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German Pages 557 [560] Year 1997
Vorfragen zur Wahrheit
Scientia Nova Herausgegeben von Rainer Hegselmann, Gebhard Kirchgässner, Hans Lenk, Siegwart Lindenberg, Julian Nida-Rümelin, Werner Raub, Thomas Voss
Bisher erschienen u. a.: Robert Axelrod, Die Evolution der Kooperation Karl H. Borch, Wirtschaftliches Verhalten bei Unsicherheit Churchman/Ackoff/Arnoff, Operations Research James S. Coleman, Grundlagen der Sozialtheorie Morton D. Davis, Spieltheorie für Nichtmathematiker Erklären und Verstehen in der Wissenschaft Evolution und Spieltheorie Bruno de Finetti, Wahrscheinlichkeitstheorie Robert Frank, Strategie der Emotionen Peter Kappelhoff, Soziale Tauschsysteme Bernd Lahno, Versprechen. Überlegungen zu einer künstlichen Tugend Klaus Manhart, KI-Modelle in den Sozialwissenschaften Moralische Entscheidungen und rationale Wahl Moral und Interesse Nagel/Newman, Der Gödelsche Beweis John v. Neumann, Die Rechenmaschine und das Gehirn Julian Nida-Rümelin, Kritik des Konsequentialismus Ökonomie und Moral Erhard Oeser, Wissenschaft und Information Howard Raiffa, Einführung in die Entscheidungstheorie Erwin Schrödinger, W a s ist ein Naturgesetz? Thomas Voss, Rationale Akteure und soziale Institutionen Hermann Weyl, Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft
Geo Siegwart
Vorfragen zur Wahrheit Ein Traktat über kognitive Sprachen
R. Oldenbourg Verlag München 1997
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefond Wissenschaft der VG Wort.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Siegwart, Geo: Vorfragen zur Wahrheit : Ein Traktat über kognitive Sprachen / Geo Siegwart.- München : Oldenbourg, 1997 (Scientia Nova) ISBN 3-486-56024-7
© 1997 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Rosenheimer Str. 145, D - 81671 München Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.
Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3-486-56024-7
Inhalt Dank Zur Textgestaltung
VH IX
A.
Orientierung
1
B.
Redehandlungen und Sprachen
23
C.
Sechs Tätigkeiten bezüglich einer Sprache
107
D.
Kognitive Akte, Teilakte, Aktsequenzen
151
E.
Begriff und Formen der Einführung
219
F.
Wahrperformation und Wahrprädikation
273
G.
Definition, Kriterium, Regel, Bedingung der Wahrheit
339
H.
Hauptfragen zur Wahrheit
419
Analytische Inhaltsübersicht
519
Literaturverzeichnis
527
Personenregister
545
Dank Der Autor dankt folgenden Personen und Institutionen für organisatorische Hilfe oder sachbetreffende Anregung bei der Herstellung dieser Schrift: Dieter BIRNBACHER (Düsseldorf), DFG (Bonn - Bad Godesberg), Carl Friedrich GETHMANN (Essen und Bad Neuenahr), Susanne HAHN (Essen), Rainer HEGSELMANN (Bayreuth),
Peter H1NST (München),
Georg KAMP (Essen), Hermann KRINGS (München),
Philosophisches
Oberseminar GETHMANN/SIEGWART in den Jahren 1988 bis 1992 (Essen), Lorenz Bruno PUNTEL (München), Nicholas RESCHER (Pittsburgh), J a n SCHREIBER ( E s s e n ) , C h r i s t i a n THIEL ( E r l a n g e n ) , VG WORT ( M ü n -
chen), Wilhelm VOSSENKUHL (München), Johannes F. WOLL (München).
Zur Textgestaltung Der Haupttext Paragraphen schnitte
umfaßt acht Teile A. bis H., die in fortlaufend numerierte 1. bis 40. gegliedert sind. Die Paragraphen zerfallen in Ab-
[1] bis [n]. Notizen und Zusätze, beide den Paragraphen angefügt,
bilden den Ergänzungstext.
Erstere liefern historisch—kritisches Hinter-
grundmaterial. Letztere bieten sachlich-systematische Überlegungen, die im Haupttext als Hintergrund zwar benötigt werden, dort aber den Duktus unterbrochen hätten. Drei Sorten von hervorgehobenen
Zeilen sind zu unterscheiden. Mit
arabischen Ziffern ' Γ , '2' usf. sind Theoreme und Lemmata numeriert. Mit Ziffern der Art 'Ol', '02', usf. werden Festlegungen, meist definitorische, gezählt. Mit Ziffern des Typs '001', Ό02' usf. erfolgt die Bezugnahme auf Schemata, Aufzählungen, Tabellen, Beispiele, Klassifikationsbäume usf. — Die Zählung bezieht sich jeweils auf einen Paragraphen bzw. auf eine Notiz oder einen Zusatz. Die Numerierung der ausgezeichneten Zeilen setzt im Ergänzungstext zu einem Paragraphen jeweils neu ein. Verweise auf andere Ausführungen dieser Schrift sind im Text in runden Klammern durch einen Aufwärtspfeil angezeigt: '(T...)'. — Folgende Sorten von Querverweisen kommen zum Einsatz: '(T30.)'
Verweis auf den Paragraphen 30.
'(T30.[2])'
Verweis auf den zweiten Abschnitt des Paragraphen 30.
'(T32.01)'
Verweis auf die ausgezeichnete Zeile 01 des
'(T7.Zusatz[2])'
Verweis auf Abschnitt [2] im Zusatz zu P a r a -
'(T34.Notiz002)'
Verweis auf die ausgezeichnete Zeile 002 in
Paragraphen 32. graph 7. der Notiz zu Paragraph 34. '(T3.Anm.3)'
Verweis auf Anmerkung 3 im Paragraphen 3.
Verweise innerhalb eines Paragraphen können ohne die Paragraphennummer erfolgen: '(î[2])' verweist z.B. auf den zweiten Abschnitt des Paragraphen, in dem der Verweis sich findet. Zitate werden in den Anmerkungen am Ende der Seite nachgewiesen; ausschließlich dort finden sich auch Literaturverweise. auf Literatur
— Die
Bezugnahme
erfolgt über die Nennung des Autors und einen Kurztitel,
der im Literaturverzeichnis ausgewiesen ist.
χ
ZUT Textgestaltung Drei Sorten von Anführungszeichen finden Verwendung: Zitate stehen
in doppelten Anführungszeichen. Wird in Zitaten zitiert, so kommen einfache Anführungszeichen zum Einsatz. Einfache Anführungszeichen dienen auch der Bildung von Anführungsnamen. Winkelzeichen '>...Gebrauchsprogramm< disponibel ist, wird er umge2
WITTGENSTEIN: Philosophische Untersuchungen, §43.
3
Vgl. zur detaillierten Kritik an realistischen LE/SIEGWART: Bedeutungstheorien, Kap. 2.
Bedeutungskonzeptionen
MEGG-
13
2. Standort
kehrt das Verlangen nach einer Interpretation für Sprachen mit einwandfreiem Gebrauchsprogramm als witzlos verwerfen. Bei PUTNAM liest sich das so: "Eine Theorie der Bedeutung zu akzeptieren, nach der einer Sprache, deren gesamter Gebrauch bestimmt ist, immer noch etwas fehlt - nämlich ihre 'Interpretation' — bedeutet ein Problem zu akzeptieren, das nur verrückte Lösungen haben kann. So zu tun, als ob das mein Problem wäre, 'Ich weiß, wie ich meine Sprache benutzen soll, aber wie soll ich jetzt eine Interpretation auszeichnen?', bedeutet Unsinn zu reden. Entweder fixiert schon der Gebrauch die 'Interpretation', oder nichts kann das" 4 . Das dritte
Mißverständnis
stellt zwischen Gebrauchskonzeption und be-
stimmten materialen Maximen der Verwendungsfixierung einen Konnex her, und zwar insbesondere auf dem Gebiet, auf dem die hier gehaltene Position ihre detaillierteste Ausarbeitung erfahren hat, nämlich bezüglich der Bedeutung der logischen Operatoren. Das Mißverständnis dürfte auf das Zusammenspiel zweier Sachlagen zurückzuführen sein: Zum einen haben intuitionismusaffine Positionen die Gebrauchskonzeption ausdrücklich zu ihrem sprachphilosophischen Hintergrund erklärt (DUMMETT, MARTIN-LÖF, PRAWITZ) oder doch stillschweigend unterstellt (LORENZEN). Zum andern sind Verfechter der klassischen Logik häufig Defendenten einer realistischen Semantik. Gleichwohl ergeben sich beide Zusammenhänge nicht zwangsläufig: Wer die Gebrauchstheorie akzeptiert, muß in logicis keineswegs Intuitionist sein. Wer umgekehrt zur klassischen Logik steht, kann dies sehr wohl auf gebrauchstheoretischer Basis. Es sind — innerhalb der gebrauchstheoretischen "Rahmenbedingung" 5 — differierende Maximen der Redeorganisation, die die Fixierung der Bedeutung der logischen Operatoren in dem einen oder anderen Sinne erzwingen. Die für sich genommene gebrauchstheoretische Option hat noch keine bedeutungsgestaltende Kraft! Ganz in diesem Sinn — nicht jedoch als Einwand gegen die Gebrauchskonzeption - läßt sich auch die von PRIOR angestoßene 'tonk'-Debatte lesen: Um die Bedeutung von (hier: logischen) Ausdrücken zu fixieren, ist der Rekurs auf den Verwendungsgedanken allein unzureichend. Gefordert sind weitere (formale und materiale) Prinzipien! (T17.[2]).
[2]
Überschau— und Kontrollierbarkeit:
Die zweite Leitüberzeugung, eine
Forderung zur Gestaltung der Untersuchung, bezieht sich sowohl auf die betrachteten Objekte wie auch auf die verwendete Untersuchungssprache. Das erste Teilpostulat
läßt sich so fassen: Führe die Untersuchungen
PUTNAM: Modell und Wirklichkeit, 29. STEGMtlLLER: Probleme und Resultate II, 335.
(hier:
zur
Α. Orientierung
14
Wahrheit)
an überschaubaren
und möglichst
expliziten,
gegen
Störfaktoren
gesicherten Modellsprachen und übertrage dann die Ergebnisse unter sichtigung der notwendigen Vorsichtsmaßnahmen
auf >realistische
höhere< Anfänge zuläßt, verzichtet man ferner auf methodische Eigenarten des konstruktivistischen Programms, macht man sich endlich schon geleistete begriffliche Arbeit zunutze, dann scheint immer noch folgende modeste Gestaltungsmaxime angebracht: Versuche, driicke der Untersuchung matische
unproble-
einzuführen!
Zieht man die gebrauchstheoretische Maxime mit der hier betrachteten zusammen, so resultieren zwei notierenswerte Konsequenzen: Zum einen ist Einführen (letztlich) stets als die Reglementierung der Verwendung eines Ausdrucks zu fassen. Zum andern muß auch dargetan werden, worin die Verwendung eines Ausdrucks, der Gebrauch einer Sprache usf. bestehen; denn 'Verwendung' und 'Gebrauch' sind Schlüsselausdrücke der veranschlagten Untersuchungssprache. Damit ist auch schon klargestellt, daß die antitheoretische A t t i tüde WITTGENSTEINS und vieler seiner Nachfolger und Interpreten nicht nur nicht geteilt, sondern >exerciter< zurückgewiesen wird. Wiederum sind Mißverständnisse abzuwehren. Wer - erstens - unter kritischem Verweis auf den allzu häufigen Griff in den Metaphernrucksack eine durchgängige rigorose begriffliche Klärung philosophischer Sprache fordert, leugnet weder das heuristische Potential noch den mnemotechnischen Nutzen
RORTY: Der Spiegel der Natur, 22. KAMLAH/LORENZEN: Logische Propädeutik, 14.
Α. Orientierung
16
und die stilistische Gefälligkeit von Metaphern — schließlich sind auch 'Metaphernrucksack' und 'Paraphrasenkarussell' Metaphern; nur können Entscheidungen in der Sache nicht allein dadurch fundiert werden, daß man eine Problemkonstellation unter eine Metapher stellt, um das gerade Gewünschte dem so entstehenden Gesamtbild zu entnehmen. — Zweitens wird nicht einem (inexistenten!) absoluten Exaktheits- oder Präzisionsideal das Wort geredet. Exakt oder präzis genug ist ein Gebilde stets für einen vorgegebenen Zweck oder einen Agenten, der einen Zweck verfolgt; und die benutzten Redemittel sollen nur präzis genug sein, um verständlich und kontrollierbar Philosophie zu treiben. — Die Untersuchung steht also, gegen einen möglichen Oberflächeneindruck, weder in der Gefahr, "den eigenen Gegenstand aus dem Zielbereich herauszumathematisieren" 11 , noch leistet sie der Tendenz, "to propose technical criteria with the aim of excluding approaches one dislikes"12 in irgendeiner Weise Vorschub.
QUINE: Theorien und Dinge, 190. KRIPKE: Substitutional Quantification, 410 (dort durchgehend hervorgehoben).
3.
Programm
[1]
Ziele: Auf der Grundlage eines Ansitzes
die >Vorfragen
Hauptfragen
Makrofragen< sammeln: (i) Wovon sagen wir in welcher Weise, daß es wahr/falsch
ist? Die Unterschei-
dung von Wahrperformation und —prädikation gibt den Ansatz zur Beantwortung dieser — durch das Aufkommen der Redundanztheorie(n) der Wahrheit verschärft gestellten — Frage, (ii) Was sind Definitionen, Kriterien, Wie stehen diese Gegebenheiten
Regeln und
Bedingungen
der Wahrheit?
und das durch sie
Instanziierte
zueinander? Durch die Explikation der soeben verwendeten Prädi-
katoren werden die Redeteile bereitgestellt, mit denen die Hauptfragen der Wahrheitstheorie dann in verläßlicher(er) Weise zu formulieren sind; auch könnte so zur Verbesserung des begrifflichen Fundamentes laufender Debatten — dabei ist etwa an den (Anti)Realismusstreit gedacht — beigetragen werden. Mit den reklamierten Vorklärungen im Rücken ist abschließend das Teilziel, die Entwicklung
ι
eines Rasters zur Aufbereitung
Q U I N E : Theorien u n d Dinge, 113.
und Uberprüfung
dritte der
Α. Orientierung
18
materialen Offerten zur Bestimmung
von Na,tur und Kriterien der Wahrheit, in
Angriff zu nehmen: Wie läßt sich über die Güte von Wahrheitsdefinitionen und —kriterien befinden? Worin besteht die Funktion und die Reichweite der einzelnen Konzeptionen? Von welcher Art sind die zwischen diesen ausgetragenen Dispute und wie können sie kultiviert und einer Entscheidung nähergebracht werden? Welche Formen des > Zusammenwirkens < prima facie konkurrierender Ansätze sind zu unterscheiden? — Während die Bearbeitung der Vorfragen auf definitive Antworten zielt, kommt der Behandlung der Hauptfragen nur programmatischer Charakter zu. Die Qualifikation 'definitiv' ist in jenem schwachen Sinn zu lesen, der allein im philosophischen Geschäft angesagt ist: Ein Lösungsvorschlag darf schon dann als definitiv gelten, wenn gegnerische Parteien sich zur (Neu)Aufnahme der Streitfrage gehalten sehen. Der Versuch, die gesteckten Ziele zu erreichen, ist mit der Hoffnung auf das Eintreten von Nebeneffekten
verknüpft. Zum ersten ist das Wahrheitsthema
nur ein Anwendungsfeld des theoretischen Gesamtrahmens: Die Analysen zum Regelkomplex, das Plädoyer für den Grammatischen Instrumentalismus, die Distinktionen zum Prädikationskonzept und die Darstellung der Einführungs—, insbesondere der Explikationsthematik, könnten sich auch in anderen Kontexten als hilfreich erweisen. — Zum zweiten geben Recherchen, die speziell im Zusammenhang mit Wahrheit vorgenommen werden, Anlaß zur Verallgemeinerung: Hier ist vornehmlich zu denken an die Transferierbarkeit der Unterscheidung von Wahrperformation und —prädikation auf andere Erkenntnisleistungen oder an die Verallgemeinerbarkeit der Desambiguierung in der Rede von 'Wahrheitskriterien'. - Zum dritten sollte bei allem Bemühen um Bewältigung der Überkomplexität durch dezidierte Ausarbeitung eines Ordnungsplans wenigstens an den Schaltstellen durch Andeutung abweichender begrifflicher und methodischer Strategien deutlich bleiben, daß das Gesamtunternehmen ein wesentlich alternativenhaltiges
[2]
ist.
Aufbau: Die Zweck—Mittel—Ordnung der Teilziele fixiert den Aufbau:
Die Teile B. bis E. skizzieren den als Sichtungsrahmen geforderten Ansatz theoretischer Philosophie, der in F. und G. auf die Vorfragen Anwendung findet. Ausgerüstet mit den Antworten auf die Vorfragen, können sodann in Teil H. die Hauptfragen in Angriff genommen werden. Zum Sichtungsrahmen:
Zunächst ist das leitende Verständnis von Redehand-
lungen und Sprachen darzutun (B.). Redehandlungen
bzw. illokutionäre Akte
sind Handlungen, die gemäß einem Regelwerk, einer Sprache, zu vollziehen sind (4.). Um die interessierenden Redehandlungen und Sprachen im Sinne des Überschau- und Kontrollierbarkeitspostulats studieren zu können, werden zwei
19
3. Programm
Modellsprachen konstituiert und gebraucht. Die Sprache Ν umfaßt die Arithmetik und ist metatheoretisch weitgehend untersucht (5.). Die Sprache D ist eine Phantasiesprache, an der sich einige Aspekte synthetischer Sprachen bequem studieren lassen (6.). Sodann werden die beiden Komponenten von Sprachen, Grammatik und Performatorik, näher betrachtet (7.,8.). Ein Zusatz zum Grammatikparagraphen empfiehlt den Grammatischen
Instrumentalismus
als
die Haltung, die die grammatikbezügliche Interpretation vorliegender Sprachgebilde leiten sollte. Ein Zusatz zum Performatorikparagraphen trifft einige elementare Unterscheidungen für
Handlungsprädikatoren.
Der dritte Teil unterscheidet sechs Tätigkeiten bezüglich einer Sprache (C.). Man gebraucht eine Sprache, wenn man gemäß der Performatorik dieser Sprache — genauer: gemäß den Regeln der Performatorik - Redehandlungen vollzieht; die Teilausdrücke des geäußerten Satzes werden dabei verwendet (9.). Ein Zusatz beleuchtet das Verhältnis von Regel(folge)n, und —bedeutung. Man konstituiert
Ausdrucksverwendung
eine Sprache, indem man ihre Grammatik
und — darauf aufbauend — ihre Performatorik herstellt; dabei werden einzelne atomare Ausdrücke in die Sprache eingeführt (10.) Ein Subjekt erwirbt eine Sprache, wenn es sich instandsetzt/instandgesetzt wird, die Sprache zu gebrauchen (11.). Ist eine Sprache nur mittelbar, d.h. durch die in ihr vollzogenen Redehandlungen bzw. die Resultate dieser Akte >gegebenl
auszugehen. — Bezüglich der atomaren Kategorie der Junktoren gelten folgende Festlegungen: 013
7Γ ist 1-stelliger Junktor gdw τ ~
'
014
π ist 2-stelliger Junktor gdw π ~ '
=>
' 015
&
' oder π ~ '
der Negator ~
der Adjunktor ~ '
o
der Bisubjunktor ~ '
d
' oder π ~
'
der Subjunktor ~ ' der Konjunktor ~ '
' oder ν ~ '
'
' '
&
'
l
auszugehen. - Die letzte atomare Kategorie ist die Klasse der Quantifikatoren: 016
Π ist Quantifikator gdw Π s 'V..' oder Π s '3..'
017
der Universal— bzw. Allquantifikator ~ 'V..' der Partikularquantifikator ~ '3..'
Die Schreibweise deutet an, daß die Quantifikatoren einstellige Operatoren sind, für die Terme, genauer: Variablen, passende Operanden sind. 018
μ ist Hilfszeichen gdw μ ~ '(' oder μ ~ ')'
Der Begriff der atomaren Af-Kategorie läßt sich nun so festlegen: 019
Κ ist atomare Kategorie gdw Κ ~ {ΞIΞ ist Performator} oder Κ ~ {α| α ist Konstante} oder Κ ~ VAR oder Κ ~ PAR oder Κ ~ {φ\ φ ist 1-stelliger oder 2—stelliger Funktor} oder Κ ~ {Φ | Φ ist Prädikator} oder Κ ~ {ir\π ist 1—stelliger oder 2-stelliger Junktor} oder Κ ~ {Π | Π ist Quantifikator}
Der allgemeine Begriff der atomaren Kategorie für Sprachen mit Standardgrammatik erster Stufe wäre so festzulegen, daß alle W-spezifischen Einschränkungen aufgehoben werden; insbesondere wäre jeweils von n—stelligen Funktoren, Prädikatoren und Junktoren auszugehen. — Ersetzt man in 019 die beschreibende durch die aufzählende Schreibweise, so ergibt sich: 1
Κ ist atomare Kategorie gdw Κ ~ {'S
', Ά
'F
'Β
'} oder Κ
~ {'0'} oder Κ ~ VAR oder Κ α PAR oder Κ ~ {'nf(..)', '..+..', '..o..'} oder Κ ~ {'..=..'} oder Κ ~ '
«
'} oder Κ ~ {'V..', '3..'}
'
=>
'
o
' L·
Β. Redehandlungen und Sprachen
36
1 ist nach der eingangs getroffenen Vereinbarung kein Konstitutionstext. — Der Begriff des atomaren Ausdrucks läßt sich so umreißen: 020
μ ist atomarer Ausdruck gdw es gibt eine atomare Kategorie Κ mit μζΚ
Das Inventar von ATkann damit so festgeschrieben werden: 021
INV s Befreit man sich von den Einschränkungen bei Funktoren, Prädikatoren und Junktoren, dann ergibt sich ein genereller Inventarbegriff für Standardsprachen erster Stufe. Dabei wird von Sprache zu Sprache variieren, was als Performator, Konstante, Funktor, Prädikator, Quantifikator gewählt wird; das ändert jedoch nichts an der zugrundeliegenden grammatischen Struktur: Das Inventar einer beliebigen Sprache mit Standardgrammatik erster Stufe ist stets konzipierbar als Achttupel aus der Klasse der Performatoren, der Individuenkonstanten, der Variablen, Parameter, n—stelligen Funktoren, Prädikatoren, Junktoren und der Klasse der Quantifikatoren. Mit 021 ist die Konstitution des Inventars abgeschlossen. Nun ist zu spezifizieren, welche komplexen Gebilde sich aus den atomaren Ausdrücken aufbauen lassen. Dabei sind drei bzw. vier Sorten zu unterscheiden: Aus der Anwendung von Funktoren auf (zunächst: atomare) Terme entstehen Terme; aus der Anwendung von Junktoren und Quantoren auf (zunächst: atomare) Formeln entstehen Formeln; dabei entstehen Quantoren aus der Anwendung von Quantifikatoren auf Variablen. Aus der Anwendung von Performatoren auf geschlossene Formeln entstehen Sätze. Die folgenden Festlegungen sind allgemein gehalten. — In den ersten Schritten ist der Termbegriff festzulegen: 022 023
0ist atomarer Term gdw 0 ist Konstante oder Variable oder Parameter θ ist Term gdw θ ist atomarer Term oder es gibt einen n—stelligen Funktor φ und η Terme βι,...,θη, so daß θ das Ergebnis der Anwendung von φ auf 9ι,...,θη ist; kurz:
024
φ(θι,...,θn)
θ ist funktorieller Term gdw θ ist Term, aber kein atomarer Term
Im zweiten Adjunkt von 023 ist für Ν wiederum nur der Fall der ein— oder zweistelligen Funktoren einschlägig. - Bei den zweistelligen Funktoren findet im übrigen eine Anpassung an die übliche Schreibweise statt, also 0 ι φ 2 θί statt ¿WJ). Zur Wendung 'das Ergebnis der Anwendung von..auf..' ist zu bemerken: Zum einen soll — wie durch den bestimmten Artikel 'das' angezeigt — jede Anwendung eines n-stelligen Operators auf η Operanden genau ein Ergebnis
5. Die Beispielsprache
Ν
37
besitzen. Zum anderen sollen Operator und Operanden jeweils identisch sein, falls die Anwendungsergebnisse identisch sind. — Die nächsten Festlegungen betreffen offene und geschlossene Terme: 025
θ ist Teilterm des Terms θ ' gdw 1.
θ ' ist atomarer Term und θ ~ θ ' oder
2.
θ ' ist funktorieller Term φ(9ίί...,θη)
2.1 2.2 026
und
oder für wenigstens ein i mit 1< i< η: θ ist Teilterm des Terms θ\
θ ist ein in ω offener Term gdw ω ist Variable und ω ist Teilterm von θ
027
θ ist offener Term gdw es gibt ein ω, so daß β ein in ω offener Term ist
028
θ ist geschlossener Term resp. Nominator gdw θ ist Term, aber kein offener Term
Die Klasse der Terme ist die erste molekulare Kategorie von N. — Fernziel der nächsten Schritte ist die Gewinnung der dritten molekularen Kategorie, der Formelkategorie. Dazu muß zunächst die zweite molekulare Kategorie, die Kategorie der Quantoren, etabliert werden. 029
κ ist ein ω-bindender Quantor gdw ω ist Variable und es gibt einen Quantifikator Π und κ ist das Resultat der Anwendung von Π auf ω ; kurz: κ ~ Πω
030
κ ist ein Quantor gdw es gibt ein ω, so daß κ ein ω-bindender Quantor ist
031
der ω-bindende Universal—/ Partikularquantor ~ das Ergebnis der Anwendung des Universal—/ Partikularquantifikators auf die Variable ω
In Sprachen mit weiteren Quantoren, z.B. mit Anzahlquantoren, ist analog zu 031 vorzugehen. - Die Klasse der Quantoren ist die zweite molekulare Kategorie. Ν enthält gerade den Universal— und den Partikularquantor. Während für den Aufbau der Terme mit den Konstanten, Variablen und Parametern die Basis schon bereitsteht, muß diese für die Formelkategorie aus Prädikatoren und Termen allererst geschaffen werden:
Β. Redehandlungen und Sprachen
38 032
Γ ist atomare resp. elementare Formel gdw es gibt einen n-stelligen Prädikator Φ und η Terme 0¡,...,0 n , so daß Γ das Ergebnis der Anwendung von Φ auf θγ,...,θη ist; kurz: Γ ~ Φ(0ι,...,0 η )
033
Γ ist Formel gdw 1.
Γ ist atomare Formel oder
2.
es gibt einen n—stelligen Junktor π und η Formeln Γι,...,Γ η , so daß Γ das Ergebnis der Anwendung von π auf Γι,...,Γ η ist; kurz: Γ ~ 7τ(Γ,,...,Γ η ) oder
3.
es gibt einen Quantor « und eine Formel Δ, so daß Γ das Ergebnis der Anwendung von κ auf Δ ist; kurz: Γ ~ κΔ ~ ΠωΔ
034
Γ ist Junktorformel gdw Γ ist Formel nach 033-2
035
Γ ist Quantorformel gdw Γ ist Formel nach 033-3
036
Wenn Δ Formel ist, dann: a)
die Negation von Δ ~ Γ gdw Γ ~ das Ergebnis der Anwendung des Negators auf Δ
b) 037
das Negatum von Γ ~ Δ gdw die Negation von Δ ~ Γ
Wenn Γι, Γ 2 Formeln sind, dann: a)
Δ ist Subjunktion/Adjunktion/Konjunktion/Bisubjunktion von Γι und Γ 2
gdw
Γ ist das Ergebnis der Anwendung des Subjunk-
tors/des Adjunktors/des Konjunktors/des Bisubjunktors auf Γι und Γ2 b)
die
Subjunktion/Adjunktion/Konjunktion/Bisubjunktion
von
Γι
und Γ 2 2 Γ gdw Γ ist Subjunktion/Adjunktion/Konjunktion/Bisubjunktion von Γι und Γ2 Wenn Γι, Γ 2 Formeln sind und Δ Subjunktion von Γι und Γ2 ist, dann: c)
das Antezedens von A : B gdw Β : Γ )
d)
das Sukzedens von Δ ~ A gdw Α ~ Γ 2
Wenn Γι, Γ 2 Formeln sind und Δ Bisubjunktion von Γι und Γ2 ist, dann: c)
die Linksformel von Δ ϊ Β gdw Β ~ Γ[
d)
die Rechtsformel von Δ ~ A gdw Α ~ Γ2
Das nächste Ziel besteht in der Unterscheidung zwischen offenen und geschlossenen Formeln; dazu sind, analog dem Vorgehen bei den Termen, die Begriffe der Teilformel und des Teilterms einer Formel zu etablieren: 038
Γ ist Teilformel von Γ' gdw 1.
Γ' ist atomare Formel und Γ ~ Γ' oder
2.
Γ' ist Junktorformel π(Γι,...,Γ η ) und
5. Die Beispielsprache
039
Ν
2.1
Γ ~ Γ oder
2.2
es gibt ein i mit l V£ A V C=£) V£ ~nf(£)=0
(4) (5)
V y=x) x=y
3
S
VjWj¡iζ (x=y => (x=z => y= z))
072(4)
4
F
Vflz ( x = j M (x=z=* y=z))
UB;3
5
F
Vz (x=y 4 (x=z=> y=z))
UB;4
6
F
x=y
UB;5
7
F, F
x = x => y = x
SB;2,6
8
Vj/Vz (x+0=j/=> (x+0=z=> y=z))
UB;3
9
F
Vz (x+0=x => (x+0=z => x=z))
UB;8
(x=x => y=x)
10
F
x+0=x
11
S
Vx i + 0 = i
(x+0=x => x=x)
072(6)
12
F
x+0=x
UB;11
UB;9
13
F
x + 0 = x => x = x
SB;10,12
14
F
x=x
SB;12,13
15
y=x
SB;7,14
16
F! F
x=y => y = x
SE;15
17
F
iy (x=3/ => y=x)
UE;16
18
F
ViV¡/ (i=j/=> y=x)
UE;17
50
Β. Redehandlungen
und Sprachen
003 1
Β
VatfyVz {x=y & y=zi
2
A!
x=y
x=z)
3
F,
x=y
KB;2
4
FI
y=Z
KB;2
5
S
V2V3/VZ (x=y =* (i=z=> y=z))
072(4)
6
F
Vjfi ζ (y=y=> (y=z=> y=z))
UB;5
7
F
Vz (y=x => (y=z => x=z))
UB;6
8
F
y = x => (y=z => x=z)
UB;7
9
F
Vi/Vz (x=y => (x=z =» 2/=z))
UB;5
10
F
Vz (x=y => (x=z=> y=z))
UB;9
11
F
x = y => (x=x => y=x)
UB;10
12
FI
x=x $ y=x
SB;3,11
13
F
VyVz (x+0=3/ => ( x + 0 = z => j/=z))
UB;5 UB;13
hy=z
14
F
Vz ( x + 0 = x => (x+0=z=> x=z))
15
F
x + 0 = x => ( x + 0 = x => x=x)
UB;14
16
S
Vx i + 0 = x
072(6)
17
F
x+0=x
18
F
x+0=x
19
F
x=x
20
F,
y=x
21
F,
y=z
22
F,
x=z
UB;16 x=x
SB;15,17 SB;17,18 SB;12,19
x=z
SB;8,20 SB;4,21
23
F
x = y & y=z => x=z
SE;22
24
F
Vz (x=y & y = z => x=z)
UE;23
25
F
Vj/Vz (x= j/ & j/=z => x=z)
UE;24
26
F
VIVJ/Vz (I=J/ & Y=Z => Z=z)
UE;25
Ohne Beweis sind Resultate bezüglich der Identität festzuhalten: 004 (1)
Vatfy (x=y => nf(x)=nf(y))
(2)
VÎV?/VZ
(3)
VzVjiVz (x=y => z+z=z+j/)
(x=y => x+z=y+z)
(4)
VaVj/Vz (x=y =» xoz=yoz)
(5)
Va#j/Vz (x=y$
zox=zoy)
(6)
Vatfj^z (i=î/ & x=z=> j/=z)
(7)
ViVyVz (¡/=x& z=z=> t/=z)
In 002 wird ein Großteil des Beweises der Reflexivität der Identität eingespielt, und zwar in den Zeilen 4 bis 15. In 003 findet sich in den Zeilen 9 bis 20 eine umfangreiche Passage des Beweises der Symmetrie, damit mittelbar wiederum
5. Die Beispielsprache
Ν
51
der Beweis der Reflexivität. Das erfordert viel Schreibarbeit, macht die Beweise unübersichtlich und bietet keinerlei neue Information. Im Sinne der Abkürzung und der dadurch gegebenen Verbesserung der Überschaubarkeit wäre es angezeigt, schon bewiesene Aussagen in Beweise einbringen zu können; dies wird durch das Institut des Anziehens (T[4]) erreicht. Doch bevor die Sprache so gestaltet wird, daß sie praktischen Bedürfnissen näherkommt, soll noch die Linksneutralität der 0 bezüglich der Addition bewiesen werden; dabei spielt 072(1), das Induktionsschema, eine tragende Rolle: 005 1
Β
2
S
Vz0+z=z
3
S
Vxz+0=x
072(6)
4
F
0+0=0
UB;3
0 + 0 = 0 k Vy ( 0 + y = y * 0+nf(y)=nf(y)) => Vz0+z=z
072(1)
5
A,
0+y=y
6
S
ViíVttf («=»=> nf(u)=nf(w))
072(5)
7
F
Vw (0+y=ui =» nf(0+y)=nf(u>))
UB;6
8
F
0 + y = y =» nf(0+y)=nf(y)
9
F,
nf(0+y)=nf(y)
SB;5,8
10
S
VuVw u+nf(w)=nf(u+w)
072(7)
11
F
Vw 0+ηί(ω)=ηί(0+ω)
UB;10
12
F
0+nf(y)=nf(0+y)
UB;12
13
S
VaYyVz(i=3/=> (x=z*
y=z))
UB;7
072(4)
14
F
V j V z ( x + 0 = y ^ (x+0=z=> y=z))
UB;13
15
F
Vz(x+0=x=> (x+0=z=> x=z))
UB;14
16
F
x + 0 = x => ( x + 0 = x => x=x)
17
S
Vxx+0=x
18
F
x+0=x
UB;17
19
F
x+0=x=>x=x
SB;16,18
UB;15 072(6)
20
F
x=x
SB;18,19
21
F
Vx x=x
UE;20
22
F
0+nf(y)=0+nf(y)
UB;21
23
F
Vj/V* (0+nf(y)=î/=> (0+nf(y)=z=>
24
F
Vz (0+nf(y)=nf(0+y) =»
25
F
0+nf(y)=nf(0+y) => (0+nf(y)=0+nf(y) =*
26
F
y=z)) (0+nf(y)=z=»nf(0+y)=z)) nf(0+y)=0+nf(y)) 0+nf(y)=0+nf(y) => nf(0+y)=0+nf(y)
UB;13 UB;23 UB;24 SB;12,25
Β. Redehandlungen und Sprachen
52 27
F
nf(0+y)=0+nf(y)
SB;22,26
28
F
VyV¿(nf(0+y)=2/=> (nf(0+y)=¿=>3,=¿))
UB;13
29
F
Vz (nf(0+y)=0+nf(y) 4 (nf(0+y)=z=»
30
F
nf(0+y)=0+nf(y) => (nf(0+y)=nf(y) =>
UB;28
0+nf(y)=z)) 0+nf(y)=nf(y))
UB;29
31
F
nf(0+y)=nf(y) => 0+nf(y)=nf(y)
SB;27,30
32
F,
0+nf(y)=nf(y)
SB;9,31
33
F
0 + y = y => 0+nf(y)=nf(y)
SE;32
34
F
Vy (0+y=y$
UE; 33
35
F
0+0=0 k Vy {0+y=y => 0 + n f ( y ) = n i ( y ) )
36
F
0+nf(¡/)=nf(jí))
Vz0+z=z
KE;4,34 SB;2,35
Während sich der Beweis vollständig in Ν abspielt, findet die
Beweisheuristik,
d.h. die Überlegungen, die auf die (Er)Findung des Beweises zielen, in der Metasprache zu Ν statt, der auch die Konstitutionssprache angehört. — Auch das, was man in der Praxis eine Beweisskizze nennt, d.h. eine Reihe von Hinweisen, wie ein Beweis zu führen wäre, erfolgt in der Metasprache. Im vorliegenden Fall könnte diese so lauten: Beweis durch Induktion über 'z'. Induktionsbasis mit 072(6), Induktionsschritt mit 072(5),(6),(7). - Unerachtet des praxisüblichen ständigen Wechsels zwischen dem Gebrauch von Ν — allgemein: einer kognitiven Sprache — und metasprachlichen Reflexionen und Mitteilungen, ist metatheoretisch scharf zu unterscheiden zwischen dem Gebrauch einer Sprache und dem Räsonieren über dieselbe. [4]
Erweiterung
von Ν zu Ν—Ρ: Ν ist, wie schon festgestellt, eine wenig
benutzerfreundliche Sprache. Indem Ν zu. N—P erweitert wird — dabei steht 'P' für (arithmetische) Praxis —, sollen bequemere Redeweisen geschaffen werden. Im einzelnen sind die Folgerungsmöglichkeiten
(im konservativen Sinne) zu
erweitern durch das Konzept der zulässigen Folgerungsregel. Zweitens wird durch die Hinzufügung des Deûnierens eine hilfreiche Abkürzungsmöglichkeit geschaffen. Drittens ist mit dem Anziehen ein Institut einzurichten, das die umstandslose Einspeisung von schon Erkanntem in Beweisgänge erlaubt und damit stupide Wiederholungen überflüssig macht. Abschließend sind die Veränderungen, die von Ν zu Ν—Ρ führen, festzuhalten. Zulässige Folgerungsregeln: Das Folgern wird durch die Logik, d.h. durch die unter 076 bis 089 notierten Regeln, in dem Sinne gestaltet, daß jede Schlußhandlung einer der dort genannten Regeln genügen muß. Die vorstehenden Beweise illustrieren und kommentieren, wie das im einzelnen geschieht. Es sind
5. Die Beispielsprache Ν
53
nun beispielhalber zwei häufig wiederkehrende Situationen, in der Metasprache schematisch dargestellt, zu betrachten und zu kommentieren: Α ο Β
η n+1
"Y
n + 2 Ai
~B A
n + 3 Ai»i
Β
n + 4 Ai»2
~Α
n + 5 Fi,„i.2
Β & ~Α
ΚΕ;η+3,η+4
n + 6 Fi.i.i.2
Β
ΚΒ;η+5
n+7 Fyii'l
~~Α
ΝΕ;η+1,η+6
n + 8 F γι Hl
Α
ΝΒ;η+7
n+9
Α
ΑΒ;η,η+2,η+8
F
X,Y
In einem Beweis hat man die Adjunktion aus A und Β in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge X (Zeile n) und ferner die Negation von Β in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge Y (Zeile n + 1 ) gewonnen. In den weiteren Schritten wird gezeigt, daß man unter ausschließlicher
Zuhilfenahme logischer Regeln
zu A gelangt. Da dieser Weg nicht von Eigenarten von Α, Β abhängig ist, möchte man ihn nicht in jedem Beweis neu vollziehen, sondern gleich von der Adjunktion und der Negation zu dem nicht negierten Adjunkt übergehen; eine einschlägige Regel bietet sich an: Wenn man die Adjunktion einer Aussage A und einer Aussage Β in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge X und die Negation von Β in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge Y gewonnen hat, dann darf man A in Abhängigkeit von XUY folgern. Es liegt auf der Hand, daß jede Aussage, die mit Hilfe der notierten Regel aus den beiden im Antezedens erwähnten Aussagen erschließbar ist, auch in der vorgeführten Weise erreichbar ist. Bezeichnet man 076 bis 089 als rungs)Grundregeln,
Regeln wie die soeben notierte als zulässige
(Folge-
(Schluß)Re-
geliι, dann ist deutlich, daß die zulässigen Regeln keine neuen Schlußwege bauen, sondern die vorhandenen lediglich abkürzen. — Ein zweites Beispiel: η
"Χ
η+1 F
η+2
x
Vu Β ω
Μ,ΒΊ
Ai
η + 3 Ai»i
-[ο,ω,Βΐ
54
Β. Redehandlungen und Sprachen n+4 Fi,iti n + 5 Filiti n+6 F x , i , i n+7 F x , i n+8
F
3ω ~Β ω & ~[α,ω,Β ω ]
ΚΕ;η+2,η+3
«.[α,ω,Β'Ι
ΚΒ;η+4
~3ω ~Β
ω
ΝΕ;η+5,η+1
~3U ~Β
ω
ΡΒ;η+2,η+6 ΝΕ;η+2,η+7
X
Man hat in einem Beweis die Universalquantifikation einer Formel Β ω bezüglich ω gewonnen und leitet die Negation der Partikularquantifikation der negierten Formel Β ω her. Auch diese rein logischen Schritte will man nicht in jedem Beweis neu vollziehen. Erwünscht ist vielmehr der direkte Übergang von η nach n+8 nach folgender Regel: Wenn man die Universalquantifikation einer Formel Β ω bezüglich ω in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge X gewonnen hat, dann darf man in Abhängigkeit von X die Negation der Partikularquantifikation der Negation von B w bezüglich ω folgern Allgemein hat eine zulässige Regel in etwa folgende Form: Wenn man in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge Xi eine Aussage der Art Bj gewonnen hat,
, wenn man in Abhängigkeit von einer Aussagen-
menge X n eine Aussage der Art B n gewonnen hat, dann darf man in Abhängigkeit von X] U...U X n eine Aussage der Art Γ folgern Die Zulässigkeit der Regel besteht gerade darin, daß man unter ausschließlicher Benutzung von 076-089 von B l r . . , B n zu Γ gelangen kann, wobei Γ lediglich von den Aussagen abhängt, von denen Bi,...,B n abhängen. — Wird in einem Beweis in N—P eine zulässige Regel verwendet, dann soll dies im Kommentar durch 'ZR' sowie durch die Angabe der Prämissenzeilen vermerkt werden. Um den Begriff der logischen Wahrheit bzw. Beweisbarkeit
zu erhalten, sind
zunächst zwei Hilfsprädikatoren zu etablieren: 096 21 ist Ableitung für Γ aus X gdw 21 ist eine endliche Folge und für jedes 2lj gilt: Qlj ist ein Annahmesatz oder 21, ist ein Folgerungssatz, wobei die Aussage gemäß 076—089 gefolgert wurde, und Γ ist die im letzten Glied von 21 in Abhängigkeit von der Aussagenmenge X gefolgerte Aussage 097 Γ ist Konsequenz resp. Folgerung aus X, kurz: X|—Γ gdw es gibt eine Ableitung 2t für Γ aus X 098 Γ ist logisch-wahr resp. logisch—beweisbar gdw 01—Γ
5. Die Beispielsprache
55
Ν
Man verdeutlicht sich die begrifflichen Zusammenhänge an der ersten Beispielbetrachtung, die mit den benötigten Veränderungen nochmals einzuspielen ist: 1
A,
A dB
2
A2
~B
3
A3
A
4
A4
Β
5
AS
~A
6
F4,5
7
F4,5
Β Β
8
Fj,4
9
F2,4
A
NB;8
10
Fl,2
A
AB;1,3,9
11
Fl
~B => A
SE;10
12
F
Α ο Β 4 (~B =* A)
SE;11
L· ~A
KE;4,5 KB;6 NE;4,7
Das 10—Tupel ist eine Ableitung von A aus {A o B,~B}; das 11—Tupel ist eine Ableitung von ~B 4 A aus {Α ο Β}; das 12-Tupel ist eine Ableitung von A D Β => (~B 4 A) aus 0; diese Formel ist also logisch wahr. Neben den zulässigen Regeln soll in N—P noch die folgende Identitätsregel, die als Identitätsbeseitigung (=IB) bezeichnet wird, als Folgerungsanleitung gelten: 099
Wenn man in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge X die Identitätsaussage θι=02 gewonnen hat und wenn man in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge Y das Ergebnis der Substitution von θ\ für eine Variable ω in einer Formel B, in der genau ω frei ist, gewonnen hat, dann darf man das Ergebnis der Substitution von 02 für ω in Β in Abhängigkeit von XüY folgern. - [IB]
Der Nachweis, daß auch diese Regel die Sprache nicht echt verstärkt, erfolgt über den Aufbau der Formeln und unter Ausnutzung der Ergebnisse über die Identität (001—004). — Die Hinzufügung von IB zur Logik von N—P verkürzt und vereinfacht die Beweise beträchtlich. Deñnitionsiegeln:
In N—P ist es wünschenswert, längere — und damit wenig
überschaubare — Ausdrücke abzukürzen. So soll z.B. statt 'nf(0)' Ί ' und statt '3w n f ( w ) + i = j / ' 'x mit 21' Damit lassen sich abschließend die P—Performatorik festlegen und die erweiterte Sprache definieren: 094—Ρ P E R - P s L O G I K - P U D E F I N I T O R I K U {0102, 0 9 1 - P , 071, 0 7 2 } 095—Ρ [5]
N-P —
Exemplarischer
Gebrauch von N—P : Zunächst ist in N—P von der Asso-
ziativität, Kommutativität und Distributivität von Addition und Multiplikation zu handeln. Im ersten Beispiel, der Assoziativität der Addition, werden zur Verbesserung der Überschaubarkeit Behauptung und Beweis voneinander getrennt. Der Beweis wird am rechten Rand kommentiert und überdies, ebenfalls signalisiert durch Zeilenabstand, in Basis, Schritt und Induktionsschluß zerlegt. Axiome und schon bewiesene Aussagen können, im Kommentar signalisiert durch ein angehängtes γ , auch in geeignet instanziierter bzw. spezialisierter Form angezogen werden: 006 (1)
Β
1
S
Vatfj/Vz ( x + y ) + z =
x+(y+z)
( x + y ) + 0 = x + ( y + 0 ) L· i w ( ( x + y ) + w = x + ( y + w ) => ( x + y ) + n f ( w ) = x + ( y + n f ( w ) ) ) => Vz ( x + y ) + z = x + ( y + . z )
072(l)i 072(6)i
2
Ζ
(x+y)+0=x+y
3
Ζ
y+0=y
072(6)i IB;2,3
4
F
(x+y)+0=x+(y+0)
5
A]
(x+y)+w=x+(y+w)
6
Ζ
(x+y)+nf(w)=nf((x+y)+w)
072(7)i
7
Ζ
nf((x+y)+w)=nf((x+y)+w)
OOli
8
Fi
nf((x+y)+w)=nf(x+(y+w))
IB;5,7
9
Ζ
x+nf(y+w)=nf(x+(y+w))
072(7)j
10
Ζ
y+nf(w)=nf(y+w)
072(7)i
11
F
x+(y+nf(w))=nf(x+(y+w))
IB;9,10
12
Fi
x+(y+nf(w))=nf((x+y)+w)
IB;8,11
13
Fi
(x+y)+nf(w)=x+(y+nf(w))
IB;6,12
14
F
( x + y ) + w = x + ( y + w ) => (x+y)+nf(w)=x+(y+nf(w))
SE;13
5. Die Beispielspräche 15
F
Vw ( ( x + y ) + w = x + ( y + w ) 4 (x+y)+nf(w)=x+(y+nf(w)))
16
F
59
Ν
UE;14
( x + y ) + 0 = x + ( y + 0 ) & Vw((x+y)+w = x+(y+tu) =» (x+y)+nf(w)=x+(y+nf(íii)))
KE;4,15
17
F
Vz ( x + y ) + z = x + ( y + z )
SB; 1,16
18
F
Vs#3/Vz (z+Î/)+Z=X+(ÎH-Z)
2xUE;17
In Schritt 18 wird, wie aus dem Kommentar ersichtlich, die Universaleinführung zweimal vollzogen. Genauer: Aus der Anwendung von UE auf 17 gewinnt man 'VyVz (x+j/)+z=x+(jH-z)'; und durch nochmalige Anwendung von UE auf diese Formel ergibt sich die in 18 notierte Aussage. Analog wird später P E angewendet (ÎBeweis von 0010(24), Zeilen 32 und 44). - Ohne Beweis werden unter derselben Nummer folgende Theoreme festgehalten: 006 (2)
VzVy nf(z)+y=nf(x+j/)
(3)
VzVj/ x+y=y+x
(4)
VaYj/Vu)
xo(y+w)=(xoy)+(xow)
(5)
VatfyVz
(6)
ViMy
(xoy)°z=xo(yoz)
(7)
Vaxoy=yox
ni(z)oy=(xoy)+y
Einige exemplarische Definitionen von Zahlen nach 0100, in denen erstmals der Definitionsperformator verwendet wird: 007 (1)
D
l=nf(0)
(2)
D
2=nf(l)
(3)
D
3=nf(2)
(4)
D
4=nf(3)
Die folgende Theoremgruppe fixiert Eigenschaften von 0 und 1 bezüglich Addition und Muliplikation: 008 (1)
Vi x + l = n f ( z )
(2)
Vizol=x
(3)
VzVy (x+î/=0 => i = 0 & y= 0)
(4)
VaVi/ (xoy=0 =» s=0 D y=0)
(5)
VaVj/ ( x + y = l =» x=l ü y= 1)
(6)
VaWj/ ( i o y = l => i = l &; j/=l)
(7)
VxVj/Vz(i+z=y+z=> x=y)
(8)
Vs^î/Vz (~z=0 4 (x°z=yoz $ x=y))
Der Beweis von Theorem 008(2) liest sich so:
60
Β. Redehandlungen und Sprachen
1 Β
Vxxol=x
2 Ζ
xonf(0)=(xo0)+x
3 Ζ
χο0=0
072(8)i
4 F
xonf(0)=0+x
IB;2,3
5 Ζ
0+x=x
005 i
6 F
xonf(0)=x
IB;4,5
072(9)i
7 Ζ
nf(0)=l
007(1)
8 F
xol=x
IB;6,7
9 F
Vxxol=î
UE;8
Um eine knappere Formulierung der weiteren Theoreme zu ermöglichen, sind folgende Definitionen gemäß 0101 zu setzen: 009 (1)
D
VaVy ( K y t=> 3w ni(w)+x=y)
(2)
D
VaVy (x>y
(3)
D
Va#y (xFaustschema< für die Charakterisierung der korrektheitsneutralen Handlungsdeskriptoren für Redehandlungen läßt sich angeben:
8. Performatorik 02
von Sprachen
95
S Φ-t Γ gdw S äußert einen Φ—ungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ
Untersucht man den erklärenden Teil von 01 und 02, dann enthält er — bei passender Aufschlüsselung - neben grammatischen und logischen Teilausdrükken sowie den Variablen lediglich den Prädikator '..äußert..'. Dieser Prädikator kann so erläutert werden, daß gegebenenfalls die Raum—Zeit—Relativierung deutlich wird. Die Äußerungsrede soll alle materialen (akustische, optische, haptische usf.) Realisierungsmodi unter Einschluß der >stillen< Rede, des Denkens, umfassen; die allgemeinen Ausführungen sind mithin als bezüglich der Realisierungsmodi invariant zu lesen. Im Falle der Beispielsprachen ist ausschließlich der optische Äußerungsmodus realisiert. Der Handlungsprädikator des Regelsukzedens* ist korrektheitsneutral
(ÎZu-
satz[5],[6]): Erst durch die Regel wird spezifiziert, was es z.B. heißt, korrekt zu behaupten, anzuziehen, zu folgern, zu konstatieren usf.; und daher können nicht bereits die im Korrektheitssinn zu verstehenden Handlungsprädikatoren im Regelsukzedens* vorkommen. Formeller: Daß ein Autor S — um im Beispiel zu bleiben — Γ korrekt behauptet, heißt, daß er Γ behauptet und daß er dies gemäß der Regel tut; und letzteres besagt wiederum, daß das Regelantezedens* erfüllt ist: 03
5 behauptet Γ korrekt gdw S behauptet Γ und 5 legt eine Begründung für Γ vor
Analog ist mit den übrigen Handlungsprädikatoren, die für die beiden Beispielsprachen einschlägig sind, zu verfahren. Wiederum läßt sich ein >Faustschema< notieren: 04
5 Φ - t korrekt Γ gdw S Φ—t Γ und Γ erfüllt das Antezedens* einer Φ—ungs-Regel R
Wie jede Betrachtung, die darauf abstellt, daß das, was allererst zu etablieren ist, hier: die korrektheitssensitiven Handlungsprädikatoren, bei Zirkelverdikt nicht Etablierungsmittel sein kann, läßt sich auch die soeben angestellte umkehren in eine Redundanzüberlegung: Wären die Handlungsprädikatoren im Regelsukzedens* im Korrektheitssinn zu lesen, so wäre das Setzen der Regel überflüssig: Man wüßte nämlich schon, was es heißt, eine Aussage korrekt zu behaupten (T9.[2]).
Β. Redehandlungen und Sprachen
96 [5]
Das Regelantezedens:
die Regelbedingung.
>Kern< einer Regel ist das Regelantezedens*
oder
Diese ist eine wenigstens in der Aussagenvariablen 'Γ'
offene Formel; denn nur so kann - mittels Bindung durch den zugehörigen Universalquantor — die geforderte Allgemeinheit erreicht werden. Der Regelbedingung ist zu entnehmen, wie die Aussage Γ beschaffen sein muß, die behauptet, angenommen usf. werden darf, soll usf. Im ersten Beispiel genügt der Aussagencharakter von Γ, im zweiten Fall muß der Autor eine Begründung für Γ vorlegen. Betrachtet man nur Fälle der ersten Art, dann wäre es für die schematische Darstellung zureichend, mit ' — Γ — ' mitzuteilen, daß bezüglich der Aussage eine Forderung formuliert wird. Wie das zweite Beispiel zeigt, sollte man sich jedoch die Option offenhalten, daß auch die Autorenvariable 'S ' in der Regelbedingung Teilterm ist; das wird nachfolgend durch '—Γ—[—5-]' ausgedrückt. Das Regelantezedens* kann, wie den unten betrachteten Beispielen (T[7]) zu entnehmen ist, eine komplexe Formel sein; die bislang untersuchten Muster sollten nicht dem Irrtum Vorschub leisten, daß es sich — wie bei der Handlungsformel im Sukzedens* — stets um eine Elementarformel handelt. [6]
Das Regelschema: Insgesamt sind (die hier betrachteten) Regeln konzi-
piert als Universalquantifikation einer Subjunktion bezüglich einer Aussagenvariablen 'Γ' und einer Autorenvariablen 'S'. Sie sind demnach aufgebaut aus dem Aussagen- und dem Autorquantor und der subjunktiven Regelformel. Das Regelantezedens* enthält wenigstens die Aussagenvariable frei, optional auch die Autorvariable. Das Regelsukzedens* ist eine deontische Formel. Der Deontor wird angewendet auf eine Handlungsformel, die aus der Anwendung des (immer korrektheitsneutralen) Handlungsprädikators auf Autoren— und Aussagenvariable entsteht. — Bringt man die Musterregeln auf ihre
Standardform,
d.h. auf die Form, an der sich die eben namhaft gemachten Regelanteile >ablesen< lassen, so resultiert: 5.071*
Für alle Γ, Für alle 5 : Wenn: Γ ist eine Aussage, dann: es ist erlaubt: 5 nimmt Γ an
6.021*
Für alle Γ, Für alle 5 : Wenn: 5 legt eine Begründung für Γ vor, dann: es ist erlaubt: S behauptet Γ
Diesen Standardformen läßt sich — unter Verwendung der vorgeschlagenen Mitteilungszeichen — ein Schema für die Regeln kognitiver Redehandlungen zuordnen: 006
Für alle Γ, Für alle 5 : Wenn: —Γ-[-5~], dann: 5 : S Φ—t Γ
8. Performatorik
von Sprachen
97
Standardformen von Regeln entstehen aus dem Schema dadurch, daß die Mitteilungszeichen durch passende Ausdrücke substituiert werden; die umgekehrte Operation führt von Standardformen zum Schema. Regeln für Erkenntnishandlungen
sollen genau die Gebilde sein, die die in
006 niedergelegte Form besitzen oder sich durch geeignete Manipulationen in diese Form gießen lassen. (Partielle oder vollständige) Regelinstanzen
entste-
hen durch Universalbeseitigung aus der Standardform; von Interesse ist dabei vor allem die Spezialisierung bezüglich einer Aussage 1 . [7]
Zur Standardisierung:
Das Regelschema wurde an einfachen Mustern
entwickelt; es liegt daher nicht auf der Hand, wie man von den informell gehaltenen Regeln zu den Standardformen gelangt und ob dieses Unternehmen in jedem Falle durchführbar ist. Wählt man für die Überführung der informell gehaltenen Regeln in die Standardfassung den Titel 'Standardisierung', dann lautet die Frage: Wie lassen sich Regeln standardisieren? Anders: Ist das zugrundeliegende Regelschema so beschaffen, daß Standardisierungen beliebiger kognitiver Regeln gelingen können? Die zweite Frage stellt sich insbesondere deshalb, weil das Regelsukzedens* in den üblichen Formulierungen komplexer ist als durch das Schema vorgegeben. Man kann die zusätzlichen Bestimmungen jedoch ins Antezedens* >vorziehenc, so daß (wenigstens) die bei der Konstitution der Beispielsprachen vorkommenden Regeln standardisierbar sind. Um diese Taktik zu illustrieren, sollen beispielhaft zwei weitere — durch eine gewisse Komplexität ausgezeichnete — Regeln, die Folgerungsregel 5.078 und die Konstatierungsregel 6.06, in standardisierter Form notiert werden: 5.078*
Für alle Γ, Für alle S : Wenn S in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge X eine Aussage A und in Abhängigkeit von einer Aussagemenge Y eine Aussage Β gewonnen hat und Γ ~ die Konjunktion von A und B, dann: es ist erlaubt: 5 folgert Γ
6.05*
Für alle Γ, Für alle S : Wenn 5 im Ausgang von der oberen/unteren Begrenzungslinie des Rahmenrechtecks durch Parallelverschiebung zu einer durch θ bezeichneten Linie gelangt und Γ ist eine Aussage der Art 'Θ Verlwaag', dann: es ist erlaubt: 5 konstatiert Γ
Die E r l ä u t e r u n g e n zur G a t t u n g der Redehandlungsregeln könnten Hilfe geben bei der Entwicklung eines allgemeinen Regelschemas und einer darauf f u ß e n d e n Explikation des Regelbegriffs. Eine umfassende u n d begrifflich differenzierte P r ü f u n g von Explikationsanläufen bietet K A M P : 'Regel 1 .
Β. Redehandlungen und Sprachen
98
Die Standardisierung ist artifiziell und führt — was die Praxis, d.h. das regelgemäße Agieren, anbelangt — zu Unbequemlichkeiten; so müssen z.B. bei 5.078* die entstehenden Abhängigkeiten eigens gefaßt werden und die gesamte Standardfassung empfiehlt sich auch kaum für didaktische Zwecke. Die Unterscheidung der Ziele führt (auch hier) zur richtigen Einstellung: die normalgefaßten Regeln für die Praxis, die standardisierten für die Analyse. Da bezüglich der Regeln von Wund D keine Gegenindikationen vorliegen, da auch bezüglich anderer kognitiver Regeln (Î4.004) die Standardisierung möglich erscheint, wird bis auf weiteres eine affirmative Beantwortung der Eingangsfrage unterstellt. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß Standardisierungsversuche für weitere Regeln zu einer Modifikation oder Ersetzung des Schemas führen können. [8]
Konstitutionssprachliche
Redeteile: Die Erörterung der Regeln ist Anlaß,
die konstitutionssprachlichen Redeteile durch Gruppierung überschaubar zu machen. Acht Gruppen können unterschieden werden: 007
(i)
grammatische Redeteile
(«)
mengensprachliche Redeteile
(iii)
arithmetische Redeteile
(iv)
logische Redeteile
(v) (vi)
epistemologische Redeteile
(vii)
handlungsbezügliche Redeteile
(vili)
sonstige Redeteile
Performatoren
Die Klassifikation ist, je nach Sicht der Verhältnisse zwischen den Sprachen, denen die Redemittel entstammen, nicht disjunkt. So kann man bei einer formelleren Konstitutionssprache die grammatischen Redeteile als mengensprachliche auffassen; ebenso können die arithmetischen Redeteile, entsprechende Reduktion unterstellt, als mengensprachliche betrachtet werden. — Die Exhaustivität wird hingegen durch die letzte Gruppe trivial erzwungen. Zu (i): Zu den grammatischen Redeteilen sollen Prädikatoren wie '..ist eine Aussage', '..ist Adjunktion aus..und..' sowie Funktoren wie 'die Negation von..', 'die Universalquantifikation von..bzgl. ..' gerechnet werden (T7.[l]). Zu (ii): Zu den mengensprachlichen Redeteilen zählen z.B. die Tupelsprechweise, die Abstraktionsterme oder die mengenalgebraischen Operatoren in den Abhängigkeitsbestimmungen. Zu (iii): Wenn in der Grammatik von n—stelligen Operatoren mit n>l die Rede ist, so ist 'Γ eine arithmetische Individuenkonstante und '..>..' ein arithmetischer Prädikator. Zu (iv): Das Vorkommen logischer Redeteile wie '
und
', '
oder
', ' . . . ' , 'Es gibt ein..' ist offenkundig.
8. Performatorik
99
von Sprachen
Zu (ν): Mit dem Performator 'Es wird als Handlungsanleitung gesetzt
' oder
kraftgleichen Redeteilen wird die jeweilige Regel für alle potentiellen Benutzer der jeweiligen Sprache verbindlich vorgegegeben. Zu (vi): Repräsentativ für die epistemologischen Ausdrücke sind Prädikatoren wie '..ist ein Empirem', '..ist eine Definition', '..ist eine Begründung'. Zu (vii): Prädikatoren wie '..behauptet..', '..zieht..korrekt an', '..äußert..' gehören der Klasse der handlungsbezüglichen Redeteile an. Zu (viii): Die Auffangkategorie ist mit Blick auf die Konstatierungsregeln 6.05 - 6.08 konzipiert; denn Ausdrücke wie 'Rahmenrechteck' und 'Zentimetermaß' dokumentieren die synthetische Besonderheit der Sprache und werden durch keine der sieben anderen Redeteilkategorien erfaßt. Die Gruppierung der konstitutionssprachlichen Redeteile ist insbesondere bei der materialen Analyse der Regeln von Nutzen. Sie kann auch dann herangezogen werden, wenn man die Ansprüche von Konstitutionsprogrammen überprüft. Wenn z.B. Sprachen nur mit den Mitteln lebensweltlicher Rede konstituiert werden sollen, dürfen nicht schon mengensprachliche Redemittel in der Regelformel Teilausdruck sein (Τ10.[2]). [9]
Wahrheitsregeln:
Wahrheitshandlungen sollen nach dem intuitiven Leit-
verständnis eine echte Teilklasse der Erkenntnishandlungen bilden (Î4.[4]). In •ATsind das Behaupten und das aromatische Setzen als Wahrheitshandlungen zu betrachten; das Behaupten, Definieren, Konstatieren und Postulieren sind alethische Akte von D . — Zufolge dieser Verhältnisse bei den Handlungen sind die Wahrheitsregeln,
d.h. die die Wahrheitshandlungen regierenden Regeln,
eine Teilklasse der Erkenntnisregeln. Damit bilden die Behauptungsregel und die Regel des axiomatischen Setzens das Wahrheitsreglement
bzw. die
Alethik
von N, während die Behauptungs—, die Definitions—, die Postulierungs— und die Konstatierungsregeln die Alethik von Dausmachen. Ebenso sind die im Sukzedens* von Wahrheitsregeln vorkommenden Handlungsprädikatoren wie '..behauptet..', '..konstatiert..' als alethische prädikatoren
Handlungs-
anzusprechen. Der jeweils beschriebene alethische Akt wird durch
geeignete Verwendung von Wahrheitsperformatoren alethische Akte vorsehen, sind Wahrheitssprachen
vollzogen. Sprachen, die bzw. alethische
Sprachen.
Die vorgenommenen Sprachregulierungen sind in dreifacher Weise zu ergänzen. Erstens: In manchen Sprachen ist auch der Vollzug von Falschheitshandlungen vorgesehen: Man kann z.B. Aussagen kategorisch verwerfen oder in einem starken Sinne bestreiten und sie dadurch als falsch hinstellen. Entsprechend ist von Falschheitshandlungen,
—regeln, —performatoren,
—sprachen
auszugehen. - Da häufiger Sachverhalte darzustellen sind, die gleichermaßen
Β. Redehandlungen und Sprachen
100
oder analog für die Wahr— wie für die Falschseite gelten, wird in diesen Kontexten stets von Wahrheitshandlungen, Wahrheitsregeln usf. i.w.S. gesprochen. Zweitens liegt den vorgeschlagenen Subsumtionen eine starke Annahme zugrunde: Wenn eine Aussage in einem korrekten Wahrheitsakt als wahr klassifiziert wird, dann ist sie auch wahr. Die Selbstverständlichkeit dieser Annahme resultiert zwar zwanglos aus dem hier eingeschlagenen Duktus, verliert sich jedoch beim Hinweis auf hiatisierende Wahrheitsauffassungen (T35.[3]). Dort wird Wahrheit gerade so konzipiert, dafl ihre (auch nur >prinzipielleunterhalb< der Wahrheitsebene angesiedelt. Drittens: Um alethische Akte im hier anvisierten Sinn zu vollziehen, benötigt man keine Wahrheitsprädikatoren, sondern nur Wahrheitsperformatoren (und die jeweilige Aussage). Häufig werden jedoch auch Hedehandlungen, in denen einer (durch einen Nominator vertretenen) Aussage der Prädikator 'wahr' zugesprochen wird, als Wahrheitshandlungen geführt. Es ist u.a. dieser Umstand, der später (ÎF.) zur Differenzierung von Wahrperformation Wahrprädikation und entsprechend zur Unterscheidung von
und
wahrperformativen
und wahrprädikativen Sprachen führt. Alethische Akte im bislang angezielten Sinn sind stets Wahrperformationen; und Wahrheitssprachen sind demgemäß wahrperformative Sprachen; das Entsprechende ist für die Falschseite festzuhalten.
Ziisatz: Handlungsprädikatoren [1]
(Rede)Handlungen
und (Rede)Handlungsprädikatoren:
Im Zentrum der
weiteren Untersuchungen stehen Redehandlungen verschiedener Art. Die gewünschte Verständigung erfolgt u.a. mit Hilfe von Redehandlungsprädikatoren; diese bilden eine Unterklasse der Handlungsprädikatoren. Gebrauchssprachliche Handlungsprädikatoren zeichnen sich erstens häufig aus durch strukturelle Ambiguitäten, und zwar nicht nur durch die oft markierte Schema-Realisierung—Zweideutigkeit, sondern auch durch die Vollzug—Resultat- und die Versuch—Erfolg—Ambiguität. Zweitens zerfallen Handlungsprädikatoren in solche, die beschreiben, was ein Agent womit, wo, wann usf. tut oder läßt, und solche, die Handlungen als Ganze charakterisieren und so unterscheiden: Handlungsdeskriptoren sind von —klassifikatoren abzuheben. Zur bequemen Bezugnahme sind diese Charakteristika im folgenden zusammenzustellen.
8. Performatorik
von
101
Sprachen
Die Ausführungen stellen drei Beispiele - Handlungen bzw. die sie betreffenden Prädikatoren — in den Mittelpunkt: Das Behaupten bzw. die Redehandlungen. Das Prädizieren
vertritt die Erkenntnis—
vertritt die Teilhandlungen (von
Redehandlungen); weitere Beispiele wären das Nominieren bzw. Referieren oder das Quantifizieren (T18.). Das Argumentieren
vertritt die Redesequenzen,
d.h. die aus Redehandlungen aufgebauten Sequenzen; Beweise, Begründungen, Erklärungen,
Widerlegungen,
Dispute
sind
weitere
Beispiele
(Î19.). —
Redehandlungen, Teilhandlungen (von Redehandlungen) und Redesequenzen (aus Redehandlungen) sind Redehandlungen
i.w.S.
[2]
Viele Handlungen sind dadurch
Vollzug— versus
Resultatprädikatoren:
ausgezeichnet, daß zwischen Vollzug und Resultat - mit verschiedenen Schärfegraden — unterschieden werden kann. Vielleicht ist der oft enge Konnex zwischen h e r v o r b r i n g e n d e m Akt< und h e r v o r g e b r a c h t e m Produkt < eine Ursache dafür, daß viele Ausdrücke wie etwa 'Behauptung', 'Argumentation' oder 'Prädikation' sowohl auf die Handlung wie auch auf deren Resultat bezogen werden können. Sie bedürfen also umgekehrt einer meist der Umgebung zu entnehmenden Vereindeutigung unter dem Gesichtspunkt Vollzug versus Resultat: Ist z.B. mit 'Argumentation' die Argumentationshandlung
angezielt,
oder möchte man über das Resultat einer Argumentationshandlung, einen Argumentationstext, sprechen? Für den Fall des gebrauchssprachlichen Vorkommens ist mithin eine Hebung der Vollzug-Resultat—Ambiguität
angesagt. Für den Aufbau einer von Mehr-
deutigkeit freien Terminologie sind zwei Bedürfnisse zu unterscheiden:
Zum
einen sollen beide Seiten, Vollzug wie Ergebnis, berücksichtigt werden; dann bietet es sich an, durch Hinzufügungen wie ' - h a n d l u n g ' oder '—akt' bzw. ' - e r gebnis' oder '—résultat' Eindeutigkeit zu schaffen. Zum andern möchte man nur eine Seite entwickeln, um nötigenfalls Übertragungen vorzunehmen: Man reserviert z.B. 'Argumentation' für die Resultatseite und kann Ergebnisse wegen der eineindeutigen Verhältnisse zwischen Akt— und Ergebnispart auf die Handlungsseite übertragen (T19.[l]). Im Zuge der Konstitution der Beispielsprachen wurden die Prädikatoren '..ist ein Beweis für..' und '..ist eine Begründung für..' jeweils für die Resultatseite reserviert (T5.090 u. 6.019). Anbei bemerkt: Die Resultatprädikatoren für Redehandlungen sind nochmals zweideutig. Ist mit 'Behauptung' die behauptete Aussage oder der Behauptungssatz gemeint? Allgemein: Ist die jeweils ge—Φ—te Aussage angezielt oder der ganze Satz, durch dessen Äußerung die Aussage ge—Φ—t wird? — Berücksichtigt man diese Verzweigung, dann kann 'Behauptung' als 'Behauptungshandlung', 'Behauptungssatz' oder 'behauptete Aussage' gelesen werden.
Β. Redehandlungen und Sprachen
102 [3]
Deskriptoren versus Klassißkatoren
1. Die Unterscheidung: Wer themati-
sieren möchte, welcher Autor was behauptet, wer für welche Aussage argumentiert oder wer was wovon zu Recht oder zu Unrecht prädiziert, wird dazu die Prädikatoren '..behauptet..', '..argumentiert für..' '..prädiziert..von..', gegebenenfalls mit weiteren Stellen versehen, verwenden. Da mit Hilfe dieser Prädikatoren beschrieben wird, was Autoren bezüglich welcher Entitäten tun, soll von handlungsbeschreibenden
Prädikatoren, kurz: Handlungdeskriptoren,
die Rede
sein. — Deskriptoren für Redehandlungen bilden den Operator in der Handlungsformel der jeweiligen Regel (T8.[4]). Gelegentlich entsteht das Bedürfnis, über die Handlung als solche bzw. als Einheit zu sprechen. Dieses Verlangen wird befriedigt durch Verwendung von Prädikatoren wie '..ist eine Behauptung', '..ist eine Argumentation', '..ist eine Prädikation', die gegebenenfalls auch mit weiteren Stellen ausstaffiert werden können. Da mit diesen Prädikatoren ganze Handlungen voneinander unterschieden, d.h. als solche und solche rubriziert werden, soll von renden Prädikatoren,
kurz: Handlungsklassißkatoren,
handlungsklassißzie-
die Rede sein. — In 001
enthält die linke Spalte Deskriptoren, die rechte den dazugehörigen Klassifikator: 001 ..behauptet..
..ist eine Behauptung(shandlung)
..argumentiert für..
..ist eine Argumentation(shandlung)
..prädiziert..von..
..ist eine Prädikation(shandlung)
Die Hinzufügung 'handlung' bei den Klassißkatoren beugt der eben beschriebenen Vollzug—Resultat—Ambiguität vor (T[2]). Diese betrifft nur die Handlungsklassifikatoren. Häufig werden Performatoren und Deskriptoren miteinander verwechselt. Diese Konfusion überrascht, wenn man nur die Modellsprachen vor Augen hat: So ist etwa der Behauptungsperformator 'B
' ein einstelliger, aussagenbe-
stimmender und satzerzeugender Operator, der zu den atomaren Ausdrücken von Ν zählt. Demgegenüber ist der Prädikator '..behauptet..' ein zweistelliger, termbestimmender und formelerzeugender Operator, der u.a. zur Konstitutionssprache von Ν zu rechnen ist. Durch Äußerung geeigneter Sätze wie etwa 'B 0+nf(0)=nf(0)' vollziehen Autoren in Ν Behauptungen. Mit Hilfe des Deskriptors kann man demgegenüber z.B. Konstitutionshandlungen vollziehen oder über Autoren und Aussagen von Ν nachdenken. Die Konfusion wird indes verständlich, wenn man — erstens — berücksichtigt, daß in Gebrauchssprachen auch Wendungen der Art 'Ich Φ-e
' die
Rolle von Performatoren übernehmen können: Mit 'Ich behaupte, daß alle Philosophen Vampire sind' kann im Deutschen eine Behauptungshandlung vollzogen werden. Es kommt — zweitens und entscheidend — hinzu, daß auf der Ebe-
8. Performatorik
103
von Sprachen
ne der Theorie dann Performatoren wie Prädikatoren unterschiedslos unter den Titel 'performatives Verb' gestellt werden. Ist jedoch der Unterschied an den Modellsprachen erkannt, so läßt er sich auch für die gebrauchssprachlichen Gebilde nachvollziehen und durchsetzen. Insbesondere ist zu beachten, daß 'Ich behaupte
', aufgefaßt als Performator,
ein atomarer Ausdruck ist, in dem 'ich' und 'behaupte' lediglich unselbständige Ausdrucksteile darstellen. Das wiederum heißt nicht, daß es nicht auch gebrauchssprachliche Gebilde mit 'ich behaupte' als Teilausdruck gibt, in denen eine weitere Zerlegung möglich ist: In 'Ich mache darauf aufmerksam, daß ich 'Hans ist ein Vampir' behaupte' bietet sich eine solche Strukturierung sogar an; nur ist in diesem Fall der Redeteil '..behauptet..' ein Deskriptor, also ein Prädikator, und damit eben kein Performator. [4]
Deskriptoren
versus Klassißkatoren
2. Einführungszusammenhänge:
Un-
ter dem Gesichtspunkt der Einführung ist zu bemerken, daß einerseits mit der Etablierung des Deskriptors resp. des Klassifikators noch nicht der zugeordnete Klassifikator resp. Deskriptor bereitgestellt worden ist: Wer '..prädiziert..von..' eingeführt hat, verfügt damit noch nicht über den Prädikator '..ist Prädikation'. Andererseits
liegt es nahe, den einen Redeteil im Rückgriff auf sein jewei-
liges Gegenstück einzuführen, falls dieses bereits verfügbar ist. Der Weg von den Deskriptoren zu den Klassifikatoren soll mit Blick auf die Prädikatoren für Redehandlungen schematisch angedeutet werden: Ol
ή ist eine Φ—ungshandlung gdw es gibt ein S und ein Γ, so daß f j darin besteht, daß 5 Γ Φ—t
Aus diesem Schema für die Definition von Klassifikatoren mit Rückgriff auf Deskriptoren entsteht z.B. eine Definition für '..ist eine Behauptungshandlung', wenn das Φ in 'Φ—ungshandlung' durch 'Behaupt' und das Φ im Defininiens durch '..behauptet..' ersetzt wird (T9.[2]). Bezüglich des Definiens erhebt sich die Frage nach dem Verständnis von Wendungen
wie
'..besteht
darin,
daß.^—t..',
'..wird
dadurch
vollzogen,
daß-.Φ—t..'. Will man kein intuitives Einverständigtsein unterstellen, so kann man auf mengensprachliche, aber auch auf mereologische oder aggregatlogische Artikulationsmittel zurückgreifen und den Akt (bei Wahl einer Mengensprache) z.B. als Zweitupel aus Autor und behaupteter Aussage konzipieren. Als endgültiges Schema resultiert dann: Ol*
f) ist eine Φ—ungshandlung gdw es gibt ein S und ein Γ mit ή ~ < 5 , Γ > und S Φ - t Γ
104
Β. Redehandlungen und Sprachen
Das Erstglied der Φ-ungshandlung ist dann der Φ—ungsautor, das Zweitglied ist die ge-Φ—te Proposition. [5]
Korrektheitsneutrale
versus —sensitive Prädikatoren 1: Jedem Agenten ist
geläufig, daß der Versuch, eine Handlung auszuführen, mißlingen kann. Handlungen, genauer: Handlungsversuche jedweder Art, sind scheiternsanfällig.
Die-
se mit jedem Handlungsversuch gegebene Offenheit des Ausgangs — hier Gelingen, dort Scheitern — schlägt sich in vielen jener Redeteile nieder, die verwendend eine Verständigung über das Handeln herbeigeführt werden soll: Zahlreiche Handlungsprädikatoren unterliegen der
Versuch—Erfolg—Ambiguität.
Am Beispiel einer Redehandlung von Ν : Wenn von einem Autor 5 von Ν mitgeteilt wird, er behaupte O+nf(0)=nf(0)', dann kann der Mitteilende — je nach Umgebung — damit zweierlei zu verstehen geben: zum einen, daß S einen Behauptungssatz äußert und O+nf(0)=nf(0)' die Aussage des geäußerten Satzes ist, zum anderen, daß der Autor die Aussage behauptet (im ersten Sinn) und daß es außerdem einen Beweis für die Aussage gibt, daß die Behauptung also korrekt ist. Im ersten Fall wird '..behauptet..' im Versuchssinn verwendet, im zweiten im Erfolgssinn. Am Beispiel einer Redesequenz: Wenn von einem Proponenten berichtet wird, er argumentiere für die und die These, dann bleibt — bei Ausblendung der Äußerungsumgebung und gelegentlich auch prinzipiell — offen, ob '..argumentiert für..' im Versuchs- oder Erfolgssinn verwendet wird. Im zweiten Fall wird zugleich mitgeteilt, daß der Autor in Übereinstimmung mit den einschlägigen Argumentationsregeln vorgeht. Diese zweite strukturelle Ambiguität betrifft im übrigen nicht nur die gebrauchssprachlichen Deskriptoren, sondern auch die Klassifikatoren: Ob mit 'Behauptung' oder 'Argumentation' lediglich der Versuch oder die korrekte Durchführung gemeint ist, ergibt sich im günstigen Fall aus der Umgebung. Zwei Weiterungen sind bemerkenswert: Zum einen ist auch die Rede von den Mitteln einer Handlung von der betrachteten Zweideutigkeit betroffen; 'Mittel' kann sowohl 'Mittelkandidat' wie auch 'zielführendes Mittel' meinen (T14.[2]). — Zum andern vererbt sich die Versuch—Erfolg—Zweideutigkeit von der Handlungsseite auf die Resultatseite. Ob mit 'Argumentation' — gesetzt, man spricht über das Resultat — die gültige Argumentation gemeint ist oder nur das Ergebnis des Argumentationsversuches, muß gewöhnlich ebenfalls aus der Umgebung erschlossen werden. Der zuletzt erwähnte Umstand veranlaßt bei gebrauchssprachlichen Handlungsprädikatoren routinemäßig eine zweifache strukturelle Desambiguierung: (i) Wird der Ausdruck als Handlungs— oder als Ergebnisprädikator verwendet?
8. Performatorik
105
von Sprachen
(ii) In beiden Fällen stellt sich dann die Folgefrage: Wird der Prädikator im Versuchs— oder im Erfolgssinn verwendet? Damit stehen insgesamt jeweils vier Deutungsmöglichkeiten bereit. [6]
Korrektheitsneutrale
versus —sensitive Prädikatoren
angedeutete Ambiguität vieler gebrauchssprachlicher
2: Die exemplarisch
Handlungsprädikatoren
ist im übrigen nicht von vornherein als schwerwiegender Mangel zu deuten: Da in der überwiegenden Zahl der gebrauchssprachlichen Verwendungsfalle die Äußerungsumgebung hinreichend starke desambiguierende Kraft besitzt, ist die Ambiguität als ökonomischer
Zug der Gebrauchssprache zu interpretieren; es
wird nur ein Prädikator für zwei Aufgaben benötigt. Was indes für viele gebrauchssprachliche Ziele recht sein kann, muß nicht auch schon für Grundlagenüberlegungen billig sein. Hier ist es oft empfehlenswert, durchgehende Differenzierung zu garantieren. KorrektheitsneutraJe katoren sollen für den Handlungsversuch reserviert werden,
korrektheitssensiti-
ve dienen der Darstellung des Ge— bzw. Mißlingensaspekts: Mit Prädikatoren kann man über gelungene, mit inkorrektiven
Prädi-
korrektiven
über fehlgeschlagene
Handlungen sprechen. — Diese Einteilungssequenz gilt sowohl für Handlungsdeskriptoren wie auch für Handlungsklassifikatoren. Bezüglich der terminologischen Gestaltung bieten sich zwei Wege an: Der erste reserviert den unqualifizierten Prädikator für den neutralen Part, um die sensitive Seite durch Auszeichnungen mittels der üblichen Attributpaare wie: 002
gelungen/mißlungen bzw. gescheitert bzw. fehlgeschlagen, geglückt/mißglückt, erfolgreich/erfolglos, mit Recht/zu Unrecht,
legitim/illegitim,
gültig/ungültig, korrekt/inkorrekt usf. zum Ausdruck zu bringen; dabei paßt ersichtlich nicht jedes Attributpaar zu jedem Handlungsprädikator. — Das zweite
Vorgehen gestaltet die sensitive
Seite so, daß für den positiven Aspekt der Gelingensseite der (unqualifizierte) Prädikator steht, während für den negativen Aspekt ein negatives Attribut gewählt wird. Für die neutrale Seite wird eine Qualifikation wie etwa 'versuchsweise' beigefügt. - Für das Beispiel des Behauptens lassen sich die beiden Wege, vorgeführt für die Deskriptoren und bei Verwendung des Paares 'korrekt/inkorrekt', so gegenüberstellen: 003
..behauptet..
..behauptet..versuchsweise
.. behauptet. .korrekt
.. behauptet..
.. behauptet. .inkorrekt
. .behauptet. .inkorrekt
Im folgenden erhält in der Regel die erste Strategie den Zuschlag. Bei Prädikatoren für Redehandlungen und Teilhandlungen wird überdies durchgehend das Paar 'korrekt/inkorrekt' verwendet, bei Redesequenzen das Paar 'gültig'/'un-
Β. Redehandlungen und Sprachen
106
gültig'. — Für Klassifikatoren und Resultatprädikatoren sind die angedeuteten Wege ebenfalls beschreitbar. Kontext und Beispielwahl könnten die irrige Auffassung stützen, eine Handlung könne nur unter (genau) einer Rücksicht als ge— oder mißlungen rubriziert werden. Das ist falsch: Eine Aufforderung oder Behauptung kann z.B. als gelungen betrachtet werden, wenn sie regelgemäß vollzogen wird oder wenn ihr Adressat sie versteht oder wenn ihr Adressat sie akzeptiert bzw. ihr zustimmt oder wenn ihr Adressat ihr nachkommt. — Im weiteren steht der regelgemäße Vollzug im Vordergund; das motiviert auch die Wahl des Attributpaars 'korrekt/inkorrekt'. Unterstellt man, daß die betrachteten Handlungsprädikatoren sich einerseits in Klassifikatoren und Deskriptoren zerlegen lassen, daß sie andererseits
in
korrektheitsneutrale und korrektheitssensitive zerfallen, wobei bei letzteren nochmals korrektive und inkorrektive zu unterscheiden sind, dann ergibt sich eine Kreuzpartition mit sechs Zellen; in Klammern ist ein Exemplar notiert: 004 i) ii)
korrektheitsneutrale Deskriptoren ('..behauptet..') korrektive Deskriptoren ('..behauptet..korrekt')
iii)
inkorrektive Deskriptoren ('..behauptet..inkorrekt')
iv)
korrektheitsneutrale Klassifikatoren ('..ist Behauptungshandlung')
v)
korrektive Klassifikatoren ('..ist korrekte Behauptungshandlung')
vi)
inkorrektive Klassifikatoren ('..ist inkorrekte Behauptungshandlung')
Das Einteilungsganze ist, anbei bemerkt, nicht deckungsgleich mit der Gesamtheit der Handlungsprädikatoren. In diesem Text häufig verwendete Redeteile des Typs: 005 ..vollzieht..,
..führt..aus,
..macht..,
..tut..,
..führt..vor,
..unterläßt..,
..ahmt nach.., usf. bilden z.B. eine weitere Art. Sie stehen insofern >zwischen< Handlungsdeskriptoren und —klassifikatoren, als einerseits Terme für Agenten, andererseits Terme für Handlungen passende Operanden sind. Für einige dieser
Zwischenprädi-
katoren und die zugeordneten Deskriptoren besteht ein Zusammenhang, der exemplarisch so zu notieren ist: S vollzieht die Behauptungshandlung bezüglich Β genau dann, wenn S Β behauptet. Die >inhaltliche< Bestimmung aus der Deskriptorseite fließt in den Funktor 'die—Behauptung—von..' ein. Es ist zu vermuten, daß diese Umverteilung des Inhalts unter Rekurs auf eine Art Komprehensionsschema hergestellt werden kann. — Die Sortierung der Gesamtheit der Handlungsprädikatoren und die Erfassung der Zusammenhänge ist indes Aufgabe einer systematischen Handlungsphilosophie.
C.
Sechs Tätigkeiten bezüglich einer Sprache
Ausgehend von der intuitiven Schilderung und exemplarischen Festigung der Leitideen zu Sprachen und Redehandlungen und unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Bestimmungen von Grammatik und Performatorik ist eine Unterscheidung von sechs Tätigkeiten bezüglich einer Sprache zur Geltung zu bringen, die zur Lokalisierung und differenzierten Behandlung zahlreicher — keineswegs nur wahrheitsbezüglicher — Problemstellungen unerläßlich ist. Zu differenzieren ist zwischen: i)
dem Gebrauch
ii)
der Konstitution
iii)
dem Erwerb
iv)
der Erschließung
v)
der Analyse
vi)
der Rechtfertigung
von Sprachen. — Ein Autor gebraucht
eine Sprache, wenn er im Sinne der Per-
formatorik dieser Sprache agiert, d. h. wenn er Sätze gemäß den Regeln der Performatorik dieser Sprache äußert. Wenn ein Autor einen Satz äußert, dann verwendet
er die Teilausdrücke dieses Satzes (9.).
Ein Subjekt konstituiert
eine Sprache, indem es die Grammatik und die
Performatorik dieser Sprache aufstellt. Wer eine Sprache konstituiert, spezifiziert, Gebilde welcher Art Ausdrücke der Sprache sind. Er setzt ferner Regeln als Handlungsanleitung, denen zu entnehmen ist, unter welchen Umständen Autoren welche Redehandlungen vollziehen dürfen, sollen usf. bzw. ob ein Autor einen illokutionären Akt korrekt vollzogen hat. Indem eine Sprache konstituiert wird, finden die atomaren Ausdrücke dieser Sprache Einführung
(10.).
Ist ein Subjekt bemüht, sich die Fertigkeit, eine Sprache zu gebrauchen, anzueignen, so ist es mit dem Erwerb dieser Sprache befaßt. Der Spracherwerb kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Im Gelingensfall wird das lernende Subjekt Mitglied der jeweiligen Sprachgemeinschaft. — Indem ein Subjekt eine Sprache erwirbt, eignet es sich die einzelnen Ausdrücke dieser Sprache in ihrer korrekten Verwendung an ( 1 1 ) . Nicht nur gelegentlich, sondern üblicherweise liegen Sprachen keineswegs in überschaubarer Form vor; >gegeben< sind lediglich die Äußerungen der Sprecher und die Reaktionen der Rezipienten. Subjekte erschließen
eine Sprache,
wenn sie aus Spuren des Sprachgebrauchs zu Regeln und grammatischen Festlegungen zu gelangen suchen, so zwar, daß die Resultate als Ergebnis des Agie-
108
C. Sechs Tätigkeiten bezüglich einer Sprache
rens nach diesen Regeln gedeutet werden können. — Indem man eine Sprache erschließt, ermittelt
man, wie die einzelnen Ausdrücke dieser Sprache korrekt
verwendet werden (12.). Liegt eine Sprache im erläuterten Sinne vor, so kann man diese unter den verschiedensten Hinsichten analysieren. Sowohl die Grammatik als auch die Performatorik können zum Gegenstand der Betrachtung gemacht werden. Dabei mag man eher die Handlungsformen oder eher die erzielbaren Resultate ins Auge fassen (13.). Subjekte rechtfertigen eine Sprache, indem sie nachweisen, daß die gesamte Sprache bzw. unter bestimmten Rücksichten ausgesonderte Teile derselben einem oder mehreren Zwecken genügt. Die Rechtfertigung von Sprachen ist der Zweck—Mittel—Rationalität zu subsumieren (14.). Die >Ratio< des Unterscheidungssextetts wird sichtbar, wenn man Sprachen als Werkzeug bzw. — weiter — als Handlungsmittel auffaßt: Werkzeuge werden hergestellt. Man kann sie gebrauchen, wenn man sich die Fertigkeit zu ihrer Benutzung erworben hat. Aus Produkten läßt sich erschließen, mit welchem Werkzeug sie hergestellt worden sind; endlich sind Werkzeuge der Analyse ihrer Arbeitsweise sowie der Rechtfertigung bezüglich vorgegebener Zwecke zugänglich. — Der Vergleich verdeutlicht auch, daß die Tätigkeiten kombinierbar sind, z.B. dann, wenn die Verbesserung eines Werkzeugs bzw. die Reform einer Sprache anliegt.
9.
Der Gebrauch einer Sprache
[1]
Rahmenterminologie:
Zunächst sind zum Teil bereits verwendete Rede-
teile informell in die Untersuchungssprache einzuführen. — Wer einen Satz oder eine Satzsequenz, d.h. einen Text, äußert, ist der Spreche τ oder der Autor.
Je
nach Art des Geäußerten handelt es sich um einen Behauptungs-, einen Frage—, einen Aufforderungsautor usf. oder einen Beweis-, einen Begründungs-, einen Erklärungsautor usf. Die Autorsituation
ist die Konstellation von Um-
ständen, in der der Autor seine Äußerung bzw. Äußerungssequenz vollzieht, unter Einschluß seines W u n s c h - und Überzeugungsprofils. Die Subjekte, an die der Autor seine Äußerung(ssequenz) richtet, sind die Adressaten-, jene, die die Äußerung faktisch zur Kenntnis nehmen, sind die Rezipienten.
Adressaten— und Rezipientenklasse müssen nicht zusammenfallen:
nicht alle Äußerungen erreichen den intendierten Subjektekreis und die rezipierenden Subjekte sind häufig vom Autor nicht als Adressaten ins Auge gefaßt. Die Rezipientensituation
ist die Konstellation von Umständen, in der der Rezi-
pient das Geäußerte zur Kenntnis nimmt, wiederum unter Einschluß seines volitiven und kognitiven Profils. Der Zusammenschluß von Autor— und Rezipientensituation macht die Gesamtsituation
aus. - Jene Subjekte, die prinzipiell in der Lage sind, als Auto-
ren oder Rezipienten einer Sprache aufzutreten, bilden die jeweilige brauchs)gemeinschaft
bzw. die Kommunikationsgemeinschaft
Sprach(ge-
bezüglich dieser
Sprache. Betrachtet man das Ergebnis einer Redesequenz, einen Text, um daraus eine Teilsequenz, im Grenzfall ein Satz—1—Tupel zu isolieren, so ist die vorangehende bzw. die folgende Sequenz der ausgewählten Teilsequenz deren Prä— bzw. Posttext.
Prä— und Posttext zusammen bilden den Kontext
des betrachteten
Teiltextes. — Der Kontext, zusammengeschlossen mit der Gesamtsituation, bildet die Umgebung des jeweils Geäußerten. - Ferner soll auch vom Kontext von Teilausdrücken eines geäußerten Satzes und vom Kontext von Ausdrucksteilen von Teilausdrücken eines Satzes die Rede sein; dabei tritt dann der Satzrest zum Kontext hinzu. Gebilde der Gebrauchssprache sind - anders als jene der Modellsprachen — in hohem Maße umgebungssensitiv.
Ihre Analyse hat also auf die global be-
nannten Umgebungsfaktoren in ihrer ganzen Vielfalt ein besonderes Augenmerk zu richten. Da - trotz des breiten prinzipiellen Konsenses bezüglich der Umgebungssensitivität — gegen diese Forderung häufig verstoßen wird, ist sie
110
C. Sechs Tätigkeiten
bezüglich einer
Sprache
in Vorbereitung der Analyse der gebrauchssprachlichen Wahrheitsrede in zwei methodische Maximen, die Naturierungs- und die Relativierungsmaxime, umzusetzen (T28.[l]). [2]
(In)Korrekte
Redehandlungen:
Wer Sprachen gebraucht, vollzieht die
dort vorgesehenen Redehandlungen. Autoren von Ν haben genau vier Möglichkeiten: Behaupten, axiomatisch Setzen, Folgern, Annehmen. Für das Behaupten in D wurden der korrektheitsneutrale und der korrektive Prädikator schon früher etabliert (T8.01 u. 8.03); für das Behaupten in Ν ergibt sich bei Auflösung des Definiens für die korrektheitssensitiven Prädikatoren: 01
S behauptet Γ gdw S äußert einen Behauptungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ
02
S behauptet Γ korrekt gdw S behauptet Γ und es gibt einen Beweis für Γ gdw S äußert einen Behauptungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ und es gibt einen Beweis für Γ
03
S behauptet Γ inkorrekt gdw S behauptet Γ und es gibt keinen Beweis für Γ gdw S äußert einen Behauptungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ und es gibt keinen Beweis für Γ
Aus diesen Definitionen folgt wunschgemäß: Wenn ein Autor eine Aussage korrekt oder inkorrekt behauptet, dann behauptet er sie. Akzeptiert man ferner z.B. durch Verwendung einer entsprechend starken Logik in der Analysesprache, daß es für eine Aussage Γ einen Beweis gibt oder nicht, so erhält man auch die Umkehrung. Analog zur Einführung der drei Behauptungsprädikatoren, d.h. in I n s t a l l ierung des Schemas für Handlungsdeskriptoren (T8.[4]), lassen sich Prädikatoren definieren, um über das Folgern und das Setzen zu sprechen. Um eine Aussage korrekt axiomatisch zu setzen, muß sie Instanz der in 5.072 genannten Formen sein; widrigenfalls liegt eine inkorrekte Setzung vor. Der korrektheitsneutrale und die beiden korrektheitssensitiven Prädikatoren werden unter einer Nummer definiert: 04
5 setzt Γ ((in)korrekt) axiomatisch gdw
9. Der Gebrauch einer Sprache
111
5 äußert einen Setzungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ (und (es ist nicht der Fall, daß) Γ ist Instanz von 5.072) Hinsichtlich des Folgerns ist analog zu verfahren. Dabei muß unterstellt werden, daß die Folgerungsregeln standardisiert worden sind (T8.[7]). 05
5 folgert ((in)korrekt) Γ gdw S äußert einen Folgerungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ (und (es ist nicht der Fall, daß) es gibt eine Regel aus {5.076—089}, deren Antezedens* bezüglich Γ erfüllt ist)
Damit stehen für das Folgern, das Behaupten und das axiomatische Setzen der korrektheitsneutrale und die beiden korrektheitssensitiven Prädikatoren zur Verfügung. — Das Annehmen spielt insofern eine Sonderrolle, als der korrektheitsneutrale Prädikator auch schon der korrektive ist: Einerseits wird im Regelantezedens* für das Annehmen (Î5.071) nur verlangt, daß Γ Aussage ist; andererseits geht diese Forderung bereits in die Definition des korrektheitsneutralen Prädikators ein. Mit den Deskriptoren wird über Autoren und Aussagen gesprochen, die den Behauptungsakt, den Setzungsakt usf. vollziehen bzw. die im Behauptungs—, Setzungsakt usf. behauptet, gesetzt usf. werden. Um über die Handlung als solche zu sprechen, sind nach dem früher vorgeschlagenen Verfahren (Î8.Zusatz [4]) die entsprechenden Klassifikatoren zu etablieren; als Beispiel diene wiederum der Behauptungsfall, das Definiens wird schrittweise aufgelöst: 06
Sj ist Behauptungshandlung gdw es gibt ein S sowie ein Γ mit Jj ~ und 5 behauptet Γ gdw es gibt ein S sowie ein Γ mit f j ~ < 5 , Γ > und S äußert einen Behauptungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ
07
f) ist korrekte Behauptungshandlung gdw es gibt ein S sowie ein Γ mit S) ~ und S behauptet korrekt Γ gdw es gibt ein S sowie ein Γ mit ή ~ < 5 , Γ > und S behauptet Γ und es gibt einen Beweis für Γ gdw es gibt ein S sowie ein Γ mit f ) ~
und S äußert einen Behaup-
tungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ und es gibt einen Beweis für Γ 08
Sj ist inkorrekte Behauptungshandlung gdw
112
C. Sechs Tätigkeiten
bezüglich
es gibt ein S sowie ein Γ mit Sj ~
einer
Sprache
und 5 b e h a u p t e t inkorrekt Γ
gdw es gibt ein S sowie ein Γ mit Sj ~ < 5 , Γ > u n d 5 b e h a u p t e t Γ u n d es gibt keinen Beweis für Γ gdw es gibt ein S sowie ein Γ mit Sj ~
und S äußert einen B e h a u p -
tungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ und es gibt keinen Beweis f ü r Γ Es bestehen zu den Handlungsdeskriptoren analoge Zusammenhänge: Korrekte oder inkorrekte Behauptungsakte sind Behauptungsakte; die U m k e h r u n g gilt wiederum n u r unter der Annahme, daß es für beliebige Aussagen einen Beweis gibt oder nicht. Die übrigen Handlungsklassifikatoren lassen sich analog definieren. F ü h r t m a n diese Definitionen durch und berücksichtigt m a n ferner die Sonderstellung des Annehmens, dann stehen folgende P r ä d i k a t o r e n bereit 001
'..ist ((in)korrekte) Behauptungshandlung' '..ist ((in)korrekte) Folgerungshandlung' '..ist ((in)korrekte) Setzungshandlung' '..ist A n n a h m e h a n d l u n g '
Abschließend lassen sich - immer mit Blick auf N - die P r ä d i k a t o r e n '..ist eine ((in)korrekte) Redehandlung' so definieren: 09
Sj ist eine ((in)korrekte) Redehandlung gdw Sj ist eine ((in)korrekte) Behauptungshandlung oder Sj ist eine ( ( i n k o r rekte) Folgerungshandlung oder Sj ist eine ((in)korrekte) Setzungshandlung oder Sj ist eine Annahmehandlung
Mit dem letzten Definiensadjunkt wird wiederum lediglich der neutrale u n d der korrektive Anteil repräsentiert. — Als Theorem ergibt sich, daß etwas genau dann eine Redehandlung ist, wenn es eine Aussage Γ gibt, die von einem Autor b e h a u p t e t , angenommen, gefolgert oder gesetzt wird: 1
Sj ist Redehandlung gdw es gibt ein S, ein Γ, so daß Sj ~
und S b e h a u p t e t Γ oder S n i m m t
Γ an oder S folgert Γ oder S setzt Γ axiomatisch
[3]
Ausdrucksverwendung:
W e n n Autoren Redehandlungen vollziehen, in-
dem sie entsprechende Sätze äußern, verwenden
sie alle Ausdrücke, die
Teilaus-
drücke des jeweils geäußerten Satzes sind: W e n n ein Autor in ÄTden Satz 'B Vz 0 + z = z ' als erstes Glied des Beweistotais 5.005 äußert, so verwendet er gemäß
113
9. Der Gebrauch einer Sprache
der Definition der Teilausdruckschaft bezüglich eines Satzes (T5.067) folgende Ausdrücke: 002
i)
Β
ii)
z,0
iii)
Vz
iv)
0+z
ν)
0+Z=Z,
vi)
Β
, V.., ..+.., ..
Vz 0+25=2 Vz0+z=z
i ) notiert atomare Operatoren, i i ) atomare Terme. Mit iii), einem molekularen Operator, beginnen die molekularen Ausdrücke; i v ) enthält eine Termform in 'z', in Zeile v ) ist eine Aussageform in '/' sowie die behauptete Aussage verzeichnet. Unter v i ) ist endlich der gesamte Satz notiert, der Teilausdruck seiner selbst und einziger unechter Teilausdruck ist. — Der dreistellige Prädikator '..verwendet..in..' läßt sich intentionsgemäß so festlegen: 010
S verwendet μ in Σ gdw S äußert Σ und μ ist Teilausdruck des Satzes Σ
Es ist festzuhalten, daß zufolge der grammatischen Festlegungen das, was verwendet wird, stets ein Ausdruck ist, und daß das, worin ein Ausdruck verwendet wird, stets ein Satz ist: 2
Wenn S μ in Σ verwendet, dann ist μ Ausdruck und Σ ist Satz
Zwischen den unter [2] definierten Handlungsdeskriptoren mit
Aussagenzugriff
und dem Verwendungsprädikator besteht folgender wünschenswerter Zusammenhang: Man behauptet, folgert usf. genau dann eine Aussage Γ, wenn man alle Teilausdrücke eines Behauptungssatzes, Folgerungssatzes usf., dessen Aussage Γ ist, verwendet: 3
5 behauptet/ folgert/ nimmt an/ setzt Γ axiomatisch gdw es gibt einen Behauptungs—/ Folgerungs—/ Annahme—/Setzungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ und für alle μ gilt: Wenn μ Teilausdruck des Satzes Σ ist, dann verwendet S μ in Σ
Zur Begründung wird exemplarisch der letzte Fall betrachtet: Setze S axiomatisch Γ, dann gibt es nach 04 ein Σ, so daß gilt: Σ ist Setzungssatz und S äußert Σ und Γ ist die Aussage von Σ. Sei Σ* ein solcher. Sei ferner μ Teilausdruck des Satzes Σ*, dann äußert 5 Σ* und μ ist Teilausdruck des Satzes Σ*, dann verwendet 5 Σ* nach 010. Also: Für beliebiges μ: Wenn μ Teilausdruck des Satzes Σ* ist, dann verwendet S μ in Σ*. Insgesamt: Σ* ist Behauptungssatz und Γ ist die Aussage von Σ* und für alle μ: Wenn μ Teilausdruck des Satzes Σ* ist, dann verwendet 5 μ in Σ*. Mit Σ* ist ein passender Setzungssatz Σ gefunden. - Gebe
C. Sechs Tätigkeiten bezüglich einer Sprache
114
es umgekehrt einen solchen Setzungssatz Σ mit der Aussage Γ, z.B. Σ*. Da Σ* nach 5.067 Teilausdruck des Satzes Σ* ist, verwendet S Σ* in Σ*, also äußert S Σ*, also ist Σ* Setzungsssatz und S äußert Σ* und Γ ist die Aussage von Σ*, also setzt S axiomatisch Γ nach 04. Aus 3 ergeben sich als Korollare: Nur wenn es einen Satz gibt, in dem ein Autor den Behauptungs, Setzungsperformator usf. verwendet, behauptet, setzt axiomatisch usf. ein Autor eine Aussage; und nur wenn es einen Satz gibt und ein Autor sämtliche Teilausdrücke der Aussage des Satzes verwendet, behauptet er, setzt er axiomatisch usf. diese Aussage Γ: 4
Wenn 5 behauptet/folgert/annimmt/setzt axiomatisch Γ, dann gibt es ein Σ und S verwendet den Behauptungs-/den Folgerungs-/den Annahme—/den Setzungsperformator in Σ
5
Wenn S behauptet/folgert/annimmt/setzt axiomatisch Γ, dann gibt es ein Σ und Γ ist die Aussage von Σ und für alle μ: Wenn μ Teilausdruck der Formel Γ ist, dann S verwendet μ in Σ.
Äußern Autoren Behauptungssätze usf., dann muß man den Behauptungsperformator usf. verwenden, und umgekehrt: 6
Σ ist Behauptungs—/Annahme-/Folgerungs-/Setzungssatz und S äußert Σ gdw S verwendet den
Behauptungs—/Annahme—/Folgerungs—/Set-
zungsperformator in Σ Der erste Fall wird exemplarisch begründet: Sei Σ Behauptungssatz, der von 5 geäußert wird. Damit ist der Behauptungsperformator Teilausdruck des Satzes Σ. Dann äußert S Σ und der Behauptungsperformator ist Teilausdruck des Satzes Σ, mithin verwendet S den Behauptungsperformator in Σ. — Verwende umgekehrt S den Behauptungsperformator in Σ, dann ist Σ ein Satz und der Behauptungsperformator ist Teilausdruck von Σ und S äußert Σ, dann ist Σ ein Behauptungssatz und S äußert Σ. - Für die übrigen Thesen ist analog zu argumentieren. Man kann (immer: in N) einen Ausdruck nur verwenden, indem man einen Satz aus einer der vier Satzklassen äußert, wobei der Ausdruck Teilausdruck des geäußerten Satzes sein muß, und umgekehrt: 7
S verwendet μ in Σ gdw S äußert Σ und μ ist Teilausdruck des Satzes Σ und Σ ist Behauptungs- oder Folgerungs- oder A n n a h m e - oder Setzungssatz
Begründung: Verwende S μ in Σ, dann äußert S Σ und μ ist Teilausdruck des Satzes Σ, dann ist Σ Satz, also Behauptungs— oder Folgerungs— oder Annahme— oder Setzungssatz. Die Umkehrung folgt unmittelbar mit der Definition der Verwendung.
9. Der Gebrauch einer Sprache [4]
(In)Korrekte
Ausdrucksverwendung:
115
Der etablierte Verwendungsprädi-
kator ist korrektheitsneutral; insbesondere mit Blick auf bedeutungs— und einführungstheoretische Erwägungen (TZusatz[6],21.[l]) benötigt man die heitssensitiven
Verwendungsprädikatoren.
korrekt-
Dabei kann man der bei den De-
skriptoren für Redehandlungen bewährten Strategie folgen und — positiv oder negativ — auf die jeweiligen Regelantezedentia* Bezug nehmen: 011
5 verwendet μ korrekt in Σ gdw S verwendet μ in Σ und es gibt ein Γ, so daß gilt: Γ ist die Aussage von Σ und i)
es gibt einen Beweis für Γ und Σ ist Behauptungssatz oder
ii)
Γ ist eine Aussage und Σ ist Annahmesatz oder
iii)
Γ ist Instanz von 5.072 und Σ ist Setzungssatz oder
iv)
Γ genügt einem Regelantezedens* eines Elementes aus {5.076 — 089} und Σ ist Folgerungssatz
012
5verwendet /¿inkorrekt in Σ gdw S verwendet μ in Σ und es gibt ein Γ, so daß gilt: Γ ist die Aussage von Σ und i)
es gibt keinen Beweis für Γ und Σ ist Behauptungssatz oder
ii)
Γ ist keine Instanz von 5.072 und Σ ist Setzungssatz oder
iii)
Γ genügt keinem Regelantezedens* eines Elementes aus {5.076 089} und Σ ist Folgerungssatz.
Das erste Konjunkt in 011 ii) ist redundant und findet nur der Deutlichkeit halber Erwähnung. — Aufgrund der Gestaltung des Annehmens werden mit der Äußerung eines Annahmesatzes dessen sämtliche Teilausdrücke korrekt verwendet; deshalb wird das Annehmen bei der Definition der inkorrekten Verwendung nicht berücksichtigt. Beispiele: Die unter 002 aufgelisteten Ausdrücke in dem Satz 'B Vz 0+z=z' werden korrekt verwendet, während sämtliche Teilausdrücke von 'B Vz z+z=z' inkorrekte Verwendung
finden;
die Teilausdrücke von 'S VaVy z+nf(j/)=
nf(x+2/)' werden korrekt verwendet, während mit der Äußerung von 'S nf(0)+ nf(0)=0' alle verwendeten Teilausdrücke inkorrekte Verwendung erfahren. Bei einer (in)korrekten Verwendung werden stets alle Teilausdrücke (in)korrekt verwendet. Aus den Definitionen folgt: Wenn man einen Ausdruck in einem Satz korrekt oder inkorrekt verwendet, dann verwendet man ihn in diesem Satz. Es ist nicht der Fall, daß man einen Ausdruck korrekt und inkorrekt in einem Satz verwendet. Ferner ist in Analogie zum Verwenden festzuhalten, daß das, was
C. Sechs Tätigkeiten bezüglich einer Sprache
116
(in)korrekt verwendet wird, ein Ausdruck ist, und daß das, worin ein Ausdruck (in)korrekt verwendet wird, ein Satz ist. Analog 3 gilt: Wenn man eine Aussage (in)korrekt behauptet, dann ist diese die Aussage eines Behauptungssatzes, dessen sämtliche Teilausdrücke (in)korrekt verwendet werden, und umgekehrt; analog für die übrigen Redehandlungen: 8
S behauptet (in)korrekt/folgert (in)korrekt/setzt Γ (in)korrekt axiomatisch gdw es gibt einen Behauptungs—/Folgerungs—/Setzungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ und für alle μ gilt: Wenn μ Teilausdruck des Satzes Σ ist, dann verwendet S μ (in)korrekt in Σ
Begründung: Behaupte S Γ korrekt; dann behauptet S Γ und es gibt einen Beweis für Γ. Gemäß 3 gilt dann: Es gibt einen Behauptungssatz Σ und Γ ist die Aussage von Σ und für alle μ: Wenn μ Teilausdruck des Satzes Σ ist, dann verwendet S μ in Σ. Sei Σ* ein solches. Sei nun μ Teilausdruck des Satzes Σ*, dann verwendet S μ in Σ*; ferner ist Γ die Aussage von Σ* und Σ* ist Behauptungssatz und es gibt einen Beweis für Γ, dann verwendet S μ korrekt in Σ*. — Gebe es umgekehrt ein derartiges Σ, z.B. Σ*. Σ* ist Behauptungssatz und Γ ist die Aussage von Σ* und für alle μ gilt: Wenn μ Teilausdruck des Satzes Σ* ist, dann verwendet S μ korrekt in Σ*. Da Σ* Teilausdruck von Σ* ist, verwendet S Σ* korrekt in Σ+, dann nach 011: 5 verwendet Σ* in Σ* und es gibt ein Γ', so daß gilt: Γ' ist die Aussage von Σ* und einer der Fälle 011 i)—iv) tritt ein. Da Σ* Behauptungssatz ist, wird nur (i) einschlägig: Damit gibt es einen Beweis für Γ'. Da Γ~Γ', gibt es auch einen Beweis für Γ. Damit gilt: S äußert Σ* und Σ* ist Behauptungssatz und Γ ist die Aussage von Σ* und es gibt einen Beweis für Γ. Also: 5 behauptet Γ korrekt. - Die übrigen Fälle und die negative Seite sind analog zu begründen. Das (in)korrekte Behaupten, Folgern usf. schließt die (in)korrekte Verwendung der Performatoren und sämtlicher Teilausdrücke der behaupteten, gefolgerten usf. Aussage ein. 9
Wenn 5 (in)korrekt behauptet/(in)korrekt folgert/(in)korrekt setzt Γ, dann gibt es ein Σ und 5 verwendet (in)korrekt den Behauptungs—/den Folgerungs-/den Setzungsperformator in Σ.
10
Wenn S (in)korrekt behauptet/(in)korrekt folgert/(in)korrekt Γ axiomatisch setzt, dann gibt es ein Σ und Γ ist die Aussage von Σ und für alle μ·. Wenn μ Teilausdruck der Formel Γ ist, dann verwendet S μ (in)korrekt in Σ
Die Prädikatoren '..verwendet..((in)korrekt) in..' sind Deskriptoren. Die zugeordneten Klassifikatoren '..ist eine ((in)korrekte) Verwendungshandlung' lassen sich nach dem vorgeführten Muster bereitstellen.
9. Der Gebrauch einer Sprache [5]
Verallgemeinerung
1. Redehandlungen:
117
Bereits wenn man die zweite
Beispielsprache in den Blick nimmt, wird die Lage komplexer; denn hier sind setzt man das Postulieren einmal mit dem axiomatischen Setzen gleich — zusätzlich das Anziehen, das Definieren und das Konstatieren zu berücksichtigen. — Wie die Übersichtsbetrachtung zu den Erkenntnishandlungen zeigt (Î15.), ist aber auch D noch eine arme kognitive Sprache. - Gleichwohl: Wie reichhaltig auch immer man eine Sprache mit Redehandlungsformen ausstattet, die allgemeine Strategie zur Etablierung der Redehandlungsprädikatoren, seien es deskriptive oder klassifikatorische, korrektheitsneutrale oder korrektheitssensitive, ist nach den TV—bezüglichen Ausführungen
vorgezeichnet.
Zur Verdeutlichung des Extrapolationswegs ein Beispiel: Angenommen, eine Sprache verfügt, wie alle faktisch gebrauchten Wissenschaftssprachen, über die Möglichkeit des Zweifeins; dann enthält die Performatorik dieser Sprache eine, der Einfachheit halber genau eine (Be)Zweifel(ung)sregel: Wenn das—und—das bezüglich Γ gilt, dann darf 5 Γ bezweifeln. Der korrektheitsneutrale (Be)Zweifel(ung)sprädikator, der in der deskriptiven Formel Verwendung findet, ist so zu definieren: S bezweifelt Γ gdw es einen (Be)Zweifel(ung)ssatz Σ gibt und S äußert Σ und Γ ist die Aussage von Σ. Was ein (Be)Zweifel(ung)ssatz ist, wird in der Syntaktik der jeweiligen Sprache nach dem Muster von 5.050 bzw. 6.03a geklärt. Der (in)korrektive (Be)Zweifel(ung)sprädikator ist so festzulegen: S bezweifelt (in)korrekt Γ gdw 5 bezweifelt Γ und das—und—das gilt (nicht) bezüglich Γ. Mit den Handlungsdeskriptoren '..bezweifelt ((in)korrekt)..' sind dann die Handlungsklassifikatoren '..ist ((in)korrekter) (Be)Zweifel(ung)sakt' zu definieren. Wenn damit auch ein Verfahren skizziert ist, bezüglich jeder vorgegebenen Sprache Klarheit über die Redehandlungsprädikatoren zu gewinnen, so steht gleichwohl das Bedürfnis, nicht nur von einer, sondern von vielen bzw. allen Sprachen (eines bestimmten Typs) zu handeln, noch unbefriedigt im Raum. Zur Realisierung dieses Zwecks muß man über generelle Prädikatoren verfügen: Nicht, um im Beispiel zu bleiben, '..behauptet..' im Sinne von '..AT—behauptet..' genügt; gefordert ist vielmehr '..behauptet..in..', wobei für die dritte Stelle Bezeichnungen für Sprachen bzw. entsprechende Variablen und Parameter passende Operanden sind. Analoges ist für andere Handlungsdeskriptoren und für Handlungsklassifikatoren zu fordern. Auch hier zeichnet sich jedoch nach dem Ausgeführten die Strategie ab: Ein Sprecher behauptet eine Aussage in einer Sprache, wenn er einen passenden Behauptungssatz dieser Sprache äußert; für die jeweils betrachtete Sprache wird 'L 1 ' als Variable verwendet:
C. Sechs Tätigkeiten bezüglich einer Sprache
118
013
S behauptet Γ in L 1 gdw es gibt einen Behauptungssatz Σ von L 1 und Γ ist die Aussage von Σ in L 1 und S äußert Σ
Um die korrektheitssensitiven Behauptungsprädikatoren zu definieren, muß man auf die Behauptungsregeln, genauer auf das Antezedens* der Behauptungsregeln zurückgreifen; dabei ist zu beachten, daß die jeweiligen Regeln zum einen Regeln für eine Sprache sind und zum anderen in einer (zumeist verschiedenen) Sprache formuliert sind: Die Regel 5.091 ist eine Regel für N, die in der Konstitutionssprache von Ν formuliert ist; für Sprachen, in denen die Regeln formuliert werden, wird die Variable 'L 2 ' verwendet. 014
5 behauptet (in)korrekt Γ in Ll gdw S behauptet Γ in L 1 und es gibt in einer Sprache L2 (k)eine Behauptungsregel R für L\ so daß Γ dem Antezedens* von R genügt
Wie die Behauptungsregel im einzelnen aussieht, wie die Aussagen und damit die Sätze aufgebaut sind, bleibt völlig unspezifiziert und wird von Sprache zu Sprache variieren: Mit den angezielten Prädikatoren wird eben über Sprachen (mit Behauptungsmöglichkeit) generell geredet, ganz gleichgültig, wie Grammatik und Performatorik im einzelnen geschnitten sind. Gelegentlich ist auch ganz allgemein auszudrücken, daß ein Autor eine Aussage in einer Sprache performativ qualifiziert bzw. klassifiziert. Für die Modellsprachen ist ein entsprechender Deskriptor durch adjunktiven Aufbau des Definiens bereitzustellen. Für den allgemeinen Bedarf läßt sich ein Redeteil so explizieren: 015
5 klassifiziert Γ mit Ξ in Ll performativ gdw 5 äußert das Ergebnis der Anwendung des Performators Ξ von Ll auf die Aussage Γ von Ll
Will man die korrektheitssensitiven Prädikatoren bereitstellen, so reicht es nicht hin zu fordern, daß Γ dem Antezedens* irgendeiner Regel für L 1 genügt: Wer z.B. in Ν O+0=nf(0)' behauptet, soll diese Aussage nicht korrekt performativ klassifizieren; gleichwohl genügt sie dem Antezedens* der Annahmeregel. — Positiv gewendet: Γ muß dem Antezedens* der Regel genügen, die den mit dem jeweiligen Performator Ξ zu vollziehenden illokutionären Akt beschreibt. Genauer: R ist eine für Ξ spezißsche Regel, wenn der Handlungsdeskriptor von R die mit Ξ zu vollziehende Handlung beschreibt. — Es läßt sich dann festlegen:
9. Der Gebrauch einer Sprache 016
119
5 klassifiziert Γ mit Ξ in Ll (in)korrekt performativ gdw S klassifiziert Γ mit Ξ in Ll performativ und es gibt in einer Sprache L2 (k)eine Regel R für Ll, die für Ξ spezifisch ist, so daß Γ das Antezedens* von R erfüllt
Durch Wegbinden der Performatorvariablen ergeben sich die Prädikatoren '..klassifiziert..in..performativ'; dann sind folgende Klassifikatoren definierbar: 017
i) ist ((in)korrekte) Redehandlung in Ll gdw es gibt ein S, ein Γ, so daß ή ~ < 5 , Γ > und S klassifiziert Γ in Ll ((in)korrekt) performativ
In analoger Weise sind später auch Prädikatoren wie: 003
..klassifiziert..in..performativ(-(in)korrekt) als wahr ..klassifiziert..in..performativ(-(in)korrekt) als falsch
und die zugeordneten Klassifikatoren zu bestimmen (Î25.). [6]
Verallgemeinerung
2. Ausdrucksverwendung:
Einen Ausdruck in einer
Sprache zu verwenden besagt, Sätze dieser Sprache zu äußern, in denen der in Rede stehende Ausdruck Teilausdruck ist: 018
S verwendet μ in Σ von Ll gdw Σ ist ein Satz von Ll und S äußert Σ und μ ist in Ll Teilausdruck des Satzes Σ
Bei der korrekten bzw. inkorrekten Verwendung ist wiederum der Bezug auf spezifische Regeln unerläßlich: 019
5 verwendet μ (in)korrekt in Σ von Ll gdw S verwendet μ in Σ von Ll und es gibt in einer Sprache L 2 (k)eine Regel R für Ll, die für den Performator von Σ spezifisch ist, so daß die Aussage von Σ dem Antezedens* von R genügt
Die Handlungen von Sprechern werden an den Regeln auf ihre (In)Korrektheit hin überprüft. Es ist jedoch nicht gefordert, daß der Autor Regelkenntnis besitzt, das Agieren gemäß der Regel intendiert oder gar die Erfülltheit der Regelbedingung nachzuweisen imstande ist (ÎZusatz[2]). Die Explikation des (in)korrekten Verwendens von Ausdrücken rekurriert ebenso wie die Charakterisierung des Redehandelns auf Regeln. Dabei ist zu beachten, daß es sich um dieselben Regeln handelt: Die Regeln, die das Behaupten, Setzen, zusammenfassend: das Redehandeln >regierenleitenZweiabteilungensemantikEinbruchstelle< dürfte u.a. erklären, warum Autoren der Verwendungstradition vergleichsweise selten nach systematischen Anknüpfungspunkten in der Sprechaktlehre suchen. Einige unvermeidlich willkürlich ausgewählte neuere Titel aus der umfangreichen Literatur: KRIPKE: Wittgenstein on Rules, BAKER/HACKER: Rules, Grammar and Necessity, LANGE: "Einer Regel folgen", MALCOLM: Wittgenstein on Language and Rules. Von den älteren Beiträgen verdient WAISMANN: Logik, Sprache, Philosophie, 191—224, aufgrund der hartnäckigen Bemühung um informelle Klarheit immer noch besondere Aufmerksamkeit.
9. Der Gebrauch einer
Sprache
121
ansteht: Der Prädikator '..befolgt..' wird in den Äußerungen 'Hans befolgt die logischen Regeln' und 'die Gemeinschaft der Mathematiker befolgt die logischen Regeln' anders verwendet; im zweiten Fall wird darauf abgestellt, daß jedes oder doch die meisten Mitglieder der genannten Gruppe die Regeln befolgt (im ersten Sinne). - Die Situation, daß eine Agentenpluralität nach einer Regel agiert, ist von dem Umstand zu unterscheiden, daß eine Pluralität von Subjekten als ein Agent nach einer Regel handeln kann. Zum dritten ist zu fragen, ob das Verhältnis zwischen einem Agenten und genau einer Regel oder einer Regelpluralität
zu erörtern ist: Der Prädikator
'..befolgt..' wird in den Äußerungen 'Hans befolgt die Regel der Universalbeseitigung' und 'Hans befolgt das logische Regelwerk' anders verwendet; im zweiten Fall wird darauf abgestellt, daß Hans beim Schließen jedes Element des Regelwerkes befolgt (im ersten Sinne). Zum vierten ist zu fragen, ob Agenten die Regel, die sie befolgen oder gegen die sie verstoßen, kennen oder nicht: Es ist ein Unterschied, ob der Prädikator '..befolgt..' so etabliert ist, daß die Aussage 'Wenn 5 befolgt R, dann S kennt R' Lemma ist oder nicht. — In engem Zusammenhang mit der Regelkenntnis steht das Intendieren
des Befolgens oder Verstoßens. Es sollte wenigstens gel-
ten: Wenn S intendiert, daß S befolgt R bzw. daß S verstößt gegen R, dann S kennt R. Fünftens ist jeweils die positive und die negative Seite im Verhältnis von Agenten bzw. Agentenpluralität und Regel bzw. Regelpluralität zu berücksichtigen; diese Unterscheidung ist nochmals nach dem Gesichtspunkt Kenntnis/Unkenntnis und dauerhaft/punktuell zu >konjugierenauf Dauer gestellt< werden. Die Prädikatoren: 001
..agiert dauerhaft gemäß.. ..agiert dauerhaft..-gedeckt ..befolgt., dauerhaft ..agiert dauerhaft gegen.. ..verletzt dauerhaft.. ..verstößt dauerhaft gegen.,
sind nach folgendem Beispiel zu erläutern: 5 agiert dauerhaft gemäß R, falls immer (schwächer: meistens), wenn S den Regelakt vollzieht, die Regelbedingung erfüllt ist. — Der schwächere Fall dürfte für die Beschreibung der Praxis der interessantere sein. Ein Autor, der meistens korrekt behauptet, agiert nach diesem weiteren Konzept dauerhaft gemäß der Behauptungsregel. Agiert ein Subjekt dauerhaft durch eine Regel gedeckt, so ist auch davon die Rede, daß es über ein einschlägiges praktisches Wissen, über ein implizites, unthematisches, unartikuliertes unreflexes Handlungs—, Gebrauchs— oder Vollzugswissen, ein Know-how usf. verfügt. Wer z.B. in den meisten Fällen Beweise für eine Aussage Γ vorlegt, wenn er Γ behauptet, ohne aber die entsprechende Regel zu kennen, >versteht sich< eben auf das Behaupten und das Verwenden der entsprechenden Teilausdrücke. [4]
Verhältnisse
zwischen Agentenpluralität
und Regel: Was ist gemeint,
wenn davon die Rede ist, daß eine Gemeinschaft G von Agenten S eine Regel R >befolgt< bzw. gegen R >verstößt