen
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FAZIT: UMBRUCH UND BEHARRUNG
ehemaliges Klostergut zum Einsatz. Den Gemeinden oblag aber prinzipiell die Baulast am Kirchengebäude und am Pfarrhaus; selbst dies stellte viele kleinere Dörfer vor eine große Aufgabe. Anhand des Beispiels der Pfarrhäuser ließ sich zeigen, dass die Suppliken zwar festen Argumentationsschemata folgten, die Armut der Gemeinden aber oft eine Tatsache war. Dies wurde auch von landesherrlichen Gesandten festgestellt. Gleichzeitig ließ der Wille, in die eigene Kirche zu investieren, ab der frühen Reformation spürbar nach. In allen Kapiteln wurden gravierende Unterschiede zwischen den normativen Regelungen und den Tatsachen vor Ort offenbar. So ist eine Beschreibung der realen Zustände aus den Visitationsinstruktionen im Grunde nicht abzuleiten, obgleich dies mitunter noch erfolgt. Die Visitatoren trafen überall auf tradierte Verhaltensweisen und Zustände, die nicht plötzlich umgestellt werden konnten. Sie bauten darauf auf, orientierten ihre Erwartungen daran und veränderten institutionell in den Orten kaum etwas. Diese Vorsicht und die detaillierten Einzelfallentscheidungen vereinfachten das Vorgehen. Dennoch waren im Detail Eingriffe in die Strukturen und Finanzen häufig, die sich oft auch in den Visitationsprotokollen nicht widerspiegeln. Die Lösung bestimmter Fragen dauerte oft Jahrzehnte. Lassen sich die Haltungen der untersuchten Akteure pauschalisieren? An vielen Stellen wurden die starken Unterschiede zwischen den Dörfern deutlich, die aus strukturellen, herrschaftlichen und personellen Voraussetzungen entstanden. Dennoch sind die Prozesse vergleichbar. Aus der Vielzahl der Beispiele sollten ‚typische Zustände‘ in den Dörfern in den Jahren zwischen 1470 und 1570 ergründet werden. Es würde jedoch der Sache nicht gerecht, jedes der genannten Beispiele zu verallgemeinern. Einer umfassenden Interpretation sind Grenzen gesetzt. Es bleibt interessant und wichtig, einzelne Beispiele in mikroskopischen Fallstudien zu verfolgen. Das gilt für einzelne Dörfer und einzelne Kirchen, sogar für einzelne Bauern, die sich mitunter mit Instrumenten der Sozialgeschichte verorten lassen würden. Insbesondere gilt dies für einzelne Adlige. Ihr individuelles Handeln wird oft deutlich – von den spätmittelalterlichen Stiftungen über die Entscheidung für oder gegen die Reformation bis hin zum Ringen mit den Visitationen. Von einer summarischen Bewertung der Rolle des Niederadels für die Reformation ist die Forschung weit entfernt. Pauschalisierungen sind dabei kaum möglich. Einige Adlige hatten eine große Bedeutung für die Ausbreitung des landesherrlichen Einflusses, andere versuchten sich der Entwicklung zu verweigern. Diese Differenzen beruhten zu einem großen Teil auf den strukturellen Unterschieden zwischen den Familien. Unabhängig von der religiösen Haltung des Einzelnen wurde die reformatorische Entwicklung als Bedrohung des eigenen Machtstatus empfunden. Kirchliche Rechte in der eigenen Herrschaft waren über
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Generationen aufgebaut worden und sollten nun zum Teil fremdverwaltet werden. Nicht zuletzt standen dahinter materielle Interessen. Diese zu verfolgen und der Wunsch, sich abzusichern, waren in der Regel stärkere Motive als religiöser Idealismus. Seitens des Landesherrn wurden Adlige argwöhnisch beobachtet. Dennoch behielten die Niederadligen im Konsens mit den Bauern einen wichtigen Einfluss auf die Kirche vor Ort. Dieser sollte stärker von der Forschung fokussiert werden. Wie können die kirchlichen Interessen der Bauern im Untersuchungszeitraum zusammengefasst werden? Sie blieben in weiten Teilen unbenommen und zeigen im Vergleich des 15. mit dem späteren 16. Jahrhundert eine bemerkenswerte Konstanz – auch in den offenen Argumentationen. Dies wird an verschiedenen Punkten deutlich, die summarisch beleuchtet werden sollen: An erster Stelle stand dabei das Ziel einer eigenen Kirche im Dorf, die eine Grundversorgung innerhalb der Gemeinde gewährleistete. 2 Wurde dies von geistlichen oder weltlichen Instanzen gewährt, scheuten die Gemeinden nicht vor den sehr hohen finanziellen Verpflichtungen, die damit einhergingen. Über die Kirchenfabrik wurde auf verschiedenen Wegen Geld für Bauprojekte organisiert. Die Alterleute sammelten in der eigenen Gemeinde und nach der Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis auch in umliegenden Orten. Sie verkauften Besitz der Kirche und nahmen Kredite auf, wenn sonst keine ausreichenden Mittel aufgebracht werden konnten. Anhand der Baufinanzierung und des Unterhalts der Kirche zeigt sich auch das häufig gemeinsame Wirken von Bauern und Junkern für die Verbesserung der kirchlichen Zustände im Ort. Diese Punkte gelten für das Spätmittelalter und für die Frühe Neuzeit. Die Dörfer waren wie die Städte Teil der in Wellen verlaufenden Baukonjunkturen. Selbst in der Zeit des vorreformatorischen ‚Baubooms‘ waren es aber vorwiegend reichere und größere Gemeinden, die Geld für eine Erweiterung oder einen Neubau aufbrachten. Am Vorabend der Reformation befand sich aber wohl der Großteil der Dorfkirchen in einem guten baulichen Zustand. In der Folge wurden alle Gebiete – und dabei Städte wie Dörfer – von dem Einbruch der Investitionen erfasst. Die Ausbreitung der Reformation führte in der Bevölkerung zu einer merklichen Unsicherheit hinsichtlich dessen, was zu einem frommen Leben gehörte. Wie bereits angesprochen wurde, hatte die Kritik an der leistungsorientierten Frömmigkeit Finanzierungsprobleme bei Pfarrer und Kirchenfabrik gleichermaßen zur Folge. Während in den Visitationen die Ausstattung der Pfarrpfründen trotz Widerständen schrittweise neu organisiert wurde, 2
Dies zeigt etwa der Vergleich der vorreformatorischen Supplik der Gemeinde Göschwitz (oben Kap. I.5.1) mit der Bitte der Gemeinde Ütteroda um eine eigene Kirche in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (oben Kap. III.13.3).
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FAZIT: UMBRUCH UND BEHARRUNG
musste sich vor allem für die Kirchenfabriken der Wille der Menschen, in ihre Kirche zu investieren, neu herausbilden. Neubauten entstanden noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts nur aus unabdingbaren strukturellen Notwendigkeiten. Erst im Laufe der zweiten Jahrhunderthälfte ist ein langsames Ansteigen der Investitionstätigkeit bei Niederadel und Bauern zu beobachten. Die steigende Identifizierung und die Ausformung der Frömmigkeit fielen in die Zeit der zunehmenden Konfessionalisierung und der innerlutherischen Glaubensstreite. Durch die reichspolitische Entwicklung und die Stabilisierung der Bekenntnisse waren die Bedingungen klarer. Gleichzeitig wurde es wichtiger, die eigene Haltung zu betonen. Wieder liefen Stränge „von oben“ und „von unten“ zusammen. Die Entwicklung und Verbreitung protestantischer Bildmotive und eines protestantischen Kirchenbaues fand sodann gleichzeitig in Dörfern, Städten und Schlössern statt – sofern man überhaupt von dieser Abgrenzung sprechen mag. Zunächst wäre zu klären, was die Bauten in der Übergangszeit des 16. Jahrhunderts als ‚evangelisch‘ auszeichnet – zumindest waren sie nachreformatorisch. So wurde die Kirche in Döllstädt 1543/1544 fertiggestellt und damit noch vor der Schlosskapelle in Torgau, welche doch immer wieder als protestantischer ‚Urbau‘ angeführt wird. Einige Kirchen, beispielsweise jene in Illeben, entstanden in der ersten Hälfte der 1550er Jahre und damit gleichzeitig mit den wichtigen Schlosskapellen im Gothaer Schloss Grimmenstein und in Dresden. Die klassische Sicht auf die Entwicklung des protestantischen Kirchenbaues aus den Schlosskapellen muss revidiert werden. Vielmehr lässt sich aufzeigen, dass er sich gleichzeitig an verschiedenen Stellen aus den gleichen Ursachen und Bedürfnissen entwickelte, nämlich den Anforderungen eines evangelischen Gottesdienstes gerecht zu werden und die evangelische Gesinnung der Bauherren repräsentativ unter Beweis zu stellen. An zweiter Stelle der kirchlichen Interessen in den Gemeinden folgte der Wunsch nach einem eigenen Pfarrer. War dies in größeren Dörfern ohnehin gegeben, baten die Bauern kleinerer und ärmerer Gemeinden um Unterstützung bei der Einrichtung einer Pfarrei und der Finanzierung der Pfründe. In vorreformatorischer Zeit waren Änderungen an der Pfarreizugehörigkeit kaum zu erreichen. Für viele Dörfer stellten die Visitationen in dieser Frage eine Chance dar. Mit den Umgestaltungen der Pfarrverhältnisse konnte die Hoffnung auf eine Verbesserung der eigenen Situation verbunden sein. Falls eine eigene Pfarrei partout nicht umzusetzen war, wollten die Filialdörfer zumindest den für sie zuständigen Pfarrer verpflichtet sehen, die geistlichen Ämter bei ihnen zu halten wie vorgesehen. Dieses Bestreben findet sich ebenfalls in den vorreformatorischen Beschwerden, in den ersten Visitationen und noch lange Zeit in der Neuzeit. Das Anspruchsdenken und das Misstrauen gegenüber den Geistlichen wuchsen bereits vor der Reformation spürbar. Diese Entwicklung wurde durch die Refor-
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mation allenfalls gestärkt und beschleunigt. Das zeigt sich auch in den Jahren der frühen Reformation, wenn Gemeinden von ihrem Pfarrer verlangten, das Evangelium zu verkünden, wie sie es wünschten – nämlich lauter und klar, also ohne menschliche Zusätze. Die grundlegende Beziehung, welche für die nächsten Jahrhunderte in den protestantischen Gebieten bestimmend werden sollte, konnte sich nicht über Nacht ausformen.3 Sie blieb überdies dominiert von materiellen Fragen. Das Verhältnis wird professionalisiert und der Pfarrer als landesherrlicher Amtsträger weiter aus der Gemeinde herausgerückt. Eine leichte Skepsis war zwischen Gemeinde und Pfarrer vorherrschend. In vielen Fällen kamen Pfarrer von außen und es gab Widerspruch wegen der Bildung, der jeweiligen Ansprüche und moralischer Fragen. Gleichzeitig gab es große Konstanten; der Pfarrei als „Institut von langer Dauer“4 kam durch den Wegfall der Stiftungsvielfalt eher eine noch stärkere Funktion zu. Sie war in vor- wie in nachreformatorischer Zeit die wichtigste Vermittlungsebene zwischen Kirche und Welt. Der Pfarrer blieb unabhängig von der geänderten Zahl der Sakramente ein Begleiter der Lebensphasen der Menschen. Ein Pfarrer im Dorf konnte kurzfristig auf Krankheiten und Geburten reagieren. Nicht zuletzt bedeutete eine eigene Pfarrei, dass Angehörige im eigenen Dorf bestattet werden konnten. Trotz dieser hohen Bedeutung des Pfarrers kam es in vorreformatorischer Zeit immer wieder zu antiklerikalen Ausbrüchen. Dies nahm in der Zeit der frühen Reformation anscheinend noch einmal zu, aber nie nahm der Zorn einer ganzen Gemeinde oder auch nur einer größeren Gruppe gewalttätige Züge an. Neben einer Reihe Vorteile, die ein ‚eigener‘ Pfarrer mit sich brachte, darf nicht vergessen werden, dass ein solcher teurer war. Für größere Gemeinden stellte dies nur eine kleine Herausforderung dar. Aber auch kleinere Pfarrdörfer mussten einen größeren Anteil des Einkommens aufbringen als ihre Filialgemeinden. Mit der Änderung der Baulast am Pfarrhaus brachte ein eigener Pfarrer im Dorf eine weitere finanzielle Verpflichtung mit sich. Einmal mehr führten die angestrebten Optimierungen der Visitationen zu Befindlichkeiten vor Ort. Ähnlich verhielt es sich im Falle der Anpassungen der Filialverhältnisse. Änderte sich durch diese Schritte für die Einwohner eines Dorfes mit ehemals mehreren Pfarreien relativ wenig, wurden in den ersten Visitationen auch viele Dörfer zu Filialgemeinden, die in der Folge dagegen protestierten und die Nachteile deutlich spürten. An diesem Punkt wurde deutlich, dass Chancen und Risiken der Visitationen für die Bauern dicht beieinanderlagen.
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Vgl. KARANT-NUNN, Pastors, S. 53 f. Nach PETKE, Pfarrei.
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FAZIT: UMBRUCH UND BEHARRUNG
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Entsprechend ihren finanziellen Möglichkeiten versuchten die Gemeinden im Spätmittelalter neben dem Pfarrsystem weitere Elemente einzurichten und damit ihre geistliche Versorgung zu verbessern. Sie stifteten Messen, die oft auch einen memorialen Charakter hatten. Daneben versprachen sie sich von diesem Vorgehen Fürbitte der Heiligen, vor allem aber Schutz vor Unwettern, Krankheit und Tod. Wenn einzelne Bauern oder die Gemeinde es sich leisten konnten, richteten sie eine Kommende oder eine Vikarie ein, über die sie in vielen Fällen auch das Besetzungsrecht erlangten. Im Gegensatz zu der Pfarrei hatten sie auf diese Elemente einen viel stärkeren Einfluss. Ferner betonte ein umfangreiches kirchliches Leben die Möglichkeiten der Gemeinschaft nach außen. In größeren Dörfern wurden Bruderschaften gebildet, die den Frömmigkeitsmoden der Zeit folgten. Die im ersten Teil der Arbeit aufgezeigte Stiftungsvielfalt endete in der frühen Reformation sehr plötzlich. In der großen Mehrzahl der Fälle wurden Messen nicht mehr gehalten. Die Besucherzahlen der Wallfahrten brachen ein. Kapellen, die die Landschaft geprägt hatten, verfielen. Nur in einigen Fällen gelang in der Folge die Umwandlung von Messstiftungen in Wochengottesdienste. Die in den Visitationen getroffenen Entscheidungen führten zu einer starken Angleichung zwischen den Dörfern. Das kirchliche Leben wurde im Wesentlichen auf die Pfarrgottesdienste beschränkt. Was war also prägend für die Reformation auf dem Land in Thüringen? Reformation bedeutete für die Bauern unter anderem eine zunehmende kirchliche Kontrolle durch den Landesherrn und auch wirklich eine ‚Reformation‘ – nämlich die Abkehr von den kirchlichen Autoritäten wie den geistlichen Gerichten. So sind auch die toposhaften Hinwendungen an die obrigkeitlich gesteuerte Reformation in den Suppliken zu erklären, wenn etwa die Bauern von Krölpa 1526 einen Verstoß gegen die fürstliche Reformacion meldeten.5 In weiten Teilen identifizierte man sich in den Gemeinden mit der Entwicklung und brachte sich ein. Natürlich wollten sie sich den Entscheidungen der Visitatoren und der landesherrlichen Beamten nicht blind ausliefern, aber das obrigkeitliche Denken und die Enttäuschung über viele kirchliche Zustände führten wohl zu einer Einsicht in die Notwendigkeit. Dennoch entstand dies aus der eigenen Beschäftigung mit dem Wort Gottes und vor allem aus eigenen Erfahrungen. C. Scott Dixon zog in einer Betrachtung der ländlichen Reformation in den fränkischen Territorien Brandenburg-Ansbach-Kulmbach den Schluss, „daß die Bauern das Wort Gottes nur forderten, weil es im Wesentlichen das Wort des Markgrafen war.“6 Sie „dachten
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LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 170. DIXON, Transformation, S. 40.
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DER SCHEINBARE WIDERSPRUCH DER REFORMATION AUF DEM LAND
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in den Begriffen einer Fürstenreformation.“7 Dem muss mit Blick auf die Ergebnisse dieser Arbeit für verschiedene Herrschaftsgebiete entschieden widersprochen werden. Mit Sicherheit wurden viele frühreformatorische Hoffnungen enttäuscht. Es kann aber keine Rede davon sein, dass sich die Bauern vollständig von der Entwicklung abkapselten. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass auch die Theorie der Gemeindereformation8 und die Rolle der Gemeinde für die Reformation über einen längeren Zeitraum betrachtet werden müssen. Ein verengter Ausschnitt auf die ‚wilden Jahre‘ der frühen Reformation liefert ein falsches Ergebnis. Nur der Abgleich verschiedener Indizien über einen längeren Zeitraum konnte Ergebnisse zur ‚Reformation auf dem Land‘ bringen. Diese Prozesse anhand eines einzelnen Punktes deuten zu wollen, wird ihrer Vielschichtigkeit nicht gerecht. In Verbindung verschiedener Theorien, wie etwa der „Ratsreformation“ oder der „Gemeindereformation“, sollte die Reformation als gesamtgesellschaftliche Entwicklung begriffen werden, der sich Machthaber wie Untergebene unter den jeweiligen Umständen stellen mussten und stellten. Die frömmigkeitsgeschichtliche Perspektive ermöglicht in weiten Teilen eine Darstellung der Reformation aus Sicht der Bauern. Für eine vergleichende Betrachtung der Dörfer und der Regionen sind verschiedene Perspektiven wichtig. Ob Pfarrer, Stiftungen, Bauten, Bilder oder Schulen – diese Themen sollten möglichst nicht isoliert betrachtet werden. In den Gemeinden – Dörfern wie Städten – wurden sie als Elemente eines Ganzen verstanden, als erstrebenswerte Bestandteile eines frommen Lebens. Allerdings bleiben bei dieser Perspektive andere zentrale Fragen unberührt, die damit in Verbindung standen. Waren die sinkenden Investitionen und die Zinsverweigerungen etwa von den sinkenden Rohstoffpreisen der Jahre nach 1500 beeinflusst, die sich für die Bauern in geringeren Erträgen niederschlugen? Müsste die Reformation auf dem Land also ursächlich als Agrarkrise beschrieben werden?9 In der Konsequenz dieses Gedankens wären die steigenden Investitionen in die eigene Kirche ab der Jahrhundertmitte auf die sich verbessernde wirtschaftliche Situation der Bauern zurückzuführen. Welche Rolle spielten Kredite geistlicher Institutionen und Wucher für die Wahrnehmung der Bauern? Die Beschwerden aus der Bauernkriegszeit legen nahe, dass eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation für viele Bauern zu den Hoffnungen gehörte, die sie mit der Reformation verbanden.
7 8 9
Ebd. Gleichzeitig betont Dixon bemerkenswerterweise die starke Tradition der Pfarrkultur vor Ort. BLICKLE, Gemeindereformation. Vgl. RÖSSNER, Deflation, S. 236–250 mit der Forderung nach Studien zur wirtschaftlichen Situation der Bauern in Anm. 538.
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FAZIT: UMBRUCH UND BEHARRUNG
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Insgesamt bedeutete die Reformation eine schrittweise Desakralisierung, eine Profanierung bestimmter Bereiche und eine Materialisierung – mit anderen Worten eine Vereinfachung der Frömmigkeit und der Welt. „Do ut des“ galt nicht mehr als grundlegendes Frömmigkeitsprinzip, bestimmte aber weiterhin die ländliche Gesellschaft. Doch was änderte sich im Einzelnen? Die vielfältigen Elemente des vorreformatorischen religiösen Lebens, wie Wallfahrten, Prozessionen oder Messstiftungen, verschwanden. Es gab weniger Feiertage. Der Alltag wurde pragmatischer. Ein Wandel in der Frömmigkeit setzte aber deutlich vor der Reformation im Laufe des 15. Jahrhunderts ein; und es konnte gezeigt werden, dass sich mittelbar Einflüsse der Devotio moderna und der Ordensreform ebenfalls bereits in den Dörfern nachweisen lassen. Predigt und innere Andacht waren keine Erfindung der Reformation. Die Passion blieb ein bestimmendes Thema – auch der individuellen Frömmigkeit.10 Die Reformation auf dem Land war in ihrer Umsetzung ein schleichender Prozess. Viele Punkte veränderten sich über Jahrzehnte nicht, der Generationswechsel spielte wohl eine nicht zu unterschätzende Rolle. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts – zwei Generationen nach der Frühreformation, also zu einer Zeit, als Menschen lebten, die die vorreformatorische Kultur kaum noch aus eigenem Erleben kannten – begann sich eine ‚evangelische Frömmigkeit‘ zu entwickeln. Diese war zweifellos weniger vielfältig als die vorreformatorische und wurde von den Vorstellungen und Vorgaben der landesherrlichen Kirche beeinflusst. Anhand des Umganges mit den Bildern und des Klingelbeutels konnte gezeigt werden, dass Visitationen Stufen dieser Entwicklung sein konnten. Sie hatten selbstverständlich einen großen Einfluss auf die Verfestigung der Reformation unter landesherrlicher Führung, wichtiger aber war noch die alltägliche Abstimmung zwischen Hof, Amtsbediensteten, Superintendenten, Pfarrern und Gemeinden. Auf der anderen Seite bestand das bäuerliche Handeln nicht nur aus Bewahrung des Überkommenen und aus Gehorsam. Ein wichtiger Punkt war die Beharrung auf den eigenen Rechten gegen das Eingreifen von kirchlichen und landesherrlichen Instanzen bei gleichzeitigem Streben nach rechtlichem Schutz. Diese Ziele führten verschiedentlich zu Rückwirkungen auf die obrigkeitliche Religionspolitik, die die Interessen der Untertanen nicht negieren konnte und wollte. So darf Reformation nicht als starker Bruch oder als Entwicklung aus sich selbst heraus verstanden werden. Sie war ein Katalysator bestehender Entwicklungen. Dazu zählen frömmigkeitsgeschichtliche Fragen, 11 Aspekte der Kir-
10 Vgl. HEAL, Eye, v. a. S. 338. 11 BÜNZ/KÜHNE, Überlegungen, S. 23.
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DER SCHEINBARE WIDERSPRUCH DER REFORMATION AUF DEM LAND
553
chenausstattung12 oder politische Entwicklungen gleichermaßen. Deutlich wurde es auch an verschiedenen kulturhistorischen Fragen, wie der Ausformung des ländlichen Schulwesens.13 Mit der frühen Reformation wurde kaum etwas neu entworfen. Unter dem Druck der Ereignisse entwickelten sich aber Kräfte, die nun innerhalb weniger Jahre vielfältige Veränderungen auslösten, indem etwa vorherige Barrieren entfielen. Aus dieser Sicht ist die Reformation ein weiteres Beispiel für die Beobachtung der Geschichtswissenschaft, dass aus Krisen ein größeres Innovationspotential entsteht.14 Die ‚Krise‘ bestand aber nicht im vorreformatorischen kirchlichen System, sondern in den aktuellen Anforderungen des Zusammenbruchs in den frühen Jahren der Reformation. Die Bewertung der Vorreformation aus Sicht der späteren Entwicklung ist vor diesem Hintergrund zwar klassisch, aber grundlegend falsch.15 Die Frömmigkeit des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts war vielmehr eine wichtige Voraussetzung für die Reformationsrezeption weiter Teile der Bevölkerung.16 Bei aller frühreformatorischen Begeisterung und den vielen Einflüssen aus den politischen Ständen und der Bevölkerung bleibt es dabei: Die anhaltende Entscheidung für oder wider die Reformation wurde natürlich nicht von Bauern und Pfarrern getroffen, sondern an den Höfen. In der Forschung wurde bereits die Frage aufgeworfen, inwiefern die Reformation als ein Element einer längerfristigen, normativen Zentrierung zu verstehen ist.17 Für die ländliche Gesellschaft kann dies unterstrichen werden. Wie bereits beschrieben wurde, stand dahinter allerdings kein grundlegender Plan, sondern verschiedene Akteure reagierten auf aktuelle Anforderungen. Im Falle der geistlichen Gerichtsbarkeit konnte gezeigt werden, dass die landesherrliche Verwaltung brachliegende Aufgaben übernahm, die sie auch von unten angetragen bekam. Die steigende Kontrolle genossenschaftlicher Elemente wie der Kirchenfabrik wurde durch den Zugriff der Visitationen vor Ort leichter. Die zunehmende moralische Untersuchung ergab sich aus denselben Gründen und der Einbindung der Pfarrer in die Strukturen der landesherrlichen Kirche. Die Entwicklung verstetigte sich.
12 Vgl. oben Kap. III.13.3. 13 Vgl. oben die Kap. I.3.7 und III.4 sowie zukünftig DIETMANN, Schulwesen. 14 Vgl. v. a. BÜHL, Krisentheorien; vgl. außerdem anhand des politischen Systems des Reiches im 15. Jahrhundert WEFERS, Außenpolitik, S. 43–50. 15 Vgl. oben Kap. I.7. 16 Vgl. LORTZ, Reformation, S. 97; MOELLER, Frömmigkeit, S. 8 f. 17 HAMM, Bürgertum, S. 153.
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FAZIT: UMBRUCH UND BEHARRUNG
All dies war möglich, da reformatorische Lehren in der ländlichen Gesellschaft sehr schnell ‚common sense‘ wurden.18 Weite Teile der Bevölkerung stellten sie nicht in Frage, sondern sahen sie als etwas Natürliches und Überfälliges an. Sie legitimierten so auch das landesherrliche Eingreifen. Die Lehren besaßen eine Lebensbezogenheit bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Bundes mit Gott. An dieser Stelle erscheint die bekannte Frage der Forschung, warum die Menschen sich so schnell der Reformation zuwandten.19 In den Jahren zuvor war es ebenso ‚common sense‘, dass Seelmessen, Stiftungen zu Ehren der heiligen Anna, Wallfahrten zu Reliquien und Gnadenbildern sowie Ablässe Heil versprechen. Die Menschen akzeptierten nun, dass dies durch den Opfertod Christi nicht nötig sei: sola scriptura, sola fide, sola gratia, solus christus. Vor diesem Hintergrund erfüllten Stiftungen und Wallfahrten keine Funktionen mehr – weder für die Gläubigen noch für ihre Vorfahren. Eine eigentliche Auseinandersetzung mit diesem vergangenen Glauben und dieser Frömmigkeit wird nicht deutlich. In den Argumentationen wird es ab den 1520er Jahren oft unpersönlich als „Zeit des Papsttums“ bezeichnet – so als hätten in dieser Zeit andere Menschen gelebt, für die kein Verständnis aufgebracht werden konnte. Aus diesen Zuständen sei man durch Gott befreit worden. Typische Formulierungen betonen, dass Gott „uns mit seinem Wort begabt habe“ oder dass „die segensreiche Entwicklung das Wort Gottes deutlich machte“. In einigen Zeugnissen wird auch die Gruppendynamik deutlich, die die frühe Reformation hatte. Das Beseitigen heiliger Symbole der eigenen Kultur war nur möglich, da es breit anerkannt wurde, dass das eigene Handeln zuvor auf Irrtümern beruhte. Dieser reflexive Prozess der Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur unterschied sich nicht zwischen Fürsten, Niederadligen, Bürgern und Bauern.
18 Zur Theoriebildung den ‚common sense‘ betreffend vgl. MOORE, Common; GEERTZ, Common; COATES, Common. Vgl. auch die Forschungen Bronislaw Malinowskis; MALINOWSKI, Religion. 19 Z. B. BLICKLE, Absicht, S. 168.
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ANHÄNGE
Die folgenden Tabellen verzeichnen verschiedene Elemente der Stiftungsvielfalt in den Dörfern vor der Reformation. Dabei finden Burgkapellen keine Berücksichtigung. Dorfkirchen, die den Status einer Kuratkapelle haben, werden nicht unter den Kapellen genannt. Stiftungen an Klosterkirchen finden nur Erwähnung, wenn die Klosterkirche gleichzeitig Dorfkirche war. Quellenabkürzungen Bünz EFP Hannappel SR1506 VP1528 VP1529 VP1529a VP1533 VP1533a VP1533b VP1533c VP1533d VP1539 VP1540
-
BÜNZ, Klerus (siehe Literaturverzeichnis) Erfurter Pfarrlehenbuch auf dem Lande von 1524 (StAE, 1-0, A VIII-3a) HANNAPPEL, Archidiakonat (siehe Literaturverzeichnis) Subsidienregister 1506 (siehe Quellenverzeichnis) Visitationsprotokoll der ernestinischen Visitation in Meißen und im Vogtland 1528/1529 (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1) Visitation an der Saale 1529 (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg Ii 3) Visitation im Vogtland 1529 (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg Ii 2) Visitationsprotokoll der ernestinischen Visitation in Thüringen 1533/1534 (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 4) Visitationsprotokoll der schwarzburgischen Visitation in der Oberherrschaft 1533 (LATh–StA Rudolstadt, Kanzlei Arnstadt 2983) erstes reußisches Visitationsprotokoll von 1533 (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 9) zweite Visitation in Weida (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 7) dritte Visitation in Altenburg (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 6) erstes albertinisches Visitationsprotokoll von 1539 (LASA, A 29a, II, Nr. 1b) zweites albertinisches Visitationsprotokoll von 1539 (LASA, A 29a, II, Nr. 1c)
andere Siglen beziehen sich auf das Literaturverzeichnis sofern bei Vikarien oder Kapellen das Patrozinium nicht angegeben ist, ist es unbekannt
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Anhang 1 – Stiftungen ANHANG 1 – STIFTUNGEN
ORT
Alach
Allendorf
ART DER STIFTUNG Kapelle St. Marien Donnerstagsmesse Vikarie St. Nikolaus und St. Katharina
PATRONAT
BEMER-
Gemeinde
auf einem Friedhof (Bertram, Bilterisleybin, S. 16)
Grafen von Schwarzburg
erscheint nur 1472, evtl. Fehler
Salve Regina Alkersleben Altenbeichlingen
Altendorf (Kahla)
Stiftung über Kirchenfabrik
Salve Regina De Profundis Salve Regina Vikarie Corpus Christi
Asmus von Weißbach?
Vikarie St. Katharina
Grafen von Gleichen
Vikarie St. Marien
die von Hain
Vikarie Hl. Kreuz Altengottern Vikarie St. Marien Vikarie Hll. Drei Kgg.
NACHWEIS
KUNGEN
die von Hopfgarten
Patronat nach Bünz, II/1, S. 19 Schlosslehen, in Martinskirche (SR1506, S. 359) wohl ebenfalls in der Martinskirche wohl die Kapelle „in castro“ (SR1506, S. 360) nach SR1506, S. 360 in Wigbertikirche
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EFP, fol. 125r; Weiss, Landschafft, S. 71 f. VP1533a, fol. 18r Hannappel, S. 234 VP1533a, fol. 18r VP1533a, fol. 20r VP1539, fol. 283r A 29a, II, 1c, fol. 111r VP1533, II, fol. 290v SR 1506, S. 107 VP1539, fol. 146v VP1539, fol. 147r VP1539, fol. 147v VP1539, fol. 148r
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Altremda
Vikarie St. Anna
Angelroda
Vikarie
Angstedt
Fronleichnamsmesse
Apfelstädt
Salve Regina
Auerstedt
Bad Sulza
Ballstädt
Vikarie Hl. Kreuz
557 Zinsverzeichnis 1519 (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 693) gehörte zur Pfarrei Geraberg wird als „Engelmesse“ erwähnt
Hannappel, S. 328 VP1533a, fol. 7r VP1533, I, fol. 245r
Christoph Koller
1422 durch einen Koller gestiftet (Hannappel, S. 139)
VP1539, fol. 348r
Salve Regina
VP1539, fol. 348v
Vikarie St. Johannes d. T.
VP1533, II, fol. 79v
Salve Regina
VP1533, II, fol. 78v
Vikarie St. Marien
Pfarrer daselbst
SR1506, S. 192 wird eine „Vicaria in capella“ erwähnt, so auch LATh– StA Gotha, Oberkonsistorium, Amt Gotha, 181; gestiftet von Einwohnern (Bünz, II/1, S. 40f.)
Kapelle St. Marien Ballstedt
SR1506, S. 138
Annenmesse
Stiftung über Kirchenfabrik
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VP1533, I, fol. 194r
SR1506, S. 192 VP1533, II, fol. 72v
ANHÄNGE
558 Vikarie St. Marien Bechstedtstraß
Bechstedt/ Wagd
Beichlingen
Vikarie Hl. Kreuz
EFP, fol. 68r; Hannappel, S. 174
Erfurter Rat
Erfurter Rat
Vgl. StAE, 0-0/c, Bechstädt, Nr. 10
Sonnabendsmesse Vikarie
Vikarie St. Marien
EFP, fol. 99v Propst des Erfurter Reglerstiftes
in der Pfarrkirche
Hannappel, S. 321
die von Werthern
Patronat hing wohl, wie das der Pfarrei, an der Herrschaft, da 1515 noch der Graf von Beichlingen genannt wird; Hannappel, S. 71
VP1539, fol. 280v
Vikarie St. Peter & Paul Bendeleben
SR1506, S. 62 VP1540, fol. 29r; SR1506, S. 326 VP1533, II, fol. 79r
Vikarie St. Marien Sonnabendsmesse
Bergsulza
Vikarie Hl. Kreuz Vikarie St. Johannes
Berka/ Werra
Berlstedt
Vikarie St. Laurentius Kapelle St. Gehilfen Sonnabendsmesse Vikarie St. Marien
EFP, fol. 68v
Scholaster des Kollegiatstiftes daselbst
Patronat nach Bünz, II/1, S. 50
SR1506, S. 86
Georg Weiße
Patronat 1472–1475 nach Bünz, II/1, S. 50
SR1506, S. 86
Pfarrer und Gemeinde
Pfarrer daselbst
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VP1533, I, fol. 38r VP1533, I, fol. 39r VP1533, I, fol. 38r EFP, fol. 16v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
559
Vikarie Corpus Christi
VP1533, II, fol. 134r in gesonderter Kapelle (Voigt, Inkluse, S. 374)
Vikarie Trinitatis Beutnitz
VP1533, II, fol. 133r
Salve Regina wohl von der Annenbruderschaft daselbst
Annenmesse Recordare Vikarie Corpus Christi Vikarie St. Nikolaus Kapelle St. Nikolaus Bilzingsleben
Dorfschaft Seiff. von Bendeleben Seiff. von Bendeleben
in Kapelle
Annenmesse Fronleichnamsmesse Tenebrae Salve Regina
Bodelwitz
Sonntagsmesse
Boilstädt
Salve Regina
Stiftung der „Leute von Bodelwitz“
VP1533, II, fol. 133v VP1533, II, fol. 133v VP1539, fol. 265v VP1539, fol. 265v VP1539, fol. 267r VP1540, fol. 106v VP1540, fol. 106v VP1539, fol. 264r VP1540, fol. 106v VP1533, II, fol. 323r VP1533, I, fol. 225v
Kapelle
evtl. St. Nikolaus (Bünz, II/1, S. 74)
SR1506, S. 360
Vikarie St. Katharina
in Kapelle
SR 1506, S. 360
Bollstedt
Vikarie Bothenheilingen
VP1533, II, fol. 134r
Salve Regina Salve Regina
die von Ebeleben
im SR1506, S. 360 eine Vikarie St. Crucis erwähnt in Ulrichskirche in Christinskirche
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VP1539, fol. 124r VP1539, fol. 123v VP1539, fol. 125v
ANHÄNGE
560 Braunsdorf (Auma)
Vikarie St. Marien
Breitenhain (ABG)
Prädikatur
Breitenhain (SOK)
Vikarie St. Marien
Brüheim
Vikarie Hll. Drei Kgg. Vikarie St. Stephan Vikarie St. Marien Kommende
die von Meusebach
Kurfürst
war Filial von Neunhofen
die von Romrod
die von Wangenheim?
VP1533, I, fol. 186r VP1533, I, fol. 184v VP1539, fol. 253v
Salve Regina Büchel
Bufleben
Marienmesse Vikarie St. Johannes d. T.
Gemeinde
im SR1506, S. 193 noch als „commenda nova“
Kapelle St. Johannes d. T. Burgau
Burgtonna
Burla
ca. 1500 von Hans Dandorf gestiftet an der Straße nach Gräfentonna in Richtung der Weiden
Kapelle St. Marien Vikarie St. Marien Sonnabendsmesse Vikarie
Catharinau
Vikarie
VP1533, I, fol. 190v SR1506, S. 193
Ewige Messe
Caaschwitz
VP1533, II, fol. 246v Wiessner, Naumburg, S. 316 VP1533, II, fol. 285v; Hannappel, S. 296 VP1533, I, fol. 185v SR1506, S. 221 SR1506, S. 221
in Kapelle Stifter: Curd Fischer die Meerrettich
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VP1533, II, fol. 128r SR1506, S. 192/Brückner, Schulenstaat, 1, 8, S. 52 f. SR1506, S. 192 VP1533, I, fol. 119r VP1533b, fol. 15v SR1506, S. 138
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Cobstädt
Salve Regina
Cospeda
Salve Regina
Cottendorf
Wochenmesse
Cumbach
Fronleichnamsmesse
561 VP1533, I, fol. 281r VP1533, II, fol. 125v VP1533a, fol. 25v
Vikarie
Daasdorf (Buttelst.) Kapelle St. Marien
Dachwig
Vikarie St. Sebastian
Dankmarshausen
Vikarie Hl. Kreuz
Dannheim
Marienmesse
Daumitsch
zwei zusätzliche Messen
Denstedt
Vikarie
Gemeinde
wird als „Engelmesse“ erwähnt im SR1506, S. 89 wird eine „Vicaria in capella beate Marie virginis“ erwähnt nach Hannappel, S. 157 Patronat der Herren von Gottfart, wohl in baulichem Zusammenhang mit dem Chor der Pfarrkirche zwischen 1506 und 1515 gestiftet (Bünz, II/1, S. 153) nach SR1506, S. 244 Vikarie Hl. Kreuz und Sebastian
Stiftung der Dorfgemeinde
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VP1533a, fol. 10r
VP1533, II, fol. 105v
SR1506, S. 89
EFP, fol. 43v
VP1533, I, fol. 33r VP1533a, fol. 23v Hannappel, Kommissare, S. 188 VP1533, II, fol. 97v
ANHÄNGE
562 1412 Lehen Ritter Gerhard Holbach, 1475 Lehen Heinrich von Brandenstein (Hannappel, S. 314) war eine Kommende, aus der der Inhaber, Andreas Scharff, eine Vikarie errichtet hat jeden Donnerstag, Sühnemesse nach Totschlag
Kapelle St. Elisabeth Dienstädt Vikarie St. Marien, Katharina & Barbara
Dobitschen
Fronleichnamsmesse
Dölau
Vikarie
Hans von Schönau
Vikarie St. Marien Vikarie St. Marien Döllstädt
Dornheim
Grafen von Gleichen
Vikarie St. Nikolaus Kapelle Hl. Kreuz
Dörnfeld a. d. Heide
in Peterskirche
Grafen von Gleichen
Vikarie St. Cyriakus Vikarie St. Marien, Gangolf & Georg Vikarie St. Marien
in Peterskirche; Patronat nach Bünz, II/1, S. 178 „in monasterio“ „in castro“; Patronat nach Bünz, II/1, S. 178 „in monasterio“
VP1533, II, fol. 281r
SR1506, S. 109
VP1528, fol. 311r VP1533b, fol. 132v SR1506, S. 200 SR1506, S. 201 SR1506, S. 200 SR1506, S. 198 SR1506, S. 200 SR1506, S. 126
Abt Kl. Georgenthal
Patronatsstreit zwischen Abt, Ernestinern und Schwarzburgern (Bünz, II/1, S. 187)
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SR1506, S. 126; Hannappel, S. 237
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Dornheim
Kapelle St. Marien Fronleichnamsmesse
563 Landgrafen
Salve Regina Dosdorf
Messe Salve Regina
Ebenheim Eberstädt Eckardtsleben
Fronleichnamsmesse Vikarie St. Anna Kapelle Vikarie Hl. Kreuz
Eckolstädt
1504 bestätigt
Gemeinde bzw. Alterleute
Tenebrae Salve Regina
Eckstedt
Vikarie St. Andreas et. al.
Eichicht
Vikarie
Eischleben
Elgersburg
Elleben
wurde 1438 der Pfarrei inkorporiert
Hannappel, S. 165 SR1506, S. 138
im 12. Jh. in Besitz des Kl. Ichtershausen, lag südlich des heutigen Friedhofes
Kapelle St. Peter Wochenmessen Fronleichnamsmesse Vikarie St. Marien Kapelle St. Marien
SR1506, S. 152 VP1533a, fol. 22v VP1533a, fol. 22v VP1533a, fol. 26r VP1533, I, fol. 351v VP1533, I, fol. 351v SR1506, S. 222 SR1506, S. 210 VP1539, fol. 449r; Hannappel, S. 141 VP1539, fol. 449v VP1539, fol. 449v
Pfarrer daselbst Pfarrer daselbst
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Herrmann, Eischleben, S. 99 VP1533, I, fol. 357r VP1533a, fol. 20v Hannappel, S. 238 VP1533a, fol. 20v
ANHÄNGE
564 1485 von Alterleuten eingerichtet (UB Paulinzella, Nr. 490, S. 430f.)
Fronleichnamsmesse Ellichleben Sonnabendsmesse
VP1533a, fol. 21v VP1533a, fol. 21v
Salve Regina Elxleben/ Gera
Elxleben/ Steiger
Vikarie St. Michael Vikarie St. Nikolaus & Katharina
EFP, fol. 39v SR1506, S. 189
Vikarie
in Kapelle
Vikarie
in Kapelle
Kapelle
Patronat nach Einicke, Reformationsgeschichte I, S. 67
Kloster Stadtilm
Emleben
De Profundis
Eschdorf
Vikarie St. Marien
Pfarrer von Rudolstadt
Vikarie St. Bonifatius
Merten Pap zu Gotha
Patronat nach Bünz, II/1, S. 254
VP1533a, fol. 7r
SR1506, S. 139 VP1533, I, fol. 197v
Kapelle St. Nikolaus
2 Messen pro Woche von Georgenthal versorgt
Kommende
in Kapelle
Messe Espenfeld Salve Regina Ettenhausen
SR1506, S. 124 SR1506, S. 125
VP1533a, fol. 7r VP1533, I, fol. 297r
Salve Regina
Eschenbergen
VP1533a, fol. 21v
Sonntagsmesse
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VP1533, I, fol. 198v SR1506, S. 193 VP1533a, fol. 26v VP1533a, fol. 26v VP1533, I, fol. 113v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
565
Fronleichnamsmesse Ettischleben Marienmesse
Freienbessingen
Friedrichroda Friedrichswerth
Friemar
Frienstedt Fröbersgrün
Vikarie St. Katharina
Junker von Heilingen
Vikarie Hl. Kreuz Vikarie St. Peter & Paul Vikarie St. Juliane Kommende St. Marien Vikarie St. Marien
Junker von Heilingen Junker von Heilingen
Junker von Erffa
Vikarie St. Georg
Vikarie St. Marien
Gemeinde
Stiftung derer von Mülverstedt Stiftung derer von Mülverstedt SR1506, S. 319: „ante castrum“ auf dem Schloss auf dem Schloss in der Pfarrkirche ?
in Pfarrkirche nach SR1506, S. 221 „in castro“ im SR1506, S. 191 f. wird eine „Vicaria primissarie beate virginis“ erwähnt, Stiftung durch Gemeinde nach LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 246
Kapelle St. Marien Vikarie Mariä Empfängnis
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VP1533a, fol. 29r VP1533a, fol. 29r VP1539, fol. 131v VP1539, fol. 132r VP1539, fol. 132v SR1506, S. 318 SR1506, S. 186 VP1533, I, fol. 339r VP1533, I, fol. 339v
VP1533, I, fol. 205r/ BAE, Marienstift, Urkunden, Nr. 1077a
EFP, fol. 119v VP1533b, fol. 132r
ANHÄNGE
566
Frömmstedt
Frohndorf
Vikarie St. Nikolaus & Katharina
Grafen von Schwarzburg
Bestätigung durch Ebf. Gerlach 1358; im SR1506, S. 369 wird eine Frühmessvikarie erwähnt; Patronat nach Bünz, II/1, S. 279
Vikarie St. Marien
Graf v. Beichlingen/ Graf v. Schwarzburg/ Pfarrer daselbst
zur Entwicklung des Patronates vgl. Hannappel, S. 80
SR1506, S. 65
als „Engelmesse“ erwähnt
VP1533, II, fol. 25v
Fronleichnamsmesse
Pfarrer daselbst
Müller, Dorfkirchen, S. 132, Anm. 316 Hannappel, S. 207
Pfarrer daselbst
Hannappel, S. 207
Kapelle Gaberndorf Vikarie St. Marien Vikarie Hl. Kreuz und St. Katharina Gamstädt Gangloffsömmern
Gebesee
Salve Regina Vikarie St. Marien
Curd von Schwechel
Kapelle Vikarie St. Andreas Kapelle St. Andreas Kapelle St. Katharina
LATh–StA Rudolstadt, Sondershäuser Urkunden, 1358
in Kapelle „ante castrum“ auf dem Klausberg
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VP1533, I, fol. 211r VP1539, fol. 207r SR1506, S. 332 VP1539, fol. 169v SR1506, S. 199 Bohlen, Gebesee, S. 6f.
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Vikarie Corpus Christi
Gebesee
Vikarie
Vikarie
567
Vormunden des Dorfes & die Schetzel
Stiftung 1495 durch die niederadligen Schetzel und die Gemeinde; Kreisarchiv Sömmerda, Gebesee, Nr. 3913 im SR1506, S. 199 wird eine Vikarie Hl. Kreuz erwähnt im SR1506, S. 199 wird eine Vikarie St. Nikolaus erwähnt
Tenebrae Salve Regina Marienmesse
VP1539, fol. 170r
VP1539, fol. 170r Kreisarchiv Sömmerda, Gebesee, Nr. 3899 VP1533, II, fol. 56v VP1533, II, fol. 56v
Salve Regina
Gebstedt
VP1539, fol. 170r
Vgl. UB Paulinzella, Nr. 515, S. 443
Fronleichnamsmesse
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VP1533, II, fol. 56v VP1533, II, fol. 56v
ANHÄNGE
568 mindestens zwei der Vikarien sind von den Edelleuten Hack gestiftet worden (LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1639); eine der Marienvikarien stand 1421 auch unter deren Patronat (Hannappel, S. 112)
Vikarie St. Marien
Gehofen Vikarie St. Marien
SR1506, S. 76 nach Hannappel, S. 112 war sie 1485 Lehen des Konrad Trebern nach Hannappel, S. 112 war sie 1475 Lehen des Jakob Hacke
Vikarie Corpus Christi
Vikarie St. Barbara Gehren
Vikarie
Geraberg
Salve Regina
Gerstenberg
Kapelle
Gerstungen
Vikarie St. Katharina
Geunitz
Vikarie
Gierstädt
Salve Regina
SR1506, S. 75
SR1506, S. 75
SR1506, S. 75 VP1533a, fol. 23r VP1533, I, fol. 357r VP1528, fol. 201r
die von Kulmitzsch
nach SR1506, S. 244 Vikarie St. Katharina und Hll. Drei Kgg.
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VP1533, I, fol. 30v SR1506, S. 115 VP1533, I, fol. 346v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Gillersdorf Görbitzhausen
Gößnitz
569
Sonntagsmesse Fronleichnamsmesse Vikarie Corpus Christi Vikarie St. Anna
Kurfürst Ehrenfried von Ende zu Wolkenberg (?)
Salve Regina
Goldbach
Fronleichnamsmesse Vikarie St. Andreas
vor dem Dorf nach Eberstädt gelegen Dorf Filial von Beutnitz, evtl. St. Barbara durch die Inkluse Elisabeth 1445
Kapelle St. Anna Vikarie
Golmsdorf zwei Messen Gorsleben
Vikarie Trinitatis
Gospiteroda
Salve Regina
Graba
Vikarie St. Marien
VP1533d, fol. 25v gehalten durch den Pfarrer von Maltis Stiftung über Kirchenfabrik Stiftung über Kirchenfabrik
Wochenmesse Gössitz
LATh–StA Rudolstadt, Geh. Archiv, C IV, 2h, Nr. 7 VP1533a, fol. 22r VP1528, fol. 239r
die von Harras
Schultheiß des Abtes von Saalfeld
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VP1533d, fol. 25r VP1533, II, fol. 311r VP1533, II, fol. 311r VP1533, I, fol. 183r Brückner, Schulenstaat, 1, 9, S. 19. VP1533, II, fol. 134r Voigt, Inklusenwesen, S. 395 VP1539, fol. 250r; Hannappel, S. 72 VP1533, I, fol. 230v VP1533, II, fol. 351v; Hannappel, S. 271; SR1506, S. 136
ANHÄNGE
570
Gräfenroda
Frühmessvikarie
Vikarie Corpus Christi
Herren von Gleichen
im SR1506, S. 200 wird ein Altar „Corporis Christi, Fabiani et Sebastiani in medio parrochialis“ erwähnt
Vikarie St. Marien
Herren von Gleichen
im Chor
VP1533, I, fol. 302v
Herren von Gleichen
auf dem Schloss; im SR1506, S. 198 wird eine „Capella sancti Iacobi in castro“ erwähnt
VP1533, I, fol. 303r
Vikarie St. Jakob Gräfentonna Vikarie St. Sebastian Vikarie St. Fabian & Sebastian Vikarie Riffenheym
Vikarie Hl. Kreuz
Gräfinau
VP1533, I, fol. 259v/355v; SR1506, S. 196
Graf von Schwarzburg/Curd von Witzleben
Kapelle
VP1533, I, fol. 302v
VP1533, I, fol. 303r (= die erwähnte Vikarie St. Sebastian ?) Wü. Bei Gräfentonna wurde nach SR1506, S. 200 im Jahr 1477 an den o. g. Altar Corpus Christi et al. verlegt von Gemeinde erbaut, Kaplan wird von Gemeinde finanziert
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SR1506, S. 201 VP1533, I, fol. 303v
SR1506, S. 200
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 1059
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Großballhausen
Großbrembach
Vikarie St. Marien Vikarie St. Katharina Vikarie St. Bonifatius & Nikolaus
571 die von Hausen
VP1539, fol. 197v SR1506, S. 338 SR1506, S. 70; Hannappel, S. 96 VP1533, II, fol. 36r VP1533, I, fol. 68r
Erfurter Rat
Lorenzmesse Großburschla
Großengottern
Vikarie
Vikarie
Pfarrer der Martinikirche & Alterleute
Vikarie St. Marien
die von Hopfgarten
Kommende Vikarie St. Nikolaus Vikarie Vikarie St. Andreas
dem Wilhelmitenkloster Mülverstedt inkorporiert
Großfahner
in der Kapelle des Hospitals in Großengottern in Martinikirche
De Profundis Großensee
in Martinikirche, wohl die im SR1506, S. 207 erwähnte Vikarie St. Marien „in ecclesia beati Martini“ in Walpurgiskirche in Walpurgiskirche, Kommende der Bruderschaft St. Jakob in Walpurgiskirche in Walpurgiskirche
Annenmesse Vikarie St. Marien
Just von Seebach
Vikarie St. Nikolaus
Hans von Seebach d. J.
im SR1506, S. 189 Vikarie St. Marien und Hll. Drei Kgg.
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VP1539, fol. 56v
VP1539, fol. 58r SR1506, S. 207 SR1506, S. 207 SR1506, S. 207 SR1506, S. 207 VP1539, fol. 56r VP1533, I, fol. 31v VP1533, I, fol. 345r VP1533, I, fol. 345r
ANHÄNGE
572
Großfurra
Kapelle St. Cyriakus Vikarie St. Marien
in Kapelle in Pfarrkirche St. Bonifatius
Vikarie Großlöbichau
Großmehlra
Fronleichnamsmesse Kapelle St. Marien und St. Bartholomäus Vikarie St. Marien
Oktav
SR1506, S. 318
Vikarie Vikarie Großmölsen
in der Kapelle Pfarrer daselbst und Alterleute
im SR1506, S. 92 wird eine Frühmessvikarie erwähnt
Salve Regina
Vikarie
Alterleute
Kapelle St. Marien
Petersstift Mainz
Vikarie St. Marien
Pfarrer daselbst
Großmonra
Großneuhausen
SR1506, S. 310 SR1506, S. 310 SR1506, S. 310 VP1529, fol. 40r
hält auch Marien- und Fronleichnamsmesse; nach Hannappel, S. 255 eine Vikarie Hl. Kreuz, St. Fabian, Sebastian und Ursula auf der Monraburg in Kapelle, zur Entwicklung des Patronates vgl. Hannappel, S. 258
Kapelle St. Marien
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SR1506, S. 317 SR1506, S. 318 VP1533, II, fol. 30v; Hannappel, S. 165 VP1533, II, fol. 31r
BAE, Marienstift, I R5, 2/ SR 1506, S. 129
Hannappel, S. 255 SR1506, S. 129 BAE, Marienstift, Urkunden, Nr. 1443
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Großobringen
Großrudestedt
Großurleben
573
Vikarie
Vikarie St. Nikolaus & Katharina Vikarie St. Cyriakus
Kapitel Mariensitft Erfurt
im SR1506, S. 88 wird eine Vikarie St. Marien erwähnt, die 1465 ein Weimarer Bürger verlieh (Hannappel, S. 157) Patronat nach Hannappel, S. 166
Salve am Sonntag
Großvargula
Gemeinde
wird im SR1506, S. 376 als Kommende St. Sebastian und Corpus Christi erwähnt
Vikarie St. Marien Kapelle St. Marien Kapelle St. Simon
SR1506, S. 92 SR1506, S. 375 VP1539, fol. 88v VP1539, fol. 88v
Salve Regina
Vikarie St. Sebastian
VP1533, II, fol. 23r
an der steinernen Brücke auf einer Unstrutinsel nördlich des Dorfes
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EFP, fol. 9v
SR1506, S. 376 Toppius, Vargila, S. 6; SR1506, S. 371 und 376 Toppius, Vargila, S. 6
ANHÄNGE
574
Großvargula
Großwelsbach
sw. des Dorfes in Richtung Gräfentonna, daher ist wohl diese im SR1506, S. 376 gemeint, wenn eine Kapelle in Vargula beschrieben ist, die dem Wilhelmitenkloster Gräfentonna unterstand
Kapelle St. Cecilien
Vikarie St. Bartholomäus & Katharina
SR1506, S. 376
Salve Regina
Günstedt
Kapelle des Hospitals bei Günstedt
Kapelle St. Marien Tenebrae
Gumpelstadt
Guthmannshausen
Fronleichnamsmesse
Vikarie
Haarhausen
Vikarie
Haina b. Gotha
Vikarie St. Jakob Kapelle St. Jakob Vikarie St. Katharina
Toppius, Vargila, S. 6
Marschalk zu (Herren-) Gosserstedt Gemeinde daselbst & Abt Peterskloster Erfurt die von Wangenheim
VP1539, fol. 95r VP1540, fol. 49v; SR1506, S. 330 VP1540, fol. 49r VP1533, I, fol. 83r
vor 1506 Patronat der Grafen von Gleichen (Bünz, II/1, S. 341)
VP1533, II, fol. 45r
im SR1506, S. 196 wird eine Vikarie Hl. Kreuz erwähnt
VP1533, I, fol. 263r
in der Kapelle „prope Hayn“
die von Wangenheim
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VP1533, I, fol. 324r SR1506, S. 222 VP1533, I, fol. 324r
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Haina b. Gotha
Vikarie St. Marien
Haindorf (Krautheim)
Vikarie St. Jakob Vikarie Hl. Kreuz
575 die von Wangenheim Abt Schottenkloster Erfurt Volkmar Daniel zu Flurstedt
Vikarie Corpus Christi Vikarie St. Nikolaus
Propst St. Moritz Naumburg
Hardisleben
in Pfarrkirche Patronat nach Bünz, II/1, S. 345 Patronat lag in Händen dieser niederadligen Familie (Hannappel, S. 99) ebenfalls am Hl.-Kreuz-Alt ar zur Entwicklung des Patronates vgl. Hannappel, S. 99 evtl. handelte es sich dabei um die Oberkirche St. Marien, in der sodann auch die Vikarie St. Marien bestanden haben dürfte (Hannappel, S. 98f.)
Kapelle
Fronleichnamsmesse Kapelle
Haussömmern
Vikarie St. Marien Fronleichnamsmesse Dienstagsmesse
SR1506, S. 88
VP1533, II, fol. 41v SR1506, S. 68; Hannappel, S. 99 VP1533, II, fol. 42r VP1533, II, fol. 41v
Tenebrae
Haßleben
VP1533, I, fol. 324v
Müller, Dorfkirchen, S. 132, Anm. 316
VP1533a, fol. 26r Grafen von Schwarzburg
Patronat nach Bünz, II/1, S. 352 in Kapelle
Salve Regina
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SR1506, S. 330 SR1506, S. 339 VP1539, fol. 85v VP1539, fol. 85v VP1539, fol. 85v
ANHÄNGE
576
Heilingen
Vikarie St. Marien
Siegfried von Schönfeld
in Pfarrkirche; 1482 war Georg von Kochberg Patron (Hannappel, S. 210)
Salve Regina Hengelbach
Henningsleben
Ewige Messe
Vikarie
„in der cellen“ Streit zwischen den Goldacker und den von Seebach
im SR1506, S. 216 wird eine Vikarie St. Nikolaus erwähnt
Herbsleben
Salve Regina
Vikarie St. Peter
albert. Herzog
Vikarie St. Katharina Vikarie St. Jakob
albert. Herzog albert. Herzog
Vikarie Corpus Christi
Gemeinde & Dr. Rudolf
Vikarie St. Marien Vikarie St. Nikolaus
albert. Herzog albert. Herzog
Kapelle St. Marien
VP1533, II, fol. 268r VP1533a, fol. 19v VP1539, fol. 140v SR1506, S. 210 VP1540, fol. 53r
Kapelle Henschleben
VP1533, II, fol. 268r
albert. Herzog
wohl die im SR1506, S. 198 erwähnte in der Peterskapelle n. der Unstrut in Pfarrkirche
nach SR1506, S. 201 in der Pfarrkirche evtl. in Kapelle St. Marien in Pfarrkirche nach Zeyß, Herbsleben im Oberdorf, Patronat nach Bünz, II/1, S. 360
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VP1539, fol. 161r VP1539, fol. 161v VP1539, fol. 162r VP1539, fol. 162v VP1539, fol. 163r VP1539, fol. 163v VP1539, fol. 166r
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Kapelle St. Peter
Herbsleben
577
albert. Herzog
Kapelle St. Jakob
nach SR1506, S. 198 n. der Unstrut, Patronat nach Bünz, II/1, S. 360 „in castro“, Patrozinium nach Bünz, II/1, S. 360
Fronleichnamsmesse Vikarie Corpus Christi Salve Regina Frühmesse Hermstedt
Herschdorf (Königsee)
SR1506, 198 VP1539, fol. 164r VP1539, fol. 165r SR1506, S. 245 VP1533, I, fol. 42v
Frühmessen
Herda
VP1539, fol. 166v
die Ältesten des Dorfes
(= die Vikarie Corpus Christi?)
Salve Regina Fronleichnamsmesse
wg. Mangel in Herschdorf und seinen Filialen gestiftet
Annenmesse
in der Kapelle
Kapelle St. Marien
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VP1533, I, fol. 43r VP1533, II, fol. 87r LATh–StA Rudolstadt, Geh. Archiv, C IV, 2h, Nr. 7 LATh–StA Rudolstadt, Geh. Archiv, C IV, 2h, Nr. 7 LATh–StA Rudolstadt, Geh. Archiv, C IV, 2h, Nr. 7
ANHÄNGE
578
Herschdorf (Königsee)
erscheint im SR1506 als Vikarie Corpus Christi (Hannappel, S. 242), evtl. auch mit Fronleichnamsmesse gleichzusetzen Patronat nach Bünz, II/1, S. 368 Patronat nach Bünz, II/1, S. 368 im SR1506, S. 125 wird eine Vikarie St. Nikolaus und Katharina erwähnt; Patronat nach Hannappel, S. 242
LATh–StA Rudolstadt, Geh. Archiv, C IV, 2h, Nr. 7
Kommende
Graf von Schwarzburg
Vikarie St. Eustachius
Priorin des Kl. daselbst
Vikarie St. Marien
Apel von Vitzthum
Hochdorf (Blankenhain)
Vikarie
Pfarrer und Alterleute daselbst
Hochheim b. Erfurt
Vikarie St. Johannes d. T.
Pfarrer daselbst
in Pfarrkirche
Hannappel, S. 58/ BAE, Marienstift, Urkunden, Nr. 1425f.
Hochheim b. Gotha
Vikarie St. Katharina
die von Wangenheim beide Linien
im SR1506, S. 221 wird eine Frühmessvikarie erwähnt
VP1533, I, fol. 334v
Heusdorf
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SR1506, S. 85 SR1506, S. 85
VP1533, II, fol. 188v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Hörselgau
Vikarie Hl. Kreuz
Hohenebra
Vikarie
Hohenkirchen
Holzhausen Holzsußra
Holzthaleben
Hornsömmern
Ibenhain
Kapelle St. Ulrich, Sebastian und Barbara Vikarie St. Anna Kapelle St. Anna
579
Alterleute daselbst
im SR1506, S. 185 wird eine Frühmessvikarie erwähnt, Stiftung derselben am Hl.-KreuzAltar durch Dorfschaft 1453 (BAE, Marienstift, Urkunden I, 1076a)
SR1506, S. 310 gehörte zur Saigerhütte daselbst in Kapelle
Salve Kapelle Vikarie St. Katharina Fronleichnamsmesse Salve Regina
Vikarie
VP1533, I, fol. 234r
im SR1506, S. 185 wird eine „Vicaria nova beate Marie virginis“ erwähnt
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Bünz, II/1, S. 376 VP1533, I, fol. 249r SR1506, S. 195 A 29a, II, 1b, fol. 153r Einicke, Reformationsgeschichte I, S. 120 SR1506, S. 319 VP1539, fol. 82v VP1539, fol. 82v VP1533, I, fol. 220v
ANHÄNGE
580
Ichstedt
eigener Altar Trinitatis, Barbara, Katharina, Allerheiligen, Stiftung Heinrich Hacke 1438
Vikarie Trinitatis
Vikarie St. Thomas Illeben
Kapelle St. Marien
Kloster Zella
Ilversgehofen
Vikarie St. Nikolaus
Pfarrer und Alterleute daselbst
im Oberdorf Richtung Warte
Vikarie
Ingersleben
Jechaburg Jüdewein
Vikarie St. Peter & Paul Vikarie St. Katharina Kapelle St. Peter
Pfarrer daselbst
vor 1506 aufgelöst vor 1506 aufgelöst bei Ingersleben
Kapelle St. Bonifatius
bei Ingersleben
Kapelle St. Marien Vikarie St. Anna
auf dem Frauenberg
Salve Regina Kaltenborn
Vikarie
Kannawurf
Vikarie Corpus Christi Vikarie St. Fabian & Sebastian Kapelle St. Ägidius
Alterleute Sprötau Alterleute Kannawurf
Dorf wüst
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LATh–StA Rudolstadt, Sondershäuser Urkunden, 1438, Feb 14 SR1506, S. 329 VP1533, I, fol. 272v/ Brückner, Schulenstaat, 1, 9, S. 44 EFP, fol. 53r/ Hannappel, S. 59 VP1533, I, fol. 300r SR1506, S. 196 SR1506, S. 197 Bünz, II/2, S. 399 BAE, Marienstift, Urkunden, Nr. 1385a SR1506, S. 307 SR1506, S. 149 VP1533, II, fol. 359r Hannappel, S. 81 VP1539, fol. 260r SR1506, S. 369 VP1539, fol. 263v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
581
Vikarie St. Marien
Burggrafen von Kirchberg
Vikarie St. Nikolaus et al.
Burgrafen von Kirchberg
Vikarie St. Andreas
nach SR1506, S. 98 „in monasterio“ Einsetzung durch Erfurter Rat, der 1506 als Patron erscheint (Bünz, II/1, S. 105), Stiftung durch Bgf. von Kirchberg „in monasterio“
Kapelle St. Marien
„oben im Dorf“
Kapellendorf
Fronleichnamsmesse Fronleichnamsmesse Kerspleben
Kapelle St. Johannes d. T.
Kettmannshausen
Vikarie St. Nikolaus
Keßlar
Vikarie
Kirchhasel
Salve Regina
Patrozinium nach Hannappel, S. 176 Pfarrer von Oberwillingen Kl. Ettersburg
wird nur 1443 genannt
Berlt Schneebrand
in Marienkirche in Marienkirche in Wigbertikirche
Salve Regina Vikarie St. Katharina
Kirchheim
VP1533, II, fol. 89r
SR1506, S. 97 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ll 139 VP1533, II, fol. 86r EFP, fol. 57v
Fronleichnamsmesse Kirchheilingen
VP1533, II, fol. 86v
Müller, Dorfkirchen, S. 132, Anm. 316 Hannappel, S. 249
Kapelle
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Hannappel, S. 211 VP1533a, fol. 11r VP1539, fol. 73v VP1539, fol. 73v VP1539, fol. 75v StAE, 0-0/C, Kirchheim, Nr. 4a
ANHÄNGE
582
Kleinbrembach
Vikarie St. Nikolaus
Pförtner des Karthäuserklosters Erfurt
im SR1506, S. 70 wird eine Vikarie St. Marien, Nikolaus und Katharina erwähnt
Fronleichnamsmesse Kleinneuhausen
Vikarie St. Marien
Kleinrudestedt
Salve Regina
Kleinurleben
Vikarie
VP1533, II, fol. 37v SR1506, S. 68; Hannappel, S. 101 VP1533, II, fol. 51r VP1539, fol. 90v
Familie Sack
albert. Herzog
Fabians- & Sebastiansmesse
Klettstedt
Vikarie
VP1539, fol. 142r
Hans Wurm
im SR1506, S. 377 wird eine Vikarie St. Marien erwähnt
Salve Regina Sebastiansmesse Könitz
Annenmesse Vikarie St. Marien Vikarie Corpus Christi
Fronleichnamsmesse
in Wigbertikirche in Wigbertikirche hält Vikar der Vik. Corpus Christi in Wigbertikirche
Kapelle
„aufm felde“
Körner Salve Regina
EFP, fol. 14v
Abt Volkenroda Abt Volkenroda
Kösnitz Salve Regina
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VP1539, fol. 142v VP1539, fol. 143r VP1539, fol. 143r VP1533a, fol. 13r VP1539, fol. 109r VP1539, fol. 109r VP1539, fol. 109r VP1539, fol. 109r VP1539, fol. 421r. VP1539, fol. 420r
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Kospoda
Kranichfeld
583
Vikarie St. Maternus
Albrecht von Blankenberg zu Harra Reußen zu Kranichfeld
Vikarie St. Marien
Reußen zu Kranichfeld
Vikarie St. Thomas
Reußen zu Kranichfeld
Vikarie
Vikarie St. Margarethe
Vikarie St. Cyriakus
Johann Musebach und Alterleute
Vikarie St. Marien
Abt Schottenkloster Erfurt und Alterleute
Krautheim
VP1533, II, fol. 218v „auf dem Schloss“ nach SR1506, S. 124 in Pfarrkirche nach SR1506, S. 124 in Pfarrkirche nach SR1506, S. 123 in der Burgkapelle der Niederburg beide Vikarien werden weder im SR1506 noch in den VP genannt
Vikarie Corpus Christi
VP1533, II, fol. 197r
Hannappel, S. 158
VP1533, II, fol. 196r VP1533, II, fol. 361r
Vikarie
Krölpa
VP1533, II, fol. 197r
Hannappel, S. 158
Salve Regina
Vikarie St. Katharina
VP1533, II, fol. 196v
im SR1506, S. 149 wird eine Frühmessvikarie erwähnt Stifter ehem. Pf. Johann Polz, Stiftung über Kirchenfabrik, wahrscheinlich mit der Vikarie unbekannten Patroziniums oben gleichzusetzen
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VP1533, II, fol. 366r
LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 170
ANHÄNGE
584 im SR1506, S. 339 wird eine „Vicaria capelle beate virginis“ erwähnt
Vikarie St. Marien Kutzleben
Kapelle St. Marien Vikarie St. Katharina
VP1540, fol. 68v Oswald von Tottleben
nach SR1506 in der Pfarrkirche
Salve Regina Langenberg (Gera)
Altar St. Wolfgang
1491 gestiftet
Langenroda
Kapelle
Oberwinkel
Langenhain
Kapelle Hl. Kreuz
im Feld unter dem Dorf
Langewiesen
Frühmessvikarie
St. Marien, Hl. Kreuz, St. Margarethe und Andreas
Langula
Salve Regina Rorate
Laucha
Begängnis Urbani Annenlicht
Lauchröden
Annenmesse
Leesen
Prädikatur
VP1539, fol. 199v
Stiftung derer von Teutleben Stiftung derer von Teutleben Stiftung derer von Teutleben Stiftung derer v. Reckerod (?) 1493 gestiftet
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VP1539, fol. 199v VP1539, fol. 200r Kretschmer, Langenberg, XIII AGBM II, Nr. 1116, S. 32 AGBM II, Nr. 2028, S. 826 SR1506, S. 125 VP1533, I, fol. 68v VP1533, I, fol. 237v VP1533, I, fol. 237v VP1533, I, fol. 237v VP1533, I, fol. 109v Wiessner, Naumburg, S. 316
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Frühmessvikarie
585
Kurfürst
Lehesten (Th. Wald)
Prädikatur Vikarie St. Johannes d. T.
Dekan der Kalandsbrüder
Kapelle St. Marien
Dekan der Kalandsbrüder
Leubingen
Liebschütz (SOK)
Salve Regina
wohl in der Pfarrkirche mit einer Vikarie versehen (Hannappel, S. 74) Testament Heinrich Feller
Drei Ewige Messen
Liebschwitz
Vikarie
Linda
Vikarie
Linderbach
Kapelle St. Oswald
Löberschütz
mit drei Wochenmessen zur Zeit Herzog Wilhelms III. durch Dorfbewohner gestiftet (Bünz, II/2, S. 414) findet sich ebenfalls bei LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 399
Kurfürst gehörte 1290 zum Allod des Erfurter Petersklosters
Quatembermesse Salve Regina
Lohma
Predigt
Lohma an der Leina
Messe
Lützensömmern
Vikarie St. Katharina Kapelle St. Katharina
Graf von Schwarzburg
in Kapelle
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VP1533, II, fol. 367r/v
VP1529, fol. 98r VP1539, fol. 278r; Hannappel, S. 73 VP1539, fol. 279v VP1533, II, fol. 303r VP1533, II, fol. 304r VP1529a, fol. 259v VP1533, II, fol. 220v Hannappel, S. 177 VP1533, II, fol. 136r VP1533, II, fol. 136r VP1528, fol. 188r VP1528, fol. 228v VP1539, fol. 228v SR1506, S. 338
ANHÄNGE
586 Vikarie St. Nikolaus Lützensömmern
Vikarie St. Marien
Lumpzig
zwei Wochenmessen
Marksuhl
Vikarie St. Marien
Markvippach
Kapelle St. Cosmas und Damian
Marlishausen
im SR1506, S. 338 wird eine Vikarie St. Marien & St. Sebastian erwähnt
Kapelle St. Gehilfen Sonnabendsmesse
Fronleichnamsmesse
Propst des Nordhäuser Hl.-KreuzStifts
wird im SR1506, S. 236 als „Vicaria nova“ erwähnt „prope“ dem Dorf; Patronat nach Hannappel, S. 167
dem Kl. Weißenborn inkorporiert
VP1533, II, fol. 52v
VP1533, I, fol. 101r
in GehilfenKapelle Stiftung durch Bauern des Dorfes Stiftung über Kirchenfabrik
zusätzliche Sonntagsmesse Fronleichnamsmesse
VP1533, I, f. 26r
VP1533a, fol. 22r VP1533a, fol. 22r
Salve Regina Melborn
VP1539, fol. 229v VP1533d, fol. 67r
Salve Regina
Mittwochsmesse Mehna
die von Hausen
VP1539, fol. 229r
Fronleichnamsmesse
Vikarie St. Marien Mechterstädt
Graf von Schwarzburg
VP1533, I, fol. 105v VP1533, I, fol. 105v VP1533, I, fol. 106r VP1528, fol. 174r VP1533, I, fol. 113v VP1533, I, fol. 114r
Stiftung durch Dietrich von Farnroda
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VP1533, I, fol. 114v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Vikarie
Mihla
587
Herren von Mihla
Vikarie St. Marien Vikarie St. Nikolaus
Mittelsömmern
Einkommen u. a. von einer Wüstung
Salve Regina wird als wüst bezeichnet
Kapelle Vikarie St. Nikolaus
albert. Herzog
Salve Regina
Mockern
Messe
Moderwitz
Sonnabendsmesse
Möbisburg
Vikarie St. Marien
Möschlitz
zwei Messen
gehalten durch den Pfarrer von Saara
Pfarrer von Bischleben
Stiftung des Henricus de Meynwarsburgk, Kanoniker am Erfurter Marienstift 1308 (UB Erfurt I, Nr. 547)
VP1533, II, fol. 54v VP1533, II, fol. 55r VP1539, fol. 84v VP1539, fol. 84r VP1533d, fol. 26r
VP1533, I, fol. 252r
VP1533b, fol. 85v VP1533, I, fol. 201r VP1533, I, fol. 203v
Vikarie Kapelle
VP1533 I, fol. 93v
VP1533, II, fol. 227r
Kapelle Molschleben
VP1533, I, fol. 93r SR1506, S. 233 SR1506, S. 233
Kommende Mittelhausen
Stiftung durch Herren von Mihla, wohl identisch mit einer der folgenden
Kapelle der Wüstung Neuß bei Molschleben
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VP1533, I, fol. 275r
ANHÄNGE
588
Molschleben
auf Edelhof derer von Witzleben, nw. des Dorfes, wahrscheinlich identisch mit einer der genannten
Kapelle St. Nikolaus
VP1533, I, fol. 349r VP1533, I, fol. 349r VP1528, fol. 14v
Annenmesse Molsdorf Salve Regina Monstab
Prädikatur Vikarie St. Simon & Juda
Vikarie St. Nikolaus
Mühlberg
Pfarrer daselbst
Pfarrer daselbst
Frühmessaltar (StAE, 0-0/C, Mühlberg, Nr. 1), nach StAE, 0-0/C, Mühlberg, Nr. 6‒14 eine Vikarie St. Nikolaus und St. Sebastian
SR1506, S. 195
EFP, fol. 7v Kommende der SebastiansBS (Bertram, Dorfpfarrer, S. 168), 1464 gibt es bereits einen Sebastiansaltar (StAE, 0-0/C, Mühlberg, Nr. 4)
Kommende
Münchengosserstedt
SR1506, S. 195
Kapelle Hl. Kreuz
Vikarie Hl. Kreuz Vikarie St. Marien
Gebhardt, Molschleben, S. 11
Hans Mönch
Salve Regina
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EFP, fol. 6r
VP1539, fol. 442v SR1506, S. 86 VP1539, fol. 442r
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Nägelstedt
Vikarie
Nausitz
Vikarie St. Marien
589 in Michaeliskirche außerhalb des Dorfes
Marienmesse Neuengönna
Salve Regina
Neuenmörbitz
Fabiansmesse Kapelle Allerheiligen Vikarie St. Katharina
Neukirchen
Neunheilingen
Vikarie St. Andreas
Junker von Heilingen
Vikarie St. Philipp & Jakob
Junker von Heilingen
Vikarie Hl. Kreuz
Junker von Heilingen
Vikarie St. Marien Kapelle Hl. Kreuz
Junker von Heilingen
Vikarie St. Cyriakus
im SR1506, S. 373 wird eine Vikarie Hl. Kreuz und St. Peter erwähnt
Pfarrer von Neunhofen
VP1539, fol. 120v
in der Kapelle
VP1539, fol. 120v SR1506, S. 373 SR1506, S. 373 VP1533, II, fol. 224v VP1533, II, fol. 225r
wohl die noch vorhandene Altarstelle in der Sakristei ebd.
SR1506, S. 142; Bünz, II/1, S. 474
Pfarrer von Neunhofen
Neunhofen
VP1539, fol. 120v
VP1539, fol. 120v
vor dem Ort
Vikarie Vikarie St. Marien Vikarie St. Anna
wohl vor 1506 aufgelöst im SR1506, S. 373 wird eine Vikarie St. Andreas und Bartholomäus erwähnt
VP1539, fol. 151v VP1539, fol. 270v VP1539, fol. 477v VP1539, fol. 477v VP1539, fol. 477v VP1528, fol. 234r Bünz, II/2, S. 471
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ANHÄNGE
590
Vikarie St. Nikolaus
Erfurter Rat
Vikarie St. Valentin
Erfurter Rat
Kapelle St. Marien
Kurfürst
Neuses (Erfurt)
Neuses (Neumark)
Dorf wüst; Patronat nach Bünz, II/2, S. 475 Dorf wüst; Patronat nach Bünz, II/2, S. 475 Dorf wüst; Kapelle wird als „capella nova“ bezeichnet
Frühmesse Niederdorla Vikarie Niedergrunstedt Niederreißen
Salve Regina Marienmesse Vikarie
Niederroßla
Kapelle St. Marien
„in castro“
Sonnabendsmesse Niederwillingen
Niederzimmern
Nohra
Stiftung über Kirchenfabrik
Marienmesse Vikarie St. Udalrici Vikarie St. Urban & Nikolaus Kapelle
SR1506, S. 60; Hannappel, S. 381 f. SR1506, S. 60; Hannappel, S. 381 f. SR1506, S. 89; Hannappel, S. 159 VP1533, I, fol. 72v VP1533, I, fol. 73r VP1533, II, fol. 21r VP1533, II, fol. 14v VP1533, II, fol. 77r Müller, Dorfkirchen, S. 132, Anm. 316; Hannappel, S. 187 VP1533a, fol. 21r LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5675
Erfurter Rat
EFP, fol. 90r
Erfurter Rat
SR1506, S. 95; Hannappel, S. 178
beansprucht 1524 der Deutsche Orden zu Erfurt
bei dem Ort
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EFP, fol. 64r
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Nordhofen
Vikarie St. Hippolyt
Oberarnsdorf
Salve Regina
Vikarie
Oberdorla
591 die von Wangenheim zu Winterstein
VP1533d, fol. 55r
Gemeinde
Obermehler
Gemeinde (?)
wird im SR1506, S. 208 als „Commenda nova“ bezeichnet im Dorf
Salve Regina Fronleichnamsmesse Fronleichnamsmesse Salve Regina
Oberndorf (Arnstadt)
VP1533, I, fol. 70v
VP1533, I, fol. 71r
Kapelle St. Nikolaus
Oberloquitz
wohl die beiden nicht nach Langensalza verlegten Vikarien, beide am Altar St. Johannes d. T., SR1506, S. 205
Vikarie Kommende Corpus Christi
Oberhain
VP1533, I, fol. 322r
Vikarie St. Marien
Graf v. Schwarzburg
Vikarie St. Katharina
Pfarrer daselbst
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VP1533, I, fol. 71v VP1533, I, fol. 71v VP1533a, fol. 18r VP1533, II, fol. 381v VP1539, fol. 110r VP1539, fol. 110r VP1533a, fol. 22v; SR1506, S. 152 Hannappel, S. 325
ANHÄNGE
592
Vikarie Oberndorf (Buttelst.)
Burkhard Worm
Vesper Obernissa Oberspier
Dorf ist Filial von Buttelstedt, im SR1506, S. 89 wird eine Vikarie St. Marien und St. Magdalena erwähnt; Patronat nach Bünz, II/2, S. 507 Stiftung durch Rat von Buttelstedt
Kapelle St. Marien Vikarie
Sonnabendsmesse
Oesterbehringen
Salve Regina
Vikarie St. Cyriakus Olbersleben
Marienmesse
VP1533, II, fol. 61v VP1533, II, fol. 112v SR1506, S. 311 SR1506, S. 311
Kommende
Ölknitz
VP1533, II, fol. 61r
Teil der Brückenstiftung zwischen Rothenstein und Ölknitz, von beiden Pf. gehalten
VP1533, II, fol. 289r
VP1533, I, fol. 329r Wiprecht von Kölleda (?)
vor 1409 gestiftet, Stiftung der von Kölleda (LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2082) 1464 wird eine Vikarie BMV genannt (Hannappel, S. 102)
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Ii 4, II, fol. 44v; Hannappel, S. 102; SR1506, S. 68
VP1533, II, fol. 42v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Vikarie Oppurg
593 die von Brandenstein
Frühmessvikarie
Orlishausen
Vikarie St. Marien
Oßmannstedt
Vikarie
Ostertonna
Vikarie St. Felix und Adauctus
Heinrich von Harras
auf dem Schloss in der Pfarrkirche (SR1506, S. 149) in Bonifatiuskirche; 1515– 1519 auf Bitten Johanns von Werthern Patronat der Gemeinde (Hannappel, S. 82) im SR1506, S. 98 wird eine Vikarie St. Katharina erwähnt; Patronat nach LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 786 Dorf wüst
Osthausen Messe
Ostramondra
Heinrich Knuth
in Pankratiuskirche; Hannappel erwähnt eine weitere mögliche Vikarie
Kapelle
Ottenhausen
VP1533, II, fol. 318v
SR1506, S. 64 f.
VP1533, II, fol. 101v
SR1506, S. 200 VP1533, II, fol. 202v VP1533, II, fol. 202v
Salve Regina
Vikarie Hl. Kreuz und St. Katharina
VP1533, II, fol. 318v
Kapelle St. Elisabeth
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SR1506, S. 129; Hannappel, S. 256 Müller, Dorfkirchen, S. 132, Anm. 316 SR1506, S. 331; Bünz, II/2, S. 530
ANHÄNGE
594 von Mockwitz
Pahren
Vikarie
Pfaffenhofen
Vikarie St. Johannes
Dorf wüst
Pferdingsleben
Frühmessvikarie
im SR1506, S. 196 als Vikarie BMV erwähnt
Rehmen (Oppurg)
Freitagsmesse
Reinstädt
Vikarie
Reisdorf
Salve Regina
Remptendorf
Vikarie
Remstädt Rettgenstedt
Vikarie St. Georg & Erasmus Vikarie St. Ulrich
im SR1506, S. 115 wird eine Frühmessvikarie erwähnt; Hannappel nennt für 1489 die Testamentsvollstrecker eines Pfarrers als Patrone; Hannappel, S. 217 von Mockwitz
VP1533, I, fol. 188r Pfarrer daselbst
Hannappel, S. 257 VP1533, II, fol. 200r VP1533, II, fol. 200r SR1506, S. 329
Salve Regina
Rockensußra
Vikarie St. Laurentius Vikarie
VP1533, II, fol. 271r
VP1533, II, fol. 58v VP1533b, fol. 83v
Annenmesse
Ringleben (Gebesee)
VP1533, I, fol. 310r VP1533, II. fol. 247v
Riechheim Ringleben (Artern)
VP1533b, fol. 56r SR1506, S. 336
im SR1506, S. 189 wird eine Vikarie BMV erwähnt
Fronleichnamsmesse Salve Regina
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VP1533, II, fol. 95v VP1539, fol. 134v VP1539, fol. 134v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
595
Annenmesse Rockhausen Salve Regina Roda b. Ilmenau
Wochenmesse
Rödersdorf
Vikarie
Heinrich d. J. von Reuß
Salve Regina Rohrbach Marienmesse Prädikatur Romschütz Kapelle Roßleben
Vikarie St. Thomas Kapelle St. Nikolaus
Abt Kl. Pforta
wohl zur Kapelle, im SR1506, S. 71 wird eine Vikarie St. Nikolaus erwähnt
Rudersdorf Vikarie
Rückersdorf (Kr. Greiz)
Donnerstagsmesse
Ruhla
De Profundis
Saara
Fronleichnamspredigt Vikarie
Sachsenburg
Ave Maria
Schallenburg
Frühmesse/ Vikarie St. Cyriakus
VP1539, fol. 351r
VP1529a, fol. 351v VP1533, I, fol. 127r VP1528, fol. 249r die von Beichlingen
Vikarie Sättelstädt
im Dorf
VP1533a, fol. 20v VP1533a, fol. 20v VP1533, I, fol. 357r VP1533b, fol. 78v VP1533, II, fol. 48v VP1533 , II, fol. 48v VP1528, fol. 263v VP1528, fol. 264r VP1539, fol. 305v VP1539, fol. 351r; Hannappel, S. 103
vgl. SR1506, S. 370; in der Pfarrkirche „in castro“
Pfarrer daselbst
Stiftung durch Heinz Michel wohl die Vikarie, die im SR1506, S. 65 erwähnt wird
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VP1539, fol. 257r SR1506, S. 370 VP1533, I, fol. 120v EFP, fol. 34r; Hannappel, S. 83
ANHÄNGE
596
Schernberg
Vikarie St. Gangolf Vikarie Hl. Kreuz
Schiebelau
Vikarie
Schillingstedt Schlettwein (Pößneck)
Schlossvippach
Filial von Lobeda
Fronleichnamsmesse Salve Regina Vikarie Vikarie St. Ägidius
Friedrich von Thun Erfurter Rat
Vikarie St. Peter
Vikarie Corpus Christi
Gemeinde
Schmiedehausen
in Peterskirche (StAE, 0-0/C, Vippach, Nr. 29) in Kapelle bzw. Pfarrkirche Ein Subsidienregister von 1520/21 nennt eine Kommende; Hannappel, S. 148.
Salve Regina Dorf wüst; nach Hannappel, S. 179 handelte es sich um ein Patrozinium St. Cosmas und Damian
Vikarie Schmidtstedt Montagsmesse Vikarie Hl. Kreuz
Schönau (Wutha)
Salve Regina
EFP, fol. 11v
SR1506, S. 64
VP1539, fol. 440v VP1539, fol. 440r VP1539, fol. 440r
Messen
Schmira
SR1506, S. 318 SR1506, S. 318 VP1533, II, fol. 143v VP1539, fol. 274v VP1539, fol. 274v VP1533, II, fol. 375v
Pfarrer daselbst
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SR1506, S. 95
StAE, 1-1, VI b-5, Nr. 2, fol. 18r StAE, 0-0/C, Schmira, Nr. 11 VP1533, I, fol. 118v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Schönewerda
Vikarie
597
Friedrich von Witzleben
Salve Regina Schönstedt Vikarie
Melchior von Hausen Dorf ist Filial von Bucha wird 1506 als aufgehoben beschrieben
Kommende Schorba
Vikarie St. Ägidius
Schwaara
Fronleichnamsmesse
Schwarzhausen
Salve Regina
Schwerborn
Kapelle St. Marien
im SR1506, S. 74 wird eine Vikarie BMV erwähnt, die wohl in einer Kapelle lag (Hannappel, S. 114) in Martinskirche
Domherren Erfurter Marienstift
bei dem Ort
„ex testamentis durch die leut im Dorf gestifft“
die von Meusebach
wird im SR1506, S. 90 als „nova“ erwähnt
Seebach Vikarie St. Katharina
VP1539, fol. 201v
VP1533, II, fol. 64v VP1533, II, fol. 64r
Salve Regina Vikarie St. Vitus
EFP, fol. 48r
VP1539, fol. 202r
Frühmesse
Schwerstedt (Weimar)
SR1506, S. 105
EFP, fol. 48r
Vikarie St. Anna
Vikarie St. Andreas
VP1539, fol. 62r VP1539, fol. 63r VP1533, II, fol. 146r
VP1533b, fol. 24r VP1533, I, fol. 116r
Fronleichnamsmesse Schwerstedt (Straußfurt)
VP1539, fol. 297v
die von Berlepsch zu Seebach die von Berlepsch zu Seebach
in Wüstung Lipshausen
VP1539, fol. 115v
in der Pfarrkirche
VP1539, fol. 116r
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ANHÄNGE
598
Seebach
Vikarie St. Dorothea
Seebergen
Salve Regina
Selka
Wochenmesse
die von Berlepsch zu Seebach
wird im SR1506, S. 208 als „in castro“ beschrieben
VP1533a, fol. 24v Pfarrer von Schmölln hält die Messe
Salve Regina
Siebleben
Vikarie der Hl. 11000 Jungfrauen
Hans Hirthpach zu Erfurt
Kapelle Siegelbach Singen
Vikarie St. Marien und Hl. Kreuz Fronleichnamsmesse
Vikarie St. Andreas
Sonneborn Vikarie Hll. Drei Kgg.
VP1539, fol. 116v
Heinrich Riche
auf Altar in Sakristei
VP1528, fol. 223v VP1533, I, fol. 208r VP1533, I, fol. 208v; SR1506, S. 176/ 184
auf dem Petersberg bei Siebleben
SR1506, S. 184
erscheint nur 1412
Hannappel, S. 327 VP1533a, fol. 24v
die von Wangenheim
nach LATh– HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 277; St. Andreas, Hl. Kreuz und St. Ursula wird im SR1506 als neu beschrieben; Stiftung 1498 durch Margarethe von Wangenheim zum Andenken an ihren Mann Balthasar (Hannappel, Kommissare, S. 189)
Salve Regina
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VP1533, I, fol. 179v
SR1506, S. 222
VP1533, I, fol. 180v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
599 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 2016
Stedtfeld
Salve Regina
Steinbrücken (Neust.)
Vikarie
Stödten
Annenmesse
Stotternheim
Kapelle St. Marien
Erfurter Rat
bei dem Ort
Vikarie St. Johannes d. T.
Heinrich von Germar
wohl die Vikarie „in castro“, die SR1506, S. 337 erwähnt
Heinrich von Eichicht
VP1533, II, fol. 220v
Vikarie Corpus Christi
Straußfurt
Vikarie St. Nikolaus & Juliane Kapelle St. Marien
Wochenmesse
wird im SR1506, S. 337 nur als Vikarie St. Juliane erwähnt, in der Pfarrkirche Patrozinium nach Bünz, II/2, S. 622
VP1539, fol. 225r
SR1506, S. 331 VP1539, fol. 226r VP1539, fol. 223v
Stiftung durch einen Bauern aus Oberndorf (Filial)
Salve Regina Sundhausen (Gotha)
VP1539, fol. 224r VP1539, fol. 224v
Ewig-LichtStiftung Fronleichnamsmesse Sulzbach (Apolda)
VP1539, fol. 285v EFP, fol. 46r/ Archiv des Evangelischen Ministeriums A, IX, b, 1, fol. 7r
Annenmesse Fronleichnamsmesse
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VP1539, fol. 425r VP1533, I, fol. 227v VP1533, I, fol. 227v VP1533, I, fol. 227v
ANHÄNGE
600 in Bonifatiuskirche in Marienkirche in Marienkirche Stiftung durch die von Weberstedt zu Sundhausen im SR1506, S. 186 wird eine Frühmessvikarie erwähnt
Salve Regina Salve Regina Sundhausen (Tennst.)
Fronleichnamsmesse Kommende
Vikarie Tambach Vikarie am Altar St. Humbert Tanna
Frühmesse
Teichröda
Fronleichnamsmesse
Teichwitz
Messe Vikarie
Teichwolframsdorf Sonnabendsmesse
Thierschneck
zwei Wochenmessen
Thieschitz
Sonnabendsmesse
VP1539, fol. 93v VP1533, I, fol. 277v SR1506, S. 186 VP1533b, fol. 50v VP1533a, fol. 10v VP1533c, fol. 178r
die von Wolframsdorf
VP1529a, fol. 216r am Altar St. Katharina (= die Vikarie?)
Frühmesse Thälendorf
VP1539, fol. 92r VP1539, fol. 93v VP1539, fol. 93v
VP1529a, fol. 216r/ 253v VP1533a, fol. 13v
wurden vom Vikar von Aue gehalten
VP1533b, fol. 12v VP1528, fol. 307r VP1528, fol. 307r VP1533, I, fol. 77v
zwei Messen Thonhausen Kapelle Tiefenort
Vikarie
Grafen von Beichlingen
Tonndorf
Kommende
Gemeinde
VP1533, II, fol. 172v
1512 eingerichtet
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EFP, fol. 18v
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
601 VP1528, fol. 57v
Annenmesse Treben
Stiftung durch Gutsherren Zcetzsch
Salve Regina Trebra
Kapelle
Treppendorf
Kapelle Hll. Drei Kgg. Vikarie Hll. Drei Kgg.
Tüngeda
Kapelle
Tünschütz
Messe
Vikarie St. Alban Tunzenhausen
an Stelle der neuzeitlichen Schenke Stiftung durch die Bauern von Tünschütz Kanoniker Erfurter Marienstift & Christoph Pock
Kapelle St. Alban HeiligKreuz-Messe
Uelleben
Pfarrer und Gemeinde
wird im SR1506, S. 92 als Vikarie St. Fabian & Sebastian erwähnt
Vikarie Corpus Christi Vikarie St. Marien
Ufhoven Vikarie
VP1533, II, fol. 165r
VP1540, fol. 86v VP1539, fol. 231r VP1540, fol. 85v VP1539, fol. 231r
Salve Regina
Vikarie St. Sebastian
SR1506, S. 368 SR1506, S. 124 SR1506, S. 124 Brückner, Schulenstaat, 3, 2, S. 59f.
VP1539, fol. 231v
Exequien
Udestedt
VP1528, fol. 199v
EFP, fol. 92v; Hannappel, S. 169 SR1506, S. 186 VP1539, fol. 136v
wird im SR1506, S. 214 als Vikarie Hl. Kreuz erwähnt
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VP1539, fol. 137r
ANHÄNGE
602
Uhlstädt
Kapelle St. Wolfgang
Familie von Eichenberg
Kirche der Wüstung Töpfersdorf
Fronleichnamsmesse Untersuhl
?
Unterwellenborn
Votivmesse
Urbich
Kapelle St. Marien
Stiftung durch Bauern des Dorfes
Kloster Berka
Vikarie St. Marien Vippachedelhausen
Vogelsberg
Kapelle St. Peter
in der Kapelle Abt Kl. Georgenthal
Vikarie St. Marien und St. Elisabeth
Schultheiß
Vikarie St. Johannes d. T.
Pfarrer daselbst
ehem. Kirche der Wüstung Kottelingen wohl Schultheiß des Propstes des Nordhäuser Kreuzstifts im Dorf
Voigtstedt
Volkmannsdorf
Fronleichnamsmesse
VP1533, II, fol. 371v EFP, fol. 85r; Hannappel, S. 180f. SR1506, S. 94 f. Hannappel, S. 167 VP1533, II, fol. 39v; Hannappel, S. 87
VP1533, II, fol. 39v SR1506, S. 327 SR1506, S. 327 SR1506, S. 327 SR1506, S. 328 VP1533, II, fol. 312r VP1533, I, fol. 231v
Hans von Obernitz
zwei Messen Wahlwinkel
VP1533, I, fol. 31r
Hannappel, S. 87
Annenmesse Vikarie St. Juliana Vikarie St. Marien Vikarie St. Andreas Vikarie Corpus Christi Frühmessvikarie
VP1533, II, fol. 277r; Hannappel, S. 223 VP1529, fol. 80v
1484 durch Hans Bottener d. J. gestiftet
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Bünz, II/2, S. 642
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
Walschleben
Waltersleben
Vikarie Hl. Kreuz & St. Marien Fronleichnamsmesse
603
Gemeinde
EFP, fol. 37v EFP, fol. 103v EFP, fol. 103v EFP, fol. 103v
Salve Regina Sonnabendsmesse wohl mit einer der im SR1506 genannten identisch
Vikarie
Wandersleben
Kapelle St. Nikolaus
bei Wandersleben
Vikarie St. Katharina Vikarie Hl. Kreuz Wangenheim Warza
Wasserthaleben
Vikarie St. Nikolaus Vikarie St. Marien Vikarie St. Katharina Kapelle St. Marien Vikarie St. Katharina Vikarie
von Wangenheim zu Winterstein Wangenheim beide Linien die Königsee zu Eisenach
in Pfarrkirche in Pfarrkirche
wird im SR1506 als "Vicaria nova" beschrieben
Fronleichnamsmesse Weberstedt
Vikarie Kapelle
Wechmar
Salve Regina
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VP1533, I, fol. 294v LATh–StA Gotha, Hohenlohe-Archiv, 314a SR1506, S. 196 SR1506, S. 196 VP1533, I, fol. 318r VP1533, I, fol. 318r VP1533, I, fol. 187r SR1506, S. 336 SR1506, S. 336 SR1506, S. 336 VP1539, fol. 111v VP1539, fol. 112r SR1506, S. 210 VP1533, I, fol. 295r
ANHÄNGE
604
Weiden
Weira
Vikarie
Pfarrer von Oberndorf
Vikarie St. Anna
Pfarrer von Neunhofen/ Kurfürst?
Dorf ist Filial von Buttelstedt ehem. Filial von Neunhofen
Ewige Messe Weisbach
Seelbad
Stiftung der Elisabeth Passeck Dorf wüst
Weises
Kapelle St. Peter und Nikolaus Vikarie
Weltwitz
Sonnabendsmesse
Wenigenbuttstedt
Vikarie St. Marien
Wenigenlupnitz
Vikarie St. Cyriakus Vikarie St. Marien
Wenigentennstedt
Familie von Wiehe
Dorf wüst
Rat zu Tennstedt
Dorf wüst
Vikarie Corpus Christi und Hl. Blut De Profundis Salve Regina Frühmesse
Wernburg
Vikarie St. Anna Kapelle St. Veit
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VP1533, II, fol. 61v VP1533, II, fol. 216v VP1533, II, fol. 216v LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2526 SR1506, S. 195 SR1506, S. 195 VP1533, II, fol. 235r SR1506, S. 70; Hannappel, S. 96 SR1506, S. 237 VP1539, fol. 185r; VP1540, fol. 40v SR1506, S. 341 VP1539, fol. 185r VP1539, fol. 185r VP1533, II, fol. 322r Hannappel, S. 312 SR1506, S. 143
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
605 VP1533, I, fol. 306r
Salve Regina Werningshausen
Wersdorf Westgreußen Westhausen
wurde 1483 von den Grafen von Gleichen an der Gramme erbaut
Kapelle St. Marien Kapelle St. Nikolaus Vikarie Hll. Drei Kgg. Vikarie St. Marien
VP1533, II, fol. 81v SR1506, S. 337 SR1506, S. 337 VP1533, I, fol. 336r VP1533, II, fol. 84r VP1533, II, fol. 84r VP1533, II, fol. 84r SR1506, S. 210 VP1533, I, fol. 200r
Salve Regina Salve Regina
Wickerstedt
Messe De Profundis Kapelle
Wiegleben Salve Regina Vikarie Willerstedt
die Witzleben zu Wendelstein
wohl in der Kapelle
Salve Regina Vikarie
Windischleuba
Kapelle
Winterstein
Vikarie St. Johannes
Wittchendorf Witterda
VP1539, fol. 300r SR1506, S. 71; Hannappel, S. 104 f. VP1539, fol. 300v
Kapelle St. Elisabeth
Wilsdorf
Bünz, II/2, S. 666
in Peterskapelle
SR1506, S. 86 VP1528, fol. 205r
in gesonderter Kapelle (Bünz, II/2, S. 678)
Sonnabendsmesse Vikarie St. Marien
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SR1506, S. 186 VP1529a, fol. 229r SR1506, S. 189
ANHÄNGE
606
VP1533a, fol. 25r
Annenmesse Witzleben Vikarie
Wölfis
Salve Regina
Wöllnitz
Ewige Messe
Wolfersdorf
Frühmessbenefizium
Wolfsbehringen
Wormstedt
Vikarie
Johann von Gich 1482/ Friedrich Dhon 1491
Stiftung durch Bauern des Dorfes die von Wangenheim zu Winterstein
VP1533, I, fol. 326v
Fronleichnamsmesse zu Mariae Himmelfahrt
Sonnabendsmesse
Wundersleben
Fronleichnamsmesse Sonnabendsmesse Vikarie Corpus Christi Vikarie St. Marien Fronleichnamsmesse
Wurzbach
Vikarie
Zeigerheim
Fronleichnamsmesse
VP1533, II, fol. 144r VP1529a, fol. 252r
Salve Regina Wüllersleben
VP1533a, fol. 25r; Hannappel, S. 249 VP1533, I, fol. 260v
Marienmesse Wülfershausen
im SR1506, S. 125 wird eine Vikarie St. Katharina und Maria Magdalena erwähnt
Hans Wurm
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VP1539, fol. 427r ff. VP1539, fol. 428v VP1533a, fol. 20r VP1533a, fol. 8r VP1533a, fol. 7v VP1533a, fol. 7v VP1539, fol. 203v SR1506, S. 337 VP1539, fol. 203r SR1506, S. 136 VP1539, fol. 13r
ANHANG 1 – STIFTUNGEN
607
Salve Regina
Stiftung durch Vorfahren von Hans Schlehendorn
Rorate
ebenso
Freitagsmesse
Stiftung von Eichenberg
Zeutsch
Zimmern (LSZ) Zimmernsupra Zoppoten Zwackau
Kapelle Fronleichnamsmesse Wochenmesse Vikarie
Stifter: Caspar von Dragsdorf Caspar von Mosau (?)
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VP1533, II, fol. 279r VP1533, II, fol. 279r VP1533, II, fol. 279v SR1506, S. 209 EFP, fol. 113v VP1533b, fol. 85r VP1533, II, fol. 230v
ANHÄNGE
608
Anhang 2 – Bruderschaften ANHANG 2 – BRUDERSCHAFTEN
ORT
ART DER BS
Altengottern
Sebastians-BS
VP1539, fol. 149v
Berka/Werra
Kaland
VP1533, I, fol. 47r
Beutnitz
Annen-BS
VP1533, II, fol. 133v
Creuzburg
Kaland
VP1533, I, fol. 13v
Ebeleben
Kaland
VP1539, fol. 129r
Flarchheim
Sebastians-BS
Friemar
Sebastians-BS
STIFTER/ TRÄGER
NACHWEIS
VP1539, fol. 68r sehr wahrscheinlich aus Erwähnung in Register
Brückner, Schulenstaat, 2, 2, S. 29
Gerstungen
Fronleichnams-BS Kaland
Görmar
Kaland
AGBM, Nr. 1625
Gößnitz
Kaland
VP1533d, fol. 25r
Kaland
VP1533, I, fol. 302r
Gebesee
Gräfentonna
Großengottern
Großmonra Großvargula Hausbeichlingen Herbsleben Hermstedt Ibenhain
VP1540, fol. 39r
Sebastians-BS Jakobs- und Walpurgis-BS
VP1533, I, fol. 302v eigene Kommende in Walpurgiskirche (SR1506, S. 207)
VP1539, fol. 58v
Fronleichnams-BS BS
BAE, Marienstift, Urkunden I, 1319 EFP, fol. 9v
Kaland
VP1540, fol. 109r
Kaland
VP1539, fol. 163v
Sebastians-BS
VP1539, fol. 166v
? BMV-BS, evtl. weitere
VP1533, II, fol. 87v VP1533, I, fol. 220v
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ANHANG 2 – BRUDERSCHAFTEN
609 Bünz, Klerus, II/1, S. 387 VP1533, II, fol. 86v
Ichtershausen
Kaland
Kapellendorf
Sebastians-BS
Kirchheilingen
Sebastians-BS
Kleinfahner
Sebastians-BS
Klettstedt
Sebastians-BS
VP1539, fol. 80v LATh–StA Gotha, Geh. Archiv, XXIII, 2c VP1539, fol. 144r
Kosma
Kaland
VP1528, fol. 297r
Krippendorf
BS
Lauchröden
Annen-BS
Leubingen
Kaland
Marksuhl
Sebastians-BS
Marlishausen
Kaland
Molschleben
Sebastians-BS
Mühlberg
Sebastians-BS
VP1540, fol. 211v die v. Reckerod (?)
VP1533, I, fol. 110r VP1539, fol. 278r
ab 1470 viermal jährlich Vigilien der Pff.
VP1533, I, fol. 27v Einicke, Reformationsgeschichte I, S. 90/127 VP1533, I, fol. 202r
1464 werden zwei Vormunde des Sebastiansaltars genannt (StAE, 0-0/C, Mühlberg, Nr. 4)
EFP, fol. 5v
Annen-BS
EFP, fol. 6v Bestätigung durch Kardinal Raimund 29.11.1502
Niederzimmern
Kaland
Oberbösa
BMV-BS
VP1539, fol. 206r
Ranstedt
BS
EFP, fol. 33v
Reisdorf
Kaland
VP1540, fol. 263r
Sachsenburg
Kaland
VP1539, fol. 259r
Schallenburg
Sebastians-BS
EFP, fol. 35r
Schönewerda
BMV-BS
VP1539, fol. 299r
Schönstedt
Sebastians-BS
VP1539, fol. 64v
Schwarzburg
Annen-BS
Einicke I, S. 123/126
Imhof, Niederzimmern, S. 38-42
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ANHÄNGE
610 Schwerstedt (Straußfurt) Seebergen
Annen-BS
VP1539, fol. 201r
Mertens-BS
Süßenborn
Kaland
Sundhausen
Sebastians-BS
Einicke I, S. 126 LATh–HStA Weimar, EGA, Reg. Ii 438 VP1539, fol. 94v
Tennstedt
Kaland
VP1539, fol. 178v
Thamsbrück
Kaland
VP1539, fol. 104r
Waltershausen
Kaland
VP1533, I, fol. 221r
Wandersleben
Kaland Sebastians-BS
Wangenheim
1441 auf Initiative der Gff. v. Gleichen seit 1467 nachweisbar
Kaland Wechmar Weisbach
Sebastians-BS Fronleichnams-BS
Gemeinde/ Familie Passeck
Reinhardt, Gräfentonna Wangenheim, Wangenheim, S. 148 Wangenheim, Wangenheim, S. 148 VP1533, I, fol. 295r LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 2526
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ANHANG 3 – HOSPITÄLER
611
Anhang 3 – Hospitäler ANHANG 3 – HOSPITÄLER
ORT
Ämilienhausen Altengottern Bergsulza Berka/Werra Dorndorf
Großengottern
Großmölsen Günstedt Haina
Herbsleben
BEZEICHNUNG/ EVTL. BEMERKUNG Leprosorium, Wü. bei Mühlhausen Siechenhof Hospital „Zum grünen Schild“, in Bergsulza ?, Kanoniker leisten 1506 Abgabe Sondersiechenhaus Sondersiechen, unter Verwaltung Kirchenfabrik Siechenhof, Stiftung derer von Gottfart; im SR1506, S. 207 wird ein Leprosorium bei Großengottern erwähnt, Kapelle ist dem Kl. Mülverstedt inkorporiert Spital Hospital, Kapelle unter SR1506, S. 330 Hospital, Stiftung einer Witwe von Wangenheim, jenseits der Nesse Hospital, gegründet Ende 14. Jh., vor dem Niedertor Sondersiechenhaus
Kleinbrembach
Leprosorium
Ilversgehofen
Leprosorium, Stiftung eines Erfurter Bürgers von 1392 (Bünz, Klerus, II/2, S. 397)
Langewiesen
Siechenhof
Linderbach Molschleben Neunheilingen
Leprosorium / Hospital St. Georg Siechenhaus vor dem Ort, gestiftet 1514 Siechenhof
NACHWEIS
SR1506, S. 345 VP1539, fol. 150r SR1506, S. 86 VP1533, I, fol. 39r VP1539, fol. 413r
VP1539, fol. 60r
Störzner, Großmölsen, S. 16 VP1539, fol. 212r Brückner, Schulenstaat, 3, 2, S. 48f. Zeyss, Herbsleben, S. 64/ VP1539, fol. 167r VP1539, fol. 167r Hannappel, Kommissare, S. 187 SR1506, S. 60/ Hannappel, S. 60 LATh–StA Rudolstadt, 5-16-3200, 5259, fol. 8r Blaha/Blaha, Hochstedt, S. 74f. Gebhardt, Molschleben, S. 14ff. VP1539, fol. 123r
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ANHÄNGE
612 Oberweimar
Leprosorium
Sonneborn
Hospital
VP1533, II, fol. 91r/ SR1506, S. 106 VP1533, I, fol. 180v
Windischleuba
Siechhaus
VP1533d, fol. 48r.
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ANHANG 4 – DÖRFER MIT ZWEI ODER DREI PFARRKIRCHEN
613
Anhang 4 – Dörfer mit zwei oder drei Pfarrkirchen ANHANG 4 – DÖRFER MIT ZWEI ODER DREI PFARRKIRCHEN
ORT
PATRO-
PATRONAT
ZINIEN
BEMER-
VP1539, fol. 149r VP1539, fol. 149r VP1533, I, fol. 245r
Martin Altengottern Wigbert
die von Hain
Walpurgis
Apfelstädt Maria
Ulrich
Abt Kl. Homburg
Bothenheilingen Christina
Johannes
Lazariten in Braunsroda/ Komtur des Johanniterordens
Cyriacus
Abt Kl. Oldisleben
Bretleben
Büßleben
Michael
NACHWEISE
KUNGEN
Severistift Erfurt
zu unbekannter Zeit vor der ersten Visitation eingegangen, Turm noch vorhanden im SR1506, S. 344 f. werden zwei Pfarreien, „B. superior“ und „B. inferior“ erwähnt Dehio führt beide fälschlich zusammen zur Entwicklung des Patronates vgl. Hannappel, S. 110f.
Lehfeldt 8, S. 6
VP1539, fol. 123v
VP1539, fol. 125v
SR1506, S. 72
SR1506, S. 72; Hannappel, S. 111 zur Entwicklung des Patronates vgl. Hannappel, S. 174f.
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SR1506, S. 94
ANHÄNGE
614 Büßleben
Peter Nikolaus
Döllstädt Peter Maria
Elxleben/ Gera
Johannes
Grafen von Gleichen Grafen von Gleichen Erfurter Rat
Neuwerkskloster Erfurt
Klosterpfarrei
wurde erst nach Wüstfallen des Dorfes Münstergehofen mit der Mutterkirche Mitte des 15. Jh. eigene Pfarrei Patrozinium später zu Katharina geändert
Gebesee Bonifatius
Vitus
Kapitel Marienstift Erfurt
Kilian
Stefansstift Mainz/ Severistift Erfurt
zur Entwicklung des Patronates vgl. Hannappel, S. 57 Bünz, II/1, S. 294f.
Görmar Nikolaus
Großbrembach
Kilian
Bohlen, Gebesee, S. 6f. EFP, fol. 51r; Hannappel, S. 57
Martin
Wigbert
EFP, fol. 40v
Bohlen, Gebesee, S. 6f.
Laurentius
Gispersleben
Hannappel, S. 175 VP1533, I, fol. 304r VP1533, I, fol. 304v EFP, fol. 39r
Karthäuserkloster Erfurt Propst des Nordhäuser Kreuzstiftes
wird zwischen 1445 und 1506 aufgelöst Sedes Guthmannshausen
VP1533, II, fol. 36r
Sedes Sömmerda
VP1533, II, fol. 36v
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Bünz, II/1, S. 294f.
ANHANG 4 – DÖRFER MIT ZWEI ODER DREI PFARRKIRCHEN
Martin Großengottern Walpurga
Melchior von Hausen albert. Herzog
Bonifatius
Kl. Fulda
Peter & Paul
Kl. Hersfeld, ab 1222 Kl. Frauensee
Peter
Grafen von Gleichen
Großenlupnitz
Günthersleben
VP1539, fol. 56r VP1539, fol. 57v Patronat in beiden Fällen nach Bünz, II/1, S. 319f.
VP1533, I, fol. 128r/130v
Patronat nach Bünz, II/1, S. 337
SR1506, S. 194 SR1506, S. 194 SR1506, S. 206 SR1506, S. 206
Maria Heroldishausen Patrozinium nach Bünz, II/1, S. 378 vor 1759 säkularisiert, evtl. keine Pfarrei, sondern identisch mit Annenvikarie
Wigbert?
Holzhausen Anna
Peter & Paul
Abt Kl. Hersfeld
Nikolaus
albert. Herzog
Kannawurf
Maria Kirchheilingen
Wigbert Bonifatius
615
Abt Kl. Homburg Berlt Schneebrand Junker von Hain zu Altengottern
VP1533, I, fol. 249r
Brückner, Schulenstaat, 2, 5, S. 83 VP1539, fol. 259v VP1539, fol. 262r; VP1540, fol. 102r VP1539, fol. 73v VP1539, fol. 75r
einzig erhaltene der drei Kirchen
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VP1539, fol. 79r
ANHÄNGE
616
Kleinbrembach
Nikolaus
Propst des Nordhäuser Kreuzstiftes
Bonifatius
Karthäuserkloster Erfurt
Maria
albert. Herzog
Wigbert
Abt Volkenroda
Michael
Kurfürst
Körner
Mellingen Georg
Maria Molsdorf Alban
die von Thun zu Molsdorf
Georg
Niederzimmern
Bonifatius
Komtur des Dt. Ordens Erfurter Rat
Wigbert
Erfurter Rat
Wigbert Olbersleben
Sedes Guthmannshausen bis zur Reformation ebenfalls Patronat des Kl. Volkenroda (Bünz, II/1, S. 137)
EFP, f. 14v; SR1506, S. 63; Hannappel, S. 81 SR1506, S. 65
VP1539, fol. 108r
VP1539, fol. 109r VP1533, II, fol. 17v VP1533, II, fol. 18r
Grafen von Gleichen Propst des Erfurter Marienstiftes/ Erzbischof von Mainz
Nägelstedt Michael
Sedes Sömmerda
VP1533, I, fol. 349r zur Entwicklung des Patronates vgl. Hannappel, S. 324 Kirche der Komturei des Dt. Ordens
VP1533, I, fol. 349r; Brückner, Schulenstaat, 1, 6, S. 64f. Dehio, S. 865 VP1539, fol. 151r EFP, fol. 89v EFP, fol. 91r
eine der beiden war Lehen Wiprechts von Kölleda
Vitus
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VP1533, II, fol. 43r VP1533, II, fol. 43r
ANHANG 4 – DÖRFER MIT ZWEI ODER DREI PFARRKIRCHEN
Peter Ollendorf
Erfurter Rat/ Erfurter Peterskloster (StAE, 0-0/C, Ollendorf, Nr. 17)
Philipp & Jacob Bonifatius
zur Entwicklung des Patronates, woran auch Erfurter Familien beteiligt waren vgl. Hannappel, S. 168 1524 Filial von Niederzimmern (Bonifatius?)
1515-1519 auf Bitten Johanns von Werthern Patronat der Gemeinde (Hannappel, S. 82)
Elisabeth
Maria
Grafen von Honstein
Pankratius
Hans Knuth
Peter
Erfurter Rat
Vitus
Maria Schönstedt
war dem Marienstift Gotha inkorporiert
EFP, fol. 94v
SR1506, S. 63
SR1506, S. 127; Hannappel, S. 256 SR1506, S. 127; Hannappel, S. 256
Ostramondra
Schlossvippach
EFP, fol. 94v
SR1506, S. 63; Hannappel, S. 82
Grafen von Stollberg
Orlishausen
617
wird im SR1506, S. 64 als Kapelle und nicht als Pfarrei erwähnt 1524 zu Pfarrei St. Peter im VP1539 erscheint Albertiner als Patron
Martin
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EFP, fol. 11v
EFP, fol. 13r VP1539, fol. 61r; Bünz, Klerus, II/2, S. 589 VP1539, fol. 62v
ANHÄNGE
618 zu möglichen Patrozinien vgl. Bünz, II/2, S. 596f.
Seebach
SR1506, S. 205 SR1506, S. 205
Nikolaus
Kurfürst
Wigbert
Katharinenkloster Eisenach
Sundhausen (Gotha)
Sundhausen (Tennstedt)
Bonifatius Maria
Maria Töttelstädt
eine der Kirchen „vor dem Dorf“, evtl. von Wü. Gossenborn; vor 1533 war die Kirche dem Nikolaikloster in Eisenach inkorporiert
VP1533, I, fol. 227r/ SR1506, S. 172
VP1533, I, fol. 227r/ SR1506, S. 171 VP1539, fol. 92r VP1539, fol. 93r
Grafen von Gleichen Dompropst Mainz beide Kirchen wurden 1445 zusammengelegt, Marienkirche blieb Kapelle
Nikolaus
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Bünz, II/1, S. 181
Bünz, II/1, S. 181
ANHANG 4 – DÖRFER MIT ZWEI ODER DREI PFARRKIRCHEN
Trübenbach, Beiträge, S. 37
Anna
Tüngeda Christoph
619
beide Kirchen wurden von den Wangenheim bereits vor der ersten Visitation zusammengelegt
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Wangenheim, Wangenheim, S. 149
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Allgemein ABG albert. Anm. Art. Bd. Bearb. BMV BS d. Ä. d. J. d. T. d. Verf. Diss. dt. ebd. ehem. et al. evtl. f./ff. fl. fol. geh. Gf. H. Habil. Hg. hl. Jh. Kap. Kat. Kg. Kl. Lkr. LSZ Mag. masch.
Altenburg albertinisch Anmerkung Artikel Band Bearbeiter Beatae Mariae Virginis Bruderschaft der Ältere der Jüngere der Täufer der Verfasser Dissertation deutsch ebenda ehemals et alii (und andere) eventuell folgende Gulden Folio geheim Graf Heft Habilitation Herausgeber heilig Jahrhundert Kapitel Katalog König Kloster Landkreis Langensalza Magisterarbeit maschinenschriftlich
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
o.g. o. J. ND NF Nr. Pf. r Reg. S./Sp. SOK St. thür. u. a. u. U. v v. Wü.
oben genannt ohne Jahr Neudruck Neue Folge Nummer Pfarrer Rectoseite Registrande Seite/Spalte Saale-Orla-Kreis Sankt thüringisch unter anderem unter Umständen Versoseite von Wüstung
Archivabkürzungen BAE EGA LASA LATh–HStA LATh–StA PfA SBB SHStAD StAE StAG StAM
Bistumsarchiv Erfurt Ernestinisches Gesamtarchiv Landesarchiv Sachsen-Anhalt Landesarchiv Thüringen, Hauptstaatsarchiv Landesarchiv Thüringen, Staatsarchiv Pfarrarchiv Staatsbibliothek Berlin Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Stadtarchiv Erfurt Stadtarchiv Gera Stadtarchiv Mühlhausen
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS 1. Ungedruckte Quellen UNGEDRUCKTE QUELLEN
Archiv der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Jena -
Bewidmung Burgau 1551 Kirchenrechnungen Ammerbach 1547–1602 Rechnungen Lichtenhain
Archiv des evangelischen Ministeriums Erfurt -
A VII, a, 1g, Vol. I A VIII, a 3
Bistumsarchiv Erfurt -
Geistliches Gericht, älterer Bestand: I 1; II 8; II 9; III B 29; IV k 23; VI l 2; VI l 10; VI l 59; VI l 84 Marienstift: VII e 7, 1; VII, e4, 4, Vol. 1; I R5, 2; VII e 4, 3, Vol. 1 Marienstift Urkunden I: 1099; 1076a; 1138; 1242; 1243; 1246; 1304; 1319; 1327; 1338; 1383; 1428; 1445; 1452; 1454; 1457; 1462; 1471; 1472 Marienstift Urkunden II: 173; 227; 229
Domstiftsarchiv Naumburg -
Liber flavus Tit. XXXIV 5 Tit. XXXIV 5, Rabis 1538
Gemeindearchiv Herbsleben -
Loc. 6, Nr. 30
Kreisarchiv Sömmerda -
Gebesee: 3899; 3913; 3918
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt -
A 29a: II, Nr. 1b; II, Nr. 1c A 37b I, II, XIV Nr. 1 D 40: A XIII b 6, Nr. 1; A XIII b 6, Nr. 2
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UNGEDRUCKTE QUELLEN
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Pfarrarchive -
PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.1 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.3.D.2 PfA Dienstädt, 121/8.Kart.4.D.3 PfA Dienstädt, 130.Kart.11.D.1 PfA Dobitschen, 121/8, Kirchenrechnungen Tegkwitz 1428–1539 PfA Elxleben, Gesamtregister 1575–1692 PfA Falkenhain bei Meuselwitz, A.c.i., Vol. IV PfA Lippersdorf, 121/8, Kirchenrechnungen 1540–1663 PfA Neunhofen, B.I.1 PfA Roben, 39 PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.26 PfA Trockenborn, 121/8.S.1.F.3.R.1.27 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 1. Fach, 9. Karton, lfd. Nummer 623–732, Kirchenrechnungen Steudnitz 1539–1584 PfA Wetzdorf, Schrank 6, 2. Fach, 1. Karton, lfd. Nummer 932–961, Kirchenrechnungen Tautenburg 1537–1667
Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden -
10088, Loc. 10599/2 10024, Loc. 10594/2 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10300/6 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10301/1 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10508/8 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10595/9
Staatsbibliothek Berlin -
Einbl. 1544, 1m
Stadtarchiv Erfurt -
0-0: C, Linderbach, Nr. 3; C, Kirchheim, Nr. 4a; C, Mühlberg, Nr. 2a; C, Nottleben, Nr. 4; C, Schmira, Nr. 10 1-0: A VIII-3a; B I-1 1-1/VIb-5, Nr. 2 1-1/XXI-1b, 1 libri communium 1516/1517 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 1, liber communium 1472–1480 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 2, liber communium 1483–1487 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 3, liber communium 1501–1506 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 4, liber communium 1509–1511
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
624 -
1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 5, liber communium 1519‒1522 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 6, liber communium 1523–1525 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 7, liber communium 1523–1526 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 8, liber communium 1526–1529 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 9, liber communium 1529–1533 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 10, liber communium 1529–1534 1-1/XXI, 1b-1b, Bd. 11/1, liber communium 1534–1537 1-1/XXII, 3-4 1-1/XXII, 3-5
Stadtarchiv Gera -
III B, 19334
Stadtarchiv Jena -
C Wenigenjena, Nr. 1
Stadtarchiv Mühlhausen -
10/E6, Nr. 3 10/E6, Nr. 3a, Bd. 1 10/E6, Nr. 4a 10/E6, Nr. 4b 10/E6, Nr. 5 10/E6, Nr. 13 10/T, 1–4 (1/2), Nr. 4 10/Y ½, Nr. 1 10/Venus, 1c Eigenrieden, 4c 239/1b, Bd. 1 239/4b, Bd. 1 239/8b, Bd. 1
Stiftsarchiv Zeitz -
Cat.pag. 51, Nr. 1 KollSti, N.Rep, M 2b Urkunden 49
Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg -
A.G. Kahla Cl. XI Ca, 1a Urkunden: 1472 Oktober 4
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UNGEDRUCKTE QUELLEN
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Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha -
-
Geheimes Archiv: XXIII, 1a ; XXIII, 2a; XXIII, 2c; XXIII, 4cc; XXXII, 4vv; XXIII, 4x; XXIII, 4z; XXIII, 432 Hohenlohe-Archiv, 314a Oberkonsistorium: Specialia, Amt Gotha 181; Specialia, Amt Gotha 219; Specialia, Amt Gotha 256; Amt Ichtershausen, 94; Amt Ichtershausen 96; Amt Ichtershausen, 140a; Loc 19, Nr. 1; Loc 19, Nr. 2; Loc 60b, 1; Loc 60e, 1 Sammlung Karten, Q 1.2 1551a
Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Rudolstadt -
Archivum Commune: 534 Documenta varia: 62; 73 Geheimes Archiv (Restbestand): C IV, 2h, Nr. 7 Kanzlei Arnstadt: 2983; 2987; 2988; 3272 Kanzlei Sondershausen: 3251; 3317; 4650 Konsistorium Arnstadt: 6587; 7797; 10294 Sondershäuser Urkunden: 1358; 1438, Februar 14 Stadtarchiv Königsee: 3004 A VIII, 4d, Nr. 22 5-16-3200: 2218; 2219; 2523; 2524; 2525; 2526; 2553; 2555; 2556; 2561; 2902; 2905; 2906; 4336; 4337; 4338; 4339; 4344; 5259; 5260; 5264; 5265; 5266; 5267; 5673; 5674; 5675; 5676; 5677; 5678; 5679; 5680; 5683; 5684; 5685; 5686; 5687; 5691; 5693; 5695; 5696; 5697; 5698; 5701
Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar -
Reg. Bb: 3119; 3123; 3127; 3130; 3131; 3151; 3159; 3162; 3164; 3165; 3166; 3170; 3171; 3173; 3175; 3177; 3180; 3182; 3184; 4049 Reg. Ff: 84b Reg. Gg: 3533 Reg. Ii: 1; 2; 3; 4 (Bd. I/Bd. II); 6; 7; 9; 17; 23–26; 53; 105; 116; 136; 145; 148; 151; 170; 174; 198; 212; 230; 237; 246; 248; 251; 255; 262; 265; 267; 273; 277; 278; 311; 352; 395; 399; 411; 415; 418; 419; 421; 432; 435; 438; 439; 443; 522; 531; 583; 600; 614; 646; 650; 663; 665; 666; 667; 695; 700; 786; 793; 855; 883; 907; 921; 933; 970; 976; 998; 1002; 1010; 1023; 1028; 1052; 1054; 1059; 1105; 1180; 1186; 1192; 1211; 1212; 1218; 1223; 1230; 1255; 1276; 1323; 1338; 1470; 1483; 1517; 1586; 1626; 1682; 1685; 1733; 1764; 1857; 1910; 2006; 2016; 2021; 2023; 2082; 2105; 2124; 2126; 2204; 2207; 2208; 2239; 2241; 2258; 2277; 2295; 2305; 2318; 2322; 2336; 2339; 2464; 2480; 2579; 2667;
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
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-
2694; 2717; 2718; 2719; 2734; 2745; 2770; 2771; 2774; 2775; 2800; 2848; 2850 Reg. Ll: 1; 6; 13; 28; 57; 83; 89; 139; 173; 175; 179; 180; 247; 317; 318; 370; 371; 377; 378; 384; 385; 387; 406; 418; 419; 422; 440; 465; 506; 594; 618; 620; 623; 632; 667; 689; 690; 693; 703; 714; 715; 722; 753; 792; 793; 799; 827; 841; 862 Reg. Rr: pag. 349, No. 5, 97a
2. Quelleneditionen und Forschungsliteratur QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
Quelleneditionen ABKG I = Gess, Felician (Hg.): Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen, Bd. 1: 1517–1524 (Aus den Schriften der Sächsischen Kommission für Geschichte, 10), Leipzig 1905. ABKG II = Gess, Felician (Hg.): Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen, Bd. 2: 1525–1527 (Aus den Schriften der Sächsischen Kommission für Geschichte, 22), Leipzig 1917. ABKG III = Jadatz, Heiko/Winter, Christian (Hg.): Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen, Bd. 3: 1528–1534, Köln/Weimar/Wien 2010. ABKG IV = Jadatz, Heiko/Winter, Christian (Hg.): Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen, Bd. 4: 1535–1539, Köln/Weimar/Wien 2012. AGBM II = Fuchs, Walther Peter (Hg.): Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland, Bd. 2, Jena 1942. BURKHARDT, Landtagsakten = Burkhardt, Karl August Hugo (Hg.): Die Landtage von 1487–1532 (Thüringische Geschichtsquellen, 8), Jena 1902. DOBENECKER, Regesta II = Dobenecker, Otto (Hg.): Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae, Bd. 2: 1152–1227, Jena 1900. EKO 1, 1 = Sehling, Emil (Hg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 1: Sachsen und Thüringen nebst angrenzenden Gebieten, Teilbd. 1, Leipzig 1902, ND Tübingen 1979. EKO 2, 2 = Sehling, Emil (Hg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 2: Sachsen und Thüringen nebst angrenzenden Gebieten, Teilbd. 2, Leipzig 1904, ND Tübingen 1970.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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FOERSTEMANN, Album = Foerstemann, Carolus Eduardus (Hg.): Album Academiae Vitebergensis 1 (1502–1560), Leipzig 1841. HERRMANN, Protokolle = Herrmann, D. Fritz: Die Protokolle des Mainzer Domkapitels, Bd. 3/1: Die Protokolle aus der Zeit Erzbischofs Albrecht von Brandenburg 1514–1536, Darmstadt 1974. JOVIUS, Chronicon = Jovius, Paulus: Chronicon Schwarzburgicum germanicum, hg. v. Kreysig, Georg Christoph, in: Diplomataria et scriptores historiae germanicae medii aevi cum sigillis aeri incisis, Teil I, Altenburg 1753, S. 109–724. KRAUSE, Briefwechsel = Krause, Carl (Hg.): Der Briefwechsel des Mutianus Rufus (Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, Supplement NF 9), Kassel 1885. REGESTEN WANGENHEIM I = Wangenheim, Friedrich Hermann Albert von (Hg.): Regesten und Urkunden zur Geschichte des Geschlechts Wangenheim und seiner Besitzungen. Eine erste bis zum Jahr 1533 zeichnende Sammlung, Hannover 1857. SCHWINGES/WRIEDT, Bakkalarenregister = Schwinges, Rainer C./Wriedt, Klaus (Hg.): Das Bakkalarenregister der Artistenfakultät der Universität Erfurt 1392– 1521 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Große Reihe, 3), Jena 1995. SUBSIDIENREGISTER 1506 = Bünz, Enno (Hg.): Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Große Reihe, 8), Köln/Weimar/Wien 2005. STANBERGER, Dialogus = Stanberger, Balthasar: Dialogus zwischen Petro und einem Bauern (1523), hg. v. Clemen, Otto (Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, 3/5), Leipzig 1908. THIELE, Memoriale = Thiele, Richard (Hg.): Memoriale. Thüringisch-Erfurtische Chronik von Konrad Stolle (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 39), Halle 1900. UB Arnstadt = Burkhardt, Karl August Hugo (Hg.): Urkundenbuch der Stadt Arnstadt 704–1495 (Thüringische Geschichtsquellen , 4), Jena 1883. UB Bürgel = Mitzschke, Paul (Hg.): Urkundenbuch von Stadt und Kloster Bürgel, Bd. 1: 1133–1454 (Thüringisch-sächsische Geschichtsbibliothek, 3), Gotha 1895. UB Familie Hausen = Jess, Hartwig (Hg.): Urkundenbuch der Familie v. Hausen, thüringische Linie, Lützensömmern, Großballhausen, Schönstedt, Gorsleben 876–1993, Arnstadt 1994. UB Paulinzella = Anemüller, Ernst (Hg.): Urkundenbuch des Klosters Paulinzelle 1068–1534 (Thüringische Geschichtsquellen, 7), Jena 1905. UB Stifter I = Overmann, Alfred: Urkundenbuch der Erfurter Stifter und Klöster, Bd. I: 706–1330 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, 3), Magdeburg 1926.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
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UB Stifter III = Overmann, Alfred (Hg.): Urkundenbuch der Erfurter Stifter und Klöster, Bd. III: Die Urkunden des Augustiner-Eremitenklosters (1331–1565) (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, 16), Magdeburg 1934. WA = D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Abt. 1: Werke, 73 Bde., Weimar 1883–2009. WA, Briefe = D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Abt. 4: Briefwechsel, 18 Bde., Weimar 1930–1985. WEISSENBORN, Universität = Weissenborn, Johann Christian Hermann (Hg.): Acten der Erfurter Universität, 3 Bde., Halle 1881–1899.
Forschungsliteratur ABEL, Wüstungen = ABEL, Wilhelm: Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, 1), Stuttgart 21955. ALBERTI, Reformation = ALBERTI, Ernst: Beitrag zur Geschichte der Reformation im Erfurter Landgebiet, in: Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde im Amtsbezirk Vieselbach 1 (1909), S. 31–59. ALBRECHT-BIRKNER, Reformen = ALBRECHT-BIRKNER, Veronika: Reformation des Lebens. Die Reformen Herzog Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha und ihre Auswirkungen auf Frömmigkeit, Schule und Alltag im ländlichen Raum (1640– 1675) (Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie, 1), Leipzig 2002. ALTENDORF/JEZLER, Bilderstreit = ALTENDORF, Hans-Dietrich/JEZLER, Peter (Hg.): Bilderstreit: Kulturwandel in Zwinglis Reformation, Zürich 1984. ALTHAUS, Stiftung = ALTHAUS, Rüdiger: Art. Stiftung, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 9, Freiburg ³2000, Sp. 1002‒1004. ALTRIPP/NAUERTH, Architektur = ALTRIPP, Michael/NAUERTH, Claudia (Hg.): Architektur und Liturgie (Spätantike, frühes Christentum, Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend, 21), Wiesbaden 2006. ANDERMANN/FOUQUET, Zins = ANDERMANN, Kurt/FOUQUET, Gerhard (Hg.): Zins und Gült. Strukturen des ländlichen Kreditwesens in Spätmittelalter und Frühneuzeit (Kraichtaler Kolloquien, 10), Epfendorf 2016. ANDREÄ, Stotternheim], ANDREÄ, Friedrich Wilhelm: Geschichte des Dorfes Stotternheim von der ältesten Zeit an bis zur Gegenwart, Stotternheim 1904. ANGENENDT, Offertorium = ANGENENDT, Arnold: Offertorium. Das mittelalterliche Messopfer (Liturgiewissenschaftliche Forschungen, 101), Münster ³2014. ANGENENDT, Religiosität = ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt ³2005.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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ANGENENDT/MEINERS, Erscheinungsformen = ANGENENDT, Arnold/MEINERS, Karen: Erscheinungsformen spätmittelalterlicher Religiosität, in: Officia Divina. Liturgie und Frömmigkeit im Mittelalter, Ausst.-Kat. hg. von Patrizia Carmassi (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek, 83), Wolfenbüttel 2004, S. 25–35. APFELSTEDT, Oberherrschaft = APFELSTEDT, Friedrich: Beschreibende Darstellung der Kunstdenkmäler des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen, Bd. 2: Die Oberherrschaft, Sondershausen 1887. APFELSTEDT, Unterherrschaft = APFELSTEDT, Friedrich: Beschreibende Darstellung der Kunstdenkmäler des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen, Bd. 1: Die Unterherrschaft, Sondershausen 1886. AREND, Pfarrbenefizien = AREND, Sabine: Zwischen Bischof und Gemeinde. Pfarrbenefizien im Bistum Konstanz vor der Reformation (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde, 47), Leinfelden-Echterdingen 2003. ARNDT, Baulast II = ARNDT, Georg: Die kirchliche Baulast in dem ehemaligen Erfurtischen Gebiete, II. Teil, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 39 (1919), S. 1‒86. ARNDT, Baulast Mühlhausen = ARNDT, Georg: Die kirchliche Baulast im Gebiet der ehemaligen freien Reichsstadt Mühlhausen i. Thür., der Ganerbschaft Treffurt und der Vogtei Dorla, in: Mühlhäuser Geschichtsblätter 18/19 (1918/1919), S. 12‒39. ARNDT, Patronat = ARNDT, Georg: Das Kirchenpatronat in Thüringen (Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde, Beiheft 10), Jena 1927. ARNSTADT, Vargula = ARNSTADT, Albert: Vargula. Ein Beitrag zur Thüringer Kulturgeschichte, Großvargula 1917. AUE, Krautheim = AUE, Karl: Drei Urkunden über das Dorf Krautheim, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 3 (1857– 1859), S. 217–220. AZZOLA/AZZOLA, Scheibenkreuz-Grabsteine = AZZOLA, Juliane/AZZOLA, Friedrich Karl: Mittelalterliche Scheibenkreuz-Grabsteine in Hessen (Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde, 10), Kassel 1972. BADER, Dorf = BADER, Karl Siegfried: Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, 3 Bde., Weimar u. a. 1957–1973. BÄRSCH, Kanzeln = BÄRSCH, Jürgen: Predigtstühle und Kanzeln im Gottesdienst des Mittelalters. Zur Raumgestalt von Verkündigung und Liturgie vor allem in den Kirchen der Sächsischen Franziskanerprovinz (Saxonia), in: Wissenschaft und Weisheit 72/1 (2009), S. 55–87. BÄRSCH, Verhüllen = BÄRSCH, Jürgen: „Velum ante summum altare suspenditur...“. Riten der Verhüllung und Enthüllung in der Liturgie des Mittelalters, in: Huss-
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
lein-Arco, Agnes/Pirker-Aurenhammer, Veronika (Hg.): Aktuell restauriert. Das Fastentuch-Fragment des Thomas von Villlach, Wien 2015, S. 95–111. BANKWITZ, Blankenhain = BANKWITZ, Walther: Geschichte der Stadt und Herrschaft Blankenhain, Bd. 2: Von der Reformation bis zur Gegenwart, Weimar 1922. BAUER, Territorialstaat = BAUER, Joachim: Reformation und ernestinischer Territorialstaat in Thüringen, in: Jürgen John (Hg.), Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert, Weimar u. a. 1994, S. 37–73. BAUMBERG, Arnstadt = BAUMBERG, Emil: Alt-Arnstadt. Eine Wanderung durch die Stadt vor siebzig Jahren, Arnstadt 1894. BAUR, Flugschriften = BAUR, August: Deutschland in den Jahren 1517–25 betrachtet im Lichte gleichzeitiger anonymer und pseudoanonymer deutscher Volks- und Flugschriften. Ein Beitrag zur Charakteristik der Reformation im ersten Zeitraum ihrer Entwicklung, Ulm 1872. BEDAL, Dorfkirchen = BEDAL, Konrad: Dorfkirchen in Franken. Kontinuität und Wandel in Bauformen und Ausstattung 1000–1800 (Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums des Bezirks Mittelfranken, 76), Bad Windsheim ³2016. BELTING, Kult = BELTING, Hans: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst, München ²1993. BELTING, Publikum = BELTING, Hans: Das Bild und sein Publikum im Mittelalter. Form und Funktion früher Bildtafeln der Passion, Berlin ³2000. BEMMANN, Eichen = BEMMANN, Rudolf: Der Untergang des Dorfes Eichen bei Mühlhausen i. Thür., in: Mühlhäuser Geschichtsblätter 14 (1913/1914), S. 1–11. BERGNER, Blankenhain = BERGNER, Heinrich: Bau und Kunstdenkmäler Thüringens, Heft XVII, Amtsgerichtsbezirk Blankenhain. Geprüft durch Dr. Karl Heinrich Bergner, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 17 (1895), S. 689‒725. BERGNER, Buchfart = BERGNER, Heinrich: Die älteste Pfarrmatrikel von Buchfahrt, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 18 (1897), S. 572 f. BERGNER, Kahla = Bergner, Heinrich: Neue Untersuchungen über die Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens. Amtsbezirk Kahla, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichts- und Altertumskunde zu Kahla und Roda 5 (1900), S. 30–86. BERGNER, Ziegenrück = BERGNER, Heinrich: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Kreise Ziegenrück und Schleusingen (Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen und Herzogtum Anhalt XXII), Halle an der Saale 1901.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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BERNDT, Memoria = BERNDT, Rainer (Hg.): Wider das Vergessen und für das Seelenheil. Memoria und Totengedenken im Mittelalter (Erudiri sapientia. Studien zum Mittelalter und seiner Rezeptionsgeschichte, 9), Münster 2013. BERNET, Sturm = BERNET, Claus: Leonhard Christoph Sturm (1669–1719). Mathematiker und Architekturtheoretiker, in: Fränkische Lebensbilder 21 (2006), S. 155–170. BERNING, Osnabrück = BERNING, Wilhelm: Das Bistum Osnabrück vor Einführung der Reformation 1543 (Das Bistum Osnabrück, 3), Osnabrück 1940. BERTRAM, Bilterisleybin = BERTRAM, Max Paul: Bilterisleybin. Geschichte des Dorfes Bindersleben bei Erfurt auf Grund wissenschaftlicher Quellen, Bindersleben 1904. BERTRAM, Dorfpfarrer = BERTRAM, Max Paul: Der Erfurter Dorfpfarrer im ausgehenden Mittelalter. Eine kulturgeschichtliche Skizze auf Grund einschlägiger Quellenforschung, in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen 5 (1908), S. 159–185. BERTRAM, Kaland = BERTRAM, Max Paul: Der Erfurter Kaland. Ein zur Charakteristik der Pfarrgeistlichkeit und des kirchlichen Kultus der Stadt im 14./15. Jahrhundert, Erfurt o. J. BEZZEL, Beichte = BEZZEL, Ernst: Art. Beichte III, Reformationszeit, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 5, Berlin/New York 1980, S. 421‒425. BEZZEL, Einzelbeichte = BEZZEL, Ernst: Frei zum Eingeständnis. Geschichte und Praxis der evangelischen Einzelbeichte (Calwer theologische Monographien, Reihe C, 10), Stuttgart 1982. BEYER/BIEREYE, Erfurt = BEYER, Carl/BIEREYE, Johannes: Geschichte der Stadt Erfurt von der ältesten bis auf die neueste Zeit, Bd. 1: Bis zum Jahre 1664, Erfurt 1935. BIER, Gottwalt = BIER, Justus: Hans Gottwalt of Lohr, a pupil of Tilman Riemenschneider at Saalfeld, in: De artibus opuscula XL. In Honor of Erwin Panofsky, New York 1961, S. 1‒12. BIEREYE, Von der Sachsen = BIEREYE, Johannes: Die von der Sachsen, in: Schuchardt, Hans: Willroda und die Willröder. Ein Beitrag zur Thüringer Heimatund Familienforschung, Erfurt 1928, S. 75‒96. BIEREYE, Ziegler = BIEREYE, Johannes: Das Erfurter Patriziergeschlecht der Ziegler (Wissenschaftliche Abhandlungen. Erfurter Genealogischer Abend, 3), Erfurt 1930. BINDING/LINSCHEID-BURDICH, Bauen = BINDING, Günther/LINSCHEID-BURDICH, Susanne: Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter, Darmstadt 2002.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
BIRGELEN, Reformation = BIRGELEN, Sebastian von: Die Reformation auf dem Lande. Kirchenrechnungen aus dem kursächsischen Amt Wittenberg (1519– 1546), Marburg 2011. BIRKLE, Reichsritterschaft = BIRKLE, Stefan: Reichsritterschaft, Reformation und Konfessionalisierung in Oberschwaben (Oberschwaben – Geschichte und Kultur, 19), Epfendorf 2015. BLAHA, Dorfkirche = BLAHA, Walter: „…vnsere bawfellige Kirche undt Gotteshauß…“. Zur Geschichte der Dorfkirche zu Hochstedt, in: Jahrbuch für Erfurter Geschichte 10 (2015), S. 111–180. BLAHA, Visitatoren = BLAHA, Dagmar: Weltliche Visitatoren. Zur Rolle landesherrlicher Amtsträger bei den ersten Visitationen in Kursachsen nach 1525, in: Bauer, Joachim/Michel, Stefan (Hg.): Der „Unterricht der Visitatoren“ und die Durchsetzung der Reformation in Kursachsen (Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der lutherischen Orthodoxie, 29), Leipzig 2017, S. 77–91. BLAHA, Wimare = BLAHA, Dagmar: „…in civitate nostra Wimare…“. Die Entwicklung Weimars zum Residenzort, in: Jacobsen, Roswitha (Hg.): Residenzkultur in Thüringen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Bucha bei Jena 1999, S. 43–59. BLAHA/BLAHA, Hochstedt = BLAHA, Dagmar/BLAHA, Walter: Hochstedt. Eine Ortsgeschichte, Hochstedt 2004. BLAHA/SPEHR, Reformation = BLAHA, Dagmar/SPEHR, Christopher (Hg.): Reformation vor Ort. Zum Quellenwert von Visittaionsprotokollen, (u. a. Schriften des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar, 7), Leipzig 2016. BLASCHKE, Kapitalmarkt = BLASCHKE, Karlheinz: Die Bedeutung kirchlicher Institutionen für den Kapitalmarkt im 15. und 16. Jahrhundert, in: Bestmann, Uwe u. a. (Hg.): Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen: Festschrift für Wolfgang von Stromer, Bd. I, Trier 1987, S. 559–570. BLICKLE, Absicht = BLICKLE, Peter: Eidgenossenschaft in reformatorischer Absicht. Oder: Wie begründet ist die Kritik an der „Gemeindereformation“, in: Guggisberg, Hans R. (Hg.): Die Reformation in Deutschland und Europa. Interpretationen und Debatten (Archiv für Reformationsgeschichte, Sonderband), Gütersloh 1993, S. 159–174. BLICKLE, Entmündigung = BLICKLE, Peter: Die politische Entmündigung des Bauern. Kritik und Revision einer These, in: Blickle, Peter (Hg.): Revolte und Revolution in Europa. Referate und Protokolle des internationalen Symposiums zur Erinnerung an den Bauernkrieg 1525 (Historische Zeitschrift, Beiheft NF 4), München 1975, S. 298‒312. BLICKLE, Gemeindereformation = BLICKLE, Peter: Gemeindereformation. Die Menschen des 16. Jahrhunderts auf dem Weg zum Heil, München 1987. BLICKLE, Hintergrund = BLICKLE, Peter: Die Reformation vor dem Hintergrund von Kommunalisierung und Christianisierung, in: Blickle, Peter/Kunisch, Johannes
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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(Hg.): Kommunalisierung und Christianisierung. Voraussetzungen und Folgen der Reformation 1400‒1600 (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 9), Berlin 1989, S. 9‒28. BLICKLE, Kommunalismus = BLICKLE, Peter: Kommunalismus. Begriffsbildung in heuristischer Absicht, in: Blickle, Peter (Hg.): Landgemeinde und Stadtgemeinde in Mitteleuropa. Ein struktureller Vergleich, München 1991, S. 5–38. BLICKLE, Reformation = BLICKLE, Peter: Die Reformation im Reich, Stuttgart ³2000. BLICKLE, Revolution = BLICKLE, Peter: Die Revolution von 1525, München ²1983. BLICKLE, Supplikationen = BLICKLE, Renate: Supplikationen und Demonstrationen. Mittel und Wege der Partizipation im bayerischen Territorialstaat, in: Rösener, Werner (Hg.): Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Moderne (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 156), Göttingen 2000, S. 263–317. BLICKLE, Zugänge = BLICKLE, Peter (Hg.): Zugänge zur bäuerlichen Reformation (Bauer und Reformation, 1), Zürich 1987. BLICKLE/HOLENSTEIN/SCHMIDT/SLADECZEK, Macht = BLICKLE, Peter/HOLENSTEIN, André/SCHMIDT, Heinrich Richard/SLADECZEK, Franz-Josef (Hg.): Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im kontext der europäischen Geschichte, München 2002. BOBLENZ, Barkhausen = BOBLENZ, Frank: Zur Geschichte der Gewerkenschaft Barkhausen, in: Udestedt 876–2001. Festschrift zur 1125-Jahr-Feier (Sömmerdaer Heimatheft, Sonderheft 2), Udestedt 2001, S. 72–79. BOBLENZ, Wehrhaftigkeit = BOBLENZ, Frank: Zur Wehrhaftigkeit der ländlichen Bevölkerung im Fürstentum zu Thüringen im 15. Jahrhundert, in: Höhne, Dirk/Schmitt, Reinhard (Hg.): Wehrhafte Kirchen und befestigte Kirchhöfe, Langenweißbach 2015, S. 13–30. BOBLENZ, Wenigenschallenburg = BOBLENZ, Frank: Wüstung und Flurgenossenschaft Wenigenschallenburg, in: Werningshausen 802 bis 2002. Festschrift zur 1200-Jahr-Feier 15. bis 18. August 2002, Erfurt 2002, S. 31–40. BOBLENZ, Wüstungsgenossenschaften = BOBLENZ, Frank: Flur- bzw. Wüstungsgenossenschaften. Beispiele aus dem Landkreis Sömmerda, in: Heimat Thüringen 4/13 (2006), S. 42–44. BOCK, Liturgie = BOCK, Nicolas u. a. (Hg.): Kunst und Liturgie im Mittelalter (Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana, 33), München 2000. BOHLEN, Gebesee = BOHLEN, Louis: Chronik von Gebesee, bearb. v. Kuhles, Joachim, Gebesee 1997. BOHN, Vierzehnheiligen = BOHN, Eduard: Vierzehnheiligen in Thüringen. Ein Beitrag zu der Landeskunde des Herzogthums S. Meiningen, Apolda 1858.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
BOOCKMANN, Bürgerkirchen = BOOCKMANN, Hartmut: Bürgerkirchen im späten Mittelalter, in: Neitzert, Dieter/Israel, Uwe/Schubert, Ernst (Hg.): Wege ins Mittelalter. Historische Aufsätze, München 2000, S. 186–204. BORGOLTE, Enzyklopädie = BORGOLTE, Michael (Hg.): Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften, Bd. 1: Grundlagen, Berlin 2014. BORGOLTE, Geschichte = BORGOLTE, Michael: Von der Geschichte des Stiftungsrechts zur Geschichte der Stiftungen, in: LIERMANN, Hans: Geschichte des Stiftungsrechts, unveränderter Nachdruck, hg. v. Campenhausen, Axel Frhr. v./ Mecking, Christoph, Tübingen 2002, S. 13‒69. BORGOLTE, Memoria = BORGOLTE, Michael: Stiftung und Memoria, hg. v. Lohse, Tillmann (Stiftungsgeschichten, 10), Berlin 2012. BORGOLTE, Stiftungen = BORGOLTE, Michael: Art. Stiftungen I, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 32, Berlin/New York 2001, S. 167‒170. BRADEMANN, Sepulkralkultur = BRADEMANN, Jan: Mit den Toten und für die Toten. Zur Konfessionalisierung der Sepulkralkultur im Münsterland (16. bis 18. Jahrhundert) (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme, 43), Münster 2013. BRÄUER, Desiderata = BRÄUER, Siegfried: Wallfahrt in reformationsgeschichtlicher Perspektive. Forschungsstand und Desiderata, in: Hrdina, Jan/Kühne, Hartmut/ Müller, Thomas T. (Hg.): Wallfahrt und Reformation – Pout‘ a reformace. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in den Umbrüchen der Frühen Neuzeit (Europäische Wallfahrtsstudien, 3), Frankfurt am Main u.a. 2007, S. 29–62. BRÄUER, Hoffmann = BRÄUER, Siegfried: Simon Hoffmann – „ein lybhaber ewangelischer warheytt“, in: Weiß, Ulman (Hg.): Erfurt. Geschichte und Gegenwart (Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, 2), Weimar 1995, S. 297–321. BRAKENSIEK, Verwaltung = BRAKENSIEK, Stefan (Hg.): Herrschaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit (Historische Forschungen, 101), Berlin 2014. BRINKMANN, Grabdenkmäler = BRINKMANN, Inga: Grabdenkmäler, Grablegen und Begräbniswesen des lutherischen Adels, Berlin 2010. BROD, Kalandbruderschaften = BROD, Carl: Die Kalandbruderschaften in den sächsisch-thüringischen Landen, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 62 (1941), S. 1–26. BROD, Ergänzung = BROD, Carl: Sächsisch-thüringische Kalandbruderschaften. Eine Ergänzung, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 63 (1942), S. 153–156. BRODKORB, Engelmann = BRODKORB, Clemens: Nikolaus Engelmann († 1534). Erzbischöflicher Küchenmeister im Erfurt der Reformationszeit, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 47 (1995), S. 149–187.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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BROWE, Eucharistie = BROWE, Peter: Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter, München 1933. BROWE, Flurprozessionen = BROWE, Peter: Die eucharistischen Flurprozessionen, in: Theologie und Glaube 21 (1929), S. 742–755. BROWE, Ölung = BROWE, Peter: Die letzte Ölung in der abendländischen Kirche des Mittelalters, in: Zeitschrift für katholische Theologie 55 (1931), S. 515–561. BROWE, Sterbekommunion = BROWE, Peter: Die Sterbekommunion im Altertum und Mittelalter, in: Zeitschrift für katholische Theologie 60 (1936), S. 1–54/S. 211–240. BRÜCKNER, Frömmigkeit = BRÜCKNER, Wolfgang: Art. Frömmigkeit III, Kulturhistorisch, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 4, Freiburg ³1995, Sp. 169f. BRÜCKNER, Holzplastik = BRÜCKNER, Hans: Die Holzplastik im Greizer Land um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert, Marburg 1924. BRÜCKNER, Schulenstaat = BRÜCKNER, Johann Georg: Sammlung verschiedener Nachrichten zu einer Beschreibung des Kirchen- und Schulenstaats im Herzogthum Gotha, 3 Teile, Gotha 1753–1768. BRUNS/WECZERKA, Handelsstraßen II = BRUNS, Friedrich/WECZERKA, Hugo: Hansische Handelsstraßen, Teil 2: Textband, Köln/Wien 1967. BUCHHOLZ, Landesgeschichte = BUCHHOLZ, Werner (Hg.): Landesgeschichte in Deutschland. Bestandausnahme, Analyse, Perspektiven, Paderborn u. a. 1998. BÜHL, Krisentheorien = BÜHL, Walter L.: Krisentheorien, Darmstadt 1984. BÜNZ, Bauboom = BÜNZ, Enno: Die Bauern und ihre Kirche. Zum Bauboom auf dem Land um 1500, in: Fey, Carola/Krieb, Steffen (Hg.): Adel und Bauern in der Gesellschaft des Mittelalters. Internationales Kolloquium zum 65. Geburtstag von Werner Rösener (Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte des Mittelalters, 6), Korb 2012, S. 223–250. BÜNZ, Buchbesitz = BÜNZ, Enno: Das Buch in den Händen von Geistlichen. Beobachtungen zum kirchlichen und klerikalen Buchbesitz im 12. bis 16. Jahrhundert, in: Bünz, Enno/Fuchs, Thomas/Rhein, Stefan (Hg.): Buch und Reformation. Beiträge zur Buch- und Bibliotheksgeschichte Mitteldeutschlands im 16. Jahrhundert (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, 16), Leipzig 2014, S. 39–68. BÜNZ, Erforschung = BÜNZ, Enno: Zur Erforschung der Dorfkirchen in Mitteldeutschland. Bemerkungen anlässlich einiger Neuerscheinungen, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 85 (2014), S. 237‒253. BÜNZ, Gumpelstadt = BÜNZ, Enno: Die Bauern von Gumpelstadt und ihre Kirche, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 54 (2000), S. 135–158. BÜNZ, Klerus = BÜNZ, Enno: Der niedere Klerus im spätmittelalterlichen Thüringen. Studien zu Kirchenverfassung, Klerusbesteuerung, Pfarrgeistlichkeit und Pfrün-
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denmarkt im thüringischen Teil des Erzbistums Mainz, 3 Bde., Habil. masch. Jena 1999. BÜNZ, Kommunikation = BÜNZ, Enno: „Die Kirche im Dorf lassen …“. Formen der Kommunikation im spätmittelalterlichen Niederkirchenwesen, in: Rösener, Werner: Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Moderne (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 156), Göttingen 2000, S. 77–167. BÜNZ, Memoria = BÜNZ, Enno: Memoria auf dem Dorf. Pfarrkirche, Friedhof und Beinhaus als Stätten bäuerlicher Erinnerungskultur im Spätmittelalter, in: Rösener, Werner (Hg.): Tradition und Erinnerung in Adelsherrschaft und bäuerlicher Gesellschaft, Göttingen 2003, S. 261–305. BÜNZ, Neustadt = BÜNZ, Enno: Die Bürger von Neustadt an der Orla und ihre Kirchen am Vorabend der Reformation, in: Greiling, Werner/Schirmer, Uwe/ Schwalbe, Ronny (Hg.): Der Altar von Lucas Cranach d. Ä. in Neustadt an der Orla und die Kirchenverhältnisse im Zeitalter der Reformation (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 3), S. 59–99. BÜNZ, Pfarrei = BÜNZ, Enno: Die mittelalterliche Pfarrei in Deutschland. Neue Forschungstendenzen und -ergebnisse, in: Kuppa, Natalie (Hg.): Pfarreien im Mittelalter. Deutschland, Polen, Tschechien und Ungarn im Vergleich (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 238), Göttingen 2008, S. 27–66. BÜNZ, Pönitentiarieregister = BÜNZ, Enno: Probleme der Pfarrgeistlichkeit im Erzbistum Mainz. Auskünfte der Pönitentiarieregister des 15. Jahrhunderts, in: Meyer, Andreas (Hg.): Kirchlicher und religiöser Alltag im Spätmittelalter. Akten der internationalen Tagung in Weingarten, 4.–7. Oktober 2007 (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde, 69), Ostfildern 2010, S. 137–155. BÜNZ, Stolle = BÜNZ, Enno: Neues zur Biographie des Chronisten Konrad Stolle (1436–1501), in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 56 (2000), S. 201–211. BÜNZ, Vorreformation = BÜNZ, Enno: Vorreformation. Ein Forschungskonzept zwischen Landesgeschichte und regionaler Kirchengeschichte, Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, in: Otte, Hans/Beyer, Michael/Winter, Christian (Hg.): Landeskirchengeschichte. Konzepte und Konkretionen (Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte, Sonderband 7), Leipzig 2008, S. 13–32. BÜNZ/FUCHS/RHEIN, Buch = BÜNZ, Enno/FUCHS, Thomas/RHEIN, Stefan (Hg.): Buch und Reformation. Beiträge zur Buch- und Bibliotheksgeschichte Mitteldeutschlands im 16. Jahrhundert (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, 16), Leipzig 2014. BÜNZ/HÖROLDT/VOLKMAR, Adelslandschaft = BÜNZ, Enno/HÖROLDT, Ulrike/ VOLKMAR, Christoph (Hg.): Adelslandschaft Mitteldeutschland. Die Rolle des
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
GÜLDENAPFEL, Kirchenbücher = GÜLDENAPFEL, Karl: Die evangelischen Kirchenbücher Thüringens, Görlitz 1934. HÄUSSLING, Bußpsalmen = HÄUSSLING, Angelus A.: Art. Bußpsalmen, liturgisch, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 2, Freiburg ³1994, Sp. 840. HÄUSSLING, Vigil = HÄUSSLING, Angelus A.: Art. Vigil, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 10, Freiburg ³2001, Sp. 785–787. HAHN, Brandenburg = HAHN, Peter-Michael: Kirchenschutz und Landesherrschaft in der Mark Brandenburg im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 28 (1979), S. 179–220. HAIMERL, Prozessionen = HAIMERL, Franz Xaver: Das Prozessionswesen des Bistums Bamberg im Mittelalter (Münchener Studien zur historischen Theologie, 14), München 1937. HALBAUER, Kanzeln = HALBAUER, Karl: Predigstül. Die spätgotischen Kanzeln im württembegischen Neckargebiet bis zur Einführung der Reformation (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in BadenWürttemberg, 132), Stuttgart 1996. HALLOF/HALLOF, Inschriften = HALLOF, Klaus/HALLOF, Luise: Die Inschriften des Landkreises Jena (Die deutschen Inschriften, 39), Berlin 1995. HAMM, Bürgertum = HAMM, Berndt: Bürgertum und Glaube. Konturen der städtischen Reformation, Göttingen 1996. HAMM, Frömmigkeit = HAMM, Berndt: Theologie und Frömmigkeit im ausgehenden Mittelalter, in: Berndt Hamm: Religiosität im späten Mittelalter. Spannungspole, Neuaufbrüche, Normierungen (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation, 54), Tübingen 2011, S. 244–298. HAMM, Paltz = HAMM, Berndt: Frömmigkeitstheologie am Anfang des 16. Jahrhunderts. Studien zu Johannes von Paltz und seinem Umkreis (Beiträge zur historischen Theologie, 65), Tübingen 1982. HAMM, Problematik = HAMM, Berndt: Reformation „von unten“ und Reformation „von oben“. Zur Problematik reformationshistorischer Klassifizierungen, in: Guggisberg, Hans R. (Hg.): Die Reformation in Deutschland und Europa. Interpretationen und Debatten (Archiv für Reformationsgeschichte, Sonderband), Gütersloh 1993, S. 256–293. HANETZKY, Wallfahrtskirchen = HANETZKY, Babett: Bauforschung an den Wallfahrtskirchen St. Veit in Crock und St. Maria in Haindorf, in: Aus der Arbeit des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege NF 44 (2013), S. 69-81. HANNAPPEL, Archidiakonat = HANNAPPEL, Martin: Das Gebiet des Archidiakonates Beatae Mariae Virginis Erfurt am Ausgang des Mittelalters. Ein Beitrag zur kirchlichen Topographie Thüringens (Arbeiten zur Landes- und Volksforschung, 10), Jena 1941.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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HANNAPPEL, Kommissare = HANNAPPEL, Martin: Mainzer Kommissare in Thüringen. Insbesondere die Erfurter Generalkommissare und die Siegler Simon Voltzke und Johannes Sömmering, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 44 (1942), S. 146–209. HARASIMOWICZ, Glaubensbekenntnis = HARASIMOWICZ, Jan: Kunst als Glaubensbekenntnis. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte der Reformationszeit, Baden-Baden 1996. HARTLEITNER-WENIG, Baufinanzierung = HARTLEITNER-WENIG, Christiane: Das Triangel – Aspekte zur Baufinanzierung, in: Forschungen zum Erfurter Dom (Arbeitshefte des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege, NF 20), Erfurt 2005, S. 198-203. HASSE, Visitationsreise = HASSE, Hans-Peter: Luthers Visitationsreise in Thüringen im August 1524: Jena – Kahla – Neustadt an der Orla – Orlamünde, in: Greiling, Werner/Schirmer, Uwe/Schwalbe, Ronny (Hg.): Der Altar von Lucas Cranach d. Ä. in Neustadt an der Orla und die Kirchenverhältnisse im Zeitalter der Reformation (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 3), S. 169–202. HASSE, Zensur = HASSE, Hans-Peter: Zensur theologischer Bücher in Kursachsen im konfessionellen Zeitalter. Studien zur kursächsischen Literatur- und Religionspolitik in den Jahren 1569 bis 1575 (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte, 5), Leipzig 2000. HEAL, Eye = HEAL, Bridget: The Catholic Eye and the Protestant Ear: the Reformation as a Non-Visual Event?, in: Opitz, Peter (Hg.): The Myth oft he Reformation (Refo500 Academic Studies, 9), Göttingen 2013, S. 321–355. HEAL, Weiterbestehen = HEAL, Bridget: Kirchenordnungen und das Weiterbestehen religiöser Kunstwerke in lutherischen Kirchen, in: Arend, Sabine/Dörner, Gerald (Hg.): Ordnungen für die Kirche – Wirkungen auf die Welt. Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation, 84), Tübingen 2015, S. 157–174. HEERDEGEN, Kirchenvisitation = HEERDEGEN, Arno: Geschichte der allgemeinen Kirchenvisitation in den Ernestinischen Landen in den Jahren 1554/55, nach Akten des Sachsen-Ernestinischen Gesamtarchivs in Weimar (Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde, NF 6), Jena 1914. HEIDELMANN/MEISSNER, Beichtstühle = HEIDELMANN, Hilde/MEISSNER, Helmuth: Evangelische Beichtstühle in Franken (Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums des Bezirks Mittelfranken, 33), Bad Windsheim 2001. HEIMANN, Handbuchdarstellungen = HEIMANN, Heinz-Dieter: Vorreformation und Reformation in landesgeschichtlichen Handbuchdarstellungen. Zur Aktualisierung der Wechselseitigkeit von landes- und reformationsgeschichtlicher For-
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
schung und ihrer Vermittlung, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 127 (1991), S. 65–90. HEINZ, Antiphonen = HEINZ, Andreas: Art. Marianische Antiphonen, liturgisch, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 6, Freiburg ³1997, Sp. 1357–1359. HELBACH, Quellenwert = HELBACH, Ulrich: Zum Quellenwert von Pfarrarchiven für die Stadt- und Gemeindegeschichte, in: Rheinische Vierteljahresblätter 74 (2010), S. 205–219. HELD, Anger = HELD, Wieland: Zwischen Marktplatz und Anger. Stadt-LandBeziehungen im 16. Jahrhundert in Thüringen, Weimar 1988. HELD, Brandenstein = HELD, Wieland: Das Adelsgeschlecht der Brandenstein im 16. Jahrhundert. Seine wirtschaftliche und soziale Position im ernestinisch-sächsischen Territorialstaat, in: VSWG 80 (1993), S. 175–196. HELD, Bürger = HELD, Wieland: Die Land- und Grundrentenerwerbungen und die Bemühungen um ländliche Gerichtsrechte von seiten des Rates und der Bürger der Stadt Erfurt vom 12. Jahrhundert bis 1400, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1979/2, S. 149–168. HELD, Landadel = HELD, Wieland: Der Landadel im Sachsen der beginnenden Frühneuzeit. Zu seiner Position in der Gesellschaft und im Fürstenstaat, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 131 (1995), S. 203–222. HELD, Selbstverständnis = HELD, Wieland: Selbstverständnis und Lebensauffassung des kursächsischen Landadels in der beginnenden Frühneuzeit, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 65 (1994), S. 39–59. HEPPE, Geschichte = HEPPE, Heinrich: Geschichte des deutschen Volksschulwesens, 5 Bd., Gotha 1858–1860. HERRMANN, Eischleben = HERRMANN, Stefanie: Eischleben: Dorfkirche St. Matthias, Kapelle St. Peter, in: Werner, Matthias (Hg.): Romanische Wege um Arnstadt und Gotha, Weimar 2007, S: 97–101. HERRMANN, Generalvisitationen = HERRMANN, Rudolf: Die Generalvisitationen in den Ernestinischen Landen zur Zeit der Lehrstreitigkeiten des 16. Jahrhunderts (1554/55, 1562, 1569/70, 1573), in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 30 (1915), S. 75–156. HERRMANN, Kirchengeschichte I = Herrmann, Rudolf: Thüringische Kirchengeschichte, Bd. 1, Jena 1937, ND Waltrop 2000. HERRMANN, Kirchengeschichte II = Herrmann, Rudolf: Thüringische Kirchengeschichte, Bd. 2, Weimar 1947, ND Waltrop 2000. HERRMANN, Kirchner = HERRMANN, Rudolf: Die Dorfkirchner des Mittelalters hauptsächlich im östlichen Thüringen, in: Das Thüringer Fähnlein 3 (1934), S. 706–711. HERRMANN, Kontinuität = HERRMANN, Johannes: Beobachtungen zur Kontinuität von Frömmigkeit. Leipziger Land vor und nach der Reformation, in: Graf,
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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Gerhard u. a. (Hg.): Vestigia pietatis. Studien zur Geschichte der Frömmigkeit in Thüringen und Sachsen, Ernst Koch gewidmet (Herbergen der Christenheit, Sonderband 5), Leipzig 2000, S. 61–76. HERRMANN, Orlamünde = HERRMANN, Rudolf: Der Umfang der Urpfarrei Orlamünde, in: Beiträge zur Thüringischen Kirchengeschichte 6 (1941), S. 449–454. HERRMANN, Petitorien = HERRMANN, Fritz: Über Petitorien im Erzstift Mainz am Ausgang des Mittelalters, in: Stadt und Stift, Beiträge zur Mainzer Geschichte. Festschrift für Heinrich Schrohe, Mainz 1934, S. 83–99. HERRMANN, Pfarrarchive = HERRMANN, Fritz (Bearb.): Inventare der evangelischen Pfarrarchive im Freistaat Hessen (Inventare der nichtstaatlichen Archive im Freistaat Hesse 1, 1), Darmstadt 1920. HERRMANN, Prediger = HERRMANN, Rudolf: Die Prediger im ausgehenden Mittelalter und ihre Bedeutung für die Einführung der Reformation im Ernestinischen Thüringen, in: Beiträge zur Thüringischen Kirchengeschichte 1 (1929–1931), S. 20–68. HERRMANN, Preußen = HERRMAN, Christofer: Wer baute und finanzierte die ländlichen Pfarrkirchen im mittelalterlichen Preußen?, in: Jähnig, Bernhart (Hg.): Kirche im Dorf. Ihre Bedeutung für die kulturelle Entwicklung der ländlichen Gesellschaft im „Preußenland“, 13.–18. Jahrhundert, Ausstellung des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Zusammenarbeit mit der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Berlin 2002, S. 49–56. HERRMANN, Reformation = HERRMANN, Rudolf: Die Reformation in Kirche und Schule des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach (Die Reformation und ihre Wirkung in Ernestinischen Landen, 2), Leipzig 1917. HERRMANN, Wallfahrtsort = HERRMANN, Rudolf: Ein unbekannter Wallfahrtsort (Zehma bei Altenburg), in: Das Thüringer Fähnlein 3 (1934), S. 174–178. HERRMANN, Zauberkünstlerin = HERRMANN, Rudolf: Eine Heil–und Zauberkünstlerin1529, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 38 (1933), S. 583–585. HEUSINGER, Prozessionen = HEUSINGER, Sabine von: „Cruzgang“ und „umblauf“ – Symbolische Kommunikation im Stadtraum am Beispiel von Prozessionen, in: Oberste, Jörg (Hg.): Kommunikation in mittelalterlichen Städten (Forum Mittelalter, 3), Regensburg 2007, S. 141–156. HINTZENSTERN, Dorfkirchen = HINTZENSTERN, Herbert von: Dorfkirchen in Thüringen, Berlin 41990. HIPP, Nachgotik = HIPP, Hermann: Studien zur „Nachgotik“ des 16. und 17. Jahrhunderts in Deutschland, Böhmen, Österreich und der Schweiz, 3 Bd., Diss. masch. Tübingen 1979.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
HIPPENMEYER, Nachbarschaft = HIPPENMEYER, Immacolata Saulle: Nachbarschaft, Pfarrei und Gemeinde in Graubünden 1400–1600 (Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte, 7), Chur 1997. HIRBODIAN, Dorf = HIRBODIAN, Sigrid: Recht und Ordnung im Dorf. Zur Bedeutung von Weistümern und Dorfordnungen in Spätmittelalter und Frühneuzeit, in: Andermann, Kurt/Auge, Oliver (Hg.): Dorf und Gemeinde. Grundstrukturen der ländlichen Gesellschaft in Spätmittelalter und Frühneuzeit (Kraichtaler Kolloquien, 8), Epfendorf 2012, S. 45–64. HLAVÁČEK, Geschäftsgut = HLAVÁČEK, Ivan: Zum Urkunden- und Geschäftsgut der Pfarreien und ihrer Pfarrherren im vorhussitischen Böhmen, in: Schlögl, Waldemar/Herde, Peter (Hg.): Grundwissenschaften und Geschichte. Festschrift für Peter Acht (Münchner Historische Studien, Abt. Geschichtliche Hilfswissenschaften, 15), Kallmünz 1976, S. 242–255. HÖLSCHER, Frömmigkeit = HÖLSCHER, Lucian: Geschichte der protestantischen Frömmigkeit in Deutschland, München 2005. HOFFMANN, Crispinus = HOFFMANN, Helga: Der Meister der Crispinuslegende ist der Monogrammist DH. Neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit des Malers in Thüringen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Weiss, Ulman (Hg.): Erfurt. Geschichte und Gegenwart (Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, 2), Weimar 1995, S. 393–414. HOFFMANN, Retabelwerkstatt = HOFFMANN, Helga: Bemerkungen zu einer neu entdeckten Thüringer Retabelwerkstatt, in: Aus der Arbeit des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege NF 31 (2008), S. 10‒20. HOFFMANN, Wandersleben = HOFFMANN, Helga: Das Altarretabel in Wandersleben ‒ Ikonographie, Gestalt und stilistische Zuordnung, in: Aus der Arbeit des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege NF 41 (2012), S. 106‒117. HOFFMANN, Weimar = HOFFMANN, Helga: Malerei und Plastik des Mittelalters. Katalog, Kunstsammlungen zu Weimar, Weimar 1982. HOLENSTEIN, Bauern = HOLENSTEIN, André: Bauern zwischen Bauernkrieg und Dreißigjährigem Krieg (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 38), München 1996. HOPF, Georgenthal = HOPF, Udo: Bauhistorische Untersuchungen und Dokumentation zum Westgiebel der St. Elisabethkirche in Georgenthal/Kreis Gotha, Typoskript masch. 2012. HOPF, Herpf = HOPF, Udo: „Bey der Kirche daselbst scheinet [… = vordem ein Adelich Schloß gestanden zu haben“ – Untersuchungen an der St. Johanneskirche zu Herpf, in: Höhne, Dirk/Schmitt, Reinhard (Hg.): Wehrhafte Kirchen und befestigte Kirchhöfe, Langenweißbach 2015, S. 95–104. HOPF, Walldorf = HOPF, Udo: Der befestigte Kirchhof in Walldorf (Werra), Lkr. Schmalkalden-Meiningen, in: Höhne, Dirk/Schmitt, Reinhard (Hg.): Wehrhafte Kirchen und befestigte Kirchhöfe, Langenweißbach 2015, S. 105–112.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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HOPF/MÜLLER, Kirchen = HOPF, Udo/MÜLLER, Rainer: Befestigte Kirchen in Mittelthüringen. Formen der Befestigung an spätmittelalterlichen Dorfkirchen, in: Höhne, Dirk/Kratzke, Christine (Hg.): Die mittelalterliche Dorfkirche in den neuen Bundesländern II. Form – Funktion – Bedeutung (Hallesche Beiträge zur Kunstgeschichte, 8), Halle 2006, S. 51–80. HORN, Sippe = HORN, Karsten: Die Heilige Sippe – ein Familienbild des späten Mittelalters, in: Moritz, Martina/Brodersen, Kai (Hg.): Amplonius. Die Zeit, der Mensch, die Stiftung (Schriften des Museums für Thüringer Volkskunde, 34), Erfurt 2012, S. 169–176. HOYER, Wandel = HOYER, Siegfried: Volksreligiosität im Wandel. Ein Beitrag zu volkstümlichem Glaubensverständnis und Predigt im 16. Jahrhundert, in: Guggisberg, Hans R./Krodel, Gottfried G. (Hg.): Die Reformation in Deutschland und Europa. Interpretationen und Debatten (Archiv für Reformationsgeschichte, Sonderband), Gütersloh 1993. HSIA, Sakralisierung = HSIA, Ronnie Po-Chia: Die Sakralisierung der Gesellschaft: Blutfrömmigkeit und Verehrung der Heiliegn Familie vor der Reformation, in: Blickle, Peter/Kunisch, Johannes (Hg.): Kommunalisierung und Christianisierung. Voraussetzungen und Folgen der Reformation 1400‒1600 (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 9), Berlin 1989, S. 57‒75. HUIZINGA, Herbst = HUIZINGA, Johan: Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. Und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden, Stuttgart 101969. HUTH, Künstler = HUTH, Hans: Künstler und Werkstatt der Spätgotik, Darmstadt ²1967. IRSIGLER, Landgemeinde = IRSIGLER, Franz: Was ist eine Landgemeinde?, in: Andermann, Kurt/Auge, Oliver (Hg.): Dorf und Gemeinde. Grundstrukturen der ländlichen Gesellschaft in Spätmittelalter und Frühneuzeit (Kraichtaler Kolloquien, 8), Epfendorf 2012, S. 31‒44. JACOBS, Mecklenburg = JACOBS, Silvio: Familie, Stand und Vaterland. Der niedere Adel im frühneuzeitlichen Mecklenburg (Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns, 15), Köln/Weimar/Wien 2014. JADATZ, Befunde = JADATZ, Heiko: Mitteldeutsche Pfarr- und Kirchenbibliotheken im 16. Jahrhundert. Befunde in den Akten der evangelischen Kirchenvisitation, in: Bünz, Enno/Fuchs, Thomas/Rhein, Stefan (Hg.): Buch und Reformation. Beiträge zur Buch- und Bibliotheksgeschichte Mitteldeutschlands im 16. Jahrhundert (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, 16), Leipzig 2014, S. 277–286. JADATZ, Land = JADATZ, Heiko: Wittenberger Reformation im Leipziger Land. Dorfgemeinden im Spiegel der evangelischen Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts (Herbergen der Christenheit, Sonderband 10), Leipzig 2007.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
JADATZ, Veränderung = JADATZ, Heiko: dann drei altaria on bild genug sein. Die Veränderung spätmittelalterlicher Kirchenausstattungen durch die Wittenberger Reformation, in: Siewert, Ulrike (Hg.): Die Stadtpfarrkirchen Sachsens im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (Bausteine aus dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde, 27), Dresden 2013, S. 165–177. JAKOB, Schulen = JAKOB, Reinhard: Schulen in Franken und in der Kuroberpfalz 1250–1520. Verbreitung – Organisation – gesellschaftliche Bedeutung (Wissensliteratur im Mittelalter, 16), Wiesbaden 1994. JANSSEN, Differenzierung = JANSSEN, Wilhelm: Die Differenzierung der Pfarrorganisation in der spätmittelalterlichen Erzdiözese Köln. Bemerkungen zum Verhältnis von capella dotata, capella curata und ecclesia parrochialis, in: Rheinische Vierteljahresblätter 55 (1991), S. 58–83. JANSSEN, Kirchhof = JANSSEN, Wilhelm: Kirchhof und Begräbnis in kölnischen Diözesan- und Dekanatsstatuten des späten Mittelalters, in: Brademann, Jan/ Freitag, Werner (Hg.): Leben bei den Toten. Kirchhöfe in der ländlichen Gesellschaft der Vormoderne (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme, 19), Münster 2007, S. 145–154. JANSSEN, Zustände = JANSSEN, Johannes: Zustände des deutschen Volkes seit dem Beginn der politisch-kirchlichen Revolution bis zum Ausgang der sozialen Revolution von 1525, Freiburg im Breisgau 1890. JANSON, Witterda = JANSON, Otto: Chronik des vormals kurmainzischen Küchendorfes Witterda, Erfurt 1934. JAUERNIG, Reformation = JAUERNIG, Reinhold: Die Einführung der Reformation in den reußischen Landen (Beiträge zur thüringischen Kirchengeschichte, 2), Gotha 1932. JENDORFF, Eigensinn = JENDORFF, Alexander: Religion und niederadliger Eigensinn. Konfessionsbildung, ständische Selbstbehauptung und Fürstenherrschaft im Werra-Weser-Gebiet während des langen 16. Jahrhunderts (Beiträge zur Reformationsgeschichte in Thüringen, 2), Jena 2015. JENDORFF, Reformatio = JENDORFF, Alexander: Reformatio catholica. Gesellschaftliche Handlungsspielräume kirchlichen Wandels im Erzstift Mainz 1514– 1630 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte, 142), Münster 2000. JENSEN, Grammatik = JENSEN, Kristian: Die lateinische Grammatik Melanchthons. Hintergrund und Nachleben, in: Leonhardt, Jürgen (Hg.): Melanchthon und das Lehrbuch des 16. Jahrhunderts, Begleitband zur Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Rostock 25. April bis 13. Juli 1997, Rostock 1997, S. 59–99. JEZLER, Kirchenbau = JEZLER, Peter: Der spätgotische Kirchenbau in der Zürcher Landschaft. Die Geschichte eines „Baubooms“ am Ende des Mittelalters, Wetzikon 1988.
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Mitteldeutschland. Katalog zur Ausstellung „Umsonst ist der Tod“, Petersberg 2013. KAT. BILDERSTURM = DUPEUX, Cécile/JEZLER, Peter/WIRTH, Jean (Hg.): Bildersturm. Wahnsinn oder Gottes Wille?, Katalog zur Ausstellung, Bernisches Historisches Museum und Mussée de l’Œuvre Notre-Dame Starsbourg, Zürich 2000. KAT. FOLGEN = HOFMANN, Werner (Hg.): Luther und die Folgen für die Kunst, Katalog Ausstellung Hamburger Kunsthalle, München 1983. KAT. GLAUBE UND MACHT = MARX, Harald/HOLLBERG, Cecilie (Hg.): Glaube & Macht. Sachsen im Europa der Reformationszeit, 2. Sächsische Landesausstellung, Torgau Schloss Hartenfels 2004, Dresden 2004. KAT. MARTIN LUTHER = Martin Luther und die Reformation in Deutschland. Ausstellung zum 500. Geburtstag Martin Luthers, veranstaltet vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg in Zusammenarbeit mit dem Verein für Reformationsgeschichte, Frankfurt am Main 1983. KAT. REFORMATIONSZEIT = Kunst der Reformationszeit, Ausstellung Altes Museum Berlin 1983, Berlin 1983. KAT. SPALATIN = KOHNLE, Armin/MECKELNBORG, Christina/SCHIRMER, Uwe (Hg.): Georg Spalatin. Steuermann der Reformation, Begleitband zur Ausstellung, Halle an der Saale 2014. KAUFMANN, Reformation = KAUFMANN, Thomas: Geschichte der Reformation, Darmstadt 2009. KIRCHENBLICKE = Kirchenblicke zwischen Saale und Schwarza, hg. von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, Superintendentur Rudolstadt-Saalfeld, Bad Blankenburg 2005. KIRN, Kirchenpolitik = KIRN, Paul: Friedrich der Weise und die Kirche. Seine Kirchenpolitik vor und nach Luthers Hervortreten im Jahre 1517, Leipzig 1926. KIRSCHBAUM, Nachgotik = Kirschbaum, Engelbert: Deutsche Nachgotik. Ein Beitrag zur Geschichte der kirchlichen Architektur von 1550–1800, Augsburg 1930. KIRSTAN, Letzner = KIRSTAN, Ralf: Die Welt des Johannes Letzner. Ein lutherischer Landpfarrer und Geschichtsschreiber des 16. Jahrhunderts (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, 278), Göttingen 2015. KLAPPER, Blutkapelle = KLAPPER, Joseph: Die Blutkapelle im Erfurter Dom, in: Kleineidam, Erich/Schürmann, Heinz (Hg.): Miscellanea Erfordiana (Erfurter Theologische Studien, 12), Leipzig 1962, S. 272–290. KLAUS, Küchendörfer = KLAUS, Marcellus: Die mainzischen Küchendörfer, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 53 (2001), S. 13–42. KLEIN, Beichte = KLEIN, Laurentius: Evangelisch-Lutherische Beichte. Lehre und Praxis, Paderborn 1961.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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KLEIN, Folgen = KLEIN, Thomas: Die Folgen des Bauernkrieges von 1525. Thesen und Antithesen zu einem vernachlässigten Thema, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 25 (1973), S. 65–116. KLOPFLEISCH, Weihnachtspiel = KLOPFLEISCH, Friedrich: Das Weihnachtsspiel zu Groß–Löbichau bei Jena, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 6 (1865), S. 249–284. KOCH, Ammerbach = KOCH, Herbert: Die Kirche zu Ammerbach im Jahrhundert der Reformation nach den Kirchenrechnungen dargestellt, in: Leidenfrost, Hermann (Hg.): Aus Ammerbachs Geschichte. Gedenkschrift zur 700-Jahrfeier der Kirche zu Ammerbach, Jena 1928, S. 19–28. KOCH, Beseitigung = KOCH, Ernst: Die Beiseitigung der „abgöttischen Bilder“ und ihre Folgen im ernestinischen Thüringen, in: Praxis pietatis. Beiträge zu Theologie und Frömmigkeit in der Frühen Neuzeit, Wolfgang Sommer zum 60. Geburtstag, Stuttgart 1999, S. 225–241. KOCH, Hörselgau = KOCH, Ernst: Art. Hörselgau, in: Stätten der Reformation in Hessen und Thüringen. Kulturelle Entdeckungen, Regensburg 2014, S. 223 f. KOCH, Ikonographie = KOCH, Traugott: Grundsätzliche Überlegungen zur Ikonographie evangelischer Kirchenmalerei in der Zeit der lutherischen Orthodoxie, in: Poscharsky, Peter (Hg.): Die Bilder in den lutherischen Kirchen. Ikonographische Studien, München 1998, S. 9‒20. KOCH, Jacoff = KOCH, Ernst: Johann Jacoffs Aufzeichnungen über die kirchlichen Verhältnisse und die Fronleichnamsbrüderschaft zu Gräfenthal, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 19 (1899), S. 451–508. KOCH, Lendestreich = KOCH, Ernst: Valentin Lendestreich und andere Saalfelder Maler um die Wende des Mittelalters (Beiträge zur Kunstgeschichte Thüringens, 3), Jena 1914. KOCH, Pfarrkirche = KOCH, Ernst: Die Bedeutung der Pfarrkirche für die mittelalterliche Dorfgesellschaft, in: Spazier, Ines/Müller, Rainer (Hg.): Mittelalterliche Kirchen in Thüringen. Beiträge der Tagung „Archäologische und bauhistorische Untersuchungen an und in Kirchen Thüringens“, Weimar 16./17. März 2009 (Alt-Thüringen, 43), Langenweißbach 2014, S. 317–340. KÖHLE-HEZINGER, Pfarrvolk = KÖHLE-HEZINGER, Christel: Pfarrvolk und Pfarrersleut, in: Greiffenhagen, Martin (Hg.): Das evangelische Pfarrhaus. Eine Kultur- und Sozialgeschichte, Stuttgart 1984, S. 247‒276. KÖHLE-HEZINGER/MICHEL, Gebhardt = KÖHLE-HEZINGER, Christel/MICHEL, Stefan (Hg.): Vom Glauben der Leute. Hermann Gebhardt: Ein Thüringer Dorfpfarrer im 19. Jahrhundert (Beiträge zur thüringischen Kirchengeschichte, NF 1), Weimar 2004.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
KÖHLER, Flugschriften = KÖHLER, Hans-Joachim (Hg.): Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit, 13), Stuttgart 1981. KOENIGER, Sendgerichte = KOENIGER, Albert M.: Quellen zur Geschichte der Sendgerichte in Deutschland, München 1910. KOERNER, Bevölkerungsverteilung = KOERNER, Fritz: Die Bevölkerungsverteilung in Thüringen am Ausgang des 16. Jahrhunderts, in: Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für Länderkunde NF 15/16 (1958), S. 178–315. KOERNER, Image = KOERNER, Joseph Leo: The reformation of the image, Chicago 2008. KOHLSCHEIN/WÜNSCHE, Raum = KOHLSCHEIN, Franz/WÜNSCHE, Peter (Hg.): Heiliger Raum. Architektur, Kunst und Liturgie in mittelalterlichen Kathedralen und Stiftskirchen (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen, 82), Münster 1998. KONZILI, Surgant = KONZILI, Jürgen: Studien über Johann Ulrich Surgant (ca. 1450– 1503), in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 69 (1975), S. 265–309 und 70 (1976), S. 107–167 und S. 308–388. KRÄMER, Pfarrei = KRÄMER, Peter: Art. Pfarrei, Begriff und Geschichte, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 8, Freiburg ³1999, Sp. 162‒164. KRETSCHMER, Langenberg = KRETSCHMER, Ernst Paul: Geschichte der Gemeinde Langenberg und ihrer nächsten Umgebung, Langenberg 1922. KROESEN/STEENSMA, church = KROESEN, Justin E. A./STEENSMA, Regnerus: The interior of the medieval village church, Louvain u. a. 2004. KROESEN/TÅNGEBERG, Sakramentsnische = KROESEN, Justin E.A./TÅNGEBERG, Peter: Die mittelalterliche Sakramentsnische auf Gotland (Schweden). Kunst und Liturgie, Petersberg 2014. KROOS, Opfer = KROOS, Renate: Opfer, Spende und Geld im mittelalterlichen Gottesdienst, in: Frühmittelalterliche Studien 19 (1985), S. 502–519. KRÜNES, Schwarzburg = KRÜNES, Alexander: Die Reformation in den schwarzburgischen Landen (Beiträge zur Reformationsgeschichte in Thüringen, 13), im Druck. KRÜNES, Stadtbürger = KRÜNES, Alexander: Stadtbürger kaufen Kunst. Zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Erwerb des Cranach-Altars, in: Greiling, Werner/Schirmer, Uwe/Schwalbe, Ronny (Hg.): Der Altar von Lucas Cranach d. Ä. in Neustadt an der Orla und die Kirchenverhältnisse im Zeitalter der Reformation (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 3), Köln/Weimar/Wien 2014, S. 147–168. KRUMWIEDE, Kirchenregiment = KRUMWIEDE, Hans-Walter: Zur Entstehung des landesherrlichen Kirchenregimentes in Kursachsen und Braunschweig-Wolfenbüttel (Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens, 16), Göttingen 1967.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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KUCHENBUCH, Bauern = KUCHENBUCH, Ludolf: Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn (Spätmittelalterstudien, 3), Konstanz 2014. KÜHNE, Ahrensbök = KÜHNE, Hartmut: Von Ahrensbök bis Ziegenhain. Perspektiven einer nord- und mitteldeutschen Wallfahrtsgeographie um 1500, in: Jahrbuch für Volkskunde 25 (2002), S. 45–76. KÜHNE, Ende = KÜHNE, Hartmut: Zwischen Bankrott und Zerstörung – Vom Ende der Wallfahrten in protestantischen Territorien, in: Hrdina, Jan/Kühne, Hartmut/Müller, Thomas T. (Hg.): Wallfahrt und Reformation – Pout‘ a reformace. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in den Umbrüchen der Frühen Neuzeit (Europäische Wallfahrtsstudien, 3), Frankfurt am Main u.a. 2007, S. 201–220. KÜHNE, Heiligenleichnam = KÜHNE, Hartmut: Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg, in: Emig, Joachim/Leppin, Volker/Schirmer, Uwe (Hg.): Vor- und Frühreformation in thüringischen Städten (1470–1525/30) (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 1), Köln/Weimar/Wien 2013, S. 19–39. KÜHNE, Spektakel = KÜHNE, Hartmut: Frommes Spektakel. Liturgische Inszenierungen am Ende des Mittelalters im Chemnitzer Raum, in: Fiedler, Uwe/Thoss, Hendrik/Bünz, Enno (Hg.): Des Himmels Fundgrube. Chemnitz und das sächsisch-böhmische Erzgebirge im 15. Jahrhundert, Chemnitz 2012, S. 216–233. KÜHNE, Wersdorf = KÜHNE, Hartmut: Rechnungsbücher als Quellen der Pilgerzeichenforschung. Zwei exemplarische Funde aus Thüringen: Die Reiserechnung des Grafen Johann III. von Henneberg zum Mont Saint-Michel und das Rechnungsbuch der Kapelle von Wersdorf bei Apolda, in: Kühne, Hartmut/Lambacher, Lothar/Hrdina, Jan (Hg.): Wallfahrer aus dem Osten. Mittelalterliche Pilgerzeichen zwischen Ostsee, Donau und Seine (Europäische Wallfahrtsstudien, 10), Frankfurt am Main u. a. 2013, S. 383–412. KÜHNE, Zwischenbilanz = KÜHNE, Hartmut: Wunder und Wallfahrt im spätmittelalterlichen Thüringen. Eine Zwischenbilanz aus Anlass von zwei Neuerscheinungen, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 61 (2007), S. 267– 286. KÜHNEL, Alltag = KÜHNEL, Harry (Hg.): Alltag im Spätmittelalter, mit Beiträgen von Helmut Hundsbichler, Gerhard Jaritz, Harry Kühnel, Elisabeth Vavra, Graz/ Wien/Köln 1996. KÜMIN, Kirchgenossen = KÜMIN, Beat: Kirchgenossen an der Macht. Vormoderne politische Kultur in den „Pfarreirepubliken“ von Gersau und Dithmarschen, in: Zeitschrift für historische Forschung 41/2 (2015), S. 187–230. KÜMIN, Landgemeinde = KÜMIN, Beat (Hg.): Landgemeinde und Kirche im Zeitalter der Konfessionen, Zürich 2004.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
KÜMIN, Parish = KÜMIN, Beat: The shaping of a community. The rise and reformation of the English parish c. 1400–1560, Aldershot 1998. KÜNSTLE, Pfarrei = KÜNSTLE, Franz: Die deutsche Pfarrei und ihr Recht am Ausgang des Mittelalters. Auf Grund der Weistümer, Stuttgart 1905. KUHLES, Gebesee = KUHLES, Joachim: Stadt Gebesee – Ein Beitrag zur Diskussion über die Minderstadt in Thüringen, in: Sömmerdaer Heimatheft 8 (1996), S. 3–18. KURZE, Pfarrerwahlen = KURZE, Dietrich: Pfarrerwahlen im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte der Gemeinde und des Niederkirchenwesens (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 6), Köln 1966. LANDAU, Patronatus = LANDAU, Peter: Jus Patronatus. Studien zur Entwicklung des Patronats im Dekretalenrecht und der Kanonistik des 12. und 13. Jahrhunderts (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 12), Köln/Wien 1975. LANG, Armenspeisung = LANG, Thomas: Tantum quantum possum. Die Armenspeisung am Weimarer Hof 1505, in: Zeitschrift für Thüringische Geschichte 67 (2013), S. 347–352. LANG, Volksfrömmigkeit = LANG, Peter Thaddäus: „Ein grobes, unbändiges Volk“. Visitationsberichte und Volksfrömmigkeit, in: Molitor, Hansgeorg/Smolinsky, Heribert (Hg.): Volksfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit, Münster 1994, S. 49–64. LAUBE, Flugschriften = LAUBE, Adolf (Hg.): Flugschriften gegen die Reformation 1518–1524, unter Mitarbeit von Ulman Weiß, Berlin 1997. LAUBNER/URBAN 1989 = Horst Laubner/Wolfgang Urban u. a. (Hg.): Die himmlische Fundgrube (1490), in: Johannes von Paltz, Werkausgabe, Bd. 3: Opuscula, Berlin/New York 1989, S. 157–284. LAUSTER, Verzauberung = LAUSTER, Jörg: Die Verzauberung der Welt. Eine Kulturgeschichte des Christentums, München 2014. LEHFELDT 1 = LEHFELDT, Paul: Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens, 1, Bd. 1, Heft 1: Amtsgerichtsbezirk Jena, Jena 1888. LEHFELDT 2–4 = LEHFELDT, Paul: Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens, 3, Bd. 2, Hefte 2–4: Herzogthum Sachsen-Altenburg, Westkreis, Jena 1888. LEHFELDT 8 = LEHFELDT, Paul: Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens, 4, Bd. 1, Heft 8: Amtsgerichtsbezirk Gotha, Jena 1891. LEHFELDT 10 = LEHFELDT, Paul: Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens, 4, Bd. 1, Heft 10: Amtsgerichtsbezirk Tonna, Jena 1891. LEHFELDT 16 = LEHFELDT, Paul: Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens, 1, Bd. 1, Heft 16: Amtsgerichtsbezirke Großrudestedt und Vieselbach, Jena 1892. LEHFELDT 17 = LEHFELDT, Paul: Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens, 1, Bd. 1, Heft 17: Amtsgerichtsbezirke Blankenhain und Ilmenau, Jena 1893. LEHFELDT 19 = LEHFELDT, Paul: Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens, 5, Bd. 1, Heft 19: Amtsgerichtsbezirke Rudolstadt und Stadtilm, Jena 1894.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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LEHFELDT 23 = LEHFELDT, Paul: Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens, 7, Bd. 1, Heft 23: Amtsgerichtsbezirke Gera und Hohenleuben, Jena 1896. LENTES, Andacht = LENTES, Thomas: „Andacht“ und „Gebärde“. Das religiöse Ausdrucksverhalten, in: Jussen, Bernhard/Koslofsky, Craig (Hg.): Kulturelle Reformation. Sinnformationen im Umbruch 1400–1600 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 145), Göttingen 1999, S. 29–67. LENTES, Auge = LENTES, Thomas: Inneres Auge, äußerer Blick und heilige Schau. Ein Diskussionsbeitrag zur visuellen Praxis in Frömmigkeit und Moraldidaxe des späten Mittelalters, in: Schreiner, Klaus (Hg.): Frömmigkeit im Mittelalter. Politisch-soziale Kontexte, visuelle Praxis, körperliche Ausdrucksformen, München 2002, S. 179–220. LENTES, Sehrituale = LENTES Thomas: Soweit das Auge reicht. Sehrituale im Spätmittelalter, in: Welzel, Barbara/Lentes, Thomas/Schlie, Heike (Hg.):Das „Goldene Wunder“ in der Dortmunder Petrikirche. Bildgebrauch und Bildproduktion im Mittelalter (Dortmunder Mittelalter-Forschungen, 2), Bielefeld 2003, S. 241– 258. LEPPIN, Kirchenausstattung = LEPPIN, Volker: Kirchenausstattung in territorialen Kirchenordnungen bis 1548, in: Arend, Sabine/Dörner, Gerald (Hg.): Ordnungen für die Kirche – Wirkungen auf die Welt. Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation, 84), Tübingen 2015, S. 137–155. LEPPIN, Normierung = LEPPIN, Volker: Die Normierung der Frömmigkeit im „Unterricht der Visitatoren“, in: Bauer, Joachim/Michel, Stefan (Hg.): Der „Unterricht der Visitatoren“ und die Durchsetzung der Reformation in Kursachsen (Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der lutherischen Orthodoxie, 29), Leipzig 2017, S. 167–194. LERP, Regesten = LERP, Karl: Gothaische Regesten im Weimarischen Archiv, in: Mitteilungen der Vereinigung für Gothaische Geschichte und Altertumsforschung 1 (1901), S. 198‒202. LETZNER, Berlebsch = LETZNER, Johannes: Stammbuch oder Chronick Des Vhralten Adelichen Geschlechts Der von Berlebsch. Auß alten briefflichen vnd schrifftlichen Vrkunden, Verträgen, Contracten, Reversalen vnd alter Leut Bericht ordentlich zusammen bracht vnd beschrieben Durch Johannem Letzenerum Hardessianum Pfarherrn zu Jbra im Ampt Grubenhagen, Erfurt 1593. LITZ, Nürnberg = LITZ, G.: Nürnberg und das Ausbleiben des „Bildersturms“, in: DUPEUX, Cécile/JEZLER, Peter/WIRTH, Jean (Hg.): Bildersturm. Wahnsinn oder Gottes Wille?, Katalog zur Ausstellung, Bernisches Historisches Museum und Mussée de l’Œuvre Notre-Dame Starsbourg, Zürich 2000, S. 90–96.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
LÖBE, Spolienrecht = LÖBE, Julius: Über die Abschaffung des Spolienrechtes in den Herzogl. Sächsischen Landen, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichts- und Altertumskunde zu Kahla und Roda 3 (1888), S. 265–287. LÖSCHE, Bauern = LÖSCHE, Dietrich: Zur Lage der Bauern im Gebiet der ehemaligen freien Reichsstadt Mühlhausen i. Th. zur Zeit des Bauernkriegs, in: Brendler, Gerhard (Hg.): Die frühbürgerliche Revolution in Deutschland. Referat und Diskurs zum Thema Probleme der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland 1476–1535, Berlin 1961, S. 64–72. LÖSCHE, Vermögensverhältnisse = LÖSCHE, Dietrich: Vermögensverhältnisse thüringischer Bauern im Jahre 1542, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1964 II/III, S. 122‒142. LÖTHER, Prozessionen = LÖTHER, Andrea: Prozessionen in spätmittelalterlichen Städten. Politische Partizipation, obrigkeitliche Inszenierung, städtische Einheit (Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und früher Neuzeit, 12), Köln/Weimar/Wien 1999. LORENZEN-SCHMIDT, Elemente = LORENZEN-SCHMIDT, Klaus-Joachim: Schriftliche Elemente in der dörflichen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit: das Beispiel Schleswig-Holstein, in: Rösener, Werner (Hg.): Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Moderne (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 156), Göttingen 2000, S. 169–187. LORTZ, Reformation = LORTZ, Joseph: Die Reformation in Deutschland, Freiburg 61982. LUDOLPHY, Friedrich = LUDOLPHY, Ingetraut: Friedrich der Weise. Kurfürst von Sachsen (1463–1525), Göttingen 1984. LUDWIG, Rechnungsquellen = LUDWIG, Matthias: Frömmigkeit am Naumburger Dom um 1500 am Beispiel der Rechnungsquellen, in: Bünz, Enno/Kühne, Hartmut (Hg.): Alltag und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation in Mitteldeutschland. Wissenschaftlicher Begleitband zur Ausstellung „Umsonst ist der Tod“ (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 50), Leipzig 2015, S. 281–306. LUDWIG, Zeitz = LUDWIG, Matthias: Stiftsherren und Vikare des Kollegiatstifts St. Peter und Paul in Zeitz 1400–1564 (Germania Sacra, Supplementband, 1), Göttingen 2015. LÜBBEKE, Meister = LÜBBEKE, Isolde: Der Meister der Crispinuslegende – der Maler einer thüringischen Altarwerkstatt, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 38 (1984), S. 14–46. LÜCK, Rechtsalltag = LÜCK, Heiner: Die Dorfkirche im Rechtsalltag des hohen und späten Mittelalters in Mitteldeutschland, in: Höhne, Dirk/Schmitt, Reinhard
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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(Hg.): Wehrhafte Kirchen und befestigte Kirchhöfe, Langenweißbach 2015, S. 31–49. LÜCKE, Adel = LÜCKE, Monika: Der landsässige Adel im Prozess der Säkularisierung der Klöster, in: Bünz, Enno/Höroldt, Ulrike/Volkmar, Christoph (Hg.): Adelslandschaft Mitteldeutschland. Die Rolle des landsässigen Adels in der mitteldeutschen Geschichte (15.–18. Jahrhundert) (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 49), Leipzig 2016, S. 285–304. LÜTGE, Grundherrschaft = LÜTGE, Friedrich: Die mitteldeutsche Grundherrschaft und ihre Auflösung (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, 4), Stuttgart ²1957. LUNDGREEN, Zeigerheim = LUNDGREEN, Friedrich: Geschichte des Dorfes Zeigerheim, Zeigerheim 1932. LUTHARDT, Schnitzaltäre = LUTHARDT, Ernst: Schnitzaltäre in Ostthüringen aus der Zeit um 1500. Eine stilkritische Untersuchung, Diss. masch. Jena 1943. MACCULLOCH, Reformation = MACCULLOCH, Diarmard: Die Reformation 1490– 1700, München 2003. MACHILEK, Frömmigkeitsformen = MACHILEK, Franz: Frömmigkeitsformen des spätmittelalterlichen Adels am Beispiel Frankens, in: Schreiner, Klaus (Hg.): Laienfrömmigkeit im Mittelalter (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, 20), München 1992, S. 157–189. MAGIRIUS/MAI, Dorfkirchen = MAGIRIUS, Heinrich/MAI, Hartmut: Dorfkirchen in Sachsen, Berlin ²1990. MAI, Innovation = MAI, Hartmut: Tradition und Innovation im protestantischen Kirchenbau bis zum Ende des Barock, in: Raschzok, Klaus/Sörries, Rainer (Hg.): Geschichte des protestantischen Kirchenbaues. Festschrift für Peter Poscharsky zum 60. Geburtstag, Erlangen 1994, S. 11–26. MAI, Kanzelaltar = MAI, Hartmut: Der evangelische Kanzelaltar. Geschichte und Bedeutung (Arbeiten zur Kirchengeschichte und Religionswissenschaft, 1), Halle an der Saale 1969. MAI, Kirchenbau = MAI, Hartmut: Der Einfluß der Reformation auf Kirchenbau und kirchliche Kunst, in: Junghans, Helmar (Hg.): Das Jahrhundert der Reformation in Sachsen, Leipzig ²2005, S. 153–190. MALINOWSKI, Religion = MALINOWSKI, Bronislaw: Magie, Wissenschaft und Religion Und andere Schriften, Frankfurt am Main 1973. MANDRY, Armenfürsorge = MANDRY, Julia: Armenfürsorge, Hospitäler und Bettel in Thüringen in Spätmittelalter und Reformation (1300–1600), Diss. masch. Jena 2017. MARCHAL, Mittelalter = MARCHAL, Guy P.: Bildersturm im Mittelalter, in: Historisches Jahrbuch 113 (1995), S. 255–282.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
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MERTENS, Stadtkirchen = MERTENS, Klaus: Die Stadtkirchen in Thüringen, Berlin ²1984. MEUTHEN, Klerusbildung = MEUTHEN, Erich: Zur europäischen Klerusbildung vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, in: Harms, Wolfgang/Müller, Jan-Dirk (Hg.): Mediävistische Komparatistik. Festschrift für Franz Josef Wortsbrock zum 60. Geburtstag, Stuttgart 1997, S. 263–294. MICHALSKI, Visual Arts = MICHALSKI, Sergiusz: The Reformation and the Visual Arts. The Protestant Image Question in Western and Eastern Europe, London/New York 1993. MICHELSEN, Hof = MICHELSEN, Andreas Ludwig Jacob: Der Mainzer Hof zu Erfurt am Ausgange des Mittelalters, Jena 1853. MICHELSEN, Rechtsdenkmale = MICHELSEN, Andreas Ludwig Jacob: Rechtsdenkmale aus Thüringen, Jena 1863. MIDELFORT, Nobility = MIDELFORT, H. C. Erik: The Reformation and the German Nobility, in: Guggisberg, Hans R. (Hg.): Die Reformation in Deutschland und Europa. Interpretationen und Debatten (Archiv für Reformationsgeschichte, Sonderband), Gütersloh 1993, S. 344–360. MILITZER, Finanzierung = MILITZER, Klaus: Die Finanzierung der Kirchenbauten am Niederrhein im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Abramowicz, Andrzej/Maik, Jerzy (Hg.): Budownictwo I Budowniczowie w Przeszłości. Studia dedykowane Profesorowi Tadeuszowi Poklewskiemu w siedemdziesiątą rocznicę urodzin, Łódź 2002, S. 265–280. MINDERMANN, Termineisystem = MINDERMANN, Arend: Das franziskanische Termineisystem, in: Honemann, Volker (Hg.): Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Reformation, Paderborn 2015, S. 195–263. MOELLER, Elendenbrüderschaften = MOELLER, Ernst von: Die Elendenbrüderschaften. Ein Beitrag zur Geschichte der Fremdenfürsorge im Mittelalter, Leipzig 1906. MOELLER, Frömmigkeit = MOELLER, Bernd: Frömmigkeit in Deutschland um 1500, in: Archiv für Reformationsgeschichte 56 (1965), S. 5–30. MOELLER, Zeitalter = MOELLER, Bernd: Deutschland im Zeitalter der Reformation (Deutsche Geschichte, 4), Göttingen 41999. MÖTSCH, Grimmenthal = MÖTSCH, Johannes: Die Wallfahrt zu Grimmenthal. Urkunden, Rechnungen, Mirakelbuch (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Große Reihe, 10), Köln/Weimar/Wien 2004. MÖTSCH, Henneberg = MÖTSCH, Johannes: Die Grafen von Henneberg-Schleusingen und die Entstehung des landesherrlichen Kirchenregiments, in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins 29 (2014), S. 147–164.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
MÖTSCH, Rechnungen = MÖTSCH, Johannes: Rechnungen als Quellen zur Wallfahrtsgeschichte: Erläutert an Beispielen aus der Grafschaft Henneberg, in: Hrdina, Jan/Kühne, Hartmut/Müller, Thomas T. (Hg.): Wallfahrt und Reformation – Pout‘ a reformace. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in den Umbrüchen der Frühen Neuzeit (Europäische Wallfahrtsstudien, 3), Frankfurt am Main u.a. 2007, S. 159–171. MÖTSCH, Spenden = MÖTSCH, Johannes: Summa haben diese Schelmen den Leuten hin und wider abgelogen 160 Gulden 11 Gnacken. Quellen zu Spenden und Spendenbetrug im 16. Jahrhundert, in: Archiv für Diplomatik 51 (2005), S. 433– 472. MOLITOR, Frömmigkeit = MOLITOR, Hansgeorg: Frömmigkeit in Spätmittelalter und früher Neuzeit als historisch-methodisches Problem, in: Rabe, Horst/Molitor, Hansgeorg/Rublack, Hans-Christoph (Hg.): Festgabe für Ernst Walter Zeeden. Zum 60. Geburtstag am 14. Mai 1976, Münster 1976, S. 1–20. MOLZAHN, Wangenheim = MOLZAHN, Ulf: Das Geschlecht der von Wangenheim. Die wirtschaftliche und soziale Position einer landsässigen thüringisch-sächsischen Adelsfamilie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 50 (1996), S. 109–146. MOORE, Common = MOORE, George Edward: Eine Verteidigung des Common Sense. Fünf Aufsätze aus den Jahren 1903–1941 (Theorie 1), Frankfurt am Main 1969. MÜHLMANN, Weihbischof = MÜHLMANN, Ottogerd: Ein Erfurter Weihbischof des 15. Jahrhunderts auf seinem Dienstwege, in: Mosaiksteine. Zweiundzwanzig Beiträge zur thüringischen Kirchengeschichte (Thüringer kirchliche Studien, 4), Berlin 1981, S. 263‒265. MÜHLMANN, Ziegenhain = MÜHLMANN, Ottogerd: Die Wallfahrtskirche zu Ziegenhain bei Jena. Eine Dokumentation über das Bauwerk und seine Geschichte, in: Mosaiksteine. Zweiundzwanzig Beiträge zur thüringischen Kirchengeschichte (Thüringer kirchliche Studien, 4), Berlin 1981, S. 181‒194. MÜLLER, Ablass = MÜLLER, Gerhard Ludwig: Art. Ablaß I‒III, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1, Freiburg ³1993, Sp. 51‒55. MÜLLER, Annales = MÜLLER, Johann Sebastian: Des Chur- und Fuerstlichen Hauses Sachsen Ernestin- und Albertinischer Linien Annales. Von Anno 1400 bis 1700 […], Weimar 1701. MÜLLER, Bendeleben = MÜLLER, Rainer: Art. Bendeleben, in: Stätten der Reformation in Hessen und Thüringen, Regensburg 2014, S. 169f. MÜLLER, Dorfkirchen = MÜLLER, Rainer: Mittelalterliche Dorfkirchen in Thüringen dargestellt anhand des Gebietes des ehemaligen Archidiakonats St. Marien zu Erfurt (Arbeitsheft des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege, NF 2), Erfurt 2001.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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MÜLLER, Haufeld = MÜLLER, Rainer: Die gotischen Wandmalereien in der Kirche Haufeld (Kreis Saalfeld-Rudolstadt), in: Aus der Arbeit des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege NF 19 (2004), S. 56‒67. MÜLLER, Jena = MÜLLER, Rainer: Kirchen in und um Jena. Aspekte einer regionalen Architekturgeschichte [Manuskript]. MÜLLER, Kyffhäuserkreis = MÜLLER, Rainer: Kirchen im Kyffhäuserkreis – Bauten und Ausstattung, in: Müller, Rainer (Bearb.): Kyffhäuserkreis. Überblicksdarstellungen (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmale in Thüringen, Bd. 5.1), Erfurt 2014, S. 160‒233. MÜLLER, Lichtenhain = MÜLLER, Rainer (Hg.): Die Außenwandmalereien an der Kirche St. Nikolaus in Jena-Lichtenhain. Modellhafte Bestandserhaltung stark anthropogen umweltgeschädigter spätmittelalterlicher Wandmalereien (Arbeitsheft des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, NF 40), Dresden 2012. MÜLLER, Ortsteilgemeinden = MÜLLER, Rainer: Die Kirchen in den Ortsteilgemeinden der Stadt Weimar, in: Müller, Rainer (Bearb.): Stadt Weimar, Bd. 1 (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmale in Thüringen, Bd.4.1), Erfurt 2009, S. 238‒247. MÜLLER, Überblick = MÜLLER, Rainer: Mittelalterlicher Kirchenbau in Thüringen: ein Überblick, in: Spazier, Ines/Müller, Rainer (Hg.): Mittelalterliche Kirchen in Thüringen. Beiträge der Tagung „Archäologische und bauhistorische Untersuchungen an und in Kirchen Thüringens“, Weimar 16./17. März 2009 (Alt-Thüringen, 43), Langenweißbach 2014, S. 33–44. MÜLLER, Wirtschaftsfaktor = MÜLLER, Thomas T.: Der Wirtschaftsfaktor Wallfahrt in der Reformationszeit. Zwei Eichsfelder Beispiele, in: Hrdina, Jan/Kühne, Hartmut/Müller, Thomas T. (Hg.): Wallfahrt und Reformation. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in den Umbrüchen der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 2007, S. 173–184. MÜLLER, Wohltäterbuch = MÜLLER, Thomas T.: Das Wohltäterbuch, in: SIGNORI, Gabriela: Das Wunderbuch Unserer Lieben Frau im thüringischen Elende (1419– 1517) (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Große Reihe, 12), Köln/Weimar/Wien 2006, S. 17–28. NEBELSIECK, Mühlhausen = NEBELSIECK, Heinrich: Reformationsgeschichte der Stadt Mühlhausen i. Th., Magdeburg 1905. NEUBAUER, Geschichte = NEUBAUER, Theodor: Zur Geschichte der mittelalterlichen Stadt Erfurt, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 35 (1914), S. 1–96. NITZ, Termineiverzeichnis = NITZ, Thomas: Dominikaner auf dem Land. Das Termineiverzeichnis des Erfurter Predigerklosters, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 57 (2003), S. 251–276.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
NUBOLA/WÜRGLER, Bittschriften = NUBOLA, Cecilia/WÜRGLER, Andreas (Hg.): Bittschriften und Gravamina. Politik, Verwaltung und Justiz in Europa (14.–18. Jahrhundert) (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient, 19), Berlin 2005. NUSSBAUM, Aufbewahrung = NUSSBAUM, Otto: Die Aufbewahrung der Eucharistie (Theophaneia, 29), Bonn 1979. OEDIGER, Bildung = OEDIGER, Friedrich Wilhelm: Über die Bildung der Geistlichen im späten Mittelalter (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters, 2), Leiden 1953. OEPEN, Pfarrarchive = OEPEN, Joachim (Hg.): Pfarrarchive und Überlieferungsbildung (Beiträge zum Archivwesen der Katholischen Kirche Deutschlands, 7), Speyer 2003. OERGEL, Gebiet = OERGEL, Georg: Das ehemalige Erfurtische Gebiet, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 24 (1903), S. 159–190. OERTZEN-BECKER, Johann = OERTZEN-BECKER, Doreen von: Kurfürst Johann der Beständige und die Reformation (1513–1532. Kirchenpolitik zwischen Friedrich dem Weisen und Johann Friedrich dem Großmütigen (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 7). OEVERMANN, Manifest = OEVERMANN, Ulrich: Klinische Soziologie auf der Basis der Methodologie der objektiven Hermeneutik – Manifest der objektiv hermeneutischen Sozialforschung. http://www.ihsk.de/publikationen/Ulrich_ Oevermann-Manifest_der_objektiv_hermeneutischen_Sozialforschung.pdf (letzter Zugriff: 17.3.2014), 2002. OEVERMANN/ALLERT/KONAU/KRAMBECK, Methodologie = OEVERMANN, Ulrich/ALLERT, Tilman/KONAU, Elisabeth/KRAMBECK, Jürgen: Die Methodologie einer „objektiven Hermeneutik“ und ihre allgemeine forschungslogische Bedeutung in den Sozialwissenschaften, in: Soeffner, Hans-Georg (Hg.): Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften, Stuttgart 1979, S. 352– 434. OEXLE, Memoria = OEXLE, Otto Gerhard: Memoria in der Gesellschaft und in der Kultur des Mittelalters, in: Heinzle, Joachim (Hg.): Modernes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche, Frankfurt am Main/Leipzig 1994, S. 297–323. OLEARIUS, Syntagma = OLEARIUS, Johann Christoph: Hall. Sax. Rerum Thuringicarum Syntagma continuatum […], Frankfurt am Main/Leipzig/Erfurt 1707. ORTMANN, Landgebiet = ORTMANN, Sabine: Spätmittelalterliche sakrale Kunst im ehemaligen Erfurter Landgebiet, in: Weiss, Ulman (Hg.): Erfurt 742–1992. Stadtgeschichte, Universitätsgeschichte, Weimar 1992, S. 53–86.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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OTTE/SOMMER, Weißensee = OTTE, Heinrich/SOMMER, Gustav: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, Bd. 6: Der Kreis Weißensee, Halle 1882. OVERMANN, Barfüßeraltar = OVERMANN, Alfred: Der Erfurter Barfüßeraltar und sein Meister, in: Overmann, Alfred: Aus Erfurts alter Zeit. Gesammelte Aufsätze zur Erfurter Kulturgeschichte, Erfurt 1948, S. 67–70. PAARHAMMER, Pfarrei = PAARHAMMER, Hans: Art. Pfarrei I, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 26, Berlin/New York 1996, S. 337‒347. PALLAS, Entstehung = PALLAS, Karl: Die Entstehung des landesherrlichen Kirchenregiments in Kursachsen vor der Reformation, in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen 24 (1910), S. 129–171. PALLAS, Gebrauch = PALLAS, Karl: Der Gebrauch des Meßgewandes im Mutterlande der lutherischen Reformation, in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen 5 (1908), S. 1–18. PANTER, Ausstattung = PANTER, Armin: Die Auswirkung der Reformation auf die Ausstattung von St. Michael in Schwäbisch Hall, in: Schiffer, Peter (Hg.): Aufbruch in die Neuzeit. Das nördliche Württemberg im 16. Jahrhundert (Forschungen aus Württembergisch Franken, 53), Ostfildern 2012, S. 57–68. PASSARGE, Vesperbild = PASSARGE, Walter: Das deutsche Vesperbild im Mittelalter (Deutsche Beiträge zur Kunstwissenschaft, 1), Köln 1924. PATZE, Gebesee = PATZE, Hans: Art. Gebesee, in: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 9: Thüringen, Stuttgart ²1989, S. 128f. PAULUS, Ablass = PAULUS, Nikolaus: Geschichte des Ablaßes am Ausgang des Mittelalters, Paderborn 1922/1923; Nachdruck Darmstadt 2000. PERTHES, Bilder = PERTHES, Friedrich Johannes: Bilder aus dem kirchlichen und sozialen Leben im Bereich des jetzigen Herzogtums Gotha zur Zeit unmittelbar vor und bei Beginn der Reformation, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 21 (1902), S. 1–104. PETER, Westfalen = PETER, Claus: Zur Entwicklung des Turmuhrenbaues in Westfalen, in: Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 62 (1984), S. 216–244. PETERS, Platz = PETERS, Jan: Der Platz in der Kirche. Über soziales Rangdenken im Spätfeudalismus, in: Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte 28 (1985), S. 77–106. PETKE, Oblationen = PETKE, Wolfgang: Oblationen, Stolgebühren und Pfarreinkünfte vom Mittelalter bis ins Zeitalter der Reformation, in: Boockmann, Hartmut (Hg.): Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts, Göttingen 1994, S. 26–58. PETKE, Pfarrei = PETKE, Wolfgang: Die Pfarrei. Ein Institut von langer Dauer als Forschungsaufgabe, in: Bünz, Enno/Lorenzen-Schmidt, Klaus-Joachim (Hg.):
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
Klerus, Kirche und Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Schleswig-Holstein, Neumünster 2006, S. 17–49. PETKE, Pilgerbrief = PETKE, Wolfgang: Der rechte Pilger. Pilgersegen und Pilgerbrief im späten Mittelalter, in: Aufgebauer, Peter (Hg.): Herrschaftspraxis und soziale Ordnungen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Ernst Schubert zum Gedenken (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, 232), Hannover 2006, S. 361–390. PETZOLD, Friedhöfe = PETZOLD, Uwe: Archäologische Aspekte der Erforschung mittelalterlicher Stadt-, Dorf- und Klosterfriedhöfe, in: Spazier, Ines/Müller, Rainer (Hg.): Mittelalterliche Kirchen in Thüringen. Beiträge der Tagung „Archäologische und bauhistorische Untersuchungen an und in Kirchen Thüringens“, Weimar 16./17. März 2009 (Alt-Thüringen, 43), Langenweißbach 2014, S. 243–254. PETZOLD, Vierzehnheiligen = PETZOLD, Hans-Joachim: Ortsgründung und Wallfahrtsgeschichte, in: 550 Jahre Vierzehnheiligen 1464–2014, Jena-Vierzehnheiligen 2014. PFARRERBUCH KPS 1 = ALBRECHT-BIRKNER, Veronika (Bearb.): Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 1: A–Bo, Leipzig 2003. PFARRERBUCH KPS 4 = ALBRECHT-BIRKNER, Veronika (Bearb.): Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 4: He–Kl, Leipzig 2006. PFARRERBUCH KPS 6 = ALBRECHT-BIRKNER, Veronika (Bearb.): Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 6: Me–P, Leipzig 2007. PFARRERBUCH KPS 8 = ALBRECHT-BIRKNER, Veronika (Bearb.): Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 8: Schr–To, Leipzig 2008. PHILIPP, Pfarrkirchen = PHILIPP, Klaus Jan: Pfarrkirchen – Funktion, Motivation, Architektur. Eine Studie am Beispiel der Pfarrkirchen der schwäbischen Reichsstädte im Spätmittelalter (Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte, 4), Marburg 1987. PHILIPP/ROTH/BACHMANN, Katalog = PHILIPP, Hugo/ROTH, Daniel/BACHMANN, Willy (Hg.): Sonnenuhren Deutschland und Schweiz. Katalog der ortsfesten Sonnenuhren, Stuttgart 1994. PILVOUSEK, Prälaten = PILVOUSEK, Josef: Die Prälaten des Kollegiatstiftes St. Marien in Erfurt von 1400–1555 (Erfurter Theologische Studien, 55), Leipzig 1988. PLEIMES, Stiftungsrecht = PLEIMES, Dieter: Weltliches Stiftungsrecht. Geschichte der Rechtsformen (Forschungen zum deutschen Recht, 3, 3), Weimar 1938. PÖLNITZ, Vierzehnheiligen = PÖLNITZ, Siegmund von: Vierzehnheiligen. Eine Wallfahrt in Franken, Weißenhorn 1971. POHL, Jülich = POHL, Regina: Religiöse Lebensformen im Herzogtum Jülich. Zur Interpretation landesherrlicher „Visitationsberichte“ 1530–1560, Jülich 1989.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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POLLACK, Oberlausitz = POLLACK, Friedrich: „Vohr das arme wendische PawersVolck gut rein Evangelisch predigen.“ Geistlichkeit und ländliche Gesellschaft in der frühneuzeitlichen Oberlausitz, in: Schattkowsky, Martina/Kirchinger, Johann (Hg.): Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 63/1 (2015), Themenschwerpunkt: Kirche im ländlichen Raum, Frankfurt am Main 2015, S. 12–32. POSCHARSKY, Altar = POSCHARSKY, Peter: Art. Altar IV. Reformations- und Neuzeit, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 2, Berlin/New York 1978, S. 321‒ 324. POSCHARSKY, Bildprogramm = POSCHARSKY, Peter: Das lutherische Bildprogramm, in: Poscharsky, Peter (Hg.): Die Bilder in den lutherischen Kirchen. Ikonographische Studien, München 1998, S. 21‒39. POSCHARSKY, Kanzel = POSCHARSKY, Peter: Die Kanzel. Erscheinungsform im Protestantismus bis zum Ende des Barocks (Schriftenreihe des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart, 1), Gütersloh 1963. PRESS, Adel = PRESS, Volker: Adel, Reich und Reformation, in: Das Alte Reich. Ausgewählte Aufsätze, hg. v. Kunisch, Johannes, Berlin 1997, S. 329–378. PREUSS, Frömmigkeit = PREUSS, Hans: Die deutsche Frömmigkeit im Spiegel der bildenden Kunst, von ihren Anfängen bis zur Gegenwart dargestellt, Berlin 1926. PRIETZEL, Kalande = PRIETZEL, Malte: Die Kalande im südlichen Niedersachsen. Zur Entstehung und Entwicklung von Priesterbruderschaften im Spätmittelalter (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 117), Göttingen 1995. PRIETZEL, Klerikerbruderschaften = PRIETZEL, Malte: Formen institutionalisierter Frömmigkeit. Klerikerbruderschaften, Obrigkeiten und Laien: die niedersächsischen Kalande im späten Mittelalter, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 75 (2003), S. 87–100. PUZA, Pfarreien = PUZA, Richard: Art. Der Beitrag des gesamtkirchlichen (kanonischen) Rechts zur Entstehung von Pfarreien und Pfarreiorganisation; in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München 1993, Sp. 2025f. QUIRIN, Gemeinde = QUIRIN, Karl-Heinz: Herrschaft und Gemeinde nach mitteldeutschen Quellen des 12. Bis 18. Jahrhunderts (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft, 2), Göttingen 1952. RADEMACHER, Kanzel = RADEMACHER, Franz: Die Kanzel in ihrer archäologischen und künstlerischen Entwicklung in Deutschland bis zum Ende der Gotik, in: Zeitschrift für christliche Kunst 34 (1921), S. 123–138/S. 139–156/S. 171–186. RAHN, Bruderschaften = RAHN, Kerstin: Eyn meß/eyn zeit/eyn bier…? Rituelles Handeln in spätmittelalterlichen Bruderschaften, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 75 (2003), S. 101‒111.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
RANKL, Bayern = RANKL, Helmut: Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment in Bayern (1378–1526) (Miscellanea Bavarica Monacensia, 34), München 1971. RAPP, Réformes = RAPP, Francis: Réformes et Réformation à Strasbourg. Eglise et Société dans la diocèse de Strasbourg 1450–1525, Paris 1974. RASCHZOK/SÖRRIES, Geschichte = RASCHZOK, Klaus/SÖRRIES, Rainer (Hg.): Geschichte des protestantischen Kirchenbaues. Festschrift für Peter Poscharsky zum 60. Geburtstag, Erlangen 1994. REHSE, Brandenburg = REHSE, Birgit: Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen. Eine Untersuchung am Beispiel der Kurmark unter Friedrich Wilhelm II. (1786–1797) (Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 35), Berlin 2008. REIN, Regesten = REIN, Wilhelm: Ungedruckte Regesten zur Geschichte von Weimar, Jena, Erfurt und Umgegend, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 5 (1863), S. 233–270. REINHARDT, Gräfentonna = REINHARDT, Guido Paul August: Geschichte des Marktes Gräfentonna. Eine Festgabe zur Feier des 200-jährigen Jubiläums der Kirche St. Petri und Pauli, Langensalza 1892. REINHOLD, Tegkwitz = REINHOLD, Frank: Die Tegkwitzer Kirchenrechnungen des 15. Jahrhunderts als historische Quelle, in: Sachenbacher, Peter/Einicke, Ralf/Beier, Hans-Jürgen (Hg.): Tegkwitz und das Altenburger Land im Mittelalter. 976–2001 (Beiträge zur Frühgeschichte und zum Mittelalter Ostthüringens, 1), Langenweißbach 2003, S. 133–142. REINLE, Ausstattung = REINLE, Adolf: Die Ausstattung deutscher Kirchen im Mittelalter, Darmstadt 1988. REITEMEIER, Gemeinden = REITEMEIER, Arnd: Einfluss und Funktion der „Gemeinden“ in Norddeutschland bei der Einführung der Reformation, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte 107 (2009), S. 53–77. REITEMEIER, Geschlechter = REITEMEIER, Arnd: Pfarrkirchen, ihre Verwaltung und die herrschenden Geschlechter der Stadt im späten Mittelalter, in: Schmitt, Sigrid/Klapp, Sabine (Hg.): Städtische Gesellschaft und Kirche im Spätmittelalter, Stuttgart 2008, S. 81–92. REITEMEIER, Kirchhöfe = REITEMEIER, Arnd: Die Kirchhöfe der Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters, in: Brademann, Jan/Freitag, Werner (Hg.): Leben bei den Toten. Kirchhöfe in der ländlichen Gesellschaft der Vormoderne (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme, 19), Münster 2007, S. 129–144. REITEMEIER, Pfarrgemeinde = REITEMEIER, Arnd: Die Pfarrgemeinde im späten Mittelalter, in: Bünz, Enno/Fouquet, Gerhard (Hg.): Die Pfarrei im späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen, 77), Ostfildern 2013, S. 341–375.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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REITEMEIER, Pfarrkirchen = REITEMEIER, Arnd: Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters. Politik, Wirtschaft und Verwaltung (Vierteljahresschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 177), Stuttgart 2005. REMLING, Bruderschaften = REMLING, Ludwig: Bruderschaften in Franken. Kirchen- und sozialgeschichtliche Untersuchungen zum spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bruderschaftswesen (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, 35), Würzburg 1986. REMLING, Forschungsgegenstand = REMLING, Ludwig: Bruderschaften als Forschungsgegenstand, in: Jahrbuch für Volkskunde 3 (1980), S. 89–112. RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Altarwerkstätten = RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Margarete: Thüringer Altarwerkstätten der Spätgotik, masch. 1930. RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Saalfeld = RIEMSCHNEIDER-HÖRNER, Margarete: Die Schnitzaltäre des Saalfelder Museums, in: Festschrift Valentin Hopf zum achtzigsten Geburtstag, Jena 1933, S. 199‒217. RITSCHEL, Tafelmalerei = RITSCHEL, Iris: Sakrale Tafelmalerei im ehemaligen Bistum Merseburg zwischen 1470 und 1520 unter Ausschluss der Werke von Lucas Cranach, seiner Werkstatt und seinem Kreis, Diss. masch. Leipzig 2002. RÖSENER, Probleme = RÖSENER, Werner: Probleme der Erforschung der ländlichen Gesellschaft des Mittelalters, in: Troßbach, Werner/Zimmermann, Clemens (Hg.): Agrargeschichte. Positionen und Perspektiven (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, 44), Stuttgart 1998, S. 93‒105. RÖSSNER, Deflation = RÖSSNER, Philipp Robinson: Deflation – Devaluation – Rebellion. Geld im Zeitalter der Reformation (Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 219), Stuttgart 2012. ROLLBERG, Adjuvantenchöre = ROLLBERG, Fritz: Adjuvantenchöre in Westthüringen. Ein Beitrag zur Geschichte des ländlichen Musikwesens, in: Beiträge zur Thüringischen Kirchengeschichte 3 (1933–1935), S. 70–114. ROMMEL, Verhältnisse = ROMMEL, Ludwig: Grundherrschaftliche und bäuerliche Verhältnisse im Gebiet der Stadt Erfurt am Beginn des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1980/2, S. 159–180. ROSSNER, Großengottern = ROSSNER, Christiane: Trommeln für die kleinste Hütte. Das Hospitalensemble in Großengottern könnte bald nicht mehr vollständig sein, in: Monumente. Magazin für Denkmalkultur in Deutschland 25/2 (April 2015), S. 22–26. RUBIN, Corpus = RUBIN, Miri: Corpus Christi. The Eucharist in the Late Medieval Culture, Cambridge 1991. RUDOLPH, Kirchtürme = RUDOLPH, Benjamin: Kirchtürme mit Befestigungsmerkmalen im Erfurter Umland, in: Höhne, Dirk/Schmitt, Reinhard (Hg.): Wehrhafte Kirchen und befestigte Kirchhöfe, Langenweißbach 2015, S. 127–137.
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RÜTTE, Reformation = RÜTTE, Hans von (Hg.): Bäuerliche Frömmigkeit und kommunale Reformation (Itinera, 8), Basel 1988. RUPPRECHT, Volksfrömmigkeit = RUPPRECHT, Klaus: Volksfrömmigkeit im Spiegel protestantischer Visitationsakten Frankens im 16. Jahrhundert, in: Knefelkamp, Ulrich (Hg.): Stadt und Frömmigkeit. Colloquium zum 70. Geburtstag von Gerd Zimmermann, Bamberg 1995, S. 93–118. SACHS/BADSTÜBNER/NEUMANN, Kunst = SACHS, Hannelore/BADSTÜBNER, Ernst/NEUMANN, Helga: Erklärendes Wörterbuch zur christlichen Kunst, Hanau 1992. SANDNER, Tafelmalerei = SANDNER, Ingo: Spätgotische Tafelmalerei in Sachsen, Dresden 1993. SATTLER/KÜHN/BAUMGARTNER, Bußsakrament = SATTLER, Dorothea/KÜHN, Ulrich/BAUMGARTNER, Konrad: Art. Bußsakrament, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 2, Freiburg ³1994, Sp. 845‒856. SCHADE, Einfluss = SCHADE, Herwarth von: Der Einfluß der Reformation auf die Entwicklung des evangelischen Bibliothekswesens, in: Göpfert, Herbert G. u.a. (Hg.): Beiträge zur Geschichte des Buchwesens im konfessionellen Zeitalter: Vorträge (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens, 11), Wiesbaden 1985, S. 147–177. SCHATTKOWSKY, Reformation = SCHATTKOWSKY, Martina: Adel und Reformation. Grundherrschaftliches Engagement zur Konfessionsbildung im ländlichen Raum, in: Müller, Winfried (Hg.): Perspektiven der Reformationsforschung in Sachsen. Ehrenkolloquium zum 80. Geburtstag von Karlheinz Blaschke, Dresden 2008, S. 125–133. SCHATTKOWSKY, Schleinitz = SCHATTKOWSKY, Martina: Zwischen Rittergut, Residenz und Reich. Die Lebenswelt des kursächsischen Landadligen Christoph von Loß auf Schleinitz (1574‒1620) (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 20), Leipzig 2007. SCHATTKOWSKY/KIRCHINGER, Editorial = SCHATTKOWSKY, Martina/KIRCHINGER, Johann: Editorial, in: Schattkowsky, Martina/Kirchinger, Johann (Hg.): Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 63/1 (2015), Themenschwerpunkt: Kirche im ländlichen Raum, Frankfurt am Main 2015, S. 8–11. SCHICK, Grundlagen = SCHICK, Manfred: Die naturräumlichen Grundlagen, in: Patze, Hans/Schlesinger, Walter (Hg.): Geschichte Thüringens, Bd. 1: Grundlagen und frühes Mittelalter, Köln/Graz 1968, S. 48‒112. SCHILDT, Gemeinde = SCHILDT, Bernd: Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft. Verfassung und Recht der Landgemeinde Thüringens in der Frühen Neuzeit (Regionalgeschichtliche Forschungen im Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar), Weimar 1996.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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SCHILLING, Pflummern = SCHILLING, Albert (Hg.): Beiträge zur Geschichte der Einführung der Reformation Biberach. Zeitgenössische Aufzeichnungen des Weltpriesters Heinrich von Pflummern, in: Freiburger Diöcesan-Archiv 9 (1875), S. 141–238. SCHILLING/EHRENPREIS, Schulwesen = SCHILLING, Heinz/EHRENPREIS, Stefan (Hg.): Erziehung und Schulwesen zwischen Konfessionalisierung und Säkularisierung. Forschungsperspektiven, europäische Fallbeispiele und Hilfsmittel, Münster 2003. SCHIRMER, Adel = SCHIRMER, Uwe: Der obersächsisch-thüringische Niederadel in der Frühzeit der Reformation (1520–1525), in: Andermann, Kurt/Breul, Wolfgang (Hg.): Ritterschaft und Reformation (Archiv für Reformationsgeschichte, Beiheft), Gütersloh voraussichtlich 2017. SCHIRMER, Ausbreitung = SCHIRMER, Uwe: Die Ausbreitung der Reformation im Spiegel serieller Quellen. Beobachtungen aus dem thüringisch-osterländischen Raum (1517–1525), in: Greiling, Werner/Schirmer, Uwe/Schwalbe, Ronny (Hg.): Der Altar von Lucas Cranach d. Ä. in Neustadt an der Orla und die Kirchenverhältnisse im Zeitalter der Reformation (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 3), S. 247–267. SCHIRMER, Entmündigung = SCHIRMER, Uwe: Die Entmündigung der bäuerlichen Gemeinden als „negative Implikation“ der Reformation? Beobachtungen aus dem thüringisch-obersächsischen Raum (ca. 1400–1600), in: Greiling, Werner/ Kohnle, Armin/Schirmer, Uwe (Hg.): Negative Implikationen der Reformation? Gesellschaftliche Transformationsprozesse 1470–1620 (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 4), Köln/Weimar/Wien 2015, S. 163–200. SCHIRMER, Quellen = SCHIRMER, Uwe: Unerschlossene Quellen zur Reformationsgeschichte. Kirchenrechnungen aus dem ernestinischen Kursachsen (1514–1547), in: Müller, Winfried (Hg.): Perspektiven der Reformationsforschung in Sachsen. Ehrenkolloquium zum 80. Geburtstag von Karlheinz Blaschke, Dresden 2008, S. 107–123. SCHIRMER, Reformation = SCHIRMER, Uwe: Reformation und Staatsfinanzen. Vergleichende Anmerkungen zu Sequestration und Säkularisation im ernestinischen und albertinischen Sachsen (1523‒1544), in: Beyer, Michael u. a. (Hg.): Christlicher Glaube und weltliche Herrschaft. Zum Gedenken an Günther Wartenberg (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte, 24), Leipzig 2008, S. 179–192. SCHIRMER, Staatsfinanzen = SCHIRMER, Uwe: Kursächsische Staatsfinanzen (1456– 1656). Strukturen, Verfassung, Funktionseliten (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, 28), Leipzig 2006. SCHIRMER, Zauberin = SCHIRMER, Uwe: Die Hinrichtung einer Zauberin und ihres Gefolges vor Wittenberg im Juni 1540 – die Rekonstruktion des Falls im Lichte
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
der beginnenden Sozialdisziplinierung, in: Erich Donnert (Hg.): Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 7: Unbekannte Quellen. Aufsätze zu Entwicklung, Vorstufen, Grenzen und Fortentwicklung in und um Europa, Köln u. a. 2008, S. 137–151. SCHLENKER, Verhältnisse = SCHLENKER, Gerlinde: Bäuerliche Verhältnisse im Mittelelbe- und Saalegebiet vom 12. Bis 15. Jahrhundert, Halle a. d. Saale 2000. Schlögl, Bedingungen = Schlögl, Rudolf: Bedingungen dörflicher Kommunikation. Gemeindliche Öffentlichkeit und Visitation im 16. Jahrhundert, in: Rösener, Werner (Hg.): Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Moderne (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 156), Göttingen 2000, S. 241–261. SCHLÖGL, Probleme = SCHLÖGL, Rudolf: Probleme der Gemeindereformation, in: Zeitschrift für historische Forschung 18 (1991), S. 345–349. SCHLOMBS, Entwicklung = SCHLOMBS, Wilhelm: Die Entwicklung des Beichtstuhls in der katholischen Kirche. Grundlagen und Besonderheiten im alten Erzbistum Köln (Studien zur Kölner Kirchengeschichte, 8), Düsseldorf 1965. SCHLÜTER/AUGUST, Atlas = SCHLÜTER, Otto/AUGUST, Oskar (Hg.): Atlas des Saale- und mittleren Elbegebietes, 3 Bd., Leipzig ²1958–1961. SCHMID/WOLLASCH, Memoria = SCHMID, Karl/WOLLASCH, Joachim (Hg.): Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter (Münstersche Mittelalter-Schriften, 48), München 1984. SCHMIDT, Fülle = SCHMIDT, Frank: Die Fülle der erhaltenen Denkmäler – Ein kurzer Überblick, in: Fritz, Johann Michael (Hg.): Die bewahrende Kraft des Luthertums. Mittelalterliche Kunstwerke in evangelischen Kirchen, Regensburg 1997, S. 71–78. SCHMIDT, Hessen-Darmstadt = SCHMIDT, Frank: Kirchenneubauten und ihre Bildausstattung in Hessen-Darmstadt um 1600, in: Raschzok, Klaus/Sörries, Rainer (Hg.): Geschichte des protestantischen Kirchenbaues. Festschrift für Peter Poscharsky zum 60. Geburtstag, Erlangen 1994, S. 209–214. SCHMIDT, Kirchenbau = SCHMIDT, Frank: Der lutherische Kirchenbau im 16. und 17. Jahrhundert, in: Die Anfänge des protestantischen Kirchenbaus im 16. Jahrhundert (Schriften des Vereins für Kirchengeschichte der Kirchenprovinz Sachsen, 3), Magdeburg 2010, S. 9–20. SCHMITT, Dorfbefestigungen = SCHMITT, Reinhard: Dorfbefestigungen im heutigen Sachsen-Anhalt – ein vernachlässigtes Relikt des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtsalltags, in: Höhne, Dirk/Schmitt, Reinhard (Hg.): Wehrhafte Kirchen und befestigte Kirchhöfe, Langenweißbach 2015, S. 247–270. SCHNEYER, Predigt = SCHNEYER, Johannes Baptist: Geschichte der katholischen Predigt, Freiburg 1969.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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SCHNITZLER, Ikonoklasmus = SCHNITZLER, Norbert: Ikonoklasmus – Bildersturm. Theologischer Bilderstreit und ikonoklastisches Handeln während des 15. und 16. Jahrhunderts, München 1996. SCHNITZLER, Probleme = SCHNITZLER, Norbert: Illusion, Täuschung und schöner Schein. Probleme der Bilderverehrung im späten Mittelalter, in: Schreiner, Klaus (Hg.): Frömmigkeit im Mittelalter. Politisch-soziale Kontexte, visuelle Praxis, körperliche Ausdrucksformen, München 2002, S. 221–242. SCHÖLLER, Organisation = SCHÖLLER, Wolfgang: Die rechtliche Organisation des Kirchenbaues im Mittelalter vornehmlich des Kathedralbaues. Baulast, Bauherrenschaft, Baufinanzierung, Köln 1989. SCHREINER, Frömmigkeit = SCHREINER, Klaus: Frömmigkeit in politisch-sozialen Wirkungszusammenhängen des Mittelalters. Theorie- und Sachprobleme, Tendenzen und Perspektiven der Forschung, in: Borgolte, Michael: Mittelalterforschung nach der Wende 1989 (Historische Zeitschrift, Beiheft, NF 20), München 1995, S. 177–226. SCHREINER, Laienfrömmigkeit = SCHREINER, Klaus: Laienfrömmigkeit – Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes? Zur sozialen Verfaßtheit laikaler Frömmigkeitspraxis im späten Mittelalter, in: Ders. (Hg.): Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, München 1992, S. 1–78. SCHRÖCKER, Kirchenpflegschaft = SCHRÖCKER, Sebastian: Die Kirchenpflegschaft. Die Verwaltung des Niederkirchenvermögens durch Laien seit dem ausgehenden Mittelalter (Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaften im katholischen Deutschland, 67), Paderborn 1934. SCHUBERT, Fürstenreformation = SCHUBERT, Ernst: Fürstenreformation. Die Realität hinter einem Vereinbarungsbegriff, in: Bünz, Enno/Rhein, Stefan/Wartenberg, Günther (Hg.): Glaube und Macht. Theologie, Politik und Kunst im Jahrhundert der Reformation (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, 5), Leipzig 2005, S. 23–47. SCHÜTTE, Kirchhof = SCHÜTTE, Leopold: Cimeterium – Kirchhof – Friedhof: Wörter und Sachen. Sprachgeschichtliche Überlegungen zu Bedeutung und Wahrnehmung von Kirchhöfen, in: Brademann, Jan/Freitag, Werner (Hg.): Leben bei den Toten. Kirchhöfe in der ländlichen Gesellschaft der Vormoderne (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme, 19), Münster 2007, S. 117–125. SCHULTZE, Stadtgemeinde = SCHULTZE, Alfred: Stadtgemeinde und Kirche im Mittelalter, in: Festschrift für Rudolph Sohm, Leipzig 1914, S. 103‒142. SCHULZE, Kirche = SCHULZE, Hans K.: Die Kirche im Hoch- und Spätmittelalter, in: Patze, Hans/Schlesinger, Walter (Hg.): Geschichte Thüringens, Bd. 2, 2, Köln/Wien 1973, S. 50–149.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
SCHULZE, Konflikte = SCHULZE, Winfried: Die veränderte Bedeutung sozialer Konflikte im 16. und 17. Jahrhundert, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Der deutsche Bauernkrieg 1524‒1526 (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 1), Göttingen 1975, S. 277‒302. SCHULZE, Pfarrorganisation = SCHULZE, Hans K.: Die Entwicklung der thüringischen Pfarrorganisation im Mittelalter, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 103 (1967), S. 32–70. SCHUM, Verhältnisse = SCHUM, Wilhelm: Ueber bäuerliche Verhältnisse und die Verfassung der Landgemeinden im Erfurter Gebiete zur Zeit der Reformation, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 9 (1878), S. 1–102. SCHUSTER, Verständlichkeit = SCHUSTER, Britt-Marie: Die Verständlichkeit von frühreformatorischen Flugschriften. Eine Studie zu kommunikationswirksamen Faktoren der Textgestaltung (Documenta linguistica, 4), Hildesheim 2001. SCHUTTWOLF, Kat. Gotha = SCHUTTWOLF, Allmuth: Sammlung der Plastik, Schloßmuseum Gotha 1150–1850, Gotha 1995. SCHWARZ, Perspektiven = SCHWARZ, Brigide: Klerikerkarrieren und Pfründenmarkt. Perspektiven einer sozialgeschichtlichen Auswertung des Repertorium Germanicum, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 71 (1991), S. 243–265. SCHWARZ, Pfründenmarkt = SCHWARZ, Brigide: Römische Kurie und Pfründenmarkt im Spätmittelalter, in: Zeitschrift für historische Forschung 20 (1993), S. 129–152. SCHWARZ, Bußtheologie = SCHWARZ, Reinhard: Vorgeschichte der reformatorischen Bußtheologie (Arbeiten zur Kirchengeschichte, 41), Berlin 1968. SCHWARZE, Struktur = SCHWARZE, Elisabeth: Soziale Struktur und Besitzverhältnisse der ländlichen Bevölkerung Ostthüringens im 16. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Staatsarchivs Weimar, 9), Weimar 1975. SCHWERHOFF, Sakralitätsmanagement = SCHWERHOFF, Gerd: Sakralitätsmanagement. Zur Analyse religiöser Räume im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Rau, Susanne/Schwerhoff, Gerd (Hg.): Topographien des Sakralen. Religion und Raumordnung in der Vormoderne, München/Hamburg 2008, S. 38–67. SCRIBNER, Common = SCRIBNER, Robert W.: The Reformation and the Religion of the Common People, in: Guggisberg, Hans R./Krodel, Gottfried (Hg.): Die Reformation in Deutschland und Europa. Interpretationen und Debatten, Gütersloh 1993, S. 221–241. SCRIBNER, Diffusion = SCRIBNER, Robert W.: Oral culture and the Diffusion of Reformation Ideas, in: Scribner, Robert W. (Hg.): Popular Culture and Popular Movements in Reformation Germany, London 1987, S. 49–69.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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SCRIBNER, Erfurt = SCRIBNER, Robert W.: Reformation, society and humanism in Erfurt 1460–1530, Diss. masch. London 1972. SCRIBNER, Magie = SCRIBNER, Robert W.: Magie und Aberglaube. Zur volkstümlichen sakramentalischen Denkart in Deutschland am Ausgang des Mittelalters, in: Dinzelbacher, Peter/Bauer, Dieter R. (Hg.): Volksreligion im hohen und späten Mittelalter, Paderborn u. a. 1990, S. 253–274. SCRIBNER, Piety = SCRIBNER, Robert W.: Popular piety and the modes of visual perception, in: Journal of Religious History 15/4 (1989), S. 448–469. SCRIBNER, Sake = SCRIBNER, Robert W.: For the Sake of Simple Folk. Popular Propaganda for the German Reformation, Oxford 1994. SCRIBNER, Volksglaube = SCRIBNER, Robert W.: Volksglaube und Volksfrömmigkeit. Begriffe und Historiographie, in: MOLITOR, Hansgeorg/SMOLINSKY, Heribert (Hg.): Volksfrömmigkeit in der frühen Neuzeit (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung, 54), Münster 1994, S. 121–138. SCZECH, Bericht 2007 = SCZECH, Karin: Bericht zur Stadtarchäologie über das Jahr 2007, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 69 (2008), S. 205‒230. SEEHASE, Pfarrkirchen = SEEHASE, Hans: Pfarrkirchen der Reformationszeit in Mitteldeutschland, in: Die Anfänge des protestantischen Kirchenbaus im 16. Jahrhundert (Schriften des Vereins für Kirchengeschichte der Kirchenprovinz Sachsen, 3), Magdeburg 2010, S. 21–40. SEIBOLD, Sammelindulgenzen = SEIBOLD, Alexander: Sammelindulgenzen. Ablaßurkunden des Spätmittelalters und der Frühneuzeit (Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, Beiheft 8), Köln/Weimar/Wien 2001. SEITZ, Frömmigkeit = SEITZ, Manfred: Art. Frömmigkeit II, Systematisch-theologisch, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 11, Berlin/New York 1983, S. 674–683. SEYDERHELM, Kraft = SEYDERHELM, Bettina: Die „bewahrende Kraft des Luthertums“ gegen die Beseitigung vorreformatorischer Kirchenausstattungen. Von der Erhaltung mittelalterlicher Goldschmiedearbeiten und anderer Kirchenausstattungen in mitteldeutschen evangelischen Kirchen, in: Bulisch, Jens/Klingner, Dirk/Mai, Christian (Hg.): Kirchliche Kunst in Sachsen. Festgabe für Hartmut Mai zum 65. Geburtstag, Beucha 2002, S. 32–51. SIEGLERSCHMIDT, Rechtsdogmatik = SIEGLERSCHMIDT, Jörn: Territorialstaat und Kirchenregiment. Studien zur Rechtsdogmatik des Kirchenpatronatsrechts im 15. und 16. Jahrhundert (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 15), Köln 1987. SIEMS, Billigkeit = SIEMS, Harald: Art. Billigkeit, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 2, Berlin ²1976, S. 607–612.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
SIGNORI, Elende = SIGNORI, Gabriela: Das Wunderbuch Unserer Lieben Frau im thüringischen Elende (1419–1517) (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Große Reihe, 12), Köln/Weimar/Wien 2006. SIGNORI, Erblasser = SIGNORI, Gabriela: Versorgen – Vererben – Erinnern. Kinderund familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 160), Göttingen 2001. SIGNORI, Frauen = SIGNORI, Gabriela: Frauen links – Männer rechts. Bemerkungen zu einem wissenschaftlichen Allgemeinplatz, in: Ballof, Rolf (Hg.): Geschichte des Mittelalters für unsere Zeit, Stuttgart 2003, S. 179–198. SIGNORI, Kirchengestühl = SIGNORI, Gabriela: Umstrittene Stühle. Spätmittelalterliches Kirchengestühl als soziales, politisches und religiöses Kommunikationsmedium, in: ZhF 29/2 (2002), S. 189‒213. SIGNORI, Sitzen = SIGNORI, Gabriela: Stehen oder sitzen? Die Geschichte eines Mythos, in: Signori, Gabriela: Räume, Gesten, Andachtsformen. Geschlecht, Konflikt und religiöse Kultur im europäischen Mittelalter, Ostfildern 2005, S. 74– 95 SIGNORI, Räume = SIGNORI, Gabriela: Räume, Gesten, Andachtsformen. Geschlecht, Konflikt und religiöse Kultur im europäischen Mittelalter, Ostfildern 2005. SLADECZEK, Adel = SLADECZEK, Martin: Zwischen Widerstand und Trägerschaft. Der niedere Adel Thüringens als Akteur der frühen Reformationszeit, in: Weckenbrock, Olga (Hg.): Ritterschaft und Reformation (REFO 500 Academic Studies), in Vorbereitung. SLADECZEK, Arnstadt = SLADECZEK, Martin: Die frühe Reformation in Arnstadt im Spiegel der Kirchenrechnungen, in: Emig, Joachim/Leppin, Volker/Schirmer, Uwe (Hg.): Vor- und Frühreformation in thüringischen Städten (1470–1525/30) (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 1), Köln/ Weimar/Wien 2013, S. 203–232. SLADECZEK, Beschwerden = SLADECZEK, Martin: Kirchenregiment von unten. Geistliche Beschwerden ernestinischer Landgemeinden vor und während der frühen Visitationen, in: Blaha, Dagmar/Spehr, Christopher (Hg.): Reformation vor Ort. Zum Quellenwert von Visitationsprotokollen (u. a. Schriften des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar, 7), Leipzig 2016, S. 90–106. SLADECZEK, Billigkeit = SLADECZEK, Heinz: Art. Billigkeit II, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 1, Basel/Stuttgart 1971, Sp. 940–943. SLADECZEK, Ernestiner = SLADECZEK, Martin: Die Ernestiner und das entstehende Kirchenregiment, in: Westphal, Sigrid/Hahn, Hans-Werner/Schmidt, Georg (Hg.): Die Welt der Ernestiner. Ein Lesebuch, Köln/Weimar/Wien 2016.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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SLADECZEK, Gromann = Sladeczek, Martin: Ein unbekannter Entwurf des Baumeisters Nickel Gromann für den Kirchturm in Bufleben, in: Zeitschrift für Thüringische Geschichte 69 (2015), S. 233–240. SLADECZEK, Künstlerschicksale = SLADECZEK, Franz-Josef: „das wir entlichs verderbens und des bettelstabs sind“. Künstlerschicksale zur Zeit der Reformation, in: BLICKLE, Peter/HOLENSTEIN, André/SCHMIDT, Heinrich Richard/SLADECZEK, Franz-Josef (Hg.): Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im kontext der europäischen Geschichte, München 2002, S. 273–304. SLADECZEK, Liebfrauenkirche = SLADECZEK, Martin: Totenschilde, Spendenstöcke und Reliquien – Zeugnisse der Vorreformationszeit in der Arnstädter Liebfrauenkirche, in: Aus der Vergangenheit von Arnstadt und Umgebung 23 (2014), S. 22–34. SLADECZEK, Pfarrkirchen = SLADECZEK, Martin: Sehr alltägliche Frömmigkeit. Arnstadts Pfarrkirchen um 1500, in: Bünz, Enno/Kühne, Hartmut (Hg.): Alltag und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation in Mitteldeutschland. Wissenschaftlicher Begleitband zur Ausstellung „Umsonst ist der Tod“ (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 50), Leipzig 2015, S. 201–226. SLADECZEK, Prinzipien = SLADECZEK, Martin: Prinzipien der Rechnungsführung städtischer und dörflicher Kirchenfabriken in Thüringen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Gleba, Gudrun/Petersen, Niels (Hg.): Wirtschafts- und Rechnungsbücher des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Formen und Methoden der Rechnungslegung: Städte, Klöster und Kaufleute, Göttingen 2015, S. 103–118. SLADECZEK, Verwaltung = SLADECZEK, Martin: Verwaltung, Nepotismus und Frömmigkeit an den Arnstädter Pfarrkirchen (1460–1530), Mag. masch. Jena 2011. SMIRIN, Volksreformation = SMIRIN, Moisej Mendelevič: Die Volksreformation des Thomas Münzer und der große Bauernkrieg, Berlin 1952. SÖRRIES, Evangelischen = SÖRRIES, Rainer: Die Evangelischen und die Bilder. Reflexionen einer Geschichte, Katalog Nürnberg 1983, Erlangen 1983. SONNTAG, Marien = SONNTAG, Franz Peter: Das Kollegiatstift St. Marien zu Erfurt von 1117–1400. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Verfassung, seiner Mitglieder und seines Wirkens (Erfurter theologische Studien, 13), Leipzig 1962. SPAZIER/BARKE, Untersuchungen = SPAZIER, Ines/BARKE, Jens-Martin: Archäologische Untersuchungen in befestigten Kirchhöfen Südwestthüringens, in: Höhne, Dirk/Schmitt, Reinhard (Hg.): Wehrhafte Kirchen und befestigte Kirchhöfe, Langenweißbach 2015, S. 51–74. SPIESS, Großrudestedt = SPIESS, F.: Geschichte des Dorfes Großrudestedt im Großherzogtum Sachsen, Großrudestedt 1912. SPRANDEL, Gesellschaft = SPRANDEL, Rolf: Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter, Paderborn 51994.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
STAMPFER/WALDER, Gries = STAMPFER, Helmut/WALDER, Hubert: Michael Pacher in Bozen-Gries, Bozen ²1980. STAYER, Anticlericalism = STAYER, James M.: Anticlericalism: A Model for a Coherent Interpretation of the Reformation, in: Guggisberg, Hans R. (Hg.): Die Reformation in Deutschland und Europa. Interpretationen und Debatten (Archiv für Reformationsgeschichte, Sonderband), Gütersloh 1993, S. 39–47. STECHER, Steinmetzzeichen = STECHER, Horst: Steinmetzzeichen in Erfurt (Erfurter Studien zur Kunst- und Baugeschichte, 4), Berlin 2009. STEWING, Ablasswesen = STEWING, Frank-Joachim: Zwei unbekannte Quellen zum Ablasswesen in Thüringen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 56 (2004), S. 123‒142. STEWING, Almanach = STEWING, Frank-Joachim: Kat.Nr. 5, Honiger, Jakob: Almanach für Erfurt auf das Jahr 1494, in: Schütterle, Michael (Hg.): Aus den Sammlungen der Historischen Bibliothek der Stadt Rudolstadt. Drucke, Handschriften, Autographen des 15. bis 20. Jahrhunderts, Rudolstadt 1998, S. 30f. STEWING, Kapelle = STEWING, Frank-Joachim: Ein Mainzer Missale von 1517 als Quelle zur Geschichte der Kapelle auf Schloss Schwarzburg, in: Rudolstädter Heimathefte 50 (2004), S. 97–103. STEWING, Kapellendorf = STEWING, Frank-Joachim: Buchbesitz der Landgeistlichkeit in Thüringen im 16. Jahrhundert. Das Beispiel Simon Hartung, gestorben 1563 als evangelischer Pfarrer von Kapellendorf, in: Wittmann, Helge (Hg.): Die Kirche von Kapellendorf. Studien zu Geschichte und Architektur einer ländlichen Pfarr- und Klosterkirche, Petersberg 2003, S. 83‒111. STEWING, Rudolstadt = STEWING, Frank-Joachim: Bibliothek und Buchbesitz einer spätmittelalterlichen Pfarrkirche im mitteldeutschen Raum: Das Beispiel Rudolstadt, in: Bünz, Enno (Hg.): Bücher, Drucker, Bibliotheken in Mitteldeutschland. Neue Forschungen zur Kommunikations- und Mediengeschichte um 1500 (Schriften zur Sächsischen Geschichte und Volkskunde, 15), Leipzig 2006, S. 207‒303. STICKEL, Rothenstein = STICKEL, Oskar: Dorfgewohnheit Rothensteins vom Jahre 1480, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 7 (1870), S. 463–480. STIEVERMANN, Landesherrschaft = STIEVERMANN, Dieter: Landesherrschaft und Klosterwesen im spätmittelalterlichen Württemberg, Sigmaringen 1989. STIRM, Bilderfrage = STIRM, Margarete: Die Bilderfrage in der Reformation (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, 45), Gütersloh 1977. STÖRZNER, Burchardi-Kirche = STÖRZNER, Frank: Burchardi-Kirche Kleinmölsen: 1604–2004. Festschrift zum 400. Kirchbaujubiläum, Kleinmölsen 2004. STÖRZNER, Großmölsen = STÖRZNER, Frank: Großmölsen 775–2000. 1225 Jahre Ortsgeschichte, Weimar 2000.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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STÖRZNER, Wandersleben = STÖRZNER, Frank: Das Steinkreuz unter der Kirchenbank, in: Thüringer Allgemeine vom 12. November 2016, Thüringen-Sonntag, S. 2. STOOB, Minderstädte = STOOB, Heinz: Minderstädte. Formen der Stadtentstehung im Spätmittelalter, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 46 (1959), S. 1–28. STRAUSS, Learning = STRAUSS, Gerald: Luther’s House of Learning. Indoctrination oft he Young in the German Reformation, Baltimore/London 1978. STRUEMPFEL, Großmonra = STRUEMPFEL: Die ersten evangelischen Pfarrer von Großmonra, in: Heimatkalender des Kreises Eckartsberga, 1909, S. 57f. STÜCKRAD, Aura = STÜCKRAD, Juliane: Aura. Mittelalterliche Holzskulpturen, Thüringens stille Kraft, mit Fotografien von Ulrich Kneise, Halle an der Saale 2016. STUPPERICH, Bruderschaften = STUPPERICH, Robert: Art. Bruderschaften, 2.‒6., in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 32, Berlin/New York 2001, S. 195‒207. SUCKALE, Kirchenbau = SUCKALE, Robert: Der mittelalterliche Kirchenbau im Gebrauch und als Ort der Bilder, in: Schmidt, Peter/Wedekind, Gregor (Hg.): Robert Suckale: Stil und Funktion. Ausgewählte Schriften zur Kunst des Mittelalters, Berlin 2003, S. 391–406. TACKE, Kunstmarkt = TACKE, Andreas: Verlierer und Gewinner. Zu den Auswirkungen der Reformation auf den Kunstmarkt, in: Greiling, Werner/Kohnle, Armin/Schirmer, Uwe (Hg.): Negative Implikationen der Reformation? Gesellschaftliche Transformationsprozesse 1470–1620 (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 4), Köln/Weimar/Wien 2015, S. 283– 315. TETTAU, Bär = TETTAU, W. v.: Bericht des Ulrich Baer über seine Anstellung als Pfarrer zu Mühlberg 1537, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 8, S. 69‒86. THEISEN, Stiftungsrecht = THEISEN, Frank: Mittelalterliches Stiftungsrecht. Eine Untersuchung zur Urkundenüberlieferung des Klosters Fulda im 12. Jahrhundert (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 26), Köln/Weimar/Wien 2002. THOMA, München = THOMA, Gertrud: Der Einfluß der Stadt München auf Kirchen des Umlandes in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Ein Beitrag zur Geschichte der Vermögensverwaltung an Niedeerkirchen, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 59 (1996), S. 469–531. THÜNA, Thun = THÜNA, Lothar von: Friedrich von Thun, Kurfürst Friedrich des Weisen Rat und Hauptmann zu Weimar, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 14 (1889), S. 323–374. THÜRINGER PFARRERBUCH 1 = MÖLLER, Bernhard (Bearb.): Thüringer Pfarrerbuch, Bd. 1: Herzogthum Gotha, Neustadt an der Aisch 1995.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
THÜRINGER PFARRERBUCH 3 = MÖLLER, Bernhard (Bearb.): Thüringer Pfarrerbuch, Bd. 3: Großherzogtum Sachsen(-Weimar-Eisenach) – Landesteil Eisenach, Neustadt an der Aisch 2000. THÜRINGER PFARRERBUCH 4 = HELLER, Paul (Bearb.): Thüringer Pfarrerbuch, Bd. 4: Die reußischen Herrschaften, Leipzig 2004. THÜRINGER PFARRERBUCH 5 = EINSIEDEL, Ortrun von/EINSIEDEL, Ernst von (Bearb.): Thüringer Pfarrerbuch, Bd. 5: Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt, Leipzig 2010. THÜRINGER PFARRERBUCH 6 = WALTHER, Thomas (Bearb.): Thüringer Pfarrerbuch, Bd. 6: Das Herzogtum Sachsen-Altenburg, Leipzig 2013. THÜRWB = Thüringisches Wörterbuch, Berlin 1975–2006. TILLE, Wallichen = TILLE, Armin: Das Dorf Wallichen bei Vieselbach. Vom Klosterhof zum Rittergut, in: Blätter für Heimatkunde 2/1922 (Beilage der Mitteldeutschen Zeitung), S. 5–8. TIMMERMANN, Inszenierung = TIMMERMANN, Achim: „Ein mercklich köstlich und wercklich sacrament gehews“. Zur architektonischen Inszenierung des Corpus Christi um die Mitte des 15. Jahrhunderts, in: Moraht-Fromm, Anna (Hg.): Kunst und Liturgie. Choranlagen des Spätmittelalters – ihre Architektur, Ausstattung und Nutzung, Ostfildern 2003, S. 207–230. TOPPIUS, Vargila = TOPPIUS, Andreas: Andreae Toppii Pfarrherrs zu WenigenTenstet Historia Des Ampts und Dorffs Großen Vargila, Arnstadt 1657. TRIPPS, Bildwerk = TRIPPS, Johannes: Das handelnde Bildwerk in der Gotik. Forschungen zu den Bedeutungsschichten und der Funktion des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Hoch- und Spätgotik, Berlin ²2000. TROMM, Wellendorf = TROMM, Friedhelm (Hg.): Die Erfurter Chronik des Johannes Wellendorf (um 1590). Edition, Kommentar, Untersuchung (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Große Reihe, 16), Köln/Weimar/ Wien 2013. TROSSBACH/ZIMMERMANN, Geschichte = TROSSBACH, Werner/ZIMMERMANN, Clemens: Die Geschichte des Dorfes. Von den Anfängen im Frankenreich zur bundesdeutschen Gegenwart, Stuttgart 2006. TRÜBENBACH, Beiträge = TRÜBENBACH, Arno: Beiträge zur Chronik der Orte Aschara, Eckardtsleben, Grumbach, Henningsleben, Hochheim, Tüngeda, Wangenheim und Zimmern, Langendorf 1930. ULBICHT, Bittschriften = ULBICHT, Otto: Supplikationen als Ego-Dokumente. Bittschriften von Leibeigenen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Beispiel, in: Schulze, Winfried (Hg.): Ego Dokumente. Annäherungen an den Menschen in der Geschichte (Selbstzeugnisse der Neuzeit, 2), Berlin 1996, S. 149–174. ULLMANN, Kunst = ULLMANN, Ernst (Hg.): Kunst und Reformation, Leipzig 1982.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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UNGER, Emporenmalerei = UNGER, Corona: Barocke Emporenmalerei in Dorfkirchen des Herzogtums Sachsen-Gotha. Bedeutung, Entstehung und Gestaltung (Beiträge zur thüringischen Kirchengeschichte, NF 2), Weimar 2006. URBAN, Pfarrarchive = URBAN, Josef (Hg.): Pfarrarchive – bedrohtes Kulturgut vor Ort. Ein Handbuch (Kleinausstellungen im Archiv des Erzbistums Bamberg, 2), Bamberg 1995. VEIT, Brauchtum = VEIT, Ludwig Andreas: Volksfrommes Brauchtum und Kirche im deutschen Mittelalter, Freiburg im Breisgau 1936. VEIT, Kirchenlied = VEIT, Patrice: Das Kirchenlied in der Reformation Martin Luthers. Eine thematische und semantische Untersuchung (Veröffentlichungen des Institus für europäische Geschichte Mainz, 120), Stuttgart 1986. VÖCKLER, Termineien = VÖCKLER, Matthias: Einige Anmerkungen zur Entstehung und Bedeutung der Termineien der Bettelmönche im mittelalterlichen Thüringen, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen 76 (1991), S. 1– 11. VOGLER, Bauernkrieg = VOGLER, Günter (Hg.): Bauernkrieg zwischen Harz und Thüringer Wald (Historische Mitteilungen, Beiheft 69), Stuttgart 2008. VOGLER, Entstehung = VOGLER, Bernard: Die Entstehung der protestantischen Volksfrömmigkeit in der rheinischen Pfalz zwischen 1555 und 1619, in: Archiv für Reformationsgeschichte 72 (1981), S. 158–195. VOIGT, Terminierwesen = VOIGT, Jörg: Das Terminierwesen der Bettelorden am Beispiel der Dominikaner und Franziskaner in Sachsen und Thüringen, in: Bünz, Enno/Kühne, Hartmut (Hg.): Alltag und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation in Mitteldeutschland. Wissenschaftlicher Begleitband zur Ausstellung „Umsonst ist der Tod“ (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 50), Leipzig 2015, S. 345–362. VOIGT, Inkluse = VOIGT, Jörg: Die Inkluse Elisabeth von Beutnitz (1402–1445): Zum Inklusenwesen in Thüringen, in: Bünz, Enno/Tebruck, Stefan/Walther, Helmut G. (Hg.): Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Festschrift für Matthias Werner zum 65. Geburtstag (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Kleine Reihe, 24), Köln/Weimar/Wien 2007, S. 347–395. VOLKMAR, Religiosität = VOLKMAR, Christoph: Mächtig fromm? Zur Religiosität im niederen Adel um 1500, in: Bünz, Enno/Kühne, Hartmut (Hg.): Alltag und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation in Mitteldeutschland. Wissenschaftlicher Begleitband zur Ausstellung „Umsonst ist der Tod“ (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 50), Leipzig 2015, S. 169–188. VOLKMAR, Kirchenpolitik = VOLKMAR, Christoph: Reform statt Reformation. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen 1488–1525 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation, 41), Tübingen 2008.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
VOLKMAR, Niederadel = VOLKMAR, Christoph: Was hatte der Niederadel in Mitteldeutschland durch die Reformation zu verlieren?, in: Greiling, Werner/Kohnle, Armin/Schirmer, Uwe (Hg.): Negative Implikationen der Reformation? Gesellschaftliche Transformationsprozesse 1470–1620 (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 4), Köln/Weimar/Wien 2015, S. 373– 400. VOSS 37 = VOSS, Georg: Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, 1, Bd. 3, Heft 37: Amtsgerichtsbezirke Vacha, Geisa, Stadtlengsfeld, Kaltennordheim und Ostheim v. d. Rhön: Verwaltungsbezirk Dermbach, Jena 1911. VOSS 38 = VOSS, Georg: Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, 1, Bd. 3, Heft 38: Amtsgerichtsbezirke Gerstungen und Eisenach (ohne Wartburg), Jena 1915. VOSS 40 = VOSS, Georg: Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, 1, Bd. 3, Heft 40: Amtsgerichtsbezirk Eisenach. Die Landorte, Jena 1915. VOSS, Udestedt = VOSS, Steffen: Die Musikaliensammlung im Pfarrarchiv Udestedt. Untersuchungen zur Musikgeschichte Thüringens im 17. und 18. Jahrhundert (Schriften zur mitteldeutschen Musikgeschichte, 10), Schneverdingen 2006. WAACK, Barnim = WAACK, Ulrich: Kirchenbau und Ökonomie. Zur Beziehung von baulichen Merkmalen mittelalterlicher Dorfkirchen auf dem Barnim und dessen Wirtschafts- und Sozialgeschichte (Kirchen im ländlichen Raum, 4), Berlin 2009. WAGNER, Kruzifixe = WAGNER, Ortrud: Kruzifixe mit Haarapplikationen in Thüringen: Gedanken zu ihrer Bedeutung und Erhaltung, in: Aus der Arbeit des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege NF 19 (2004), S. 99‒106. WAGNER, Sippe = WAGNER, Ortrud: Zwei spätgotische Reliefs mit der Darstellung einer heiligen Sippe in der St. Bonifatiuskirche in Bad Langensalza, in: Aus der Arbeit des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege NF 41 (2012), S. 93‒105. WAGNER, Wandmalereien = WAGNER, Uwe: Die Renaissance in Thüringer Kirchen – Beispiele monumentaler Wandmalereien des 15. bis 17. Jahrhunderts, in: Aus der Arbeit des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege NF 39 (2011), S. 10‒ 16. WALTER, Universität = WALTER, Philipp: Universität und Landtag (1500–1700). Akademische Landstandschaft im Spannungsfeld von reformatorischer Lehre, landesherrlicher Instrumentalisierung und ständischer Solidarität, Diss. masch. Jena 2017. WALTHER, Glaube = WALTHER, Gerrit: Glaube, Freiheit und Kalkül. Zur Frage von „Anpassung“ und „Mobilität“ bei adligen Konfessionsentscheidungen im 16. Jahrhundert, in: Carl, Horst/Lorenz, Sönke (Hg.): Gelungene Anpassung? Adlige Antworten auf gesellschaftliche Wandlungsvorgänge vom 14. bis zum 16. Jahrhundert (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde, 53), Ostfildern 2005, S. 185–200.
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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WANGENHEIM, Wangenheim = WANGENHEIM, Friedrich Hermann Albert von: Beiträge zu einer Familien-Geschichte der Freiherren von Wangenheim beider Stämme, Wangenheim und Winterstein, auf den Grund der vorangegangenen beiden Urkundensammlungen für seine Vettern und Freunde, Göttingen 1874. WAPPLER, Täuferbewegung = WAPPLER, Paul: Die Täuferbewegung in Thüringen von 1526–1584 (Beiträge zur neueren Geschichte Thüringens, 2), Jena 1913. WARNKE, Spätmittelalter = WARNKE, Martin: Spätmittelalter und Frühe Neuzeit 1400–1750 (Geschichte der deutschen Kunst, 2), München 1999. WARTENBERG, Bilder = WARTENBERG, Günther: Bilder in den Kirchen der Wittenberger Reformation, in: Fritz, Johann Michael (Hg.): Die bewahrende Kraft des Luthertums. Mittelalterliche Kunstwerke in evangelischen Kirchen, Regensburg 1997, S. 19–33. WARTENBERG, Landesherrschaft = WARTENBERG, Günther: Landesherrschaft und Reformation. Moritz von Sachsen und die albertinische Kirchenpolitik bis 1546 (Arbeiten zur Kirchengeschichte, 10), Weimar 1988. WARTENBERG, Visitationen = WARTENBERG, Günther: Visitationen des Schulwesens im albertinischen Sachsen zwischen 1540 und 1580, in: Flöter, Jonas/Hein, Markus (Hg.): Günther Wartenberg: Wittenberger Reformation und territoriale Politik. Ausgewählte Aufsätze (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte, 11), Leipzig 2003, S. 159–174. WEBER, Altarwerkstatt = WEBER, Paul: Eine Jenaer Altarwerkstatt am Ausgang des Mittelalters, in: Beiträge zur thüringischen und sächsischen Geschichte. Festschrift für Otto Dobenecker zum siebzigsten Geburtstage, Jena 1929, S. 205‒224. WEFERS, Außenpolitik = WEFERS, Sabine: Das Primat der Außenpolitik. Das politische System des Reichs im 15. Jahrhundert (Historische Forschungen, 99), Berlin 2013. WEGELE, Erbregister = WEGELE, Franz Xaver: Erbregister des Einkommens und der Zinsen der Pfarrer zu Saufeldt, aus dem Jahre 1553, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 2 (1856), S. 259–263. WEISMAYER, Begriffsgeschichte = WEISMAYER, Josef: Art. Frömmigkeit II, Begriffsgeschichte, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 4, Freiburg ³1995, Sp. 168f. WEISS, Bürger = WEISS, Ulman: Die frommen Bürger von Erfurt. Die Stadt und ihre Kirche im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, Weimar 1988. WEISS, Flugschriften = WEISS, Ulman (Hg.): Flugschriften der Reformationszeit. Colloquium im Erfurter Augustinerkloster, Tübingen 2001. WEISS, Grundzüge = WEISS, Richard: Grundzüge einer protestantischen Volkskultur, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 61 (1965), S. 75–91. WEISS, Kirchenpolitik = WEISS, Ulman: Die Kirchenpolitik des Erfurter Rates in Spätmittelalter und Frühbürgerlicher Revolution, Diss. masch. Berlin 1983.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
WEISS, Landschafft = WEISS, Ulman: Gemeinde und Kirche in der Erfurter „landschafft“, in: Kümin, Beat (Hg.): Landgemeinde und Kirche im Zeitalter der Konfessionen, Zürich 2004, S. 59–90. WEISS, Luther = WEISS, Ulman: Luther und Thüringen (Beiträge zur Reformationsgeschichte in Thüringen, 3), Jena 2015. WEISS, Pilgerreisen = WEISS, Ulman: „Walfahrt bringt keyn Wolfart“. Vom Sinn und Unsinn der Pilgerreisen in früherer Zeit, in: Hrdina, Jan/Kühne, Hartmut/Müller, Thomas T. (Hg.): Wallfahrt und Reformation – Pout‘ a reformace. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in den Umbrüchen der Frühen Neuzeit (Europäische Wallfahrtsstudien, 3), Frankfurt am Main u.a. 2007, S. 11–27. WEISS, Prozessionsforschung = WEISS, Dieter J.: Prozessionsforschung und Geschichtswissenschaft, in: Jahrbuch für Volkskunde 27 (2004), S. 63‒79. WEITZEL, Stralsund = WEITZEL, Sabine: St. Nikolai in Stralsund. Die Ausstattung einer hansestädtischen Pfarrkirche, Überlegungen zum Verhältnis von Raum und Ritual, in: Altripp, Michael/Nauerth, Claudia (Hg.): Architektur und Liturgie (Spätantike, frühes Christentum, Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend, 21), Wiesbaden 2006, S. 233–242. WERDERMANN, Pfarrfrau = WERDERMANN, Hermann: Die deutsche evangelische Pfarrfrau. Ihre Geschichte in vier Jahrhunderten, Witten 1935. WERNER, Architektur = WERNER, Gerhard: Spätmittelalterliche Künstler und Werkstätten der Architektur im Gebiet der mittleren und oberen Saale, in: Rudolstädter Heimathefte 19 (1973), S. 152–157. WERNER, Gottwalt = WERNER, Gerhard: Der Saalfelder Bildschnitzer Hans Gottwalt von Lohr, ein Schüler Tilman Riemenschneiders, Greifswald Diss. masch. 1987. WERNER, Malerei = WERNER, Gerhard: Spätmittelalterliche Künstler und Werkstätten der Malerei und Holzschnitzkunst im Gebiet der oberen Saale, in: Rudolstädter Heimathefte 19 (1973), S. 190–195. WERNER, Problem = WERNER, Herbert: Das Problem des protestantischen Kirchenbaus und seine Lösungen in Thüringen, Gotha 1933. WESTERHOFF, Karner = WESTERHOFF, Wolfgang: Die Karner in Österreich und Südtirol, St. Pölten/Wien 1989. WESTPHAL, Ausgestaltung = WESTPHAL, Sigrid: Die Ausgestaltung des Kirchenwesens unter Johann Friedrich – ein landesherrliches Kirchenregiment?, in: Leppin, Volker/Schmidt, Georg/Wefers, Sabine (Hg.): Johann Friedrich I. – der lutherische Kurfürst (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, 204), Gütersloh 2006, S. 261–280. WESTPHAL, Instrument = WESTPHAL, Sigrid: Ist der „Unterricht der Visitatoren“ ein Instrument des landesherrlichen Kirchenregiments?, in: Bauer, Joachim/Michel,
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QUELLENEDITIONEN UND FORSCHUNGSLITERATUR
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Stefan (Hg.): Der „Unterricht der Visitatoren“ und die Durchsetzung der Reformation in Kursachsen (Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der lutherischen Orthodoxie, 29), Leipzig 2017, S. 151–164. WEX, Kirchenraum = WEX, Reinhold: Der frühneuzeitliche protestantische Kirchenraum in Deutschland im Spannungsfeld zwischen Policey und Zeremoniell, in: Raschzok, Klaus/Sörries, Rainer (Hg.): Geschichte des protestantischen Kirchenbaues. Festschrift für Peter Poscharsky zum 60. Geburtstag, Erlangen 1994, S. 47–61. WEX, Raumprobleme = WEX, Reinhold: Ordnung und Unfriede. Raumprobleme des protestantischen Kirchenbaus im 17. und 18. Jahrhundert (Kulturwissenschaftliche Reihe, 2), Marburg 1984. WIECKOWSKI, Beichtstühle = WIECKOWSKI, Alexander: Evangelische Beichtstühle in Sachsen, Beucha 2005. WIEDEN, Konfessionalisierung = WIEDEN, Brage bei der: Zur Konfessionalisierung des landsässigen Adels zwischen Weser, Harz und Elbe, in: Archiv für Reformationsgeschichte 89 (1998), S. 310–319. WIEMANN, Heimbürge = WIEMANN, Harm: Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen (Mitteldeutsche Forschungen, 23), Köln 1962. WIESSNER, Naumburg = WIESSNER, Heinz: Das Bistum Naumburg, Bd. 1, 1: Die Diözese (Germania Sacra, 35/1), Berlin 1997. WIESSNER, Nebenerwerb = WIESSNER, Heinz: Zwischen Armut und Habgier. Unerlaubter Nebenerwerb von Pfarrern im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, nach thüringischen und westsächsischen Quellen, Altenburg 2013. WIESSNER, Verzeichnis = WIESSNER, Heinz: Verzeichnis der Kirchspiele im Bistum Naumburg um 1500, in: Blaschke, Karlheinz u. a. (Hg.): Die Kirchenorganisation in den Bistümern Meißen, Merseburg und Naumburg um 1500, Weimar 1969, S. 37–48. WINTER, Adel = WINTER, Christian: Evangelischer Adel – altgläubiger Landesherr. Anhänger der Reformation im albertinischen Adel vor 1539 und ihr Konflikt mit Herzog Georg von Sachsen, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 81 (2010), S. 249–262. WINTERHAGER, Ablaßkritik = WINTERHAGER, Wilhelm Ernst: Ablaßkritik als Indikator historischen Wandels vor 1517. Ein Beitrag zu Voraussetzungen und Einordnung der Reformation, in: Archiv für Reformationsgeschichte 90 (1999), S. 6–71. WINTRUFF, Kirchenpolitik = WINTRUFF, Wilhelm: Landesherrliche Kirchenpolitik in Thüringen am Ausgang des Mittelalters (Forschungen zur thüringisch-sächsischen Geschichte, 5), Halle an der Saale 1914.
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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
WITTMANN, Kapellendorf = WITTMANN, Helge (Hg.): Die Kirche von Kapellendorf. Studien zu Geschichte und Architektur einer ländlichen Pfarr- und Klosterkirche, Petersberg 2003. WITZLEBEN/WITZLEBEN, Witzleben = WITZLEBEN, Gerhard August v./WITZLEBEN, Karl Hartmann August v.: Geschichte des Geschlechts von Witzleben, 1. Theil, Berlin 1880. WOELK, Beinhaus = WOELK, Moritz: Art. Beinhaus, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 2, Freiburg ³1994, Sp. 164. WOHLFEIL, Öffentlichkeit = WOHLFEIL, Rainer: ‚Reformatorische Öffentlichkeit‘, in: Grenzmann, Ludger/Stackmann, Karl (Hg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981 (Germanistische Symposien, 5), Stuttgart 1984, S. 41–52. WUNDER, Gemeinde = WUNDER, Heide: Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, Göttingen 1986. ZEEDEN/LANG, Visitation = ZEEDEN, Ernst W./LANG, Peter Thaddäus (Hg.): Kirche und Visitation. Beiträge zur Erforschung des frühneuzeitlichen Visitationswesens in Europa, Stuttgart 1984. ZENKERT, Sonnenuhr = ZENKERT, Arnold: Faszination Sonnenuhr, Frankfurt am Main 52005. ZEYSS, Herbsleben = ZEYSS, Heinrich: Geschichte des Marktfleckens Herbsleben, Gotha 1873. ZILKENS, Karnerkapellen = ZILKENS, Stephan: Karner-Kapellen in Deutschland. Untersuchungen zur Baugeschichte und Ikonographie doppelgeschossiger Beinhaus-Kapellen (Veröffentlichungen der Abteilung Architektur am Kunsthistorischen Institut der Universität Köln, 22), Köln 1983. ZINNER, Sonnenuhren = ZINNER, Ernst: Die ältesten Räderuhren und modernen Sonnenuhren. Forschungen über den Ursprung der modernen Wissenschaft, Bamberg 1939.
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FARBABBILDUNGSTEIL
Vollständige Titelabbildung; vgl. Einleitung, Anm. 2.
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Abb. 1: Ausschnitt aus der Karte der Bodenwerte des mitteldeutschen Raumes nach den Wertzahlen der amtlichen Bodenschätzung (1934–54) mit dazugehöriger Legende; vgl. S. 28.
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Abb. 6: Kreuzigungsdarstellung in einer Nische am spätgotischen Chor der Kirche von Alkersleben; vgl. S. 109.
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Abb. 8: Ruine der Kapelle Töpfersdorf bei Uhlstädt-Kirchhasel, Lkr. Saalfeld-Rudolstadt; vgl. S. 128.
Abb. 12: Kanzel in der Kirche von Zipsendorf, Lkr. Altenburger Land; vgl. S. 160.
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Abb. 16: Buchfarter Retabel (Jenenser Werkstatt 1492) mit der Ergänzung „VDMIAE“; vgl. S. 168 und 527.
Abb. 23: Die einheitlich gebaute Kirche von Walschleben (1495) ist eine der größten Dorfkirchen Thüringens; vgl. S. 100
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Abb. 31: Retabel in der Kirche von Erfurt-Hochstedt; vgl. S. 211.
Abb. 32: Sog. „Dienstädter Altar“; vgl. S. 212.
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Abb. 33: Flügelaußenseiten des Retabels in Elleben mit der Inschrift zur Fertigstellung (ausgeschrieben): „Anno domini 1498 completa est hec tabula in vigilia philippe et jacoby per valentinum lendestreich in salfelt“; vgl. S. 215.
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Abb. 36: Schrein des Retabels (dat. 1518) mit der Darstellung des Apostelabschieds in Molschleben, Lkr. Gotha; vgl. S. 219 und 221.
Abb. 37: Erste Wandlung dieses Retabels mit einer Darstellung der Hl. Sippe des Meisters der Crispinus-Legende; vgl. Einleitung, Anm. 2.
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Abb. 34: Kleines Retabel (um 1500) in einer Altarwand des 18. Jh. in Erfurt-Gottstedt; vgl. S. 218.
Abb. 38: Altarschrein mit Darstellung der Hl. Sippe in Burgtonna, Lkr. Gotha; vgl. S. 222.
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Abb. 43: Ausschnitt aus einem Retabel in der Kirche von Burgtonna mit Auskratzungen in den Augen von Maria, Josef und dem stehenden König sowie in dem Reliquiar in dessen Hand; vgl. S. 287.
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Abb. 50: Kirchenneubau in Illeben (1555) mit spätgotischem Erscheinungsbild; vgl. S. 485.
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Abb. 51: Bemalung der Tonne im Chorraum der Kirche von Illeben; vgl. S. 486.
Abb. 52: Bäuerliche Wappen an der Decke des Langhauses dieser Kirche; vgl. S. 486.
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FARBABBILDUNGSTEIL
Abb. 53: Epitaph des kursächsischen Rates Erich Volkmar von Berlepsch und seiner Ehefrau in der Kirche von Kleinurleben; vgl. S. 488.
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Abb. 60: Kanzel, 1615 (i), mit davorliegendem Beichtstuhl in Weberstedt; vgl. S. 506.
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Abb. 59: Emporen in der Kirche von Weberstedt, Unstrut-Hainich-Kreis; vgl. S. 498.
Abb. 62: umgestraltetes Retabel in Jena-Ziegenhain; vgl. S. 526.
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Abb. 67: Kanzel und Altar (beides Ende 17. Jh.) der Kirche von Zürchau sind jeweils mit Figuren eines spätgotischen Altaraufsatzes geschmückt, darunter eine Strahlenkranzmadonna auf dem Schalldeckel; vgl. S. 532.
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ABBILDUNGSNACHWEIS Abb. 1: SCHLÜTER, Otto/AUGUST, Oskar (Hg.): Atlas des Saale- und mittleren Elbegebietes, 3 Bde., Leipzig ²1958–1961, hier Bd. 3, Karte 45. Abb. 2–17, 23–24, 26–60 u. 62–67: Foto Martin Sladeczek. Abb. 14: Foto Martin Sladeczek (Thüringer Museum, Eisenach) Abb. 18: KOERNER, Fritz: Die Bevölkerungsverteilung in Thüringen am Ausgang des 16. Jahrhunderts, in: Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für Länderkunde NF 15/16 (1958), S. 178–315 [Einlage]. Abb. 19–22: Entwurf Martin Sladeczek, Kartografie Pierre Fütterer. Abb. 25: Landesarchiv Sachsen-Anhalt, D 40, A XIII b 6, Nr. 2, fol. 10r. Abb. 61: Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha, Geheimes Archiv, XXIII, 4aa, fol. 2r
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ORTSREGISTER Das Register enthält alle im Text- und Fußnotenteil aufgeführten Orte. Die Ortseinträge der Tabellen im Anhang wurden mit Ausnahme des Anmerkungsapparats vollständig in das Register aufgenommen. Geographisch-territoriale Angaben sind mit Ausnahme von „Thüringen“, „Ernestinisches Gebiet“ und „Albertinisches Gebiet“ ebenfalls erfasst worden. Die Einträge folgen den heutigen Ortsnamen. Eingemeindete Ortsteile und Wüstungen sind unter ihren Namen einsortiert; zusammengelegte Orte finden sich einzeln (z. B. „Bad Tennstedt“ statt „Tennstedt“, „Gräfinau“ und „Angstedt“ statt „Gräfinau-Angstedt“, „Hochstedt“ statt „Erfurt-Hochstedt“).
Aachen 72 Abtsbessingen 508 f. Achelstädt 45, 160, 263, 341 Aemilienhausen 137, 611 Alach 40, 73, 94, 109, 129, 153, 429, 449, 556 Albersdorf bei Bürgel 268 Alkersleben 63, 99, 259, 556, 691 Allendorf 103, 321, 324, 556 Allersdorf 119 f. Allmenhausen 117 Alperstedt 381, 433–435 Alsmannsdorf 357 Altenbeichlingen 108, 360, 556 Altenberga 294 Altenburg 29, 44, 70, 100, 107, 128, 142, 160, 175, 187, 197–199, 208, 210, 222 f., 248, 255 f., 262, 265, 270, 277 f., 291, 297, 300, 306, 314, 316, 334, , 391, 409, 444 f., 455, 465–467, 477, 497, 502, 518, 524 Altendorf 299, 556 Altengönna 221 Altengottern 123, 139, 178, 271, 366, 556, 608, 611, 613 Altremda 114, 557 Altsaalfeld 359 Ammerbach 59, 64 f., 327, 347, 368, 390, 454, 469, 479 f., 506, 514, 519
Ammern 268, 448 Angelroda 557 Angstedt 151, 189, 370, 460, 557 Annaberg 216 Apfelstädt 84, 87, 100, 226, 346, 437 f., 557, 613 Apolda 187, 317, 408, 453 Arnshaugk, Amt 268, 356, 359, 441, 460 Arnstadt 59, 64 f., 77, 118, 122, 186, 193, 201, 260, 270, 282, 290, 379, 391, 410, 442, 453, 457, 461 f., 502 Artern 195 Aschara 353, 533 Aspach 59, 88, 255, 284, 323, 331, 471, 521 Aue am Berg 359 Auerstedt 360, 376, 557 Avignon 69, 139 Backleben 60 f. Bad Berka 168, 324, 352 Bad Frankenhausen 462, 472 Bad Hersfeld 259 Bad Langensalza 28, 93, 145, 181, 185, 227, 248, 253, 257–259, 270, 282, 285, 301, 371, 397, 406, 480, 482 Bad Lobenstein 393, 445 f., 453 Bad Sulza 31, 377, 472, 557
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ORTSREGISTER
Bad Tennstedt 158, 399, 610 Ballstädt 93, 129, 256, 330, 341, 377, 381, 533, 557 Ballstedt 66, 101, 381, 557 Barchfeld an der Ilm 46 Bechstedtstraß 234, 558 Bechstedt-Wagd 558 Behringen am Hainich 134 Beichlingen 157, 360, 558, 608 Beinschnette 171 Bendeleben 122, 288, 410, 413, 417, 558 Bergsulza 139, 558, 611 Berka an der Werra 58, 154, 288, 321, 558, 608, 611 Berlstedt 233–235, 253, 263, 558 Beutnitz 46, 51, 86, 113, 116, 118, 134 f., 146, 150, 178 f., 227, 342, 372, 380, 386, 559, 569, 608 Bibra 208 Bibra bei Jena 273, 363 Bienstädt 84, 87, 341 Bilzingsleben 108, 122, 133 f., 177, 320, 384, 472, 559 Bindersleben 64, 160, 196, 431 Bischleben 50 f., 118, 226, 292, 420–422, 587 Bischofroda 341, 347 Bittstädt 292, 475 Blankenburg bei Tennstedt 43 Blankenhain 170, 218, 330, 394 f., 410 Bobeck 268 f., 317 Bodelwitz 105, 217, 559 Bodnitz 64, 264 Börthen 357 Bösleben 323, 334 Boilstädt 255, 284, 303, 353, 483, 559 Bollstedt 559 Bothenheilingen 92, 559, 613 Brandenburg (Mark) 289 Brandenburg-Ansbach-Kulmbach 16, 550 Braunschweig 40, 188
Braunsdorf 124, 373, 560 Braunsroda 253 Breitenhain 161, 341, 348 f., 356 f., 402, 418, 560 Breitenhain, Altenburger Land 560 Bremen 535 Bremsnitz 335 Bretleben 613 Brüheim 45, 100, 304, 327, 376, 560 Bucha 119, 373, 597 Bucha bei Krölpa 358 Buchfart 91, 95 f., 102, 165, 168 f., 215, 217, 324, 464, 527, 693 Büchel 472, 560 Büßleben 137 f., 140, 239, 245, 613 f. Bufleben 42, 129–131, 135, 167, 239, 252, 256, 287, 322, 342, 375, 482, 507 f., 560 Burgau 190, 327, 331, 355, 368, 371, 560 Burgheßler 367 Burgstein 173, 276 Burgtonna 87, 212, 287, 560, 697 f. Burgwenden 367 Burla 47, 105, 560 Buttstädt 30 Caaschwitz 126, 560 Catharinau 66, 354, 459, 560 Chemnitz 210, 318 Chursdorf 292, 459 Clingen 259 Closewitz 368 Cobstädt 255, 259, 561 Coburg 87, 378, 507 Cospeda 204, 341, 361, 368, 457, 561 Cottendorf 105, 561 Craula 80, 82, 341, 419, 459 Crawinkel 340 Creuzburg 158, 377, 389, 485, 608 Crispendorf 217, 319 Crobitz 343 Crock 493, 497 Cumbach 41, 69, 112, 561
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ORTSREGISTER
Daasdorf am Ettersberg 260, 325, 389 Daasdorf bei Buttelstedt 414, 478, 561 Daberstedt 449 f. Dachwig 29, 121, 185, 239 f., 273, 317, 336, 425, 427–430, 561 Dänemark 516 Dankmarshausen 94, 154, 354, 459, 561 Dannheim 101, 339, 361, 561 Daumitsch 107, 256, 358, 561 Denstedt 95, 384, 405, 413, 561 Deubach 413 Dienstädt 65 f., 73, 79 f., 86, 94, 100, 102, 106, 160, 165, 212 f., 216, 228, 256, 268, 285, 320, 323, 328, 330 f., 349, 373, 375, 390, 418, 441 f., 454 f., 460, 469, 473, 479, 497, 503, 506, 511, 514, 519, 524, 535 f., 562, 694 Dippach 154 Dittelstedt 449 Dittersdorf 268 Dobitschen 256, 562 Dobra 265, 302 Dobraschütz 303 Dölau 562 Döllstädt 132, 255, 372, 396, 483–486, 490, 548, 562, 614 Dörna 391, 455, 506 Dörnfeld an der Heide 267, 323, 562 Dörnfeld an der Ilm 145, 293–296 Dörnrode 70 Döschnitz 502 Dorna 404 Dornburg 260, 264, 363, 398 f., 406, 478 Dorndorf 138, 140, 182, 483, 611 Dornheim 129, 194, 205 f., 259, 474, 562 f. Dosdorf 296, 361, 563 Dreba 314, 357, 359, 366 Dreitzsch 356–358, 459 Drognitz 292, 323, 459 Dürrenebersdorf 514
Ebeleben 158, 408, 608 Ebenheim 107, 563 Eberstädt 45, 47, 227, 256, 327, 563 Eckardtshausen 84 Eckardtsleben 341, 372, 563 Eckolstädt 108, 112, 332, 375, 399 f., 446, 563 Eckstedt 563 Edersleben 35, 63, 65, 68, 73–75, 81, 83, 164, 194–197, 199, 204 f., 214, 216, 229, 273, 397, 399 f. Ehrenhain 223, 291 Ehringsdorf 63 Eichelborn 326, 433, 435 Eichen bei Mühlhausen 275, 503 Eichenberg 363, 413 Eichicht 126, 531, 563 Eichsfeld 17, 131, 276 Eigenrode 485 Eischleben 200, 256, 266, 340, 563 Eisenach 114 f., 124, 166, 174, 215, 253 f., 260, 285, 287, 294, 298, 320, 324, 326, 343, 346, 365, 431, 444, 485, 533, 535 f., 618 Eisenberg 254, 267, 398 Elende 170, 208 Elgersburg 50, 256, 563 Elleben 563, 695 Ellichleben 103 f., 164, 186, 564 Elsass 16, 74, 99, 142, 174, 242, 262, 267, 398, 424 Elxleben bei Gera 29, 81, 266, 490, 510, 512, 564, 614 Elxleben am Steiger 131, 257, 373, 564 Emleben 108, 564 Endschütz 303, 404 Engerda 200, 369 England 54, 58, 188 Erdmannsdorf 53 Erfurt (ohne Anhänge) 11, 17 f., 28, 31 f., 35, 43–45, 47–55, 61, 63, 65–69, 74, 79, 86, 89, 92, 94, 97, 104–108, 112 f., 117–119, 124, 127, 130–132, 139, 144, 147–149,
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152–154, 158, 160–163, 167–170, 172, 177 f., 185–189, 193–196, 200 f., 204 f., 207, 209, 211, 214 f., 221, 225 f., 231–241, 243, 252, 257, 259 f., 262–267, 270, 273, 277, 280–290, 299, 301, 304, 312, 324, 326, 344 f., 350, 352 f., 367, 371, 387, 391, 396–400, 404 f., 420 f., 425–436, 444, 447–452, 461, 463, 465, 476–482, 485, 488–493, 497, 501, 507, 509–512, 514 f., 519, 525, 533 Ermstedt 47 f., 232–234, 367 Eschdorf 75, 79, 314, 461, 464, 468, 564 Eschenbergen 40, 129, 131, 135, 330, 371, 564 Eschwege 448 Espenfeld 293, 474, 564 Eßleben 360 Ettenhausen 203, 324, 564 Ettersburg 55, 352, 478 Ettischleben 222, 411, 565 Falken 256, 353 Falkenhain 391, 475 Farnroda 70, 104, 217, 325, 340, 408 Felchta 497 Fernbreitenbach 154, 458 Flandern 54 Flarchheim 608 Florenz 54 Flurstedt 254, 353 Förtha 364 Forstwolfersdorf 48 Franken 15, 85, 87–89, 143, 169, 244, 275, 279, 317, 372, 444, 494, 506, 510, 532, 550 Frankenau 265 Frankendorf 48 Frankfurt am Main 535 Frankreich 57 Frauenprießnitz 396 Freiberg 210
Freienbessingen 49, 123, 126, 340, 565 Friedebach 343 Friedersdorf 119 f., 361 Friedrichroda 331, 381, 565 Friedrichsdorf 167 Friedrichswerth 126, 133, 136, 374, 565 Friemar 30, 59, 66, 83, 87, 91–93, 96, 99, 133–135, 146, 167, 373, 381, 565, 608 Frienstedt 49, 129, 167, 200 f., 318, 378, 428 f., 446, 480, 565 Frießnitz bei Weida 83 Fröbersgrün 565 Frömmstedt 118, 200, 566 Fröttstädt 255, 322, 471, 520 Frohndorf 566 Gaberndorf 151, 325, 337, 344, 438, 531, 566 Gamstädt 99, 344, 426, 566 Gangloffsömmern 271, 304, 374, 566 Gebesee 29 f., 70, 87, 117 f., 122, 126, 134, 148, 178, 193, 224, 374, 440, 507, 513, 566 f., 608, 614 Gebstedt 45, 48, 98, 159, 567 Gehofen 568 Gehren 60, 63, 318, 349, 393, 455, 463, 474, 497, 500, 506, 568 Geilsdorf 193 Geithain 482 Georgenthal 40, 131, 172, 239, 259, 294, 316, 342, 362, 429 Gera 318, 387, 418, 496 Geraberg 100, 299, 568 Gerstenberg bei Altenburg 289, 568 Gerstungen 154, 158, 459, 500, 568, 608 Gertewitz 358 Geunitz 568 Geußnitz 197 Gieba 349, 444 Gierstädt 405, 568 Gillersdorf 119 f., 185, 361, 569
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Gispersleben 51, 614 Glauchau 278 Gleichensches Gebiet 392, 394, 428 Göllingen 52 Görbitzhausen 361, 474, 569 Görmar 155, 268, 272, 455, 469, 502, 608, 614 Göschwitz 190–192, 355, 485, 547 Gössitz 104, 358, 569 Gößnitz 118, 569, 608 Goldbach 85, 121, 373, 378, 381, 494 f., 498, 569 Goldbach bei Apolda 320 Golmsdorf 385, 531, 569 Gorndorf 359 Gorsleben 27, 132, 134, 286 f., 383 f., 472, 507, 522 f., 569 Gospenroda 60, 154 Gospiteroda 569 Gossel 59, 332, 355, 389 f., 460 Goßwitz 358, 535 Gotha 12, 28, 30, 32, 42, 46 f., 94, 118, 124, 133, 135, 138, 145, 186, 239, 253, 272, 287, 294, 303 f., 315, 327, 344 f., 376, 378, 381, 386, 415, 421, 425, 429, 431, 477, 482, 518, 548 Gottstedt 40, 201, 222 f., 480, 697 Graba 41, 69, 112, 356, 359, 420, 569 Grabsleben 44, 115, 315 Gräfenhain 355 Gräfenroda 296, 372, 393, 570 Gräfenthal 108, 150 f., 224 Gräfentonna 29, 87, 100, 107, 114, 128, 144, 148, 155–157, 177 f., 372, 394, 428, 570, 608 Gräfenwarth 334 f., 354 Gräfinau 179, 185, 247, 419, 438, 460, 570 Graitschen 299, 337, 458 Graubünden 16, 111 f., 121, 128, 446 Greiz 32 Greußen 30, 398 Griefstedt 48, 139, 285 Gries bei Bozen 219 Griesheim 105
Grimma 30, 188, 260 f., 404 Grimmenthal 170, 173 f., 274 f. Gröben 267, 341 Großaga 403, 461 Großballhausen 137, 166, 299, 376, 571 Großbockedra 255, 267, 301, 402 Großbrembach 87, 326, 571, 614 Großburschla 571 Großengottern 29, 31, 64, 83, 93, 116, 122, 133, 138, 140 f., 145, 148 f., 171, 177 f., 184 f., 212, 253, 271, 571, 608, 611, 615 Großenlupnitz 16, 211, 215, 326, 330, 339, 365, 615 Großensee 571 Großeutersdorf 265, 341, 354, 361 Großfahner 125, 326, 336, 373, 405, 571 Großfurra 207, 299, 572 Großkamsdorf 343 Großkochberg 209 Großkromsdorf 133 Großliebringen 168, 394, 413 Großlöbichau 243, 254, 572 Großmehlra 320, 572 Großmölsen 138–140, 259, 375, 572, 611 Großmonra 60, 79, 84, 121, 134 f., 147 f., 153, 183, 251 f., 283, 285, 349, 367, 448, 503, 572, 608 Großneuhausen 572 Großobringen 347, 382, 419, 573 Großpürschütz 64 Großrettbach 87, 318, 323, 361 f. Großröda 41 Großromstedt 367 Großrudestedt 203, 215, 327, 431–433, 446, 573 Großsaara 403 Großschwabhausen 360, 454 Großurleben 99, 487, 573 Großvargula 30, 48, 132, 178 f., 185, 231, 233–236, 288, 509, 573 f., 608
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ORTSREGISTER
Großwelsbach 66, 574 Grüningen 360 Grumbach 253, 399 Günstedt 29, 48, 138–140, 258, 384, 397, 517, 574, 611 Günthersleben 255, 615 Gumpelstadt 95, 103, 108, 169, 330, 574 Gumperda 268 Gutendorf 232 f. Guthmannshausen 330, 377, 574 Haarhausen 111, 113, 116, 118, 120, 255, 292, 353, 574 Hachelbich 52, 494 Haina bei Gotha 126, 129, 139, 178, 376, 523, 574 f., 611 Hainchen 367, 534 Haindorf 575 Hainichen 344 Hainspitz 387 Halberstadt 54, 123 Halle an der Saale 54, 75, 188, 217 Hammerstedt 189, 368 f. Hardisleben 108, 247, 377, 575 Harra 531 Hartroda 265, 302 Harz 17 Haselbach 334 Haßleben 49 f., 104, 294, 510, 575 Haufeld bei Blankenhain 394 Hausen bei Arnstadt 361 Haussömmern 353, 575 Hauteroda 253 Havelberg 157 Hayn 63, 158 Heichelheim 324, 501 Heidelberg 317 Heiligenleichnam 170, 197, 224, 277–279 Heilingen 47, 227, 268, 273, 300, 327, 369, 458, 576 Heilsberg 174 Heldrungen 295 Hemleben 83, 360
Hengelbach 107, 576 Henningsleben 123, 576 Henschleben 355, 457, 576 Herbsleben 29, 31, 84, 87, 117, 129, 134, 138, 144 f., 150, 155, 178, 185, 227, 271 f., 295, 317, 343, 380, 385, 388, 396 f., 400, 461, 576 f., 608, 611 Herda 42, 100, 154, 321, 332, 458, 577 Hermstedt 150, 184, 234, 367, 577, 608 Heroldishausen 615 Herrengosserstedt 360 Herrnschwende 48, 84, 258, 360 Herschdorf bei Königsee 119 f., 129, 185 f., 245, 251, 577 f. Hesselborn 171 Hessen 14, 21, 35, 203, 205, 283, 321, 396, 448, 487, 511, 514 f. Hetschburg 168 Heusdorf 172, 254, 324 f., 578 Hilpoltstein 69, 99, 150 Hirschfeld 265 Hitzkirchen 283 Hochdorf bei Blankenhain 116, 330, 373, 578 Hochheim bei Erfurt 96 f., 449 f., 514 f., 578 Hochheim bei Gotha 121, 174, 373, 578 Hochstedt bei Erfurt 66, 211, 438, 479, 694 Hörselgau 93, 112, 114 f., 117, 121, 159, 252, 349, 374, 457 f., 466, 520, 579 Hohenebra 579 Hoheneiche 256, 341 Hohenkirchen 131, 153, 268 f., 316, 372, 381, 445, 579 Hohenleuben 350 Hohlstedt 446 Holzhausen bei Arnstadt 59, 129, 374, 579, 615 Holzhausen bei Leipzig 270 f. Holzsußra 288, 579
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712
ORTSREGISTER
Holzthaleben 579 Hopfgarten bei Weimar 64, 232, 260 Horburg 173, 275 Hornsömmern 93, 104, 340, 533, 579 Horschlitt 154 Horsmar 117 Hottelstedt 82 Ibenhain 385, 579, 608 Ichstedt 126 f., 196, 580 Ichtershausen 89, 270, 294, 326, 425, 427, 609 Ifta 320 Illeben 39, 131, 134, 145, 221, 292, 341, 372, 485 f., 548, 580, 699 f. Ilversgehofen 45, 116, 137, 580, 611 Immelborn 327 Ingersleben 88, 129, 339, 374, 580 Isseroda 433 Isserstedt 372 Jägersdorf 267, 299, 322 Jechaburg 580 Jena 65, 160, 190, 200, 216 f., 260 f., 317, 328 f., 337, 462, 471, 477, 483 Jenaprießnitz 65, 256, 267, 276, 343 Judenbach 507 f. Jüdewein 94, 100, 459, 580 Käfernburg, Amt 157, 293, 295 f. Kahla 30, 285, 362 Kakau 265, 302 Kaltenborn 121, 580 Kamsdorf 359 Kannawurf 133 f., 373 f., 376, 580, 615 Kapellendorf 48, 144, 178, 231, 238, 252, 326, 367, 431, 445 f., 460, 470, 475, 581, 609 Kerspleben 104, 128, 233, 581 Keßlar 170, 364, 410, 581 Kettmannshausen 345, 581 Kirchengel 494 Kirchhasel 369, 581
Kirchheilingen 133 f., 178, 270, 366, 370, 384, 581, 609, 615 Kirchheim 43 f., 49, 79, 83, 94, 109 f., 129, 160, 164, 240, 438, 581 Kirschkau 387 Kleina 357, 359 Kleinbrembach 85, 140, 233, 266, 582, 611, 616 Kleindembach 497 Kleinebersdorf 165 f. Kleineutersdorf 361 Kleinfahner 239, 409, 609 Kleingölitz 120 Kleinkromsdorf 361, 381, 524 Kleinliebringen 168, 394 Kleinmölsen 64, 259, 479, 492 f. Kleinneuhausen 386, 582 Kleinromstedt 133, 137, 234, 367 Kleinrudestedt 323, 457, 582 Kleinurleben 227, 417, 487–489, 496, 582, 701 Klettbach 239, 378, 419 Klettstedt 146, 582, 609 Klosterhäseler 367 Knobelsdorf 61, 66, 359, 420, 489, 500 Ködderitzsch 360, 369 Köditz 359 Kölleda 248, 281, 283, 301, 405 Köln 54, 159 Königsee 267 Königshofen 459 Könitz 358, 582 Körner 114, 374, 472, 520, 523, 582, 616 Kösnitz 50, 66, 129, 582 Köthnitz 358 Kolba 351 Kornhochheim 189, 369 Kosma 93, 158, 609 Kospoda 357–359, 583 Kraftsdorf 302 Kranichborn 317, 457 Kranichfeld 46, 227, 393, 583 Krautheim 69, 140, 387, 583
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ORTSREGISTER
Kriebitzsch 359 Krippendorf 184, 288, 375, 609 Krölpa 40, 105, 116, 178 f., 207, 300, 347, 356, 358 f., 371, 419, 550, 583 Kunitz 264 Kutzleben 123, 384, 584 Lana bei Meran 219 Landsendorf 532 Langenberg bei Gera 86, 95, 116, 121, 196 f., 200, 209, 584 Langendembach 324 Langenhain 288, 584 Langenleuba 477 Langenroda bei Wiehe 287, 584 Langenschade 255, 459 Langewiesen 179, 182, 330, 440, 455, 463, 474, 497, 503, 514, 519, 584, 611 Langula 40, 257, 323, 396 f., 584 Laucha 95, 115, 303, 341, 410, 584 Lauchröden 183, 364, 372, 584, 609 Lausitz 202, 482, 529 Lederhose 345 Leesen 161, 584 Legefeld 168, 381 Lehesten 121, 161, 374, 585 Lehnstedt 368 f. Leipzig 42, 137, 233, 270 f., 380, 461, 467, 476, 488, 496, 512 Leubingen 155, 206, 585, 609 Leuchtenburg 47, 98, 254, 264, 267 f., 273, 301, 345, 362, 390, 469 Leutenberg 60, 383, 503 Leutra 64 f., 459 Lichtenhain 65, 159, 497, 517, 519 Liebengrün 99 Liebenstein an der Gera 355, 410, 413 Liebschütz 42, 93, 99, 107, 256, 585 Liebschwitz 585 Liebstedt 347, 353 f., 396 Linda 358, 585 Lindenkreuz 345 Linderbach 137, 140, 238, 585, 611 Lindig 362 f.
Lippersdorf 52 f., 80, 323, 331, 342, 348 f., 418, 439, 454, 462, 469, 473, 479, 503, 525 Lobeda 107, 126, 410, 501 Löberschütz 83, 106, 247, 255, 585 Löbschütz bei Kahla 362 f. Löbstedt 324, 340 Lohma 94, 159, 302, 315, 585 Lohma an der Leina 255, 585 Lositz 359 Lucka 299 Lützen 158 Lützensömmern 124, 377, 585 f. Lützeroda 361, 368 Lumpzig 586 Madelungen 485 Magdeburg 28, 70, 188 Mainz 51, 125, 147, 152, 179, 252, 281 Mallerbach 287 Maltis 316 Mannstedt 298 Marbach 93 Marksuhl 84, 183, 319, 375, 452, 586, 609 Markvippach 323, 586 Marlishausen 155, 157, 361, 586, 609 Mattstedt 82 Maua 64, 340 Mechterstädt 93, 98, 105, 322, 375, 586 Meckfeld 201, 364 Mehler 204 Mehna 340, 586 Mehrstedt 158, 268, 465 Meichlitz 103 Meilitz 357 Meißen 188 Melborn 47, 104, 331, 586 Melchendorf 96, 133, 160, 449 f. Mellingen 168, 616 Memleben 248 Merkendorf 170, 519 Merseburg 188 Merxleben 253
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ORTSREGISTER
Meura 456 Mihla 42, 113, 374, 507, 587 Milda 205, 322, 364 Milwitz 69, 315, 433 Mittelhausen 99, 270, 288, 349, 384, 389, 420, 453 f., 475, 482, 587 Mittelsömmern 227, 587 Mockern 458, 587 Moderwitz 105, 587 Möbisburg 92, 164, 253, 374, 421, 587 Möhra 354 Möhrenbach 295 Mönchpfiffel 195 Möschlitz 587 Mötzelbach 369 Mohlis 289 Molau 113 Molbitz 356 f. Molschleben 30, 66, 88, 91, 94, 126–129, 132–135, 138, 146, 160, 167, 178, 215, 219–221, 300, 326, 328, 370–372, 378, 381, 441, 496, 587 f., 609, 611, 696 Molsdorf 164, 323, 341, 365, 433, 588, 616 Monstab 170, 222, 269, 300, 316, 518, 524, 588 Mühlberg 29–32, 46, 117, 119, 129, 131, 144, 148 f., 172 f., 178 f., 185, 231 f., 234 f., 238, 250, 270, 277, 350, 431, 509, 588, 609 Mühlhausen 17, 28, 118, 137, 145, 181, 214 f., 270, 272, 293, 308, 388, 400, 448, 451 Mülverstedt 133, 136, 139, 406 f., 411 München 55 Münchenbernsdorf 196, 290 Münchengosserstedt 125 f., 374, 588 Münchenroda 360 Münnerstadt 219 Nägelstedt 253, 396, 589, 616 Nahwinden 168, 394 Nauendorf 239, 333, 446 Nauendorf bei Georgenthal 355
Naumburg 112, 253, 258 f., 262, 332, 342, 399, 402, 460, 462 Naundorf 265 Nausiß 258, 360 Nausitz 129, 589 Nazza 324 Neckeroda 330 Nermsdorf 323 Neudeck 366 Neudietendorf 62, 78, 346, 460 f., 468, 502 Neuenbeuthen 367 Neuengönna 43, 353, 589 Neuenmörbitz 589 Neukirchen 340, 589 Neumark 300, 374, 507 Neunheilingen 29, 123, 129, 139, 178, 258, 507, 589, 611 Neunhofen 29, 40, 42, 105, 111, 116 f., 125, 178 f., 205, 261, 300, 356 f., 359, 460, 462, 589 Neuses bei Erfurt 234, 287, 590 Neuses bei Neumark 590 Neuß bei Molschleben 128 f. Neustadt an der Orla 125, 187, 216, 325, 347 f., 356 f., 359, 362, 364, 477 Neustedt 361 Niebra 44, 68, 83 Niederdorla 257, 317, 590 Niedergebra 81 Niedergrunstedt 256, 266, 284, 341, 368, 590 Niederkrossen 413 Niederndorf 301 Niederoppurg 351, 413 Niederreißen 590 Niederroßla 172, 259, 317, 590 Niedersynderstedt 321 f., 340 Niedertopfstedt 360, 369 Niedertrebra 253, 257, 318, 367, 399, 406 Niederwillingen 63 f., 66–69, 73 f., 77, 79 f., 84, 93, 101, 193 f., 205, 261, 330, 345, 349, 382 f., 391, 418,
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ORTSREGISTER
440 f., 455, 460, 462, 469, 474, 480, 495, 499 f., 504–506, 509 f., 515, 590 Niederzimmern 30, 42, 49, 86, 108, 154 f., 189, 233 f., 237, 490, 590, 609, 616 Nikolausberg 174 Nimritz 322 Nischwitz 336, 441 Nöda 433 Nohra 129, 590 Nordhofen 590 Nottleben 67 f., 211, 239, 320, 339, 426 f. Nürnberg 187, 212, 216, 523, 455, 508 Oberarnsdorf 591 Oberbösa 146, 339, 457, 463, 609 Oberdorla 129, 323, 371, 396, 591 Oberellen 340, 346, 353 Oberhain 591 Oberhasel 369 Oberheldrungen 253 Oberlödla 107, 343, 466 Oberloquitz 104, 591 Obermaßfeld 275 Obermehler 107, 472, 591 Oberndorf bei Apolda 105, 519, 592 Oberndorf bei Arnstadt 374, 393, 591 Obernissa 63, 91, 227, 233, 264, 280, 372, 425 f., 435, 592 Oberoppurg 358 Oberpöllnitz 341 Oberpreilipp 359 Oberroßla 45, 459 Oberspier 129, 592 Obertrebra 254 Oberweimar 78, 139, 325, 340, 376, 379 f., 425, 527 f., 612 Oberwellenborn 503, 509, 523 Oberwillingen 69, 391 Obstfelderschmiede 152 Ölknitz 43, 47, 98, 106, 204, 255, 592 Öpitz 359 Oesterbehringen 106, 592
Oettern 168 Oettersdorf 268 Ohrdruf 252, 355 Olbersleben 101, 123, 133, 259, 365, 377, 592, 616 Oldisleben 260, 352, 438 Ollendorf 239, 263, 432, 617 Oppurg 126, 167, 269, 413, 455, 593 Orlagau 34, 40, 105, 356 f. Orlamünde 42, 47, 156, 167, 212, 227, 285, 325 Orlishausen 40, 593, 617 Orphal 171 Oßmannstedt 409, 593 Osterland 216 Ostertonna 593 Osthausen 256, 467, 500, 593 Ostramondra 593 Ottendorf bei Stadtroda 275, 340 Ottenhausen 352, 593 Ottmannshausen 368 Pahren 374, 594 Partschefeld 361 Paulinzella 45, 48, 89, 95, 103, 107, 145, 168, 296, 315, 318, 426 Pfaffenhofen 594 Pferdingsleben 82, 84, 88, 167, 330, 594 Pferdsdorf 354 Pfiffelbach 279, 320, 361, 471 Pforta 131, 353, 355 Pfuhlsborn 261 Piesigitz 179 Pillingsdorf 256, 358 Pisa 54 Pöllwitz 319 Pößneck 30 Pötewitz 51, 212 Ponitz 402 Posa 41 Possendorf 168, 220 Probtstzella 535 Quittelsdorf 120
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ORTSREGISTER
Rabis 255, 264, 402, 410, 479 Ramsla 341 Ranis 358, 411 Rannstedt 360 Ranstedt 609 Regensburg 225 Rehmen 105, 322, 326, 341, 594 Reichardtsdorf 361 Reichenbach im Hainich 364 Reichenbach im Holzland 64 Reichstädt 265, 302 Reinhardsbrunn 89, 252, 254, 259, 294, 331, 346, 353, 378, 396 Reinsdorf 350 Reinsfeld 209, 474 Reinstädt 86, 201, 209, 292, 370, 378, 410, 594 Reisdorf 158, 361, 373, 594, 609 Reitzengeschwenda 459 Remptendorf 209, 594 Remstädt 124, 378, 594 Rennsteig 17 Renthendorf 261, 344 Reschwitz 359 Rettgenstedt 594 Rettwitz 218, 438 Riechheim 99, 594 Riethnordhausen 59 f., 331, 349, 434, 454, 473, 480, 514 Riffenheym bei Gräfentonna 128 Ringleben bei Artern 594 Ringleben bei Gebesee 349, 378, 454, 473, 503, 514, 529, 594 Roben 349, 418, 452 f., 456, 503, 515 Rockensußra 594 Rockhausen 101, 164, 260, 595 Roda bei Ilmenau 256, 595 Rodameuschel 360 Rodigast 324 Rödersdorf 595 Röpsen 403 Rötha bei Leipzig 229 Rohrbach 595 Rohrborn 239
Rom 70 Romschütz 595 Rosendorf 459 Roßleben 352, 595 Rothenstein 27, 44, 47, 58, 66, 106, 227, 339 Rudersdorf 129, 131, 254, 374, 595 Rückersdorf 595 Ruhla 340, 459, 595 Ruppersdorf 52, 359 Saalborn 168 Saalburg 219, 335, 354 Saale 17, 52, 65, 106, 126, 128, 284, 316, 325, 363 Saalfeld 31, 166, 186, 209, 215–217, 219, 251, 289 f., 341, 356, 528 Saara 159, 276 f., 334, 359, 595 Sachsenburg 114, 133, 155, 157, 282, 374, 472, 595, 609 Sättelstädt 47, 55, 78, 256, 320, 346, 375, 595 Sallmannshausen 190, 364 Sangerhausen 54, 248 Santiago de Compostela 170 f. Schaala 528 Schallenburg 233, 595, 609 Schellroda 43 Schernberg 268, 596 Schiebelau 126, 596 Schilbach 500 f. Schillingstedt 596 Schkölen 367 Schleifreisen 266, 372 Schlettwein 113, 359, 596 Schleusingen 30, 32, 49, 240, 496 Schloßvippach 234 f., 253, 270, 532, 617 Schmalkalden 207, 476 f. Schmidtstedt 44, 55, 61 f., 68 f., 74, 79, 81, 94, 106, 159, 170, 196, 204 f., 207, 235, 273, 277, 291, 596 Schmiedehausen 121, 258, 398, 596 Schmira 45, 232, 596
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ORTSREGISTER
Schmölln 156 f., 302 Schmölln bei Hummelshain 265, 354, 458 Schmorda 358 Schnellmannshausen 323 Schönau an der Hörsel 596 Schönau vor dem Walde 221 Schönbach 403 Schönborn 256 Schönewerda 597, 609 Schönfeld bei Greiz 403 Schöngleina 266, 268 Schönstedt 146, 178, 253, 258, 268 f., 597, 609, 617 Schorba 119, 373, 597 Schwaara 597 Schwabhausen 88, 320 Schwabsdorf 381 Schwarza bei Rudolstadt 295 Schwarzburg (Dorf) 151 f., 183, 609 Schwarzburgisches Gebiet 17 f., 49, 73, 177, 186, 258, 293, 312, 318, 323 f., 339, 361, 391–395, 439 f., 442, 445, 460, 468, 474, 477, 504, 519, 526 Schwarzhausen 93, 256, 597 Schweinbach 535 Schwerborn 104, 129, 597 Schwerstedt bei Straußfurt 146, 183, 185, 258, 317, 377, 458, 597, 610 Schwerstedt bei Weimar 597 Seebach 126, 258, 269, 301, 478, 597 f., 618 Seebergen 167, 294, 441, 497, 598, 610 Seega 379 Seifartsdorf 361 Seisla 358 Seitenroda 332 Selka 302, 598 Siebleben 42, 129, 145, 167, 206, 256, 280, 287, 339 f., 598 Siegelbach 361, 445, 598 Silbitz 501 Singen 70, 598
Sömmerda 231, 400 Solsdorf 121, 323, 349, 391 Sondershausen 268, 320, 510 Sonneborn 45, 70, 85 f., 94, 123 f., 133, 136, 138 f., 178, 182, 256, 377, 381, 415, 598, 612 Sparnberg 210 Sprötau 121 St. Gangloff 369 Stadtilm 65, 131, 294 Stadtroda 52 f., 80, 325, 358 Stedten am Ettersberg 368 Stedten an der Gera 433 Stedtfeld 257, 320, 322, 343, 599 Steinbrücken 357 f., 599 Steinheid 459 Stepfershausen 64, 205 Steudnitz 60, 94, 102, 401, 458, 468 Stiebritz 344 Stödten 599 Stößwitz 348 Stotternheim 129, 431, 599 Stralsund 202 Straßburg 54, 224, 262, 265, 405, 420, 464 Straußberg 528 f. Straußfurt 70–72, 108, 178 f., 458, 478, 599 Sülzenbrücken 107, 111, 120, 324, 353, 369, 380 Süßenborn bei Weimar 95, 154, 158, 272, 361, 385, 610 Sulzbach 599 Sundhausen bei Gotha 315, 323, 341, 365, 387, 472, 501, 521, 599, 618 Sundhausen bei Langensalza 42, 46, 102, 125, 145, 178 f., 336, 374 f., 600, 610, 618 Tambach 113, 373, 375, 381, 600 Tanna 600 Tannroda 106, 325, 409 Taupadel 299, 324, 332 Tautenburg 61, 75–77, 79 f., 82, 253 f., 261, 318, 330, 341, 349, 351, 367,
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ORTSREGISTER
391, 399–401, 406, 441, 454 f., 468, 475, 479, 497, 500, 511, 514, 524 Tautendorf 345 f. Tegkwitz 67 f., 70, 73, 75, 77, 79, 92, 154, 165, 175, 197–199, 204, 217, 227, 250, 261, 288, 391, 458, 464, 502 Teichröda 63, 81, 91, 134, 164 f., 204, 216, 315, 477, 600 Teichwitz 342, 600 Teichwolframsdorf 334, 600 Teutleben 255, 471, 521 Teutleben bei Weimar 513 Thälendorf 371, 600 Thalbürgel 342, 352, 392 Thamsbrück 145, 158, 173, 308, 610 Thangelstedt 321, 325 Thierschneck 113, 600 Thieschitz 442, 525, 536, 600 Thörey 320, 341 Thonhausen 466, 600 Thüringer Becken 28–32, 88, 122 f., 133, 177–188, 253, 295, 299, 360, 366, 376, 384 f., 476 Thüringer Schiefergebirge 33, 135, 256 Thüringer Wald 179, 459, 508 Thüsdorf 360 Tiefengruben 196, 232, 330, 478 Tiefenort 501, 515, 600 Tiefthal 194, 201 Tiefurt 509 Tinz 74, 160, 165, 195 f., 201, 210, 216 f., 318, 495, 501 f., 504 Toba 508 Töpfersdorf bei Uhlstädt 128 f., 602, 692 Töppeln 403 Törpla 417, 486 Töttelstädt 88, 374, 446, 618 Töttleben 41, 425 Tonndorf 43, 119 f., 185, 232–235, 238, 273, 330, 333, 383, 431, 600 Torgau 388, 476, 485, 498, 504, 548 Trautzschen bei Pegau 402 Treben 42, 100 f., 256, 270, 299, 601
Trebra 207, 601 Treffurt 257 Treppendorf 91, 129, 319, 601 Trockenborn 62, 81, 92, 273, 346–349, 357, 389, 442, 462, 469 Troistedt 247, 341, 381, 513 Tromsdorf 327, 432 Trügleben 91, 331, 371, 471, 521 Tüngeda 85, 88, 365, 415, 447, 601, 619 Tünschütz 103, 107, 446, 601 Tüttleben 83, 315, 319, 341 Tunzenhausen 51, 112 f., 118, 129, 251, 257, 374, 601 Udestedt 21, 30, 132, 185, 468, 490, 510, 531, 601 Uelleben 124, 255, 284, 315, 353, 521, 601 Ütteroda 485, 547 Ufhoven 301, 305, 498, 601 Uhlstädt 128 f., 325, 334 f., 344, 361, 368, 374, 459, 602, 692 Ulla 63, 344, 425–427, 435, 475 Ulrichshalben 459 Umpferstedt 63, 292 Unstrut 31 f., 134, 181, 288 Unterloquitz 535 Unterschöbling 267 Untersuhl 602 Unterwellenborn 107, 222, 289, 384, 500, 602 Urbich 63, 129, 602 Utenbach 50, 64, 93, 396, 469 Utzberg 429 Vehra 29 Venedig 54 Veßra 151 Vierzehnheiligen bei Jena 174, 200, 229, 263, 275, 278 f., 367, 408 Vierzehnheiligen in Franken 279 Vippachedelhausen 413, 459, 602 Vogelsberg 101, 239, 374, 387, 602 Voigtstedt 602
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Volkmannsdorf 376, 602 Volkstedt 52 Vollersroda 168 Wachsenburg, Amt 118, 226, 369 Wahlwinkel 85, 93, 103, 134, 196, 521–523, 602 Wallichen 254, 300 Walschleben 30, 116, 121, 185, 481, 603, 693 Waltersdorf 343, 369 Waltershausen 158, 384 f., 503, 610 Waltersleben 107, 260, 267, 603 Wandersleben 129, 149, 155, 203, 252, 603, 610 Wangenheim 86, 133, 136, 144, 151, 157, 178, 373, 376, 415 f., 603, 610 Warza 371, 603 Wasserthaleben 511, 603 Weberstedt 114, 203, 291, 486, 498 f., 603, 702 f. Wechmar 88, 144–146, 150, 381, 603, 610 Weiden bei Buttelstedt 604 Weimar 11, 48, 118, 132, 156 f., 166, 174, 186, 227, 260, 264, 266, 273, 280, 284, 300, 303, 326, 337, 371, 379, 381–383, 385, 411, 414, 420 f., 425–436, 440–445, 457, 469, 471 f., 478, 483, 513, 519, 522, 524, 533, 540 Weira 107, 114, 347, 357, 359, 372, 604 Weisbach 135, 150, 179, 604, 610 Weischwitz 359 Weises 604 Weißen 344, 368 Weißenfels 188 Weißensee 258, 279 f., 397, 448 Weltwitz 105, 125, 604 Wenigenauma 123 Wenigenbuttstädt 604 Wenigenjena 82, 329 Wenigenlupnitz 604
Wenigentennstedt 374, 604 Wernburg 106, 206, 531, 604 Werningshausen 88 f., 355, 433, 605 Werningsleben 94, 210, 232 Werra 17, 29, 316, 321, 364, 447 Wersdorf 131, 171–174, 217, 229, 274, 279, 361, 605 Westfalen 55, 58, 242, 507 Westgreußen 605 Westhausen 99, 605 Wetzdorf 224, 330 Wichmar 360, 363 Wickerstedt 108, 382, 605 Wiegleben 88, 270, 605 Wilhelmsdorf 358 Willerstedt 605 Willmersdorf 119 f. Willschütz 367 Wilsdorf 363, 478, 605 Windischleuba 128, 257, 300, 384, 445, 465, 605, 612 Winkel 504 Winterstein 605 Winzerla 368 Wittchendorf 331, 605 Witterda 53, 73–75, 80, 164, 200, 242, 382, 449–451, 480 f., 499, 605 Wittmannsgereuth 359 Witzleben 43, 102, 112, 134, 606 Wölfis 99, 606 Wöllnitz 107, 606 Wolfenbüttel 317 Wolfersdorf 178, 303, 334, 606 Wolfsbehringen 255, 292, 364, 606 Worms 54 Wormstedt 83, 101, 103, 261, 531, 606 Wülfershausen 606 Wüllersleben 152, 259, 294, 606 Wümbach 293 Wünschensuhl 154 Würchhausen 360, 363 Würschnitz 332 Württemberg 20, 42, 45, 226, 516 Würzburg 143, 230, 282, 317
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Wundersleben 113, 268, 377, 456, 606 Wurzbach 606 Wurzen 116 Zehma 171, 276 Zeigerheim 65, 73, 104, 349, 497 f., 514, 606 Zeitz 51 f., 216 f., 267, 316 Zella 131 Zella an der Werra 353 Zeutsch 256, 607 Ziegelheim 174, 278 Ziegenhain 165, 174, 276, 286, 323, 355, 526 f., 703
Zimmern bei Langensalza 607 Zimmern bei Dornburg 50 Zimmernsupra 491, 607 Zipsendorf 160, 208, 497, 499, 504, 692 Zoppoten 607 Zossen 405 Zottelstedt 520 Zschippach 404 Zürchau 101, 704 Zwackau 358, 372, 607 Zwätzen 209, 353, 396 Zwickau 28, 162, 210, 212, 216, 219, 334, 536
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