Plutarch und die Sprachen: Ein Beitrag zur Fremdsprachenproblematik in der Antike 3515070079, 9783515070072

Erstmals wird der griechische Autor Plutarch auf sein Verhältnis zu seiner eigenen und zu fremden Sprachen hin untersuch

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
I. EINLEITUNG
II. BEMERKUNGEN ZUM FORSCHUNGSSTAND
III. DIE CHRONOLOGIE DER PLUTARCHISCHEN SCHRIFTEN
1. Die Parallelbiographien
Plutarchs Arbeitsweise
2. Die Chronologie innerhalb der Schriften der Moralia
IV. DIE LATEINISCHEN QUELLEN
1. Plutarchs Lateinkenntnisse
2. Die lateinischen Quellen
V. ‘BARBAROS’
VI. DIE ETYMOLOGIEN
1. Die Etymologien griechischer Wörter
Exkurs: Die griechischen Dialekte
2. Die Etymologien lateinischer Wörter
2.1. Die aus dem Griechischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter
Exkurs: Plutarchs Bemerkungen zum Verhältnis der griechischen und lateinischen Sprache
2.2. Die aus dem Lateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter
Die Götternamen und Begriffe aus dem kultischen Bereich
Die Monatsnamen
Wörter aus politischen und militärischen Bereichen sowie topographische Namen
Die lateinischen Personennamen
3. Die Etymologien von Wörtern ‘barbarischer’ Sprachen
3.1. Die Etymologien ägyptischer Wörter in De Iside et Osiride
3.2. Die Etymologien von Wörtern anderer ‘barbarischer’ Sprachen
VII. FREMDSPRACHIGKEIT
1. Lateinische Sprachkenntnisse
2. Griechische Sprachkenntnisse bei Römern
3. Griechischkenntnisse bei ‘Barbaren’
4. Die Kenntniss ‘barbarischer’Sprachen
VIII. DOLMETSCHER
IX. DAS ERLERNEN FREMDER SPRACHEN
X. SCHLUSSBEMERKUNGEN
XI. ANHANG
1. Liste der Etymologien griechischer Wörter
2. Liste der griechischen Dialektausdrücke
3. Liste der Etymologien lateinischer Wörter
4. Liste der Etymologien ‘barbarischer’ Wörter
5. Die einzelnen Viten
6. Die einzelnen Schriften der Moralia
XII. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
1. Editionen und Übersetzungen der Schriften Plutarchs
2. Literatur
XIII. REGISTER
1. Stellenregister
Plutarch
Andere antike Autoren
2. Personen- und Sachregister
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Plutarch und die Sprachen: Ein Beitrag zur Fremdsprachenproblematik in der Antike
 3515070079, 9783515070072

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PALINGENESIA LXIV

ANIKA STROBACH

PLUTARCH UND DIE SPRACHEN

FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART

PALINGENESIA MONOGRAPHIEN UNDTEXTE ZUR KLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT

PALINGENESIA MONOGRAPHIEN UNDTEXTE

ZUR KLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT

HERAUSGEGEBEN VON

OTTO LENDLE UNDPETER STEINMETZ BAND 64

UNAEST QUAE REPARET SEQUE IPSA RESEMINET ALES: ASSYRII PHOENICA VOCANT

FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART

1997

ANIKA STROBACH

PLUTARCH UND DIE SPRACHEN

EIN BEITRAG ZUR FREMDSPRACHENPROBLEMATIK IN DER ANTIKE

FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART

1997

Abbildung des Phönix: Mosaik aus Antiochia amOrontes, jetzt im Louvre. Fondation Eugène Piot, Monuments et Mémoires, publ. parl’Académie desInscriptions et Belles-Lettres, 36, 1938, 100.

CIP-Einheitsaufnahme DieDeutsche Bibliothek –

Strobach, Anika: Plutarch unddie Sprachen : einBeitrag zur Fremdsprachenproblematik in derAntike / Anika Strobach. Stuttgart : Steiner, 1997

-

(Palingenesia; Bd.64) Zugl.: Leipzig, Univ., Diss., 1996 9 07007– 515– ISBN 3–

NE: GT

ISO 9706

Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 1997 by Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH, Sitz Stuttgart. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: Druckerei Proff, Eurasburg. Printed in Germany

VORWORT

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1996 von der Philologischen Fakultät der Universität Leipzig als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde sie leicht überarbeitet undummehrere Register erweitert.

Mein Dank gilt imbesonderen Herrn Prof. J. Werner, der die Untersuchung angeregt und mit stetigem Interesse begleitet hat, den Gutachtern Frau Prof. Ch. Schubert und Herrn Prof. Ch. MuellerGoldingen für ihre wertvollen Hinweise, denHerausgebern der Reihe Palingenesia, namentlich Herrn Prof. P. Steinmetz, für die unkomplizierte undrasch erfolgte Entscheidung, meine Arbeit

in dieser angesehenen Reihe zuveröffentlichen,

und nicht zuletzt meiner Familie, die den Fortgang der Arbeit mit geduldigem Verständnis undviel Unterstützung begleitet hat. Berlin, im Januar 1997

Anika Strobach

INHALTSVERZEICHNIS

1

I.

EINLEITUNG

II.

BEMERKUNGEN ZUMFORSCHUNGSSTAND

III.

DIE CHRONOLOGIE DER PLUTARCHISCHEN SCHRIFTEN

22

1. Die Parallelbiographien

22 24 28

Plutarchs Arbeitsweise innerhalb

2. DieChronologie

derSchriften derMoralia

13

DIE LATEINISCHEN QUELLEN

32

1. Plutarchs Lateinkenntnisse 2. Die lateinischen Quellen

33 39

V.

‘BARBAROS’

47

VI.

DIE ETYMOLOGIEN

55

1. Die Etymologien griechischer Wörter Exkurs: Diegriechischen Dialekte 2. DieEtymologien lateinischer Wörter 2.1. DieausdemGriechischen abgeleiteten Etymologien

58

IV.

lateinischer Wörter Exkurs: Plutarchs Bemerkungen zumVerhältnis der griechischen undlateinischen Sprache 2.2. Die ausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter Die Götternamen undBegriffe ausdemkultischen Bereich Die Monatsnamen Wörter auspolitischen undmilitärischen Bereichen sowie topographische Namen Die lateinischen Personennamen 3. Die Etymologien vonWörtern ‘barbarischer’ Sprachen 3.1. Die Etymologien ägyptischer Wörter inDeIside et Osiride 3.2. Die Etymologien vonWörtern anderer ‘barbarischer’ Sprachen

68 73 75

84 87 88 97 100 109 115 116

136

VII.

FREMDSPRACHIGKEIT

142

1. Lateinische Sprachkenntnisse 2. Griechische Sprachkenntnisse bei Römern 3. Griechischkenntnisse bei ‘Barbaren’ 4. Die Kenntniss ‘barbarischer’ Sprachen

145 146 157 160

VIII.

DOLMETSCHER

171

IX.

DAS ERLERNEN FREMDER SPRACHEN

178

X.

SCHLUSSBEMERKUNGEN

180

XI.

ANHANG

186 186 192 194 201

1. 2. 3. 4. 5. 6. XII.

XIII.

Liste derEtymologien griechischer Wörter Liste dergriechischen Dialektausdrücke Liste derEtymologien lateinischer Wörter Liste derEtymologien ‘barbarischer’ Wörter Dieeinzelnen Viten Die einzelnen Schriften derMoralia

205 206

QUELLEN- UNDLITERATURVERZEICHNIS

211

1. Editionen undÜbersetzungen derSchriften Plutarchs 2. Literatur

211 212

REGISTER

225

1.

225 225 236 241

Stellenregister Plutarch Andere antike Autoren

2.

Personen- undSachregister

I. EINLEITUNG dieses Nichtgriechische Sprachen undgriechische Sprache bei Plutarch”– “ Kenntnis undBewertung fremThema ist eingebunden in die Problematik “ . Immer wieder stoßen der Sprachen in der griechisch-römischen Antike” Althistoriker, Klassische Philologen, Archäologen undIndogermanisten bei ihren Forschungen darauf, daßsich Personen verschiedensprachiger Völkerschaften begegnet sind. Aber nur sehr selten wurde von den Forschern gefragt, wie sich die Angehörigen der verschiedenen Völker eigentlich verständigt haben. Wie wurde diese Problematik von den antiken Schriftstellern gewürdigt? Haben sie Dolmetscher oder polyglotte Personen erwähnt? Was wußten sie über die Herkunft der eigenen Sprache, über andere Sprachen, über die Verwandtschaftsbeziehungen derverschiedenen Sprachen?1 Es gibt einige einschlägige Bemerkungen bei Herodot, dengriechischen Tragikern, Polybios, Caesar undTacitus zudiesen Fragen, die in denArbeiten, die sich mit der Fremdsprachenproblematik und verwandten Themen auseinandergesetzt haben, immer wieder angeführt wurden. Damit ist aber bisher nurein Bruchteil der dieses Problem betreffenden Aussagen griechischer und römischer Schriftsteller zusammengetragen undausgewertet worden.2 Eine Gesamtdarstellung unter Berücksichtigung aller Quellen steht daher noch aus.3 In derbisherigen Literatur, die sich, wie schon angedeutet, im wesentlichen auf die bekannten Stellen in den Werken der antiken Schriftsteller stützt, gibt es eine eindeutige Tendenz zu der Aussage hin, Griechen und Römer hätten sich insgesamt kaum für fremde Sprachen interessiert. Diese Meinung gilt es entweder zuwiderlegen oder zubestätigen undin letzterem Fall die Ursachen dieser Ignoranz zu ergründen. Es scheint mir auch wichtig, die Bemerkungen der antiken Schriftsteller in ihrer Zeit und ihren Verhältnissen zu sehen, wobei jedoch zur Veranschaulichung Vergleiche meiner Meinung nach durchaus statthaft sind wie z.B. bei der Frage, ob die griechische Sprache eine Art Diplomatensprache ähnlich demEnglischen in derheutigen Zeit gewesen ist. 1 Vgl. dazu J. WERNER 1992, 1– 4. Andere antike Zeugnisse wie z.B. Inschriften oder Papyri wurden, soweit ich das überblicken kann, bisher kaum beachtet (wenn, dann in erster Linie natürlich Papyri für Ägypten). 3 Vgl. auch LOCHNER VON HÜTTENBACH 77. Gleich an vier Stellen bemängelt LEJEUNE das Desiderat undregt Arbeiten in dieser Richtung an. (LEJEUNE 45. 51. 56. 58).

2

2

I. Einleitung

Ein wichtiger Ansatz, sich demProblem derVerschiedensprachigkeit in der Antike zu nähern, wardie Zusammenarbeit von Wissenschaftlern (Altphilologen, Althistorikern, Indogermanisten) der Universitäten Saarbrücken undLeipzig. Als Ergebnis dieser Kooperation entstand ein Konferenzband: Zum Umgang mitfremden Sprachen in der griechisch-römischen Antike, herausgegeben von C. W. MÜLLER, K. SIER und J. WERNER. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Aussagen des griechischen kaiserzeitlichen Schriftstellers Plutarch zur Fremdsprachenproblematik zusammenzustellen, zu analysieren und auszuwerten. Für Plutarch ergeben sich aufgrund seiner Lebenszeit sowie seiner spezifischen Interessen besondere Schwerpunkte in Bezug auf die genannte Problemstellung. Das sind zumeinen die große Anzahl von Etymologien, die sich in seinen Schriften finden (vor allem die griechischer undlateinischer Wörter, aber auch einige ‘barbarischer’ Sprachen), sowie zumanderen die Bemerkungen zur lateinischen Sprache. Die Dreiteilung Griechen –Römer –‘Barbaren’ hatte sich zu Plutarchs Zeiten längst durchgesetzt. Plutarch akzeptierte als Grieche die römische Herrschaft, er bewunderte die militärischen Erfolge der Römer und vor allem Männer wie Sulla, Pompeius oder Caesar. Er akzeptierte die Leistungen der Römer in der Literatur sowie auf anderen künstlerischen Gebieten, allen voran das Werk Ciceros. Allerdings interessierten ihn weder die lateinische Philosophie noch die lateinische Dichtung in der Weise, daß er sich ernsthaft damit auseinandergesetzt hätte. Er war mit ganzem Herzen Grieche und blieb daher seiner Heimatstadt Chaironeia immer verbunden. Die griechische π warfürihnzweifellos dasMaßaller Dinge.4 α ε ία ιδ Plutarch wurde umdas Jahr 46 n. Chr. in derkleinen boiotischen Stadt Chaironeia geboren, wo er den größten Teil seines langen Lebens verbrachte. Er konnte dort nach eigener Aussage in aller Ruhe arbeiten und wollte die kleine Stadt, wie er kokett sagt, durch seine Abwesenheit nicht noch unbedeutender machen (Dem.2).5 Er starb in Chaironeia kurz nach 119.6 Seine Heimatstadt spielt in seinen Werken eine große Rolle. Viele der

4 Vgl. dazu diebeiden Aufsätze vonSWAIN ausdemJahr 1990. GOSSAGE (46f.) faßt Plutarchs Verhältnis zu Rom folgendermaßen zusammen: “ Generally speaking, Plutarch felt a deep respect for the achievements of great Romans of thepast andacknowledged the greatness of Roman power in his ownday; buthis main sympathies ... were with his own great countrymen of the past, of whose cultural legacy he wasa proud heir.”Siehe dazu auch BORST 175 einschließlich derAnmerkung aufS.2060. 5 ZuPlutarchs Biographie unddenQuellen zuseinem Lebens vgl. PIR2P 526. 6 K. ZIEGLER 639ff. Das Geburtsjahr Plutarchs ist ebenso wie sein Todesdatum nicht mehr genau zu rekonstruieren. ZIEGLER glaubt anhand der Äußerung Plutarchs, während desBesuchs Neros in Delphi (66/67) schon Schüler desAmmonios gewesen undvondie-

I. Einleitung

3

Tischgespräche, die er beschreibt, fanden dort statt, er empfing dort Freunde undarbeitete dort. Historische Ereignisse, die sich in oder um Chaironeia ereigneten, wie die Schlacht Sullas gegen Mithridates’ Feldherrn Archelaos (86 v. Chr.), schildert er besonders ausführlich.7 Plutarch stammte aus einer vermögenden undangesehenen Familie, die schon seit einigen Generationen in Chaironeia ansässig war. Aus seinen

Schriften sind wenig autobiographische Angaben herauszulesen, es handelt sich meist umeher zufällig eingestreute Details in denQuaestiones convivales undanderen Dialogen.8 Eine Autobiographie oder eine Lebensbeschreibung dieses berühmten Biographen durch einen anderen antiken Autor exi-

stiert nicht.9 Trotz der Verbundenheit mit seiner Heimatstadt unternahm Plutarch viele Reisen.10 So weisen seine Werke eine gute Kenntnis Athens auf. Dorthinreiste er vorallem zuBildungszwecken. Regelmäßig hielt er sich in Delphi auf, benachbarte boiotische Städte besuchte er ebenso wie Sparta.11 Außerdem kann manaus seinen Bemerkungen (501E) auf eine Reise injungen Jahren nach Kleinasien, und zwar nach Sardes, Ephesos12 oder Smyrna,13 schließen. Mit der Asienreise verbunden war vermutlich die Fahrt nach

semals ν έ ο ςangesprochen worden zusein (385B), daßPlutarch in dieser Zeit “wohl nicht (640). JONES 1971, 13 älter als 20 Jahre warundalso um50 oder wenig früher geboren ist” an age as great as 30” dagegen glaubt, daß Plutarch zu diesem geschilderten Ereignis “ erreicht hatte, also in den frühen 40er Jahren geboren worden sein mußte. Das sind nur zwei derzahlreichen konträren Meinungen zudiesem Thema (siehe auch BARROW xii: 47 A.D.). Derterminus post quem fürdenTodPlutarchs ergibt sich ausEusebius (Hieron. ad annum 119 p. 198 HELM) für 119. Aber auch die Frage, wie lange Plutarch danach noch 6. gelebt hat, ist umstritten; ZIEGLER 640f. Vgl. dazu auch JONES 1966, 63– 7 Zur Bedeutung Chaironeias in Plutarchs Leben JONES 1971, 3– 12; AALDERS 14ff. 8 Auch mit Plutarchs Familie hat sich K. ZIEGLER (641– 51) ausführlich befaßt. 9 Neben den beiden Standardwerken von ZIEGLER undJONES, auf die hier immer wieder verwiesen wird, vgl. zuPlutarchs Leben, seiner Familie, seinen Tätigkeiten, seinen 50; HAMILTON xiii-xxiii; Reisen und dem politischen Hintergrund auch BARROW 1– 17 sowie die älteren, aber durchaus noch nützlichen 35; RUSSELL 1973, 1– GIANAKARIS 19– 16. ZuPlutarchs politischem Denken, seiner Werke vonVOLKMANN, MUHLundHIRZEL 1– Einstellung zu den verschiedenen Herrschaftsformen etc. vgl. vor allem die Bücher von 104 sowie die Artikel von MUELLER-GOLDINGEN 1993 und AALDERS und WARDMAN 49– DEBLOIS (dort findet sich auch eine Auswertung dereinschlägigen Forschungsliteratur). 10 Vgl. dazu denANRW-Artikel vonBUCKLER. 11 K. ZIEGLER 653f.

12 Ebd. 654; BARROW 36.

13 JONES 1971, 14f.

4

I. Einleitung

Alexandria.14 Der Zweck dieser Reise bleibt unklar, zumal er sie in den Schriften, in denen man es erwartet hätte, wie z.B. in De Iside et Osiride, nicht mehr erwähnt. Zu dem Besuch regte ihn vielleicht sein Lehrer Ammonios an, oder Plutarch wollte seinem Vorbild Platon mit dieser Reise nacheifern.15 Mehrere Male besuchte er RomundItalien, worauf noch näher einzugehen sein wird. Ab 96 bis zu seinem Tod um 120 scheint Plutarch jedoch nicht mehr nach Italien gereist zu sein, lediglich Delphi undAthen waren ihm noch nah genug. In diesem Zeitraum verfaßte Plutarch den weitaus größten Teil seiner Werke (u.a. die Parallelbiographien, Tischgespräche, De Iside et Osiride, die Quaestiones Graecae undRomanae). Von den Schriften Plutarchs ist nur knapp die Hälfte auf uns gekommen. Der Rest ist aus Fragmenten bzw. durch indirekte Überlieferung bekannt, von einem großen Teil der Schriften sind die Titel durch den sogenannten Lampriaskatalog überliefert.16 Der Katalog führt 227 Schriften auf, vondenen 83 erhalten sind. Allerdings fehlen in derAufzeichnung die Titel von 15 uns überlieferten Werken, so daß die Zuverlässigkeit dieser Zusammenstellung zumindest in Frage zu stellen ist. K. ZIEGLER (701f.) hat unter Berücksichtigung aller Umstände errechnet, daß Plutarch annähernd 250 Schriften mit ca. 300 Büchern verfaßt haben muß. Die erhaltenen Werke füllen immerhin mehr als 5000 Seiten der Teubnerausgabe.17 Bei der großen Zahl von Schriften sind die oft gescholtenen historischen Verzerrungen und Fehler durchaus verständlich, zumal Plutarch zumindest in denBiographien

14 K. ZIEGLER 654; BARROW 36; JONES 1971, 15; BUCKLER 4815f. Plutarch berichtet Gespräch (678C) lediglich, daßer ausAlexandria zurückgekehrt ist. Siehe auch TEODORSSON 2, 100 u. 184 sowie S. 132f. in dieser Arbeit. 15 Wobei Platons Ägyptenreise nicht eindeutig belegt unddaher wohl eher fraglich ist. In Platons Werken selbst jedenfalls gibt es keinen eindeutigen Hinweis aufeine solche Reise; LEISEGANG, RE 20, 1950, 2350. H. DÖRRIE (Platons Reisen zufernen Völkern. Zur Geschichte eines Motivs der Platon-Legende undzuseiner Neuanwendung durch Lactanz, 118) in: Romanitas et Christianitas, hg. v. W. DENBOERu.a., Amsterdam/London 1973, 99– geht es in seinem Artikel weniger umdiehistorische Prüfung derReise als vielmehr umdie Funktion des Motivs ‘Platon in Ägypten’. Vgl. dazu auch DIHLE 1994, 106. 16 Der Katalog ist ein aus dem dritten oder vierten Jahrhundert stammendes Verzeichnis derunter Plutarchs Namen überlieferten Titel. Ihmist einBrief desvermeintlichen Sohnes Lamprias vorangestellt, der sich als Fälschung aus dem 13. oder 14. Jh. erwiesen 701 (dort ist der Katalog auch abgedruckt.). Plutarch hatte keinen hat; K. ZIEGLER 696– Sohn dieses Namens, sein Großvater undeiner seiner Brüder hießen so; PIR2P 526. Siehe auch dieAnmerkungen vonBARROW 193f. 17 In der Suda (Bd.4 n.1793 ADLER s.v. Π λ ο ύ ρ τα χ ο ς ) ist zu Plutarchs schriftstellerischer Tätigkeit lediglich vermerkt: ἔ α ρ γ ψ εδ ὲπ ο λ λ ά .

in einem

I. Einleitung

5

expressis verbis kein Historiker sein wollte (vgl. z.B. Alex. 1).18 Vielmehr war er an der Darstellung des Charakters der Person interessiert undwollte demLeser Beispiele für vorbildliches oder aber abschreckendes (Antonius/ ή ρ ε , τ Demetrios, Coriolan/Alkibiades) Verhalten geben und damit zur ἀ ηetc. erziehen (vgl. auch Aemil. 1:die Geschichte als Spiegel).19 ν ύ σ ο ρ σ ω φ ο ι,20die bekanntlich immer einen bedeutenden η λ λ λ ά ρ α ιπ ίο Von denβ Griechen mit einem ebenso berühmten Römer zusammenstellen undmeist mit einer Synkrisis abschließen, sind 22 Paare erhalten, außerdem die beiden Einzelbiographien des Aratos und des Artaxerxes.21 Verloren ist lediglich dasPaar Epameinondas/Scipio.22 Ferner sind dieBiographien derrömischen Kaiser Galba undOtho überliefert, die in eine Reihe früher verfaßter Kaiserviten vonAugustus bis Vitellius gehören, dieverloren gegangen sind.23 Neben den Parallelbiographien sind eine große Anzahl von Schriften unter dem Titel Moralia überliefert. Es handelt sich dabei um philosophische, theologische, politische, historische, tierpsychologische u.ä. Texte, also um Schriften völlig verschiedenen Inhalts, so daß der Titel Moralia

18 Weitere Belege bei JONES 1971, 85 Anm.28. Vgl. auch ders. 103– 9; HAMILTON 37; AALDERS 9ff. zur Absicht in den Biographien sowie die xxxvii-xliii; WARDMAN 18– Artikel von PELLING 1980 u. 1990 zu der Frage, wie Plutarch seine Quellen übernommen chronological compression”und“ bzw. bearbeitet hat. Stichworte sind z.B. “ chronological 74) faßt folgende Methoden Plutarchs . LARMOUR (4162– displacement and simplification”

bei derBearbeitung seiner Quellen zusammen: a) selection andexclusion; b) simplification andamplification; c) alteration andfabrication. Einen Überblick über die Diskussion bis

1987 gibt NIKOLAÏDIS 1987. 19 Vgl. DIHLEs Definition derantiken Biographie (1987, 8f.): “ ... wenn dasLeben eines Menschen als Ganzes ins Auge gefaßt, in seinem Ablauf, wenn auch nicht notwendi-

gerweise mit allen bekannten Details, dargestellt undals Verwirklichung eines moralisch bewerteten Charakters interpretiert wird, welcher derErfahrung desLesers kommensurabel ist.” Gerade diese moralisch-pädagogische Zielsetzung sei fürPlutarch bedeutsam gewesen. 20 Zu den Parallelbiographien vgl. u.a. GIANAKARIS 36– 78, der einige Paare (Thes./ Rom., Lyk./Num., Dem./Cic. undAlex./Caes.) auch ausführlicher bespricht, BARROW 51– 29 (bes. Alkibiades) und das Buch von WARDMAN zu 65 sowie RUSSELL 1973, 100– Plutarchs Biographien. 21 Dazu K. ZIEGLER 898 Anm. 1,der erläutert, warum diese beiden in die β ίο ιgeraten sind. Aratos sei wegen der historischen Nähe zu Kleomenes zu diesem gestellt und Artaxerxes ausalphabetischen Gründen dazugeordnet worden. 22 Vgl. die Verweise Plutarchs zu Epam./Scipio in den Frgm. 1– 2 (BT Bd.VII 13), zu 4 (BT VII 14). Scipio Afric. Frgm. 3– 23 Dazu JONES 1971, 72– 80 sowie die Artikel von GEORGIADOU undvor allem SYME 10. Hinweise Plutarchs in den Frgm. 182 (Tiberius; BT. Bd.VII 116) u. 5 (Nero; BT. 104– VII 15) sowie auf weitere Biographien (Pindar, Herakles etc.) in denFrgm.6ff. Die beiden Kaiserbiographien wurden in denHandschriften zunächst im Corpus der Moralia überliefert; K. ZIEGLER 1907, 6 Anm.3.

6

I. Einleitung

eher ungenau erscheint.24 Einige der im Corpus Plutarcheum überlieferten Werke sind nur unvollständig erhalten, andere haben sich durch vielfältige Untersuchungen im Laufe der Zeit als unecht, d.h. nicht von Plutarch verfaßt, erwiesen.25 Neben den inhaltlichen Kriterien ist die Hiatvermeidung ein wichtiges Indiz, umPlutarch als Autor anzuerkennen, da er diese recht konsequent durchgeführt hat.26 Als mit größter Wahrscheinlichkeit nicht von Plutarch stammend gelten heute die Schriften De liberis educandis 801), Regum et imperatorum 12),27 Consolatio ad Apollonium (794– (809– apophthegmata (863ff.),28 Apophthegmata Laconica (865ff.),29 Parallela 70), Defato (725f.), Narrationes amatoriae (798), Graeca et Romana (867– Decem oratorum vitae (878f.), Placita philosophorum (879f.), De unius in

24 Ich verweise auf K. ZIEGLER 703– 8 (Übersicht) sowie 719– 890 (Besprechung der einzelnen Schriften), dereinen hervorragenden Überblick über alle Schriften gegeben hat. 113 bespricht AufdieChronologie werde ichweiter unten eingehen. Auch GIANAKARIS 79– einige Schriften derMoralia (z.B. Quaest. Rom. u. Graec., DeIs. et Os., Quaest. conv.). Er behandelt allerdings auch die Texte Cons. ad Apoll. (83f.), De lib. ed. (93f.) und Reg. et imp. apophth. (95) als echte Schriften, ohne zumindest die Diskussion über die Echtheit zu erwähnen. 25 Die in lateinischer Sprache verfaßte mittelalterliche Fälschung De institutio Traiani wurde nicht berücksichtigt, dasie keine antike Fälschung wie die anderen pseudoPlutarchischen Schriften ist. Zudiesem Text vgl. zuletzt H. KLOFT/M. KERNER, Die Institutio Traiani. Ein pseudoplutarchischer Text im Mittelalter. Text, Kommentar, zeitgenössischer Hintergrund, Stuttgart 1992. Bemerkungen auch bei K. ZIEGLER in seinem RE-Artikel 824f. 26 Zu Form undStil der Schriften Plutarchs siehe K. ZIEGLER 890– 5 (Form der philo-

10 (Form der Biographien); HAMILTON lxvi-lxix; RUSSELL sophischen Schriften). 905– 41 sowie S. YAGINUMA, Plutarch’s Language and Style, ANRW II 33.6, 1992, 1973, 18– 42. Plutarch war zumgrößten Teil unbeeinflußt von demvorherrschenden Attizis4726– mus, sein Vokabular unddie Syntax basierten auf der literarischen Koine mit attischen Elementen. Diese attischen Elemente kamen hauptsächlich vonseiner umfangreichen Lektüre attischer Autoren, vorallem natürlich Platons. Insgesamt bemühte er sich in Form und Stil wieauch imInhaltlichen umgroße Variabilität. 27 Die Schrift hatte großen Einfluß auf die Erziehungswissenschaft der byzantinischen Zeit (daher die große Anzahl vonHandschriften) sowie aufdiedeutschen (Erasmus) unditalienischen Humanisten; K. ZIEGLER 812. Vgl. dazu auch RUSSELL 1973, 164– 72. (Die Zahlen in Klammern verzeichnen die Spalten in ZIEGLERS RE-Artikel, in denen die Indizien fürdieUnechtheit zusammengetragen worden sind.) 28 Über die Echtheit dieser Schrift gibt es gegenteilige Auffassungen. K. ZIEGLER (863ff.) und RUSSELL 1973, 166 halten sie für unecht, HAMILTON xliv; JONES 1971, 79; GIANAKARIS 95 dagegen halten eine Autorschaft Plutarchs fürmöglich. 29 Sammlungen dieser Art wird Plutarch für die Arbeit an denBiographien benutzt haben. Sie waren aber mit denhier genannten nicht identisch, sondern müssen wesentlich umfassender gewesen sein; K. ZIEGLER 864.

I. Einleitung

7

7).31 Außerdem re publica dominatione (823f.)30 sowie De musica (814– wurden unter Plutarchs Namen die umfangreichen, aber zweifelsohne eben8) und De fluviis falls unechten Schriften De vita et poesi Homeri (874– der Band Teubnerausgabe siebente (hg. v. F. H. (870f.) überliefert. Der SANDBACH) faßt die Fragmente der Schriften Plutarchs zusammen, die entweder in zu kleinen Bruchstücken, als daß man sie einzeln hätte veröffentlichen können, oder bei anderen Autoren erhalten sind. Alle Texte, die in der Antike unter demNamen Plutarchs herausgegeben wurden, sind in diese Untersuchung einbezogen worden. Dazu gehören folglich auch die heute als unecht angesehenen Schriften, die aus inhaltlichen oder anderen Gründen zunächst für Werke Plutarchs gehalten bzw. von dem Fälscher, wenn er Plutarchs Namen benutzte, in seinem Sinne abgefaßt wurden. Allerdings wird, wenn wichtige Passagen aus solchen Schriften besprochen werden, noch einmal auf die Tatsache hingewiesen, daß es sich um eine Stelle aus einer nicht aus Plutarchs Feder stammenden Schrift handelt. Gewichtige Aussagen sind somit nicht in die Auswertung einbezogen worden. Es wird also keine Resultate geben, die allein auf Stellen aus den unechten Schriften beruhen. Solche Passagen werden lediglich einbezogen, wenn sie eine vorhandene Tendenz unterstützen. Wie es für einen jungen Mann seines Standes üblich war, genoß Plutarch eine hervorragende rhetorische undphilosophische Ausbildung. Er studierte bei demÄgypter Ammonios, dener als einzigen Lehrer erwähnt, in der platonischen Akademie in Athen.32 Mit diesem besuchte er beispielsweise Delphi (385B). Von Ammonios bekam er sicherlich die entscheidenden philosophischen Anregungen für sein ganzes Leben. Er wurde von ihm mit der Mathematik vertraut gemacht, was sich in einigen Schriften auch ausspäterer Zeit durchaus noch widerspiegelt. Ammonios führte ihn in die Akademie ein, wo die Grundlagen für seine philosophischen Überzeugungen undfür die Liebe zum Werk Platons gelegt wurden. Auch die

30 Dieses Werk ist sehr wahrscheinlich nicht vonPlutarch, es ist allerdings zu fragals daß man das endgültig beurteilen könnte. Auch G. J. D. AALDERS (Plutarch or Pseudoplutarch? TheAutorship of De Unius in re publica domina83) hält diese Schrift für“very probably spurious” tione, Mnemosyne 35, 1982, 72– .

mentarisch überliefert,

31 HARRISON (4649) führt zusätzlich Aqua an ignis utilior sit undAnimine an corporis affectiones sintpeiores als unecht an. 32 Ammonios ist uns durch Plutarch als sein Lehrer sowie eine Bemerkung bei Eunapius (vit. philosoph. 454) bekannt, in der er als aus Ägypten stammend bezeichnet wird; PIR2 A 563; v. ARNIM, RE (s.v. Ammonios Nr.12) 1, 1894, 1862; PUECH 4835f. C. P. JONES (The Teacher of Plutarch, HSPh 71, 1967, 205– 13) hat in seinem Artikel alles, was über Ammonios undseine Nachfahren bekannt ist, zusammengestellt undso versucht, ein Bild desPhilosophen zuentwerfen.

8

I. Einleitung

Auseinandersetzung mit anderen philosophischen Schulen (Epikur, Stoa, peripatetische Schule) fand dort statt.33 Dassetzte Plutarch in seinen Werken fort, wiewohl er auch von diesen philosophischen Richtungen, die er bekämpfte, einiges aufgenommen hat.34 Besonders eng verbunden war Plutarch mit Delphi. Er hatte dort viele Jahre lang ein Priesteramt inne, wassich in mehreren Schriften über dasdelphische Orakel niedergeschlagen hat.35 Es fällt auf, daß er dem Namen des Apollon sowie dessen Beinamen eine Reihe von etymologischen Erklärungsversuchen widmet, was sicherlich z.T. auf seine Priestertätigkeit zurückgeführt werden kann. Plutarch war in einem gewissen Umfang politisch tätig.36 Als junger Mann wurde er im Auftrag Chaironeias als Gesandter zum Prokonsul von Achaia geschickt.37 Bis ins hohe Alter übernahm er immer wieder politische Ämter in seiner Heimatstadt.38 Allerdings hat er sich darüber, ebenso wie über die Ehrungen, die er vor allem im Alter von den römischen Machthabern erhielt, ausderihmeigenen Bescheidenheit kaum, undwenn, dann nur beiläufig, geäußert. Über sein politisches Wirken sowie seine Lehrtätigkeit in Rom wird später in einem anderen Zusammenhang zu sprechen sein. In

33 Vgl. dazu u.a. P. L. DONINI, Plutarco, Ammonio e l’Academia, in: International Plutarch Society. Sezione Italiana (Hg.), Miscellanea Plutarchea. Atti del I convegno di studi su Plutarco, Roma, 23 nov. 1985, Ferrara (Quaderni delGiornale filologico ferrarese

8) 1986, 97– 110. 34 K. ZIEGLER 651ff.; NILSSON 2, 402– 13. Zu Plutarchs philosophischen Anschauungengibt es eine fast unübersehbare Anzahl vonLiteratur. Dadies aber unser Thema nuram Rande berührt (bis aufdieFrage derEtymologien), sei darauf nicht weiter eingegangen. 35 Siehe BARROW 30– 5. Zur Priestertätigkeit Plutarchs vgl. K. ZIEGLER 659ff.

36 Ebd. 657ff. 37 Vgl. JONES 1971, 15f., derdarin eines derersten bedeutenden Ereignisse in Plutarchs Beziehung zu Rom sieht. Ein anderes in dieser Zeit war JONES (16f.) zufolge der Besuch Neros in Griechenland, besonders inDelphi bei denPythischen Spielen (66/67). 38 JONES 1971, 25ff. So soll er imAlter eine Prokuratur in Achaia vomKaiser Hadrian erhalten haben (Π ρ ο ὺ χ ε ν ω ύ ιρ τα α ο ςΧ λ ςφ ιλ ό σ ο φ ο π ε ύ ε ο ινἙ ιτρ ςἐπ λ λ ά δ ο ςὑ π ὸ ρ α η ιό ρ ο ς ά ηγ το ρ ; Euseb. b. Syncell. p. 659 DINDORF. Über die ςκα το ὐ τ ο κ τεσ τ ά θ ῦα Aufgaben, die für Plutarch mit diesem ritterlichen Amtverbunden waren, ist nichts weiter bekannt, vermutlich sollte es in erster Linie eine Ehrung sein. Die entsprechenden Belegstellen siehe bei E. GROAG, Die römischen Reichsbeamten vonAchaia bis auf Diokletian, Wien/Leipzig 1939, 145ff. Zur Diskussion über die Bedeutung dieses Amtes siehe auch ZIEGLER 658f. und G. W. BOWERSOCK, Greek Sophists in the Roman Empire, Oxford 1969, 110ff. Außerdem sollen Plutarch durch Trajan die ornamenta consularia verliehen worden sein (Suda Bd.4 n.1793 ADLER s.v. Π ια ν ὸ ρ ο χ ύ ὺ ο τ α ο λ δ ετ ς α ς :μ ςδ ὲαὐτῷΤρα νὑπ ά τ ω νἀ τ ῆ ξ ία ςτῷ ς...). LATTE (in K. ZIEGLERs RE-Art. 658f. Anm. 1) hält diese Angabe ebenso wie diebei Eusebios überlieferte Prokuratur für Legende, die einen wahren Kern umschließt.

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zwanglosen Privat- und Familienseiner Heimatstadt lehrte er in einer “ .39So entstand nach seiner Rückkehr ausAthen unter Mitwirkung akademie” seiner Brüder eine Schule (Akademie) in Chaironeia, deren bedeutendster Lehrer zweifellos Plutarch selbst war. Auch darüber gibt es nur gelegentliche Äußerungen in seinen Werken. Wie in seinen Schriften werden Platon ή ρ ε τ und dessen Philosophie sowie damit verbunden die Erziehung zur ἀ und die Bekämpfung unvernünftiger Verhaltensweisen bestimmende Themengewesen sein. Eine besondere Beziehung verband Plutarch mit Rom.40 Seine ersten Begegnungen mit demImperium waren der Besuch Neros in Delphi sowie die Gesandtschaft imAuftrag Chaironeias zumProkonsul vonAchaia (s.o.). Mehrmals ist Plutarch selbst nach RomundItalien gereist.41 In erster Linie führten ihn politische Aufträge seiner Heimatstadt nach Westen sowie später, als er ein bekannter Philosoph war, die Einladungen seiner römischen Freunde zu Vorträgen. Es ist anzunehmen, daß Plutarch mehrmals jeweils für einige Monate in Rom weilte. Er selbst sagt, während seiner ὲῬ νδ ν λ ία νἸτα ὴ ὶτ ρ Aufenthalte in Rom undItalien (ἐ α ὶ τα ε ῃκ ῖςπ μ ώ α δ ῖς ια ρ ιβ ) wegen politischer Geschäfte sowie philosophischer Gespräche τ zunächst keine Zeit gefunden zu haben, Latein zu lernen und lateinische Schriften zu lesen (Dem.2). Diese Bemerkung zeigt, daßPlutarch mehrmals in Rom und im übrigen Italien war und seine Aufenthalte dort verhältnismäßig kurz blieben. Andererseits erkannte er durchaus denVorteil einer großen, kulturell reichen, mit Bibliotheken und anderen für seine Arbeit wichtigen Einrichtungen ausgestatteten Stadt an (Dem.2). Ein erster Aufenthalt in Rom fand Ende der 70er Jahre des ersten Jahrhunderts statt (während der Herrschaft Vespasians), ein zweiter Anfang der 90er Jahre.42 Weitere Reisen sind aus seinen Werken nicht eindeutig herauszulesen, haben höchstwahrscheinlich aber stattgefunden. Von dem Aufenthalt in Norditalien berichtet Plutarch etwas ausführlicher. Gemeinsam mit dem Konsular L. Mestrius Florus bereiste er Oberitalien (vermutlich während des ersten Rombesuches). Sie besichtigten das Schlachtfeld von Betriacum (Otho 14) sowie den schlichten Grabstein des Otho in Brixellum, dessen

39 K. ZIEGLER 662– 5.

40 Vgl. dazu vor allem das Buch von C. P. JONES Plutarch and Rome, außerdem seine Dissertation (1965) sowie BARROW und THEANDER 1959. 41 Vgl. BUCKLER 4821–8.

42 Die Hinweise in Plutarchs Werken auf die Rombesuche hat K. ZIEGLER zusam4. Letzterer meint, ein zweiter Rommengetragen (655f.). Siehe auch JONES 1971, 21– aufenthalt könnte im Winter 88/89 stattgefunden haben undein dritter im Sommer 92 und evtl. noch einer imJahre 93. Vgl. auch BARROW 37ff.

I. Einleitung

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θ η ο ν ο ω ρ υὌ κ λ ώ ςübersetzt σ ε ιΜ ά lateinische Inschrift Plutarch mit Δ (Otho 18). In Ravenna sahPlutarch die Statue desMarius (Mar.2). In Romhielt Plutarch Vorträge, diskutierte mitdenZuhörern undseinen Freunden undbesuchte Bibliotheken. Bei seinem ersten Aufenthalt Ende der 70er Jahre stand er am Beginn seiner schriftstellerischen Karriere, während er später, zuBeginn der 90er Jahre, schon ein anerkannter Autor undPhilo-

soph war.43

Plutarch hatte eine große Anzahl römischer Freunde.44 Er traf mit ihnen in Rom zusammen, und sie besuchten ihn in Chaironeia. Viele der Senatoren, darunter einige Konsulare, mit denen Plutarch in Kontakt kam, bekleideten ein Amt in der Provinz Achaia, in den meisten Fällen den Pro-

konsulat. Durch den oben schon erwähnten Mestrius Florus erhielt Plutarch das römische Bürgerrecht und übernahm das nomen gentile Mestrius.45 Mestrius warunter Vespasian Konsul (suff.) und83/84 Prokonsul vonAsia. Er hat längere Zeit in Griechenland gelebt, vielleicht sogar in Chaironeia. Er nahm immerhin an zehn Tischgesprächen teil und war bei vier weiteren selbst der Gastgeber (in Chaironeia). Mit denWerken Aristoteles’, Platons, Phylarchos’ undanderer griechischer Philosophen zeigte er sich vertraut.46 Florus warzweifellos älter als Plutarch, unddie Tatsache, daßPlutarch ihm keines seiner Werke gewidmet hat, deutet darauf hin, daß er, als der Autor seinen schriftstellerischen Höhepunkt erreicht hatte, bereits nicht mehr lebte.

43 BARROW 39f.

44 Vgl. K. ZIEGLER, deralle Freunde Plutarchs, unterteilt ingriechische (667– 87) und 94), zusammengefaßt hat. Sie sind vor allem durch die Beschreibungen in römische (687– denSymposiaka undanderen Dialogen bekannt geworden. ZIEGLER nimmt an, daßes sich bei denGenannten nurin ganz wenigen Ausnahmefällen (in DeSocr. gen. u. Brut. rat. uti) umfiktive Gesprächspartner, sonst aber tatsächlich umZeitgenossen Plutarchs gehandelt

64, der die Freunde hat (665f.). Siehe auch BARROW 40ff. sowie vor allem JONES 1971, 48– Plutarchs nicht nach demGesichtspunkt Griechen-Römer, sondern nach sozialen Kriterien unterteilt, da viele Griechen das römische Bürgerrecht besaßen (wie auch Plutarch) und viele Römer aus Griechenland bzw. aus griechischsprachigen Regionen stammten. Er beschreibt zunächst diejenigen, die Plutarchs sozialer Schicht angehörten und die von 47). Diezweite Gruppe sind Römer, diePositionen im Geburt ausalle Griechen waren (39– Imperium innehatten, aber nicht alle in Rom geboren waren. Zuletzt hat B. PUECH die Freunde Plutarchs in ihrem ANRW-Artikel behandelt. 45 K. ZIEGLER 650 u. 687f.; JONES 1971, 48f. Diese Tatsache hat Plutarch nie erwähnt, sie ist lediglich aus Inschriften bekannt; PIR2 P 526. 46 Ausführlich zur Person FLUSS, RE 15, 1931, 1292ff. und PIR2 M 531 sowie PUECH 4860.

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Der andere wichtige Freund, Q. Sosius Senecio,47 waretwas jünger als Plutarch. Er warauch mit dessen Söhnen befreundet. (So ist z.B. seine Anwesenheit bei der Hochzeit von Plutarchs Sohn Autobulos bezeugt; 666D.) Dem Senecio widmete der Autor eine Reihe von Schriften (Parallelbiographien [Thes.1; Dem.1. 31; Dion 1], Deprofectibus in virtute, Quaestiones convivales [letztere sind wohl erst auf dessen Veranlassung hin zusammengestellt worden]). Sosius bekleidete zweimal den Konsulat (99 u. 107) undgalt als einenger Vertrauter desKaisers Trajan. Wahrscheinlich hatte er eine amtliche Funktion in Achaia inne, vielleicht sogar den Prokonsulat. Auch Senecio warsehr belesen undzitierte bei denSymposien des öfteren griechische Philosophen und Dichter. Ein berühmter Bekannter Plutarchs warder Stoiker Iunius Arulenus Rusticus, denDomitian 93 töten ließ48 und den Plutarch anläßlich eines seiner eigenen Vorträge in Rom kennenlernte (522D-E). Zu nennen sind außerdem Minicius Fundanus, Konsul (suff.) im Jahre 107 (Nachfolger des Senecio im Amt) undebenfalls Prokonsul von Achaia und später von Asia,49 sowie die Brüder Avidius Nigrinus und T. Avidius Quietus, diewahrscheinlich beide jeweils Prokonsul vonAchaia gewesen sind. Ihnen widmete Plutarch die Schrift Defraterno amore (478B; nur Quietus ist die Abhandlung De sera numinis vindicta zugeeignet; 548B).50 Plutarch hatte gemeinsame Freunde mit Plinius undTacitus,51 sie selbst sind sich wohl aber nicht begegnet.52 Plutarch verdankte seinen römischen Freunden wichtige Anregungen und Hinweise besonders für die Schriften, die römische Sachverhalte be47 PIR1 S 560; GROAG, RE 3 A, 1927, 1180– 94; K. ZIEGLER 688f.; JONES 1971, 54– 104) versucht 4883. C. P. JONES (Sura and Senecio, JRS 60, 1970, 98– nachzuweisen, daßSenecios Familie ausdemOsten, genauer ausdemsüdlichen Phrygien kommt, während R. SYME (Historia 17, 1968, 101 Anm.127 = Roman Papers II 688 Anm.3) meint, er könnte aus einer kilikischen Dynastie stammen. H. HALFMANN (Die Senatoren aus dem östlichen Teil des Imperium Romanum bis zum Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr., Göttingen [Hypomnemata 58] 1979, 211) dagegen vermutet eher eine italische oder afrikanische Herkunft derFamilie. 48 PIR2 I 730; KROLL, RE 10, 1917, 1083f.; PUECH 4855f. Zum Tod des Rusticus vgl. u.a. Plut. 522D-E; Tac.Agric.2; Plin.ep.I 5, 2 undSuet.Dom. 10, 3. 49 PIR2 M 612; GROAG, RE 15, 1932, 1820– 6; PUECH 4861. 50 PIR2 A 1407. 1410; V. ROHDEN, RE 2, 1896, 2384f.; PUECH 4840f. Quietus war 91/92 Statthalter vonAchaia (cos suff. 93); W. ECK, Jahres- undProvinzialfasten der sena138/9, Chiron 12, 1982, 319. torischen Statthalter von69/70– 51 Sosius Senecio ist Adressat zweier Pliniusbriefe (I 13; IV 4), Avidius Quietus kannte Plinius ebenfalls (VI 29, 1; IX 13, 15), undauch Minicius Fundanus warmit dem römischen Schriftsteller befreundet (Adressat der Briefe I 9; IV 15; VI 6; VII 12; siehe auch V 16). Letzterer warwohlauch einBekannter desTacitus. 52 JONES 1971, 61f.

7;

PUECH

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I. Einleitung

schreiben.53 Es wird aber auch deutlich, daß er Kontakte zu Römern hatte, die einerseits zumTeil sehr hohe Ämter innerhalb des Imperiums verwalteten und zum anderen vielseitige kulturelle Interessen zeigten. Kaum zu erklären ist die Tatsache, daßkein bedeutender römischer Zeitgenosse Plutarch, seine Schriften oder seine Vorlesungen in Rom erwähnt hat. GIANAKARIS vermutet, Plutarchs philosophisch-ethische Ansichten sprachen die römischen Historiker undPhilosophen seiner Zeit nicht an.54 Ihn seinerseits interessierte dierömische Philosophie nicht, er zitiert keinen römischen Philosophen, umsich mit dessen Ansichten auseinanderzusetzen.55 Durch diese kurzen Bemerkungen zu Plutarchs Lebensumständen hoffe ich deutlich gemacht zuhaben, daßin Bezug auf die Problemstellung dieser Arbeit mit bestimmten Schwerpunkten zu rechnen ist. Sein intensives Verhältnis zuRomwird sich vermutlich auch dann zeigen, wenn er sprachliche Inhalte aufgreift. Wieweit andere persönliche Erfahrungen Plutarchs für das Thema “ Fremdsprachenproblematik”eine Rolle spielen (z.B. seine Reise nach Alexandria, sein Lehrer Ammonius), soll die vorliegende Untersuchung zeigen.

53 Vgl. z.B. Aemil.1, wo Plutarch schreibt, die Biographien zunächst nur aus Gefälligkeit anderen gegenüber begonnen zuhaben, inzwischen aber mit Spaß bei der Sache zu sein. 54 GIANAKARIS 29f. Siehe auch WARDMAN 37 und GEIGER 1988 Anm.22. BARROW

50 versucht die Frage, warum Plutarch bei zeitgenössischen Autoren nicht erwähnt 43– wird, sowohl mit demDesinteresse der gebildeten römischen Gesellschaft dieser Zeit als auch mitPlutarchs eigenen Interessen zuerklären. 55 Umso bedeutender warderEinfluß Plutarchs undseiner Werke auf dieNachwelt. Zur Textgeschichte undzumNachleben des Autors vgl. vor allem das Buch von HIRZEL; 50; RUSSELL 1973, 143– 62; GIANAKARIS 129– 63. aber auch K. ZIEGLER 947–

II. BEMERKUNGEN ZUM FORSCHUNGSSTAND

Es wurde schon in der Einleitung auf Literatur

eingegangen, die entweder das umfassende Thema der Fremdsprachenproblematik in der Antike oder das spezielle Thema “Plutarch und die fremden Sprachen”behandelt. Zur Fremdsprachenproblematik gibt es bisher einige Artikel, ohne daß das Thema umfassend untersucht worden wäre. Aus diesem Grund taten sich, wie oben angedeutet, Wissenschaftler zu einem Forschungsprojekt zusammen, dessen Ergebnis ein Konferenzband ist (hg. von C. W. MÜLLER u.a.). Die Vielfalt der methodischen Aufarbeitung des Themas zeichnen dieses Buch ebenso aus wie die zeitliche und geographische Bandbreite der einzelnen Beiträge. Den einführenden Aufsatz hat Jürgen WERNER verfaßt, der sich bereits seit einigen Jahren mit dem Problem der Kenntnis und Bewertung fremder Sprachen bei den antiken Griechen beschäftigt. Neben Artikeln, die sich überblicksweise mit dem Thema befassen,56 gehen andere beispielsweise auf den Status des Lesbischen als einer angeblich ‘barbarischen’ Sprache ein57 oder versuchen zu beantworten, was mit dem ‘Kolchische’ gemeint sein könnte.58 Dabei geht es dem Autor in erster Linie darum, ob und wie die Griechen fremde Sprachen reflektiert haben, also um die fremden Sprachen im Bewußtsein der antiken Griechen. Ein Aufsatz von 1983 zeichnet auf dem damaligen Forschungsstand die Entwicklung dieses Bewußtseins vom frühgriechischen Epos (Homer, Aphroditehymnos) über die Tragödie, die Komödie, die Historiker (Herodot), Philosophen (Platon, Demokrit u.a) bis in die römische Zeit (Polybios, Dionysios, Plutarch etc.) nach.59 Die Beiträge von J. WERNER fassen das bisher Bekannte zusammen, grenzen den Gegenstand ein undbringen andererseits durch interessante Fragestellungen neue Aspekte in die Problematik ein. Daneben sei noch auf die Artikel von LEJEUNE, KAKRIDIS undLOCHNER VONHÜTTENBACH verwiesen, die sich hauptsächlich mit der sprachlichen Heterogenität im Altertum befassen. Bei diesen letztgenannten Beiträgen zur 56 57 58 59

J. WERNER 1983. 1989. 1992. 1996.

Ders. 1991. Ders. 1980. 1981. Ders. 1983. Vgl. auch ders. 1989. Hier wird die Problematik der Kenntnis undBe6) bewertung fremder Sprachen im frühgriechischen Epos untersucht. Ein Exkurs (173– schreibt die Entwicklung des Wortes Barbar in der deutschen Sprache. Vgl. dazu mit vieβ ρ ο len Belegen auch W. BRAUN, Barbar von βά α ρ ς , in: E. Ch. WELSKOPF (Hg.), Soziale Typenbegriffe im alten Griechenland und ihr Fortleben in den Sprachen der Welt, Bd. 5: Das Fortleben altgriechischer sozialer Typenbegriffe in der deutschen Sprache, Berlin 68. 1981, 137–

14

II. Bemerkungen zumForschungsstand

Fremdsprachenproblematik wie auch bei denWerken zumDolmetscherproblem (siehe unten) fällt auf, daß im wesentlichen immer auf die gleichen, meist hinlänglich bekannten Stellen aus den Schriften der antiken Autoren zurückgegriffen wird. Nicht zuletzt darum ist die auf einer Aufarbeitung aller verfügbaren Quellen beruhende Gesamtdarstellung, wie sie in dem oben genannten Projekt begonnen wurde, mehr als wünschenswert. Die hier erwähnten Wissenschaftler sind in ihren Arbeiten mehr oder weniger zuder Erkenntnis gekommen, Griechen undRömer hätten nursehr geringes Interesse für fremden Sprachen gezeigt, was aber erst nach einer gründlichen Untersuchung definitiv festgestellt werden könnte. Ich möchte hier nicht weiter auf die allgemeinen Darstellungen eingehen, sondern verweise dabei auf dieAusführungen in denBeiträgen vonJ. WERNER.60 Bei derFrage nach derVerständigung verschiedensprachiger Menschen im Altertum spielt die Frage nach Dolmetschern in der bisherigen Forschung eine vergleichsweise große Rolle. Daher gibt es zu dieser Problematik relativ viel Literatur. H. S. GEHMAN hat in seiner Dissertation von 1914 zahlreiche Beispiele zusammengetragen, übersichtlich in verschiedenen Bereichen zusammengefaßt undinterpretiert. In demBand Beiträge zur Geschichte des Dolmetschens, herausgegeben von K. THIEME u.a., ist ein Beitrag vonA. HERMANN demDolmetschen imAltertum gewidmet. Der Autor, dessen Artikel ebenfalls auf einer umfangreichen Quellensammlung aufbaut, untersucht zuerst die Überlieferungen über Dolmetscher in Altägypten, umsich dann mit denAussagen zur griechisch-römischen Antike zu beschäftigen. Von HERMANN wurde ebenso der Artikel Dolmetscher im RAC verfaßt, derneben denoben genannten Bereichen die Äußerungen der christlichen Literatur über Dolmetscher verarbeitet. In erster Linie umDolmetscher geht es P. R. FRANKE in seinem Artikel Über die Vermittlung fremder Sprachen in der Antike. Zeitlich eingegrenzt hat er die Problematik in seinem Referat Dolmetschen in hellenistischer Zeit, in dem die Zeit Alexanders in den Mittelpunkt gestellt worden ist. In Werken, die sich mit ‘barbarischen’ Sprachen, mit demVerhältnis Griechen/Römer –‘Barbaren’ u.ä. befassen, sind vielfach Abschnitte der Dolmetscherproblematik gewidmet. So schreibt J. P. V. D. BALSDON im zehnten Kapitel seines Buches Romans andAliens z.B. über “ Communication, ‘Barbarous Languages’, and Interpreters” .61 Allerdings erscheinen in diesen Werken häufig dieselben Belegstellen (vor allem Herodot, Livius undCicero), so daßauch bei diesem Thema eine vollständige Aufarbeitung derantiken Aussagen nötig wäre. Ein

60 Eine umfangreiche Bibliographie zumThema wurde in demschon mehrmals wähnten Konferenzband zusammengestellt. 61 Auch LEJEUNE 57ff. widmet diesem Thema einige Seiten.

er-

II. Bemerkungen zumForschungsstand

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Buch zu dem Thema Griechische Söldner im Achaimenidenreich von G. SEIBT beispielsweise, in demmandie Frage nach der Verständigung erwartet hätte, läßt dieses Problem völlig beiseite. H. ZIEGLER ist in seinem Werk über die Beziehungen zwischen Rom K. – unddemPartherreich wenigstens in einer recht ausführlichen Anmerkung (S. 21) auf dasProblem derKommunikation zwischen denVertretern beider Reiche bei Verhandlungen eingegangen. Er ist der Meinung, die Verhandlungen hätten in griechischer Sprache stattgefunden, da sowohl Römer als auch Parther griechisch sprachen (vgl. dazu auch S. 16 bei ZIEGLER). Schon diemit denhellenistischen Herrschern abgeschlossenen Bündnisverträge der

Parther wären in griechischer Sprache ausgeführt worden. ZIEGLER überlegt das Griechische als die allgemeine Sprache sogar völlig zurecht, ob nicht “ des internationalen Staatenverkehrs der östlichen Mittelmeerwelt und des Vorderen Orients im römisch-hellenistischen Zeitalter”anzusehen sei, und er vergleicht es mit solchen “Diplomatensprachen”wie dem Akkadischen deszweiten vorchristlichen Jahrtausends, demmittelalterlichen Latein sowie demFranzösischen derNeuzeit. Eine fast unübersehbare Anzahl vonMonographien undArtikeln gibt es Griechen/Römer –‘Barbaren’” . Oft spielen in diesen WerzumVerhältnis “ kensprachliche Probleme garkeine Rolle oder werden nuramRande behandelt. In dieser Beziehung scheinen die modernen Wissenschaftler den antiken Historikern und Geographen in nichts nachzustehen. (Ausnahmen auf beiden Seiten gibt es selbstverständlich, aber genau das soll schließlich untersucht werden.) Das verwundert insofern, als doch die sprachliche Verschiedenheit eines der auffallendsten Merkmale zwischen den Völkern ist. Es wurde zwar die gegenseitige Beeinflussung auf den verschiedensten Gebieten untersucht, aber selten die im sprachlichen Bereich. G. SEIBT z.B. beschreibt in seinem Buch die Einwirkung aller möglichen Faktoren auf die griechischen Söldner imAchaimenidenreich undumgekehrt denEinfluß der Griechen auf die Perser, sprachliche Dinge aber erwähnt er nie. Auch das Summary der Dissertation von D. C. HOODPlutarch and the Persians (das vollständige Werk war mir leider nicht zugänglich) läßt die Behandlung sprachlicher Probleme nicht erwarten. Eine wichtige Grundlage aufdiesem Gebiet ist immer noch J. JÜTHNERS Hellenen undBarbaren”von 1923.62 Er deckt viele Aspekte desVerhältnis“ ses ab, darunter auch densprachlichen. In erster Linie kennzeichnet Jüthner

62 Vgl. die Rezensionen mit weiterführenden Gedanken vor allem zu begrifflichen 46 sowie von E. MEYER, DLZ 28, 1926, 1343– Fragen von W. OTTO, PhW46, 1926, 39– 6, der noch einmal die inhaltlichen Wandlungen der Begriffe Ἕ ρ ε η ν ο λ ςundβάρβα ιherλ ausstellt.

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II. Bemerkungen zumForschungsstand

die Entwicklung dieser Beziehung, die imPrinzip mit denPerserkriegen begonnen hatte (von da an war der Gegensatz Griechen –‘Barbaren’ ausgeprägt), bis in die Zeit des Christentums. Ein Standardwerk ist JÜTHNERS RAC-Artikel, der durch den Nachtrag von OPELT/SPEYER aktualisiert wurde. Naturgemäß liegt hier der Schwerpunkt auf der christlichen Zeit, aber die Entwicklung desBegriffs ‘Barbar’undderBeziehung derBarbaren zu Griechen und Römern wird auch für die griechisch-römische Epoche überzeugend dargestellt. Auf die Anfänge des Verhältnisses zwischen Griechen und ‘Barbaren’ ohne näheres Eingehen auf sprachliche Probleme konzentrierte sich U. WILCKEN in seiner Leipziger Antrittsvorlesung im Jahre 1906. H. WERNERS Barbarus-Artikel von 1918 zeichnet die Entwicklung und vor allem Wandlung des Begriffs Barbarus bis in die Neuzeit nach. Von den Anfängen der griechischen Literatur über die Klassische Epoche bis zum Hellenismus untersuchte B. FUNCK die ρ ο β α ρ ςin den Werken der griechischen Schriftstellern Reflexion von β ά dieser Zeit (Homer bis Aristoteles). Die Wechselwirkungen zwischen Griechen und ‘Barbaren’ und vor allem die Einschätzung der ‘Barbaren’ durch die Griechen stehen im Mittelpunkt von H. DÖRRIES Artikel Die Wertung der Barbaren im Urteil der Griechen (1972), wobei aber auch hier sprachliche Probleme außer acht gelassen wurden ebenso wie zumgrößten Teil in denBeiträgen desKonferenzbandes Grecs et Barbares von 1962. Dagegen ist BALSDON bei seiner Beschäftigung mit Romans andAliens recht ausführlich auf die Kommunikation zwischen Römern und Fremden eingegangen. Diese letztgenannte Publikation ist damit eine derwenigen Arbeiten mit der Thematik Griechen/Römer –‘Barbaren’, die ausführlicher Kommunikationsprobleme einbezieht.63 Injüngster Zeit hat Albrecht DIHLE (Die Griechen und die Fremden, 1994) das Thema Griechen –‘Barbaren’

wieder aufgegriffen. In seiner interessanten Darstellung dieser Beziehung von Homer bis in die christliche Zeit bezieht DIHLE die sprachliche Komponente mit ein, wenn es sich für seine Darlegungen anbietet (z.B. 14ff. 32. 53. 80f. 94f. 108. 113. 127f. 135. 136. 141f. 144f. 154). Das bedeutet andererseits jedoch, daß auch er sich nicht eingehender und ausführlicher mit der Sprachenproblematik beschäftigt hat. Einige Philologen haben die Wechselwirkungen zwischen Griechen und Römern in der Kaiserzeit analysiert. Dabei ist Plutarch oft als Quelle mit einbezogen worden. Besonders wichtig sind die Beiträge von L. HAHN, vor allem RomundRomanismus imgriechisch-römischen Osten. Der Untertitel schließlich zeigt die Bedeutung derArbeit für unser Thema: Mit besonderer

63 Das tut auch, wie schon im Titel ersichtlich ist, der Beitrag Greeks, Barbarians, Language, andContact.

von D. J.

MOSLEY

II. Bemerkungen zumForschungsstand

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Berücksichtigung der Sprache. HAHNzeigt die vielfältigen Einflüsse der Römer auf die Griechen von der italischen Zeit bis Hadrian in allen möglichen Bereichen, wobei er fürjede Epoche auch immer die sprachlichen Einflüsse durch die griechischen Übersetzungen lateinischer Termini in Urkunden, Senatsbeschlüssen und anderen offiziellen Dokumenten aufzeigt. Außerdem hat er die Werke der wichtigsten griechischen Schriftsteller derjeweiligen Epoche wie die des Polybios, Poseidonios, Dionysios von Halikarnassos, Juba, Diodor, Strabon, Plutarch u.a. daraufhin untersucht, welche lateinischen Wörter sie woher übernommen, welche sie übersetzt, welche sie nur transkribiert haben undwie sich die lateinische Terminologie bei den griechischen Schriftstellern entwickelt hat. Auch Plutarch verwendet in seinen Schriften Latinismen undÜbersetzungen lateinischer Termini, die von HAHNzusammengetragen undausgewertet wurden. Die Sprachverhältnisse in den römischen Provinzen wurden in einem Sammelband (hg. v. NEUMANN/UNTERMANN) analysiert, was allerdings insgesamt für mein Thema weniger ergiebig war. Gleiches gilt für denAufsatz von SOFER Reichssprache und Volkssprache im römischen Imperium. R. SCHMITT dagegen zog in seinem Artikel Die Sprachverhältnisse in den östlichen Provinzen des Römischen Reiches für die Untersuchung der Rolle des Lateinischen sowie des Griechischen im Imperium des öfteren Plutarch als Quelle heran. Im folgenden Abschnitt wird diejenige Literatur imMittelpunkt derBetrachtungen stehen, die sich speziell mit Plutarch oder dessen Werk auseinandersetzt.64 Es ist eine recht große Anzahl von Monographien erschienen, die unter jeweils verschiedenen Gesichtspunkten das Leben und Wirken Plutarchs, sein privates undpolitisches Umfeld, seine Arbeit undz.T. sein Nachwirken zumThema haben. Die Werke von VOLKMANN (1869), MUHL (1885) und HIRZEL (1912) sind trotz ihres Alters immer noch nützlich und vor allem lesenswert, weil sie mit viel Sympathie für “ihren”Autor verfaßt worden sind. VOLKMANN hat die philosophischen Anschauungen Plutarchs in den Mittelpunkt seiner Studien gestellt, während HIRZEL fast zwei Drittel desBuches demNachleben desAutors undseiner Schriften widmete. Richtungsweisend undbis heute das Standardwerk ist derumfangreiche RE-Artikel von Konrat ZIEGLER. Er faßt alles zusammen, was wir aus Plutarchs Werken (darüber hinaus gibt es nurwenig Zeugnisse) über diesen, seine Fa-

64 Die Forschungsliteratur zu Plutarch ist vor allem in den Artikeln von HAUSER (1936; Viten), SCARDIGLI (1979 und 1986; Römerbiographien), PODLECKI/DUANE (1992; Viten der Griechen), TITCHENER (1992; Römerbiographien), FLACELIÈRE (1969; Moralia), BARTHELMESS (1986; Moralia) sowie HARRISON (1992; “ nichtphilosophische”Schriften derMoralia) zusammengetragen worden.

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II. Bemerkungen zumForschungsstand

milie, sein Studium, seine Reisen, seine Lehrtätigkeit undseine Arbeit als Schriftsteller wissen. Außerdem bespricht ZIEGLER sehr ausführlich die einzelnen Schriften Plutarchs, ihre Chronologie, die Quellen und die Form, seine philosophischen Ansichten und schließlich die Wirkungsgeschichte seiner Werke. ZIEGLERS Arbeit ist so umfassend unddetailreich, daß sie im Ganzen noch lange Zeit Bestand haben wird, obgleich es für einzelne Probleme wiedie Quellenfrage, die Chronologie, dasVerhältnis zuRomandere undz.T. neuere Untersuchungen gibt. Die Quellenfrage steht seit mehr als hundert Jahren im Mittelpunkt der Plutarchforschung, ähnlich wie die Frage nach der Chronologie der einzelnen Schriften, vor allem der Parallelbiographien. Auf diese Literatur gehe ich in den entsprechenden Abschnitten näher ein. In den letzten Jahren konzentrierte man sich weniger auf die Frage, welche Quellen Plutarch

benutzt hat, als vielmehr darauf, wieer seine Quellen übernommen undverarbeitet hat. (Das gilt genauso für die Beschäftigung mit anderen antiken Autoren.) Eine Reihe englischsprachiger Monographien zu Plutarch ist vor allem in den späten 60er und70er Jahren erschienen. Das für unser Thema wichtigste Buch ist C. P. JONES’Plutarch andRome. Er hat Plutarchs Leben und dessen Schriften vor demHintergrund derBeziehungen zumImperium Romanum beleuchtet. JONES’ Beurteilung der Lateinkenntnisse Plutarchs möchte ich allerdings nicht folgen.65 Er glaubt, Plutarch habe es aus den verschiedensten Gründen garnicht nötig gehabt, Latein zulernen. Damit unterbewertet er meiner Meinung nach die Kenntnisse Plutarchs. Der überwiegende Teil derForscher, die sich meist amRande mitdieser Frage auseinandersetzten, schätzen Plutarchs Lateinkenntnisse so ein, daßer durchaus lateinische Literatur zulesen imstande war(Vgl. unten S. 33ff.). Sowohl BARROW (1967), GIANAKARIS (1970) als auch RUSSELL (1973) zeichnen in ihren Monographien das Leben des griechischen Autors nach, erhellen die Zeitumstände, in denen er lebte (dabei spielt sein Verhältnis zu Rom immer eine große Rolle), undversuchen vor allem, seine philosophischen undpolitischen Überzeugungen sowie seine Absichten in denWerken zu ermitteln. AALDERS (1982) hat Plutarchs politische Einstellungen unter-

65 JONES 1971, 81f. Die Bedeutung desBuches zeigen die zahlreichen, im Grundtenorpositiven Rezensionen. Viele Rezensenten haben sich mitJONES’Meinung zuPlutarchs Lateinkenntnissen undQuellenbenutzung beschäftigt, folgen ihraber in denmeisten Fällen nicht. Als Beispiel sei hier lediglich auf P. A. STADTER 1972; R. FLACELIÈRE, AC 41, 1972, 275f.; H. MARTIN JR., CW 66, 1972, 180f.; B. SCARDIGLI, Athenaeum 51, 1973, 61; J. BRISCOE, CR 24, 1974, 202ff. verwiesen. Dagegen RUSSELL 1972, der JONES 455– Ansichten verteidigt, wobei er in seiner eigenen Plutarch-Monographie ein Jahr später meiner Meinung nach eine andere Tendenz vertritt.

II. Bemerkungen zumForschungsstand

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sucht, sein Verhältnis zu politischen Idealen, zu den verschiedenen Regierungsformen und zur Herrschaft des römischen Imperiums.66 WARDMAN (1974) dagegen nahm sich nur die Parallelbiographien vor unduntersuchte die Absicht, die Plutarch darin verfolgt, die Methode, die Auswahl undBeschreibung derCharaktere u.ä. Diese Werke berühren mein Thema meist nur teilweise und am Rande. Daß die Fremdsprachenproblematik (bzw. über) in denSchriften Plutarchs Plutarch unddie Fremden” haupt die Thematik “ bisher wenig Beachtung fand, zeigt sich u.a. darin, daß PODLECKI und DUANE in ihrem ANRW-Artikel zur Forschungsliteratur unter der ÜberNon-Greeks”lediglich zwei Werke anführen, nämlich HOOD, Plutschrift “ β ρικ ρ α ό η λ ν λ ικ ό ς . ς–βα arch and the Persians undNIKOLAÏDIS’ Artikel Ἑ NIKOLAÏDIS untersucht darin die Charakteristika, die Plutarch jeweils zur Beschreibung von Griechen und ‘Barbaren’ heranzog. Plutarch habe zwar schwarz-weiß-Schema”benutzt, die Begriffe dabei durchaus das übliche “ daß er die eigentlich den ‘Barbaren’ zuverselbständigt, so teilweise aber für Griechen verwendete. auch kommenden Bezeichnungen Plutarchs sprachliche Interessen untersuchte Otto GÖLDI 1922 in seiner Dissertation. Er nahm sich vorallem des sprachwissenschaftlichen Materials an, das er in den Werken Plutarchs einschließlich der überlieferten FragPlutarchs Stellung mente (BERNARDAKIS Bd.VII) gefunden hat. Er wollte “ zur Grammatik undphilosophisch orientierten Sprachwissenschaft früherer Zeit ... erkennen ... Der zweite Hauptteil, von demnur einzelne Abschnitte gedruckt werden, ist ein Verzeichnis derEinzelheiten mit dennotwendigen Erläuterungen.”(S.1). Durch diese kurze Darstellung seines Vorhabens wird ersichtlich, daß sich der Gegenstand von GÖLDIS Dissertation völlig von dem meiner Arbeit unterscheidet. Allerdings hat GÖLDI auch Etymologien (griechische, lateinische, ’barbarische’), Latinismen sowie Wörter aus anderen Sprachen (Persisch, Ägyptisch etc.) zusammengetragen. Diese Aufstellung ist jedoch keineswegs vollständig (vgl. z.B. die ägyptischen Etymologien Plutarchs) undim wesentlichen lediglich eine Zusammenstellung der Passagen. Es gibt nur wenig Interpretationen oder weiterführende Erläuterungen. Der zweite Teil der Arbeit, der u.a. Plutarchs Bemerkungen zu grammatischen Gegenständen wie Wortbildung, Lautlehre u.ä. sowie Glossen und Eigennamen bespricht, liegt nicht in gedruckter Form vor. Kaum beachtet wurden von GÖLDI Plutarchs Bemerkungen zu Dolmetschern und anderen polyglotten Personen, zumErlernen fremder Sprachen sowie Plutarchs Bemerkungen zuanderen Sprachen (letzteres in geringem Maße). Eine Reihe vonKommentaren gibt es zudeneinzelnen Biographien und zu den verschiedenen Schriften der Moralia. Die Bemerkungen zu sprach-

66 Vgl. auch PELLINGS Essay von 1986 Plutarch andRoman Politics.

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II. Bemerkungen zumForschungsstand

lichen Angelegenheiten in den uns interessierenden Passagen sind meistenteils eher spärlich. Daszeigt die stiefmütterliche Behandlung dieser Aspekte auch in Bezug auf Plutarch, wenn manvon der Frage nach seinen Lateinkenntnissen in Verbindung mit der Frage nach der Benutzung lateinischer Quellen einmal absieht. Zueinzelnen Biographien sind gerade in letzter Zeit in England eine Reihe neuer, ausführlich kommentierter und mit meist umfassenden Einleitungen versehenen Übersetzungen erschienen,67 so u.a. zum Leben Alexanders (HAMILTON 1969), Themistokles’ (FROST 1980), Brutus’ (J. L. MOLES, Oxford 1979), Antonius’ (PELLING 1988), Ciceros (MOLES 1988), Aristeides’ und Catos (SANSONE 1989), Perikles’ (STADTER, Chapel Hill/London 1989) unddes Sertorius (KONRAD 1994).68 Aus der Masse der zu den einzelnen Schriften der Moralia verfaßten Kommentare sollen lediglich vier herausgehoben werden, die unser Thema besonders interessierende Werke betreffen. Zuderbedeutenden Schrift über die ägyptische Religion De Iside et Osiride hat Th. HOPFNER 1941/42 einen umfassenden Kommentar (mit Text und deutscher Übersetzung) heraus-

gegeben unddamit denälteren vonPARTHEY abgelöst. Im ersten Teil über21), im zweiten die anderen setzt und analysiert er die Osirissage (c. 12– Teile desPlutarchtextes. HOPFNER beschäftigt sich eingehend mit denvielen ägyptischen Etymologien Plutarchs, mit dessen Bemerkungen zu dieser Sprache, zu den Hieroglyphen u.ä. Im Jahre 1970 schließlich erschien von G. W. GRIFFITHS eine neue Ausgabe dieser Plutarchschrift mit dem Text, einer englischen Übersetzung, einer detaillierten Einleitung und einem umfangreichen Kommentar, derrecht ausführlich auf Fragen eingeht, die für das Thema der vorliegenden Arbeit interessant sind. Das dritte wichtige Werk stammt von H. J. ROSE aus demJahre 1924. Er hat eine neue Übersetzung der Quaestiones Romanae mit Einleitung undKommentar verfaßt unddie sprachlichen Bemerkungen Plutarchs durchaus beachtet. In derEinleitung behandelt er die möglichen Quellen dieser Schrift. Schließlich gibt es in jüngster Zeit einen umfangreichen Kommentar von TEODORSSON zu den Quaestiones convivales, der inzwischen in drei Bänden und damit vollständig vorliegt.69

67 Auch in Italien werden solche kommentierten Ausgaben einzelner Biographien (oder Paare) herausgegeben. Als Beispiele seien lediglich angeführt: Theseus/Romulus (C. AMPOLO/M. MANFREDINI 1988), Demetrius/Antonius (A. di OSVALDA/M. MANFREDINI, Milano 1989), Kimon/Lucullus (C. DICARENA/M. MANFREDINI, Milano 1990). 68 An dieser Stelle möchte ich auf den Band Plutarch and the Historical Tradition (1992), hg. v. P. A. STADTER, verweisen, dessen einzelne Artikel sehr ausführliche bibliographische Angaben aufweisen unddenderzeitigen Forschungsstand repräsentieren. 69 Zu erwähnen sind an dieser Stelle noch die Kommentare vonFLACELIÈRE zu den drei pythischen Dialogen.

II. Bemerkungen zumForschungsstand

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Dieser kurze Überblick sollte zeigen, daß eine Darstellung der Fremdsprachenproblematik insgesamt ebenso fehlt wie eine Aufarbeitung dieses Themas für das umfangreiche Werk Plutarchs. Es werden sprachliche Probleme zwar immer wieder angesprochen, aber meist nur im Zusammenhang mit anderen Fragestellungen.

III. DIE CHRONOLOGIE DER PLUTARCHISCHEN SCHRIFTEN 1. DIE PARALLELBIOGRAPHIEN

Die Frage nach der relativen Chronologie der Parallelbiographien ist von Wissenschaftlern fast ebenso häufig gestellt worden wie die nach denQuellen, die Plutarch benutzt haben könnte. Es wurden eine Reihe vonLösungen vorgeschlagen.70 Für uns ist die Frage wichtig, ob sich innerhalb der Viten eine Entwicklung in Bezug auf die hier untersuchte Problematik ablesen ι eventuell mehr fremde ίο läßt, d.h. ob Plutarch in den später verfaßten β Sprachen, Etymologien, Dolmetscher etc. erwähnt als in den früheren oder umgekehrt. Oder bestätigt sich meine Vermutung, die entsprechenden Passagen seien unabhängig von chronologischen Gesichtspunkten in den Biographien zu finden, in denen sie sich vom inhaltlichen Aspekt her anbieten? Also wären beispielsweise in denBiographien der frühen Römer (Romulus, Numa, Coriolan) besonders viele lateinische Etymologien zu finden, weil er dort römische religiöse undstaatliche Einrichtungen erklärt (entsprechend in denen der Griechen Theseus, Lykurg etc. griechische). In den Viten der Römer aus der späten Republik dagegen würde man Bemerkungen über Griechischkenntnisse erwarten, diein derdamaligen Zeit einfach zur Bildung eines Römers gehörten. Erwähnungen von Dolmetschern sind z.B. eher in derThemistokles- oder Alexanderbiographie zu vermuten, was die Nachrichten anderer Historiker wie Herodot undXenophon bestätigen würde. Bewahrheitet sich diese Vermutung, müßten die Parallelbiographien in das Gesamtwerk und dessen Chronologie eingebunden werden. Sie sind ebenso wie ein Großteil der Schriften derMoralia erst in denletzten Lebensjahrzehnten Plutarchs, d.h. nach 96 n. Chr. verfaßt worden,71 so daß sich eventuell im Zusammenhang mit Plutarchs Lateinkenntnissen Aussagen zum Verhältnis der Chronologie und der Bemerkungen zurFremdsprachenproblematik treffen lassen. Die beiden erhaltenen Kaiserbiographien (Galba und Otho) und damit ebenso die verlorenen Lebensbeschreibungen der Kaiser von Augustus bis Vitellius sind aber zweifellos einige Jahre vordenParallelbiographien entstanden.72 Ausgangspunkt der Untersuchungen zur zeitlichen Reihenfolge der Parallelbiographien waren bei denmeisten Forschern die Aussagen Plutarchs 70 Vgl. MUHL; MEWALDT 1907; STOLTZ; THEANDER 1958; JONES 1966. 71 K. ZIEGLER 713. 72 STOLTZ 67; JONES 1966, 71.

1. DieParallelbiographien

23

über den Platz eines bestimmten Paares73 sowie seine Selbstzitate.74 Während die Aussagen Plutarchs zur Reihenfolge bestimmter Viten nicht

angezweifelt wurden unddaher keinen Anlaß zur Diskussion boten, war es mit den Selbstzitaten anders, da sie teilweise als Wechselzitate auftraten.75 Diese sind im allgemeinen als echt, dh. nicht interpoliert anerkannt worden.76 MEWALDT glaubte, die Paare Caes./Alex. und Brut./Dion seien vonPlutarch gleichzeitig herausgegeben worden, undverweist dabei auf die entsprechenden Wechselzitate.77 Zu dieser Gruppe gehören seiner Meinung nach ebenso die Paare Aemil./Tim. sowie Ages./Pomp., da Plutarch in Pomp.16 auf Brutus verweist und in Caes.35. 45 auf seine Pompeiusbiographie. Fürdiese Paare habe er größtenteils diegleichen Quellen nutzen können (Dion und Timoleon sowie Pompeius, Caesar und Brutus). Ein weiterer Hinweis auf die gleichzeitige Herausgabe von Biographien ist für MEWALDT die Tatsache, daß Plutarch nureinige ausdrücklich Sosius Senecio gewidmet hat, diesem jedoch sicherlich dasganze Werk zueignen wollte. In den oben genannten Biographien erscheine nur eine Dedikation in Dion 1, was die Herausgabe dieser Biographien in einer Gruppe wahrscheinlich mache. Er stellt diese Gruppe an die 12. (vgl. Dion 2) bis 15. Stelle. Ebenso glaubt MEWALDT, die Paare Alk./Coriol. undNik./Crass. seien gleichzeitig herausgegeben worden, undplaziert diese an die 20. und21. Stelle.78 Allerdings hater dasPaar Thes./Rom., dasnach Plutarchs eigenen Angaben eher amEnde derViten stehen müßte (Thes.1), zusammen mit Lyk./Num. an die 7. bzw. 8. Position gesetzt. STOLTZ hat in seinem Buch diese Schlußfolgerungen MEWALDTS angezweifelt undzu widerlegen versucht. Plutarch könne nicht an mehreren Paaren gleichzeitig gearbeitet haben, das entsprä-

73 Dem.3 (Dem./Cic. als 5. Paar); Per.2 (Per./Fab.Max. als 10. Paar); Dion 2 (Dion/ Brut. als 12. Paar); Thes. 1(Thes./Rom. als eines derletzten Paare). 74 Die Abfolge im sogenannten Lampriaskatalog sowie in denHandschriften hatmit der tatsächlichen Reihenfolge bei der Entstehung nichts zu tun; K. ZIEGLER 1907, 5f. Bis auf drei Ausnahmen hat Plutarch denGriechen stets demzumeist jüngeren Römer vorangestellt. Die Ausnahmen sind Coriolan vor Alkibiades (der Römer lebte früher), Aemilius vorTimoleon undSertorius vorEumenes; ZIEGLER a.a.O. 28ff. 75 Dion 58 zitiert die Vita des Timoleon, Tim.13. 33 seinerseits die des Dion; Brut.9 zitiert Caesar, Caes.62. 68 denBrutus; Cam.33 zitiert Romulus, Rom.21 u. Thes.1 dasPaar Lyk./Num.; Num.9. 12 denCamillus. Zurwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesemThema K. ZIEGLER 900– 3. 76 MEWALDT 1907, 566; STOLTZ 127; MEWALDT 1930; K. ZIEGLER 902; BROZEK 76ff.; JONES 1966, 66; PELLING 1979, 80 u.a. 77 MEWALDT 1907, 567f. 78 Ebd. 575.

24

III. Die Chronologie derPlutarchischen Schriften

che nicht seiner Arbeitsweise.79

STOLTZ’ Meinung

nach sind die Wechselzitate zustandegekommen, weil Plutarch Vorarbeiten für die Biographien gemacht und diese für mehrere zeitlich und inhaltlich ähnliche Darstellungen genutzt habe. Dabei hätte er dann Verweise auf eine Biographie, die er anhand derVorarbeiten zuschreiben beabsichtigte, in die gerade bearbeitete einfügen können. Auch PELLING glaubt an eine gleichzeitige Vorbereitung (“ ), was für ihn aber nicht zwangsläufig simultaneous preparation” gleichzeitige Veröffentlichung bedeutet.80 K. ZIEGLER schlägt als Lösung vor, Plutarch könnte einige Zitate erst nachträglich selbst eingefügt haben. Er hat nach ZIEGLERS Ansicht die Ergänzungen in die ihm zugänglichen Exemplare eingetragen, und bei erneuten Abschriften sind dann die Verweise in denText übernommen worden.81

PLUTARCHS ARBEITSWEISE

Diese Probleme werfen die Frage nach Plutarchs Arbeitsweise auf.82 Er hat ῳκ α ὶ μ έ η ν λ έν β εβ τ ο ῷμ ισ ύ ν α τ ο ξ ινὑπ sich dazu selbst geäußert: τ ’ οἰκείω ν ,ἀ λ ὰξέν λ ο λ λ ντ ν ετ νπ ῶ ω ῶ δ ὐ νο ω είρ χ ο ρ ρ ν ,ἐ ία ὐπ το ξο ἱσ ῆ ν ῷ ὄ ν ρ τ μ ά τ ιχ ν σ ,τ ω νἀναγνω α ο σ ιςσ ῦ ν υ ιο νἑτέρ ν νἐ έ ω μ ρ α α κ ὶδιεσπ ᾽κ ὰ α νπ ν ὶφ ό ο λ ιλ ινεὐδόκιμ α ό κ λ ο ν ά λ α’τ ισ τ ε ρ α χ ινκ ρ ὶμ ῶ τ ο νὑπ ά π ν ο νἔχ ία ν θ , κ α δ νἀφ ω λ ν α π ίω το ῶ ὶ επ α ντ ιβ , ὡ ρ ν ω ο π ςβ θ α ν κ ά ο ὶπ λ υ η μ ς ἐπ ιφ α ν ρ εσ α ν ρ τέ ίᾳμνή η ν ό ασ γ τ ω ν α τ ο τ ὅ σ ατο υ ς διαφ ὺ ς γράφ η δ β ε ά ν ν ὸ κ ο νἀ μ εν ω ῇκ ο α ν ό ςτ ε α η μ ς ,μ υ ν θ ὶδιαπ επ ἴλ φ ν ῶ ίσ τ ο α λ ιν , ὑπ ο ν . “ ὸἔργ ο γ Wer sich jedoch der Aufgabe ὲ κ α δ ιδ ίητ ε ο δ ἀ ν α π ίω νἐν ςἀ unterzogen hat, ein Geschichtswerk zu schreiben, dasausderLektüre größtenteils anderen gehöriger, vielfach zerstreuter Schriften, die er nicht selbst besitzt noch zur Hand hat, zusammenkommen muß, der sollte tatsächlich zuerst undvor allen Dingen eine altberühmte, volkreiche, für alles interes-

79 STOLTZ 65f.

80 PELLING 1979, 75– 83. Er versucht auch zuklären, was‘simultaneous preparation’ konkret bedeutet (83ff.). Ebenso ders. 1990, 39f. Siehe auch BROZEK 78 undJONES 1966, 66f.

81 Als letzte, für ZIEGLER allerdings sehr unglückliche und auch nicht überzeugende Möglichkeit zieht er die Beseitigung der Wechselzitate durch Tilgung der Verweise Dion 58, Brut.9 undCam.33 in Betracht (901ff.). 82 Vgl. die sehr aufschlußreichen Artikel von PELLING 1979 sowie 1980 im JHS sowie 1990 in demBand Antonine Literature. Er versucht zu beantworten, woher Plutarch sein Wissen hatte undauf welche Art undWeise er die Quellen, die ihm zur Verfügung standen (mündliche undschriftliche), aufbereitete undnutzte. VANDERSTOCKT (287ff.) hatdieArbeitsweise in denQuaestiones Romanae analysiert.

1. DieParallelbiographien

25

sierte Stadt zum Wohnsitz haben, damit er eine große Menge verschiedenster Bücher zu seiner Verfügung hat, dazu alles, was in den Büchern nicht zu finden ist, aber im Gedächtnis aufbewahrt und sicher genug beglaubigt ist, mit den Ohren aufnehmen und erkunden und so ein Werk liefern kann, in dem nichts von dem Erforderlichen fehlt.”(Dem.2).83 Plutarch, der den größten Teil seines Lebens in Chaironeia verbracht hat, preist an dieser Stelle zwar denVorteil Roms für seine Arbeit, bekennt aber dennoch, lieber in seiner Vaterstadt zu leben. Da ihm große Bibliotheken dort nicht zur Verfügung standen (wiewohl seine eigene sicherlich nicht gering zuschätzen ist), warer auf eine Auswahl vonBüchern, auf seine Notizen, sein Gedächtnis undseine Freunde angewiesen. Während der Reisen nutzte er jede erdenkliche Gelegenheit, um sich zu informieren.84 Vieles wird er in seinem Gedächtnis gespeichert haben, die mnemonischen Leistungen in der Antike sind mit denen der heutigen Zeit, wo es Nachschlagewerke und andere Hilfsmittel gibt, nicht zu vergleichen. Irrtümer, historische Ungenauigkeiten, falsche Zitate, Doppelnennungen u.ä. gehen nicht zuletzt darauf zurück, daß sich Plutarch bei der Darstellung von Ereignissen oft auf sein Gedächtnis stützen mußte. Allerdings erscheint mir die Annahme ZIMMERMANNS, Plutarch habe beim Schreiben selbst keine Quellen zur Verfügung gehabt undsich allein auf sein Gedächtnis verlassen,85 nicht richtig und bei der Fülle des Materials, das er verarbeitet hat, trotz aller Zugeständnisse an die mnemonischen Leistungen, auf die ZIMMERMANN verweist, kaum nachvollziehbar.86 Wichtige Werke (oder zumindest größere Teile davon) wie die von Homer, Hesiod, Pindar, Herodot, Thukydides, der Tragiker und Komödiendichter, des Polybios, Dionysios von Halikarnassos u.a. wird er zweifellos im Kopf gehabt haben, andere

83 Die Übersetzungen nach K. ZIEGLER/W. WUHRMANN, Große Griechen und Rö-

65. mer, Zürich 1954–

84 GOSSAGE (51) schreibt dazu: “ For the Roman lives, Plutarch had read a fair amount of Latin, in particular Nepos, Livy, Cicero, and Caesar. In addition to written sources, he drew on local oral traditions for certain details. Hestudied public monuments, votiv offerings, tombs andstatues of famous men, whenhecould learn from them anything of relevance to hispurpose, andhehadvisited forhimself thesites of certain battles.”Siehe auch BARROW 152f. 85 ZIMMERMANN 60ff.

86 Das glaubt auch BARROW (153), wenn er schreibt: “ ... the memory of students in those times must have been by modern standards, remarkable; but such are Plutarchs resources of detailed andexact knowledge, so accurate arehisthousands of references, ... and so wide the range of his reading that he must have relied onmore than memory ... In that case Plutarchs notebooks contained not only quotations ..., but also summaries and abstracts, some at length, some little morethan mainheadings.”

26

III. DieChronologie derPlutarchischen Schriften

bedeutende Bücher besaß er selbst.87 Darunter waren auch Bücher lateinischer Schriftsteller, die er entweder in Romerworben hat oder die ihmvon seinen römischen Freunden zugeschickt worden sind. Andererseits standen Plutarch Sammlungen in der Art der unter seinem Namen veröffentlichten Reg. et imp. apophth. undApophth. Lac. zurVerfügung. Solche Sammlungen waren durchaus verbreitet, mandenke beispielsweise an die Sammlung der Aussprüche Catos.88 Zum Teil wird sich Plutarch solche Exzerpte bei seinen Arbeiten in denBibliotheken vonRomundAthen selbst zusammengestellt haben. Mit diesen “ 89hat er die meist auf einer oder Lesefrüchten” mehreren Hauptquellen beruhenden Werke bereichert. Plutarch verschweigt nicht, daßsein Werk auch Ausschnitte ausSchriften anderer Autoren enthält (Dem.2). Das war damals durchaus normal, da auch die Art des Zitierens nicht heutigen heutigen Gepflogenheiten entsprach. Es war nicht üblich, jedesmal Autor und Werk oder gar noch genauere Angaben zu nennen. Allerdings hat Plutarch trotz oftmaliger Übernahme aus anderen Werken immer seine eigene Form, seine eigene Artderinhaltlichen undstilistischen Darstellung gefunden. Er wird nicht jeden der zahlreichen Autoren, den er zitiert, selbst eingesehen haben.90 In diesem Fall könnte er das Zitat einer Mittlerquelle entnommen haben. Allerdings nennt Plutarch nicht jeden Autor, den er direkt benutzt hat, als Quelle.91 RUSSELL bemerkte völlig richtig, daß “ the quotations are not used for support or authority; they lend colour anddignity” .92 JONES hält es in diesem Zusammenhang fürmöglich, daßPlutarch zweisprachige Helfer nutzte, die ihm die lateinische Literatur, die er nicht selbst las, aufbereiteten. Solche Helfer seien verbreitet gewesen, Plinius undauch Cicero hätten sie erwähnt.93 Das ist zwar nicht unwahrscheinlich, läßt aber

87 Siehe RUSSELL 1973, 46ff. 88 PETER 90.

89

KLOTZ 1934,

318.

90 Vgl. HELMBOLD/O’N EIL, die alle Autoren undihre Werke, diePlutarch in seinen

Schriften (Vitae undMoralia) zitiert, zusammengetragen haben. 91 Vgl. VANDERSTOCKT 283 u. 286. Er hatdieZitierweise Plutarchs in denQuaest. Rom. untersucht (288ff.). 92 RUSSELL 1973, 49. Ähnlich GOSSAGE 52. 93 JONES 1971, 84ff. Auch einige Übersetzungsfehler würden auf diese Helfer zurückgehen. Ebenso PELLING 1979, 95: ’research assistants’. STADTER 1972 dagegen meint, diebei Plinius undCicero erwähnten Freigelassenen hätten lediglich dasvonihrem Herren gewünschte Exzerpt kopiert (heute übernähme Xerox diese Funktion). Also wäre daskein Beweis, daßPlutarch nicht lateinische Texte hätte lesen können. Dagegen aber GLUCKER 1978, 386f.

1. Die Parallelbiographien

27

dieFrage offen, warum sich Plutarch dann imAlter doch noch umdasErlernenderlateinischen Sprache bemühte. Diese Ausführungen zur Arbeitsweise Plutarchs undzu den Wechselzitaten sollen genügen, umdasProblem zuverdeutlichen.94 Endgültig wird die Problematik der relativen Chronologie der Parallelbiographien kaum gelöst werden können. Ich möchte eine Tendenz derReihenfolge aufzeigen, die bei mehreren Philologen Zustimmung gefunden hat.95 Einig ist mansich darüber, daß das verlorene Paar Epameinondas/Scipio96 an erster Stelle stand. Die weiteren Festpunkte sind Demosthenes/Cicero an fünfter, Perikles/Fabius Maximus an zehnter undDion/Brutus an zwölfter Position. Vor Perikles/Maximus müssen aufgrund der Verweise Kimon/Lucullus, Lysander/Sulla, Pelopidas/Marcellus,97 Lykurg/Numa und Themistokles/ Camillus98 fertiggestellt worden sein.99 Die Reihenfolge innerhalb dieser Gruppe ist kaum zu rekonstruieren. JONES stellt in diese Gruppe außerdem entweder Sertorius/Eumenes100 oder Philopoimen/Flamininus (ZIEGLER reiht an diese beiden noch Solon/Poplicola)101 und Theseus/Romulus

94 Siehe dazu auch HEFTNER 3– 9. 5. 11– 95 So z.B. bei KONRAD xxvii-xxix. 96 K. ZIEGLER 896. Es wird sich wohl umdie Biographie des älteren Scipio

gehandelt haben. Siehe auch BROZEK 75; THEANDER 1958, 13; GEIGER 1981, 87 Anm.6; HILLARD 27. In der Einleitung dieses Paares stand wohl eine ausführliche Widmung an Sosius Senecio. Dagegen K. HERBERT, der ZIEGLERS Argumente verwirft und eher den jüngeren Scipio zu Epameinondas stellen möchte, vor allem wegen seines ausgeprägteren Philhellenismus und seiner literarischen Interessen. Der Lampriaskatalog (Nr.28) führt Einzelbiographie eines Scipio Africanus an, bei demes sich verlorene – außerdem eine – dannumdenjeweils anderen gehandelt haben muß. 97 Die beiden letztgenannten Paare sieht THEANDER 1959, 18f., der ZIEGLERS Aussagennoch versucht zupräzisieren, ander8. und9. Position. 98 THEANDER 1958, 13f. setzt diese Syzygie an die zweite Stelle unmittelbar nach Epam./Scip. undglaubt sogar, daß diese beiden Paare eine Einheit (Tetrade) gebildet ha-

ben. 99 MEWALDT 1907, 575; K. ZIEGLER 902f.; THEANDER 1959; PELLING 1979, 75. 1966, 67– 70 versucht sogar, eine absolute Chronologie aufzustellen. 100 Dieses Paar setzt THEANDER 1959, 14– 8 unmittelbar vor Dem./Cic., also an die vierte Stelle undvor dieses an die dritte Kim./Luc. KONRAD (xxix) dagegen reiht Sert./ Eum.indieletzte Gruppe (ca. 20. Stelle) ein. 101 Auch THEANDER ebd. 19 glaubt, daßdie drei Paare Phil./Flam., Lyk./Num. und Sol./Popl. in dieerste Hälfte gehören, diePosition derbeiden letzten Paare konkretisiert er nach seinen Untersuchungen mitPlatz 6 und7. Aber auch THEANDER kann letztlich bis auf die wenigen Selbstzitate Plutarchs nur Indizien zusammentragen unddanach eine vage Reihenfolge bestimmen. JONES

28

III. Die Chronologie derPlutarchischen Schriften

(letztere gehören für ZIEGLER weit nach hinten102). Die anderen β ίο ιwurden von Plutarch mit großer Wahrscheinlichkeit nach dem zwölften Paar Dion/ Brutus verfaßt. Innerhalb dieser zweiten Hälfte eine verbindliche Reihenfolge festzustellen, scheint ebenso unmöglich, man kann nur anhand der Verweise des Autors ein Paar vor bzw. hinter ein anderes setzen.103 Es läßt sich lediglich feststellen, daß beispielsweise die Biographien der Römer Romulus undNuma, in denen sich die meisten lateinischen Etymologien finden, relativ weit voneinander entfernt sind (wenn man ZIEGLER u.a. folgt), also auch in der Abfassungszeit nicht unmittelbar nebeneinander liegen. Ebenso wurden die Biographien der Römer, deren Griechischkenntnisse Plutarch erwähnt (Lucullus, Cicero, Brutus, Caesar, Pompeius), größtenteils nicht unmittelbar hintereinander geschrieben. Andererseits stellte z.B. PELLING fest, daß, bezogen auf die Biographien der Römer aus der späten Republik, Plutarch in den später verfaßten Viten weitaus kundiger und in den Einzelheiten genauer ist, d.h., daß er im Laufe der Arbeit andenBiographien viel Neues gelesen undverarbeitet haben muß.104 Auf unser Thema scheint sich das allerdings, wie schon oben angedeutet, nicht ausgewirkt zu haben, da Plutarch beispielsweise in den früheren Cicero- undLucullusbiographien die guten Griechischkenntnisse derbeiden Protagonisten ebenso erwähnt wie in den späteren Viten des Pompeius, Crassus, Caesar, Cato minor, Antonius undBrutus.

2. DIE CHRONOLOGIE INNERHALB DER SCHRIFTEN DER MORALIA

Eine relative oder garabsolute Chronologie derSchriften derMoralia aufzustellen, wird ebenso wenig möglich sein wie bei den Parallelbiographien. Auch hier kann mannurwieder Gruppen zusammenstellen, die früher bzw. später als andere verfaßt worden sind.105 Ein wichtiges Kriterium für frühere Werke Plutarchs sind rhetorisch orientierte Schriften, da er sich während seines Studiums in Athen üblicherweise rhetorischen Übungen zugewandt hatte, diesen aber nach dem Vorbild Platons später eher kritisch gegen-

102 Ebenso ROSE 1924, 47; BARROW 66. Allerdings wollen BÜHLER, MEWALDT und nach Lyk./Num. einordnen, also nicht ans Ende

KONRAD (xxvii) Thes./Rom. unmittelbar

setzen.

103 Für diese Einzelheiten verweise ich nochmals auf die schon genannten Angaben bei MEWALDT 1907; STOLTZ; K. ZIEGLER; THEANDER; JONES. 104 PELLING 1979, 75– 80. 105 Die folgenden Einordnungen basieren, wenn es nicht anders angegeben ist, auf ZIEGLERS Angaben in seinem RE-Artikel.

2. Die Schriften derMoralia

29

überstand.106 Frühere Texte, bei denen es sich vor allem um rhetorische Übungen handelt unddie in den 70er und 80er Jahren des ersten Jahrhunderts abgefaßt wurden, sind De superstitione, De sollertia animalium, De facie in orbe lunae, Defortuna Romanorum, De Alexandri fortuna aut virtute I II,107 De gloria Atheniensium, De esu carnium I II, Bruta ratione uti, De vitando aere alieno sowie Aqua an ignis utilior sit. Weiterhin gehören in diese Gruppe die nurfragmentarisch überlieferten Schriften Anvitiositas ad infelicitatem sufficiat, An virtus doceri possit, Defortuna, De amore prolis sowie Animine an corporis affectiones sintpeiores.108 In die mittlere Gruppe

gehören Texte, die Plutarch in den 80er und90er Jahren bis zu Domitians Todim Jahre 96 geschrieben hat. Andieser Stelle ist in seinem Schaffen ein mittleren Schriften”sind De Stoicospürbarer Einschnitt vorhanden. Diese “ rumrepugnantiis, De communibus notitiis adv. Stoicos, Stoicos absurdiora

poetis dicere; De latenter vivendo (eventuell auch später), Septem sapientium convivium, De audiendis poetis, De audiendo, Consulatio ad uxorem undeventuell De tuenda sanitate praecepta sowie die unvollendete Schrift De invidia et odio. Einige dieser Werke hängen mit bestimmten Ereignissen (De aud. u. De aud. poet. mit dem entsprechenden Alter seiner Kinder; Cons. ad uxor. mit dem Tod seiner Tochter) oder mit Plutarchs philosophischen Interessen zusammen. Die Abfassung der zweifellos bedeutendsten Werke beginnt im Jahr 96, dem Todesjahr Domitians, und endet vermutlich erst mit Plutarchs Todum120. DaßPlutarch gerade unter Nerva undvor allem Trajan undHadrian seinen schriftstellerischen Höhepunkt erreicht,109 während er in derZeit derHerrschaft derFlavier nurrelativ wenig schrieb,110 ist gewiß kein Zufall. Die entspanntere innere Lage in Rom und der Philhellenismus der Kaiser regten sicherlich auch Plutarch zum Schreiben an. Allerdings reiste er in dieser Zeit nicht mehr nach Rom, lediglich Delphi (wo er immer noch das Priesteramt innehatte) und Athen waren

106 Es sind – allerdings verlorene – Schriften über rhetorische Gegenstände im Lampriaskatalog verzeichnet (Nr.47, 86, 219). Zur Stellung Plutarchs zur Rhetorik K. ZIEGLER 928ff. 107 Zudieser Schrift siehe dieBemerkungen vonHAMILTON xxiii-xxxiii. 108 Die beiden letztgenannten undDevit. aere al. zählt auch RUSSELL 1972 aufgrund

stilistischer Eigenheiten zudenfrühen rhetorischen Schriften. 109 JONES 1971, 28– 34. In dieser Zeit wurden Plutarch einige hohe Ehrungen durch die Kaiser entgegengebracht, vor allem die ornamenta consularia, die ihm durch Trajan verliehen wurden (s. oben Anm.38). 110 Ebd. 27 sowie ders. 1966, 73. JONES glaubt sogar, daß manmit Sicherheit nur die Abfassung der verlorenen Viten derCaesaren undDefrat. am. (1971) oder Cons. ad uxor. (1966) in diese Zeit setzen kann.

30

III. DieChronologie derPlutarchischen Schriften

Stationen seiner Reisen.

Er regelte

seine Geschäfte größtenteils

vonChairo-

neia aus. Dasverschaffte ihmdienötige Muße fürseine Arbeit. In die Gruppe späterer Schriften gehören die drei pythischen Abhandlungen De Pythiae oraculis,111 De E apud Delphos undDe defectu oraculorum, außerdem De sera numinis vindicta, De animae procreatione in Timaeo, De curiositate und De garrulitate, die für uns wichtigen Quaestiones Romanae112 und Graecae, De fraterno amore, De adulatore et amico,113 Coniugalia praecepta,114 De cohibenda ira, De tranquillitate lanimi115 (diese Schriften wurden etwa bis zur Jahrhundertwende geschrieben, dienunfolgenden entsprechend wahrscheinlich nach 100 n. Chr.), Adv. Colotem, Nonposse suaviter vivi sec. Epicurum, De primo frigido, Quaestiones convivales, De Socratis genio, De Iside et Osiride,116 Amatorius, De Herodoti malignitate sowie die sehr spät (ab ca. 115) verfaßten Werke An seni sit gerenda respublica, Praecepta gerendae reipublicae,117 De capienda ex inimicis utilitate,118 De exilio, De laude ipsius, Mulierum virtutes119 undDe adulatore et amico. Die übrigen bisher noch nicht genannten Schriften geben keine Anhaltspunkte füreine Datierung.120 Unter diesen nicht einzuordnenden Werken sind keine, die sich für unser Problem als besonders wichtig erwiesen haben. Diese (vor allem Quaest. Graec. undRom., Quaest. conv. undDe Is. et Os.) finden sich fast ausnahmslos (wie auch die Parallelbiographien) in der Gruppe der späten Schriften. Daher muß man einen Zusammenhang sehen zwischen Plutarchs Lateinkenntnissen undderdamit gegebenen Möglichkeit, lateinische Quellen zu lesen. In demfrühen Werk

111 Vgl. dagegen SCHRÖDER 59– 72 (vgl. dazu die Rez. in Gnomon 67, 1995, 108– 11). 112 JONES 1966, 73 glaubt, daß diese Schrift nach 105 verfaßt worden ist. ROSE 1924, 11 u. 47f. will sie ebenso wie GIANAKARIS 96 an das Ende des 1. Jahrhunderts setzen. ZumAufbau, Inhalt etc. dieser Schrift vgl. J. BOULOGNE, Les ‘Questions Romaines’de 4708. Plutarque, ANRW II 33.6, 1992, 4682– 113 JONES 1966, 72: zwischen 90 und116. 114 Ebd. 71.

115 Zudenbeiden letztgenannten Schriften siehe ebd. 61ff. 116 JONES ebd. 73 hält dasJahr 115 fürdenterminus post quemderAbfassung dieser Schrift.

117 Diebeiden letztgenannten werden vondenmeisten Philologen denletzten Jahren soauchvonAALDERS 7 Anm.13. 118 JONES 1971, 72 plaziert diebeiden letztgenannten Werke indieJahre 96– 114.

Plutarchs zugeordnet, 119 Ebd. 73.

120 K. ZIEGLER 708– 19. JONES 1966, 70– 3 hatfürseine Untersuchungen zurrelativen undabsoluten Chronologie der Werke Plutarchs nur dessen Verweise zu seinen Lebensund Zeitumständen sowie seinen eigenen Werken berücksichtigt und dabei stilistische Anhaltspunkte außer acht gelassen.

2. DieSchriften derMoralia

31

Bemerkungen zu sprachlichen Angelegenheiten erwartet werden konnten, hatsich nurwenig gefunden. Es gibt sicher mehrere Gründe dafür, daß Plutarch die nicht nur für unser Thema bedeutendsten Werke im reiferen Alter abgefaßt hat, aber gerade die häufige Beschäftigung mit römischen Angelegenheiten unddas Auftreten lateinischer Etymologien, Bemerkungen zurlateinischen Sprache, Erwähnungen von polyglotten Personen ist unbedingt als Ergebnis seiner Romreisen, desUmgangs mit vielen römischen Freunden unddesErlernens der lateinischen Sprache zuwerten. Andererseits bieten sich in diesen Werken Erklärungen römischer Einrichtungen, ihrer Bezeichnungen und ähnliches an. Ohne seine Erfahrungen hätte Plutarch einige dieser Schriften vermutlich garnicht verfaßt, undohne dieErlebnisse undohne dieArbeit an römischen Themen wäre er vielleicht garnicht in demMaße für sprachliche Erscheinungen sensibilisiert worden. Diese Wechselwirkung ist unbedingt zu beachten. Durch das Erlernen einer fremden Sprache, durch die Aufenthalte in fremdsprachigen Ländern ist Plutarch das Problem der Anderssprachigkeit bewußt geworden. Er hat sich auch in dem wichtigen Werk De Is. et Os. häufig zu Etymologien ägyptischer Wörter, zurägyptischen Sprache, zudenHieroglyphen u.ä. geäußert. Allerdings unternahm er die Reise nach Alexandria schon in jungen Jahren (an dem Gespräch, in demer über seine Rückkehr aus Alexandria berichtet, nahm sein Großvater Lamprias noch teil), so daß sie keinen unmittelbaren Einfluß auf die Arbeit an dieser Abhandlung gehabt zuhaben scheint.

De fort. Rom., in dem durchaus

IV. DIE LATEINISCHEN QUELLEN

Die Frage nach den Quellen, die Plutarch vor allem in den Parallelbiographien benutzt haben könnte, spielt in der Plutarchforschung bis in die heutige Zeit eine große Rolle. DiePhilologen haben sich meist einzelne Biographien oder Schriften der Moralia vorgenommen und diese auf die von Plutarch möglicherweise verwendeten Quellen hin untersucht. Da der Autor selbst eine ganze Reihe vonSchriftstellern nennt, wäre daseine gute Grundlage für das Quellenstudium gewesen. Aber häufig bedeutet eine solche Nennung nicht zwangsläufig, daß Plutarch diesen Schriftsteller direkt benutzt hat. Er könnte die entsprechende Information aus einer Mittlerquelle geschöpft haben. Oft zitiert er ohne Angabe desAutors oder Werkes. Daher ist es nicht möglich, nuranhand derAussagen Plutarchs diejeweilige Quelle zu identifizieren. Die Möglichkeit, die entsprechenden Passagen Plutarchs mit denvermeintlichen Quellen zu vergleichen, ist meist nicht gegeben, da diese Schriften oder Teile davon (wie bei Livius) oft nicht erhalten sind. Häufig sind durch Plutarch Fragmente ausdenansonsten verlorenen Werken griechischer undlateinischer Schriftsteller überliefert. In den letzten Jahren wurden vermehrt Fragen gestellt, wie Plutarch seine Quellen verarbeitet hat oder wie diese sich auf sein Werk ausgewirkt haben.121 Man wird sicher nie bis ins Einzelne klären können, welche Schriftsteller er konkret für welche Passagen und Schriften benutzt hat. Nicht zuletzt deshalb hat mansich eher auf inhaltliche Fragen innerhalb der Quellenforschung konzentriert. An dieser Stelle soll keine alte Quellendiskussion aufgegriffen oder gar eine neue entzündet werden, vielmehr soll im Rahmen der Zielstellung dieser Arbeit festgestellt werden, ob Plutarch andere als griechischsprachige Schriften für seine Arbeit gelesen hat. AnhandvonBeispielen wird auch aufkonkrete Fälle eingegangen werden. Von vornherein kommt im Prinzip nur die lateinische Literatur in Frage. Es würde doch sehr überraschen, wenn Plutarch ägyptischsprachige Quellen für sein allerdings sehr kenntnisreiches WerkDeIside et Osiride benutzt hätte.

121 Vgl. z.B. die Artikel von PELLING 1979/80/90 sowie den Beitrag von RUSSELL 1966, der sich “ some of Plutarch’s moral attitudes and literary procedures with no more reference than is necessary to the problem of his ’sources’ ( 139) widmet. ZIEGLER beschäftigt sich in dem RE-Artikel weniger mit den Quellen”der einzelnen Schriften als 28). Siehe auch die Artikel von vielmehr mit den “ Quellen der Bildung Plutarchs11 (914– GEIGER; HILLARD; VAN DER STOCKT.

1. Plutarchs

Lateinkenntnisse

33

1. PLUTARCHS LATEINKENNTNISSE

Der Frage nach der Benutzung lateinischer Quellen steht zwangsläufig die nach Plutarchs Lateinkenntnissen voran, weshalb sie viele Wissenschaftler, die sich mit der Quellenforschung beschäftigt haben, meist am Rande erörtert haben. Plutarch hat sich in einer schon oben erwähnten Stelle selbst ὲ νοἰκοῦν νμ ὰ ρ τ ικ ε ε ῖςδ μ ὲμ ςπ ό dazu geäußert: ἡ λ ιν ,κ α ὶ ἵν αμ ὴμ ιν ε ο ῦ τ η ρ νδ ὲῬ , ἐ ς τ α χ ι, φ έν ο ω ιλ ρ ρ αγ ο τ έ κ α α ὶτ ῖς π ῃκ ρ ὶτ ε μ ὴ ν ῶ ν η μ ά ῆ υ ςοὔ σ ςγ λ ζ α εσ ῖςο θ α ὐσχο ιπ ρ ρ ιβ ε ὶτ Ἰτα τ νδια λ ία ὴ νῬ μ ὴ α ν ω ϊκ α νκ ῶ ὶτ ο λ ιτικ νδ ῶ νπ ιὰφ ε ιῶ ιλ ὸχρ ο σ νὑ π ο ο δ ιά λ ε κ τ φ η νπ σ ία λ ια ζ ό ν λ ικ ρ ῆ ία ωτ ε θ αῬ ςἡ ςἠρξάμ ρ μ α ω ϊκ ό ο α ῖςσ ὶπ εκ τ ο υ ν έπ γ ,ὀ ψ τ ά ν τ ω μ μ αθ μ α α σ α σ υ γ τ ινἐν ὸ ρ ᾶ νμ γ έ χ ά ν ε α ν τυ ιν ,κ ὶπ ,ἀ λ λ ᾽ἀλη θ ὲ ςἐπ ά σ ά τ ντ μ ω γ α ρ ὰπ ά νὀνομ τ ῶ ασ κτ υ ροὕ τ ν ω ςἐ ὰ ιέ ν α ὐγ ικ ν ε . ο μ α ο χ ὶ γ ν ρ ω ίζ μ ῖν ,ὡ μ γ ά ρ α ςἐ κτ τ α νἡ ε νπ ε ῶ ιν ω ινσ ν ν έβ υ , ἁ ῶ έπ ςγ ω ς ε θ ῖνδ ι᾽α ὐ ο υ ο λ τ ὰκ α κ ν α , ἐπ ία ειρ π ὶ το ε νἐμ μ ε ἴχ ο ῖςὀν μ α σ ό ι. κά λ λ ο υ ς ελ ία γ α ςκ υ ὶ τά ο χ γ ῆ ςαἰσθ α ά ν εσ δ θ α ὲῬ ςἀ π α ικ μ α ϊκ ω ετα ὶμ ρ ᾶ φ ο ς νἄ α ὶτ ῶ λ ν ν ία λ ςκ ω , ο ο μ ἷςὁλό γ ρ ο γ ά λ α ςἀ ὶἁ λ νκ ε μ ά τ ω τ α ο ν ι, ὀ ρ ὲπ · ἡδ έ π ὸ α ς κἀ τερ ὐ ακ ὶο ςτο θ ε ῦ ελ τ ομ ηκ νἡγούμ έ ὲ νμ τ α ρ ίε ὶ α χ ιπ ε τ λ ισ ἷσ ίω ή λ λ ντ ᾽ο ,ἀ ὴκ ς εσχ α ο λ ὶτ σ η ὰτ ιςο ῆ κεὐχερ σ κ ὐ ἄ ρ ςὥ α ς ε ιφ ία χ ο ρ τ ιλ ιμ ς .“ ά α ςὑπ ρ τ ὸ ύ Ich jedoch, der ich eine ὰ ια ςτ ςτο ἔ τ ιπ kleine Stadt bewohne und, damit sie nicht noch kleiner wird, gern in ihr verweile, bei meinen Aufenthalten in Rom undim übrigen Italien aber keine Zeit gehabt habe, mich in der lateinischen Sprache zu üben, teils wegen politischer Geschäfte, teils wegen dervielen, die sich wegen philosophischer Fragen an mich wendeten, bin erst spät undin schon vorgerücktem Alter dazu gekommen, lateinische Schriften zu lesen. Dabei ist mir etwas begegnet, das erstaunlich klingt, aber doch die volle Wahrheit ist. Ich machte die Erfahrung, daßich nicht so sehr vondenWörtern ausdie Dinge erfaßte und begriff, als von den Dingen her, von denen ich schon eine gewisse Kenntnis besaß, und mit ihrer Hilfe den Wörtern auf die Spur kam. Die Schönheit unddie Knappheit derlateinischen Sprache recht zuerfassen, die bildliche Verwendung der Wörter, ihre harmonische Fügung undall das andere, wasden Schmuck der Rede ausmacht, recht zu erfüllen, das ist, meine ich, etwas Schönes und Reizvolles. Aber die dafür erforderliche gründliche Beschäftigung ist nichts Leichtes undnurdenen möglich, die mehr freie Zeit haben unddenen ihr Lebensalter noch gestattet, sich ein solches Ziel zu setρ ωτ ρ ῆ ό in vorgerücktem Alter”(π ς zen.”(Dem.2) Was aber heißt “ in der Zeit nach 96 bis zu ία )? Plutarch hat die Parallelbiographien ἡ λ ικ ς seinem Tode verfaßt, und das Paar Dem./Cic. steht nach seinen eigenen Angaben an fünfter Stelle derViten. Mankann also davon ausgehen, daßer diese Biographie des Demosthenes kurz vor der Jahrhundertwende schrieb,

34

IV. Dielateinischen

Quellen

im Alter von etwa 55 Jahren. Da er seit 96 wahrscheinlich nicht mehr in Rom gewesen ist, wird er seine Lateinstudien vielleicht dort begonnen, sie aber in der Ruhe seiner Heimatstadt intensiviert haben. In Rom gab es für ihn keine zwingende Notwendigkeit, lateinisch zu sprechen. Seine Freunde waren zweisprachig, und auch seine Vorträge hat Plutarch in griechischer Sprache gehalten. Warum aber unterzog er sich noch im Alter diesen Mühen? In welchem Grad beherrschte er die Sprache? Welche lateinische Literatur konnte er lesen? Über die erste Frage läßt sich nur spekulieren. Vielleicht regte ihn das Schreiben an denBiographien über die römischen Helden dazu an, auch lateinische Quellen zulesen. Ihmwarsicher bewußt, daßdasStudium lateinischer Quellen seinem Vorhaben dienlich sein würde. Ein wichtiger Grund under deutet es für seine späten Bemühungen umdie lateinische Sprache – war das Interesse an ihr. Es ist möglich, daß er schon früher in selbst an – RomLatein lernen wollte, es aber mangels Zeit undGelegenheit tatsächlich nicht konnte. Seine Romaufenthalte waren vermutlich nie länger als unbedingt nötig (s.o.). Selbst zumGradderBeherrschung hat sich Plutarch in derzitierten Passage geäußert. Er konnte die Sprache zwar sehr gut einschätzen, gestand sich aber perfekte Beherrschung nicht zu. Er gesteht allerdings nicht, das Lateinische nur mangelhaft erlernt zu haben, sondern nur, nicht fähig zu sein, die Schönheit und den Stil der lateinischen Sprache richtig zu würdigen.122

Plutarch äußert sich außer in Dem.2 auch in anderen Passagen zu Besonderheiten der lateinischen Sprache. Die berühmten Worte Caesars nach seinem Blitzkrieg gegen Pharnakes von Pontos in Kleinasien (47 v. Chr.) η σ ) α θ ν , ἐν λ ο , εἶδ ν ο ίκ veni, vidi, vici”zitiert Plutarch auf Griechisch (ἦ “ α τ μ ϊσ ί) die gleiche und bemerkt dazu, sie hätten im Lateinischen (Ῥ ω Endung undwären von eindrucksvoller Kürze (Caes.50). Bei noch genauerer Kenntnis derlateinischen Grammatik hätte Plutarch sich vielleicht nicht unbedingt über die gleichen Endungen gewundert, aber Caesars Ausspruch war ihm auf alle Fälle auf Lateinisch bekannt.123 In den Quaestiones Platonicae, die zeitlich nicht einzuordnen sind, äußert er sich ebenfalls zu einer Eigenheit des Latein. Diese Sprache, die heutzutage alle Menschen ι),124 hätte alle Präpositionen bis auf ν τα ρ ο π ι χρῶ ω ν ε ά τ benutzten (π ςἄνθ 122 SYME 109.

123 DieAlliteration sowie diegleiche Silbenzahl derdrei Wörter scheint Plutarch allerdings nicht aufgefallen

zusein.

124 Diese Stelle ist schwer zuinterpretieren, sie ist auch in derÜberlieferung umstritten (siehe BT), wobei die für unswichtige Aussage allerdings nicht betroffen ist. Plutarch

1. Plutarchs Lateinkenntnisse

35

wenige Ausnahmen abgelegt, und die Artikel kennte sie gar nicht. Die ρ ο θ έ σ ε ις τ ρ Hauptwörter würden somit ohne Saum dastehen (π εγ ὰ ω νἁ η π ά κ επ σ α ίγ νὀλ λ ὴ ρ ς , τ ρ ῄ έν ντ μ ω ῶ νο ω νἄρθ εκα λ ο υ ἀ φ ὐ δ ὲ ν ᾽ὥ ρ α ρἀ σ έ δ , ἀ σ κ π α ν ο π π ρ ά λ ε τ ις χρῆ α λ α ι το ὸπ ιτ α τ ε έχ ῖς δ σ ο ρ π σ α μ ι; 1010D).125 Daß Plutarch die lateinische Sprache ohne Präposiό ὀ ν tionen sieht, deutet wohl eher darauf hin, daßdiese Schrift auseiner Zeit vor derintensiveren Beschäftigung mitderSprache stammt. Als er später besser Latein gelernt hatte, wäre er kaum zu solch einem Urteil gekommen. Wie später noch zu sehen sein wird, dachte auch Plutarch, das Lateinische hätte sich aus dem Griechischen entwickelt. Er glaubte daher, die lateinische Sprache hätte im Laufe ihrer Entwicklung die Präpositionen undArtikel abgelegt, die imGriechischen noch zufinden waren. In der frühen rhetorischen Schrift De fort. Rom. nennt Plutarch eine Reihe von lateinischen Bezeichnungen für römische Gottheiten, denen in derFrühzeit Roms Tempel errichtet wurden. Er erwähnt u.a. dieTempel der έ ν τ ις ; 318Dο τ ρ ῦ ις126), der Mens (Μ τ ὐ ιςκ ιρ ν α ῶ ὶὉ Virtus undHonor (Ο γ ν ε ε ί μ α ι ρ ι α ςκ ὶ ( Π E; 322C-E), der Fortuna Primigenia und Obsequens Ὀ ψ ε κ ο υ έν τ ις ; 322E-F), nennt diese römischen Götternamen auf Lateinisch ). Dann scheint es Plutarch η μ ν ώ ή ,γ ρ ε τ undübersetzt sie ins Griechische (ἀ allerdings zukompliziert zuwerden, dierömischen Bezeichnungen anzuführen, under nennt nurnoch diegriechischen Namen. ο γ ειρ ςbeά Bei der –falschen –Herleitung vonmacellum aus griech. μ merkt Plutarch, daß bei den Römern g undk verwandte Buchstaben seien undeinige, die an einem Sprachfehler litten, l statt r sprächen (277D). Tatsächlich bezeichnete das lateinische c ursprünglich ebenfalls dasg, was sich in denAbkürzungen C. für Gaius undCn.für Gnaeus erhalten hat. Auch der Wechsel von l undr in der lateinischen Sprache ist belegt (Dissimilation: kann nur die Menschen im westlichen Imperium Romanum gemeint haben. HAHN1907, 697 glaubt, daß die Stelle so aufzufassen sei, “ daß man damals die lateinische Sprache überall sprechen hörte undsich in ihr verständigen konnte ... Doch blieb die eigentliche Verkehrssprache im Osten des Reiches immer die griechische.”Ähnlich SCHMITT 561ff., der u.a. die lateinischen Lehnwörter in der griechischen Umgangssprache als Beweis für die Ausbreitung des Latein anführt. Er bemerkt aber auch, daß “eine Romanisierung des Ostens niemals in Frage kam” . Auch KAIMIO meint, diese Passage “mainly refers to the Western Empire” (206). (Siehe auchunten Anm.586.) 125 GÖLDI (6) will dagegen “ auf diese fürsich stehende Bemerkung nicht zuviel Gewicht legen” . Vgl. auch ders. 20f.: “Vielleicht fielen Plutarch die vielen präpositionslosen Ablative desLateinischen auf, vielleicht auch dieLokative ...” . 126 Dielateinischen Wörter sind in der Form in denText dieser Arbeit übernommen worden, in der sie bei Plutarch zu finden sind. Es ist nicht immer zurekonstruieren, wie Plutarch denNominativ bzw. Infinitiv gebildet hätte. Dasgleiche gilt für Wörter ausanderennichtgriechischen Sprachen.

36

IV. Die lateinischen Quellen

pluralis neben singularis). Obgleich Plutarchs Beobachtungen zur lateinischen Sprache an dieser Stelle durchaus richtig sind, ist die Etymologie ά κ ελ λ ο νwäre ohne sprachfalsch. Die richtige Herleitung von griech. μ theoretische Erklärungen möglich gewesen. Bei der Etymologie von lictor bemerkt er, jene, die auf eine größere Reinheit der Sprache bedacht wären, sagten ligare, die anderen aber alligare (Rom.26; 280A; vgl. S. 101f.). Es gibt noch weitere Passagen, in denen Plutarch, umdie Etymologie plausibel

zu machen, lautliche Veränderungen z.T. recht willkürlich vornimmt. Darauf wird imeinzelnen bei derBesprechung derEtymologien einzugehen sein. Einige Male charakterisiert Plutarch den Redestil berühmter römischer Redner. Cato minors Rede hält er für frei von jugendlicher Unreife und überflüssigem Zierat mit geradlinigem Gedankengang (M.Cat.min.5). In der Rede des C. Gracchus erkannte er die furchteinflößende Kraft und das Pathos in derÜbertreibung; dieBeredsamkeit desTib. Gracchus dagegen sei eher sanfter gewesen und dazu angetan, Mitleid zu erwecken (T.Gracch.2; vgl. auch Fab.Max.1). Nun kann er diese Einschätzungen von anderen Schriftstellern, z.B. von Cicero, oder von seinen römischen Freunden übernommen haben. Es ist aber durchaus möglich, daßer dieeine oder andere zu seiner Zeit noch erhaltene Rede beispielsweise des Cato selbst gelesen hat.127 Neben denzahlreichen lateinischen Etymologien Plutarchs, denen in dieser Arbeit ein eigenes Kapitel gewidmet ist, gibt es Stellen, wo er lateinische Wörter oder Sätze übersetzt. Die weiter oben (S. 9f.) schon besprochene Inschrift auf dem Grabstein des Otho (Otho 18) übersetzt er ebenso wie den Beinamen des Iuppiter Stator (Ἐ π ισ σ ά τ ιο ς ; Rom.18; vgl. ή σ auch Cic.16: Σ ιο ). Den Ruf “ ς τ hoc age”der Herolde, die eine heilige Handlung derKonsuln ankündigten, gibt Plutarch mit τ ρ ο ᾶ ῦ οπ τ τ τ εwieder (Num.14; Coriol.25). An anderer Stelle erwähnt er, daß die Römer für ρ ε ν ία δ ) dasselbe Wort (virtus) ) und “Mannhaftigkeit”(ἀ ή τ ε ρ Tugend”(ἀ “ benutzten (Coriol.1). Das waren nur einige wenige Beispiele, die meiner Meinung nach verdeutlichen, daß Plutarch die lateinische Sprache erlernt hat. Es gibt keinen Grund, an seiner Aussage zuzweifeln, daes seinem Wesen entsprach, auch in Bezug auf sich selbst die Wahrheit zu sagen undbescheiden zu sein. Allerdings würde ich Plutarchs Bekenntnis, nicht in die höheren Sphären der Beherrschung der lateinischen Sprache eingedrungen zu sein, ebenfalls durchaus ernst nehmen undnicht als Bescheidenheitsfloskel abtun. Er zitiert 127 Das möchte auch ROSE 1924, 14 nicht von vornherein ausschließen. Reden des Cato waren in denzuPlutarchs Zeiten wahrscheinlich schon vorhandenen Disticha Catonis enthalten.

1. Plutarchs

Lateinkenntnisse

37

in seinen Werken zwar eine Reihe römischer Autoren, darunter befindet sich aber kein Dichter.128 Während er Verse von Homer, Pindar und Hesiod häufig zitiert, könnte man doch ebenso die Benutzung von Vergil, Horaz oder Ovid erwarten. Er lasjedoch nurlateinische Prosa, d.h. z.B. Historiker undBiographen. Dieses wiederum bedeutet, daßer die lateinischen Autoren weniger zu seinem Vergnügen, sondern nur als Quellen für seine Werke gelesen hat. Das heißt aber auch, daß er ebenso wie sein griechischsprachiges Publikum nicht anderlateinischen Poesie interessiert war. In Plutarchs Werken sind in Bezug auf die Benutzung der lateinischen Sprache eine Vielzahl von Fehlern auszumachen. Die meisten lateinischen Wörter wurden falsch etymologisiert, was allerdings in vielen Fällen weniger mit Plutarchs mangelhaften Lateinkenntnissen als vielmehr mit den fehlenden sprachwissenschaftlichen Kenntnissen seiner Zeit erklärt werden muß. Auch auf die zahlreichen Betonungs- undFlexionsfehler wird bei den entsprechenden Gelegenheiten einzugehen sein.129 RUSSELL hat Plutarchs reading knowledge”bezeichnet. Weiter sagte er und Lateinkenntnisse als “ He will not faßt damit die Problematik mit wenigen Worten zusammen: “ have needed much conversational Latin, for his Roman friends would all speak Greek, andwould indeed be ready enough to instruct him on Roman matters. It was a competent but not infallible knowledge: enough for quite rapid use of Sallust or Nepos. It is wrong to underestimate it because Plutarch makes mistakes”.130 Die Fehler Plutarchs sind in vielen Arbeiten zusammengetragen worden, weil die Philologen diese als Maßstab für Plutarchs Lateinkenntnisse an-

128 Lediglich in Luc.39 zitiert Plutarch einen Vers vonHoraz (ep.I 6, 45). Vgl. ROSE 1924, 12; K. ZIEGLER 927; POHLENZ VII; PELLING 1979, 75 Anm.12. Das ist aber längst kein Beweis, daßer Horaz selbst gelesen hat. 129 Es kann natürlich kaum mehr ermittelt werden, ob die Betonungsfehler lateiniρ ) in jedem Fall tatsächlich ν ίφ κ ε ρ π ίη ς α , σα ,Τ α αoder φ υ κ ίτ τ ο scher Wörter (z.B. ἔ δ ικ auf Plutarch zurückgehen. Akzente wurden zu seiner Zeit zwar schon gesetzt, die ältesten erhaltenen Handschriften seiner Werke stammen jedoch von den Byzantinern aus dem 9. Jahrhundert (zur Textgeschichte K. ZIEGLER 1907; ders. 1951, 949ff.). 130 RUSSELL 1973, 54. In der Tendenz ähnliche Ansichten vertraten LEO 160f.; 9 (“ GÖLDI 20; ROSE 1924, 11– rough practical knowledge” ); KLOTZ 1934; K. ZIEGLER 861. 927; POHLENZ VIIf.; GOSSAGE 46 (“a fairly good working knowledge”); LENDLE 95 Anm.3; BARROW 150ff.; HAMILTON xv Anm.1; GLUCKER 1978, 386ff. (polemisiert gegen JONES 1971, 81– 7); STADTER 1972; SCARDIGLI 1979, 4ff. (auch die Latinismen in Plutarchs Werk weisen auf Lateinlektüre); BALSDON 126f.; AALDERS 1982, 61f.; PELLING 1979, 75; PELLING 1985, 313; PELLING 1988, 6; VAN DER STOCKT 290f.; DE BLOIS 4570f.; KONRAD ); HEFTNER 44f. liii (“ HisLatin was... goodenough to follow a historical narrative.”

38

IV. Die lateinischen Quellen

sahen.131 Letztere wiederum legten sie der Quellendiskussion zugrunde. Da Plutarch für seine Werke aus schriftlichen und mündlichen Quellen geschöpft hat, sind die Irrtümer oft garnicht ihmanzulasten. Allerdings hätte er einige der Fehler, wären seine Kenntnisse besser gewesen, sicherlich korrigiert. Bei der Fehlerdiskussion sollte man, wenn es möglich ist, die Entstehungszeit derentsprechenden Schrift beachten. Unrichtigkeiten in den früheren Werken sind eher zu erwarten, da er nach eigenen Aussagen sich erst spät intensiver mit der lateinischen Sprache beschäftigt hat. Leichtere Unkorrektheiten in den späteren Werken sind dann aber doch schon ein Indiz für Plutarchs nicht vollkommene Beherrschung der lateinischen Sprache. Immer wieder angeführt wird das Beispiel, Plutarch habe aus der Gottheit Aius Locutius Φ μ ὴκ α η η δ ὶΚ λ ώ ν , also zwei Namen gemacht. Abgesehen davon, daß dieser Fehler meiner Meinung nach eher die Unkenntnis des Autors von den entsprechenden römischen religiösen Erscheinungen als von sprachlichen Phänomenen bezeugt, findet sich diese Übersetzung Plutarchs in zwei seiner Schriften, inDefort. Rom. (319A) und in der Camillusbiographie (c.30), wobei die erste Schrift bekanntlich in die Gruppe derfrühen rhetorischen Werke Plutarchs gehört. Das scheint mirzu zeigen, daß er diese Passage nicht direkt Livius (V 50, 5) entnommen hat, sondern einer griechischsprachigen Mittlerquelle. Im Camillus erinnerte er sich entweder daran oder nahm eine früher gemachte Notiz zuHilfe. Dieser Fehler ist also nicht Plutarch anzulasten. Er verbesserte ihnallerdings nicht, auch nicht, als er Latein konnte undbesser über die römischen Angelegen-

heiten informiert war. Ein anderes Mißverständnis einer Liviusstelle (V 21, 8) ist die Verwechslung vonprosecare undprosequi in Cam.5.132 Ob dieser Irrtum auf Plutarch oder seine Mittlerquelle zurückgeht, wüßten wir erst, wenn wir sicher zeigen könnten, ob Plutarch Livius selbst gelesen hat oder nicht (s.u.). An anderer Stelle hat Plutarch vermutlich die lateinischen Verben operire undaperire verwechselt (267A). Dieser Fehler ist sehr schwer zubeurteilen. Er könnte tatsächlich aufgrund Plutarchs unvollkommener Lateinkenntnisse entstanden sein, genauso könnte es aber ein Lese- oder Schreibfehler in seinem Exemplar gewesen sein. Ebenso kann bei dieser Verwechslung die Schuld in Plutarchs griechischsprachiger Mittlerquelle liegen. In den ρ ιςο ε επ ά υ νἄ ν ίν τ ἷο Quaest. Rom. konstruiert er sine mit demGenitiv: σ ρ ό α π τ ς(288E-F), sicherlich analog zurgriechischen Bildung. 131 SICKINGER 64– 87; GÖLDI 20– 4; ROSE 1924, 11– 9; BARROW 151; THEANDER 90; HILTBRUNNER. 86; THEANDER 1959, 99– 131; GLUCKER 1978, 387– 1951, 68– 132 SICKINGER 80. Dort sind weitere Mißverständnisse ausLiviustexten zusammengetragen worden.

1. Plutarchs

Lateinkenntnisse

39

κτ In Aemil. 37 schreibt Plutarch ἐ ο ρ ε ρ ῦκα ο κ έ ν μ υκά ε λ , waswegen ο υ κauf eine lateinische Quelle schließen läßt. PETER (89) des Ablativs nach ἐ vermutet allerdings gerade für dieses eine Kapitel Poseidonios als Quelle, während die vorangegangenen und nachfolgenden Kapitel PETER zufolge große Ähnlichkeiten mitLivius (gemeinsame Quelle?) aufwiesen.133 Insgesamt mußmansich derMeinung dermeisten Philologen anschließen, daßPlutarch die lateinische Sprache so gutbeherrschte, daßer lateinische Prosaautoren als Quellen für seine Schriften benutzen konnte. Er las

diese lateinische Literatur jedoch nicht zu seinem Vergnügen, sondern nutzte sie für seine Arbeit. Daserklärt auch dieTatsache, daßer bis aufeine Ausnahme keine lateinischen Dichter zitiert und wohl auch nicht gelesen hat. Wo es möglich war, zog Plutarch griechischsprachige Literatur der lateinischen vor.134 Einige lateinische Werke (bzw. Auszüge) lagen zuseiner Zeit schon in griechischer Übersetzung vor.135 Nur wenige Philologen sprechen Plutarch die Kenntnis derlateinischen Sprache mehr oder weniger ab.136

2. DIE LATEINISCHEN QUELLEN

Neben dieser Selbstaussage Plutarchs ist die Benutzung lateinischsprachiger Quellen ein Indiz für seine Lateinkenntnisse. Die Frage nach den Quellen 133 HILTBRUNNER hatnachgewiesen, daßPlutarch ein Wortspiel des Cato nicht verhat (Cic.50; M.Cat.min.21). Er habe das lateinische urbanus –“städtisch; witzig” ελ ο ῖο ςübersetzt unddamit nureine Nuance des lateinischen Wortes erfaßt. Dadurch mit γ sei der Sinn desWortspiels verloren gegangen. DerAutor glaubt allerdings, Plutarch habe nicht die unbekannte lateinische Quelle, sondern eine griechische Übersetzung vor sich gehabt, inderfürurbanus dasadäquate ἀ σ ε τ ῖο ςstand. 134 So hat er z.B. Dionysios vonHalikarnassos für die Coriolanbiographie benutzt; 17; vgl. auch RUSSELL 1963. Aber auch Juba, Poseidonios, Polybios (für Cato, PETER 7– Aemil., Marc., Gracchi) oder die in griechischer Sprache geschriebenen Briefe Ciceros oder Sullas Schriften etc. hatPlutarch aufalle Fälle vordenlateinischen Werken benutzt. standen

135 Siehe dazu HAHN 1907, 700; REICHMANN; BALSDON 125f.; JONES 1971, 86 (Sallusts Historien unddie Res gestae); aber KAIMIO 293f.: “ ... weknow within ourtime limits only thetranslation of Sallust byZenobius; noother translation of Latin literature is recorded in oursources.” 136 GRIFFITHS 250; GELZER 660f. (G. glaubt nicht, daß Plutarch ein längeres lateini7. Letzterer führt aus, daß Plutarch sches Buch lesen konnte.); NISSEN 292; JONES 1971, 81– für seine Zwecke gar nicht alle vorhandenen Quellen lesen mußte, also immer auf griechischsprachige zurückgreifen konnte, daer keine Historien schreiben wollte. Eine weitere Ursache für Plutarchs mangelhafte Kenntnis der lateinischen Sprache sieht JONES in dem Bilinguismus seiner römischen Freunde; es hätte keinen Grund gegeben, Latein zu lernen. In seiner Heimat könnte Plutarch ’research assistants’gehabt haben.

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IV. Dielateinischen

Quellen

Plutarchs stand etwa seit Beginn des vorigen Jahrhunderts im Mittelpunkt der Plutarchforschung, wobei die Parallelbiographien häufiger untersucht wurden als die Moralia.137 Man wird nie endgültig klären können, welche Quellen Plutarch im einzelnen für welche Schrift benutzt hat.138 Die Quellenfrage ist wichtig sowohl für die Plutarchforschung als auch für andere philologische und historische Forschungsgebiete. Für viele historische Ereignisse undreligiöse Einrichtungen, Bräuche undZusammenhänge ist Plutarch die einzige Quelle. Durch Vergleiche vonBegebenheiten, die auch bei anderen Schriftstellern überliefert sind, kann man seine Glaubwürdigkeit und historische Genauigkeit ermitteln. Letztere ist nicht immer gegeben, wassich in erster Linie mit derAbsicht seiner Schriftstellertätigkeit erklären läßt (s.o.). Die historischen Darstellungen sind häufig verzerrt undverkürzt, die Chronologie ist oft ungenau, ebenso wiees die geographischen Angaben sind. Plutarch mischt vorbehaltlos historische mit mythologischen Ereignissen. Natürlich sind seine Werke als Quelle dennoch für uns unverzichtbar, nicht nur die Parallelbiographien, auch die vielfältigen Schriften der Moralia, da sie viele Details richtig darstellen undfür viele Ereignisse die einzige uns erhaltene Quelle sind. Die Quellen, die Plutarch in seinen Werken zitiert, geben Auskunft darüber, welche Literatur zu seiner Zeit noch erhalten war undwelche Autoren gelesen wurden. Viele der von ihm noch benutzten Schriften sind für uns verloren oder nur fragmentarisch erhalten, einige der Schriftsteller sind allein durch Plutarch dem Namen nach bekannt. Er vermittelt so auch einen Eindruck von der Bildung eines Griechen seiner Zeit und seines Standes, wiewohl er ein außerordentlich interessierter undbelesener Zeitgenosse war.

137 Wichtige Literatur bis etwa 1940 bei K. ZIEGLER 861 u. 913f.; für die Zeit ab 1940 bei SCARDIGLI 1979 und1986. Dafürunsere Problematik in erster Linie die lateinischen Quellen von Bedeutung sind, werden bei der Quellenfrage in erster Linie die Römerbiographien sowie die Quaest. Rom. von Bedeutung sein. In denübrigen Schriften der Moralia finden sich nurdrei Zitate römischer Schriftsteller: Livius (326A), Cicero (797D) und Valerius Antias (323C; vgl. HELMBOLD/O’NEIL 17, die auch noch Sulla [786E] anführen, dessen Memoiren aber wahrscheinlich in griechischer Sprache vorlagen). Daszeigt, daßer lateinische Literatur nurdort alsQuelle benutzte, woesunverzichtbar war. 138 Dashat F. LEOschon in seinem 1901 erschienenen Buch festgestellt (162): “ In allen einzelnen Fällen über solche Fragen zu entscheiden ist weder möglich noch nötig.” WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Der Glaube der Hellenen, Bd.2, Berlin 1933, 498 bemerkte dazu: “ Es wäre an der Zeit, einmal Plutarch in denParallelbiographien zu suchen, statt nurseine Quellen zusuchen undzuschelten, daßer kein Historiker war, waser eben nicht sein wollte.”Vgl. auch RUSSELL 1966, 139 sowie TITCHENER (4129), der noch 1992 bemerkt, daß “ most scholarship still centers on source criticism, or to put it another way, . Plutarch’s sources andnotPlutarch’s work”

2. Dielateinischen

Quellen

41

Die Quellenproblematik wird nur in dem für diese Arbeit wichtigen Umfang dargestellt, wobei bedeutende Erkenntnisse zusammengefaßt und im wesentlichen die Tendenz aufgezeigt werden soll. Für dasThema dieser Arbeit kommen in erster Linie die nichtgriechischen Quellen in Betracht, undhier können wirwohl nurlateinische erwarten. In vielen Fälle kann man nicht mehr genau sagen, ob Plutarch den Autor, beispielsweise Livius oder womöglich griechischsprachige Varro, direkt benutzt hat oder ob ihm eine – – Mittlerquelle zurVerfügung stand. Übereinstimmungen mit anderen Autoren können aber auch zustande gekommen sein, weil Plutarch undderlateinische Autor die gleiche –griechische oder lateinische –Quelle, beispielsweise römische Annalisten wie Valerius Antias, für ihre Arbeit eingesehen haben.139

Im folgenden werde ich einige Bemerkungen zu denlateinischen Quellen Plutarchs machen, wobei nicht einzelne Schriften auf ihre Quellen hin untersucht werden sollen, sondern die Ergebnisse dieser Untersuchungen für einzelne lateinische Schriftsteller zusammengefaßt werden. Es ist mir in erster Linie wichtig festzustellen, ob Plutarch lateinische Schriftsteller gelesen hat. Die Frage ist hier also nicht, ob Plutarch für ein bestimmtes Werk diesen oderjenen Schriftsteller benutzte, sondern welche lateinischen Auto-

ren er überhaupt gelesen haben könnte. Plutarch zitiert an insgesamt 130 Stellen ca. 40 lateinische Autoren,140 die er bestimmt nicht alle selbst las. second-hand-Zitate”erhielt er aus Mittlerquellen, andere Einige dieser “ durch Hinweise seiner römischen Freunde. Meist basiert eine Schrift Plutarchs auf einer Hauptquelle, die er aber nicht in jedem Fall angibt. Wenn er von dieser abweicht, nennt er in einigen Fällen, aber eben nicht immer, die in dieser bestimmten Passage herangezogene Quelle. Oft genug ο σ ἱ γ υ ...ο ι, ο ὲ ν ε έ ἱμ σ ί, λ έγ τ α ι, φ α verwendet er solche Wendungen wie λ δ έ . Da Plutarch seine lateinischen Quellen kaum wörtlich übersetzt hat, sondern ihnen mehr inhaltlich gefolgt ist, wird man auch nach einem Textvergleich seiner möglichen Quelle nur selten zu einer eindeutigen Aussage kommen können. Die Schwierigkeit zeigt sich allein schon darin,

139 THEANDER 1951, 3ff.; KLOTZ 1941, 283. 140 K. ZIEGLER 911f. ZurVeranschaulichung:

er hat an 500 Stellen 111 griechische

oder griechischschreibende Autoren zitiert. Darunter sind viele heutzutage verlorene und daher unbekannte Autoren. Allerdings scheint Plutarch beispielsweise solche für uns wichtigen Werke wie das des Diodor oder die Geographika des Strabon nicht eingesehen zu haben (das verlorene Geschichtswerk dagegen hat er gelesen, BARROW 160). Zu den griechischen Autoren, diePlutarch zitiert hat, siehe K. ZIEGLER 912– 26. Darüber hinaus sei noch einmal auf dasWerk vonHELMBOLD/O’NEILverwiesen.

42

IV. Dielateinischen

Quellen

daß seit mehr als 150 Jahren Wissenschaftler sich mit diesen Quellenfragen beschäftigen, ohne zueinem endgültigen Ergebnis gekommen zusein.141 Viele kontroverse Meinungen gibt es zu der Frage, ob Plutarch Livius direkt als Quelle benutzt hat. Daß der römische Historiker ihm selbst oder seiner Mittlerquelle für viele Passagen als Vorlage diente, scheint klar zu sein. Auf dasNichtverständnis des Livius gehen eine Reihe von Fehlern in Plutarchs Texten zurück, die dann entweder ihm oder seiner wahrscheinlich griechischsprachigen Mittlerquelle anzulasten sind. Livius ist PETER zufolge zwar von Plutarch benutzt worden, er ist aber für die Camillusbiographie 22), für Fabius Maximus (51– (18– 80), für Flami7), die Marcellusvita (74– 5), Cato maior (91ff.), Marius (103ff.) oder Caesar (127f.) nicht ninus (82– Hauptquelle gewesen. Ähnlich hat sich KLOTZ zu den Biographien des Marcellus,142 des Flamininus,143 Camillus144 und Fabius Maximus145 geäußert.146 Auch LEOglaubt, daß Plutarch zwar Livius selbst gelesen, ihn aber nie als Hauptquelle für eine Biographie genutzt hat.147 Er zog ihn also immer nur für einzelne Ereignisse heran. PELLING ist sicher, daß Plutarch Livius selbst gelesen hat. Vor allem fürdie frührömischen Angelegenheiten, vielleicht auch für die Caesarbiographie, habe er denrömischen Historiker, dessen Werk uns nicht vollständig überliefert ist, zur Hand genommen.148 Für REICHMANN dagegen ist es nicht eindeutig geklärt, ob Plutarch für bestimmte Ereignisse Livius selbst benutzt hat oder beide einen älteren Annalisten eingesehen haben.149 ROSE bemerkt, Livius sei zwar in den Quaest. Rom. von Plutarch zitiert, aber wahrscheinlich nicht direkt benutzt worden.150 Die Passagen, in denen Plutarch auf den römischen Autor verweist, enthielten solches Allgemeinwissen, daß dies kein zwingender Beweis für die direkte Benutzung des Livius sei.151 Gegen eine direkte Benutzung desLivius sprechen sich ebenfalls NISSEN (292 ff.), derPlutarch 141 Siehe vor allem B. SCARDIGLI 1979 und1986, diedieverschiedenen Meinungen versucht hatzusammenzufassen unddenjeweiligen Forschungsstand präsentiert. 142 KLOTZ 1934, 318. Vgl. auch ZIMMERMANN 56ff. 143 KLOTZ 1935, 51; GLUCKER 1978, 389. 144

KLOTZ 1941,

283f. (Plutarch undLivius hätten eine gemeinsame Quelle, die zu

benennen unmöglich sei). 145 KLOTZ 1935, 125ff.

146 Ebenso HEFTNER 59– 62 für die Pompeiusbiographie. 147 LEO 161f. 148 PELLING 1979, 88. Ebenso denken RUSSELL 1973, 55; GOSSAGE 51; THEANDER

1951, 77f. 149 REICHMANN 3f.

150 ROSE 1924, 15ff. 151 Ebd. 34.

2. Dielateinischen

43

Quellen

allerdings insgesamt die Lektüre lateinischer Quellen abspricht, sowie BARROW (128) aus. Insgesamt scheint es aber wohl doch festzustehen, daß Plutarch Livius für einzelne Passage direkt herangezogen hat. Als Hauptquelle griff er dann allerdings lieber aufgriechische Schriftsteller zurück. Wie verhielt es sich mit Varro, einem Schriftsteller, der Plutarch ein Informant vor allem für die altrömischen Einrichtungen hätte sein können? Plutarch scheint die Werke Varros, die uns glücklicherweise erhalten sind, De lingua Latina sowie De re rustica, nicht benutzt zuhaben.152 Allerdings spricht einiges dafür, daß er die nicht erhaltenen Schriften De vita populi Romani undAntiquitates divinae et humanae zumindest teilweise für seine Schriften einsah.153 Dasselbe nahm PETER an (156, 171), der glaubte, Plutarch habe die für unsverlorenen Werke des Varro direkt benutzt, undzwar 62) und die Numabioals Hauptquelle (171) für die Romulusvita (150– Die meisten Philologen graphie (164– 71).154 gehen davon aus, daß Plutarch Werke vonVarro für seine Arbeiten eingesehen hat.155 Vor Plutarch stellte bereits Cornelius Nepos die Biographien berühmter Griechen (und anderer Nichtrömer) undRömer nebeneinander.156 De viris illustribus könnte Plutarch durchaus als Anregung für die Auswahl seiner Helden gedient haben.157 Immerhin hatPlutarch 12 derbeiNepos erhaltenen 20 Lebensbeschreibungen griechischer Heerführer (zuzüglich der ‘barbarischen’Feldherrn Hamilkar undHannibal) in seinen Viten bearbeitet. Ob er ihn aber direkt als Quelle benutzte, scheint eher zweifelhaft. PETER schließt es für einzelne Passagen in den Viten des Marcellus (75f.), Lucullus (109) oder der Gracchen (95f.) zwar nicht völlig aus, stellt es –im Gegensatz zu aber nicht als sicher dar. Allerdings könnte derrecht einfache KONRAD (lv) – 152 Waser an Material aus ling.lat. hat, ist auf Juba zurückzuführen, der das Werk benutzt hat; ROSE 1924, 21. Vgl. auch die Anmerkungen zu den entsprechenden Etymologien im Kap. VI 2, in denen ich des öfteren Varros Wortlaut angeführt habe. Einige Etymologien stimmen überein, einige nicht, bei anderen hat Plutarch zwar die gleiche Etymologie wieVarro, aber eine andere Erklärung. Hätte Plutarch ling.lat. benutzt, gäbe es mehr Übereinstimmungen. Eine Reihe dervonPlutarch angeführten lateinischen Etymologien warimübrigen weit verbreitet undallgemein bekannt. 153 ROSE 1924, 28– 34. Es ist allerdings bei dennurin wenigen Fragmenten erhaltenen Schriften Varros schwierig zu sagen, ob Plutarch den Römer direkt oder ebenfalls durch Vermittlung desJuba benutzt hat. 154 Auch K. ZIEGLER (861) glaubt, daß Plutarch Varro direkt benutzt hat. Ebenso HILLARD 24 Anm.31. 155 BARROW 151; JONES 1971, 89; VAN DER STOCKT

285.

156 Man denke auch an Varros (verlorene) Imagines, die literarische Portraits von über 700 Griechen und Römern vereinigt haben (Plin.n.h. XXXV 11); vgl. dazu E.

NORDEN, Varros Imagines, hg. V. B. KYTZLER,

Berlin 1990.

157 Siehe z.B. GEIGER 1981, 95; HILLARD 24ff.

44

IV. Dielateinischen

Quellen

Stil des Nepos die Benutzung für jemanden, der nicht so gut lateinisch sprach, attraktiv gemacht haben.158 GEIGER glaubt, Plutarchs römische Freunde haben ihm empfohlen, Nepos zu lesen. Das hat er dann GEIGER zufolge getan, die Referenzen ließen keine Zweifel zu. Vor allem aber die generelle Idee und die Auswahl der Helden Plutarchs wären von Nepos beeinflußt worden. Bei der inhaltlichen und stilistischen Ausarbeitung der einzelnen Viten ende Nepos’ Einfluß.159 Für die Cicerovita sowie für Teile derLucullusvita ist Nepos’Cicerobiographie als Quelle in Betracht gezogen worden. Da diese verloren ist, wird man den Nachweis kaum führen können.160

Denrömischen Annalisten des ersten Jh. v. Chr. Valerius Antias

nutzte Plutarch nach Ansicht PETERS für die Biographie des Poplicola direkt als Hauptquelle. Die Ähnlichkeiten mit Dionysios undLivius ergeben sich aus der gemeinsamen Verwendung dieses Autors.161 KLOTZ wiederum glaubt, Plutarch benutze für einzelne Ereignisse in der Marcellusbiographie ebenso wie im Flamininus und Fabius Maximus den Valerius Antias und habe dabei erneut mitLivius eine gemeinsame Quelle.162 Im Unterschied dazu scheint die Untersuchung, ob Plutarch die Werke Ciceros als Quelle benutzte, einfacher zu sein, da von diesem Autor viel überliefert ist. Einige Schriften, vor allem Briefe, verfaßte Cicero in griechischer Sprache, andere waren zu Plutarchs Zeiten vielleicht schon ins Griechische übersetzt worden.163 Es herrscht Einigkeit darüber, daß Plutarch zumindest diese griechischen Schriften gelesen hat. Allerdings warer nicht sonderlich an der römischen Philosophie interessiert, so daß kaum anzunehmen ist, er hätte diephilosophischen, staatstheoretischen u.ä. Schriften Ciceros genauer eingesehen. Ihn interessierte an Cicero weniger der Philosoph als vielmehr der Mensch, obgleich er dessen Leistungen als Philosoph und Redner durchaus zu würdigen wußte (z.B. Cic.40). Er wird daher – nursolche Werke gelesen haben, die etwas über dasLeben wenn überhaupt – desrömischen Philosophen aussagen, wiez.B. Briefe. PETER hält es für sehr unwahrscheinlich, daß Plutarch die Masse der Schriften Ciceros oder auch nur Teile daraus selbst las. Auch die Reden undlateinischen Briefe hat er

158 RUSSELL 1973, 106f. 159 GEIGER 1988, 248f. 160 GELZER 659. Für die Benutzung GLUCKER 1978, 385f. 161 PETER 45– 51. In Flam.18 dagegen hätte Plutarch die Information des Antias über 10), die Lektüre des Livius erhalten (82). Vgl. auch 153 (Benutzung des Antias für Rom.9–

168 u. 172 (Num.15).

162 KLOTZ 1934, 317f.; ders 1935, 51f. u. 1935, 128f. 163 THEANDER 1959, 105.

2. Die lateinischen

Quellen

45

Der Aufwand hätte sich für seine Zwecke nicht gelohnt (110. 118). Schließlich konnte Plutarch für die Cicerovita auf die griechische Biographie desTiro zurückgreifen.164 PELLING dagegen hält es schon für möglich, daß Plutarch einige ausgewählte Werke Ciceros direkt als Quelle nutzte, vor allem Reden (z.B. die Philippica) undBriefe. Daneben habe er aber auch Tiro eingesehen. Ebenso α ε ία ρ τ ςbenutzt.165 Zudem ὶὑπ ε habe er Ciceros für unsverlorene Schrift Π gleichen Ergebnis ist O. LENDLE gekommen. Er zeigt, daßCiceros verlorene ρ ὶτ ε απ μ ῆ η α ε ςὑπ τ ία ν ςPlutarch für einige Passagen in der μ ό π Schrift Ὑ Cicerovita als Quelle diente (und zwar für die Ereignisse des Jahres 63: Ciceros Konsulat).166 GLUCKER, dersich ebenfalls mit diesem nicht mehr erhaltenen Werk Ciceros als mögliche Quelle für Plutarch beschäftigt, faßt zunächst die Forschungsgeschichte für die Quellen der Cicerobiographie zusammen. Er kommt zudemSchluß, daßPlutarchs Quelle aufalle Fälle lateinisch gewesen ist. Bei der Rückübersetzung einiger Passagen Plutarchs ins Lateinische ergäben sich exakte Parallelen zuCiceros erhaltenen Werken.167 In Bezug auf Cicero scheint es mir insgesamt eher unwahrscheinlich, daß Plutarch umfangreichere lateinische Texte dieses Autors las. Es warfür seine Zwecke nicht unbedingt nötig, daer Informationen über dasLeben des römischen Philosophen genauso ausgriechischsprachigen Schriften erhalten konnte. Man könnte diese Ausführungen für Sallust,168 Caesar, Asinius Pollio, Tacitus sowie weniger bekannte Autoren weiterführen. Für unsere Zwecke ist diese kurze Analyse ausreichend. Plutarch hat lateinische Autoren gelesen, wenn sie für seine Ziele wichtig waren. Schriften desLivius, Varro oder Nepos, die Informationen über Personen, ihre Zeit, historische Ereignisse oder römische Antiquitäten zumGegenstand hatten, waren für ihnergiebiger als beispielsweise die Werke Ciceros, die neben den Informationen, die Plutarch benötigte, vieles beinhalteten, was der Autor kaum für seine Darstellung nutzen konnte (z.B. philosophische Diskussionen). Deswegen und PETER zufolge nicht eingesehen.

164 PETER 129– 35. Ebenso GELZER 661. 165 PELLING 1979, 89f.; ders. 1985, 313; GUDEMAN 9f. Vgl. auch DE WET. 166 LENDLE 95–109. 167 GLUCKER 1988, 55f.; ders. 1978, 383– 90 (für Luc.42). Zu dieser Stelle siehe auch JONES 1982. Er hält Ciceros Lucullus für die Quelle. KAIMIO (232f.) meint, Cicero habe das Werk über sein Konsulat in Griechisch verfaßt. 168 Sallusts Historien waren zweifellos Plutarchs direkte Hauptquelle für die Sertoriusbiographie, während die direkte Benutzung Varros und Livius’ nicht nachgewiesen werden kann; KONRAD liii-lvi.

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IV. Dielateinischen

Quellen

aus den schon oben genannten Gründen war die römische Dichtung als Quelle fürihnungeeignet. ZumSchluß möchte ich noch kurz auf die einzige in dieser Beziehung für unswichtige Schrift aus denMoralia eingehen, die Quaestiones Romanae. Nurin dieser Abhandlung hatPlutarch eine größere Anzahl lateinischer Autoren zitiert. Was ROSE zur Benutzung des Varro sagte, ist oben dargestellt worden. Er glaubt außerdem, Plutarch könnte vondenvonihmzitierten Autoren Valerius Maximus, Cicero, Ateius Capito, Fenestella, Cluvius Rufus undVerrius Flaccus gelesen haben, während er Cato maior, Livius (in dieser zitierten Passage), Nigidius Figulus undAntistius Labeo nurindirekt benutzt habe.169 VANDERSTOCKT170 hat ermittelt, daß Plutarch von den 11 zitierten lateinischen Autoren sechs gelesen hat: Varro, Valerius Maximus, Cicero, Cato maior, Verrius Flaccus und Cluvius Rufus. Die anderen benutzte Plutarch entweder nur indirekt (Livius), oder es ist nicht mehr eindeutig zu ermitteln, ob er sie selbst gelesen hat (Nigidius Figulus, Fenestella, Antistius Labeo, Ateius Capito).171 Daß Plutarch in dieser Schrift, in deres umrömische Fragen geht, dagegen 19 griechischsprachige Autoren erwähnt, von denen er VANDERSTOCKT zufolge immerhin 14 direkt benutzte (darunter Homer, Hesiod, Aischylos, Sophokles, Herodot, Platon, Aristoteles, Dionysios von Halikarnassos, Juba u.a.), macht noch einmal besonders deutlich, daß Plutarch, auch wenn es um römische Angelegenheiten ging, lieber aufgriechischsprachige Autoren zurückgriff.

169 ROSE 1924, 34– 44. 170 ZurForschungsgeschichte derQuellenproblematik in denQuaest. Rom. VANDER STOCKT 282 Anm.8.

171 VANDERSTOCKT 262– 5.

V. ’BARBAROS’ 172

β ρ α ο ρ ά ςhat Die Entstehung und inhaltliche Entwicklung des Begriffes β eine Reihe vonPhilologen zuUntersuchungen angeregt,173 wobei häufig das ρ ο ςist ρ α ο ᾽im Mittelpunkt steht.174 Βάρβα ς ν–βάρβ η λ λ Begriffspaar Ἕ ‘ erscheinender unverständlich Reduplikation und Nachahmung die durch unverLaute entstanden, ist also ein Schallwort und bedeutete zunächst “ . Das griechische Wort hat Parallelen in anderen inständlich sprechend” doeuropäischen Sprachen, so z.B. im Altindischen bárbaras.175 Die anfängliche Bezugnahme auf dassprachliche Unverständnis erweiterte sich, so daß β ά β ρ α ρ ο ςallgemein “nichtgriechisch”, dann durch die Erfahrungen der bedeuten konnte. ungebildet, roh, kulturlos” Griechen mitanderen Völkern “ ρ ό β α φ ο ν ι (Il.II 867), sonst scheint ihm ω ρ α Homer nennt zwar die Karer β das Problem der Verschiedensprachigkeit der Völker nicht erwähnenswert.176 Selbst die feindlichen Trojer werden in ihrem Verhalten, der Kleidung undder Sprache nicht anders als die Griechen beschrieben, sie tragen sogar griechische Namen (Astyanax etc.).177 Ein Grund dafür könnte sein, daß die Griechen das Volk der Trojaner nie kennengelernt haben, sondern nur aus der Überlieferung kannten. Im Gegensatz dazu waren die Karer in Griechenland durch ihre Besiedlung dessüdwestlichen Kleinasiens bekannt, außerdem kamen sie sowohl als Söldner als auch als Sklaven nach Griechenland undscheinen dort nicht besonders gut angesehen gewesen zu sein (Them. 1;733E; 860E). Viele Karer kämpften andererseits als Söldner in den Heeren derPerser undanderer denGriechen feindlich gesinnter Völker. Kontakte zu fremden Völkern ergaben sich für die Griechen vor allem durch ihre Kolonisationsbestrebungen rund um das Mittelmeer und das Schwarze Meer, durch Einfälle fremder Völker in ihr Gebiet, durch Seefahrer, Händler, Abenteurer undnatürlich Sklaven undMetöken.178 Die meisten Völker, mit denen die Griechen in Berührung kamen, lebten aufeiner niedri-

172 Zu ‘Barbar’in Anführungszeichen vgl. J. WERNER 1989, 176. 173 Vgl. z.B. EICHHORN (behandelt nurdiegriechischen Schriftsteller derklassischen Zeit); H. WERNER; JÜTHNER 1950; OPELT/SPEYER; K. CHRIST 1959; J. WERNER 1989, 173–

76.

174 Vgl. z.B. JÜTHNER 1923 (immer noch ein guter Überblick); MOSLEY; WILCKEN;

WINDISCH/HABERKORN; DÖRRIE. 175 JÜTHNER 1923,124 Anm.4 (zu S.1); OPELT/SPEYER 176 DIHLE 1994, 14f.

177 Vgl. zudiesem Namen J. WERNER 1963, bes. S.51. 178 Dazu DIHLE 1994, Anm. 8 (S.133f.).

254; H. WERNER 390.

48

V. ’Barbaros’

geren Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung als sie selbst, so daß nicht zuletzt diese Kontakte auf der einen Seite das Selbstbewußtsein der Griechen beförderten, auf der anderen Seite zu einer mehr oder weniger geringschätzigen Einstellung anderen Völkern gegenüber beitrugen. Selbst die hochzivilisierten Ägypter mußten mit ihren anderen Sitten und religiösen Bräuchen, der anderen Schrift und Sprache fremd und “ barbarisch” erscheinen.179 Märchenhaft anmutende Reiseberichte von Kaufleuten u.a. taten einÜbriges. Selbst Autoren, die weit gereist waren undüber andere Länder undderen Sitten berichteten, wie Hekataios vonMilet, Herodot oder Eratosthenes, waren nicht gegen Mythen über fremde Völker gefeit.180 ρ β ο α ρ ςwaren die ά Bedeutend für die Entwicklung des Begriffs β Zum einen wurde der “ Barbar” Perserkriege.181 , derPerser, zumbedrohlichsten Feind derGriechen, zumanderen entwickelte sich durch dengemeinsamenKampf dergriechischen Poleis gegen diePerser eine Gemeinschaftlichkeit, die sich nunnicht mehr nurkulturell, sprachlich undreligiös, sondern auch politisch ausdrückte. Dabei bildete sich das Begriffspaar Ἕ ν– η λ λ β ά ρ β α ρ ο ς ᾽heraus. Βάρβα ‘ ρ ο ςwar zu einem Kulturbegriff geworden, der nicht mehr nur das Unverständnis in sprachlicher Hinsicht, sondern ebenso die Verschiedenheit der ‘barbarischen’ Völker zudenGriechen in Religion, Kultur, Kleidung, Benehmen oder Kriegsführung zumAusdruck brachte.182 Es entwickelten sich daraus auch andere Bedeutungen des Wortes β ά β ρ α ρ ο ς . Der negative Aspekt des Wortes im Sinne von “roh, grausam, wild”konnte schließlich Personen, Sitten u.ä. bezeichnen, unabhängig davon, ob sie wirklich fremden Völkern zuzurechnen waren oder nicht.183 179 Wobei hier nochmals betont werden muß, daß ’β β α ρ ά ρ ο ᾽auch immer neutral, ς ohne Wertung gemeint sein konnte in der Bedeutung “ nichtgriechisch, fremd” . DIHLE 1994, 46f. meint, daß sich der Hochmut der Griechen gegenüber denBarbaren unddamit eine generalisierende Ablehnung derBarbaren erst im4. Jahrhundert entwickelte, erste Anzeichen seien in den späteren Tragödien des Euripides zu entdecken. Undauch “ die bis heute gültige Bedeutung des Wortes Barbar entstand unter den spezifischen Bedingungen des 4. Jh. v. Chr.”(ders. 51). 180 Siehe dazu den Artikel Ethnographie undAnthropologie bei Herodot von W. NIPPEL in: ders., Griechen, Barbaren und “ Wilde” . Alte Geschichte undSozialanthropologie, Frankfurt 1990. Vgl. zuletzt A. DIHLE 1994, dersich auch mit derWahrnehmung und Darstellung des Fremden bei den griechischen Schriftstellern auseinandergesetzt hat (z.B. 4; Strabon 97– 46; Poseidonios 90– 33; Herodot 38– 101). Hekataios 27– 181 DIHLE 1994, 33ff. 182 Vgl. OPELT/SPEYER 255.

183 Dazu H. WERNER 396: ”β ά β ρ α ρ ο ςverliert ganz allmählich ... seine völkische Beundwird zum Synonym aller jener Wörter, die sonst jene für den Barbaren als

deutung

typisch angesehenen Eigenschaften bezeichneten.”

V. ‘Barbaros’

49

β ρ α ρ Andererseits benutzten die Griechen die Ableitungen β α ίζ β ειν /β α ρ α ρ ισ μ ό ςfür fehlerhaftes Sprechen, was sowohl grammatikalische Fehler als auch Unzulänglichkeiten bei der Aussprache meinte und nicht nur auf griechisch sprechende Ausländer, sondern sogar auf griechische Muttersprachler bezogen werden konnte.184 Die Römer übernahmen das Wort und seine Ableitungen (barbarus, barbarismus etc.) und im wesentlichen auch die verschiedenen BedeuBarbaren”bezeichneten,185 spricht tungen. Daß sie sich anfangs selbst als “ fürdie zunächst nicht ausschließlich negative Bedeutung vonβάρβαρος.186 ᾽sowie derGebrauch dieses Wortes bei denantiρ ο β α ρ ς ά DerBegriff ’β ken Schriftstellern ist eng mit der Einstellung zur Fremdsprachenproblematik verbunden, weshalb in dieser Arbeit kurz darauf eingegangen wird. Das Wort ist ausderTatsache dessprachlichen Unverständnisses entstanden undhat, trotz erheblicher Bedeutungserweiterung, diese Komponente nicht ρ ο α β ςunddie Ableitungen nurselten in ihrer ρ ά verloren. Plutarch benutzt β ursprünglichen Bedeutung, meist wendet er es auf Personen oder Gruppen ob pejorativ oder nicht, beides an, die er als nichtgriechisch/nichtlateinisch – kommt vor –herausstellen will. Wenn Plutarch Griechen –‘Barbaren’ als Gegensatz darstellt, fallen denGriechen meist die positiven, den ‘Barbaren’ die negativen Eigenschaften zu. So sei den Griechen Vorsicht, den ‘Barbaren’Vermessenheit eigen (29E), ‘Barbaren’ seien weibischer, schwächer, unedler undabergläubischer als Griechen (113A-B), das Geschrei sei ’barbarisch’, das Schweigen jedoch griechisch (Hom.II 4).187 Da zu seiner Zeit die Dreiteilung Griechen –Römer –‘Barbaren’ schon selbstverständlich war,188 bezeichnete Plutarch die Römer nie als ‘Barbaρ β α ο ρ ςund verschiedene Ableitungen ά ren’. In seinen Texten kommen β

184 Vgl. JÜTHNER, 1923, 43; OPELT/SPEYER 257. 185 Plaut.Asin. 11;Mil.211f.

186 Zur “ Entwicklung des Barbarenbegriffes im römischen Bereich”(S.277) vgl. K.

277ff. 187 Vgl dazu die Untersuchung von NIKOLAÏDIS 1986, der die Charakteristika, mit ή ρ ε ν δ ία ,ἀ ,π ρ ν ό ο ια τ , σιω ε ρ ή denen Plutarch die Griechen (ἀ , εὐσέβ π ε ια etc.) undBarbaή , δεισιδα γ υ ο ιμ ν η ίαetc.) bezeichnet, gegenüberge, κρα ς τ ύ σ ren (κ α ρ α κ ία , θ , δειλ ία stellt und ausgewertet hat. Obgleich Plutarch die Griechen eher mit den positiven, die ‘Barbaren’ eher mit den negativen Merkmalen ausgestattet, sei sein Griechen-/ ‘Barbaren’bild doch nicht so “ schwarz-weiß” , wie solch eine direkte Zusammenstellung vortäuscht. “ He often attributes barbarian characteristics to the Greeks andGreek charakteristics to barbarians.”(244). CHRIST

188 JÜTHNER 1923, 62.

50

V. ‘Barbaros’

davon relativ häufig vor, mehr als 350 mal.189 Ebenso nutzt er die vielfältigen Bedeutungen des Wortes. Berichtet er beispielsweise von Ereignissen ρ β ο α ρ ά ςfast immer Perser’. aus dem 5. Jh. in Griechenland, so bedeutet β ‘ β ρ α ο ρ ά ςund seinen Ableitungen Insgesamt bezeichnet Plutarch mit β Angehörige fremder Völker mit ihren fremden Sitten und eben auch der nichtgriechischen/nichtlateinischen Sprache (29E; 113A-B; 329C; 344E; 857A; 935B; Hom.II 4 etc.). Dabei benutzt er diese Wörter durchaus auch neutral, d.h. er nennt Nichtgriechen bzw. Nichtrömer ‘Barbaren’ ohne pejorativen Anstrich (261D-E; 329F; 336C; 576C; 618A; 753E etc.). Oft ist mit demGebrauch dieser Wörter aber die herablassende Überlegenheit des Griechen Plutarch gemeint, derdamit fremde, ungebildete, kriegerische und abergläubige Völker und deren Angehörige meint. Es gibt jedoch einige Passagen, in denen Plutarch mit einer gewissen Bewunderung von ‘Barbaren’ spricht, wobei aber immer der Gedanke eine Rolle spielt, daß diese ‘Barbaren’ etwas Erwähnenswertes erreicht haben, obwohl sie ‘Barbaren’ sind, was letztendlich auch nur von dem Gefühl der eigentlichen Überlegenheit der Griechen zeugt. So bewundert er die Belistiche, ein ‘Barbaren’weib vom Markte (β β ρ ρ α ά ο νἐ ρ ξἀγο ᾶ ύ ν α ςγ ιο ), der in ν Alexandria Tempel und Heiligtümer errichtet worden sind (753E). In der pseudoplutarchischen Schrift De lib. ed. stellt der Autor die Eurydike als Vorbild hin, obwohl sie aus Illyrien stammt unddamit barbarisch ist, weil sie sich in späteren Jahren noch unterrichten läßt, umihre Kinder erziehen zu können (14B).190 Ebenso wollen die Gesprächspartner in De defectu oraculorum derErzählung eines Nichtgriechen glauben, dersehr gebildet ist undgriechisch spricht (421A-B; vgl. S. 69. 158f.). Es gab aber immerhin – wenn auch nur angedeutet –die Überlegung, diesem Menschen nicht zu glauben, weil er kein Grieche war. β ρ α ρ α ίζ ε Verschiedentlich gebraucht Plutarch β ινfür ‘fehlerhaftes Sprechen’, unabhängig davon, ob es sich bei demSprechenden umeinen Griechen oder einen ‘Barbaren’handelt. So tadelt er einen Sprachlehrer, derdas Kind wegen unwichtiger Dinge tadelt, fehlerhaftes Sprechen undBarbaris) aber nicht zu hören scheint (59F). ν ο men (σ λ ο ικ ίζ α ὶ βαρβαρίζω νκ ω

189 Aus diesen undaus Platzgründen, aber auch, weil es den Rahmen des Themas sprengen würde, erheben die in diesem Abschnitt genannten Textstellen aus den Werken Plutarchs keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollen lediglich anhand einiger ausgewählter Beispiele die vielfältige Nutzung desWortes β β α ρ ο ά ρ ςundseiner Ableitungen durch Plutarch verdeutlichen. 190 Es handelt sich hier wohl um die Gemahlin des makedonischen Königs Amyntas III. undMutter Alexanders II., Perdikkas’ III. undPhilippos’ II.; Kl.P. II 452.

V. ‘Barbaros’

51

ο λ ο ιÄhnlich verurteilt Plutarch Sprachfehler oder ‘barbarische’ Wörter (σ ῃ ) in demVortrag eines Redners (534F).191 ρ ίσ β α ρ α ῃἢβ κ ίσ Plutarch war ein so überzeugter Grieche, daß er Herodot als φ ιλ ο β ά β ρ α ρ ο ςbezeichnet, weil dieser denÄgyptern Frömmigkeit zubilligt, den Griechen jedoch Mordsucht zur Last legt (857A).192 Da Plutarch Griechenland undspeziell seiner Heimat Boiotien sehr verbunden war, konnte er Herodot dessen vermeintliche Kritik nicht verzeihen, so daß er eine Abhandlung über “ Herodots Bösartigkeit”verfaßte. Der Vorwurf, ein ‘Barbar’bzw. ein ‘Barbaren’freund zu sein, wirkte zu Plutarchs Zeiten sicherlich verletzend. Herodot jedoch, der immerhin ein halbes Jahrtausend vor Plutarch ρ ο β α ρ ςselbst meist ά lebte, hätte dieser Ausdruck gar nicht beleidigt, da er β wertfrei verwendet (vergleiche z.B. die Aussage imVorwort seines Werkes, er wolle die Leistungen beschreiben, die Griechen und‘Barbaren’vollbracht hätten). Plutarch wirft ihmu.a. vor, er hätte Thales, immerhin einer der sieben Weisen, durch seine angebliche Abstammung vondenPhöniziern zum Barbaren gemacht (854F).193 Ebenso habe Herodot denathenischen Adligen Isagoras mit der Aussage, seine Verwandten opferten demKarischen Zeus, unter die Karer wie zu den Geiern gesteckt (860E).194 Die Karer schienen insgesamt nicht das beste Ansehen bei den Griechen zu genießen (s.o.). Plutarch beschimpft Herodot weiter, er stelle den Tyrannenmörder Aristogeiton zu den ‘Barbaren’, da er ihm eine phönizische Abstammung nachsage (860F).195 Andererseit hat er trotzdem die Leistungen fremder Völker anerkannt, mandenke nurandie Schrift DeIside et Osiride, diePlutarch als ‘Barbarenfreund’ kennzeichnet. Im sogenannten Lampriaskatalog ist unter der Numρ ικ β α α ί/Quaestiones ρ α ἰτ ιβ ία mer 139 eine Schrift mit dem Titel Α

191 Vgl. auch 166B (ῥ ή μ α β σ ρ α ρ ιβ α ικ ο ῖς γ ρ ο ρ ῶ β η ν... ἐβ ά ); 183B (δ ισ ρ μ α ε ). In η diesen Passagen sind Fehler in der Aussprache bzw. allgemein fehlerhaftes Sprechen von Griechen in ihrer Muttersprache gemeint. 192 Vgl. dieBemerkungen vonHARRISON 4663f. undBOWEN 110. Die Stelle bezieht sich vor allem auf Hdt.II 45. Vgl. auch Plut. 857C. 193 Hdt.I 170.

194 Hdt.V 66. Ζ ε ὺ ςΚ ά ρ ιο ςkönnte er aber auch wegen des gewaltigen Kopfes (τ ὸ ) heißen. Vgl. 733E, woPlutarch eben diese Ähnlichkeit zwischen demNamen der ρ α ά κ αzu einer Interpretation eines Homerρ ά Karer unddemgriechischen Wort für Haupt κ verses (Il.IX 378) nutzt. Vgl. dazu die Anmerkungen vonTEODORSSON 3, 276. 195 Bei diesem Pamphlet gegen Herodot geht es demAutor natürlich gegen diesen und nicht gegen irgendwelche ‘Barbaren’. Plutarch stört, daß Herodot hochverdienten Griechen eine ‘barbarische’ Abstammung anhängen will. Vgl. auch 847F, wo Plutarch berichtet, daß Diogenes über die vermeintliche skythische Herkunft des Demosthenes spottete.

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V. ‘Barbaros’

Barbaricae (Nr. 138 sind die überlieferten Quaestiones Romanae) verzeichnet, die leider verloren ist. Es ist anzunehmen, daß Plutarch die Probleme ebenfalls in derFrage-Antwort-Form wie in denQuaest. Graec. undQuaest. Rom. behandelt hat. Er wird sich zureligiösen, staatlichen, militärischen etc.

Einrichtungen verschiedener ‘barbarischer’ Völker geäußert haben und dabei sicherlich ab undzuauf sprachliche Dinge eingegangen sein.196 Durch die Kenntnis dieser Schrift wäre uns vermutlich deutlich geworden, daß Plutarch die Angelegenheiten ‘barbarischer’ Völker genauso behandelt wie die der Griechen undRömer, wobei er einige ihm entweder unverständlich erscheinende oder grausam vorkommende ‘barbarische’ Sitten verurteilt hätte, wieer dasananderen Stellen seiner erhaltenen Schriften getan hat. Zusammenfassend kann man sagen, daß Plutarch in seiner Einstellung zu den ‘Barbaren’ nicht eindeutig beurteilt werden kann. Das entspricht sowohl seiner Zeit als auch seiner Person. Er warviel zu sehr Grieche, um die ‘Barbaren’ als gleichwertig anzusehen, viel zu sehr Mensch, um nicht denAngehörigen ‘barbarischer’ Völker gegenüber tolerant zu sein undviel zu wißbegierig und klug, um nicht deren Sitten zu erkunden und deren Leistungen auf kulturellem undmilitärischem Gebiet anzuerkennen. Seine Einstellung fremden Völkern gegenüber hängt oft vom Sujet des entsprechenden Werkes undnatürlich vondenQuellen ab. Anerkennung beispielsweise für die ägyptische Weisheit zeigt Plutarch, wenn er berichtet, die weisesten derGriechen (Solon, Eudoxos, Pythagoras) hätten Bildungsreisen nach Ägypten unternommen und sich dort von den ägyptischen Priestern (Sonchis aus Saïs, Chonuphis aus Memphis, Onuphis aus Heliopolis) unterweisen lassen (354E; Sol.26).197 Plutarch ist schließlich selbst nach Ägypten gereist. Große Sympathie zeigte Plutarch für Alexander denGroßen unddessen Versuch, die griechische Welt mit der ‘barbarischen’ zu verbinden. Daß dabei die Griechen die Kulturbringer waren, stand für Plutarch außer Frage. So preist er das Werk des Alexander, der die Hyrkanier die Ehe lehrte, die Arachosier denLandbau, die Sogdianier,198 ihre Väter zuernähren undnicht umzubringen, und die Perser, ihre Mütter zu ehren undnicht zu heiraten.

196 Vgl. die Bemerkungen von ROSE 1924, 49. Er hält es für möglich, daß die Frgm. 133 u. 138 (BERNARDAKIS Bd.VII 166f.) aus dieser Schrift stammen. 197 Vgl. die Anmerkungen von OPELT/SPEYER 258 sowie HOPFNER 1941, T.2, 85– 90. Pythagoras soll dieAusdrucksweise derPriester nachgeahmt haben. Nach demZeugnis anderer Schriftsteller soll er sogar Ägyptisch gelernt haben; HOPFNER ebd. 88f. u. 90f. Vgl. auch den Beitrag desselben Autors Orient und griechische Philosophie. Dazu auch GRIFFITHS 1970, 75f. 104f. 198 Satrapien bzw. Gebiete Persiens.

V. ‘Barbaros’

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Dagegen erreichten Philosophen wiePlaton undSokrates, die zwar mit ihren Schülern die gleiche Sprache sprachen, nur sehr wenige. Alexander hatte es vermocht, die Inder, Baktrier und Kaukasier dazu zu bringen, griechische Götter anzubeten, die Skythen, ihre Toten zu beerdigen und nicht zu verspeisen, die Perser, Susianer und Gedrosier, die Tragödien des Euripides undSophokles zu spielen. Zwar sei es bewundernswert, daß Karneades den karthagischen Philosophen Kleitomachos, vormals Hasdrubal, Griechisch lehrte, daß Zenon den Babylonier Diogenes (aus Seleukeia am Tigris) für die griechische Philosophie gewann, aber Alexander habe ganz Asien kultiviert. Platon habe eine Verfassung entworfen, die so streng war, daßsie niemand einführen konnte, Alexander dagegen habe durch die Gründung von 70 Städten unter den ‘barbarischen’ Völkern die griechische Kultur verbreitet und so über die wilde und rohe Lebensweise der ‘Barbaren’ gesiegt (328C-D).199 In dieser Passage wird besonders deutlich, daß für Plutarch dasGriechische dasMaßaller Dinge ist, unddaßer zwar die Sitten der nichtgriechischen Völker verabscheut, aber im Grunde nicht die Menschen, die er für lernfähig undder griechischen Kultur für würdig hält. Weiter erwähnt er, Alexander habe nicht, wie sein berühmter Lehrer Aristoteles es ihm riet, die Griechen als Fürst und die ‘Barbaren’ als Despot unddamit sprengt er denRahmen der behandelt. Vielmehr habe Alexander – ursprünglichen Bedeutung des Begriffspaares Griechen –‘Barbaren’ – befohlen, Griechen und ‘Barbaren’ nicht nach Mantel, Schild, Schwert und Kleidung (der Topos Sprache fehlt) zuunterscheiden, sondern die Griechen an der Tugend, die ‘Barbaren’ am Laster zu erkennen (329C; vgl. auch 344E). Also nicht die Herkunft (die man an Kleidung, Schild etc. erkennt) war laut Plutarch dem Alexander wichtig, sondern der Charakter, die Erscheinung des einzelnen Menschen.200 Eine ähnliche, kosmopolitisch orientierte Ansicht vertrat Plutarch in einem Abschnitt der Schrift De exilio. In den Grenzen des Vaterlandes, die der Äther darstelle, gebe es keinen ο ά ), keinen Ausländer ), keinen Fremden (ξ έν γ ς ς υ Verbannten (φ (ἀ λ δ α ο ό λ π ), ... die gleichen Gesetze würden füralle gelten etc. (601A; vgl. ς auch 602B).201 Allerdings muß man diese Aussage Plutarchs im Zu-

199 Plutarch schätzt an dieser Stelle die militärischen Eroberungen und Hellenisierungsversuche Alexanders höher ein als die Arbeit der von ihm doch so verehrten Philosophen. Man sollte allerdings beachten, daß sich diese Passage in einer der früheren Schriften befindet, diezudenrhetorischen Übungen zählen. 200 Vgl. JÜTHNER 1923, 17f., wo der Autor genau diese Einstellung schon bei den Sophisten feststellt, dievorerst aber ohne Wirkung aufbreitere Kreise dergriechischen Bevölkerung blieb. Dazu äußert sich ähnlich DIHLE 1994, 49ff., vor allem Anm.39 (S.143). 201 Es folgt noch ein Zitat aus Platons leg. 715ff.

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V. ‘Barbaros’

sammenhang mit der Schrift sehen, in der er einem Freund, der aus seiner lydischen Heimatstadt Sardes auf eine ägäische Insel verbannt war, Trost spenden will undversucht, dessen Schmerz zu lindern. Daßaber Alexander im Grunde weniger vereinigen als vielmehr die griechische Kultur verbreitenwollte, wirdnoch einmal deutlich in denWorten, diePlutarch demWelteroberer in den Mund legt. So wolle er die griechische und ‘barbarische’ Welt miteinander vereinen, Makedonien bis an die Ozeane ausdehnen, griechische Kultur aussäen, allen Völkern Frieden undFreiheit bringen (332A). Schließlich überliefert Plutarch die berühmte Wanderanekdote, nach der Platon (bei anderen Sokrates oder Thales) sich glücklich preise, “ als Mensch undGrieche, nicht als ‘Barbar’undunvernünftiges Tier zurWelt gekommen undüberdies zurZeit desSokrates geboren zusein”(Mar.46).202 Mehrere Male benutzt Plutarch dasWort in derübertragenen Bedeutung ρ ιο γ ς(205F; 328D; 578D; roh, wild”etc., oft im Zusammenhang mit ἄ “ μ ρ ο η ρ ά ν ο ιώ η 1049B), θ ς(170C), π δ α ς(171B), ohne damit unbedingt fremde Personen oder Sitten fremder Völker zu meinen. Auch Griechen bzw. vonGriechen vollbrachte Dinge wurden vonPlutarch so bezeichnet. Einige ιξ ν η ε έλ ς ; Crass.31) oder Halbbarbaren λ Male erwähnt er Halbgriechen (μ ρ β ο α ι; 247A), ohne diese miteiner negativen Wertung versehen zu (μ ιξ ρ β ά ο haben.

202 Bemerkungen zuderAnekdote bei JÜTHNER 1923, 25 undJ. WERNER 1991, 57.

VI. DIE ETYMOLOGIEN Großes Interesse zeigte Plutarch für die Etymologien. Er scheint sie zwar nicht gesondert in einer eigenen Arbeit behandelt zu haben,203 beschäftigte sich mit ihnen aber in vielen seiner Werke. Ob eine Etymologie nuneinen Sachverhalt beweisen, eine Spekulation unterstützen oder die Erzählung bereichern sollte oder ob die Etymologie Plutarch so sehr beeindruckte, daßer sie umihrer selbst willen erzählte, spielt dabei vorerst keine Rolle. Ebensowenig sollte uns zunächst beschäftigen, daß die meisten Worterklärungen sich nach unserem heutigen Wissen beurteilt als falsch erwiesen haben, daß der Autor für zahlreiche Wörter mehrere Etymologien angeboten hat, ohne sich unbedingt für eine zu entscheiden, unddaßer wohl die meisten seiner Erklärungsversuche aus seiner jeweiligen Quelle abgeschrieben oder aus dem damals allgemein Bekannten geschöpft hat.204 Wichtig ist an dieser Stelle, daßPlutarch eine große Anzahl vonEtymologien zusammengetragen hat, woraus ein Interesse des Autors an diesen sprachlichen Erscheinungen sichtbar wird. Ihn interessierte dabei kaum die philosophisch diskutierte ε σ ι) tragen, ύ von Natur aus”(φ Frage, ob die Dinge ihre Bezeichnungen “ alsojedes Ding seinen einzig möglichen Namen hat, oder erst aufgrund ihrer Eigenschaften, ihrer Herkunft entsprechende Benennungen erhalten haben (θ έ σ ε ι), die möglichst dasWesen eines Dinges ausdrücken sollen.205 Schaut mansich jedoch Plutarchs Etymologien an, so wird klar, daßer derzweiten Theorie folgt, ohne freilich theoretische Diskussionen aufzugreifen. Er will denDingen auf den Grund kommen, indem er versucht, die Benennung zu erklären unddie Ursache für diese Bezeichnung anzuführen. Er beruft sich dabei auf Platon (dessen Kratylos er des öfteren erwähnt oder meint), wenn er sagt, dieser glaube, aus den Namen der Götter, wie aus Spuren, ihre Eigenschaften herausfinden zu können (746B).206 In dieser Weise gestaltet Plutarch selbst seine Etymologien. TEODORSSON hält solche ‘Etymologien’ für “ a very popular intellectuell amusement practised not least at drinking-

203 Vgl. dazu den sogenannten Lampriaskatalog. Kein Titel scheint auf eine solche Abhandlung hinzuweisen. 204 Daviele dieser Quellen verloren sind, kannunsPlutarch aufdiesem Gebiet wichtige Informationen über sonst Verlorenes liefern. 205 REITZENSTEIN 808. Dazu auch LEJEUNE 49ff. 206 Siehe zu dieser Stelle TEODORSSON 3, 367f. ZumEinfluß Platons, besonders des

5. Kratylos auf die Etymologien Plutarchs vgl. GÖLDI 10–

56

VI. Die Etymologien

parties” .207Als Beispiele führt

F (π ο ν τ η έρ ), 650C (γ ε ά er 638D– λ ς ), 726Bff. αetc.) an. Das sind nun tatsächlich besonders unsinnige und μ ρ ά τισ κ (ἀ kuriose Versuche von Worterklärungen. Vor allem die (im übrigen von Plutarchs Bruder Lamprias vorgetragenen) Etymologien im letzten von TEODORSSEN angeführten Beispiel (726Bff.) waren wohl eher scherzhaft gemeint und zur Unterhaltung vorgesehen. Trotzdem sollte man sich davor hüten, die Bemühungen insgesamt als Spaß abzutun. Daswaren sie, wie wir im folgenden sehen werden, auf keinen Fall. Jeder Etymologisierungsversuch mußernsthaft beachtet werden; was uns lächerlich vorkommt, war für diedamaligen Schriftsteller undLeser durchaus normal undüberlegenswert. Die große Anzahl der griechischen Etymologien kann in diesem Text nicht vollständig behandelt werden, dashätte einer eigenständigen Untersuchung bedurft.208 Am Interessantesten für unser Thema sind die Etymologien vonWörtern nichtgriechischer Herkunft, dadamit die Kenntnis undder Stellenwert fremder Sprachen bei demgriechischen Autor Plutarch bewertet werden können. Erwartungsgemäß kommen amhäufigsten lateinische Etymologien in seinen Texten vor, weil das Lateinische die einzige nichtgriechische Sprache gewesen ist, mit der sich Plutarch näher beschäftigt hat.209 Die meisten dieser lateinischen Etymologien übernahm er von Poseidonios,210 Dionysios von Halikarnassos,211 Juba212 sowie Varro213 (ob direkt oder indirekt, spielt an dieser Stelle keine Rolle). Oft führt er eine dieser Quellen auch an, aber gemäß der antiken Zitierweise nicht immer. Es gibt einige Wörter ausanderen Sprachen (Ägyptisch, Indisch, Persisch, Lydisch, Keltisch etc.), die Plutarch versucht zuetymologisieren. Dabei überrascht es kaum, daß er viele nichtgriechische Wörter aus demGriechischen herleiten will.

207 TEODORSSON 1, 300 (Anm. zu 647A). Siehe auch die ausführlichen Anmerkungen desselben zu den Pflanzennamen (647A– B sowie 648A; 300ff.), die im Text aus den unten genannten Gründen nicht besprochen werden, aber in der Liste “ Etymologien grie-

chischer Wörter” imAnhang dieser Arbeit zufinden sind. 208 Zudengriechischen Etymologien vgl. auch dieBelege, dieGÖLDI gesammelt hat

8). (30–

209 210 211 212 213

ZuPlutarchs Lateinkenntnissen S.33ff.

Vgl. HAHN1906, 85ff. 252. Ebd. 123– 8. Ebd. 128f. 247f. Ebd. 242. Zu denhier erwähnten Quellen vgl. auch GÖLDI 19– 27, ansonsten Kap.

IV in dieser Arbeit.

VI. DieEtymologien

57

Wie schon angedeutet worden ist, sind viele der Etymologien falsch. Die meisten sind sogenannte Volksetymologien oder Wortspiele,214 d.h. die Wörter werden auf ähnlich klingende zurückgeführt unddaraus dann erklärt. /ᾶ /ω ) ,α ,ο /η Dabei spielen sprachliche Erscheinungen wie Quantitäten (ε oder bestimmte Lautgesetze selbst bei den griechischen Etymologien meist keine Rolle. Die moderne Sprachwissenschaft ist mit demheutigen Wissen und den entsprechenden Methoden in der Lage, viele dieser Etymologien richtig zu bewerten. Aber auch heute noch können viele Wörter nicht auf ihren Ursprung zurückgeführt werden.215 Wichtiger scheint es mir festzustellen, daß sich die antiken Schriftsteller Gedanken über den Zusammenhang zwischen denDingen undihren Benennungen undüber denUrsprung der Wörter gemacht haben. Plutarch hat nur wenige der Etymologien selbst erschlossen. Die meisten wird er aus denvon ihm benutzten Quellen oder aus allgemein Bekanntem geschöpft haben. Dabei vermischte er oft auch mehrere Varianten aus verschiedenen Quellen miteinander. Aus diesem Grund bot er uns oftmals mehrere Erklärungen füreine Bezeichnung an. Interessante Etymologien nutzte er gern, umseine weitschweifigen und wortreichen Erzählungen zusätzlich auszuschmücken undAnekdoten einzufügen. Andere verarbeitete er, weil er damit historische Begebenheiten besser erklären konnte, undz.T. interessierten ihnauch dieEtymologien selbst. Zunächst werden in dieser Arbeit die griechischen Etymologien behandelt, allerdings, wie schon oben angemerkt worden ist, nicht vollständig im Text. Es soll lediglich versucht werden, anhand von Beispielen Plutarchs Methode bei der Erläuterung griechischer Wörter deutlich zu machen und aufzuzeigen, welche Wörter er etymologisiert, wie und vielleicht auch warum er in dieser Weise vorgeht. Anschließend wird die große Anzahl lateinischer Etymologien analysiert. Sie wurden unterteilt in die Benennungen, die von griechischen Wörtern abgeleitet sind und solche, die Plutarch auf lateinische Ursprünge zurückführt. ZumSchluß werden die Etymologien von Bezeichnungen nichtgriechischer undnichtlateinischer Sprachen untersucht.

214 Vgl. dazu THISSEN 1988, 92f. Ähnlich J. WERNER 1963, 49: “ Natürlich mußman so genau als möglich zwischen (häufigeren) bloßen Wortspielen und(selteneren) ausdrück-

lichen Wort- bzw.Namendeutungen unterscheiden.” 215 Wenn es nicht anders ausgewiesen ist, beziehe ich mich bei der Bewertung von Plutarchs lateinischen Etymologien aufWALDE/HOFMANN, bei dengriechischen aufFRISK.

58

VI. Die Etymologien

1. DIE ETYMOLOGIEN GRIECHISCHER WÖRTER

Die griechischen Etymologien Plutarchs sind in diesem Zusammenhang aus mehreren Gründen wichtig. Zwar wird in dieser Arbeit hauptsächlich Plutarchs Verhältnis zu den nichtgriechischen Sprachen behandelt, aber es müssen auch seine Bemerkungen zur griechischen Sprache undzu den einzelnen griechischen Dialekten untersucht werden. Nur so können wir Plutarchs sprachliche Interessen einschätzen, undseine Aussagen zu dennichtgriechischen Sprachen erhalten eine Relation. O. GÖLDI hat sich 1922 ausführlich mit Plutarchs sprachliche(n) Interessen beschäftigt und wichtiges Material zusammengetragen, das aber für unser Thema längst wasdiegriechische nicht vollständig ist. Dievorliegende Arbeit untersucht – Plutarchs Bemerkungen zur Bedeutung der griechischen Sprache betrifft – Sprache, zum Verhältnis zu anderen Sprachen, besonders der lateinischen, zu den verschiedenen griechischen Dialekten und den Etymologien. Da letztere sehr zahlreich sind, ist im Anhang eine Liste der griechischen Etymologien zusammengestellt worden. Dabei muß betont werden, daß diese Liste nur die Bemerkungen Plutarchs zusammenfaßt, also nicht unbedingt richtige Etymologien enthalten muß. Eine besondere Vorliebe zeigte Plutarch fürdieNamen undEpitheta der Götter undHelden griechischer Sagen. Es warwohl auch ein Ausdruck seiner religiösen Geisteshaltung, daßer sich Gedanken über Herkunft undBedeutung derNamen von Gottheiten machte. Da Plutarch Apollonpriester in Delphi war, galt seine besondere Aufmerksamkeit demNamen des Apollon und dessen zahlreichen Beinamen. Für den Namen des Gottes bietet Plutarch mehrere Erklärungen an. VomVerneinen der Vielheit undMenge (π ο ~ (priv.) + π λ λ ὰκ α ῆ ο θ ο λ ύ ὶπ ς ) habe Apollon seinen Namen: ἀ λ ς Auf seine Rolle als Schutzpatron der Heilkunst, die später (388F; 393B).216 auf seinen Sohn Asklepios übertragen wurde, gehen die beiden anderen α π λ ά λ ) ττ ν ω Erklärungen Plutarchs zurück. So preist er ihn als Befreier (ἀ ο ) schwerer Krankheiten und Leiden (Frgm.157, 5). π λ ύ ν ω und Erlöser (ἀ ν α ο λ λ ύ π ιerwähnt Plutarch Die im Altertum verbreitete Etymologie von ἀ wohlweislich nicht, obwohl sie auch bei Platon zu finden ist (Krat.404e, 406a)217 unddaher Plutarch bekannt gewesen sein dürfte. Diese aber 405a– Ableitung weist jedoch auf etwas Schreckliches, Düsteres, Gewalttätiges im Wesen des Gottes, was Plutarch als Apollonpriester nicht unbedingt recht 216 Der immer wieder vonPlutarchs beschriebene Gegensatz zwischen demEinen unddemVielen ist platonisch; vgl. dazuMERKELBACH 254ff. 217 Auch bei Aischyl.Ag. 1081 u. 1086 findet sich eine Anspielung auf diese Etymologie. Siehe KOTHE 206f.

1. DieEtymologien

griechischer Wörter

59

gewesen sein dürfte. Bis heute ist der Versuch gescheitert, denNamen des Gottes zu erklären, so daß man weder über dessen Herkunft noch über dessen originäres Wesen genaueres sagen kann.218 In klassischer Zeit vereinte Apollon viele göttliche Attribute, die sich teilweise widersprechen konnten. Seine Vielfalt zeigt sich in der fast unübersehbaren Anzahl von Epitheta. Einige versucht Plutarch zuerklären. ό ο ρ μ ςdeutet er als “rein, unbefleckt”(κ ία ν ς , ἀ Φ ο τ ο γ ν ό ῖβ α α θ ς , ἁ ς ; 389A; 393B; 421C), undnicht, wie es in diesem Fall verbreiteter war, als ιο ςleitet er von ε ἷςab hellglänzend, lichtstrahlend”.219 Den Beinamen Ἰή “ undwill damit wie auch mit derersten Etymologie desNamens Apollon (ἀ ο +π λ ύ ) ausdrücken, daßdie Gottheit imUnterschied zumMenschen keine ς Vielheit oder Masse, sondern einzig ist (393B).220 Sowohl das Epitheton ιο θ ςleitet er nicht, wiees naheliegend undrichtig wäre, ή λ ύ ιο ςals auch Π Δ von der Geburtsinsel des Apollon Delos bzw. von der besiegten Pythonschlange oder seiner Priesterin in Delphi Pythia221 ab, sondern er bringt ή λ ιο ς beide Namen mit der Erscheinung als Orakelgott in Beziehung. Δ ῆ ο λ ς , weil Apollon das Wissen bzw. die Wahrheit offenbar komme von δ θ α εσ ν ι (Aor.: π ά θ θ έσ θ ύ ιο ν θ υ υ α ι), ςvon π mache (385B; 1130A), und Π weil er zum Fragen und Forschen anrege (385B). Ähnliche philosophische ύ θ ιο ςaufπ εσ θ α θ ύ ιErklärungen hat Plutarch für dieZurückführung vonΠ anzubieten (1130A). verfaulen, auflösen” “ ή ν ιο μ ςvon dem Fluß Ebensowenig leitet Plutarch den Apollon Ἰσ η ν ό μ ςin Boiotien ab,222 derihmdoch bekannt gewesen sein müßte, sonἸσ ~) in Verbindung (385B), weist also auch α(St. ἰδ ἶδ dern bringt ihn mit ο hier auf den Orakelgott. An gleicher Stelle und aus ähnlichen Beweg218 WERNICKE, RE 2, 1895, 2ff.; FRISK; CHANTRAINE. Vgl. auch USENER 304–13, als ursprüngliche νsowie einer Doppelung des π λ ω έλ π der von der dorischen Form Ἀ ) ausgeht unddenNamen miteiner verlorenen griechischen ο λ ς ελ π π Form (Grundform *Ἄ ό π -) in Verbindung bringt. Er bezeichnet Apollon Entsprechung deslat. pellere (+ Präfix ἀ . KOTHE, der in seinem Artikel zudaher als “ forttreibende(n), Übel abwehrende(n) Gott” nächst einige antike undmoderne Etymologien erörtert unddiese ablehnt (222f.), kann zwar selbst keine neuen Worterklärungen vorschlagen, vermutet die Herkunft des Gottes jedoch immittleren Donaugebiet (223f.). 219 Die Etymologie ist unerklärt; FRISK; NILSSON 1, 559. Vgl. zurDeutung auch M. 7. Siehe auch CornifiS. RUIPEREZ, Etymologica, Phoibos Apollon, Emerita 21, 1953, 14– cius Longus fr.5 p.476 FUNAIOLI. 220 Der Beiname Ἰή ιο ςoder Ἤ ιο ς , wie er auch überliefert ist, soll auf Apollon als . Vgl. Hom.Il.XV 365. Siehe die Anmerkungen 114 ι–“werfen” μ Pfeilschützen deuten: ἵη u.115 bei FLACELIÈRE 1941, 89. 221 Pythia geht zurück auf Π –älterer Name für Delphi; LAUFFER, RE 24, 1963, υ θ ώ 80. ZuApollon Δ ή λ ιο ύ θ ιο 569– ςundΠ ςvgl. NILSSON 1, 552f.

222 Kl.P.II 1466f.

60

VI. Die Etymologien

α ν α er denApollon Φ ῖο ς , dessen Name vonφ α εσ θ α ίν ιabgeleitet sei, weil durch ihn die Wahrheit ans Licht gebracht werde, und den ρ ιο ό ν η ς εσ χ , der die Menschen zur Dialektik/Unterhaltung Apollon Λ (δ εσ ια θ α έγ λ ι) und zum Philosophieren/Studieren (φ ο ) bewege σ ε ιλ ο φ ῖν (385B). Denn λ ηnannten die Griechen ein öffentliches Gebäude, wo σ χ έ manzur Unterhaltung zusammenkam, aber auch die Unterhaltung, das Gespräch selbst.223 ρ ιο ο ύ ςbietet Plutarch wieder zwei Für das Epitheton des Apollon Θ Erläuterungen an. Entweder sei er von demNamen der Mutter des falsche – Chairon, des Gründers seiner Heimatstadt Chaironeia, gebildet, dender Auρ ώ überliefert, oder aber von der phönizischen Bezeichnung für ο υ tor als Θ : θώρ.224VomPythischen Orakel wardemKadmos eine Kuhals FühKuh” “ rerin bestimmt worden, under sollte nunan der Stelle, die die Kuhihm gewiesen hatte, eine Stadt gründen, das spätere Theben (Sull.17). Da Kadmos bei denGriechen als Phönizier galt undihm sogar die Vermittlung derphönizischen Buchstabenschrift für das griechische Alphabet zugeschrieben wurde (738A; 957A),225 ist es in diesem Zusammenhang möglich, daßPlutarch dem griechischen Namen ein phönizisches Wort zugrunde legt. Apollon Thourios hatte einen Tempel in derNähe von Chaironeia, weshalb ihn Plutarch zwar falsch, aber verständlicherweise mit Ereignissen derboiotischen Lokalmythologie in Verbindung bringt. Λ ο der nachdrucksvollen Kürze in ξ ία ςdagegen wurde Apollon wegen “ seinen Orakelsprüchen”(β γ ο ρ α χ ύ λ ο ) genannt (511B).226 Plutarch dachte ς hier wahrscheinlich an eine Verbindung zwischen Λ / ο ε ιν ξ ία ςund λέγ gründen nennt

ο γ ς.227 ό λ

223 FRISK leitet λ έ σ χ η vonλ έ χ ο ς“Lager”ab. 224 Dazu GÖLDI 57 Anm.1. Er meint, θ ρsei eine aramäische Form, die phönizische ώ müßte anders lauten. 225 Kadmos soll –so Plutarch

–dasAlpha an die Spitze des Alphabets gesetzt haben, weil die Phönizier den Stier, den sie sehr verehrten, so genannt hätten (738A; vgl. dazu TEODORSSON 3, 311f.). Plin.n.h. VII 192 beschreibt ebenfalls, daß Kadmos den Griechen aus Phönizien das Alphabet gebracht hat. Siehe dazu LEJEUNE 45, der meint, die Anpassung des semitischen Alphabets an die griechische Sprache wäre das Werk eines Mannes gewesen. Vgl. aber auch 278E (= Juba fr.11 p.455 FUNAIOLI), wo Plutarch auf die Frage, warum Herakles mitdenMusen einen gemeinsamen Altar habe, antwortet, weil dieser den Euander dieBuchstabenschrift lehrte. 226 Eventuell von λ ο ξ ό ς–schräg; zweideutig, λ ο ξ ά–übertr.: dunkle, zweideutige Orakelsprüche; FRISK.

227 Zu dem bei Plutarch allerdings nicht belegten Epitheton Λ /Λ ύ ειο ύ κ κ ιο ς ςvgl. 210ff.

KOTHE

1. Die Etymologien

griechischer Wörter

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ό ε ςhat er wiederum zwei philosophische ErkläFür die Bezeichnung θ rungen zusammengetragen: 1. Von dem ewigen Lauf (θ ε ῖν–“laufen” ) ο ε ί, weshalb auch die Sterne, die sich nach Meinung der hießen die Götter θ Philosophen amHimmel in ihren Bahnen bewegten, Götter genannt würden (375C; 880B). 2. Da die Menschen solche göttlichen Erscheinungen wie Sterne, Sonne und Mond betrachten können, haben diese entweder von ε ρ ) ihren gemeinsamen Namen, ῖν(880Β εω θ εᾶ σ θ α ι(375C) oder aber vonθ der schließlich auch auf andere Gottheiten übertragen wurde.228 An anderer α ε έ ρ ῖν(ebenso wie θ εω Stelle kehrt Plutarch dasVerhältnis um,indem er θ ό ε ςherleiten will (1140E). ν) vonθ ο τρ ρzusammen ή Hera bringt derAutor, wie es damals verbreitet war, mit ἀ 231(oder η ν εύ ειν ρ ό ν ο ς(363D),230 Hermes mit ἑρμ (363D),229 Kronos mit χ ε ε ἴρ ιν?, das wird aus dem Text nicht deutlich; 44D)232 und Hestia wegen ν α τ ά σ ι(945F).233 ihrer Stetigkeit mitἑ Dem Namen des Unterweltgottes Hades dichtet Plutarch wieder verschiedene Entstehungsmöglichkeiten an: 1. Er gibt den Gott als Sohn der Α ἰδ ώ ς(Scham) aus undleitet denNamen von der vermeintlichen Mutter ab (362D).234 2. Weil der Gott so freundlich undliebenswürdig denjenigen ge228 Vgl. Plat.Krat.397c–d. Siehe auch Varro Ant.rer.div. fr.25 CARDAUNS: “ propterea ε έ ινid est ἵεσ α θ ιpro currere ac motari interpretatio est.”Das deos [appella]tos, quod θ Wort kann bisher nicht sicher erklärt werden; FRISK. 229 Nach FRISK ist der Name wie bei den meisten Götternamen ohne Etymologie, weil die ursprüngliche Bedeutung der Gotttheit unbekannt ist. Für NILSSON 1, 350. 428 ρ ω ςundbedeutet “Herrin” . Anm.7 ist Hera dasFemininum vonἥ 230 Vgl. Varro Ant.rer.div. fr.247 CARDAUNS. DerName ist ohne Etymologie, es gibt lediglich mehrere Hypothesen; FRISK. 231 So auch Varro Ant.rer.div. fr.250 CARDAUNS (mit Komm.): “ ... Mercurius ...; μ ρ ῆ ideo Ἑ ςGraece, quod sermo vel interpretatio, quae ad sermonem utique pertinent, Zur Etymologie (ἕ μ α ρ ξ α ῖο , ἑρμ ο dicitur; ... .” φ η ν ε ἱα ς–“Steinhaufen”= “ ςλό μ der vom ἑρ Steinhaufen”vgl. NILSSON 1, 502f.; FRISK; CHANTRAINE. Auch die Verbindung mit η ν μ ε ύ ἑρ ςwird nicht völlig ausgeschlossen. 232 Auch Plutarch glaubt an den Hermes als Erfinder der Buchstabenkunst (352A– B) undgreift damit eine derantiken Mythen derSprach- undSchriftentstehung auf (vgl. dazu HERMANN 1956, 35). An anderer Stelle bemerkt erjedoch, daß die Phönizier den Griechen das Alphabet gebracht hätten (oben Anm.225). Plutarch verbindet Hermes dort mit den Grazien. Vgl. dazudieAnmerkungen vonHILLYARD 182f. 233 Vgl. Plat.Krat.404c. 407e ff. 401a ff. SÜSS (RE 8, 1912, 1259– 62) hat 16 verschiedene antike undmoderne Erklärungsmöglichkeiten für den Namen der Hestia angegeben. Siehe auch FRISK. 234 Die Überlieferung dieser Passage ist lückenhaft. W. SIEVEKINGS Text (1935) bietet α ἰδ ο ῦ ο ν αin Anlehnung an ςυ ἱό ν(s.o.), GRIFFITHS (1970, 162, vgl. auch 406) εἰδήμ Platon (Krat.404b), und M. MARCOVICH (CPh 69, 1974, 287f.) ergänzt α ῦ ἰδ ο εσ ςμ τ ό ν . 8. Zur Diskussion PARMENTIER 71–

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VI. DieEtymologien

genüber sei, die zuihmkommen, erhielt er seinen Namen vonἡ δ ύ ς(362D). Auch hier scheint sich Plutarch an die entsprechende Platonstelle im Kratylos (403a ff.) erinnert zu haben, allerdings sehr ungenau. Er wußte wohl nur noch, daß Platon dem Hades sehr viel Positives zubilligte. Er ) genannt, weil er einWohltäter deο ύ ν τ λ ω wurde, soPlaton, auchPluton (Π rer sei, die zu ihm gekommen sind, und weil in seinem Reich solch ein η ιδ ς ο ) herrsche.235 Also heiße er Platon zufolge nicht Ἄ Überfluß (ὁ π ο ῦ τ λ ς ή ν α ο ά ῦπ ατ ὸτ τ π ὰκ λ ς–“unsichtbar, dunkel” ὰ ειδ von ἀ , sondern ἀ εἰδ έν α ι (Krat.404b). 3. Schließlich führt Plutarch diese von Platon abgeή ε ςselbst ιδ lehnte, in der Antike jedoch weit verbreitete Herleitung von ἀ F; 1130A).236 als sehr wahrscheinlich an (948E– DenNamen desKriegsgottes Ares will er zwarpassend, aber falsch von ἀ ν α ε ιρ ῖν–“töten, zugrunde richten”ableiten (757B), andererseits sieht er γ ε ιν–“helfen” ή ρ ; Frgm.157, 5).237 Die ihn aber als Helfer im Kampf (ἀ ε Muse der Geschichtswissenschaft, Κ λ ιώ , verbindet er zu recht mit τ ὸ ηπ μ ο ή λ λ /κ ῶ λ ν ε ῖν ν ο μ ιαals μν , während er den Namen der Π κ έο λ , λ ύ ς ό also “ deutet (743D). DerName ist freilich ausπ λ υ Erinnerung anVieles” ς ο ν ςzusammengesetzt, undtatsächlich wardiese Muse die Schutzgötundὕμ tin des Tanzes, der Pantomine undder Leier.238 Beim Namen der Urania, der Muse der Astronomie, konnte selbst Plutarch nichts falsch machen

(746B). Eine absurd anmutende Etymologie dichtet Plutarch demSatyr an. Als Alexander derGroße einst voneinem Satyr träumte, dermitihmspielte und ihn neckte, deutete ein Wahrsager den Traum folgendermaßen: “ ὴ Σ γ εν ή σ ε τ α ιΤ ρ ο ύ ς” . Plutarch hält diese Erklärung für ο ὐ κἀπ ά ν ιθ ω ς , da Alexander imJahre 332 v. Chr. tatsächlich diephönizische Stadt Tyros nach langer Belagerung einnehmen konnte (Alex.24).239 Plutarch versucht desweiteren, einige Epitheta vonGottheiten zuerklärenwiez.B. Lyaios/Lysios,240 Hyes (Dionysos), Hyperion (Helios) oder Epitragia (Aphrodite), außerdem die Namen der Winde Zephyros, Lips, Apeliotes und Boreas sowie die Bezeichnungen der Rachegeister Alastor

235 ZuΠ λ ο ύ τω ν /π λ ο ῦ τ ο ςJ. WERNER, DLZ 92, 1971, 661. 236 Vgl. zur Etymologie FRISK (zu einem Wort mit der Bedeutung “unsichtbar” ); NILSSON 1, 455f. 237 DerNamekönnte zuἀ –“Unheil, Verderben”gehören; FRISK. ή ρ 238 CHANTRAINE s.v. ὕ μ ν ο ς; TEODORSSON 3,347f. 239 Σ ά τ υ ρ ο ςist bisher nicht aus dem Griechischen erklärbar (FRISK; CHANTRAINE; cf. NILSSON 1, 233.), obgleich es viele Versuche gegeben hat. 240 Siehe dazudenKommentar zu613C vonTEODORSSON 1,46.

1. DieEtymologien

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und Palamnaios.241 Auf diese Etymologien wird hier nicht weiter eingegangen. Lediglich die Erklärung desEpithetons derDioskuren Ἄ ν α κ ε ςsoll Für diesen Beinamen, der als “ Helfer, ausführlicher behandelt werden.242 243wiedergegeben wird, gibt Plutarch imSchützer”oder “ Herrscher, Fürst” merhin fünf verschiedene ihm möglich erscheinende Etymologien an. Die Zwillinge Kastor und Polydeukes kamen zu ihrem Beinamen entweder ο ν χ α ἱἀ ί), den sie geschlossen hatten, wegen des Waffenstillstandes (α α κ ν ῶ ) fürdie Stadt oder wegen ihrer Erςἔχειν wegen ihrer Achtsamkeit (ἀ ν“ θ ε α έ κ ν von scheinung als Sterne amHimmel, da ἀ ς“oben”sowie ἀνέκα oben”bedeuten (Thes.33). Da diese Möglichkeiten Plutarch noch nicht zu befriedigen schienen, führt er an anderer Stelle –ebenfalls ohne weitere σ ε σ ις δειν ν χ ῶ ά ν , “ das Erklärung –als mögliche Variante noch ἀ besonders zeigen Diese Etymologien (Num.13). an Leiden ” der Ertragen deutlich, daßPlutarch seinen Lesern weniger wissenschaftliche Erklärungen anbietet, sondern sie unterhalten will, indem er damit seine Erzählungen würzt. η σ ε σ έ ύ ις(τ α έν ι) zuιθ ςlegt Plutarch θ Dem Namen des Heroen Θ grunde, was er zum einen mit der “ Niederlegung”der Erkennungszeichen Adoption”wiedergibt, da Schwert und Schuhe erklärt, zum anderen als “ Theseus ein Sohn des Poseidon gewesen sein soll undspäter in Athen von Aigeus adoptiert wurde (Thes.4). Eine befriedigende Etymologie konnte allerdings bisher nicht erschlossen werden.244 Bis auf einige Ausnahmen (Klio, Urania, Thaumas, Phoibos) sind die meisten Versuche Plutarchs, dieNamen undEpitheta griechischer Götter auf ihren Ursprung zurückzuführen, mißglückt. Allerdings bleiben bis heute die Herkunft vieler griechischer Gottheiten undder Ursprung ihrer Namen im

241 Vgl. dazudieAnmerkungen vonHALLIDAY 126– 9. 242 Siehe dazuNILSSON 1,407f.

243 Ἄ ν α κ ε ςist ein alter Plural von ἄ ν α ξ(AMPOLO/MANFREDINI 255; B. HEMBERG, und ANAKES als Götternamen unter besonderer Berücksichtigung der attischen Kulte, Uppsala (Acta Universitatis Upsaliensis 10) 1955, 7. 12f. 45; bei diesem 44. Die Etymologie ist siehe auch zur Identifikation der Anakes mit den Dioskuren 30– ungeklärt; FRISK. Die Zwillinge galten als Helfer in allen Notlagen (vor allem jedoch Seenot). Sie wurden besonders in Sparta verehrt, standen aber ebenso den Lokrern im Krieg gegen Kroton (548 v. Chr.) bei undebenso denRömern gegen die Latiner amFluß Regillus. Da Plutarch die im Folgenden genannten Ereignisse, die zu diesem Namen geführt haben sollen, nicht konkreter beschreibt, kann mannicht sagen, worauf er sich bezieht. 244 RE Suppl.13, 1973, 1048ff. Ein vorgriechischer Ursprung desNamens ist von H. HERTER in dem RE-Artikel nicht als zwingend angesehen worden (wie es von KRAHE, FRISK undanderen angenommen wurde), der Autor meint, der Name sei ebenso wie sein Träger griechisch.

ANAX, ANASSA

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VI. Die Etymologien

Dunkeln verborgen. Es ist sicherlich nur schwer möglich, denNamen eines Gottes zu erklären, wenn man seine geographische undzeitliche Herkunft sowie seine originären Funktionen undAttribute nicht kennt. Andererseits kann eine erfolgreiche Namendeutung Auskunft über Quelle undursprüngliche Funktion einer Gottheit geben. Da die Wurzeln vieler griechischer Götter in vorgriechischer Zeit oder außergriechischen Regionen liegen, war es für Plutarch und andere antike Schriftsteller noch schwerer als für die heutigen Philologen, den richtigen Etymologien auf die Spur zu kommen. Sie hatten über andere Sprachen nurwenig Kenntnisse. Die Verwandtschaft der Sprachen, gar die indoeuropäische Sprachengemeinschaft hatten sie noch nicht erkannt. Plutarch versuchte nicht nur Götternamen zu etymologisieren. Interesdawirnicht auf alle diese griechischen Etymologien einsant für unsist es – gehen können – , wenn er, wie wir es auch schon bei den Namen einiger Gottheiten gesehen haben, einem Wort mehrere Erklärungen zuordnet. Oft lehnt er dabei eine oder mehrere der von ihm genannten Versionen ab, η–“Ringen, Ringkunst”z.B. stellen ά λ andere wiederum favorisiert er. Fürπ Plutarch bzw. seine Gesprächspartner in den Quaestiones convivales vier ε α ύ ε λ ινMöglichkeiten zur Diskussion. Entweder komme derName von π , weil beim Ringen versucht würde, denGegner in eine Falle zu verlocken” “ ή–“Handfläche” α locken undihn so zu besiegen, oder von π α λ , da die ισ τ im Gegensatz zu denFaustkämpfern, Ringer die geöffnete Hand benutzten – ή )π υ μ κ genannt würde. Da sich ε τ ε ύ γ ιν υ deren Tätigkeit wegen derFaust (π die Ringer vor dem Kampf ihre Hände mit Mehl bestreuten (π α ε ), ν λ ύ ιν könnte π ηauch darauf zurückzuführen sein. Die letzte Variante, die der ά λ Autor ebenso fürmöglich hält wie die drei anderen, geht davon aus, daßsich die Ringer bei dem Kampf umschlingen undeinander umfassen, sich also ηauch vonπ sehr nahe sind. Daher könnte π έ α λ ά λ ς- “nahe dabei”gebildet F). Insgesamt vier sehr zweifelhafte Etymologien.245 Dafür hat sein (638D– η αihren Namen von π ά ρ λ Plutarch richtig erkannt, daß die π α α λ ίσ τ erhalten hat (638C), da das Ringen als eines der ältesten und wohl auch schwersten griechischen Kampfspiele galt.246 Ebenfalls in den Quaestiones convivales beschäftigen sich die Gesprächspartner mit den Bedeutungen der verschiedenen Mahlzeiten. Das ) soll demnach seinen Namen von der Unmäßigkeit ρ α ά μ τ κ ισ Frühstück (ἀ

245 Die Etymologie von π ά ηunddemdazugehörigen Verbum π λ ινist unerα ιε ά λ F bei TEODORSSON 1, 237f. sowie GÖLDI 35. klärt; FRISK. Vgl. die Anmerkungen zu 638D– 246 TEODORSSON 1, 234f. (Anm. zu638C) ändert denin derÜberlieferung unsicheren Text so, daß sich die Etymologie umkehrt. Zuerst hatte der Ort seinen Namen ρ α τ α ίσ , dann gaber ihnderandiesem Ortausgeführten Sportart weiter. α λ π

1. Die Etymologien

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α σ ρ ία ) bekommen haben, daes in früherer Zeit als Schande galt, schon (ἀ κ amMorgen eine Hauptmahlzeit zugenießen. Andererseits sei dasFrühstück α ρ ο τ ς κ , also dem ungemischten Wein zu seiner Bevielleicht auch von ἄ gekommen, weil es damals üblich war, morgens nur α μ ά τ ισ ρ κ zeichnung ἀ ν ψ ο , Brot undreinen Wein zu sich zu nehmen. Die Hauptmahlzeit heiße ὄ ) am Tage nach der Arbeit verzehrt werde. Für einen ψ weil sie erst spät (ὄ νgäbe es wiederum zwei Mögο ν ε ῖπ anderen Begriff der Hauptmahlzeit δ lichkeiten. Sie heiße so, weil mandie Arbeit unterbricht undeine Pause einιν , oder aber weil diese Mahlzeit mit viel Mühe zubereitet ε ύ α π α ν ια legt: δ – 727A; vgl. auch S. 83f.).247 ε ῖν(726Β ν ο π ια wurde: δ α ίς ό ιτ ςund die sprachlich und inhalt, δα Das Gast- bzw. Opfermahl δ ό ρ ς(Vorleger) ordnet ιτ μ ν(Tischgast) undδα ώ ιτυ lich dazu gehörenden δα zuteilen/verteilen” , Plutarch zwar richtig zu einem Wort der Bedeutung “ α θ ιzu kommen, was korrekt ίεσ aber statt auf das doch so naheliegende δα ια ε ε ιν(644A). Ähnlich ιρ ῖνundδια έμ ν gewesen wäre,248 verweist er auf δ σ σ ίτ ), die bei den υ ια ( σ absurd erklärt er die gemeinschaftlichen Mahlzeiten ιλ ) ία hießen: Sei es, weil dabei die Freundschaft (φ ια ίτ ιδ Lakedaimoniern φ gepflegt würde, oder wegen derEinfachheit undSparsamkeit (φ ειδ ) dieser ώ Mahlzeiten.249 Schließlich bemerkt Plutarch noch, das Wort müßte eigentlich ἐδ nurvorangestellt unddie Bezeichnung aus ίτ heißen, wobei das φ ια ή–“Nahrung”zusammengesetzt sei (Lyk.12). Es Kost”undἐδ ω δ δ ία ιτ α–“ scheint fast überflüssig zuerwähnen, daßdiese Etymologien alle falsch sind. Das waren Beispiele, in denen Plutarch für eine einzelne Bezeichnung mehrere Etymologien anbietet. Umgekehrt gibt es aber auch eine Reihe von ώ Wörtern, mit denen er mehrere verschiedene Begriffe erklärt. So ist die Ἰ ε ν ς(856D; nach Plutarch die Namensgeberin des Ἰό ν ιο ς(856D) undderἼω η–“Helm”(Hom.II 18) als auch ν έ νleitet er sowohl κυ ω ύ Frgm.190). Von κ ύ ω ν ) selbst α β τ ο σ ό ςab (294E).250 Der Hund (κ ν υ einen Strauch namens κ habe, wenn manPlutarch Glauben schenken müßte, seine Bezeichnung von , weil derHundsstern gleichen Namens zudermit ε κ ύ ιν–“schwanger sein” demUniversum (oder derSchöpfung) schwangeren Isis gehöre (376A).251 das Licht, das Helle”findet man in Plutarchs Schriften sogar Φ ῶ ς–“ fünfmal als Grundlage einer Etymologie. So habe die Wolke ihre Bezeichnung ν έ φ ο ςdaher, weil sie als lichtleer, also dunkel beschrieben werde und 247 Sie dazu die Erklärungen bei TEODORSSON 3, 219– 23, der die Etymologien ablehnt. 248 FRISK; ebenso BOISACQ. 249 Formal wäre dieHerleitung vonφ ε ιδ ώ möglich; FRISK. 250 Siehe dazu HALLIDAY 90f.

251 Vgl. HOPFNER 1941, T.2,344 sowie FRISK.

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VI. Die Etymologien

ῶ η ςzusammengesetzt sei ~ (verneinendes Präfix) und φ ihr Name aus ν F). Auf der gleichen Grundlage findet Plutarch die Erklärung für (948E– ό die Finsternis” κ ν έ ς α φ : dasWort sei durch dieVerschmelzung vonκεν ς–“ –“leer”und φ ο ) entstanden, was mit “lichtleer” ά ς ῶ ς(bzw. poet. Form φ , F). Weil das Licht (φ ῶ ) ς also “ dunkel”wiedergegeben werden kann (948E– ν α τ α σ ίαdanach benannt worden die Dinge erhellt unddarstellt, wäre die φ (900E). Auch hier verwundert es, daßPlutarch nicht die Zugehörigkeit von ιerkannt hat. Ähnlich verhält es sich mit demWort α θ εσ α ίν zuφ σ α ία ν τ α φ ῶ ςableiten will (902C), das aber sehr wahrή , das er ebenfalls von φ ν ω φ scheinlich mit φ μ η ίverwandt ist. Schließlich heiße Mensch/Mann φ ώ ς , weil durch die Verwandtschaft mit dem Licht, die sich auch sprachlich ausdrücke, einem jeden Menschen dieMöglichkeit zumErkennen undErkanntwerden gegeben sei. Einige Philosophen, erklärt Plutarch weiter, hielten sogar dasWesen derSeele füreinLicht (1130A). Auchmitdiesen Erklärungenwill Plutarch in erster Linie wohl seine philosophischen Überzeugungen stützen.252 Für Zahlenmystik zeigt Plutarch in vielen seiner Werke großes D u.v.m.). Es sind sogar die Titel zweier Interesse (Fab.Max.4; 264A; 288C– verlorener Werke im Lampriaskatalog überliefert, in denen er sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit diesem Thema auseinandergesetzt hat: ρ τ ιο ὸ μ ςἢὁἄ μ ςἀ είν ρ ὸ ν(Nr.74) und Π ισ σ νὁπ ω ρ ε ο ςἀριθ ό τε ρ Π ὶ ε μ ο ν ά δ ω ν(Nr.163). Es konnte deshalb kaum ausbleiben, daßer auch Zahlen in seine Etymologisierungsversuche einbezog. So soll von π έ ν τ εdas All (π ά ν τ ) seinen Namen haben, weil derFünf als Summe der ersten geraden α (zwei) understen ungeraden (drei) Zahl eine so große Bedeutung zukomme (374A; 429D). Tatsächlich haben π ν έ εund π τ ά ν αetymologisch nichts τ miteinander zu tun. Richtig ist dagegen, daß Plutarch π π ά /π εμ π εμ ά ζ ειν σ α σ θ α έ ά ι –“zählen, rechnen”von π π ν εμ τ εableitet (374A; 387E; ς/π π ά 429D). Π εμ ε ζ ιν hieß ursprünglich auch “ mitdenfünf Fingern einer Hand

rechnen” .253

ε ό ςwar Ausgangspunkt für die Etymologie Auch die Bezeichnung θ νseinen Namen, weil nach Plutο ρ έα τ mehrerer Wörter. So gab es demθ archs Meinung in alter Zeit die Musik, die später im Theater eine große 252 Einige hypothetische Deutungsversuche zu denbisher unerklärten Etymologien siehe bei FRISK und CHANTRAINE s.v. φ ν έφ έ, κ α α ς, φ α ίν ω ,φ ώ ς. 253 Vgl. R. SEIDE, Die mathematischen Stellen bei Plutarch, Diss. Regensburg 1981. Er behandelt auch Plutarchs Etymologie vonπ π ά εμ ζ ε ιν undbemerkt richtig, daßdieser an keiner Stelle auf die ursprüngliche Bedeutung vonπ εμ π ά ζ εσ θ α ιals “ dasZählen mit den fünf Fingern”eingeht. Siehe auch FRISK; FLACELIÈRE 1947, 248f. Anm.207ff.; GRIFFITHS 1970, 509; NILSSON 2, 412. 417 (N. erkennt in Plutarchs häufigen Zahlenspekulationen dessen Neigung zumPythagoreismus).

1. DieEtymologien griechischer

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Rolle spielte, in denTempeln zuEhren derGötter dargeboten wurde.254 Aus ε ρ ῖνvonθ ε ό εω ςseinen Ursprung genomdemgleichen Grund habe auch θ Außerdem will Plutarch den Schwefel (θ ε ) von dem ῖο ν men (1140E).255 Göttlichen ableiten, weil der vom Blitz des Göttervaters Zeus Erschlagene einen Geruch ähnlich demdesSchwefels verbreite (665C).256 Die letztgenannte Etymologie gehört wohl schon zu den besonders kuriosen Erklärungsversuchen Plutarchs. Von denen möchte ich zum Abschluß dieses Abschnitts noch einige Beispiele anführen. Um seine Erklärungen halbwegs glaubwürdig erscheinen zu lassen, scheute er sich nicht, Buchstaben der ursprünglichen Wörter einfach auszutauschen oder wegfallen zu lassen. So änderte Plutarch den Namen des delphischen Monats α ιableiten zu können, θ εσ ύ σ ιο ς ύ , umihn dann von φ σ Β ύ ιο ςeinmal in Φ E). θ α εσ ν ά ιzugrunde legt (292D– θ ν υ σ ιο ύ ς , demer π ein anderes Mal in Π besprochenen schon bei der Autor der nahm Ähnliche Veränderungen –“zurück”will er ψ ίτ ιαvor (Lyk.12). Das Wörtchen ἄ ιδ Etymologie von φ und das π mit dem ψ von ὀπ ίσ herleiten, wobei man das ὀmit dem ἀ ω austauschen müßte. (Frgm.183) Mit dieser Methode kann man natürlich hinbiegen! noch so unmögliche “ Etymologien” ο ν τ ε ) hätten ihre Bezeichnung nicht, weil sie sich aufέρ ς Die Greise (γ grund ihres Alters zur Erde neigten: ῥ έο ν τ εςε ῆ ἰςγ ς , sondern weil sie wegen mangelnder Feuchtigkeit imKörper eine erdartige Konsistenz hätten: γ εώ δ ε ρ ο ιςκ ί(650C). Die Meinung, das Schwein (ὗ α ) habe dadurch, ς ὶγεη daß es mit seinem Rüssel die Erde durchwühlte, denAnstoß zurErfindung ]ις ν [ν ) gegeben undsogar die Namensgebung beeinflußt der Pflugschar (ὕ (670A), warin derAntike weit verbreitet.257 Weil derWein die Betrunkenen glauben macht, sie hätten Verstand, sei ervonο α θ ἴεσ ι–“glauben”οἶν ο ςgeÄhnlich absurd ist Plutarchs nannt worden (715A; vgl. Plat.Krat.406c).258

254 Θ έα τρ ο νgehört zu θ /θ έα εᾶ σ θ α ι; FRISK; CHANTRAINE. 255 An anderer Stelle (880B), wie schon erwähnt, kehrt Plutarch

das Verhältnis um ε ῖνab. Allerdings gelten beide Schriften, in denen diese widerρ εω ό ε undleitet θ ςvon θ sprüchlichen Etymologien vorkommen (Plac.philos. undDe mus.) für unecht. Wir sollten Fehler” wegen seiner diesen Widerspruch daher nicht überbewerten, wiewohl ein solcher “ Arbeitsweise undderFülle des Materials meiner Meinung nach auch Plutarch hätte unterlaufen können. 256 Siehe dazuFRISK undTEODORSSON 2,57, die Etymologien für θ νanbieten. ε ῖο 257 FRISK hält diese Etymologie für richtig, BOISACQ ebenso wie CHANTRAINE dage-

genfürunbestimmt, für sie gibt es nurHypothesen. TEODORSSON 2, 100 hält diese Etymologie für eine “ fancifull ‘explanation’” . 258 Die Etymologie siehe bei FRISK. TEODORSSON 3, 136 zitiert eine passende engli. sche (oder wohl eher irische) Etymologie: “whiskey is wit’s key”

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VI. DieEtymologien

) hätte seinen Namen vom “ η ίκ Erklärung, der Sieg (ν Nichtsiegen” ὴ : μ ε ν(723Β).259 ο ἶκ Am Ende sollen noch zwei kuriose Etymologien von Tiernamen erwähnt werden. Den Hirsch ἔλ α ο φ ςwill Plutarch nicht, wie andere, von ρ ό ἐλ α φ ς–“flink, behend”ableiten, sondern von ἕλ ξ ιςτ ε ο ω ῦὄφ ς , weil die Hirsche Schlangen so leicht fangen und zu sich heranziehen können (976D).260 DenNamen einer Fischart schließlich, ἔλ λ ω ψ , erklärt er damit, daß die Fische verschwiegen seien undwegen ihrer im Zaume gehaltenen ηὄ Stimme so benannt wurden: ἐλ (728E).261 ψ έ ν μ ο λ EXKURS: DIE GRIECHISCHEN DIALEKTE

Das Thema dieser Arbeit “ Nichtgriechische Sprachen und griechische Sprache bei Plutarch”bezieht dessen Bemerkungen zur griechischen Sprache mit ein. Ich gehe dabei nicht näher auf die Erläuterungen Plutarchs zu grammatischen Problemen der griechischen Sprache ein (z.B. vielfach in den Quaestiones Platonicae)262 sondern werde Hinweise desAutors zuden verschiedenen griechischen Dialekten, also zur Verschiedenheit innerhalb ήdie der griechischen Sprache untersuchen. Zu seiner Zeit hatte die κο ιν Da Plutarch sehr belesen war, ist ihm einzelnen Dialekte längst verdrängt.263 die Tatsache, daß sich die einzelnen Literaturgattungen verschiedener Dialekte bedienten, durchaus bekannt gewesen. Er selbst gebrauchte in seinen Texten zum Teil attische Ausdrücke, wahrscheinlich aufgrund der intensiven Platonlektüre. Allerdings mahnt Plutarch in De audiendo, bei einer Rede zuerst an die zubehandelnde Sache underst dann an die äußere Form zu denken. Gleichzeitig spricht er sich gegen eine allzu attische Ausdrucksweise aus(42D). 259 TEODORSSON 3, 199 datiert diese Etymologie auf Grund phonetischer Merkmale ([i:] für ε ι) in das klassische Athen. Eine überzeugende Etymologie ist bisher noch nicht gefunden worden; FRISK.

260 Vgl. Plin.n.h.VIII 50. 261 Siehe dazu TEODORSSON 3, 241f. Die Etymologie von ἔλ λ ω ψist unklar; FRISK; CHANTRAINE deutet denNamen als “ Schuppenträger” . 262 Vgl. dazu z.B. auch 22C– 25B, woPlutarch sich zudenverschiedenen Bedeutungen, diebestimmte griechische Wörter haben können, geäußert hat. 263 A. THUMB, Die griechische Sprache im Zeitalter des Hellenismus. Beiträge zur 52; A. THUMB, Handbuch der Geschichte undBeurteilung der κ ή , Strassburg 1902, 28– ο ιν griechischen Dialekte, 2. Aufl. bearb. v. E. KIECKERS, T. 1, Heidelberg 1932, 43f. (“ archaisierende Tendenz in derKaiserzeit” ); A. DEBRUNNER, Geschichte dergriechischen Sprache, T. 2, Berlin 1954, 34ff; BALSDON 135f. (Kap. “ 61. Spoken Greek” ); SCHMITT 558–

Exkurs: Diegriechischen Dialekte

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Plutarch erwähnt vor allem in denDialogen Personen, die in bestimmten Dialekten reden, was zeigt, daß diese durchaus in einigen Gebieten noch lebendig waren.264 Davon zeugt auch eine Bemerkung des Autors, Angeβ ο mit Ruß hörige des Geschlechts der sogenannten Asbolomenoi (ἀ λ σ ᾶ ν–“ schwärzen” ) lebten zu seiner Zeit noch bei Steiris in Phokis und sprächen λ ίζ ε ἰο τ ν ; Kim.1). Eine weitere Anmerkung Plutarchs ο ς äolischen Dialekt (α bedeutet, daßbestimmte Eigenheiten der einzelnen Dialekte durchaus noch vorhanden waren undbewußt wahrgenommen wurden. So sagt er, “ bei uns μ ῖντο ῖςΑ ᾽ἡ ἰο εῦ λ σ ιν ) würde statt des π ρ α ein β im äolischen Stamm”(π gesprochen. Damit erklärt er die Etymologie von β ο ύ λ ο ιμ ς–“Heißhunger” B).265 Auch bei den Einwohnern ό ο ς–“viel Hunger”(694A– λ ὺ ςλ ιμ aus π von Delphi entdeckte Plutarch eine sprachliche Besonderheit. Sie würden α ε τ ῖνstatt π α τ ε ρ ῖν(treten), β ικ ό statt des π ςstatt ein βsprechen, also β σ ιο ύ ύ σ ςstatt π ιο ς(ein Monat). Die Makedonier ό ρ ς(scharf, bitter), β π ικ dagegen, die Plutarch an dieser Stelle zu den Griechen zu rechnen scheint, kahlköpfig” ό ρ , so daß sie Βίλιπ α α κ ς–“ ο λ π sprächen statt des φ ein β ,β ς E; vgl. S. 162).266 ηsagten (292D– ν ο ίκ ερ undΒ , der mehrere Sprachen beherrschte Der “geheimnisvolle Nichtgrieche” (siehe S. 50. 158f.), sprach mit dem Erzähler meist im dorischen Dialekt, ρ ελ ιζ μ ρ δ ώ ω ν ), also in höchster ρ ῶ νο ε ό ὐπ undzwar fast wie in Versen (ἐ B). In seinem Gastmahl der sieben Weisen, das historiVollendung (421A– sche Personen vereinigt, erwähnt Plutarch denlakonischen Dialekt des Spartaners Chilon, undzwar während dessen Unterhaltung mit Aisopos (150B). Ein Spartaner namens Mandrokleidas, der zum Widerstand gegen Pyrrhos bereit war, wird von Plutarch mit einem Spruch zitiert. Plutarch erwähnt ἶπ ετ ῇφ ν ω ῇ dabei ausdrücklich den lakonischen Dialekt des Sprechers (ε α κ ν λ ω ίζ ) undzitiert ihnin diesem Dialekt (Pyrrh.26). ν ω Plutarch nennt des öfteren Wörter, die er demÄolischen oder vor allem demDorischen zuordnet.267 Solche Begriffserklärungen findet manin erster Linie in denBiographien der spartanischen Helden Lykurg, Lysander, Agesilaos, Agis undKleomenes sowie in denQuaestiones Graecae. Es ist anzunehmen, daßPlutarch die entsprechenden Wörter in seiner Quelle gefunden

264 In denDialogen setzt Plutarch fast immer ihmbekannte Zeitgenossen ein. 265 Vgl. GÖLDI 32; TEODORSSON 2, 284: Plutarch habe zwar die äolische Abstammung der Boiotier richtig erkannt, für seine phonetische Beobachtung gebe es jedoch keiο ύ ο λ ιμ ς nen Beweis. Trotzdem würde seine Feststellung, die Boiotier sagten statt β π ο ύ λ ο ιμ ς , glaubwürdig erscheinen. Die beiden Wörter könnten die gleiche Bedeutung, ο ο ῦ ύ λ ιμ ς ο , urspr. “ ς ; , gehört zuβ Ochsenhunger” aber unterschiedliche Ursprünge haben. Β ~. ο υ FRISK; vgl. dagegen CHANTRAINE s.v β 266 Vgl. dazudieAnmerkungen vonHALLIDAY 60ff.

267 Siehe dazu dieListe imAnhang.

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VI. Die Etymologien

hat und, weil sie nicht mehr in Gebrauch waren, seinen Lesern erklärt. Die Vorgehensweise ähnelt der bei den lateinischen Wörtern, die er ebenfalls seinen griechischen Lesern erläutert oder übersetzt. Andere Wörter wurden wohl noch in verschiedenen griechischen Gebieten gesprochen, die Dialekte sindnicht überall zurgleichen Zeit durch dieKoine ersetzt worden. λ ο ίκ ) ὁδεικη τ α ῖμ ς ςnenSo würden die Spartaner denSchauspieler (μ ν α α nen (Ages.21; 212F), die alten Darstellungen der Dioskuren δόκ γ γ ε ῖο ν ) κά δ δ ιχ ο ς(Lyk.12), die Schuldverschrei(478A),268 das Gefäß (ἀ μ ρ ό δ ο π α ο μ π ικ ο (Agis 13), denVormund (ἐ ρ ρ ίτρ )π τ α ια ε ς ) κλ ῖα ς ά bung (γ μ ) δεχ ατ ά ς ῆ η (Lyk.12), einen Gefängnisraum (ο ς(Agis 19) und ςεἱρκτή ἴκ η(Lyk.16; 298D). Jemanden, χ σ έ einen Ort, woGespräche geführt wurden, λ ο ο φ ), bezeichneten die ν ύ τρ ς der mit anderen zugleich erzogen wurde (σ Spartaner als μ α ό θ ξ(Kleom.8), undein Jüngling von 20 Jahren wurde bei η νgenannt (Lyk.17). Das Auge (ὀ ή νbzw. μ ihnen ε ελ λ είρ ό μ α θ φ λ ) ς ἰρ nannten die Spartaner ὀ π τ ίλ ο λ ς , weshalb einvonLykurg errichteter Tempel derAthena denBeinamen Ὀ π τ ιλ έ λ τ ιςerhielt (Lyk.11; 227B). FürdenAusdruck ἐ η σ ιά κ ελ π κ ά λ λ ε ινwürden sie ἀ ζ ε ινsagen (Lyk.6) und für ζ ὴ α σ ἐρ τ ςγίγνεσ θ α ι(Liebhaber werden, sich für etw. begeistern) benutzten sie das Verbum ἐμ ν ε π θ α ῖσ ι (Kleom.3). Für die Wörter τ ὸξύ νund τ ο ὸ λ β ιβ λ ίο νgebrauchten die Spartaner nur ein Wort: σ η(Lys.19).269 Die κ υ ά τ λ ρ ω ιε Dorier auf Sizilien (ο ῖς ) nannten den Trinkmeister νΣ ικ ε ἱἐ λ ίᾳΔ μ ω ν (612C).270 ν ά (ἐ π μ ίσ ο σ )μ ο π ίο τα θ υ ςσυμ Oftmals macht Plutarch auch Bemerkungen über die “ lakonische Kürze” , die schon in der Antike sprichwörtlich war. Die lakonische Redeχ ὺ νεἶν weise sei zwar kurz (τ ντ γ ο νΛ ὸ ν α νλό ο α κ νβρα ικ ὸ ὸ ιδοκοῦντα ), C). Die treffe aber mit wenigen Worten ambesten die Sache (Lyk.19; 513A– Art derAussprüche derSpartaner, diekein unnötiges Wort benutzten, zeige, wie schon Platon (Protag.342e) gemeint habe, λ α κ ν ω ίζ ε bedeute eher die ιν Liebe zu geistigen (φ ιλ ο σ ο φ ε ) als zu körperlichen (φ μ ῖν ν α γ σ υ τ ιλ ε ο ) ῖν Übungen (Lyk.20).271 Lykurg soll seine Mitbürger schon von Kindheit an mittels Stillschweigens zudieser Fähigkeit erzogen haben (510E– F). Umgekehrt mußte Epameinondas die Spartaner, die sich vollmundig bei denThebanern beschwerten, anihre Tugend, nämlich die Kürze imReden (β ρ α χ υ -

268 Vgl. dazu NILSSON 1,408. 269 Weitere Erklärungen dieser

Artu.a.Ages.19. 30; Synkr. Lyk./Num.3. 270 Vgl. dazudieAnmerkungen vonTEODORSSON 1,31f. 271 An anderer Stelle bemerkt Plutarch allerdings, daß die Spartaner Lesen und Schreiben nur notdürftig lernten, alle übrigen Wissenschaften verbannt hätten und als Zweck derErziehung Ausdauer undGehorsam ansähen (237A).

Exkurs: Diegriechischen Dialekte

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ν ε τ ῦ ο ), erinnern (193D; 545A).272 Plutarch, der selbst eher sehr wortγ ς ο λ reiche und weitschweifige Formulierungen liebte, schätzte diese Kürze durchaus undäußert sich immer lobend über diese Tugend.273 Weiterhin geht Plutarch auf einige Besonderheiten des attischen Dialekts ein. Bei der Etymologie des Epithetons der Dioskuren Ἄ ν α κ ε ςbeν ω(aufwärts) ἀ ν ε κ ά merkt er, die Athener sagten für ἄ ςund für ἄνω θ ε ν (von oben her) ἀ ν(Thes.33). Die Meerzwiebel (σ ε θ έκ α ν κ ίλ λ α ) nannten sie σ χ ο ῖν ς , weshalb Perikles wegen seiner länglichen Kopfform Σ χ ιν ο κ έφ α λ ο ς genannt wurde (Per.3).274 ρ ν δ ώ ν ) als π ή η Auf Samos schließlich würde das Männergemach (ἀ εδ τ ς bezeichnet (303Ef.), undjene, die mehrere Häuser undGrundstücke nebenν ε τ ρ ίο ςἢχω ιςὁμ ρ ο ο ῦ ν ίᾳγειτνιῶ ἰκ τ ε ἱο einander besaßen (ο ς ), würden α λ τ )π υ ε χ α ς λ ίζο ν τ ίτ α ἰο ςgenannt (292D).275 Das im äolischen Dialekt (α κ ν μ ισ α Opfer bei den Argeiern schließlich nannte man Plutarch zufolge ἔγ η–Fett-/Opferdampf; 297A).276 (von κ ν σ ίσ Einige Male vergleicht Plutarch boiotische Bezeichnungen für staatliche Einrichtungen oder Monatsnamen mit denen der Athener, Spartaner, Kreter u.a. Dabei wirken dieVergleiche etwas schematisch undsind oft recht ungenau. Plutarch scheint, wie bei denGottheiten, ebenso bei vielen Dingen geglaubt zu haben, sie seien bei den verschiedenen Völkern und Dialektgruppen gleich und hätten nur verschiedene Bezeichnungen erhalten. Das trifft zwar oft zu, läßt sich aber nicht generell übertragen. Häufig will Plutarch mit demVergleich seinen Lesern dasvorher Gesagte erklären. Das wird z.B. der Fall sein, wenn er verschiedene Monate nebeneinander stellt. ρ )Π So würden die Athener den ägyptischen Monat Athyr (Ἀ θ ύ υ α ν εψ ιώ ν ρ μ ά (Okt./Nov.) nennen, die Boiotier aber Δ τ ιο α ς(378D–E).277 Der attische ρ ρ ο σ ιο τ α τή ς(655E).278 ιώ ν(Febr./März) sei bei den Boiotern Π ερ εσ τ θ ν Ἀ μ ῖνδ ᾽ὁμ ὲ νμ ᾽ἡ ὴ νκ ρ α α λ ε ῖτ α ρ ο ιΠ Plutarch schreibt an dieser Stelle: π ρ ή ιο σ α τ τ ς , wasbedeutet, daßzuseiner Zeit dieunterschiedlichen Bezeichnungen für die Monate in Griechenland noch in Gebrauch waren. Demboio272 Diese Geschichte wird sowohl in denvermutlich unechten Reg. et imp. apophth. als auch inderechten Schrift Delaud. Wahrscheinlich warsieweit verbreitet. 273 Vgl. dazuauchPlutarchs Urteil zurKürze derlateinischen Sprache (Caes.50). 274 Vgl. STADTER 1989, 66: O nionhead’ was perhaps ... a term for abuse, like egghead.” Dort auch einHinweis auf” ‘eine weitere Erwähnung diese Wortes bei Kratinos. 275 Siehe HALLIDAY 55. HERWERDEN verbessert dieses sonst nicht belegte Wort –benachbart), BECHTEL in π ν τ ίο α λ α ς(von π τ (LIDDELL-SCOTT) in π έ χ τ α λ ιο ικ έ ιω τ τ α α λ ς (BT).

erzählt,

276 Das Wort ἔ γ κ ν ισ μ αist sonst nicht bekannt; HALLIDAY 120; LIDDELL-SCOTT. 277 Diese Monate stimmten tatsächlich inetwaüberein; HOPFNER 1941, T.2,259.

278 Siehe dazu TEODORSSON 1, 366f.

72

VI. Die Etymologien

η λ ιώ ν (Jan./Febr.), μ α ν entspreche derathenische Γ ά κ τ ο ιο υ tischen Monat Β in demdie Lenaien stattfanden. Bei denIoniern heiße dieser Monat dagegen β α ιώ ν(Jul./Aug.) μ κ α το η ν α ιώ ν(Pelop.25; Frgm.71). Der attische Ἑ Λ ειτν μ γ ιο ό ετ ρ α ιώ ςgenannt, der attische Μ ν δ werde bei den Boiotiern Ἱπ ο π μ ο (Aug./Sept.) aber Π ε ς(Cam.19). ά ν Bestimmte Zusammenkünfte, diePlutarch in seiner Heimat Boiotien mit ρ ε ῖα δ ν ε θ ε νbezeichnet, hätten bei denKretern ἀ ρ ο τ ῖο υ μ τ α ν ε π νoder θ ῖο εσ ίτ und bei den Spartanern φ ιδ ιαgeheißen (Lyk.12; 714B–C).279 Mit mehr ν γ ρ ε in Athen, die π υ α ία ία auf Rhoτ η α τ τρ Recht vergleicht Plutarch die σ ρ χ in seiner Heimat miteinander (813D). ία ο ιω α τ dosunddieβ In derpseudoplutarchischen Schrift De Homero280 beschreibt derAutor u.a. sehr ausführlich undmit vielen Beispielen aus demWerk Homers die Art und Weise, wie der Dichter die verschiedenen griechischen Dialekte benutzt hat. Durch den Gebrauch dieser vielen griechischen Dialekte sei ο ικ ιλ ία ; Hom.II 8. 13. 14). Von den Homers Sprache sehr vielfältig (π ρ α γ χ Doriern würde er die bekannte β υ ία benutzen, sowohl im gesamten ο λ Ausdruck als auch für einzelne Wörter, die er verkürze (Hom.II 9). Vonden Äolern hätte Homer u.a. die Synkope bei den Komposita übernommen sowie das δstatt des σz.B. bei ἴδ νund einige grammatische Erscheiε μ nungen (Hom.II 10). Bei denIoniern dagegen habe derDichter die Tilgung des Augments beim Vergangenheitstempus entlehnt, ebenso den Wegfall ε ύ ςundweitere grammatische und lautdes εbei solchen Wörtern wie ἱρ für ηetc.; Hom.II 11). Amweitaus häufigsten liche Erscheinungen (z.B. ᾶ hat Homer nach Meinung desAutors denattischen Dialekt benutzt. Von ihm habe er z.B. die Krasis (τ ο ο π ὔ ο ςstatt τ ὸἔπ ς ). Weitere attische Erscheinungen im Werk Homers seien der Wegfall des ηbeim Optativ, κ α κ ίο υ ςstatt κ α κ ε ν ίο ςetc., der Wegfall kurzer Vokale wie bei ο α ι, das ιsubscriptum ἶμ ᾳstatt γ ρ ή α ι), der Gebrauch des ρ η ῇ δ η ε ρ ίδ ε ρ ή (Ν η ςstatt Ν ς , beim Dativ: γ Duals u.a. (Hom.II 12; vgl. auch 42).281 Plutarch hat sich sicherlich nie so ausführlich undsystematisch mit sprachlichen Themen beschäftigt wie der unbekannte Autor dieser Schrift, die aber immerhin unter Plutarchs Namen überliefert worden ist.

279 Vgl. zu φ ιδ ίτ ιαdie Etymologie in Lyk.12 (S.65). Weitere Erklärungen zu den genannten Einrichtungen bei TEODORSSON 3,130f. 280 Vgl. zu dieser Schrift K. ZIEGLER 874– 8 sowie zuletzt den Kommentar mit ausführlicher Einleitung zuEchtheits- undQuellenfragen vonHILLGRUBER. 281 Zu den Ausführungen des pseudoplutarchischen Autors über den homerischen

Gebrauch der Dialekte siehe die Anmerkungen von HILLGRUBER 102– 22.

2. DieEtymologien

lateinischer Wörter

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2. DIE ETYMOLOGIEN LATEINISCHER WÖRTER

Die andere, ähnlich große

Gruppe der Etymologien Plutarchs beinhaltet die Erklärungen lateinischer Wörter. Dieser Komplex ist aus inhaltlichen Gründen in die lateinischen Begriffe unterteilt worden, die Plutarch auf griechische Ursprünge zurückführt, und diejenigen, deren Herkunft er in der lateinischen Sprache sucht.282 Einige Wörter, für die er mehrere Etymologien anbietet, versucht er sogar mit Hilfe sowohl der griechischen als auch derlateinischen Sprache zuerklären. Die große Anzahl der Etymologien lateinischer Wörter in den Werken Plutarchs zeigt sein Interesse an dieser Sprache. Er kam vor allem –wie oben schon dargelegt wurde –durch bestimmte Schriften (De fort. Rom., Quaest. Rom., Vitae parall. etc.), durch seine Rom- und Italienaufenthalte undseine vielen römischen Freunde, die ihn in seiner Heimatstadt besuchten, mit der lateinischen Sprache in Berührung. Dabei ist Plutarch auf eine Reihe lateinischer Etymologien gestoßen. Andere entnahm er seinen Quellen. Nachdem er im Alter noch die lateinische Sprache erlernt hatte, konnte Plutarch sich sogar selbst Gedanken über die Herkunft des einen oder anderen lateinischen Wortes machen. Eine Reihe von Etymologien übernahm Plutarch nach eigenen Angaben vonJuba, vorallem die Erläuterungen römischer Eigennamen. Aber auch auf Poseidonios geht vieles zurück, ebenso wie auf die römischen Gelehrten Varro und Verrius Flaccus (eventuell durch Vermittlung des Juba).283 Wie viele seiner Zeitgenossen glaubte Plutarch, das Latein sei aus dem Griechischen hervorgegangen (Marc.8 etc.; S. 86f.). Daher verwundert es nicht, daß er einige lateinische Wörter aus dem Griechischen ableiten wollte, -da es am einfachsten erscheint, Bezeichnungen fremder Sprachen mit Hilfe der Muttersprache zu erklären. Neben der großen Anzahl lateinischer Wörter, die Plutarch etymologisiert, gibt es viele lateinische Wörter, die er einfach nur nennt oder deren ά ν(calceus –“Halbλ τ ιο Bedeutung er seinen Lesern erklärt, wie z.B. κ ο ὐ ο υ ς(vici “Dörfer” ρ ε(carcer [Aemil.37]),284 ΐκ ε κ ρ stiefel”[Aemil.5]), κ ά

282 Vgl. GÖLDI 38– 43, derdiese Unterteilung ebenfalls vorgenommen hat. Er macht Plutarchs Entscheidung vonderjeweiligen Quelle abhängig, wasinsofern logisch erscheint, daPlutarch viele Etymologien ausQuellen entnommen hat. 283 K. ZIEGLER 926. 284 Plutarch schreibt ἐ κτ ο ῦκαλουμ έ ν ο υκάρκερ ε , wasauf eine lateinische Quelle (e carcere) schließen läßt.

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VI. Die Etymologien

ό ρ ικ α(sorex “Maus”[Marc.5]), Κ ο κ υ ίρ [Luc.37]),285 σ ς(circus [Aemil. 32]).286 Diese Nennungen vollständig zusammenzutragen, kann nicht Aufgabe derArbeit sein. Ich werde mich daher aufdiejenigen lateinischen Wörter beschränken, die Plutarch versucht herzuleiten.287 Zumlateinischen Wortschatz in Plutarchs Werken liegen einige Untersuchungen vor. Verweisen muß man vor allem auf L. HAHN, Rom und Romanismus imgriechisch-römischen Osten, dersich in mehreren Abschnit52), GÖLDI (22ff.) sowie 6, bes. 239– ten mit Plutarch beschäftigt (203– PAPADOPOULOUS, derin seinem Artikel ebenfalls diephonetische Umschrift lateinischer Wörter bei Plutarch untersucht hat. Gerade letzterer zeigt deutlich, daßPlutarch nicht kontinuierlich bei derTranskription lateinischer Bezeichnungen ins Griechische vorgegangen ist. So benutzt er scheinbar willals auch ο υ , manchmal sogar kürlich für den lateinischen Laut u sowohl β β ιο κ τ ά ς für ein Wort anverschiedenen Stellen beide Möglichkeiten (z.B. Ὀ υ ο ο ΐκ ίκ ςetc.). Unbedingt heranzuziehen ist für ςundοὐ κ ο ύ undὈ τ α ιο ς ,β diese Problematik die Arbeit von SICKINGER von 1883, der sich sehr ausführlich mit Plutarchs Transkription lateinischer Wörter beschäftigt undvor 20). Außerdem unterallem sehr viele Beispiele ausdenSchriften anführt (9– sucht SICKINGER, wiePlutarch die lateinischen Substantive dekliniert288 und 7).290 Eine Anzahl lateinischer Termini vor allem aus dem betont289 hat (20–

285 Vgl. SICKINGER 54. 286 Vgl. z.B. auch δεκ ίη ς(Ant.4), Α γ ρ ο α υ ὔ ς(Ant.5;Aemil.3;Marc.2;Cic.36;281A; ο ν γ η ν(Rom.22;Cam.32), Μ ς(Crass.7;Pomp.13;Sert.18; λ ίκ ο υ ια(Ant.59), λ ά ίτ 287D), δ (T.Gracch.10), μ ν ν(Rom.11), σενᾶ α δ ν(Rom.13; κ ν ῦ ο τ ρ ο ο ω ίπ (Gal.12), δόλ ιγ ια 203E), π μ /κ ρ ε λ τ α ίεν ), Ο ὐ ετέ α ν ω ς(Rom.13;323B: κλιέντη ς τρ ς ο υ ά ύ ο λ π ο 789E), π ς(Rom.13), π μ εμ ρ ο E), φ ία μ(Num.13), Σ α μ(266F;318D– ρ ιν ε έ ρ ν α γ σ ν τ ῶ ν(Rom.25), Ὁ ιο π επ ά τεμ μ (281D), Φ β ε F), Σ έ ρ (279C), β μ ρ υ μ γ ο ιλ ιν ρ ώ ο ν λ αΔ ισα υ ο ά ῆ ᾶ κ ιᾶ λ ιν(289E– (274C), ρ ς F). Diese Auswahl lateinischer Wörter zeigt, daß E;322E– τ ), Ο ο ῦ (311Β τ ις(318D– ὐ ιρ Plutarch eine ganze Reihe Fehler (vor allem Betonungsfehler) gemacht hat undauch bei derTranskription insGriechische sehruneinheitlich vorgegangen ist(vgl. z.B. denw-Laut). Gleiches gilt für die Endungen (griechisch und lateinisch). Vgl. die Anmerkungen zu Plutarchs Transkriptionen bei ROSE1924, 174. 287 Diese vonmirnicht behandelten, sondern nurerwähnten lateinischen Wörter sind teilweise bei GÖLDI nachzulesen. 288 Hier sind sowohl griechische Endungen (vor allem bei der a- undo-Dekl.) als auch lateinische (vor allem bei der 3. Dekl.) zu finden, wie wir bei den in dieser Arbeit behandelten Beispielen sehen werden. Es gibt jedoch auch eine Reihe von falsch deklinierten lateinischen Substantiven (24f. 26; Substantive der u-Dekl. werden von Plutarch meist nach dergriechischen o-Dekl. flektiert). 289 Plutarchs Betonung derlateinischen Wörter ist sehr unbeständig undnach denlateinischen Betonungsregeln oft falsch. Das wird ebenfalls in der vorliegenden Arbeit an

2.1. DieausdemGriechischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

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militärischen undstaatlichen Bereich benutzte Plutarch in ihren griechischen ρ μ χ α ο ή /consul, δ ς/tribunus plebis, σ γ / α ό το π ς α τη ς τρ Übersetzungen (ὕ praetor). Er konnte dabei auf griechische Schriftsteller wie Polybios und Dionysios vonHalikarnassos zurückgreifen, diein ihren Werken viele dieser Wörter ins Griechische übersetzt undsie daher für die griechische Sprache nutzbar gemacht haben.291 Ansonsten gilt für die lateinischen Etymologien dasselbe, wasschon im allgemeinen Teil bzw. über die griechischen Etymologien gesagt wurde. Viele der Erklärungen sind falsch, oft greift Plutarch sekundäre Motivationen, d.h. Volksetymologien auf. Andererseits ist aber die Herkunft vieler Wörter bis heute nicht eindeutig geklärt. Wörter, vor allem geographische Ausdrücke, die Plutarch auf Eigennamen zurückführt unddie eindeutig sind wie Lacus Curtius (Rom.18), (mons) Tarpeius (Rom.18)292 etc., wurden nicht in diese Arbeit aufgenommen. Im Anhang sind die lateinischen Etymologien in einer Liste zusammengestellt worden.

2.1. DIE AUS DEM GRIECHISCHEN ABGELEITETEN ETYMOLOGIEN LATEINISCHER WÖRTER

Nicht unbedingt überraschend ist aus mehreren Gründen die Herleitung einer Reihe lateinischer Wörter aus demGriechischen. Einerseits ist Plutwieschon oben angedeutet archs Muttersprache dasGriechische, undes ist – –sicher einfacher, fremde Begriffe mit Hilfe derMuttersprache zuerklären. Auch die in der Antike verbreitete Überzeugung, das Lateinische sei aus dem Griechischen –bzw. einem der Dialekte, nämlich dem Äolischen hervorgegangen, forderte solche Erklärungsversuche (S. 86f.). Andererseits gab es durch die tatsächliche Verwandtschaft derbeiden Sprachen entweder gegenseitig oder gemeinsam aus anderen Sprachen entlehnte Wörter, die dann aufgrund ihrer Verwandtschaft von den antiken Autoren in der oben beschriebenen Weise etymologisiert wurden.293 vielen Beispielen zusehen sein. ROSE 1924, 14 Anm.12 bemerkte dazu: “ In the spelling of single words Plutarch is nobetter andnoworse thanthemajority of hiscountrymen.” 290 Auch HAHN1907 hat lateinische Wörter in dergriechischen Sprache untersucht (706ff.), ergeht allerdings nicht speziell aufPlutarch ein. 291 Vgl. vorallem HAHN1906 sowie fürPlutarch SICKINGER 39f. ZurGesamtproblematik vgl. die Zusammenstellung vonH. J. MASON, Greek Terms for Roman Institutions. A Lexicon andAnalysis. Toronto (American Studies inPapyrology 13) 1974. 292 ZurPassage Rom.18 vgl. dieAnmerkungen vonAMPOLO/MANFREDINI 318f. 293 Auch römische Grammatiker wie Aelius Stilo, Verrius Flaccus oder Cloatius Verus leiteten lateinische Wörter ausdemGriechischen ab; OPELT 1965, 47f.

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VI. Die Etymologien

Für einige Wörter schlägt Plutarch wieder mehrere Varianten vor. So bietet er beispielsweise für den Schild ancile, der als heilig galt, da er vom Himmel gefallen sein soll,294 sechs Erklärungsversuche an. Auf seine Herεν.295Da der heilige kunft “ von oben”gründet er die Ableitung von ἀνέκαθ Schild Romvonallerlei Übeln befreite, kann Plutarch noch andere Etymologien angeben: so von ἄ σ ις–“Heilung” ε κ , weil er die Pest ausrotten half, von α ὐ μ ό χ ς , da er die Dürre beendete oder, weil er die Leiden, bevor sie Ertragen σ ε σ ά χ ις–“ ν beseitigt werden konnten, erträglicher machte, vonἀ derLeiden” . Eine weitere Erklärung geht auf die Form des Schildes zurück: γ κ ύ ἀ λ ο , da dieser Schild nicht rund ist, sondern seine ς–“gekrümmt” Spitzen gekrümmt sind. Als letzte Variante schließlich schlägt Plutarch γ κ ώ νvor, da die Schilde am Ellenbogen getragen werden. Plutarch ἀ wundert sich zunächst, daßJuba (= fr.4 p.452sq. FUNAIOLI), von demer die letztgenannte Ableitung hat, das lateinische Wort ancile aus dem Griechischen herleiten will, umdannjedoch selbst weitere griechische Etymologien hinzuzufügen (Num.13).296 Für denNamen Roma bietet er sieben Möglichkeiten an, von denen allerdings sechs mythologische Personen betreffen.297 Außerdem nennt er die neben derHerleitung vonRomulus in derAntike wohl amweitesten verbreitete Meinung, die Stadt habe ihren Namen vondemgriechischen Appellativum für “ 2). Das war vor allem für die Römer : ῥώ Kraft, Stärke” η(Rom.1– μ eine willkommene Ähnlichkeit, die nicht ungenutzt bleiben konnte.298 Es ist auffällig, daßPlutarch besonders Begriffen ausdemSakralbereich bzw. Wörtern, die alte Bräuche undEinrichtungen bezeichnen, eine griechische Herkunft zu geben versucht. Diese Wörter sind allerdings häufig aus deretruskischen oder einer italischen Sprache (sabinisch, oskisch etc.) in das Lateinische übernommen worden. Viele griechische Wörter gelangten nicht

294 Vgl. dazu LATTE 116. 295 Vgl. Etymologie Ἄ ν α κ ε ςS.63. 296 Die Erklärungen anderer Autoren vgl. bei MALTBY 33f. 297 Neben der für ihn glaubwürdigsten Ableitung von Romulus führt er noch an: ,Ῥ ό ς ν ,Ῥ . MALTBY 529ff. hat die vielen Hinweise antiker α ς ο μ ις μ μ ω ῶ ῶ η μ Ῥ ώ (2 mal), Ῥ Schriftsteller auf denNamen der Stadt zusammengetragen; siehe dazu auch OPELT 1965, 52ff. Der Name Roma ist wahrscheinlich etruskischen Ursprungs, aber selbst SCHULZE 81 kann keine überzeugende Etymologie finden. Hierzu auch AMPOLO/MANFREDINI 579– 262ff. Die verschiedenen Etymologien des Namens Roma vgl. bei OPELT a.a.O. 48ff. RADKE 1981, 288 sieht Roma als Ableitung von Remus in der Bedeutung “ Stadt des Remus” . 298 Zummöglichen Zustandekommen dieses griechischen Namens (nämlich Übersetzung vonlat. Valentia o.ä. durch Euander oder andere Griechen) unddie Legendenbildung darum vgl. OPELT 1965, 49ff. Siehe auch Ateius Praetextatus fr.14 p.141 FUNAIOLI.

2.1. DieausdemGriechischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

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direkt, sondern durch etruskische Vermittlung in das Lateinische wie z.B. –laena. Wie vor ihm schon zahlreiche andere griechische undlateiα ῖν α χ λ nische Autoren hat Plutarch Wörter, deren Ursprünge auf diese genannten Sprachen zurückgehen und die daher für die antiken Autoren nicht als ursprünglich lateinische zu erkennen waren, auf griechische Wurzeln zurückgeführt. μ ί in Verbindung, η Die Priesterschaft derfetiales z.B. bringt er mit φ weil sie durch Verhandlungen versuchten, Frieden zu stiften. Plutarch überο ν ἷο νεἰρηνοπ η ισ ιῶ τ ὶ δο νκ α λ :Ἑ λ ὶ Friedensstifter” setzt sie daher als “ . (Schließlich war nach Plutarchs Meinung das griechische ν ρ ω ο δ ό ν φ σ π ο ᾽ ε ινgebildet worden; Num.12; ηaus dem gleichen Grund von εἴρ ν ή εἰρ 279B.)299 Auch der Nameflamines soll Plutarch zufolge griechischen Ursprungs sein. Die Priester würden so wegen des Filzhutes genannt werden, ῖλ ο ςbezeichnet würde. So densie trügen undderalspil(l)eus nach griech. π hätten sie ursprünglich pilamines geheißen undseien erst im Laufe der Zeit zuderjetzigen Form ihres Namens gekommen (Num.7; Marc.5; 277C; siehe auch 274C).300 Die Etymologien sind falsch, die Bezeichnungen beider Priesterschaften sind vermutlich vorlateinischen Ursprungs.301 Eine andere römische Priesterschaft, die Salier, hätten ihren Namen nicht, wie es Plutarch gehört hat, von einem Mann aus Samothrake namens α θ ι(ἁ λ ό τ ), weil sie während ihrer ικ ς Σ ά λ ιο ςerhalten, sondern von ἅλλεσ heiligen Handlungen den Springtanz vollführten (Num.13).302 Das ist nicht ganz falsch, da das lateinische salire, von dem der Name Salii abgeleitet α ι verwandt ist. Den Iuppiterbeinamen θ εσ λ λ sein könnte, mit griech. ἅ Feretrius will Plutarch außer vom lateinischen ferire (S. 92f.) von einer 303ableiten (Rom.16; Marc.8). Da auch hier die passiven Form von φ ειν έρ griechische Form φ ε ινunddie lateinische ferre verwandt sind, nimmt er έρ

299 Zwar eine andere Etymologie, aber eine ähnliche inhaltliche Erklärung bietet Varro: “ fetiales, quod fidei publicae inter populos praeerant: namper hos fiebat ut iustum conciperetur bellum et inde desitum, ut foedere fides pacis constitueretur.”(ling.lat.V 86). Vielleicht hat Plutarch in diesem Fall die Erklärung mit seiner eigenen griechischen Etymologie verbunden. Als Friedensstifter bezeichnet auch Livius diefetiales (I 24, 4). Vgl. SICKINGER 47. Zu den Fetialen siehe LATTE 121ff. 419. 300 Genauso Dion.Hal.II 64, 2. Vgl. dagegen Varros Erklärung: “flamines, quod in Latio capite velato erant semper ac caput cinctum habebant filo, filamines dicti.”(ling.lat. V 84). ROSE 1924, 188 glaubt an ein Mißverständnis Plutarchs seiner lateinischen Quelle (Verrius?). 301 Dazu LATTE 36f. 302 Ähnlich Varro: “ Salii ab salitando ...”(ling.lat.V 85). Dion.Hal.II 70, 4: σ ε α ; λ ῖρ Ov.fast.III 387: “ . Vgl. dazu LATTE 114ff. Saliis ab saltu” 303 Die Form φ ερ ετρ εύ εσ θ α ιist laut LIDDELL-SCOTT nurbei Plutarch überliefert.

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VI. Die Etymologien

wohl wiederum eine Ableitung des lateinischen Wortes aus dem Griechischen an.304 Auch für denpater patratus, denobersten Priester derFetialen, gibt Plutarch griechische Erklärungen an. Er leitet die Bezeichnung vonden griechischen Verben π α ε ίν ιν–“vollenden”und π ερ α ερ το ῦ σ θ α ι–“beenα μ έν ο τω ο ν έ μ α ερ επ ) ab, weil derpater patratus, da ς ςκ ὶπ σ α den” ερ επ (π er noch einen Vater habe undselbst schon Vater sei, besonders vollkommen undglücklich gewesen wäre.305 ObPlutarch daslateinische Verbum patrare –“vollbringen, vollenden”(das z.B. Livius [I 24, 6] seiner Erklärung zugrunde legt), in seine Überlegungen einbezog, ist aus dem Text nicht zu ersehen.306 Aus dem gleichen Grund könnte nach Plutarchs Meinung der Name ebenso ausπ ρ(bzw. ausdemlateinischen pater) selbst entstanden ή α τ C). sein (279B–

In einer Passage derQuaestiones Romanae 46 berichtet Plutarch voneiner altrömischen Göttin Horta. Er führt zunächst eine lateinische Etymologie nach Antistius Labeo an (siehe S. 92), umdann jedoch zu berichten, ) mit Dehnung der ersten Silbe ν ῦ der Name der Göttin sei zu seiner Zeit (ν η ςτ έ ν μ ῆ ρ ο ρ α ςπ τέ ο κ ν υ η ς ν ὴ μ ν α τ ὐ ρ α ν Ὥ ι σ υ ο ά ζ μ ο ν ὀ ν ῦ ν ς ( ὡ α ρ Ὥ ῆ ς ). Daher könnte er ebenso, wie viele andere (!), ein griechischer β σ υ λ α λ Name, und, weil die Göttin (auf) alles sieht, von ὁ νabgeleitet sein ᾶ ρ (275Ff.). Obgleich Plutarch imvorangehenden Satz dielange erste Silbe der Form Ὥ αexpressis verbis erwähnt, will er sie trotzdem auf das mit kurρ ρ ~) zurückführen.307 In dieser Passage ν(St. ο ᾶ ρ zem o-Laut beginnende ὁ wiederholt Plutarch seine auch an anderen Stellen genannte Überzeugung, 304 Obgleich Plutarch Latein gelernt hat (vgl. S.33ff.) und ihm sehr wahrscheinlich bekannt gewesen sein dürfte, leitet er denBeinamen desrömischen Göttervaters nicht explizit von diesem lateinischen Wort, sondern von dem griechischen ab. Feretrius wurde in der Antike entweder mitferire, ferre oderferetrum –“ Tragegestell”in Verbindung gebracht. Die verschiedenen Kultbräuche weisen aufferire; ROSCHER Bd.1, 673. Vgl. auch AMPOLO/MANFREDINI 312f. und MALTBY 229. 305 Mitdieser Erklärung meint Plutarch jedoch denpater patrimus; ROSE1924, 196f. 306 Obpatratus zupater oder eher zupatrare gehört, ist nicht geklärt. Jede Variante hat ihre Anhänger. Vgl. LATTE 121 mit Anm.3 (zupatrare). 307 Die Hora Quirinus wird in denrömischen Pontifikalbüchern genannt. Die Messung Hora (kurz; z.B. Ov.met.XIV 851) ist die ursprüngliche, Hora (lang) wohl von den griechischen Ὧ ιbeeinflußt, vielleicht hat auch Plutarch daran gedacht; dazu RADKE α ρ

dasVerbum

1981, 291 Anm.153. Wenerjedoch mitHorta gemeint haben könnte undwoher er diesen Namen hat, ist nicht nachzuweisen. Er ist nirgendwo anders erwähnt. Vielleicht wieder ein Mißverständnis seiner (lateinischen?) Quelle. Vgl. KROLL, RE 8, 1913, 2299f.; ROSCHER Bd.1, 2712 u. 2749f. sowie die Erklärungsversuche vonSICKINGER 43 u. ROSE 1924, 190; LATTE 55 Anm.3. Auch MALTBY (282 u. 283) hat für die Etymologie desNamens sowohl der Horta als auch der Hora nur Plutarch als Belegstelle gefunden. Zu einer möglichen Etymologie vgl. RADKE 1981, 291f.

2.1. Die ausdemGriechischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

79

viele lateinische Begriffe hätten ihren Ursprung in der griechischen Sprache gehabt.308

Aus dem gleichen Grund hat Plutarch versucht, den alten römischen Hochzeitsruf talas(s)io, dessen Herkunft bis heute unbekannt geblieben neben derHerleitung von einem ist,309 auf das Griechische zurückzuführen – jungen Römer namens Talasius (vgl. S. 103). Zumeinen könnte derBegriff α λ α σ ία ) kommen, weil seiner Meinung nach vom Wollspinnen (griech. τ die Braut bei ihrer Hochzeit mitdiesem Ruf zurArbeitssamkeit aufgefordert werden sollte (Pomp.4; Rom.15; 271Ff.).310 Aus einem ähnlichen Grund Spinnkörbchen” könnte er Plutarch zufolge auf das griechische Wort für “ ο ρ ς . Allerdings hätten die Römer –so Plutarch α ά λ zurückzuführen sein: τ dieses griechische Wort anders ausgesprochen, so daß dadurch der Hochzeitsruf, der mit dem griechischen Hymenaios vergleichbar sei, entstanden ο ρ ς ; 271Ff.).311 α λ ist: talas(s)io (statt τά Einer Verwechslung ist Plutarch bei der Erklärung des sogenannten ε ω ς–“versöhnt, sanft” ιο ίκ Sühneortes Ἰλ ςerlegen. Er wollte ihn von ἵλ ableiten, weil Iuppiter nach einem Opfer des Numa versöhnt undberuhigt diesen Ortverließ (Num.15). Tatsächlich wirdjedoch nicht derOrt, sondern Iuppiter selbst so genannt, also ist es ein Beiname des Gottes. Zugleich hat Plutarch diesen Namen nicht ganz korrekt wiedergegeben. Bei den lateinihervorlocken”(und schen Schriftstellern findet man Elicius von elicere –“ zwar dasWasser).312

308 DemNamen deraltrömischen Göttin Mana Geneta gibt Plutarch ebenfalls einen griechischen Ursprung, nämlich von γ έ ν ε σ α ις θ εσ ι(γ ν ), lat. gignere (genesis). Er bringt ίγ sie aber auch mit ῥ ῖν–“fließen”in Verbindung undkönnte dabei an lat. manare für die ε Erklärung von Mana gedacht haben (277A). Weitere Erläuterungen vgl. ROSE 1924, 42 (Quelle dieser Passage). 192f.; LATTE 95 (mana zumanus). 309 Vgl. WALDE/HOFMANN; LATTE 96; AMPOLO/MANFREDINI 309f. (dort auch Belege bei anderen antiken Autoren). Siehe dieBemerkungen bei SICKINGER 49f. 310 Vgl. Liv. I 9, 10ff., derdenHochzeitsruf lediglich aufdenEigennamen Talassius zurückführen will. Plinius (n.h.XXIX 9, 30) schreibt, die Jungvermählten mußten die Türpfosten ihres Hauses mitWolle berühren. Plutarch erinnerte sich wohldaran, daßdieWolle bei den römischen Hochzeitsbräuchen eine Rolle spielte. Weitere Belege bei LATTE 96 Anm.8. 311 Die angegebenen Etymologien sind natürlich falsch. Sowohl τα σ α λ ίαals auch ι. Weitere Belege bei Varro (fr.457 p.369 ν α ῆ λ -, τλ ρ ο α τά λ ςgehören zum Stamm τα ) u. Livius siehe MALTBY 599. ROSE 1924, 183f. FUNAIOLI: “ νid est quasillum” ρ ο α λ τά glaubt, Plutarch habe hier eine Etymologie Varros falsch verstanden. 312 Vgl. Varro ling.lat.VI 94 (“ ab eliciendo” ); ebenso Liv.I 20, 7 und Ov.fast.III 328ff. Entweder hat Plutarch hier seine Quelle (Livius, Varro?) falsch verstanden, oder er hatdiese falsche Information schon seiner Mittlerquelle entnommen. Siehe LATTE 79.

80

VI. Die Etymologien

Die Liktoren

waren schon aus der Königszeit her bekannt und sind daher möglicherweise etruskischen Ursprungs.313 Ebenso könnte die Herleitung vonligare, die Plutarch als eine Möglichkeit in Erwägung zieht (siehe S. 101), richtig sein. Außerdem schlägt Plutarch für dieses Wort eine griechische Etymologie vor. Allerdings war auch diese Etymologie nur mit einer Veränderung derüberlieferten Form möglich. Sie hießen Plutarch zu) wurde seiner Vorstellung ε ρ ις ) unddasc (κ ιτώ folge ursprünglich litores (λ nach erst später dazwischen geschoben. Daher konnte er das Wort gut von γ ο ίableiten (Rom.26; 280A).314 ρ υ ειτο denλ In ähnlicher Weise veränderte Plutarch die macella (Fleischmärkte), so ο ειρ γ ς(Koch) abgeleitet werden können.315 Da ά daßsie vomgriechischen μ –so Plutarch –bei denRömern g undk verwandte Buchstaben seien undeinige, die an einem Sprachfehler litten, l statt r sprächen, seien im Laufe der ο ειρ γ ςdie lateinischen macella entstanden ά Zeit aus dem griechischen μ (277D). Andieser Stelle erstaunt unsdoch wieder, daßderAutor die offenά ελ κ ν–“Fleischmarkt”nicht erkannt λ ο sichtlich richtige Etymologie von μ hat, bei der er keine gewaltsame Veränderung an dem überlieferten Wort hätte vornehmen müssen.316 Richtig etymologisiert Plutarch dagegen denNamen derheiligen Stäbe, die die Priester trugen. Sie hießen baculae nach demgriechischen Wort für ι(Rom.26). Eine weitere korrekte Etymologie übernahm ρ ία η τ κ α :β Stäbe” “ Plutarch nach eigenen Angaben von Juba. Der lateinische Name des Wollmantels, dendieKönige trugen, laena, ist durch etruskische Vermittlung aus α hervorgegangen (Num.7).317 α ῖν λ demgriechischen Wort χ

313

aus sachlichen undsprachlichen Gründen eine etruskiab. Er hält die Ableitung von ligare/bzw. ältere Form ligere für wahrscheinlich. Vgl. Livius I 26,7. 314 Auch inhaltlich haben die griech. λ γ ο ίnichts mit denrömischen lictores ρ ειτο υ zu tun, diese gingen mit denfasces als Zeichen der Macht höheren Beamten voran, jene mußten als Vermögende besondere Leistungen fürdieGemeinschaft vollbringen. 315 Plutarch schreibt in seiner Frage: “ α ’κ κ έ α λ ὶ ‘μ ά κ ελ λ α ια‘μ λ ώ π ὰκρεω ... τ / μ ’ (div. Codd.) κα ῦ σ ι;” ο α κ έλ λ λ ο υςΥ λ α ς . Eine maskuline Form ist bei Martial.X 96, 9 ’‘ gefunden worden, eine feminine dagegen nirgendwo; ROSE 1924, 194. Μ κ ελ νist ά λ ο wahrscheinlich einsemitisches Lehnwort. Siehe auch oben S.35. 316 Diese griechische Etymologie finden wir sogar bei dem Lateiner Varro: “ ... Macellum ...; ea loca etiam nunc Lacedaemonii vocant μ ν ελ ο ...”( ling.lat.V 146). In V κ λ ά 147 will Varro diesen OrtvondemCognomen Macellus ableiten. Vgl. auch fr.121 p.231 u. fr.10 p.116 FUNAIOLI. ROSE 1924, 194 dagegen denkt an eine mögliche Herleitung von schlachten, opfern” “ mactare – . Vgl. auch die Anmerkungen von SICKINGER 51f. 317 Dagegen Varro ling.lat.V 133: “laena, quoddelanamulta, duarum etiam togarum instar;” . sche

WALDE lehnt allerdings

Herkunft

2.1. Die ausdemGriechischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

81

Die Bezeichnungen derdrei benannten Tage desMonats Kalendae, Nonae undIdus bringt Plutarch mit der Mondveränderung in Zusammenhang. Für alle Begriffe bietet er mehrere lateinische Varianten an (S. 99f.), lediglich die Iden versucht er mit Hilfe der griechischen Sprache zu erklären. Sie erscheinen seiner Meinung nach, wenn der Mond in voller Schönheit dasteht. Daher würden sie wegen dieser schönen Gestalt so ο ς(269B–D).318 ἶδ heißen: ε Nach einem erfolgreichen Feldzug stand demFeldherrn ein Triumph zu, nach nicht ganz so beutereichen Unternehmungen lediglich der sogenannte kleine Triumph, die ovatio, bei der der Feldherr nicht auf einem Wagen, sondern nur zu Pferd oder zu Fuß Einzug halten durfte. Solch eine ovatio β αbzw. ὄο ) beschreibt Plutarch in Marc.22 (vgl. auch Crass. 11). Für α υ (ὄ die Benennung führt er zunächst zwei griechische Etymologien an, die er μ ό σ ς–“Jubelaber beide ablehnt: Einige würden den Namen von εὐα geschrei”herleiten, andere irriger Weise von Ε ὔ ϊο ς , einem Beinamen des Dionysos. Seiner Meinung nach sei das Wort von dem Schafsopfer (Schaf lat. ovis) abgeleitet (vgl. S. 104). Schon bei den griechischen Etymologien konnten wir bemerken, daß Plutarch mit besonderer Vorliebe Eigennamen etymologisiert. Das wird bei den lateinischen Etymologien noch deutlicher. Er hat diese meist dazu benutzt, eine weitere interessante Geschichte über die entsprechende Person zu erzählen. Die gens derPinarii z.B. hätte ihren Namen erhalten, weil sie vom Opferschmaus ausgeschlossen war und hungern mußte (über die Gründe schweigt Plutarch; 278F; vgl. Num.21). Hungern heißt im Griechischen ν.319 Das altrömische patrizische Geschlecht der Aemilier dagegen ῆ π ειν führt seinen Ursprung auf den Sohn des weisen Pythagoras, Mamercus, zu, wasim einnehmenden Art” rück.320 Dieser habe laut Plutarch wegen seiner “ ύ λ ἱμ ιο Griechischen mit demAdjektiv α ςausgedrückt würde, der gens den Namen gegeben (Aemil.2; Num.8). Oft spielten äußere Merkmale oder bestimmte Charaktereigenschaften eine Rolle bei derVergabe desCognomens, umgekehrt wurde aber auch die Bedeutung des Namen auf eine Person übertragen. So wurde Sullas Name von den Griechen wegen dessen fleckiger Gesichtsfarbe mit der Frucht des

318 Vgl. dagegen Varros Erklärung: “idus abeo quodTusci itus, vel potius quod Sabini idus dicunt.”(ling.lat.VI 28). 319 Vgl. GROAG, RE 20, 1950, 1395ff.; LATTE 113f. Livius (I 7, 13) berichtet (ohne jedoch denNamen zu etymologisieren), daß die Pinarier erst zumOpfermahl kamen, als die Innereien schon verzehrt waren, undsie daher beim Opfern keine Innereien mehr essen durften. Vgl. auch Dion.Hal.I 40. 320 Zu Mamercus vgl. SALOMIES 34f.

82

VI. Die Etymologien

μ ν(Sull.2; 505B; cf. ο ιν ά κ υ Maulbeerbaumes in Verbindung gebracht: σ Horatius Cocles soll seinen Beinamen bekommen haMar.1; Coriol.11).321 ben, weil er im Krieg ein Auge verloren hat, oder weil durch die Eigentümlichkeit seiner Nase und die zusammengewachsenen Augenbrauen die Augen so eng zusammenstanden, daß er einäugig wirkte. So wurde er η η ν α ο ς ὀλισθ ύ σ ς† ο ο σ λ λ λ σ ὶ τ ἱ π ώ ῆ Κ ύ κ λ ςγ ω ψgenannt, bis ο η ο θ υ σ ή ε νὑ ρ ά α ι (Popl.16; cf. ς†ε νκα θ τ λ η ε π ὸπ ἐκ ῖσ λ λ κ ό ὸΚ ἰςτ 307E).322 Die Etymologie könnte richtig sein, nur die Geschichte, die Plutarch dazu erzählt, ist vermutlich erfunden. Das Appellativum Spurius, das zugleich ein Personenname ist und ein uneheliches Kind bezeichnet, μ αhergeleitet worden sein ρ έ π könnte nach Plutarch u.a. aus griech. σ F).323 (288E– Entsprechend der Überlieferung berichtet Plutarch, daß Romulus nach demRaub der Sabinerinnen die Hersilia heiratete undmit ihr eine Tochter όλ λ ν... ιο und einen Sohn hatte.324 Letzteren nannte Romulus Aollius: Ἀ η ρ ο ᾽α ςἀθ ίσ ὐ ν ε ο έ ῦτ ω τ ῶ νπ ο μ α σ ε ν ἀ π ὸτ λ ςὑ ῆ . π ιτ ό νὠ ν ςγενομ ῶ (Rom.14; vgl. Zenodotos FGrH 821 F2). Er gab seinem Sohn also den Namen nach demgriechischen ἀ ο λ λ ίζ . (Später soll er ε ιν–“versammeln” laut Plutarch Avil(l)ius genannt worden sein, wasnach Schulze S. 72 eine etruskische Namensform ist.) Ob Plutarch mit der “ Versammlung der Bürger”die Folgen des Raubes der Sabinerinnen meint oder ob die Geburt des einzigen Sohnes des Romulus solch eine Ansammlung verursachte, ist ᾽ π ausdemText nicht eindeutig zuersehen. Aufdieletzte Variante könnte ὑ Urheber Sohn als der α ὐ ο τ ῦweisen, wenn darunter der neugeborene Ansammlung zuverstehen wäre. Schließlich weiß Plutarch eine interessante Erklärung für die Gründung der latinischen Stadt Praeneste (heute Palestrina) unddie Entstehung ihres ρ ίν ισ Namens: Die ursprünglich Π τ ο ςgenannte Stadt wurde wegen der Steineichen (π ρ ο ῖν ) so bezeichnet, die sich an der Stelle in Italien ς befanden, wo die Stadt von Telegonos (Sohn des Odysseus undder Kirke) auf Weisung eines Orakels gegründet wurde. Die allmähliche Veränderung

321

SCHULZE

372 undKAJANTO 106 vermuten eine etruskische

Herkunft dieses

Na-

mens.

322 Vgl. Varro: “ ab oculo cocles, ut ocles, dictus, quiunumhaberet oculum...”(ling. –Cocles. ύ κ lat.VII 71). SCHULZE 288 äußert Zweifel an derVerbindung κ λ ω ψ 323 Vgl. dazu auch S.111. Val.Max.de praenom.6 (= fr.341 p.335 FUNAIOLI [σ ο π -

ρ ά η δ ν ]): “Spurii patre incerto geniti quasi σπ ά ρ δ ιο ο ι.” 324 Hersilia wardie einzige verheiratete Frau unter dengeraubten Sabinerinnen und soll entweder demangesehenen Römer Hostilius oder, nach anderen Quellen, Romulus zur Frau gegeben worden sein (Rom.14). Später wurde sie mit derHora Quirinus identifiziert (Vgl. dazu Plut.275Ff. sowie Ov.met.XIV 851). Siehe auch AMPOLO/MANFREDINI 308f.

2.1. DieausdemGriechischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

83

des Namens von Priniste in Praeneste geschah laut Plutarch im Laufe der Zeit durch die Römer (316B).325

In einer längeren Passage der Quaestiones convivales unterhalten sich die Gesprächspartner über die Herkunft der Namen für die verschiedenen griechischen Mahlzeiten (siehe oben S. 64f.). Im Anschluß an diese Reden meldete sich Plutarchs Bruder Lamprias zu Wort, dender Autor als wirkliγ ε λ ω σ ε ςφ ι) bezeichnet. Dieser nun wollte nach dem ύ ό ιλ chen Spötter (φ beweisen, daßdierömischen Namen viel geeigneter für solche Geschwätz” “ etymologischen Spekulationen seien als die griechischen. Undso führt er im folgenden mehr scherz- als ernsthaft eine Reihe lateinischer Bezeichnungen an, die seiner Meinung nach sehr anschauliche Etymologien hätten.

(Lamprias offenbart damit ebenfalls Lateinkenntnisse.) Interessanterweise leitet er alle diese lateinischen Wörter ausdemGriechischen ab. Er beginnt, wie seine Gesprächspartner geendet haben: mit denlateinischen Mahlzeiten. Die Hauptmahlzeit cena/coena326 heiße so wegen der Gemeinschaftlichkeit (κ ο ιν ), da die Römer diese Mahlzeit amAbend immer in Gesellschaft ν ω ία von Freunden einnehmen würden. Das Frühstück aber werde prandium geν δ ιο ςdie Mittagszeit bezeichne nannt, da es recht spät stattfände und ἔ (ἐ ν δ ιά ε ιν–Mittag machen; in dieser Bedeutung laut Liddell-Scott nur bei ζ werde es so genannt, weil manes so Lamprias – Plutarch). Aber vielleicht – zusich nahm, bevor ein richtiges Bedürfnis, sprich Hunger, entstanden war: ή ς–“bedürftig”.327 Weiter nennt der Redner eine Anzahl lateinischer ε δ ἐν Wörter (allerdings nurmit ihrer griechischen Übersetzung), die seiner Meinung nach ganz offensichtlich zu denentsprechenden griechischen gehören (und nach unserem heutigen Wissen tatsächlich mit diesen verwandt sind): έ λ ), gustare ι), oleum (ἔ α ν ο λ ιο ), mel (μ ἶν ς ), vinum (ο α α μ τ ρ ώ stratum (σ τ ρ ο π ιε ῖν ). Die nächsten Begriffe behandelt Lamεύ (γ εσ θ α ι),328 probibere (π prias etwas ausführlicher, indem er die lateinischen Wörter, auf die er sich bezieht, nennt, wiewohl er auch bei diesen lateinischen Benennungen überzeugt ist, daß sie aus dem Griechischen gebildet wurden: comissatio von α ν ε έσ ο ῖν , corona , panis von π μ ι, mensa von μ ν υ είγ μ ο κ ῶ ς , miscere von μ , da die Stelle unε ιν(oder caedere von δέρειν ή , edere von ἔδ von κεφ α λ ε β ν ιν(726Bff.).329 Im ά μ α ε ν τ ό ςund labra von λ δ sicher ist), dentes von ὀ 325 Siehe dagegen Cato d. Ä. fr.7 p.11 FUNAIOLI. Vgl. RADKE, RE 22, 1954, 1550: dieNamensform ist illyrisch. SCHULZE 567 hält einen etruskischen Ursprung fürmöglich. 326 Siehe dazu TEODORSSON 3,224f. 327 Vgl. ebd. 225. 328 Vgl. Varro ling.lat.VI 84: “quod graece γ ε ύ α ε ι, latine gustat” τ . 329 Bis auf comissatio –κῶ μ ο ς(κ ε μ ινund ω μ ά ν υ ε ι, edere –ἔδ ίγ ζ ), miscere –μ ειν δ ό ν τ ε ς , die tatsächlich verwandt sind, sind die zuletztgenannten Etymologien dentes –ὀ

84

VI. Die Etymologien

Anschluß andiese scherzhaft gemeinten Etymologien kritisiert Lamprias die Methode, derer sich sein Bruder Plutarch häufig genug bediente, nämlich die Begriffe durch Wegnehmen, Austauschen oder Hinzufügen von Buchstaben dengewünschten Etymologien anzupassen. Auch wenn diese Passage, die Plutarch seinem Bruder Lamprias in den Mundgelegt hat, scherzhaft gemeint warunddiejenigen, die sich allzu eifrig mit solchen sprachlichen Problemen beschäftigten, verspotten sollte, ist sie für unser Thema äußerst wichtig und interessant. Sie zeigt, daß den Griechen die enge Beziehung zwischen der griechischen und lateinischen Sprache durchaus bewußt war, auch wenn sie die Zusammenhänge, die uns heute selbstverständlich sind, noch nicht genau kannten. Desweiteren konnte man feststellen, daß der größere Teil der doch im Spaß genannten Etymologien durchaus richtig ist bzw. die Beziehung zwischen demgriechischen und entsprechenden lateinischen Wort durchaus korrekt wiedergibt. Im übrigen ist diese Stelle die weitaus längste zusammenhängende Passage, in der sich Plutarch mit dem Problem der Etymologien beschäftigt. Da er in seinen Gesprächen Unterhaltungen reflektiert, die tatsächlich stattgefunden haben, kann mandavon ausgehen, daßdiese Problematik ein Thema bei den Symposien gewesen ist.

EXKURS: PLUTARCHS BEMERKUNGEN ZUM VERHÄLTNIS DER GRIECHISCHEN UNDLATEINISCHEN SPRACHE

In der antiken Welt sind die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den einzelnen Sprachen nurin geringem Maße erkannt worden. Eine Ausnahme bildeten die griechische undlateinische Sprache, deren Ähnlichkeiten durch die indoeuropäische Verwandtschaft und gegenseitige Entlehnungen auch denantiken Schriftstellern augenscheinlich waren.330 Dabei spielt zweifellos eine Rolle, daß viele Römer griechisch sprachen und sich auch gebildete Griechen (Polybios, Dionysios, Plutarch, Strabon) mit derlateinischen Sprache beschäftigt hatten. Sprachen, die man nicht beherrschte, konnte man schwerer mit der Muttersprache oder untereinander vergleichen. Allerdings ist nicht die gemeinsame Entwicklung der griechischen und lateinischen falsch: panis gehört zu pascari (vgl. Varro fr.202 p.254 FUNAIOLI), mensa zu metiri, coη–“gekrümmt” rona zu κορ ν ώ , labra gehört zu lambere -“ lecken”(Letzteres allerdings von WALDE abgelehnt). Zu mensa, panis, corona, edere (sowohl bei edere als auch caedere fehlen Hinweise auf Plutarch) und dentes siehe weitere Belegstellen bei MALTBY. Vgl. auch die Bemerkungen bei GEHMAN 1915/16,238; HAHN1906, 250; TEODORSSON 3,226f. 330 LOCHNER VONHÜTTENBACH 66f.; J. WERNER 1983, 592f.; ders. 1992, 16f. sowie 36, bes. 117ff. vor allem 1996; SCHÖPSDAU 114–

Exkurs: ZumVerhältnis dergriechischen undlateinischen Sprache

85

Sprache aus der indoeuropäischen Ursprache erkannt worden, vielmehr die Entstehung des Lateinischen aus demGriechischen, speziell dem äolischen Dialekt angenommen.331 Diese spezifische Annahme beruht vor allem auf denGemeinsamkeiten gerade desÄolischen mitdemLateinischen (kein Dual, /v u.a.).332 Die Herleitung der lateinischen aus der griechischen Sprache hängt nicht zuletzt mit den mythologischen Erklärungen von der Herkunft der Gründer Roms zusammen.333 Auch Plutarch greift diese Legenden auf, so bei der Etymologie des Namens Roma. Eine mögliche Erklärung sei die Gründung der Stadt durch die Pelasger und wegen ihrer Übermacht im . Plutarch geht also davon aus, η Kriege die Namensgebung von griech. ῥώ μ daß die bis heute ethnisch und sprachlich nicht einzuordnenden Pelasger Griechen gewesen sind.334 Andere Erklärungen Plutarchs bezeichnen als Namenspatron der Stadt Personen der griechischen Mythologie wie Rhomanos, Sohn derKirke unddesOdysseus, Rhomos, Sohn desEmathion oder aber Rhome, die irgendwie mit Aeneas oder Herakles verbunden gewesen sein soll (Rom.1–2).335 Ein weiterer Hinweis auf die Herkunft der Römer aus einem griechischen Gebiet ist die Sage vonderAuswanderung desEuander ausArkadien nach Italien,336 die Plutarch in Verbindung mit der Etymologie der altröC; S. 91f.). Außerdem mischen Göttin Carmenta aufgreift (Rom.21; 278B– ύ κ α setzt er die römischen Luperkalien mit dem arkadischen Fest der Λ ια gleich (Rom.21; Num.19; Ant.12; Caes.61; 280B– C; 290D). Ebenso könnte der römische Gott Ianus Plutarch zufolge griechischen Ursprungs sein wurde

(269A; S. 146).

In derCamillusbiographie berichtet derAutor, vonderEroberung Roms die Gallier sei ein dunkles Gerücht nach Griechenland gedrungen. Ein

durch

aus dem Lande der sagenhaften Hyperboreer kommendes Kriegsheer soll eine griechische Stadt Rom, die amgroßen Meer liege, erobert haben. Plutarch zitiert hier den Herakleides Pontikos (4. Jh. v. Chr.), der seiner Mei331 Plutarch zitiert dazu einmal Varro, derbulla ausdemÄolischen ableiten möchte, wo das Wort bolla heißen würde. Er hält diese Erklärung allerdings für nicht glaubwürdig 288A). (287F–

332 Vgl. J. WERNER 1996, 327ff. 333 Ebd.; JÜTHNER 1923, 70– 7; ROSE 1992, 307ff.; WEIS 137. 334 Vgl. dagegen Hdt.I 56ff. Dieser meint, die Pelasger hätten kein Griechisch gesprochen undhätten auchnicht zudenGriechen gehört. 335 Vgl. hierzu ROSE 1992, 308. 336 Die Arkader galten in der Antike als Äoler, z.B. Strab.VIII 1, 2 p.333; SCHÖPSDAU 1718; J. WERNER 1996, 328.

86

VI. Die Etymologien

nung nach nicht viel jünger warals dieZeit, in derdiese Eroberung geschah.

Allerdings wundert es Plutarch nicht, daßein Schriftsteller wie Herakleides solche Märchen erzähle unddie wahre Geschichte durch die Erwähnung der Hyperboreer und des großen Meeres bereichert habe (Cam.22); daß Rom eine griechische Stadt genannt wird, scheint Plutarch allerdings nicht weiter bemerkenswert.337 Überdies vergleicht Plutarch eine Reihe lateinischer Gottheiten, staatlicher undreligiöser Einrichtungen sowie Monate mit denen der Griechen, in erster Linie sicherlich wieder mit demZiel, seinen griechischen Lesern die Details verständlich zumachen. Eheaufdiese Gleichsetzungen eingegangen wird, sollen zunächst dieBemerkungen betrachtet werden, diePlutarch zum Verhältnis dergriechischen undlateinischen Sprache gemacht hat. Oft fallen diese Äußerungen im Zusammenhang mit Etymologien. Den römischen Hochzeitsruf Talas(s)io z.B. will Plutarch u.a. aus dem griechischen Wort σ ίαherleiten, wobei er sich auf Juba beruft (S. 79). Er begründet das α α λ τ damit, daß damals die italischen Wörter noch nicht in die griechischen α σ ιτ νἸτα ῶ λ ικ ν ῶ ν η ο ῖςὀνόμ π ό ετο ικ ω τ ὔ τ ῖςἙ eingeflossen wären (ο λ λ ἐπ μ έν ικ εχ ω ν υ ; Rom.15 = Juba fr.9 p.454 FUNAIOLI). Das bedeutet also Plutarch zufolge, daßsich das Lateinische ausdemGriechischen unter Einwirkung von italischen Einflüssen entwickelt habe. Bei der griechischen Etymologie des Beinamens des Iuppiter Feretrius bemerkt er, die griechische Sprache sei damals noch mehr mit derderLateiner vermischt gewesen: η ντ μ ν έ ῇ εμ ιγ μ εσυμ ντό τ ὴ νἔ α σ σ τ ο λ ιπ λ αγλῶ ν η ίδ κ α τ ὰτ νἙ λ ὴ λ Λ α τίν ω ν(Marc.8). Diese Erläuterung Plutarchs bezieht sich zweifelsohne auf Italien. Die lateinische Sprache sei zwar schon entwickelt gewesen, hätte aber immer noch viele griechische Wörter enthalten. Ähnlich ist die Aussage in Num.7. Im Zusammenhang mit der Etymologie der Flamines will er beobachtet haben, daßdamals die griechischen Wörter mehr alsjetzt ά ν η τ ικ νὀνομ ῶ ω ν νἙ λ ῶ λ mit denlateinischen vermischt gewesen wären (τ ν μ έν ω ; Num.7 = Juba fr.5 ρ α ντο ῦ εκ ο α ιςἀν κ ῖςΛ α τ ίν νἢν ᾶ ο λ λ εμ ό τ τ p.453 FUNAIOLI). Zu der Worterklärung der altrömischen Göttin Horta schließlich bemerkt Plutarch, dieser Namekönnte, wieso viele andere, auch ρἄ , καθ ά π λ ε λ απ ο λ α λ ά ,κ ὶτο ῦ ο τ aus demGriechischen abgeleitet sein: ἤ 276A; zur Etymologie S. 78f. u. ά τ τ ω νἐσ ί (275F– ν η ικ νὀνομ ῶ λ λ νἙ τ ῶ 92). Auch die Aussage in derschon besprochenen Passage 1010D (S. 34f.), die Römer hätten imLaufe derZeit fast alle Präpositionen ausihrer Sprache verbannt, deutet auf Plutarchs Überzeugung vomUrsprung der lateinischen Sprache ausdergriechischen hin. Andieser Stelle sei auch noch auf 726Bff.

337

KAIMIO

durch Herakleides

42 Anm.114

warnt davor,

vonPontos überzubewerten.

die Benennung Roms als Ἑ η ν ὶςπ λ λ ό λ ις

Exkurs: ZumVerhältnis dergriechischen undlateinischen Sprache

87

(Quaestiones convivales VIII 6; vgl. S. 83f.) verwiesen, wo Plutarchs Bruder Lamprias in scherzhafter Weise eine Reihe von lateinischen Wörtern, die aus dem Griechischen abzuleiten seien, zum Besten gibt. Eine lateinische Etymologie Varros aus dem Äolischen (bulla, S. 105) lehnt er allerdings ab (287Ff.). Insgesamt kann man sagen, daß Plutarch die allgemein verbreitete Meinung vertrat, die lateinische Sprache hätte sich aus der griechischen entwickelt.338 Nurso sind diehier besprochenen Bemerkungen und die vielen lateinischen Etymologien, die er aus der griechischen Sprache bildet, zuerklären.339 Unter denGleichsetzungen, die Plutarch anführt, umsein Anliegen verständlicher zumachen, sind z.B. verschiedene römische Gottheiten, denen er ή ) sei in γ α θ ein griechisches Äquivalent entgegenstellt. Die Bona Dea (Ἀ ή ρ η τ ε α ικ ν ία(Cic.19; Caes.9),340 die Mater Matuta (μ υ Griechenland die Γ die griechische Λ ε υ κ ο θ έ α (Cam.5; 492D). Den attischen Mo)341 α ῦ Μ το τα ν(Dez./Jan.) setzt er mit dem lateinischen lanuarius gleich ε ώ ειδ σ ο nat Π ειτν γ ιώ νdem September (Popl.14). Die α ετ (Caes.37), den attischen Μ ύ ε σ ὐ λ σ υ ςsei Ο ίξ δ ο ς(Marc.20) etc.342 Das waren lateinische Form des Ὀ nureinige Beispiele, diejedoch zeigen, daßPlutarch oft für dieselben Dinge unterschiedliche Bezeichnungen bei denverschiedenen Völkern annahm.

2.2. DIE AUS DEM LATEINISCHEN ABGELEITETEN ETYMOLOGIEN LATEINISCHER WÖRTER

In Plutarchs Schriften findet manca. 130 Etymologien lateinischer Wörter. Davon versucht er mehr als ein Viertel aus dem Griechischen abzuleiten, den restlichen Begriffen gibt er lateinische Ursprünge. (Darunter sind auch 338

GÖLDI

24ff. SWAIN 1990, 126meint allerdings, daß“ thegenerally accepted topos

of the Greek origin of the Latin language hasalmost no attraction for him(cf. Marc.22, 7, 10).”Die vonmir angeführten Beispiele zeigen aber wohl doch, daßPlutarch, Numa 13, 9– auch wenn er es nicht ausdrücklich formuliert hat, an eine Herkunft des Latein aus dem Griechischen glaubte. 339 Ähnliches nahm Plutarch für das Ägyptische an (375E– F; 377D; S.122f.). Er leitet auch eine Reihe ägyptischer Wörter ausdemGriechischen ab. 340 Siehe dazu LATTE 228ff. 341 ZurFunktion dieser Göttin vgl. RADKE 280; zumNamen LATTE 97. 342 Diese Vergleiche sagen kaum etwas über dieeventuelle Herkunft derverschiede-

nenrömischen Götter, Bräuche etc. ausGriechenland. Andieser Stelle hat SWAIN 1990, he makes surprisingly little effort to discover Greek aitia 126 eher recht, wenn er sagt, “ behind Roman customs.”Für viele Etymologien gilt das, wie schon mehrmals betont wurde, aber eben nicht.

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VI. Die Etymologien

eine Reihe von Wörtern, die Plutarch sowohl lateinisch als auch griechisch etymologisiert hat.) Die meisten lateinischen Etymologien finden wir in den Quaestiones Romanae undin den Biographien der Römer aus der Frühzeit (Romulus, Numa, Coriolanus, Poplicola), die alle nach demJahr 96 entstanden sind. Da Plutarch sich erst relativ spät mit der lateinischen Sprache intensiver beschäftigte, sind dievielen lateinischen Etymologien sicherlich ein Ergebnis seiner Bemühungen. Daß sich gerade diese Werke für lateinische

Etymologien besonders anbieten, ist schon erwähnt worden. Am weitaus häufigsten versucht Plutarch Personennamen zu etymologisieren. Dann folgenBegriffe ausdemSakralbereich sowie Wörter, die politische Einrichtungen bzw. bestimmte Sitten undBräuche bezeichnen, und schließlich topographische Ausdrücke. Plutarch hat zwar aller Wahrscheinlichkeit nach kein eigenes Buch über die Etymologien verfaßt, aber in den oben genannten Werken stehen derartige sprachliche Probleme durchaus gleichwertig neben Erklärungen politischer, militärischer, religiöser u.ä. Erscheinungen, wogegen vor allem in philosophischen, tierpsychologischen u.ä. Texten kaum Etymologien zu finden sind. Er versucht entweder, die Wörter herzuleiten, oder er will sie seinen vornehmlich griechischsprachigen Lesern übersetzen underklären.343 Aber auch bei diesen lateinischen Etymologien werden wir feststellen können, daßer sie oft nutzt, umseine Geschichten auszuschmükken. Dasfindet manbesonders bei denErklärungen derEigennamen, die am Ende dieses Kapitels behandelt werden. Allerdings sind die Namen von Gottheiten aus diesem Abschnitt ausgenommen und zunächst gesondert untersucht worden.

DIE GÖTTERNAMEN UNDBEGRIFFE AUS DEM KULTISCHEN BEREICH

Wie wir schon in den anderen Abschnitten über Plutarchs Etymologien bemerken konnten, warer sehr darum bemüht, die Herkunft, die Funktionen unddieNamen bzw. Epitheta vonGottheiten zuerklären.344 Daer, wie seine Tätigkeit als Apollonpriester undvor allem seine Werke zeigen, über einen ausgeprägten Götterglauben verfügte, und die Griechen bekanntlich ein ihren”Göttern hatten als beispielsweise die Angehöanderes Verhältnis zu “ 343 Obgleich einige wichtige Werke (darunter die Parallelbiographien) demRömer Sosius Senecio gewidmet sind, richtet sich Plutarch ohne Zweifel mit allen seinen Werken

aneine griechische

Leserschaft.

344 Vgl. dazu SICKINGER 41– 5, der auch die lateinischen Begriffe, die Plutarch nur nennt undnicht etymologisiert, unddie ausdenoben genannten Gründen in dieser Arbeit nicht berücksichtigt wurden, zusammengetragen hat.

2.2. DieausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

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rigen monotheistischer Religionen, warPlutarch interessiert zuerfahren, wo die einzelnen Gottheiten herkamen, welche Funktionen undKulte sie haben bzw. ursprünglich hatten und, nicht zuletzt, wie sie zu ihren Namen gekommen sind. Solche Gedanken machte er sich nicht nur über die griechischen Götter wie Apollon, Hera oder Hades, sondern auch über verschiedene römische Gottheiten. Von der Göttin Iuno sagt Plutarch, sie sei der Mond undkönne mit der griechischen Hera identifiziert werden. Ihr Name bedeutet Plutarch zufolge jung oder jünger”(τ ὸ im Hinblick auf die Gleichsetzung mit dem Mond “ ). Plutarch geht also vom lateinischen iunior aus, ohne ν ο ερ τ εώ ὸν νἢτ ο έ ν es zu nennen (282C). Tatsächlich scheint der Name Iuno mit Formen wie junge Frau”zu bedeuten.345 iuvenis/iunix u.ä. in Verbindung zu stehen und“ Plutarch ist mit seiner Deutung derIuno als Mondgöttin einer weit verbreiteten Meinung gefolgt, die auch heute noch nicht widerlegt ist. Die römische Helle undGlänzenGeburtsgöttin Iuno Lucina beschreibt Plutarch als die “ de” , verbindet sie also mit dem lateinischen Wort lux (282C). Auch diese Etymologie warin der Antike weit verbreitet, allerdings verbunden mit den verschiedensten Deutungen.346 Eine recht eigenwillige Erklärung hat Plutarch für die Herkunft des Namens der Iuno Quiritis. Da ihr der Speer geweiht undsie deshalb auch auf die Alten”(ο α α λ ἱπ ιο ί) vielen Abbildungen mit Speer zu sehen sei und “ ρ ις ) nannten, sei sie zu ihrem Beinamen Quiritis ύ den Speer curis/quiris (κ gekommen (Rom.29; 285C). Der Name ist bis heute nicht sicher gedeutet, wird aber meist mit demGott Quirinus unddenQuirites verbunden, was im die übrigen auch Plutarch macht. Das Wort curis/quiris, das nach Plutarch “ ) verwendeten, sei das sabinische Wort für ρ υ ὸδό Alten”für den Speer (τ den Speer.347 Auf denselben Ursprung führt er denNamen des Gottes Quirinus zurück.348 Dadieser ein sehr kriegerischer Gott war(zuPlutarchs Zeiten

345 Dafür sprechen auch ihre ursprünglichen, auf weibliche Dinge bezogenen Funktionen wie z.B. als Helfer bei der Geburt. Am Anfang, als der Gegensatz Iuppiter-Iuno noch nicht verbreitet war, solljede Frau ihre Iuno gehabt haben, so wiejeder Mann seinen Genius. Siehe ROSE 1924, 201 sowie THULIN, RE 10, 1917, 1114f.; LATTE 103ff. 168. Vgl. jedoch Varro: Iuno ... dicta, quod una iuvat cum Iove”(ling.lat.V 67); ebenso Cic.nat. “ –“erfreuen; unterstützen” deor. II66 von iuvare . 346 Diese vgl. bei MALTBY 348. Siehe auch Varro Ant.rer.div. fr.100 CARDAUNS (mit Komm.). Zur Göttin vgl. LATTE 95f. 347 Vgl. Varro fr.387 p.348 FUNAIOLI. Dazu ROSE 1924, 42 (Quelle dieser Passage).

205.

348 Vgl. dazu Ov.fast.II 475ff. (Übers. F. BÖMER, Heidelberg 1957): “ Der nächste Tag ist frei, der dritte aber gehört demQuirinus: Der (jetzt) diesen Namen trägt, warvordem Romulus, sei’s weil die Sabiner einst die Lanze curis nannten undder kriegerische

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VI. DieEtymologien

er schon längst mit Romulus, demSohn desMars identifiziert), paßte der Speer gut zu ihm (Rom.29; 285C).349 Den Namen der Quirinalia (das Fest zu Ehren des Quirinus) leitet Plutarch von curia ab undbegründet das mit uns eher merkwürdig anmutenden Erläuterungen, wobei er Juba als Quelle nennt (285D = Juba fr.7 p.454 FUNAIOLI). Das Wort Quirites schließlich, mit demdie Einwohner Roms nach derVereinigung mit den Sabinern bezeichnet wurden, erklärt er mit demNamen der sabinischen Stadt Cures, der Heimatstadt des Numa (Num.3; Rom.19). Diese Etymologie wird bis heute als mögliche angesehen, eine andere ist die Herleitung von *co-viriom in derBedeutung “Gesamtheit derBürgerschaft”.350 DenNamen desaltrömischen Ackerbaugottes Consus übersetzt Plutarch ) undverbindet ihn mit demlateinischen conν mit “ υ α ῖο ο ςὦ λ Ratgeber”(β ρἔ ’γ ὰ τ β ο ιν ύ ῦ ντ λ νκα ο ῦ σ μ ιο λ ω ι... (Rom.14).351 ὸσ ν υ σ ίλ ν ιο silium: ‘κ Die Etymologie desNamens dieses Gottes, dervor allem das geerntete Getreide vor demVerderb schützen sollte, konnte noch nicht endgültig erklärt “ bergen, werden. Eine mögliche Variante wäre die Ableitung voncondere – aufbewahren”(des Getreides).352 Plutarchs Etymologie war zwar weit verbreitet, ist aber falsch.353 Ihmscheinen Bedeutung undFunktion dieses alten Gottes nicht mehr bekannt gewesen zu sein, so daßer unsdiese unkorrekte

wurde

Erklärung überliefern konnte. Zwei verschiedene Etymologien schildert er für denNamen desaltitalischen Gottes Liber, dener, wie es üblich war, mit demgriechischen DionyGott durch sein Geschoß unsterblich wurde, sei’s weil die Quiriten ihrem König ihren Namen gegeben haben, sei’s weil er Cures fürdieRömer erobert hatte.” V arro: “ Quirinus a quiritibus”(ling.lat.V 73). 349 LATTE 59 Anm.1. 113f.

350 Vgl. WALDE/HOFMANN. Auch Varro schreibt: “Quirites a Curensibus”(ling.lat. VI 68). Ebenso Livius I 13, 5. Dazu auch AMPOLO/MANFREDINI 339f. RADKE 1981, 284ff. 290 faßt zunächst diebekannten antiken undmodernen Etymologien für Quirinus, Quirites etc. zusammen, dieeraberalle teils auslautgesetzlichen (curis, curia), teils ausinhaltlichen (*co-viriom) Gründen ablehnt. Er selbst schlägt als Grundlage dieser Namen einen indogermanischen Wortstamm mitderBedeutung “ pflügen, Furchen ziehen” vor. Damit könnte manQuirinus als “Furchenzieher”deuten unddie Identifikation des Romulus mit diesem erklären. Siehe auch D. PORTE, Romulus –Quirinus, prince et dieu, dieu des princes, ANRW II 17.1, 1981, 321f. 351 Ebenso Varro Ant.rer.div. fr.140 CARDAUNS (mit Komm.): “deus Consus praebendo consilia” . 352 Dieser Meinung ist u.a. SCHULZE 474 Anm.5, der sich LATTE 72 Anm.1 und RADKE 1991, 183 anschließen. 353 Vgl. dazudieUntersuchung vonRADKE 1991. DerAutor analysiert zunächst die irrige Herleitung Consus a consilio, umdann dieseiner Meinung nach korrekte Etymologie von condere lautgeschichtlich nachzuzeichnen. Die verschiedenen überlieferten Etymologien siehe in AMPOLO/MANFREDINI 306 sowie MALTBY 153.

2.2. Die ausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

91

sos gleichsetzt. DerGott habe seinen Namen erhalten, weil er die, “ diebeim , also vonliber/libertas, oder weil er dasTrankopfer, Trunke sind, freimacht” die libatio, veranlaßt habe (289A).354 Allerdings verwendet Plutarch in dieser Passage nicht die lateinischen Wörter liber/libertas bzw. libatio, von ρ ευ ίαund λ ε θ denen er den Namen ableitet, sondern die griechischen ἐ . Mankann wohl davon ausgehen, daß die entsprechή–“Trankopfer” ο ιβ λ enden lateinischen Begriffe Plutarch ebenso wievielen seiner Leser bekannt waren und daß diese seine Erklärungen verstanden. Vielleicht waren aber die Etymologien auch so verbreitet, daß Plutarch es nicht für notwendig erachtete, sie ausführlicher zu besprechen. In vielen anderen Fällen jedoch, in denen vermutlich weniger bekannte Wörter die Grundlage seiner Etymologie bildeten, verzichtete er nicht auf die lateinischen Benennungen (z.B. F], pontifex [Num.9]). curis/quiris [285C], furcifer [280E– Über die altrömische Göttin Carmenta355 erzählt Plutarch eine Reihe zum Teil widersprüchlicher Dinge. So soll sie, die ursprünglich Themis (Θ έμ ις ) oder Nikostrate geheißen habe, aus Arkadien nach Italien gekommensein undhier ihren Namen Carmenta bekommen haben.356 Fürdie Entstehung desNamens führt Plutarch wiederum zwei Varianten an. Die erste, imAltertum verbreitete Etymologie leitet denNamen voncarmen, carmina ab undkennzeichnet so die Parze als Prophetin, die ihre Orakel in Versen ’ κα λ ο μ ρ ῦ σ ιν α ιν ; Rom.21; 278B–C).357 Die η‘κά ρἔ π ὰ verbreitet (τ ὰγ zweite Variante, diePlutarch überzeugender erscheint, geht vonderVerzükkung undBegeisterung aus, die die Göttin befällt, während sie ihre Verse vorträgt. Weil sie also im prophetischen Rausch “ ihren Verstand verloren” ρστέρεσ θ ὰ α habe, sei sie so genannt worden: τ ὲ νγ ι ‘καρῆρε, ὸμ ’ 354 Sen.tranquill. 17, 8 schreibt, Liber werde nicht wegen derFreiheit derSprache so genannt, sondern weil er die Seele vom Druck der Sorgen befreit underlöst. Vgl. auch Varros Ableitung von liberare (Ant.rer.div. fr.93 CARDAUNS [siehe Komm. zu fr. 93 u. 2]) Weitere Belege bei MALTBY 337, woein Hinweis auf Plutarchs Erkärungsversuch 260– allerdings fehlt. ZurEtymologie desNamens vgl. LATTE 70 Anm.5; zurQuelle dieser Passage ROSE 1924, 43. 211.

355 Varro (Ant.rer.div. fr.103 CARDAUNS [mit Lit.]) beschreibt diese Göttin in der als Geburtsgöttin, was auch Plutarch erwähnt. Dazu auch LATTE

Namensform Carmentis

136f.

356 Plutarch bezeichnet die Parze als Mutter (278B– C) bzw. als Frau (Rom.21) des Euander (letzteres ist sicher ein wie auch immer entstandener Irrtum Plutarchs), über dessen Auswanderung aus Arkadien nach Italien u.a. bei Varro, Verg.Aen.VIII 51ff. et.al., Liv.I 7, 8; Ov.fast.I 467 u. I 619; Dion.Hal.I 31, 1ff. berichtet wird. So erklärt sich die Auswanderung derCarmenta beiPlutarch. 357 Vgl. Varro Ant.rer.div. fr.104 CARDAUNS.

92

VI. DieEtymologien

‘μ έν τ ’δ ε μ ὲτ ὸ νν ο ῦ νὀν μ ο ά ζ ο υ σ ιν(Rom.21).358 In der Parallelstelle C) führt er allerdings die lateinischen Wörter nicht an, er übersetzt (278B– σ τ ὲτ ιδ ο α ο ῦ ὀνόμ τ ςτ ὸ ἔτυ μ ο ν nur sinngemäß die Bedeutung: ἔ ή σ ε ις ρ . Interessant ist, daß bei diesen ην ο ῦδ ο ὰ εο φ μ ιὰτ έ η ν ςθ σ ὑ τερ ‘ beiden gleichen Textstellen, die auch von ihrer Entstehungszeit inhaltlich ’ her nicht so weit auseinander liegen dürften, einige Aussagen fast identisch ), was dafür spräche, daß Plutarch seine sind (die Erklärung mit “ carmen” Quelle direkt vor sich liegen hatte bzw. Exzerpte benutzte. Andererseits weichen Sachverhalte (Mutter/Gattin desEuander) undTexte (Erklärung mit ) so voneinander ab, daß man annehmen muß, Plutarch carere mentem” “ habe sich “ lediglich”seines Gedächtnisses bedient. Teilweise besprochen wurde schon die Etymologie des Namens einer anderen altrömischen Gottheit, der Hora. Neben den beiden griechischen ρ ᾶ ν(S. 78f.) führt Plutarch eine α θ ρ εσ ι sowie ὁ /ὄ Ableitungen von ὤ α ρ sich auf er Antistius Labeo bezieht. Da lateinische Etymologie an, bei der die Hora/Horta eine “ zumGuten antreibende undaufmunternde Göttin”sei, könne man ihren Namen vom lateinischen hortari ableiten: τ μ ρ ᾶ ρ ν ο α ὸπ ν(275Ff.). Ein weiteres Mal überliefert uns Plutarch ο ν ε ι’ λεγόμ ρ ά τ ρ ὁ mehrere völlig verschiedene Etymologien, undwiederum entscheidet er sich ‘ für keine von ihnen. Die Namensform Horta (Ὅ ), die Plutarch neben α ρ τ die bekannte Form Hora (Ὥ ) stellt unddie die ursprüngliche gewesen α ρ sein soll (ὡ ὴ νὭ ά μ ὐ σ ινα τ ςν υ ο ο ζ νὀν ῦ ), ist sonst nirgends überν α ρ liefert.359 Es ist anzunehmen, daß Plutarch seine vermutlich lateinischsprachige Quelle360 falsch verstanden hat oder aber seine Erinnerung an das früher Gelesene getrübt war. So ist auch seine Erklärung derWandlung von Horta zuHora nicht überzeugend. Ebenfalls im vorangehenden Abschnitt wurde der Beiname des Iuppiter Feretrius bereits behandelt (S. 77f.). Neben der griechischen (Form von ) überliefert Plutarch eine lateinische Etymologie: Der Beiname Feε ιν έρ φ retrius rühre von Iuppiters Eigenschaft als Blitzeschleuderer her, da die ρτίπ Römer für “ ὰ ὸγ ε τ ιν(Marc.8)/ schlagen/schleudern”ferire sagten (τ

358 Das Verbum carere wird normalerweise mit dem Ablativ verbunden, ist also wahrscheinlich wieder ein Irrtum Plutarchs. (Siehe auch SICKINGER 43.) Diese Etymologie scheint nicht so verbreitet gewesen zu sein wie die Ableitung von carmen. Vgl. dazu AMPOLO/MANFREDINI 326 sowie MALTBY 109f. 359 WISSOWA undDEECKE (in: RÖSCHER, Bd.1, 2712. 2749f.) tun Plutarchs Ausführungen unddie Namensform Horta als falsch undwillkürlich ab. RADKE 1981, 292 läßt die Frage desZusammenhangs zwischen Hora undHorta offen. 360 Vielleicht wares direkt Antistius Labeo, von dessen angeblich 400 Büchern nur einige Fragmente erhalten sind.

2.2. Die ausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

93

’Ῥ μ ω α ῖο ε ῖρ ερ ι κα λ ο ῦ σ ιν ).361 Die lateinische Etymoῆ ι(Rom.16) ‘φ α ξ λ π logie ist sowohl in Marc.8 als auch in Rom.16 zu finden, während die griechische Ableitung nur in der Marcellusbiographie beschrieben ist. Plutarch begründet an dieser Stelle die griechische Herleitung eines lateinischen Wortes damit, daß damals noch viel Griechisches mit der lateinischen Sprache vermischt war. Numa soll nach Plutarchs Erzählung die Römer angehalten haben, eine Muse besonders zu verehren, nämlich Tacita, die Göttin des Schweigens α κ ίτ α undder Zauberei. Plutarch nennt sie mit ihrem lateinischen Namen Τ die Schweigsame oder die ε ά–“ ὴἢἐν η λ ιω π (Betonung!) und übersetzt σ Stumme” (Num.8).362 Einen Tempel der Fortuna Obsequens (“ die den Bitten ihrer Verehrer willfährt”363) soll Servius Tullius erbaut haben. Plutarch zufolge erklären eiF). Beide Bedeufolgsam” , andere als “mild”(322E– nige diesen Namen als “ tungen sind vomlateinischen Deponens obsequi abgeleitete Partizipien, was Plutarch aber im einzelnen nicht erklärt. Ganz geläufig scheinen ihm die lateinischen Namen nicht gewesen zu sein. Er bemerkt nämlich, nachdem er die Fortuna Primigenia364 und Obsequens mit ihren lateinischen Bezeichnungen genannt hat, zwar mit den Beschreibungen der von den Königen erbauten Tempel fortfahren zu wollen, die Namen aber nicht weiter mit ν ισ η τ ί) zu λ λ ihren lateinischen Bezeichnungen, sondern auf Griechisch (Ἑ F). benennen (322E– Von den vielen römischen Festen hat Plutarch einige erwähnt undbeschrieben (z.B. in Rom.21), drei Namen dieser Feste versucht er zu etymologisieren.365 Die Lupercalia vergleicht er mit den Lykaia der Griechen und ύ κ ο ςals Grundlage derBezeichnung (Rom. erwähnt folgerichtig denlupus/λ C; 290D).366 Wegen der Gemein21; Num.19; Ant.12; Caes.61; 280B– 361 LATTE 126 Anm.2 bemerkt, daß die Ableitung vonferire lautgesetzlich unmöglich sei. Der Name müßte, wollte mandiese Etymologie beibehalten, von einem nicht erhaltenen synonymen Verbum *ferere abgeleitet sein. 362 Nach LATTE 60. 98 Anm.4 ist diese Göttin sonst nicht bekannt. 363 ROSCHER Bd.1, 1512; LATTE 179.

364 Die Primigenia übersetzt Plutarch als die “ έ ), leitet γ ε ν ια ο τ ρ ω Erstgeborene”(Π F). Vgl. Cic.leg.II 11, 28: “Primigenia a sie also vonprimus undgignere ab. (289C; 322E– gigendo comes” . Dazu ROSE 1924, 212: “ Hername does not mean f irst-born’but probably S iehe auch original’, i.e. that cult of Fortuna which is theearliest andsenior to‘all therest.” ‘ LATTE 176.

365 Siehe SICKINGER 48. 366 MUÑOZ vergleicht in ihrem Artikel die Stellen miteinander (außer Num.19 u. 290D). DerVergleich Lykaia-Lupercalia kommt in allen Passagen vor, derZusammenhang C mit einem Reinigungsfest unddie Etymologie vonFebruarius nurin Rom.21 und280B–

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VI. DieEtymologien

mit dem griechischen Fest hält Plutarch die Luperkalien für ein von Euander nach Italien gebrachtes arkadisches Fest (Rom.21; Caes.61). Allerdings hat er für die gleiche Etymologie noch eine andere Erklärung. Da die Priester (Luperci) ihren Umzug da begonnen hätten, wo Romulus und Remus ausgesetzt undvon der Wölfin gesäugt worden sein sollen, könnte das Fest seinen Namen auch von dieser Wölfin erhalten haben (Rom.21). So die Erläuterungen Plutarchs. Den Namen der Lupercalia mußman sicher mit lupus in Verbindung bringen, viel mehr scheint noch nicht klar zu sein.367 Der Ablauf des Festes selbst ist bei den antiken Dichtern sehr unterschiedlich beschrieben worden.368 Nur bei Plutarch ist C; 290D), was er beispielsweise das Hundeopfer erwähnt (Rom.21; 280B– auch unmittelbar mit der Etymologie in Beziehung bringt (Hund als Feind des Wolfes). Er erwähnt auch den Charakter der Luperkalien als Reinigungsfest, darauf wird bei der Etymologie des Monats Februarius näher einzugehen sein (S. 98). Die Terminalia erkennt Plutarch als Fest des Terminus, des Grenzsteines, des Gottes der Grenzen (267C).369 Für das sehr alte Fest derNonae Caprotinae (Plutarch benutzt die Form Capratinae, dazu AMPOLO/MANFREDINI340), dasam7. Juli vondenFrauen begangen wurde,370 bietet Plutarch zwei Etymologien an. Zum einen leitet er den Namen von dem wilden Feigenbaum ab, unter dem der Festschmaus stattfand: τ ρἐριν ὰ ε ὸ ν νγ ὴ ‘κ α π ρ ίφ ικ ’ ὀν ο ν ο μ ά ζ ο υ σ ιν(Rom.29; Cam.33).371 Die zweite Erklärung der Nonae Caprotinae entspringt einer Verwechslung durch Plutarch. Er vermischt das dem Iuppiter geweihte Fest der Poplifugia, das am 5. Juli samkeit uraltes,

(aber ebenso

inNum.19 u.290D). Siehe auch dieAnmerkungen vonROSE 1924, 198 sowie

326ff. Vgl Varro fr.189 p.250 FUNAIOLI. 367 Zur Etymologie vgl. MARBACH, RE 13, 1927, 1831. 1835– 8. Er deutet lupercus : lupus + arcere. Vgl. auch PELLING 1988, 145f. J. GRUBER (Zur Etyals “Wolfsabwehrer” 76) faßt in seinem Aufsatz diebisher bemologie vonlat. lupercus, Glotta 39, 1960/61, 273– kannten Etymologien für lupercus (von welchem Wort die Lupercalia abgeleitet sind) zusammen undschlägt selbst vor, es aus *lupo-sequos, d.h. qui lupum sequitur, abzuleiten, also Wolffolger, waseinen Männerbund bedeuten soll. 368 Zur Herkunft des Festes, zu seinen Ritualen etc. vgl. MARBACH, RE 13, 1927, 39 s.v. Lupercus undLATTE 84ff. 34 s.v. Luperci. 1834– 30 s.v Lupercalia. 1830– 1816– 369 Dagegen Varro ling.lat.VI 13: “Terminalia, quod is dies anni extremus constitutus: duodecimus enim mensis fuit Februarius et cum intercalatur inferiores quinque dies . ZudenTerminalia vgl. die Anmerkungen vonROSE 1924, duodecimo demuntur mense” AMPOLO/MANFREDINI

175 und LATTE 64.

370 ZudemFest siehe LATTE 106f. 371 Dazu Varro ling.lat.VI 18: “nonae Caprotinae, quod eo die in Latio Iunoni Ca-

protinae mulieres sacrificantur

et subcaprifico faciunt; e caprifico

adhibent virgam” .

2.2. Die ausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

95

gefeiert wurde,372 mit denNonae Caprotinae. Da manamTage der Poplifugia zumsogenannten Ziegensumpf zog, umzuopfern, konnte Plutarch aufgrund seiner Verwechslung die Nonae Caprotinae von dem lateinischen ’ ὀν ο μ ά ρ α ν ζ ο υ σ α‘κάπ ιν(Rom.29; ρα ἶγ ὰ νγ ὴ Wort für Ziege ableiten: τ Cam.33). Diesen Tag, an dem Romulus Plutarch zufolge von der Erde verschwand, führt er in demZusammenhang noch an einer dritten Stelle an. Dort erklärt erjedoch denNamen nurindirekt, indem er lediglich die grieὸ ο νΑ εν ςἕλ μ ἰγ ο ο ύ λ ς(Num.2). Hier ὸκα chische Erläuterung erwähnt: ... τ könnte man sich wiederum fragen, warum Plutarch an zwei Stellen die lateinischen Wörter erklärt, in einer dritten Passage jedoch wieder einmal nureine griechische Übersetzung anbietet. Sehr interessante Erklärungen können wir bei Plutarch über die Herkunft des Namens derpontifices lesen.373 Er gibt insgesamt drei Möglichkeiten an, die alle im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Priester stehen: 1. Sie heißen so, weil sie den mächtigen und über alles herrschenden η ό ν τ ς. 2. Bei ά μ α μ ο α ίω νὀν ὸ α ε τ τ ὸῬ ζ ι ‘π ρδυν ςὑ π ω ὰ Göttern dienen: γ ’ für der zweiten Variante geht Plutarch ebenso von dem lateinischen Wort ό α τ ν ςaus, wenn er schreibt, die Priester mußten nicht opfern, wenn sie δ υ ; davon sei wenn es möglich ist” daran gehindert wurden, sondern eben nur, “ dann ihr Name abgeleitet worden. Plutarch hatte wahrscheinlich die bei quipotest facere”gehört und diesen Gelegenheiten gebräuchliche Formel “ seiner zweiten Etymologie zugrunde gelegt. Für beide Erklärungen war Plutarchs Wissen ausschlaggebend, daßpotens die lateinische Entsprechung ό τ ςist, im ersten Fall in der Bedeutung “mächtig, für das griechische δυνα . 3. Die dritte Etymologie, beherrschend” , imzweiten “möglich, vermögend” die Plutarch zufolge die meisten vertreten haben, kamihm aber amlächerBrückenmacher” , dasie einige lichsten vor. DerName derPriester bedeute “ ’γ ὰ ρο ἱ ό ν τ μ ε ihrer Opferhandlungen auf Brücken verrichten mußten: ‘π Daß Plutarch nun gerade μ ά σ υ ιν(Num.9).374 ο ο ζ νὀν α ρ έφ υ α ο Λ τ ιτ νγ ῖν ὴ die wahrscheinlich richtige Etymologie ablehnt, ist besonders kurios, ihm 372 Vgl. dazu LATTE 128f. 373 Dazu undzudenanderen vonPlutarch etymologisierten Namen römischer Prie8. ZudenFesten Anmerkungen bei AMPOLO/MANFREDINI sterschaften siehe SICKINGER 45–

340f. 374 Die Etymologie vonpons + facere ist bis heute als richtig anerkannt, die Entstehung dieses Namens unddie damit verbundenen ursprünglichen Rituale sind noch ungepontifices, ut Scaeklärt; LATTE 196 Anm.1. Varro ling.lat.V 83 (= fr.7 p.125 FUNAIOLI): “ vola Quintus pontifex maximus dicebat, a posse et facere, ut po[n]tifices. ego a ponte arbitror: namabhis sublicius est factus primum utrestitutus saepe, cumideo sacra et uls et cis Tiberim nonmediocri ritu fiant.”Vgl. auch Dion.Hal.II 73, 1, derebenfalls bestimmte Tätigkeiten derPriester

andenBrücken fürdenAusgangspunkt

ihrer Bezeichnung hält.

96

VI. DieEtymologien

aber nicht vorzuwerfen. Wichtiger erscheint mir, daß er sich in dieser Passage mit dem Begriff unddessen Herkunft auseinandersetzt und ihn in erster Linie dieEtymologie undnicht dieGeschichte umdiese interessiert. Eine Anmerkung in sprachlicher Hinsicht macht Plutarch zum Vogelflug, speziell zurBedeutung des linken Vogels (τ ὸἀριστερόν).375 Vielleicht hat ihn zunächst die Tatsache irritiert, daß die Römer den linken Vogel (bzw. das, was von links kommt) als glückbringend ansahen, während die Griechen das von links Kommende als unglückbringendes Omen betrachteten.376 Plutarch fragt sich also zunächst, ob der linke Vogel überhaupt ein gutes Zeichen sein könne, umdann zuüberlegen, ob hier nicht die Sprache ρ ο ύ ε viele getäuscht hätte: π εκ τ α λ κ ο ρ α ο τ ιπ λ ο λ ὺ α . Sinistrum ς ςἡδιά ’ ισ ο ν τρ ν‘σίν ὸ ρ ρ ισ τε ρἀ heiße zwar “ ὰ links” ὸγ , sinere aber “erlauben”(τ In Wahrheit, ’ ... λέγουσιν).377 so ε μ ά ν ο ὀ α ι ‘σίνερ ο ε ζ σ φ υ ᾽ἀ ῖν ιν , τ ὸδ Plutarch, heiße also der Vogel, der die Handlung befürwortet, sinisterius, ν ὖ νο ὸ durch falsche Aussprache sei daraus jedoch sinister entstanden: τ νο ο θ ρ ὐ κὀρ ῶ νὄ ιο ν ασ ἀ τ ίν ισ τ έρ ᾶ ισ ρ νσ ιν ς φ ν τ ιέ τ ατ ὸ νπ ν ὴ ξ ινοἰω μ ά ο σ β ο υ ιν(282D). Plutarch leitet sinisteο ο ν ο λ ά σ ὶ ὀν υ ἱπ λ ζ ινο μ ο α π λ ὑ erlauben, gestatten”ab und rius (was immer das heißen mag) von sinere –“ bezieht darauf denNamen desglückverheißenden Vogels. Dierichtige Deulinks” tung (sinister –“ ) lehnt er vom sprachlichen Standpunkt ab, um anschließend trotzdem sechs mögliche Erklärungen (allerdings keine sprachlichen) anzuführen, warum der linke Vogel ein günstiges Zeichen sei. Obgleich sich Plutarch mit vielen römischen Bräuchen sehr gut auskannte, scheint ihn hier die Diskrepanz zur griechischen Gewohnheit so verwirrt zu haben, daßer wiederum dierichtige Erklärung abgewiesen hat.

375 Vgl. SICKINGER 48f. 376 Daskommt daher, weil die Griechen sich bei derVogelschau nach Norden wendeten undso dieöstliche Seite (Sonnenaufgang, Morgen etc.) zurRechten hatten unddiese Seite als glückbringend ansahen, die westliche zur Linken dagegen als unglückliches Omen. Bei denRömern wardasgenau umgekehrt, dasie sich bei denAuspizien nach Südenwandten. Dazu Varro: “ ea dicta ab scaeva, idest sinistra, quodquae sinistra sunt bona auspicia existimantur; a quodicitur comitia aliudve quid sit dixi autsinistra quae nunc est. ν α ιά κ id a graeco est, quod hi sinistram vocant σ ”(ling.lat.VII 97; cf. ders. fr.225 p.261 u. L. Cincius fr.28 p.380 FUNAIOLI). Vgl. dazu ROSE 1924, 42 u. 201. 377 In diesem Zusammenhang bemerkt Plutarch noch, daß die Lateiner sine sagten, ’λέγ ο υ σ ιν ,ὅ τ α νἀ ε ῖν α ρ α ίν ε φ wenn sie umErlaubnis irgendeiner Sache bäten: ... ‘σ ιπ α α λ ῶ σ ι(282D). κ

2.2. Die ausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

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DIE MONATSNAMEN verbunden mit den kultischen Bräuchen sind die Monatsnamen. Plutarch erklärt in seinen Werken dieNamen aller zwölf römischen Monate, außerdem die Tagesbezeichnungen Kalendae, Idus undNonae.378 Die Monate Quintilis, Sextilis, September, October, November und December erklärt er richtig mit denentsprechenden Ziffern. Die Ungereimtheiten zwischen denNamen unddertatsächlichen Zählung (Quintilis ist der siebte Monat, December derzwölfte etc.) begründet er damit, daßfrüher der Martius der erste Monat gewesen sei und Ianuarius und Februarius erst später andenBeginn desJahres gesetzt wurden. Allerdings benennt Plutarch diese sechs Monate nicht mit ihren lateinischen Namen, sondern zählt und π τ ο νἐκ έμ ά νπ π ο ὸ λ υ νπ έμ το ν ἕκ nennt sie auf Griechisch: τ ο νδ τ ὲτ ὸ ν · Form: ὃ ν ν... Lediglich denDezember erwähnt er in seiner lateinischen ο τ ἕκ ’ κ α λ ο ῦ σ π ὸτ ιν ἀ ο ρ ῦΜ α τ ίο υ δέκα ρ μ μ ο τ ιθ ε νἀ ύ ο ν ο ν ν ρ ιο β έμ εκ Δ ‘ D). Selbstverständlich erwähnt er auch die Umbenennung des (268A – Quintilis in Julius nach C. Iulius Caesar sowie desSextilis in Augustus nach α σ τ εβ ό ς dem ersten Kaiser. Augustus übersetzt Plutarch im übrigen mit Σ (Num.19). Nicht so einfach undeindeutig sind die Etymologien deranderen Monatsnamen. Einige Monate ordnet Plutarch Göttern zu: Ianuarius dem doppelgesichtigen Ianus, denMartius demKriegsgott Mars. Dabei nennt er wieder nurdengriechischen Ares, voraussetzend, daß seinen Lesern der lateinische Name des Kriegsgottes bekannt ist. Ianus dagegen hat kein direktes griechisches Vorbild, so daß Plutarch ihn mit dessen lateinischem Namen nennt.379 Für die folgenden Monate bietet Plutarch wieder mehrere Varianten an. DerAprilis könnte nach dergriechischen (!) Göttin Aphrodite seinen Namen bekommen haben380 oder aber, was mehr seiner Lautung Aprilis (und nicht Aphrilis) entspräche, von demlateinischen Wort für das ο ν α ο τ ακ ν α ν ὶἀ κ α ίγ λ ύ π το ν τ α Öffnen”der Knospen (im Frühling): ἀ “ . Allerdings verrät uns Plutarch wieder nicht, ν ῶ τ υ νφ ὺ ο ῶ ςτ τ σ α λ ο ὺ τ ςβ ο ῦ ο τ welches lateinische Wort er meint, sondern er fügt lediglich hinzu: τ γ ρἡγλῶ ὰ μ α ίν ε τ η ι (Num.19). War ihm hier wieder das lateinische τ ασ Wort aperire so geläufig, daß er es zu erwähnen vergaß? Wahrscheinlicher erscheint mir an dieser Stelle, daß er, auf seine vermutlich griechische Quelle vertrauend, diePassage imwesentlichen abschrieb.

Eng

378 Vgl. dazu SICKINGER 29– 34. 379 Zu Ianus vgl. LATTE 132ff. 380 Daher galt er allgemein als Monat der Aphrodite/Venus. Sein Name ist wahrscheinlich etruskischen Ursprungs; S. P. CORTSEN, Der Monatsname Aprilis, Glotta 26, 75. 1938, 270–

98

VI. Die Etymologien

Auch bei denNamen derMonate Maius undIunius denkt Plutarch zunächst an die Göttinnen Maia, die Mutter des Merkur (Hermes),381 demder Monat auch geweiht ist, unddie Iuno (er erwähnt erwartungsgemäß nurdie Hera). Andererseits behauptet Plutarch, die beiden Monate sind vielleicht ’γ ρο ὰ α ἱπ ϊώ ρ ρ ε ε σ ις von den “ λ Altersklassen”(ἡ ικ ία ι) abgeleitet: ‘μ β ύ τε ρ ο ιπ ρ α ᾽α ὐ τ ’δ ο έο ῖς ἱνεώ , ἰουν ρ ο ι κα τε λ ο ῦ ν ε ις τ ρ α ι(Num.19). ιώ ‘ keine Begründung für diese Etymologien. Dafür Leider gibt uns Plutarch

überliefert er immerhin dielateinischen Wörter, dieer fürdie Grundlage der beiden Monatsnamen hält (Num.19; 268A-D).382 Richtig erklärt Plutarch denNamen desFebruarius (Rom.21; Num.19; ’ ρ ο ρ εβ υ α ίο C). Er galt als Reinigungsmonat: ... τ υ ο ῦ‘Φ D; 280B– 268A– η μ ν ό ς ,ὃ νκα ρ θ σ ε ά η ν ύ σ ιο ε νἄ ντ μ ι (Rom.21; ε ιςἑρ Num.19). Daher leitet er denNamen des Februar von einem Wort mit derBedeutung “Reinigen” α ίν ο ν ο τ ε ς(280B–C).383 Der Name des ινσημ α ab: τ ο ίρ ῦῥἡμ θ ο α τ ὸκα ςτ Februar ist tatsächlich aus februus –“ reinigend”(im religiösen Sinn) entstanden. Plutarch überliefert uns somit “ seine” Etymologien aller zwölf römischen Monate. Dabei hat er die Monate Quintilis bis December den

381 Der Maius ist allerdings nach der Quellgöttin Maia benannt, die schon bald mit der Mutter des Merkur verwechselt undvermischt wurde; RE 14, 1928, 527ff. (Mutter d. Hermes [GUNDEL]). 530ff. (Quellgöttin [LINK]); LATTE 55 Anm.3. 163 Anm.1. Vgl. auch L. Cincius fr.8 p.375 u. Philoxenus fr.11 p.446 FUNAIOLI. 382 Ähnlich Varros Erklärungen: “mensium nomina fere sunt aperta, si a Martio, ut antiqui constituerunt, numeres: namprimus a Marte. secundus ... a Venere, quod ea sit Aphrodite; cuius nomen ego antiquis litteris quod nusquam inveni, magis puto dictum, quod ver omnia aperit, Aprilem. tertius a maioribus Maius, quartus a iunioribus dictus Iunius. dehinc quintus Quintilis et sic deinceps usque adDecembrem a numero. adhosqui additi, prior a principe deo Ianuarius appellatus; posterior ... ab diis inferis Februarius appellatus, quod tum his parentetur.”(ling.lat.VI 33– 34; vgl. auch Ant.rer.div fr.231 CARDAUNS und fr.408 p.354 FUNAIOLI). ROSE 1924, 205 hält Plutarchs Etymologien für . Vgl. auch SCHULZE 469ff. (Martius, Maius, Iunius). 474 perhaps fundamentally right” “ (Ianuarius); LATTE 36 (Aprilis). 383 Ebenso leitet Plutarch einen TagdesFestes derLuperkalien ab,denerfebr(u)atus ρ ρ ά ιν(Stelle allerdings verderbt; auch ROSE 1924, 198 η ν ) nennt undein Wort φ ρ ά β (φ τ εβ ε ist an dieser Stelle gescheitert: “This passage is next door to hopeless ... The next words θ ε ι νἤ τ ῶ mean nothing at all.”Zur Quelle ders. 42.), das Plutarch so erklärt: τ νσκυ ὸτ ῶ C). DerBrauch, daßdieLuperci die ihnen Entgegenkommenden mit κ α ν ε θ ῖσ ικ θ α ι(280B– der Lederpeitsche schlugen, ist zwar überliefert, allerdings nicht die Bezeichnung, die ρ ιν(?). Dazu Varro ling.lat.VI 13: “Lupercalia dicta, quod in ρ ά εβ Plutarch dafür nennt: φ Lupercali Luperci sacra faciunt. rex cumferias menstruas nonis februariis edicit, hunc diem februatum appellat; februm Sabini purgamentum, et id in sacris nostris verbum: nam et Lupercalia februatio, ut in antiquitatum libris demonstravi.”Siehe auch ders. VI 34, Ant. rer.div fr.231 CARDAUNS und fr.197 p.252 FUNAIOLI.

2.2. DieausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

99

entsprechenden Zahlen zugeordnet, die anderen bis auf denFebruar vondrei römischen (Ianus, Mars, Iuno) und zwei griechischen (Aphrodite, Maia) Gottheiten abgeleitet (dazu kommen noch alternative Möglichkeiten für Aprilis, Maius, Iunius). Den Februar schließlich bringt Plutarch mit religiösen Reinigungshandlungen inBeziehung.384 Neben den Monatsnamen interessierte er sich auch für die Namen der Tage Kalendae, Idus undNonae. Die Iden wurde schon im Kapitel über die Etymologien lateinischer Wörter aus dem Griechischen behandelt (S. 81). Gleich drei Etymologien weiß Plutarch für denersten Tag des Monats, die Kalendae. Zuerst beschreibt er, sich dabei auf Juba beziehend, die amweitesten verbreitete undbis heute amwahrscheinlichsten erscheinende Variante: , weil die Konsuln zuBeginn desMonats das voncalare –“zusammenrufen” D = Juba fr.6 p.453sq. Volk zur Versammlung gerufen hätten (269B– FUNAIOLI).385 Während unsderAutor bei dieser Etymologie wieder nurdas ) mitteilt, sind diebeiden anderen κ ά ν λ ο υ entsprechende griechische Wort (ἐ Etymologien in dieser Beziehung genauer. Er verbindet diesen Tagwieauch dieIden undNonen undihre Bezeichnungen mitdemLauf desMondes. Da dieser sich, so Plutarch, an denKalenden verborgen halte, seien die Kalen, abgeheimlich” , oder von celare –“verbergen” den entweder von clam –“ ῆ ρ ύ α ςκ ὶτ ψ νκ ὴ ιν ὐ τ να ὸ μ ν ισ ά νἀ ὲ α μ φ σ νμ ὲτ ο υ ο ιδ ο ζ ν leitet worden: ὀ ‘κ α λ ά τ ν ιπ δα ᾶ ς’386, ὅ ντ ὸκρ ’κ λ ά ρ α ὸ ύ ι’ τ ὶ ‘κη φ ακ μ ά α ὶ λά ρ α‘κλ θ ε ιν(269B–D).387 Die Nonen hätten ihren Namen, weil an diesem ν ά θ ν α λ . Schließlich nannTag derMonderstmals erscheine, also vonnovus –“neu” ν η ία.388Als zweite Möglichkeit, ten auch die Griechen ihren Neumond νουμ wieder mit Juba als Quelle undwieder ohne das entsprechende lateinische Wort, gibt Plutarch an, die Nonen hießen so, weil sie in jedem Monat auf den fünften oder siebten Tag angesagt wurden, also von nominare (269B-

384 Siehe auch die Erklärungen bei W. SONTHEIMER, RE 16, 1933, 55f. 385 Ähnlich Varro ling.lat.VI 27: “ ... kalendae, quodhis diebus calantur eius mensis nonae a pontificibus ...” . WISSOWA, RE 10, 1919, 1560 und ROSE 1924, 179 halten die Verbindung vonKalendae undcalare fürwahrscheinlich. Plutarch bzw. seine Quelle, nach eigenen Angaben Juba, haben allerdings verwechselt, daßnicht die Konsuln, sondern Pontifex minor Senat undVolk vonRomaufdemKapitol zusammenrief; LATTE 42f. 386 Zum a statt e in κ α λ ά ν δ α ςvgl. SICKINGER 12.

der

387 ROSE 1924, 129korrigiert κήλ ρ ι, also in denpasρ α ε(codd. omnes; BT) in κηλά ρ εhätte sich Plutarch mitdemAkzent geirrt, sicher sind ή α λ siven Infinitv. Bei derForm κ diegriechischen Akzentregeln angewandt worden. Vgl. auch SICKINGER 31f. 388 Vgl. dazu ROSE 1924, 40.

100

VI. DieEtymologien

Die Iden schließlich könnten seiner Meinung nach auch von dem ῷ Δ ιὶ τ μ νἐπ ν υ ὴ ω ία νἀπ Namen des Iuppiter abgeleitet sein (... τ ο δ ο ν ιδ ε τ ), ohne daß er es näher begründet (269B–D).390 Diese Etymologien ς zeigen recht deutlich, wie vage doch teilweise Plutarchs Erklärungen sind und wie wenig es ihm zumindest in diesen Passagen auf wirkliche VerD).389

wandtschaft ankam.

WÖRTER AUS POLITISCHEN UND MILITÄRISCHEN BEREICHEN SOWIE TOPOGRAPHISCHE NAMEN

Die Inhalte einiger Schriften Plutarchs, vor allem die der schon an anderer Stelle genannten Quaestiones Romanae sowie bestimmter Römerbiographien, machten die Erklärungen von Sachverhalten und Begriffen aus politischen undmilitärischen Bereichen der römischen Gesellschaft ebenso notwendig wie die Erläuterung topographischer Namen.391 In den Quaestiones Romanae geht es um römische Bräuche, Sitten, Feste, Einrichtungen und vieles mehr, was in der Frage-Antwort-Form von Plutarch erläutert wird. Während er in den ähnlich angelegten Quaestiones Graecae eher unbekannte oder nurregional auftauchende Probleme behandelt, beantwortet er in dem römischen Gegenstück Fragen, die bekanntere und weiter verbreitete Sachverhalte betreffen. Beide Komponenten und ebenso die fast doppelte Anzahl derFragen zurömischen Problemen (113 gegenüber 59 zu den griechischen) deuten ganz klar auf eine griechische, d.h. aus griechischen Gebieten stammende Leserschaft. Es wäre nicht sinnvoll gewesen, griechische Bräuche, die den meisten bekannt waren, zu beschreiben. Auf diesem Gebiet mußte Plutarch schon sehr spezielle und eben auch durch regionale Unterschiede hervorgerufene Fragen aufwerfen, während die römischen Bräuche, die in Rom undUmgebung allgemein bekannt waren, durchaus auch seine gebildeten Leser in Griechenland interessieren konnten. In den Fragen und Antworten spricht Plutarch des öfteren sprachliche Probleme an. Dassind in erster Linie Etymologien.

389 Vgl. Varro ling.g.lat. VI 28: “nonae appellatae aut quod ante diem nonum idus autquod, utnovus annus kalendae Ianuariae abnovo sole appellatae, novus mensis

semper,

[ab] nova luna nonae ...” .

390 Dagegen Varro ling.lat.VI 28: “idus abeo quodTusci itus, velpotius quodSabini idus dicunt” . Vgl. die Erklärungen von ROSE 1924, 179 (“ Plutarch is rather obscure here ).

391 Dazu SICKINGER 38– 41. 51– 4. 59– 62.

2.2. Die ausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

101

So habe der Diktator, der Plutarch zufolge von einem der Konsuln ernannt wird, daher auch seine Bezeichnung erhalten: τ ρλ γ ὰ ε έ ὸγ ιν ‘δ ίκ ε ρ ’Ῥ ε ω μ α ῖο ι κα λ ο ῦ σ ιν . Andere, so Plutarch weiter, meinten jedoch, er habe seinen Namen bekommen, weil er nicht abstimmen lasse, sondern Anordnungen träfe. Umdas zu verdeutlichen, fügt Plutarch noch folgenden Vergleich hinzu, wobei er uns auch das lateinische Wort nennt, das er der μ α τ ατ ρτ ῶ νἀρχόν α ὰδιαγράμ ὰ ὶγ τ ω ν Etymologie zugrunde legt: κ ’(Betonung!) π ρ ο γ ο σ μ α α α τ γ ,Ῥ α τ α μ ῖο ὲ ἔδικ ω ιδ τά νδια ὲ ν ε η ςμ Ἕ λ λ ‘ ρ ε ύ ο υ σ ιν(Marc.24).392 Mit der Etymologie des Namens der römischen lictores setzt sich Plutarch sowohl in der Romulusbiographie als auch in den Quaestiones Romanae in ähnlicher Weise auseinander. Zuerst bemerkt er, die Liktoren hätten binden” u.a. die Aufgabe, Verbrecher zu verhaften undzu binden. Undda “ auf Lateinisch ligare (in früherer Zeit) bzw. alligare (in heutiger Zeit) heiße, α σ ιΛ α τ ο ιπ ά ῖν λ α ι ὲδῆ ὸδ würden diese Beamten eben lictores genannt: τ , ν ῦ ν δ ὲ Allerdings ‘ λ ’ γ κ ρ ι ᾶ ε α ο μ ῦ σ ιν(Rom.26).393 ὲ ν ε λ ρ ᾶ ἀ λ λ ιγ ’ ligare ‘ebenso wie dasKompositum alligare sowohl von wurde das Simplex Autoren wie Plautus, Varro, Vitruv oder Cicero als auch von Schriftstellern aus dem 1./2. Jahrhundert n. Chr. wie Seneca, Petronius, Columella, Plinius d. J. oder Quintilian benutzt (vgl. dazu die Belege in denArtikeln alligo und ligo im Thesaurus Linguae Latinae). In den Quaestiones führt Plutarch eine ’λ ο έγ υ σ ινο ἱ ρ ε ᾶ μ ε ε ιν ἀ ὸδ ύ λ λ ιγ ὲδεσ etwas andere Begründung an: Τ ’ ρ ᾶ ιγ ε ‘δ εσ θ α ι ‘λ ῷ ια έγ λ ρ εύ ο ν τ ε α ντ ςἐ ὲκαθ ἱδ , ο ν α ίω ο μ π λ ο λ ὶῬ ω (280A). Die meisten benutzten also Plutarch zufolge alligare, jene jedoch, die auf die Reinheit der Sprache bedacht wären, ligare.394 Von diesem nun möchte Plutarch denNamen der Liktoren ableiten. Die von Plutarch wieder etwas umständlich dargebotene Etymologie ist bis heute im allgemeinen als richtig anerkannt.395 Plutarch gab sich jedoch nicht mit der lateinischen Ableitung zufrieden, sondern versuchte, den Namen dieser römischen

392 Vgl. Cic.rep.I 63: “ namdictator quidem ab eo appellatur, quia dicitur ...” ; Varro 82: “dictator, quoda consule dicebatur, cuidicto audientes omnes essent.” 393 Liv.I 26, 7 beschreibt, wiederLictor aufgefordert wird, sein Amtauszuführen:“ I, Lictor, colliga manus” , ohne direkt auf die Etymologie einzugehen. Vgl. auch Valgius

ling.lat.V

Rufus fr.1 p.484 FUNAIOLI; Tiro fr.14 p.402 FUNAIOLI. 394 Auch HARTMANN 134 lehnt diese Aussage Plutarchs abundmeint lediglich dazu: Quam suaviter risissent Cicero Varroque si quem audivissent docentem elegantius ligare “ quam alligare dici!”Tatsächlich ist jedoch laut Thesaurus Linguae Latinae (Art. alligo) alligare von einigen Schriftstellern wie Catull, Lukrez, Caesar, Sallust, Nepos, Mela oder Sueton nicht verwendet worden. 395 Vgl. ROSE 1924, 198.

102

VI. Die Etymologien

Beamten auch ausdemGriechischen abzuleiten, wasin dementsprechenden Kapitel näher erläutert worden ist. (S. oben 36 sowie 80) Die Namen der ursprünglichen drei gentilizischen tribus leitet Plutarch folgendermaßen ab undfolgt damit im wesentlichen allgemein verbreiteten Etymologien: die Ramnenses (bzw. Ramnes) vonRomulus,396 die Tatienses (eigentlich Titienses bzw. Tities) vondemSabinerkönig Titus Tatius unddie Lucerenses (Luceres) vondemheiligen Hain, dendie Römer lucus nannten: ’ὀν μ ο ά ο ύ κ ζ ο ο υ υ σ ιν(Rom.20).397 Bis auf die letzte Etymoς η‘λ τ ὰδ ᾽ἄ σ λ logie stimmt Plutarch mit Varro undvielen anderen antiken Schriftstellern überein. Bei derEtymologie derLucerenses wich Plutarch vondenverbreiteten Versionen ab und entschied sich für eine sonst kaum bekannte Variante. Sowohl dasAlter derTribus als auch bestimmte sprachliche Merkmale sprechen allerdings füreine etruskische Herkunft dieser Namen.398 Bis in seine Zeit ist dieBezeichnung tribus fürPlutarch derBeweis, daß es ursprünglich tatsächlich drei Stammesverbände gewesen sind (Rom.20). Demzufolge ist seiner Meinung nach derBegriff tribus ausderZiffer “ drei” (tres) gebildet worden. Diese weit verbreitete Etymologie erscheint heute allerdings wieder ganz unsicher.399 Bei seinem Versuch, die Bezeichnung patricii zu deuten, geht Plutarch /pater aus. Dasist dann auch die Grundlage ρ voneiner Ableitung vonπ α τή für alle seine Erklärungen (Rom.13; Sull.1; 278D).400 Plutarchs Erläuterun-

396

RADKE 1981,

288 leitet die Ramnenses aus lautgesetzlichen

abundbezeichnet sieals “Leute desRemus” . 397 DenNamen der Titier hat Plutarch (versehentlich?;

Gründen

von Remus

einziger Beleg bei MALTBY statt Titienses Tatienses geschrieben. Varro ling.lat.V 55: “ Titienses ab Tatio, Ramnenses ab Romulo, Luceres, ut Iunius, ab Lucumone; sedomnia haec vocabula tusca, utVolnius, quitragoedias tuscas scripsit, dicebat” ; ebenso Q. Ennius fr.1 p.7 FUNAIOLI (ohne Luceres); Liv.I 13, 8, außer: “Lucerum nominis et originis causa incerta est” undCic.rep.II 8, 14. Vgl. die Anmerkungen bei

601) vomnomen desTitus Tatius gebildet unddaher

AMPOLO/MANFREDINI

322f.

398 Das hat zwar auch schon Varro erkannt (s. oben), was ihnjedoch nicht davon abhielt, den Sabinerkönig T. Tatius undebenso denGründer Roms undSohn des Aeneas Romulus als Grundlage derNamen anzuerkennen. SCHULZE 218. 581 zeigt, daß die drei Namen (Tities, Ramnes, Luceres) aus den Bezeichnungen etruskischer gentes abzuleiten sind.

399 Vgl. W. KUBITSCHEK, RE 6 A, 1937, 2492ff. Weitere Belege für die Ableitung von tres siehe MALTBY 620. 400 Plutarch benutzt inseinen Texten diegriechische Formπ ρ , sodaßdieEtymoή α τ logie vielleicht nicht zwangsläufig in diesen Abschnitt gehört. Wir unterstellen Plutarch, daßihmdasverwandte lateinische pater bekannt gewesen ist under esbei denErklärungen im Kopf gehabt hat. Zur Plutarchstelle AMPOLO/MANFREDINI 305. Vgl. zur Ableitung patricii vonpater auch Dion.Hal.II 8, 3 undLiv.X 8, 10.

2.2. DieausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

103

gen über die Herkunft des römischen Hochzeitsrufes talasius wurden schon ausführlicher in demKapitel über die lateinischen Etymologien griechischen Ursprungs untersucht (S. 79). Ergänzend muß in diesem Abschnitt noch hinzugefügt werden, daßer als weitere Möglichkeit denNamen desRömers Talasius anführt, demdie schönste der Sabinerinnen zugeführt worden sein soll (Rom.15; Pomp.4; 271Ff.). Unter den Wörtern, die Plutarch mit Hilfe von Etymologien näher erklärt hat, finden sich einige aus dem militärischen Bereich. Zweifelsohne richtig, zumindest wasdie sprachliche Seite betrifft, ist die Etymologie von legio, die Plutarch allerdings wieder nurin seiner Muttersprache beschreibt: ῷλογ ’τ ά δ α ςεἶν ν α ι το ὺ ηδ α ὲ ‘λεγεὼ χ ςμ ο ίμ υ ή θ ςἐ ἐκ κπ λ ά ν τ ω ν (Rom.13). Er beruft sich also, ohne es explizit zunennen, aufdaslateinische auswählen, auslesen” .401Ebenfalls richtig ist, daß die manip(u)lalegere –“ rii, die einfachen Soldaten, ihre Benennung von demBrauch aus der Zeit des Romulus hätten, vor demHeer statt der Fahne ein Bündel Heuvoran’ τα α ν ίπ ύ τ λ α α ς zutragen. Dieses sei manip(u)lus genannt worden: ‘μ είν π ἐκ ο υδ ὲκ α ὶν ῦ νἐ ντ ο μ α α ῖς σ ρ σ τεύ ι τ ο Λ α τ ι καλοῦσιν ἀ ῖν α ν ίπ μ ά λ ο αim ζ ο υ σ ι(Rom.8).402 Die Form μ ρ υ α ν ιπ ς α λ υ ο ς‘μ τ ύ ο τ ·ίο ᾽’ ὀν Text deutet darauf hin, daß Plutarch das lateinische Wort (manipulus) als ρ α ν ίο υ ιπ α λ ςdagegen benutzte Neutrum ansah. Das lateinische Wort μ Plutarch, wie wir schon des öfteren beobachten konnten, sowohl mit einer griechischen Endung als auch miteiner Betonung nach griechischen Regeln. Die dem feindlichen Feldherrn im Zweikampf abgenommenen Beutestücke waren die spolia opima. Sie wurden Iuppiter Feretrius geweiht.403 Dasweiß auch Plutarch zuberichten (Rom.16). Außerdem fügt er noch zwei Etymologien an, deren erste er nach eigenen Angaben vonVarro übernommen hat.404 Diese Beutestücke hießen spolia opima (Plutarch schreibt ια ὀ π , sicher wieder ein Fehler beim Benutzen eines lateinischen Textes, ίμ ob Varro oder Mittlerquelle, ist nicht klar.), weil die Römer den Reichtum ’δ ὲτ ὰσκῦ η σ λ α ,φ ὶ Βάρρ , ν ω ια π ίμ und den Überfluß opem nannten: ὀ ‘μ ’λ γ ο έ υ σ ιν(Rom.16 = Varro fr.439 ν ὄπ ε σ ία υ ιο ρ ε νπ α ὴ ό τ ὶτ θ ικ α κ ‘ zwischen ops und opima (vgl. griech. p.365 FUNAIOLI). Die Verbindung ) ist nicht unwahrscheinlich, der genaue Zusammenhang ist ή–“Fett” ε λ π ιμ 401 Vgl. Varro fr.213 p.257

FUNAIOLI. Siehe

die Bemerkungen bei AMPOLO/MAN-

304. 402 Vgl. Ov.fast.III 117ff.: “pertica suspensos portabat longa maniplos,/unde mania manu ... manipulus, manipuplaris nomina miles habet.” Dagegen Varro ling.lat. VI 85: “ FREDINI

laris” . 403 Dazu LATTE 126 Anm.2. 204f. 404 Bei diesem scheint allerdings sonst nichts überliefert

zusein; vgl. MALTBY 429.

104

VI. DieEtymologien

allerdings noch nicht geklärt. Bei der zweiten Etymologie für die spolia opima, die Plutarch einleuchtender erscheint, wird das Wort vonopus abgeleitet, weil diese Beute durch die einzelne Tat des Feldherrn erobert würde: π ν α ιθ ρὀν ρ ο μ ώ νδ ὰ τε ο ά ᾽ἄ ’γ ρ ᾶ ντ ιςεἴπ ιὰτ νπ ο ιδ ζ ὴ ε ξ τ ιν ὄ α ιτ ὸ υ ο ς π ·‘ γ ο ν(Rom.16).405 ἔρ Die Bedeutung der ovatio und die von Plutarch abgelehnten griechischen Etymologien wurden bereits erörtert (S. 81). Er hält jedoch eine lateinische Etymologie für richtig. Wegen des Schafopfers (bei dem großen Triumph werde dagegen ein Stier geopfert) sei der kleine Triumph so genannt worden. Plutarch meint also ovis (Pl. oves), das lateinische Wort für β αδ β ὲτ α ρ ὰπ ό τ αῬ α μ ῖο ω ι καλοῦσινἐ Schaf, schreibt allerdings: ὄ κ β α μ α νὠ σ α ν(Marc.22). Hier findet ·sich ό ν β νὄ ο μ ρ ία α νθ ο υκ ὶτ ὸ ύ τ το wieder einer der vielen Deklinationsfehler bei lateinischen Wörtern. Plutβ α τ α angepaßt. ρ ό arch hatdasGeschlecht vonoves demgriechischen π Im folgenden werden einige Wörter besprochen, die zwar eine gewisse Bedeutung innerhalb des römischen Staatswesens haben, sich aber nicht in eine der oben beschriebenen Kategorien (Religion, Politik/Staat, Militär) einordnen lassen. So heiße das Geld, mit dem die Schauspieler bezahlt würden, lucar (λ ), weil es Plutarch zufolge aus demErtrag der in der ρ α κ ο ῦ η σ ὰ... ἄ λ Stadt liegenden heiligen Haine (luci) zusammenkommt:... π λ λ ο ’(285D).406 In diesem Fall wie auch bei der Etyο ύ κ ο υ ς ..., ἃκ α ῦ σ ο λ ι ‘λ mologie der spolia opima nennt Plutarch seinen Lesern die lateinischen Wörter, die seiner Etymologie zugrunde liegen. Sie sind sicher nicht so gebräuchlich gewesen wie beispielsweise pater, legere oder tres, die er nicht explizit nennt, aber jemandem, der sich mit der lateinischen Sprache beschäftigt hat, müßten solche Begriffe wie opus oder ops oder an anderer Stelle dicere bekannt gewesen sein. Ganz abwegig ist auch die Etymologie nicht, die Plutarch uns für den Namen der römischen Schauspieler, der histriones, überliefert hat. Seine Quelle war nach eigenen Angaben der römische Schriftsteller des ersten nachchristlichen Jahrhunderts Cluvius Rufus, von dem nur einige wenige so Plutarch – Fragmente erhalten sind. Die römischen Schauspieler sollen – nach dem Namen eines etruskischen Mimen bezeichnet worden sein, der ) hieß undwährend einer Seuche in Romambesten die ο ν σ τρ Hister (Akk. Ἵ von der Krankheit dahingerafften römischen Schauspieler vertrat (289C-

405 Weitere Belege anderer Schriftsteller beiAMPOLO/MANFREDINI 312f.

406 Vgl. auch Valerius Messalla fr.2 p.428 FUNAIOLI. Zur Quelle ROSE 1924, 42. Diese Etymologie ist wohl richtig.

2.2. Die ausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

105

D).407 Das Theater galt bei denRömern als eine fremde Einrichtung, die von denGriechen oder Etruskern stammte, undviele der in Romtätigen Mimen scheinen tatsächlich ausöstlichen Gebieten gekommen zusein.408 Ebenfalls ein etruskischer Brauch war das Tragen der sogenannten bulla. In Rom wurde dieses wassertropfenförmige Amulett vor allem von den freigeborenen Knaben bis zum Ablegen der toga praetexta getragen. Plutarch war sicher bewußt, daßderHalsschmuck denNamen wegen seiner Wassertropfen, Wasserblase”bedeuten konnte Form hatte, da bulla auch “ (Rom.20; vgl. auch Sert.14; 277C). An einer anderen Stelle führt er eine Reihe von Argumenten an, warum die römischen Knaben diesen Halsschmuck trügen, umam Ende noch eine Erklärung von Varro wiederzugeben, die ihmjedoch selbst recht unwahrscheinlich klingt.409 Das Wort bulla

ῆ ς heiße im äolischen Dialekt bolla undsei ein Symbol der Klugheit: ... τ β η ο μ έν ρ ευ β ο ο ύ ς γ ο , το λ ο ν λ σ α η ρ ο ῦ ό τ οσύμ λ α λ λ ςπ ς ὑπ Α νβ έ ω λ ἰο Varro fr.417 p.357 = α δ (287Ff. α ῖ ο ς τ ὺ α ι π θ ς εσ ιτίθ ερ ο β υ λ ίαπ εὐ ᾽ β ο υ λ ίαsei die Grundlage für ὐ FUNAIOLI). Ob er hier eventuell glaubt, ε bulla/bolla, ist aus dem Text nicht zu ersehen. Interessant für uns ist, daß Varro das lateinische Wort mit dem äolischen Dialekt in Verbindung bringt.410 Das bestätigt unser Wissen über die antiken Ansichten, das Lateinische habe sich aus dem Griechischen, speziell dem äolischen Dialekt, entwickelt. Eine Form der Freilassung in Romwardie sogenannte manumissio per vindictam, bei der der Sklave mit einem Stab berührt werden mußte. Von Livius (II 4, 5ff.), Dionysios von Halikarnassos (ant.V 73) u.a. wurde der Name dieser Zeremonie (vindicta) auf einen Sklaven namens Vindicius bezogen, der von P. Valerius Poplicola freigelassen wurde und als erster Freigelassener dasrömische Bürgerrecht erhalten haben soll. Auch Plutarch berichtet von dieser Begebenheit (Popl.7) und irrt sich dabei genauso wie seine Vorgänger. Der Vorgang der Freilassung wurde nach dem Stab 407 Livius schreibt, da der Schauspieler im Etruskischen hister heiße, sei die lateinische Bezeichnung histriones entstanden (VII 2, 6; ebenso Val.Max.II 4, 4). Livius’ und Plutarchs Erklärungen entbehren jeder Grundlage, denKünstler Hister wird es nie gegeben haben; H. LEPPIN, Histrionen. Untersuchungen zur sozialen Stellung von Bühnenkünstlern im Westen des Römischen Reiches zur Zeit der Republik und des Principats, Bonn (Antiquitas 1,41) 1992, 316f. 408 Ebd. 30ff. 409 Bei Varro ist uns allerdings nichts überliefert; vgl. MALTBY 87. Plutarchs Erklärung desNamens ist zweifellos richtig, seine Quelle zweifelhaft; ROSE 1924, 210. Weitere Forschungsliteratur zu bulla bei AMPOLO/MANFREDINI 324. 410 Vgl. weitere Etymologien aus dem Äolischen ling.lat.V 21. 25. 101. 102. 175; Ant.rer.div. fr.56a CARDAUNS.

106

VI. Die Etymologien

vindicta benannt, mit dem diese symbolisch vollzogen wurde. Außerdem kann man wohl davon ausgehen, daß die Erzählung mit demNamen Vindicius erst in Anlehnung an die Bezeichnung entstanden ist, also ein nachträglicher Versuch war, dieBenennung zubegründen. Sowohl in denQuaestiones Romanae als auch in derCoriolanbiographie beschäftigt sich Plutarch mit densogenannten furciferi. Er beschreibt sie als Sklaven, die, bei einer Verfehlung ertappt, mit demHolz, daseigentlich die Wagendeichsel stützt, auf demNacken durch denOrtlaufen mußten. Dieses ρ μ α ) würden die Lateiner furca nennen unddaher den so beHolz (σ ιγ τή μ α ,Ῥ μ α ῖο ω ι straften Verbrecher furcifer: τ νστήριγ ε ὲ ῖςμ νἡμ ο λ ὲξύ ὸδ ’ (280E– F; Betonung!) ’ ὀν ο ρ υ μ κ ο ά ίφ ρ ζ ο ο υ σ ρ .δ ε ιν ῦ α κ ιὸκ α ὶ ‘φ ν δ ὲ‘φ F; ’ (Coriol.24) ὁ το κ ιεν ῦ οπ ὼ ν κα ερ εγ τ ε λ ῖτ α ι (280E– ρ κ ρ ιφ ε ο ύ /‘φ Coriol.24). Diese Etymologie ist zutreffend, nurvergaß Plutarch hinzuzufügen, daßderzweite Teil desWortes vonferre abgeleitet ist.411 Richtig etymologisiert er auch dasWortpeculium. DadieRömer, so seine Erläuterung, in alter Zeit vor allem von der Viehzucht lebten undsie den Herden ihren Wohlstand verdankten, hätten sie das Wort für Wohlstand und Reichtum peculium von der lateinischen Bezeichnung für das Vieh pecus abgeleitet: ’ κα ε κ ο λ ο ύ β ά ῦ λ δ ρ ιὸκ α ὸτ ο τ π νπ σ ὶτ νἀ ῶ ια ω ὰ ν‘π ῦ ρ ιν ι ςο σ ὐ ία χ ςἄ (Popl.11; vgl. 274F). Auch an dieser Stelle nennt Plutarch uns nicht das lateinische pecus, von demerpeculium ableitet, sondern nurdie griechische β α ο ν τ . Umdiese Etymologie zu untermauern, führt er im ρ ό Übersetzung π folgenden eine Reihe von Eigennamen an, die auf die Bezeichnungen bestimmter Tiere zurückgehen (siehe S. 112). Im Zusammenhang mit der Etymologie der altitalischen Göttin Horta/ Hora (S. 78f. 92) erwähnt Plutarch die lateinische Bezeichnung für den Rhetor, orator. Er möchte denRedner mitdergleichen Begründung wieden Namen der Göttin von dem lateinischen Wort für “ ermahnen, ermuntern” ableiten, ohne allerdings an dieser Stelle hortari noch einmal zu erwähnen. Die richtige Etymologie von orare (ἀ π ὸτ ῆ ςἀ ρ ᾶ ςκ α ῆ ὶ εὐχ ) dagegen ς 276A).412 Daraus kann manersehen, daß ihmdie andere und lehnt ab (275F– ursprüngliche Bedeutung vonorare nicht bekannt gewesen ist. Dieses Verb kann neben “ beten, wünschen” auch “ reden, vortragen” (von os, oris) bedeuten, wie es z.B. Varro in De ling.lat. VI 76 benutzt hat. Mit diesem Wissen hätte Plutarch vielleicht dierichtige Etymologie überzeugt. Korrekt dagegen ist seine Ableitung derrömischen Markttage nundinae von novem: ἀ ρ ὰ γ ο ς δ ὲπ ο ιο ῦ σ ιΡ μ α ω ῖο ιδ ρ α ι ἡμ η έ ςἐνά ς τ , ν ’ κα λ ο ῦ ν τ ε ο υ ν δ ίν α ς(Coriol. ς ‘



411 ROSE 1924, 199. 412 Vgl. dieAnmerkungen vonROSE1924, 190.

2.2. DieausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

107

19; ähnl. 275B). Seine Erklärung ist allerdings nicht vollständig. Das Wort ist ausderZiffer novem undeiner Form vondies zusammengesetzt.413 Gleich an drei verschiedenen Stellen in seinem Werk erwähnt Plutarch denheiligen Feigenbaum, dieficus Ruminalis. Amausführlichsten erläutert er denNamen in derRomulusbiographie. Daer denFeigenbaum, unter dem zumFest derRumina Milch statt Wein gereicht wurde, immer mit Romulus in Verbindung bringt, scheint es logisch, daßer eine Möglichkeit in derAbleitung von diesem Namen sieht. Die zweite Variante bezieht sich auf die , die unter dem Baum Schatten suchen. “Wiederwiederkäuenden Tiere” “ ρ υ κ ᾶ σ θ α ι; Rom.4). Diese η käuen”heiße im Lateinischen ruminari (μ beiden Etymologien finden wir nuran dieser Stelle, während sich die dritte in allen drei betreffenden Passagen entdecken läßt. Sie steht ebenfalls mit Romulus undseiner Mythologie in Zusammenhang undbeinhaltet, daß die Mutterbrust” ficus Ruminalis ihren Namen von demlateinischen Wort für “ bekommen habe: ruma. An demOrt seien nämlich die Zwillinge Romulus ο ῦ μ ’ α ν νῥ ὴ η λ ντ ή εθ und Remus von der Wölfin gesäugt worden: τ ‘ D).414 ο α ι(Rom.4; 278C; cf. 320C– τ ῖν ὶ/Λ α ιο α λ α ἱπ μ νο ο ζ ό ν ὠ Schließlich sollen noch jene Etymologien untersucht werden, die sich auf geographische Namen beziehen.415 Mit der Romulussage verbunden ist Plutarch zufolge der Name des nordwestlichen Teils des Palatinischen Hügels Cermalus. Da dieser Ort früher Germalus geheißen habe, könne er τ α ικ ὶ το ὺ von dem lateinischen Wort für “Brüder”germani stammen: ὅ ς ’ ὀν μ ο ά μ ζ α ο ν ο υ σ ὺ ερ ιν . Dort nämlich soll das Körbchen mit ς ελ δ ἀ ὺ ο φ ς‘γ denBrüdern Romulus undRemus gestrandet sein (Rom.3).416 Obgleich der Name Cermalus/Germalus sehr alt zu sein scheint, ist diese Etymologie abzulehnen. Ähnlich unsinnig sind Plutarchs Erklärungen desNamens eines Marktplatzes in Rom Velabrum. Tatsächlich gab es in diesem Gebiet häufig 413 Nundinae bezeichnete eigentlich einen Zeitraum vonacht Tagen. DerName entaus demIdiom nono quoque dies. Der Zeitabschnitt heißt nundinum, die Markttage (die anjedem neunten Tagstattfanden) nundinae inAnlehnung anKalendae undNonae. 414 Plutarch fügt hinzu, das lateinische lupa bezeichne sowohl die Wölfin als auch die Dirne. Es ist interessant, daß ihmgerade diese Feinheit der lateinischen Sprache aufgefallen ist. Vgl. Varro Ant.rer.div. fr.113 CARDAUNS: “ diva Rumina mammam parvulo inmulgeat, quia rumam dixerunt veteres mammam” ; cf. fr.452 p.368; 102 p.226 u. 137 p.237 FUNAIOLI. Weitere Belege bei antiken Schriftstellern für Ruminalis, ruma etc. bei stand

AMPOLO/MANFREDINI

282ff. Zum

ficus Ruminalis LATTE 111 mit Anm.4.

415 Über die sieben Ableitungen, die Plutarch uns für den Namen der Stadt Rom

überliefert hat, wurde schon imvorangegangenen Abschnitt gesprochen. 416 Genauso Varro ling.lat.V 54: “Germalum a germanis Romulo et Remo, quod ad ficum ruminalem, et ii ibi inventi, quo aqua hiberna Tiberis eos detulerat in alveolo expositos.” Die Schreibung Cermalus scheint gesichert, Germalus wurde wohl nurwegen der Etymologie “ erfunden” ; HÜLSEN, RE 3, 1899, 1982f.

108

VI. Die Etymologien

Überschwemmungen, woraus Plutarch seine erste Erklärung ableitet: Da die Römer während der Überschwemmungen mit einer Fähre zumMarkt überμ ε θ ρ ία ν ο ὲπ νδ ὴ setzen mußten undsie das Fährwesen velatura nannten (τ ‘β η λ α το ύ ρ ’ κα α ν λ ο ῦ σ ιν ), ergab sich daraus eine für Plutarch überzeugende Etymologie von velatura. Die zweite Erklärung basiert auf der Tatsache, daß bei Veranstaltungen in der nahegelegenen Rennbahn der WegvomMarktplatz zurRennbahn mit Segeltüchern überspannt wurde und ’ ο ν ὲτ τ ϊσ ν‘βῆλ α ὸἱσ τ μ ίο ὶδ die Römer das Tuch velum nannten: ῥω μ ά ὀ ν ο ο σ ζ υ ιν(Rom.5).417 Der ebenfalls schon recht alte Name Velabrum hat jedoch seinen Ursprung wie viele römische Orts- und Flurnamen im ). Sumpf” “ Etruskischen (Wurzel *vel – hieß pomerium.418 Plutarch übersetzt Roms Die kultische Stadtgrenze ε ὰτεῖχ τ ο ς ο υ , will es also auspost (mit ντείχ ε θ ςἢμ π ισ dieses Wort mit ὄ Wegfall der letzten beiden Konsonanten) undeiner älteren Form vonmurus zusammensetzen (Rom.11). Diese Erklärung war weit verbreitet, ist heute allerdings nicht mehr unumstritten.419 In eine historische Begebenheit bettet Plutarch die Etymologie des Versammlungsplatzes in Rom Comitium. An diesem Ort seien Römer undSabiner zusammengekommen (co[m]ire) und ’γ ρ ὰ μ ο ε ῖρ hätten ihren Vertrag geschlossen. Weiter erzählt Plutarch: ‘κ σ ιν(Rom.19).420 Ob diese Erzählung den ο ῦ λ ε ῖνκα ιτ ὸσυνελθ ῖο α μ ω Ῥ Ausschlag fürdieBenennung gab, scheint zweifelhaft. Wohl eher könnte die historische Begebenheit des Vertragsabschlusses nachträglich mit diesem Ort verbunden worden sein. Ein Platz auf demAventin schließlich, dasRe), sei nach Remus benannt worden.421 ZuPlutarchs Zeiώ ν ν εμ monium (Ῥ ιο ρ ιο ν ν ; Rom.9), ein Name, der ά ten heiße der Ort allerdings Rignarium (Ῥ ιγ

417 Dagegen Varro ling.lat.V 43: “Velabrum a vehendo.”Siehe die Anmerkungen bei AMPOLO/MANFREDINI 287. 418 Vgl. dazuRADKE 1991, 185– 91. 419 Siehe M. Valerius Messalla Rufus fr.8 p.429 FUNAIOLI u. M. Antistius Labeo fr.6

p.558 FUNAIOLI; cf. Varro ling.lat. V 143 und Liv.I 44, 4. Vgl. V. BLUMENTHAL, RE 21, 1952, 1870f.; Kl.P.IV 1015f.; WALDE/HOFMANN: *pos (post) + moriom (murus). Bemerzu pomerium bei SICKINGER 53 Anm.3; Schriftsteller anderer kungen AMPOLO/MANFREDINI 300; MALTBY 483. RADKE 1991, 190f. weist die Etymologie von

aus inhaltlichen Gründen zurück, undleitet pomerium von demPraeverb -io-erweiterten Verbalnomen zu *smer –“ abteilen”her. Daspomerium ist demnach eine Grenze, die dasAußen vomInnen abteilt. 420 Vgl. Varro ling.lat. V 155: “comitium ab eo quod coibant eo comitiis curiatis et litium causa.”Vgl. AMPOLO/MANFREDINI 321f. 421 SCHULZE 219. 581 hält diese Verbindung für möglich, möchte aber beide Namen eher aus demEtruskischen ableiten. RADKE 1981, 289 hat keinen Zweifel an der VerbinῬ εμ ώ ν ιο dung Remus – ν .

po undeinem

2.2. Die ausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

109

nurbei Plutarch überliefert ist unddener vermutlich in Romfalsch verstanden hat.422

DIE LATEINISCHEN PERSONENNAMEN

Etymologien von Personennamen und damit verbundene Erzählungen benutzte Plutarch besonders gern, um seine Historien auszuschmücken oder auch, umPersonen einzuführen. Diese Tendenz war schon bei den griechischen Namen zubemerken, wurde aber nicht umfassender behandelt, dadas den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätte. In Plutarchs Werken konnten mehr als dreißig römische Personennamen (ausschließlich der schon untersuchten Namen undEpitheta vonGottheiten) gefunden werden, die Plutarch versucht, auf ihren Ursprung zurückzuführen.423 Erwartungsgemäß sind die

meisten dieser Namen (mehr als zwanzig) Cognomina, da diese häufig aufgrund hervorragender Taten, bestimmter körperlicher Merkmale oder anderer herausragender Eigenschaften ihrer Träger entstanden sind. Später haben sich die zunächst bestimmten Personen geltenden Namen verselbständigt und wurden sogar bevorzugte Namen einzelner Familien. So hatten die Träger solch beredter Namen meist gar keine Beziehung mehr zu ihren Cognomina. Das machte es für Plutarch besonders reizvoll, den Ursprung dieser Benennungen aufzuspüren oder historische oder mythologische Persönlichkeiten mit solchen Namen zu verbinden. Sein Interesse an dem Thema belegt auch die Tatsache, daßer mehrere längere Passagen in seinen Werken diesem Problem widmet (Coriol.11; Mar.1; Popl.11). Im Lampriaskatalog ist unter der Nummer 100 der Titel einer verlorenen Schrift überν . Darin könnte sich Plutarch ά τ ντ ω ί κύριο νὀνομ ιῶ ρ ὶτ ντρ ῶ ε liefert: Π ausführlicher mit denlateinischen Nomina beschäftigt haben.424 Mehrere Male geht er im ersten Kapitel einer Biographie auf die Herkunft undBedeutung des Namens seines Hauptfigur ein (Fabius Maximus, Cicero, Poplicola, Cato, Marius). Plutarch ist bei seiner Untersuchung griechischer undlateinischer Personennamen zu dem Schluß gekommen, daß die Griechen zwar schon recht phantasievoll Namen wie Σ ρ , Κ α λ λ ή ίν η ικ ο έ τ ς , Εὐεργ ς ω τ , Φ ιλ ά δ ελ φ ο ς , ν(Mar.1) vergeben würden, die Römer jeμ ω ή Δ ώ σ ν(Coriol.11) oder Μ ω ν 422 Vielleicht ist er auch in den Codices falsch überliefert worden; 295. 423 Vgl. SICKINGER 34– 8 sowie

AMPOLO/MAN-

FREDINI

GÖLDI 26f., der Poseidonios als Hauptquelle für die Etymologien derPersonennamen bei Plutarch erkannt hat. 424 K. ZIEGLER 926.

110

VI. DieEtymologien

doch diese Sitte noch ausgeprägter betrieben. Er nennt eine Reihe lateinischer Cognomina, die aufgrund körperlicher Merkmale der Person gebildet wurden, undlobt diese Sitte, weil dadurch die Gebrechen nicht als Schande betrachtet, sondern durch das Benennen zu etwas Vertrautem würden.425 Plutarch nennt jedoch diese Namen nurin ihrer lateinischen Form, übersetzt underklärt sie seinen Lesern bis auf wenige Ausnahmen nicht: Macrinus, Torquatus426 (Mar.1), Niger, Rufus, Caecus, Claudius (Coriol.11 = Varro fr.367 p.342 FUNAIOLI).427 Andere Namen gingen Plutarch zufolge auf Verdienste oder eben auch Mißgeschicke ihrer Träger zurück. Ein Römer namens Metellus wurde Diadematus genannt, weil er wegen einer Verletzung lange Zeit eine Kopfbinde tragen mußte. Ein anderer Meteller verdiente sich denBeinamen Celer, weil er die Leichenspiele zuEhren seines verstorbenen Vaters so unglaublich schnell organisiert hatte (Coriol.11;

Rom.10).428

Andere Namen seien durch außergewöhnliche Umstände bei derGeburt entstanden.429 So würde jemand, dessen Zwillingsbruder nicht überlebt, Vopiscus genannt430 undder, dessen Vater bei der Geburt weit weg ist, Proculus (Plutarch geht vonprocul aus),431 Postumus schließlich, wernach dem

Tod seines Vaters geboren wird (posthumus = post humationem; Coriol.11;

425 ZuNamen, dieaufkörperliche Merkmale zurückgehen, vgl. KAJANTO 63– 6. 426 KAJANTO (91. 346) übersetzt Torquatus mit“adorned with a necklace” . 427 Claudius ist im Gegensatz zu denanderen hier genannten Namen kein Cognomen, sondern ein nomen gentile. An anderer Stelle macht Plutarch den Appius (Acca) Claudius, einen Sabiner, zumAhnherrn des Claudischen Geschlechts (Popl.21). Er folgt damit derVersion derClaudii selbst, undtatsächlich reichen ihre Wurzeln in sehr alte Zeit undsabinisches Gebiet (Regillum); Groag, RE 3, 1899, 2662ff. 428 Dererste Träger dieses Namens sei aber, soPlutarch, einAnhänger desRomulus gewesen, der nach demMord an Remus schnellstens nach Etrurien floh undso denBeiχ ε ῖς ἱ τα ) stiftete (Rom.10). In der Romulusbiographie namen Celer für alle Schnellen (ο überliefert uns Plutarch noch eine dritte Variante dieses Namens. Romulus hätte immer eine Reihe junger Männer umsich gehabt, die seine Befehle möglichst schnell ausführen mußten unddaher Celeres genannt wurden (Rom.26; Num.7). Siehe zu den Celeres um Romulus auchLiv.I

15,8.

429 Dazu KAJANTO 73– 8. 294ff. 430 Ebenso Val.Max.de praenom.4 (= fr.347 p.336

FUNAIOLI): “ Vopiscus, qui in utero matris geminus conceptus, altero abortu eiecto incolumis editus erat.”Der Name konnte bisher noch nicht gedeutet werden; SALOMIES 60. 431 Ebenso Varro fr.363 p.341 FUNAIOLI. Der Name Proculus ist wohl etruskischer

die Etymologie ist ebenso ungeklärt wiebei Vopiscus. ZuProculus vgl. auch J. 53 Anm.1 sowie SALOMIES 44f. KAJANTO 42 Anm.1. 176 verbindet Proculus jedoch wie Plutarch mitprocul, was SALOMIES (a.a.O.) ebenso ablehnt wie verschiedene andere Vorschläge. Er bringt Proculus mit dem italischen Individualnamen Proca in Verbindung; vgl. auch SCHULZE 460. Herkunft,

WERNER 1963,

2.2. DieausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

111

Sull.37).432 Prima (bzw. Primus) wurde die (der) Erstgeborene betitelt

(Rom.14).

Etwas ausführlicher beschäftigt sich Plutarch mit demPraenomen SpuSo wurde ein Kind benannt, dessen Vater nicht bekannt war. Aus dieser juristischen Bezeichnung entstand das Praenomen Spurius, dessen Träger dann nicht mehr unbedingt ohne Vater sein mußte. Das war auch Plutarch bewußt, wenn er schreibt, Spurius sei ebenso ein Vorname wie Sextus, Decimus oder Gaius. Plutarch glaubte allerdings, die Bedeutung des vaterlos”beruhe auf einem Mißverständnis. So Praenomens Spurius als “ habe er festgestellt, daß sowohl der Name Spurius als auch die lateinische vaterlos”mit den selben Buchstaben abgekürzt werden: Sp. Bezeichnung “ Diese Buchstaben bedeuten Plutarch zufolge also einmal Spurius (wobei er noch anmerkt, es sei im Lateinischen durchaus üblich, die Vornamen mit einem, zwei oder drei Buchstaben abzukürzen, und das mit Beispielen ά σ ο ρ υ φ ιδ ὲ... ohne Vater” :γ belegt), zumanderen aber auch sine patre –“ ν ε υπατρός .434 Daher sei der επάτρις ο νἄ ίν ἷο α ρ ςσ το ά α ὺ κ ὶ το ςἀπ ’ sine patre auf denNamen übertragen Irrtum entstanden und‘die Bedeutung worden. Plutarch führt eine weitere Erklärung für die Bedeutung von recht sicher vor allem aus inhaltlichen Gründen – Spurius an, die ihmaber – unwahrscheinlich vorkommt. Da die Sabiner die weibliche Scham spurius nennten, sei zumSpott deruneheliche Sohn Spurius genannt worden (288EF). Plutarch versucht hier auf recht komplizierte Art und Weise, die Verbindung zwischen demAppellativum Spurius als Praenomen undin der zuwiderlegen. Bedeutung “ vaterlos” Es gab Namen, deren Bedeutung als gutes Omen aufgefaßt wurde und die ihrem Träger persönliches Glück oder große Taten versprachen. So hoffte man, derName Felix würde ein glückliches underfülltes Leben bringen. Sulla führte diesen Beinamen, da dieser mit der Familie der Cornelier verbunden war. Plutarch allerdings glaubte, Sulla wurde erst nach seinen militärischen undpolitischen Erfolgen vondemrömischen Volk so genannt rius.433

432 Siehe ebenso Varro ling.lat.IX 60 u. fr.361 p.340 FUNAIOLI (“ post patris mortem natus” ). Vgl. MALTBY 489, woes allerdings keinen Hinweis aufPlutarch gibt, undvor allemSALOMIES 42ff., derdenNamen als Superlativ vonpost(erus) versteht. 433 Vgl. Plutarchs Ableitung vongriech. σπ μ ρ α oben S.82. Einige Erklärungen zur έ

Etymologie von Spurius, zu spurius in der Bedeutung “ uneheliches Kind”sowie zur Verwechslung des Namens Spurius mit s(ine) p(atre) geben W. KUBITSCHEK (Spurius, spurii filius, sine patre filius undSpurius, WS 47, 1929, 130– 43), vgl. vor allem S.138– 40 5. Siehe auch SICKINGER 38; SCHULZE 94f. Die meisten Forscher sesowie SALOMIES 50– hendenUrsprung desNamens Spurius imEtruskischen (so SALOMIES 51). 434 Plutarch schreibt σ ίν επ ά τ ρ ις , verbindet also sine mit demGenitiv statt mit dem Ablativ, sicher inAnlehnung andiegriechische Form.

112

VI. Die Etymologien

(Sull.34; 318D). Im Verkehr mit den Griechen gab sich Sulla im übrigen ο δ ιτ ό ς(Sull.34; 318D; 542F). Ähnliche Gedanken ρ α π φ den Namen Ἐ bewegten Väter, ihre Söhne Faustus unddie Töchter Fausta zunennen. Die Kinder bekamen so den Wunsch nach einem glücklichen und gesegneten Leben buchstäblich in die Wiege gelegt. Auch Sulla vertraute darauf und nannte seine Zwillinge

so (Sull.34).435

Grund, aus demdie Römer denBesitz peculium von pecus ableiteten, gaben sie nach Plutarchs Meinung auch ihren Kindern Namen wie Bubulcus, Caprarius,436 oder Porcius. Diese Namen sollten den Wohlstand ausdrücken, den die Römer aus der Viehhaltung gewonnen hatten, da beispielsweise die Ziege capra heiße und das Schwein porcus: ‘κ ά π ρ α ’μ ς ὲ ντ ὰ ςα ’δ ἶγ ό ρ α κ ὲτο ο ς υ , ‘π ὺ ς ςχοίρ ο ά υ ε ν ο ςὀνομ τ ζ ς(Popl.

Aus demgleichen

11; 274F).437

Im folgenden sollen Beinamen

untersucht werden, die Plutarch mit bestimmten historischen bzw. mythologischen Persönlichkeiten verbindet. Einige vonihnen gehen tatsächlich aufdiegenannte Person zurück, andere gab es schon vor dieser (vor allem innerhalb bestimmter Familien), sie paßten aber zu ihrem berühmten Träger oder wurden mit einer erfundenen Geschichte angepaßt. M. Tullius Cicero hat sein Cognomen laut Plutarch einem seiner Vorfahren zuverdanken. So habe dieser denNamen wegen der Form seiner Nasenspitze erhalten, da die Römer die Kichererbse cicer nen’γ ὰ ρο ἱΛ α τ ρ ῖν α ο ίκ θ ο νκ α ιτ ε λ ο ῦ σ ὸ νἐρέβιν ι. Diese nen würden: ‘κ ursprünglich zur Verspottung bestimmte Benennung behielten seine Nachfahren mit Stolz bei, undauch der berühmte Cicero schämte sich ganz und gar nicht seines Namens (Cic.1; 204E).438 Ähnlich verhielt es sich mit dem Cognomen der Iunii Brutus. Dieser zunächst als Verhöhnung gedachte Name wurde bald zu einem bekannten Cognomen der Iunii. Plutarch will ihnaufdenlegendären Gründer derRepublik L. Iunius Brutus zurückführen.

435 Ähnlich Val.Max.de praenom.4: “ ... Faustus a favore praenomina ceperunt”(= fr.328 p.333 FUNAIOLI). Faustus wareventuell tatsächlich einmal ein Praenomen, wofür es allerdings keine weiteren Belege gibt; SALOMIES 28. Zu Felix undFaustus/Fausta vgl. auch KAJANTO 71ff. 134. 272. 436 Vgl. KAJANTO 323; SCHULZE 416 (etruskische Herkunft). 437 Die Etymologien von Suillius, Bubulcus (vgl. auch Plin.n.h.XVIII 10), Caprarius sind wohl richtig. Vgl. aber SCHULZE 233f., derauch diese Namen eher ausdemEtruskischen ableiten möchte. DerName derPorcii stammt ausdemEtruskischen (SCHULZE 234 Anm.3; GELZER, RE 22, 1953, 102), sie selbst brachten ihren Namen mit der Schweinezucht in Verbindung. Plutarch vermischt hier wiederum Gentilnamen (Suillii, Porcii) und Cognomina (Bubulcus, Caprarius). 438 Diese Etymologie ist wohl richtig (KAJANTO 89. 118f. 235), obgleich SCHULZE (313) auch eine etruskische Abstammung in Betracht zieht. Vgl. auch Plin.n.h.XVIII 10.

2.2. Die ausdemLateinischen abgeleiteten Etymologien lateinischer Wörter

113

Dieser sei so genannt worden, weil er, umsich zu verstellen, als Schwachschwerfällig, sinniger auftrat (Popl.3). Brutus heißt im Lateinischen “ dumm” , was Plutarch uns allerdings vorenthält. Wir müssen also wieder sowohl von seinem Wissen als auch dem seiner Leser ausgehen.439 M. Porcius Cato maior dagegen soll sich seinen Beinamen selbst verdient μ α ρτ ω ῖο ιγ ὰ ὸ ν haben, da er so außergewöhnlich klug gewesen sei undῬ ’ ὀν ά μ ο σ ζ ο υ ιν(M.Cat.1).440 Aus demgleichen Grund wie τ ο ν ν‘κά ο ιρ ε π ἔμ Cato wurde C. Laelius, ein Freund desjüngeren Scipio, Sapiens genannt: ... ρ ἐδό ὰ ρ ο νγ κ μ ε η α · ἑκά τε ι σ ίν ο ε ς ινὁ ιμ ν ό ρ ὸ φ η σο ς ἢφ θ ή λ εκ ἐπ ‘σ α π ίη ν ’ (Betonung!; T.Gracch.8).441 er wohl berühmteste Fabier Q. ς Fabius Maximus erhielt gleich zwei Beinamen, einen wegen eines körperlichen Merkmals undeinen wegen seines Wesens. Da er auf der Oberlippe eine Warze hatte, wurde er Verrucosus –“Warzenträger”442genannt, wegen Schäfchen”443 (Fab.Max.1). Diese seines sanften Wesens aber Ovicula –“ Beinamen blieben auf Fabius Maximus bezogen undwurden nicht auf seine Nachkommen übertragen. Berühmt wurde der Feldherr allerdings durch einen anderen Beinamen, denPlutarch nicht erwähnt. Wegen seiner zögerlichen ArtderKriegführung ging er als Cunctator in die Geschichte ein. Weit verbreitet warbei dergens derDomitii derBeiname Ahenobarbus –“Rotbart” . ZurEntstehung dieses Namens erzählt Plutarch eine mythologische Geschichte (Aemil.25). Aus römischen Vorzeiten stammen auch die Zwillinge undStadtgründer Romulus undRemus.444 Plutarch möchte deren Namen wegen dersäugenden Wölfin vondemlateinischen Wort für “ Euter” ruma ableiten (Rom.6), von demauch schon die heilige ficus Ruminalis gebildet wurde.445 P. Valerius dagegen erhielt seinen Beinamen Poplicola erst, 439 Siehe KAJANTO 69. 264. Auchbei Livius (I 56, 8) findet sich diese Erzählung. 440 Vgl. fr.5 p.115 FUNAIOLI. DasCognomen trat vorallem bei derFamilie derPorcii schon wesentlich früher auf. DieHerkunft ist ungeklärt, vielleicht stammt derName aus dem Keltischen (Kl.P.I 1086) oder dem Etruskischen (SCHULZE 315). Vgl. KAJANTO 119. 250, der das Cognomen auch von catus ableiten will. Plutarch berichtet in diesem Zusammenhang, daß Cato vorher Priscus geheißen habe, dieser Name ist in der gens der Porcii allerdings nicht belegt; SANSONE 204. 441 Vgl. Cic.fin.II 8, 24; Lael.6– 7. Dazu KAJANTO 250. 442 GUNDEL, RE 8 A, 1958, 1648; KAJANTO 246. 443 Ebd. 328; SCHULZE 364. 444 Plutarch benutzt für Remus

die damals neben Ῥ ο ςhäufig gebrauchte Form έμ ; GÖLDI T.2, 48; RADKE 1981, 288 Anm.130. ς ο μ Ῥ ῶ 445 SCHULZE 219. 580f. vermutet eine etruskische Herkunft derNamen. Vgl. dagegen AMPOLO/MANFREDINI xxxiii f. Auch RADKE 1981, 288f. lehnt die Herleitung aus dem Etruskischen ab. Vielmehr sieht er Romulus als Ableitung ausdemNamen Remus: “ derzu Remus gehörige” (ebenso Roma undRamnenses). Dieprimäre Stellung desRemus bezeugν u.a. tenOrtsnamen wieRemona, Ῥ ιο ν ώ μ ε

114

VI. Die Etymologien

nachdem er einige Taten vollbracht hatte. Plutarch übersetzt denNamen mit ή Volksfreund”(Popl.1. 10).446 η ς–“ δ μ ο η κ δ DenNamen eines seiner Gegner, deskorrupten Statthalters von Sizilien Verres, machte sich Cicero für eine ironische Bemerkung im Prozeß gegen diesen zunutze. Da die Römer einen kastrierten Eber verres nennen ν μ έ ο νχο η ο νκα ῖρ λ ο ῦ σ ), konnte ιν ρο ’γ ὰ νἐκτετμ ἱῬ α ιτ ῖο ὸ μ ω (‘Β ν η ρ έρ Cicero, als Verres voneinem demJudentum zugeneigten Freigelassenen angeklagt werden sollte, bemerken, was denn der Jude mit einem Schwein zu schaffen hätte (Cic.7).447 Der Anhänger Catilinas P. Cornelius Lentulus bekamlaut Plutarch seinen Beinamen Sura, weil er vor demSenat keine Rechenschaft ablegen wollte, sondern einfach seine Wade (sura) hinhielt, wie es die Knaben zu tun pflegten, wenn sie beim Ballspiel einen Fehler gemacht hatten (Cic.17).448 Den Beinamen Scaevola –“Linkshänder”trugen vorrangig Angehörige der Familie Mucius. Der berühmteste warwohl der sagenhafte C. Mucius Cordes, derdenAnlaß zudemgenannten Beinamen gegeben haben soll. Davonweiß auch Plutarch zuberichten. Mucius habe imAngesicht desEtruskerkönigs Porsenna als Zeichen seines Mutes die rechte Hand ins Feuer gehalten, so daß sie verbrannte under mit der linken das Schwert ergreifen mußte. Daher wurde er Scaevola genannt (Popl.17; 317D).449 Den Namen desMarcellus leitet Plutarch vomNamen desKriegsgottes Mars ab (Marc.1; diese Form ist ein Deminutivum des Namens Marcus [SCHULZE 177], der wiederum tatsächlich zuMars gehört).450 Eine stadtbekannte Prostituierte in Rom schließlich wurde Quadrantaria genannt, weil ein Liebhaber ihr statt des üblichen Silbers eine Kupfermünze (quadrans) zugesteckt hatte (Cic.

29). 446 VOLKMANN, RE 8 A, 1955, 180– 8. Es gibt eine Reihe anderer möglicher Erklärungen für die Herleitung von Poplicola wie z.B. als Deminutiv vonpopulus oder die Übersetzung als “ Volksbauer”(popli-cola in Anlehnung an agri-cola). KAJANTO (256) hält die Etymologie vonpublicus für falsch. 447 Nach SCHULZE 287 hat der Name im Etruskischen seine Wurzeln. Moles (157) vermutet hier einen Irrtum Plutarchs, da verres lediglich “ male pig” bedeute, undnicht unbedingt “ castrated pig” . 448 Allerdings übersetzt Plutarch sura (Wade) mit κνή η μ , waskorrekterweise tibia (Schienbein) entspräche. ZuSura vgl. KAJANTO 226 sowie SCHULZE 372. 420, der einen etruskischen Ursprung vermutet. DasSpiel beschreibt MOLES (166) als “ something like the British French cricket’ , was auf dem europäischen Festland allerdings auch nicht sehr ” bekannt ‘ist. 449 Vgl. Varro ling.lat. VII 97; fr.364 p.341 FUNAIOLI; Val.Max.de patientia 1. Dazu 105. 243. SCHULZE 370.419 hält diesen Namen für etruskisch. 450 KAJANTO 39. 127. 173; SALOMIES 37f. Dazu auch RADKE 272ff.

KAJANTO

3. DieEtymologien vonWörtern

‘barbarischer’ Sprachen

115

Zum Schluß werden die Namen einiger gentes im Mittelpunkt stehen. So erklärt Plutarch sehr interessant, aber leider falsch denNamen derFabii. Diese zudenbedeutensten römischen Geschlechtern gehörende Familie hieß nach Plutarchs Wissen ursprünglich Fodii, dasie das Wild in Gruben gefangen hätten. Als weitere Erläuterung ergänzt Plutarch, im Lateinischen ρ ρἄ ιν χ ῦ να ὰ γ ἱ heißen “ der Graben”fossa und “graben”fodere: ο ω ὕ τ ’τ ὸσ κ ό ρ δ ά ε ε ψ α α ικα ὶ ‘φ λ ε ῖτ σ σ ό α α ι’ κ ι. Mit derZeit verε ρ υ χ ς‘φ δ ιώ der Name derFodii in Fabii (Fab.Max.1).451 Die Namen von vier ebenfalls sehr alten römischen Geschlechtern glaubt Plutarch vondenNamen dervier Söhne desNuma herleiten zukönnen: Pomponii von Pompo, Pinarii von Pinus,452 Calpurnii von Calpus453 undMarcii vonMamercus454 (Num.21). Die vier Geschlechter selbst haben ihre Bezeichnungen auf die Namen der vier Numasöhne zurückgeführt, da dasihren Familien ein ehrwürdiges Alter, königliche Herkunft sowie großes änderte sich durch unsachgemäße Aussprache Plutarch zufolge

Ansehen verlieh. Allerdings sind diese Etymologien falsch; verhältnismäßig sicher ist die Herleitung desNamens derPomponii ausdemEtruskischen455 unddesderMarcii vondemPraenomen Marcus.

3. DIE ETYMOLOGIEN VONWÖRTERN ‘BARBARISCHER’ SPRACHEN

Es ist nicht überraschend, daßin denWerken Plutarchs nurwenig “echte” Etymologien ‘barbarischer’ Wörter zu finden sind. Wenn jedoch Wörter solcher nichtgriechischer bzw. nichtlateinischer Sprachen von Plutarch etymologisiert wurden, dann hat er sie oft aus dem Griechischen abgeleitet. Schaut mansich die Liste der ‘barbarischen’ Etymologien an, so wird deutlich, daß es größtenteils Übersetzungen ‘barbarischer’ Wörter sind. Daher echten”Etymologien sprechen. kann mannurin denwenigsten Fällen von “ Nach Untersuchung dieser Passagen erscheint es als sicher, daßPlutarch bis auf das Griechische als seine Muttersprache undin gewissem Umfang das 451 Plin.n.h. XVIII 10 möchte sie vonfaba –“Bohne”ableiten undbezeichnet sie als . Wahrscheinlicher ist die Ableitung von etrusk. fapi; SCHULZE 162; Bohnenpflanzer” “ GROAG, RE 6,

1909, 1739f.

452 Vgl. S.81, wo Plutarch die Pinarii von griech. π ειν ᾶ νherleitet (278F). SCHULZE 366 hält auch denNamen dieser gens füretruskisch; dagegen spricht sich LATTE 213f. aus. 453 Vgl. auch Varro fr.352 p.338 FUNAIOLI. SCHULZE 138 hält diese Ableitung sprachlich fürmöglich unddieNamensform füretruskisch. 454 Beide Formen sindAbleitungen vondemPraenomen Marcus, welches wiederum zuMars gehört; SCHULZE 188. 464. 466. 455 SCHULZE 212; GUNDEL, RE 21, 1952, 2324.

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VI. DieEtymologien

Lateinische keine andere Sprache beherrschte.456 Das zeigt sich vor allem echte”‘barbarische’ Etymologien in seinen Texten daran, daßer nurwenig “ verarbeitet hat, daß er eine Reihe von Wörtern ‘barbarischer’ Sprachen aus dem Griechischen ableitet und daß Plutarch sich, wenn er doch versucht, solche Wörter zu etymologisieren, auf Quellen bezieht oder solche allgeν... ὲ ἱμ ,ο σ ῦ ιν ο λ ικα ιο α ι, ἔν ε τ , λέγ σ υ ιν ο έγ meinen Formulierungen wie λ ο ὲbenutzt. ἱδ Die weitaus meisten Etymologien finden sich in der Schrift über die ägyptische Religion De Iside et Osiride sowie in dempseudoplutarchischen Werk Defluviis. Letzteres wird ausGründen, die in derEinleitung dargelegt wurden, nurkurz amEnde dieses Kapitels behandelt werden. Als erstes sollen die Etymologien bzw. Übersetzungen aus dem Werk über die ägyptische Osirissage analysiert werden, da dieses von den insgesamt ca. 40 Etymologien bzw. Übersetzungen von Wörtern ‘barbarischer’ Sprachen immerhin zwei Drittel enthält.

3.1. DIE ETYMOLOGIEN ÄGYPTISCHER WÖRTER INDE ISIDE ET OSIRIDE Diese Schrift unddie darin enthaltenen Informationen über die ägyptische Religion, die Sitten und Bräuche, die ägyptische Schrift und Sprache etc. sind eine wichtige Quelle für Ägyptologen, Archäologen, Historiker und Religionswissenschaftler.457 Sie ergänzen die archäologischen undinschriftlichen Hinterlassenschaften derägyptischen Reiche. Obwohl Plutarch selbst fast ausschließlich ausanderen Quellen geschöpft hat (genannt seien vor allem Manetho,458 aber auch Hekataios vonAbdera, Phylarchos, Eudoxos von Knidos, Hermaios, die ägyptischen Priester etc.459), ist er oft der einzige 456 ZumÄgyptischen siehe dieAusführungen unten S.117. 131f. 136. 457 Dazu GRIFFITHS, Lex. d. Ägypt. 4, 1065ff.; MERKELBACH 252– 65. 458 Manetho verfaßte unter Ptolemaios II. eine Geschichte Ägyptens von den frühesten Zeiten bis 323 v. Chr. (Α ) in griechischer Sprache, also an Griechen geά κ ια τ π υ ἰγ richtet. Er wollte den Griechen die ägyptische Geschichte und Religion näherbringen. Daher überrascht esnicht, daßPlutarch gerade ausseinem Werk eine Reihe vongriechischägyptischen Identifikationen übernahm. Vgl. HOPFNER 1941, T.2, 128; GRIFFITHS 1970, 78ff.; WITT 52f.; THISSEN, Lex. d. Ägypt. 3, 1180f.; DIHLE 1994, 62 undAnm.16 (S.146). Manetho trug viel zurVerbreitung des Sarapiskultes bei. Er nutzte ägyptische Quellen wie die Königslisten, Urkunden, Tafeln etc. undkonnte daher als relativ zuverlässige Quelle gelten. Vgl. dazu KIND, RE 14, 1928, 1060– 1102 (Quellen 1091– 99) sowie HOPFNER 1925, 48. GRIFFITHS (a.a.O.) weist nach, daßManetho ein ägyptischer Nameist. 459 Siehe HANI478f., deralle vonPlutarch in dieser Schrift zitierten Autoren in einer Liste zusammengestellt hat. (Außerdem hat er die von Plutarch genannten ägyptischen

3.1. Die Etymologien ägyptischer Wörter in De Iside et Osiride

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antike Schriftsteller, der über bestimmte ägyptische Gegebenheiten berichtet. Viele der von ihm benutzten Quellen sind für uns verloren.460 Seine Aussagen sind injüngerer Zeit von denWissenschaftlern kritischer betrach-

tet worden, daPlutarch selbst recht unkritisch gegenüber seinen Quellen und mündlichen Erzählungen war. Man darf auch nicht vergessen, daß die Blütezeit der altägyptischen Kultur zu Plutarchs Zeiten schon Jahrtausende zurücklag. Sprachliches gilt es besonders kritisch zubetrachten, daPlutarch weder die ägyptische Schrift noch Sprache ausreichend kannte. Seine Etymologien sind oft falsch, da er undseine griechischen Quellen die griechischen Transkriptionen als Grundlage für ihre Versuche nutzten undhäufig den Ursprung ägyptischer Wörter in der griechischen Sprache suchten.461 Einige derDeutungsversuche undÜbersetzungen haben für uns, die wir die archäologischen Kenntnisse mit denen über die Hieroglyphenschrift, das Demotische und Koptische sowie die griechische Sprache verbinden

können, durchaus einen richtigen Ansatz. Durch die große Zeitspanne von über dreitausend Jahren (Altes Reich bis griechisch-römische Zeit), die regional sehr unterschiedliche Götterverehrung, wobei viele Götter nurin bestimmten Gebieten verehrt wurden oder je nach Region ganz verschiedene Bedeutungen undAttribute haben konnten, ist die umfassende Darstellung der ägyptischen Religion bis heute äußerst kompliziert. Die Griechen haben versucht, Parallelen zu ihrer eigenen Götterwelt zu finden, umdiese fremdartige Religion verstehen zu können.462 So wurden die Namen der Gottheiten, die meist nur in der griechischen Umschrift bekannt waren, mit Hilfe des Griechischen gedeutet und

Wörter zusammengefaßt.) Zu denQuellen Plutarchs in dieser Schrift vgl. auch das Resümee von GRIFFITHS in der Chronique d’É gypte. Er schreibt u.a: “ He (Plutarch) also mentions Egyptian sayings, a fact with suggests personal contacts with priests.” GRIFFITHS geht davon aus, daß Plutarch als junger Mann Alexandria besucht hat. Ausführlicher einschließlich einer kritischen Auseinandersetzung mit derForschungsliteratur ders. 1970, 75100. Vor allem Hekataios undEudoxos verfügten durch längere Aufenthalte in demLand über fundiertes Wissen undwaren Plutarch neben Manetho wichtigste Quelle, sei es direkt oder durch eine Mittlerquelle. Dazu auch PARMENTIER 84ff. und GÖLDI 58– 63. Letzterer hält eine unbekannte ältere Kompilation fürPlutarchs Quelle. 460 Uns sind aber auch einige wichtige Werke erhalten. So widmen Herodot (B.2), Hekataios vonAbdera, Diodor (B.1) undStrabon (B.17) große Abschnitte in ihren Werken

Ägypten.

461 GRIFFITHS 1970, 103ff. hat allerdings auch bemerkt, daßviele der Etymologien sich auffrühere Entwicklungsphasen derägyptischen Schrift (Hieroglyphen) beziehen, was sicherlich mit dem entsprechenden Alter seiner Quellen (bzw. deren Quellen wie bei Manetho) zuerklären ist. 462 Zur interpretatio Graeca GRIFFITHS, Lex. d. Ägypt. 3, 167– 172; DIHLE 1994 passim, bes. 74f. 107; zuPlutarchs De Is. et Os: ders. 110; NILSSON 2, 629ff.

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VI. Die Etymologien

viele ägyptische Götter den griechischen gleichgesetzt. Die interpretatio Graeca findet sich selbstverständlich auch bei Plutarch: Horos heiße bei den Griechen Apollon (356A; ebenso Hdt.II 156), Sarapis tauche als Pluton auf D; cf. Diod.I 11, 3) undDionysos (362B; (362A),463 Osiris als Sirius (372C– 364D; 365E),464 Isis als Athena (376A; 354C; bei Herodot beispielsweise Gleichsetzung mit Demeter [II 156] und Io [II 41]465) oder Selene (372D; vgl. z.B. Hdt.II 47; Diod.I 11, 1), Anubis als Kronos (368E) undTyphon in Ägypten als Seth, Bebon, Smy (376B).466 In einer Passage der hier untersuchten Schrift erklärt und begründet Plutarch diese Überzeugung: “ ... und bei Götter verschiedenen Völkern an, zwar nehmen wir nicht verschiedene keine barbarischen undkeine griechischen, keine südlichen undkeine nördlichen, sondern, wie Sonne, Mond, Himmel, Erde undMeer allen Menschen gemeinsam sind undnur bei denverschiedenen Völkern verschiedene Benennungen haben, so gibt es auch nur einen Logos, der den Kosmos ordnet, eine sie regierende Vorsehung sowie untergeordnete Kräfte, die über die einzelnen Dinge gesetzt sind und bei verschiedenen Völkern herkömmlicher Weise verschiedene Verehrung undBenennung haben.”(377F– 378A)467 Er bestätigt also in dieser interessanten Passage die oft auch aus seinen Etymologien erkennbare Überzeugung, daß alle Menschen die gleichen Götter verehrt, sie aber verschieden benannt hätten. Außerdem scheint er zu glauben, daßdie Namen ursprünglich alle griechische gewesen seien, also dasGriechische auch dieursprünglichste Sprache ist unddie Götter erst später dieBezeichnungen in denverschiedenen Sprachen bekommen haben, wenn er sagt: “ Isis aber unddie mit ihr verbundenen Götter verehren und kennen alle, obgleich einige diese Götter erst seit kurzem mit denbei den Ägyptern üblichen Namen zu benennen gelernt haben, deren Macht aber schon vonBeginn anverehren.” (377D). Mit Osiris, dessen Sage im Mittelpunkt seiner Schrift steht,468 beschäftigt sich Plutarch auch in etymologischer Hinsicht. Er hat uns dabei

463 Vgl. dazu STAMBAUGH 3f. 27ff. ZurIdentifikation desSarapis mitDionysos, die 9. bei Plutarch nicht überliefert ist, vgl. ders. 55– 464 Vgl. ebd. 53ff.; MERKELBACH 71f. 465 Vgl. dazu MERKELBACH 51. 60f. (Demeter). 67f. (Io). 95ff. (weitere Identifizierungen derIsis mitgriechischen Gottheiten). 466 Eine Liste dieser Identifikationen bei HOPFNER 1941, T.2, 56ff. Vgl. Auch WITT

39ff.

467 GRIFFITHS 1970, 532f. sieht in dieser Passage denstoischen Einfluß mitdenGeanὁμ ό ν ο ια undφ ρ ω ν θ π ία ιλ α . Vgl. dazu auch NILSSON 2, 403; SOLMSEN 62f. mit

danken

Anm.15 und MERKELBACH 253f. 468 Vgl. dazu GRIFFITHS, Lex. d. Ägypt. 4, 623ff.; BRUNNER 55– 60; MERKELBACH 3-

22.

3.1. DieEtymologien ägyptischer Wörter inDeIside et Osiride

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fünf verschiedene Etymologien überliefert, davon drei ägyptische undzwei

aus dem Griechischen. Seine erste Deutung besagt, Osiris könne man als ς“viel”(τ ο μ ς- “vieläugig”übersetzen, da im Ägyptischen ο α λ θ ό φ υ ο λ ὸ π ι“Auge”(ὁὀφ ό μ α θ λ ς ; 355A). Diese interessante Ety) bedeute undιρ π ο λ ύ mologie, diesich ähnlich auchbei Diodor findet,469 ist zwarfalsch, aber eine , die uns die vermeintlichen ägyptischen Wörter (in der wenigen “echten” griechischer Lautung) überliefert. Die unkorrekte Erklärung könnte einer Verwechslung bei dergriechischen Umschrift entsprungen sein.470 Andieser Stelle berichtet Plutarch außerdem, daßOsiris durch einAuge undein Szepter dargestellt werde, was tatsächlich der ägyptischen Schreibung zumindest in ptolemäischer Zeit entspricht.471 Die andere Etymologie, die auf einer ägyptischen Deutung beruht, ist eher eine Übersetzung derNamens. Zumeiο ρ ιμ ς–“stark” , zumandenen heißt –so Plutarch –derName des Osiris ὄβ ε ρ ν (365E).472 ο ῖ ή δ ), τ ρ σ ν α ὸἀ φς ren, allerdings in der Form Arsaphes (Ἀ Ananderer Stelle erwähnt er, daßOsiris’Name neben vielen anderen Deuο ά τ ρ ν ςἐ tungen (!) auch “ eine wirkende und Gutes schaffende Kraft”(κ ) ausdrücken könne (368B). Plutarch betont hier ο ν ιό ο π γ ο α ῦ νκ ερ ὶ ἀγαθ die vielfältigen Bedeutungen desNamens, daer allein schon fünf nennt. Er ), was φ ις μ bemerkt außerdem, ein anderer Name des Osiris sei Omphis (Ὄ νὁ η νὌ ὸ ινεὐεργέτ φ μ man mit “Wohltäter”übersetzen könne: ... τ

469 I 11, 2. Diodor hat allerdings nur die Übersetzung, nicht die Etymologie selbst angegeben. Weitere Belegstellen beiTHISSEN 1985, 55. 470 Vgl. HOPFNER 1941, T.2, 92 sowie GRIFFITHS 1970, 106f. (mögliche Erklärungen). 288 (“ ). Aus demKoptischen ist die Form Usire a piece of a false folketymology” (Ο Υ ΙΡ ) überliefert. RE, Suppl. 9, 1962, 469f. (W. HELCK): “... scheint es sich ... umeine Ε unägyptische Bildung zuhandeln. ... Eine sichere Deutung desNamens ist aber nicht zu geben, schon weil wir nicht sagen können, aus welcher Sprache er stammt.”THISSEN (1985) erklärt in seinem Aufsatz, wiees seiner Meinung nach “ vonderspäten Schreibung , Anm.d. vieläugig” über diegriechische Transkription zurÜbersetzung bzw. Deutung (als “ Verf.) kommt”(S.56). Vgl. auch THISSEN 1992, 246. 471 HOPFNER 1941, T.2, 92; GRIFFITHS 1970, 106. 109. 288. Vgl. auch 371E, wo Plutarch ebenfalls bemerkt, Osiris werde durch ein Augeundein Szepter dargestellt, wobei jenes dieVorsehung (π μ ις ν ο ρ ό ) bedeute. Wieschon oben ια ), dieses aber dieMacht (δ α ν ύ gesagt, stimmt diese Bemerkung über dasSchriftbild, dieDeutung dagegen nicht; HOPFNER 1941, T.2, 223. Angleicher Stelle erwähnt Plutarch außerdem, Osiris werde auch als Falke dargestellt; dazu GRIFFITHS 1970, 109. 472 Die zweite Namensform (Arsaphes) ist nach HOPFNERS Meinung unklar, während die Übersetzung als “stark”auf richtigen Beobachtungen beruht, da das ägyptische Wort für “stark”manchmal als Osiris wiedergegeben wurde; HOPFNER 1941, T.2, 173f.; ähnlich THISSEN 1992, 247. GRIFFITHS 1970, 109. 441f. identifiziert Arsaphes dagegen mit hewhois upon his lake”ist. Allerdings sei er einem ägyptischen Gott, dessen Bedeutung “ tatsächlich oft mit Osiris verbunden worden.

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VI. Die Etymologien

ν(368B).473 Obgleich Plutarch mehο ν ε μ α μ ρ η ν ευ ό Ἑ νἑρμ ῦ ο λ ῖό ι δη σ η ςφ rere Versuche unternimmt, denNamen des Osiris aus demÄgyptischen zu erklären, gibt er an einer anderen Stelle an, Sarapis undOsiris seien die Beό ν ), diese grieικ ε ς nennungen einer Gottheit, jene wäre jedoch fremd (ξ ν η ό ικ chisch (Ἑ λ ς λ ; 376A), während es tatsächlich genau umgekehrt ist (s. unten S. 125f.).474 Wieananderer Stelle noch zusehen sein wird, leitet Plutarch den Namen Sarapis ebenfalls sowohl aus dem Griechischen als auch ausdemÄgyptischen her(362Cf.). Die beiden ausdemGriechischen abgeleiteten Etymologien sind falsch, sie erscheinen uns auch sehr konstruiert. Zuerst behauptet Plutarch, Osiris ν(das Heilige) zusammenό sei aus τ ὸἱερ ὸὅσ ν(das Fromme) und τ ιο gesetzt, da die Alten die Elemente im Himmel und in der Unterwelt mit diesen Begriffen bezeichnet hätten undOsiris gerade dieses in seiner Person E). Hier wird wieder einmal der Versuch Plutarchs deutvereinigte (375D– lich, seinen philosophischen Überzeugungen mit Hilfe sprachlicher Erklärungen Nachdruck zuverleihen.475 Ähnlich mußmandie zweite griechische Etymologie des Namens Osiris einschätzen. Plutarch erwähnt, daß Osiris ε ίρ ιο ςbevon vielen als die Sonne erklärt476 undim Griechischen als ὁΣ D). Allerdings scheint ihn die Erklärung selbst nicht so nannt wird (372C– ganz zu überzeugen, da er hinzufügt, der vorgesetzte Artikel hätte denNamenbei denÄgyptern unkenntlich gemacht.477 An anderer Stelle berichtet Plutarch, Hellanikos von Lesbos (FGrH 4 F176) habe den Namen Osiris bei den Priestern als Ὕ ιςgehört478 und σ ιρ ihn auch in dieser Form benutzt, undzwar heiße er so ἀ ὸτ π ῆ ςφ ε σ ω ύ α ςκ ὶ 473 Diese Deutung ist wohl korrekt, Ὄ μ φ ιςkann tatsächlich als “Wohltäter”übersetzt werden; HOPFNER 1941, T.2, 191; GRIFFITHS 1970, 109. 460f. Letzterer hält dieForm Omphis für eine Variante vonὌ ρ ν ις ω ν φ , einem Namen desOsiris in dengriechischsprachigen Papyri. 474 ZuOsiris-Sarapis vgl. MERKELBACH 72ff.

475 Auch GRIFFITHS 1970, 517 hält es für möglich, daß dieser Erklärungsversuch Plutarchs eigener ist. 476 Wiewohl er einige Abschnitte vorher Philosophen (ohne Namen zu nennen) zitiert, die denOsiris für dieMondwelt halten, imGegensatz zuTyphon/Seth, derdie Sonne darstellen soll (367D). 477 Vgl. PARMENTIER 93ff.

478 Siehe dazu HOPFNER 1941, T.2, 160f, der beschreibt, wie Hellanikos zu dieser Aussprache gekommen sein könnte. Auch THISSEN 192, 246f. und GRIFFITHS 1970, 108. 429 halten sie für durchaus wahrscheinlich. Nurdie Endung -ιςsei griechisch. Ausgehend von dieser Plutarchstelle hat G. MUSSIES (Some notes on the name of Sarapis, in: Hommages à Maarten J. Vermaseren, Leiden [EPRO 68, 2] 1978, 821– 32) einige Überlegungen zu den Namen des Osiris unddes Sarapis undderen Erscheinungsformen im Griechischen zusammengefaßt.

3.1. Die Etymologien ägyptischer Wörter in De Iside et Osiride

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ε ω ς(364D). Da Plutarch in der gleichen Passage den Sohn υ ῆ ςεὑρέσ ἱό τ ς ε ιν-“ regnen”in Verbindung bringt undDionyρ–“Wasser”undὕ ω δ mit ὕ η ς , als “Herr der feuchten Natur” sos, den er mit Osiris identifiziert, als ὕ π ὸτ ῆ ς ) bezeichnet, ergibt die Erklärung ἀ ω ε ᾶ σ ς ρ ύ ςφ ρ ιο ῆ ςτ ςὑγ (κ ύ ε ω ςin diesem Abschnitt keinen Sinn. So wurde die ῆ ςεὑρέσ ὶτ α ω ε ςκ σ ύ φ ε ω ς(vgl. BT sowie ε ω ῆ α ὸτ π ῆ ςκ ὶτ ςὕσ ςῥύσ Stelle meist verbessert in ἀ die Übersetzungen; aber GRIFFITHS 1970, 170), also “wegen desRegens und . desFließens bzw. derFeuchtigkeit” Plutarch zufolge ist bei den Griechen der Efeu die heilige Pflanze des ιςund sei dem Osiris σ ό εν ιρ Dionysos. Bei den Ägyptern heiße dieser Χ heilig (vgl. auch 362B u. 364C, wo Plutarch Osiris mit Dionysos identifiPflanze des ziert). Daher bedeute der ägyptische Name des Efeu auch “ ο ; 365E).479 Eine andere Pflanze, die Myrrhe, würιδ ς σ ίρ Osiris”(φ νὈ ὸ υ τ ά λnennen, wasPlutarch mit “Ausmerzung derNarrheit” dendie Ägypter σ μ ό ισ ς ; 383D). In den Handschriften ist ε ω σ ή ςἐκσκορπ ρ η ῆ ςλ übersetzt (τ sind sichjedoch einig, daßderText Bearbeiter die überliefert, ά λ β die Form /σ ά χ λ(im Koptischen ω in σ ά λ α ) geändert werden muß (BT; GRIFFITHS λ 1970, 568). Die Übersetzung wird im allgemeinen als Veralberung des ungeduldig fragenden griechischen Touristen (Plutarch oder sein Gewährsmann) durch denDolmetscher empfunden.480 Schließlich übersetzt Plutarch ), ohne aber die ρ ύ ο ν ὸθ den Namen einer anderen Pflanze, der Binse (τ ägyptische Benennung zu erwähnen: sie bezeichne den König und den Tränkung undSchwangersein aller südlichen Teil Ägyptens undwerde mit “ σ ν ιςπ τω )481 wiedergegeben (365B).482 In ά ν ὸ μ α ὶ κύη ςκ Dinge”(π ο τισ vielen Fällen wird Plutarch die Deutungen selber gar nicht richtig ver-

479 Diese Bedeutung kannte schon Diod.I 17. Plutarchs Übersetzung ist richtig, da ιςdiegriechische Umschrift desägyptischen Wortes für “Baum/Pflanze desOsiris” σ ιρ ό εν χ ist (kopt. Ω ΕΝ Ο Υ ); HOPFNER 1941, T.2, 173. Vgl. auch die Erklärungen von GRIFFITHS ΙΡ 1970, 108. 440f. (Auch bei dieser Deutung benutzt Plutarch eine ältere ägyptische statt einer jüngeren koptischen Form.) 480 HOPFNER 1925, 26; HOPFNER 1941, T.2, 286. Auch Herodot wurde wahrscheinlich von einem Dolmetscher hereingelegt, der auf die Frage nach einer Pyramideninschrift erklärte, dort wäre die Menge der von den Arbeitern verzehrten Rettiche, Zwiebeln und Knoblauchzehen verzeichnet (II 125). 481 So der Text der Teubnerausgabe. Änderungsvorschlag ist ν ο τισ μ ό ς(Befeuchη σ ις(Bewegung des Alls [π ό μ τ ς ισ , in den codd. ist κίν ο ά ν τω tung) für π ν ]) für κ η σ ύ ις überliefert (so auch die Übersetzung [BAHR]; vgl. auch GRIFFITHS 1970, 172. 438f.). 482 Für diese Deutung findet HOPFNER keine Belege, die Wiedergabe der Binse als Zeichen für “ König”dagegen ist wohl richtig; HOPFNER 1941, T.2, 167. GRIFFITHS 1970, 108 sieht in dieser Erklärung Plutarchs eine “remarkably faithful reflection of hieroglyphic usage” .

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VI. Die Etymologien

standen haben, sonst hätte er seinen Lesern vielleicht weitere Erläuterungen gegeben. Er sahsich in dieser Beziehung wohl mehr als Wissensvermittler. F, in der Plutarch sich recht ausführlich mit den In der Passage 375E– Namen einiger ägyptischer Gottheiten auseinandersetzt undin derwir schon oben besprochene Etymologien des Osiris finden, rechtfertigt Plutarch auf eine wiederum recht umständliche Art undWeise seine vielen griechischen Etymologien ägyptischer Wörter: ο μ ά ὐδ ε ά ὲθ α ῖδ υ τ ντ ω νὀνομ ε ιντ ῶ ν ζ ὴ ρἄ ρ α ὰ ε λ ίατο υ ὶγ ἰςτ αμ λ ῖςμ η σ ν ινκ α εθ λ ικ μ έν ὸἙ ὸ νἀνάπ ισ ο λ λ α τ ις μ ρ έ ν ἐ ρ α ε κτ ιν έ χ ικ α νπ ῆ ῦ α αμ τ ὶ ξεν ό ςἙ εσ ο δ λ ά λ ςσυνεκπ ιτε ύ ε ι ·ν ᾽ἑτέρ ο β η νδια ρ ά ὴ ις νἀ ν λ α π α κ α έ ν μ λ ο ο λ ,ὧ υ υ σ τ νἔν ικ ινὡ ο ιατ νπ ιη ὴ ς β α β ρ α ρ ίζ ο υ σ α νο F). ἱ γλώ τ ρ εύ τ α ο γ ν ο ςτ τ ε ρ ο σ α ὰτοια ς(375E– ῦ απ τ Durch dieAuswanderung vonGriechen hätten also viele griechische Namen in nichtgriechische Sprachen Eingang gefunden.483 Viele dieser Namen wurdenwieder in die griechische Sprache (vor allem wohl in die Dichtung) als Glossen484 aufgenommen undgaben Anlaß zuderBemerkung, die griechische Sprache werde dadurch “ barbarisiert” . Plutarch räumt an dieser Stelle ein, daß auch das Griechische einer Beeinflussung durch andere Sprachen unterlag. Die Partnerin des Osiris in der Sage war Isis, deren Kult zu Plutarchs Zeiten über dasgesamte Mittelmeergebiet verbreitet war.485 DenNamen der D; Göttin glaubt Plutarch als griechisches Wort zu erkennen (351F; 375C– F), weshalb er ihn aus dem Griechischen herzuleiten versucht.486 vgl. 375E–

483 Herodot (II 50) nahmbekanntlich genau dasGegenteil an(vgl. Anm.508). 484 Unter Glossen verstanden die Griechen Wörter, deren Sinn dunkel war; GÖLDI T.2 (ungedruckt), 7. Ebenso Kl.P.II 816: alle Erscheinungen, die der κ ρ ίαλ έ υ ξ ιςfremd sind. Vgl. auch GRIFFITHS 1970, 519, der bemerkt, daß vor Plutarch zumindest Aristoteles denAusdruck glotta imSinne eines veralteten oder fremden Wortes gebrauchte. 485 Zur Isisverehrung in römischer Zeit vgl. VIDMAN; WITT; NILSSON 2, 624– 39; S. K. HEYOB, The Cult of Isis among Women in the Graeco-Roman World, Leiden (EPRO 51) 1975; SOLMSEN sowie zuletzt S. A. TAKÁCS, Isis and Sarapis in the Roman World, Leiden/New York/Köln (Religions in the Graeco-Roman World 124) 1995 (mit umfangreicher, aber etwas ausschweifender Bibliographie) undMERKELBACH (bes. 131ff.). Siehe auch DIHLE 1994, 107 Anm.29 (S.152). ZurAusbreitung derägyptischen Religion in Italien vgl. M. MALAISE, Les conditions depénétration et de diffusion des cultes Égyptiens en Italie, Leiden (EPRO 22) 1972. 486 Dabei spielt vielleicht auch eine Rolle, daßIsis bei ihrer Verbreitung vonÄgypten über Griechenland bis nach Romviele griechische Züge annahm, so daßPlutarch die Vertrautheit auch sprachlich ausdrücken wollte. Isis’vermeintlich griechische Herkunft bekräftigt Plutarch, wenn er sie als Tochter entweder desHermes oder des Prometheus ausgibt (352A– B). Diodor (I 11, 4) übersetzt Isis als “ η μ εθ ερ die Alte”(τ ινμ σ ὲἾ νδ ὴ ν ευ μ η ο έ νεἶν ν α ιπ α λ α ιά ) wegen ihrer uralten, stets vonneuem wiederholten Entstehung ν (ἀ π ὸτ ῆ ςα ἰδ ίο υκ α ὶπ α α σ λ ιᾶ ε έ ε ν ω ςγ ς ). Isis bedeutet in der ägyptischen Schrift , wahrscheinlich Thron des Sonnengottes; W. DREXLER in: ROSCHER Bd.2, 360ff.; Thron” “

3.1. Die Etymologien ägyptischer Wörter in De Iside et Osiride

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So stellt er Isis als weise undphilosophisch dar undbegründet damit die ὸ Etymologie des Namens Isis von dem Wissen und der Erkenntnis: τ von einer (also η Form μ wie μ ε ν o.ä. ἴ σ ή von ο ἶ δ α τ σ ; π ι ἐ ἡ α ὶ κ ι α ν έ εἰδ Aus dem gleichen Grund würde der Tempel der Isis D).487 351F; 375C– genannt werden (352A).488 (So hieß auch derHerkunftsort derIsis in ν ε ῖο Ἰσ Unterägypten, heute Behbet el-Hagar.) In einem späteren Abschnitt weist ρ ά ὺγ Plutarch nochmals auf die griechische Herkunft dieses Namens hin: ο ν ρ . Daß derName nicht ‘barbarisch’ ist, bedeutet ό ικ α β ρ α αβ μ ο σ τ ι τοὔν ἐ bei Plutarch, daß er griechisch ist. Anknüpfend an seine Etymologie des griechischen θ , will er auch denNamen derIsis mit ε ῖν–“laufen” ό ε ςvonθ α ι–“eilen”in Verbindung bringen. θ derBewegung, also mit ἵεσ Gleichzeitig erwähnt Plutarch nochmals die Ableitung von einer Form α ι, verbindet also beide Wörter mit dem Namen der Isis: θ σ von ἐπ ίσ τα η μ ακ μ α ςἅ ὶτ ε ῆ ω ῆ ὸτ π ςἾ ςκινήσ ισ τή νἀ ςἐπ σ ιν η τ ύ ντα ο ὸ ε ὕ τ νθ ω τ ὴ μ D).489 Plutarch betont hier, ὲ νἡ μ ε ῖς ᾽Α ,Ἶ (375C– σ σ ο ῦ λ ιν ινδ ικα ιο π τ ύ ἰγ daß die Göttin sowohl bei den Griechen als auch bei den Ägyptern Isis genannt würde, daß also die Ägypter den nach Plutarchs Meinung griechischen Namen übernommen hätten. Da Plutarch der Überzeugung war, daß die verschiedenen Völker zwar die gleichen Götter, jedoch verschiedene 378A), stellte dieser Fall für ihn eine BesonderBenennungen hätten (377F– heit dar. An anderer Stelle identifiziert er Isis allerdings mit Athena (354C; 376A) oder Selene (372D)490 verbindet die ägyptische Göttin also doch mit einer griechischen Entsprechung.491 Bei einer weiteren Etymologie desNamens derIsis bezieht Plutarch sich offensichtlich auf Platons Kratylos 401c ff., scheint sich aber entweder nicht mehr richtig erinnert oder ihn in seinem Sinne korrigiert zuhaben. Plutarch undberuft sich dabei auf Platon -, früher wurde für ο meint – ὐ σ (das Weία 12 Anm.13; WITT 15ff. 18. 36f.; dagegen ROEDER, RE 9, 1916, 2084ff.; BERGLex. d. Ägypt. 3, 186ff. 487 Siehe dazudieErklärungsversuche einschließlich dermöglichen ägyptischen und koptischen Formen desNamens bei GRIFFITHS 1970, 257ff. 488 Vgl. dazudieErklärungen vonMERKELBACH 261f. 489 Zu dieser doppelten Ableitung (“ double derivation” ) GRIFFITHS 1970, 515ff; PARMENTIER 89f.; MERKELBACH 260ff. 490 Vgl. dazu HOPFNER 1941, T.2, 227f. sowie GRIFFITHS 1970, 500f. (“ it is purely

VIDMAN MANN,

greek exposition” ). 491 Plutarch identifiziert Isis auch mit derrömischen Terra (366A). Diese Gleichsetzung beruht HOPFNER zufolge u.a. darauf, daßderägyptische Ausdruck für Ort, Stelle (ἰst oder ἰset) sehr ähnlich demNamen der Göttin Isis ist; HOPFNER 1941, T.2, 177. GRIFFITHS 1970, 445f. hält diese Erklärung für nicht sehr überzeugend. Er hat die Assoziation ‘IsisTerra’bei anderen antiken Schriftstellern zusammengestellt, wobei deutlich wird, daßvor Plutarch nurVarro diese Gleichsetzung erwähnt.

124

VI. DieEtymologien

D).492 In diesen) ἰσ gesagt unddenkt dabei an denNamen derIsis (375C– ία ser Richtung hat sich Platon allerdings nicht geäußert, vielmehr führt er Fol’ ν ,ε ε ἰσ gendes aus: “ ’ κα μ ὶνο λ ο ἳ ἐ ῦ ν σ ία σ ν σ ία α νκ Ο ἷα ὶἐ ῳοὐ ντο ύ τ ‘ ‘ ν α ε α ιὸ ῖςτ λ ὸπ α ὶ ἡμ ρκ ὰ κ α νγ ο λ ᾽α ῦ σ ε ὖὠ ιν , ο μ ἳδ α ν σ ία ίκ ο ’... Ἐ ‘ὐ ’κα λ ε ῖντ νο ν .”Platon erwähnt dies im Zusammenhang mit ὴ σ ία ν σ ία σ ἐ ‘ Etymologie des Namens der griechischen Göttin Hestia, von Isis ist der

überhaupt nicht dieRede. Drei andere Namen der Isis sind durch Plutarch überliefert, deren Bedeutungen er im wesentlichen richtig erklärt. Allerdings waren es Namen von drei eigenständigen Göttinnen, die z.T. mit Isis in enger Beziehung ). ρ η ή τ standen. Der erste Name sei Muth (Μ ) undbedeute “Mutter”(μ ο θ ύ Das ist richtig, da im Ägyptischen muttatsächlich “Mutter”bedeutete, die . Da Isis auch mütterliche Α Α Υ aus dem Koptischen überlieferte Form ist Μ Merkmale in sich vereinigte, konnte sie daher “ Mutter”genannt werden.493 ρ ι). Plutarch meint andieser Stelle sicherθ υ Derzweite Name seiAthyri (Ἄ lich die mit Isis eng verbunde Göttin Hathor.494 Ihr Name bedeutet –so ). Die Deutung ist ιο ς Welthaus des Horus”(ο μ ο Plutarch –“ σ ἶκ ςὭ υκό ο ρ zwar spekulativ, resultiert jedoch daraus, daß Hathor durch das Bild eines Hauses mit einem Falken, derals Horus aufgefaßt wurde, dargestellt wird.495 ), derseiner ρ ε ύ εθ Als letzten Namen schließlich nennt Plutarch Methyer (Μ zusammengesetzt Meinung nach ausdenWörtern für “ Fülle” und“ Ursache” ρ ε ύ εθ ρ ο υ ; 374B). Μ υ ίο ή ἰτ α ο ςκ ῦα ὶτ κτ ύ νἐσ ν θ ε τ ό ετ ο ινἐ ist (σ τ ῦπ λ bedeutet im Ägyptischen tatsächlich “ große Fülle” , meist wurde die Kuh als Symbol derFruchtbarkeit mit diesem Namen bezeichnet.496 Diese Erklärungen zeugen von einer Quelle, die mit der ägyptischen Sprache vertraut gewesen sein muß. Leider verrät Plutarch hier nicht, vonwemer diese Darstellungen übernommen hat. Engmit Isis verbunden warNephthys, die in derMythologie als Schwester derIsis undals Gattin des Seth/Typhon dargestellt wurde. Bei Plutarch

492 HOPFNER 1941, T.2, 242f.; GRIFFITHS 1970, 516f. (“ Plutarch has apparently changed theform ... to suit his argument.” ). 493 HOPFNER 1941, T.2, 238f.; KEES 37; GRIFFITHS 1970, 511f.; VIDMAN 12 Anm.13; 40; Lex. d. Ägypt. 4, 246ff. (H. TEVELDE). WITT 130– 494 WITT 30. 55. 85. 102. 124.

495 Ihr Name wird im Ägyptischen aus der Silbe h·t, was “Haus”bedeutet undhr, was durch das Bild eines Falken ausgedrückt wurde, zusammengesetzt (kopt. Ζ Α Θ Ω ); Ρ HOPFNER 1941, T.2, 293; KEES 10. 37. 75. 210 Anm.2. 226. 303; GRIFFITHS 1970, 512. 496 AusdemKoptischen ist dasVerbum Μ Ο Ζ Υ füllen, anfüllen”überliefert; HOPF“ NER1941, T.2, 239; KEES 75f., 225 Anm.4; GRIFFITHS 1970, 107. 110. 512; Lex. d. Ägypt. 4, 3f. (KÁKOSY).

3.1. Die Etymologien ägyptischer Wörter in De Iside et Osiride

125

C; 368E).497 Ihr Naist sie außerdem die Mutter des Anubis (cf. 356F; 366B– was GRIFFITHS (1970, 305. me wird als “Herrin des Hauses”gedeutet,498 447) allerdings bezweifelt. Plutarch beschreibt sie als die äußersten Punkte ήgenannt υ ε ελ τ derErde anderGrenze zumMeer. Deshalb werde sie auch Τ (355F; 366B; 375B).499 Einige Abschnitte weiter bringt Plutarch Nephthys mit Isis in Verbindung undbehauptet, diese bedeute das, wasunter derErde έ α νκ ν ὶἀ ), jene aber das, wasüber der Erde ῆ α φ ς ὸγ π ὸὑ undunsichtbar (τ ό ν ) sei (368E). νκ α ῆ ν ερ ὶφ α νγ ὴ ρτ ὲ π ὸὑ undsichtbar (τ Beim Namen der Isis war Plutarch davon überzeugt, daß er seinen Ursprung im Griechischen habe, bei dem des Osiris dagegen war seine Mei-

nung in dieser Hinsicht äußerst widersprüchlich. Ganz ähnlich verhielt es sich mit demNamen des Sarapis, des vermenschlichten Apisstiers, der in seiner ägyptischen Schreibung aus Osiris undApis zusammengesetzt ist.500 DerName Sarapis ist mit großer Wahrscheinlichkeit griechisch.501 DerKult des Sarapis, in demdertote Osiris weiterlebte, breitete sich ähnlich wie der Isiskult schnell in Griechenland undim Römischen Reich aus.502 Die richtige Etymologie des Namens, die Verschmelzung von Osiris undApis, gibt auch Plutarch als eine von insgesamt sechs möglichen an. Plutarch zufolge entspricht diese Variante derMeinung dermeisten Priester. Völlig ablehnen will er dagegen die Herleitung nach Phylarchos (FGrH 81 F78 [cf. Komm.]) ε ιν(“ α ίρ reinigen” ), was nach Plutarchs von dem griechischen Wort σ ε ε ν α λ ῖνwiedergeben, λ ύ ιν , andere mit κοσμ Bericht einige mit demVerb κ – ρ ό ο π ιδ ςσο ς “Sarg des Apis”.503 Schon ebenso wie die Ableitung von Ἄ θ α εύ εσ ι-“ stürmen” eher möglich erscheinen ihmdieVerben σ α θ ι undσοῦσ –“eilen”als Grundlage fürdenNamen Sarapis richtig zusein (362Cf.), dain

497 Vgl. dazu GRENIER 48f. 51 ff. 498 ROSCHER Bd.3, 189; GRAEFE, Lex. d. Ägypt. 4, 457f. 499 HOPFNER 1941, T.2, 177 kann diese Deutung im Ägyptischen nicht belegen; GRIFFITHS 1970, 61. 305 versucht denNamen mit der Verbindung derNephthys zu Seth (Gott derWüsten undfernen Länder) zuerklären. 500 STAMBAUGH (nach WILCKEN): “ ... thename Sarapis’ as an equivalent’ (butnot ‘ an exact transliteration) of the Egyptian ... (Wsir-Hp), Osiris-Apis. ”(5. ‘61).

501 ROEDER, RE 1 A, 1920, 2395ff.; vgl. ROSCHER Bd.4, 339ff. über die Herkunft unddenNamen des Sarapis sowie seine Ausbreitung in Ägypten. ZurVerbindung Osiris-

Apis besonders Sp.345 sowie PARMENTIER 65ff.; GRIFFITHS 1970, 364. 405; VIDMAN 23f.; 52. STAMBAUGH 36– 502 Dazu W. HORNBOSTEL, Sarapis. Studien zur Überlieferungsgeschichte, den Erscheinungsformen und Wandlungen der Gestalt eines Gottes, Leiden (EPRO 32) 1973, be31 und359ff. Zur Entstehung desNamens Sarapis aus Osiris ders. 43ff. sonders 1– 503 Diese Etymologie findet sich auch bei Varro fr.190 p.250sq. FUNAIOLI. Siehe dazu GRIFFITHS 1970, 403.

126

VI. DieEtymologien

τ ο ῦπ α ν τ ό ihnen die Bewegung (des Weltalls – ς ) steckt, die Plutarch schon des öfteren zur Basis philosophischer und theologischer Erklärungen gemacht hat.504 Nachdem Plutarch diebereits oben beschriebene richtige Etymologie für Sarapis als weitere Möglichkeit erwähnt, teilt er uns seine eigene Meinung ά ρ α ο ατ ῦΣ μ ο ιτοὔν τ νΑ νἐσ ὲ ιό τ π ἰμ ᾽, ε ύ δ γ ὼ zu diesem Thema mit: ἐ ἰγ ό α ν , τεκμ η ιρ ν σ ύ ο μ ρ α α ὶ χα ικ μ νοἴο ῦ ο ὸδηλ ὐ να τ η ν ο σ ύ π ο ρ ιδ , εὐφ ς λ ο ῦ σ ιν α ε ίρ ι’ κα α‘Σ ν σ υ ό μ ε ν νΑ ὴ ο ὰΧαρμ ιτ ςὅ ιο τ τ π τ ύ ιτ νἑορ ὴ ἰγ (362Cf.).505 Zuerst zweifelt Plutarch noch, ob derName überhaupt ägyptisch sei, während er an anderer Stelle (376A) behauptet, daßer ägyptisch ist. In Frohsinn” diesem Fall, so Plutarch weiter, bedeute der Name des Gottes “ ε α ι’ Freudenfeste ίρ und “Wonne” , da die Ägypter mit dem Ausdruck ‘Σ bezeichnen würden. Seine Meinung über den ägyptischen Ursprung des Namens unterstützt Plutarch noch dadurch, daßer Sarapis mit demgriechischen Totengott Pluton gleichsetzt undbehauptet, der Gott habe seinen Namen Sarapis erst in Ägypten bekommen. Plutarch geht davon aus, daß der Unterweltgott, der in Griechenland Pluton genannt wird, nach Ägypten (Alexandria) gebracht wurde und dort den forthin in Ägypten gebräuchlichen Namen Sarapis erhalten habe (362A). Das korrespondiert mit seiner Überzeugung, daß die Götter zwar dieselben, die Benennungen jedoch 378A).506 unterschiedlich seien (377F– In diesem Zusammenhang erwähnt Plutarch dengriechischen Hades und einige mit dessen Namen in Verbindung stehende Etymologien (S. 61f.). η έν θ ςnennen, was Plutarch Den Ort der Toten würden die Ägypter Ἀμ β ά ν ο ν τ ακ α zufolge τ ὶ διδό νλαμ ν ὸ τ α(“ den, der nimmt und gibt” )507 bedeutet. Er glaubt, das sei eines der Wörter, die einmal aus Ägypten nach 504 Weitere Erläuterungen bei PARMENTIER 62ff. 505 Das ägypt. schairi –“gaudium, festivitas”hat laut GÖLDI

(62 Anm.1) nichts mit demNamen Sarapis zutun. Aber immerhin kennt Plutarch dasägyptische Wort undseine Bedeutung, auchwenn er es in eine nicht vorhandene Beziehung zudemNamen desGottes setzt. GRIFFITHS 1970, 107f. 405f. hat einige Meinungen moderner Forscher zu Plutarchs Etymologie zusammengefaßt. Er selbst glaubt, daß daskoptische Ω Α–“Festival”oder eine davon abgeleitete Verbform hinter Plutarchs Etymologie steckt. Dazu auch PARMENTIER 69f. Vgl. 362B, wo Plutarch “phrygische Schriften”zitiert, nach denen Sarapis von der π α ῶ ρ , einer Tochter desHerakles, geboren worden sei. Diese Passage ist allerdings sehr α Χ lückenhaft überliefert; GRIFFITHS 1970, 28. 160. 402.

506 Vgl. HOPFNER 1941, T.2, 129ff. An anderer Stelle gibt Plutarch wieder, daß Osiris über dieToten herrsche undderbei denGriechen Hades oder Pluton genannte Gott sei (382E). Dazu HOPFNER 1941, T.2, 280ff. undGRIFFITHS 1970, 562. 507 Konjektur: τ ὸ νλανθ ά ν ο ν τ ακ α ὶ δύνο ν τ α(“ den, der sich versteckt und untertaucht” ; EISLER bei HOPFNER 1941, T.2, 135; PARMENTIER 79f. und GRIFFITHS 1970, 162.

406 lehnen sie ab.

3.1. Die Etymologien ägyptischer Wörter in De Iside et Osiride

127

Griechenland gebracht worden sind (362Df.).508 Das wollte er später näher F nicht mehr untersuchen, er ist aber bis auf eine kurze Passage in 375E– η ςist allerdings ägyptisch, θ έν μ darauf zusprechen gekommen. DasWort Ἀ Τüberliefert.509 Vielleicht klang Plutarch Η so ist z.B. die koptische Form ΕΜ dieses ägyptische Wort in griechischer Lautung so vertraut, daß er die Herkunft in Griechenland suchte. Eine der bedeutendsten ägyptischen Gottheiten im Neuen Reich war Amun. Zunächst wurde er lediglich in der oberägyptischen Stadt Theben verehrt, mit deren wachsender Bedeutung als Hauptstadt desReiches wuchs jedoch auch Amuns Einfluß.510 Es ist daher kein Zufall, daßer in Griechenland mit demGöttervater Zeus identifiziert wurde. Plutarch geht zuerst auf νundwerde in ο ῦ μ die Namensform ein, indem er erklärt, der Gott heiße Ἀ meisten zwar er, daß die erwähnt Weiter νgenannt. Griechenland Ἄ ω μ μ glaubten, Amun sei der ägyptische Name desZeus, dervonihmjedoch des das öfteren als Quelle angegebene Manetho behaupte, der Name bedeute “ D). ρ ύ μ έ ψ α ις νκ ο ν ὶ ἡκ ; 354C– ὸκεκρυμ Verborgene, die Verbergung”(τ Diese Meinung warvor allem in Ägypten weit verbreitet511 undgeht HOPFverborgen sein”im NERzufolge auf einen Irrtum zurück, da das Verb “ Ägyptischen einen ähnlichen Klang hätte wie derName des Gottes.512 Bei der zweiten Erklärung des Namens beruft sich Plutarch auf Hekataios von Abdera (Diels Vors. 60 B 8 = FGrH 264 F4), derdenNamen als einen AusD). druck des Zurufs versteht, den die Ägypter unter sich benutzten (354C– Diese Erläuterung käme laut HOPFNER aus einem vergleichbaren Grund zu508 Vgl. Hdt.II 50. Herodot nimmt an, daßfast alle Götternamen ausÄgypten nach Griechenland gekommen sind. Davon hätten ihn seine eigenen Nachforschungen überzeugt.

509 HOPFNER 1941, T.2, 135. Das Wort bedeutete zunächst “Westen” , die Gegend, wo der Sonnengott sich am Abend versteckt. Daher erscheint HOPFNER die Textverbesserung (Anm. 459) angebracht. Die alten Ägypter haben deswegen auch die Toten als

η μ έν θ ς die Westlichen”bezeichnet. Vgl. dazu auch KEES 246. THISSEN 1992, 245f. hält Ἀ “ ebenfalls fürdiegriechische Transkription desägyptischen Wortes für “ Westen” unddamit des Totenreiches, glaubt jedoch, daß die Übersetzung Plutarchs (oder seines GewährsderNehmende undderGebende”zuverstehen ist (wie es mannes [THISSEN 1988, 93]) als “ überliefert ist), wenn man denNamen Amenthes mit ähnlich klingenden Wörtern dieses Inhalts (“ ) vergleicht, die in einem unterägyptischen Dialekt erhalten sind. nehmen, geben” Siehe ebenso THISSEN 1987, 82ff. Auch GRIFFITHS 1970, 162. 406f. bleibt bei der überlieferten Variante, erklärt aber ebenfalls den Zusammenhang zwischen Amenthes und . , “Unterwelt” Westen” “ 510 WITT 46f. 511

PIETSCHMANN, RE 1, 1894, 1853– 57 s.v. Ammon; E. OTTO, Lex. d. Ägypt. 1, 237. 512 HOPFNER 1941, T.2, 84f. Siehe aber BRUNNER 18, der sich die von Plutarch angegebene Deutung durchaus alsrichtig vorstellen kann, ebenso GRIFFITHS 1970, 106. 285.

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VI. Die Etymologien

wie die erste. Im Ägyptischen gibt es einen demNamen des Gottes ähnlich klingenden Imperativ mit der Bedeutung “ komm!” .513 Auch diese Quelle Plutarchs, vielleicht wieder der Priester Manetho, verrät Ägyptischkenntnisse. Am Ende verbindet Plutarch die beiden Etymologien miteinander, wenn er sagt, daßdie Ägypter denAmun, weil er unsichtbar undverD). borgen sei, rufen undbitten würden, sich zuzeigen (354C– Der ägyptische Gott Horus (Ὧ ) galt zunächst als falkengestaltiger ο ς ρ Himmelsgott. Erst später wurde er mit Osiris in enge Beziehung gebracht .514 Sein undals dessen Sohn angesehen. So wurde er zum “Sohn der Isis” Name bedeutet “ , was mit seiner Falkengestalt und der in der Höhe” Funktion als Himmelsgott korrespondiert.515 Plutarch möchte den Namen ρ α–“Zeit, des Gottes aus dem Griechischen ableiten undbringt ihn mit ὥ ά ν τ ασῴ σ ατ ο υ α ακ σ ο ο ὶ τρέφ ζ υ ῦ Reife; Klima”zusammen, da er ἡπ ᾶ σ ις ἀ α ν ο ακ ο ρ ὶ κρ ιέχ τ ερ ςὥ π das alles erhaltende und ο ςsei (“ έρ ernährende Klima des Luftraumes und Mischung der Luft” ; 366A). Innerhalb dieser falschen Etymologie516 ist Plutarch allerdings der wirklichen der Luftraum” Bedeutung des Namens mit den Begiffen τ ιέ χ ο ν–“ ὸπ ερ sowie ἡ ρrecht nahe gekommen. ἁ ή Er identifiziert Horus auch mit dem ägyptischen Gott Min (Mív). HOPFNER weist das zurück und glaubt an eine Verwechslung. Man müßte vielmehr Osiris statt des Horus in dieser Passage einfügen.517 Die Synthese stande

Horus-Min scheint Plutarch aufgrund seiner Etymologie durchaus möglich. Er meint, Mív (womit man eben auch den Horus bezeichne) bedeute “ das Gesehene” μ εν ο ν(374B). Nach HOPFNER bezieht Plutρ ώ ρἐσ τ ίνὁ ε :ὅ π arch diese Erklärung inhaltlich aufMin, etymologisch jedoch aufHorus.518 In enger Beziehung zuHorus undOsiris stand derägyptische Gott Seth ή θ ), der in klassischer Zeit als Wüstengott galt undals Fabeltier (Wild(Σ esel?) dargestellt wurde. Er wurde zum Feind des Osiris und damit zur Verkörperung des Bösen, der Osiris schließlich tötete und zerstückelte 513 Der Name des Gottes ist im Koptischen

,

Α Μ Ο Υ der Imperativ Ν

Μ Η (Sg.)/Α ΪΤ Ε(Pl.) überliefert; HOPFNER 1941, T.2, 85.

Μ ist als Α Ο Υ

514 RÖSCHER Bd.1, 2746. 515 Ebd. 2744– 8; KEES 41. 173. 252; HOPFNER 1941, T.2, 177; GRIFFITHS 1970, 301; SCHENKEL, Lex. d. Ägypt. 3, 14ff. Ananderer Stelle verbindet Plutarch denHorus mit der Sonne undidentifiziert ihn mit Apollon (356A; 375F). Dazu WITT 220. 516 GRIFFITHS 1970, 446. 517 HOPFNER 1941, T.2, 240. Vergleiche jedoch KEES, der diese Verbindung durchaus sieht (200f. 297. 338). Ebenso Kl.P.III 1314 undGRIFFITHS (s.u.). 518 Diese Erklärung HOPFNERS lehnt GRIFFITHS (1970, 107. 110. 511) ab. Er glaubt vielmehr, ein dem Namen Min ähnlich klingendes ägyptisches Wort mit der Bedeutung sehen”sei die Ursache für diese Etymologie. “

3.1. Die Etymologien ägyptischer Wörter in De Iside et Osiride

129

(Osirissage). Plutarch glaubt nun, die Ägypter nannten denMond Seth, was α β σ ν α ια ε νἢκ τ υ τ ῦ ο α δ α τα ζ ό der herrschende oder überwältigende”(κ “ μ εν ο ν ) bedeute (367D; 371B; 376B). Diese Deutung ist nur bei Plutarch überliefert undimÄgyptischen nicht zubelegen.519 Einige Abschnitte später identifiziert Plutarch den ägyptischen Seth mit dem altgriechischen Fabelwesen Typhon, dessen Mythos sehr stark von ägyptischen und anderen orientalischen Mythen beeinflußt war.520 Seth heißt, so Plutarch, entweder , oder “ das öftere der schon oben genannte “Herrschende, Überwältigende” ὴκ α ο ο λ κ ά ὶ λ ιςἀναστρ φ : ἡπ Umkehren undwiederholte Darüberspringen” σ η ις(371B). Was die letzte Erklärung besagen soll und δ ή π εκ λ ινὑπ ά π warum Seth/Typhon so bezeichnet wurde, weiß Plutarch allerdings nicht zu berichten. HOPFNER findet dafür ebenfalls keine Belege, glaubt aber, daß sich diese Charakterisierung mitdenägyptischen Quellen deckt.521 ν ο έ μ ς– ω Das Ungeheuer Typhon bezeichnet der Autor als τετυφ α θ ιstimmen einige σ φ ῶ aufgeblasen”(351F). Dieser Etymologie von τετυ “ Philologen zu,522 weil er Zeus mit seinem Feueratem bekämpfte und schließlich von diesem unter dem Vulkan Ätna begraben wurde. Andere jedoch nehmen eine eher orientalische Herkunft des Gottes an, können dazu aber keine Etymologie angeben.523 ) gewesen ν ω έβ Ein anderer Name desTyphon, so Plutarch, ist Bebon (Β (einige meinten, es sei der Gefährte des Typhon). Dieser Name bedeute ) undkennzeichne Tyσ ις υ λ εξ ώ θ ) oder “Hindernis”(κ ις ά Einsperrung”(κ “ phon alsjemanden, der sich positiven Dingen entgegenstellt (371C; 376B). Die Identifizierung sowohl desBebon selbst als auch die Verifizierung von Plutarchs Etymologie sind allerdings nicht geklärt, es gibt lediglich einige Deutungsversuche.524 Als dritten Namen des Typhon/Seth überliefert Plut-

519 Vgl.

HOPFNER 1941, T.2, 184 und THISSEN 1992, 247f. GRIFFITHS (1970, 109. 457) glaubt denAnlaß fürdiese Etymologie in einem ähnlich klingenden ägyptischen Verb mitderBedeutung “ziehen”(draw, pull) zuerkennen.

520 Kl.P.V 1022; MERKELBACH 259.

521

HOPFNER

Namens nicht

522

1941, T.2, 216. Auch für ROSCHER Bd.4, 727ff. ist die Bedeutung des

zuenträtseln;

ebenso

H.TEVELDE, Lex. d. Ägypt. 5, 908.

1941, T.2, 55; FRISK: τύφ μ α ι–“rauchen, Rauch machen” ο ; MERKELDas griechische Wort Typhon bezeichnet den Wirbelsturm (Taifun ist von BACH259: “ . Typhon abgeleitet) undüberhaupt alles Aufgeblasene, Hochmütige, Tyrannische” 523 ROSE 1992, 59; CHANTRAINE; GRIFFITHS 1970, 259 (Belege bei anderen antiken Autoren); H. TEVELDE, Lex. d. Ägypt. 6, 816f. 524 HOPFNER 1941, T.2, 216ff. GRIFFITHS 1970, 109: die von Plutarch angegebene HOPFNER

Bedeutung ist nicht überliefert.

130

VI. Die Etymologien

μ ύ ), diedie gleiche Bedeutung wieBebon und arch die Bezeichnung Smy(Σ Seth haben soll (376B).525 Die ägyptische Bezeichnung des Hundssterns (des griechischen Sirius), θ ις ). Die Ägypter nannten solche Sternῶ des Sternes derIsis, warSothis (Σ bilder auch ‘Seelen’der Götter. So hatten Horus denOrion, Isis die Sothis, D).526 In einer etwas anderen InterSeth den Bären als Sternbilder (359C– pretation bezeichnet Plutarch die über denWind gesetzte Kraft (ἡ μ ις δ ν α ύ α ο μ τ ) bei einigen Osiris, bei anderen Sarapis undauf Ägypἐ π ς εύ ὶτ ν ο ῦπ ί) Sothis (375F). Die Namen derbeiden Götter Osiris und τ tisch (Α τ ισ π υ ἰγ Sarapis, die er in anderen Passagen sowohl aus demGriechischen als auch aus demÄgyptischen abzuleiten versucht undüber deren sprachliche Herkunft er sich selbst nicht im Klaren war, reklamiert er hier für seine Muttersprache. (Fünf Zeilen später hält er Sarapis allerdings wieder für denägyptischen, Osiris für den griechischen Namen.) Sothis dagegen gibt er als entsprechende ägyptische Bezeichnung aus. Es ist tatsächlich die griechische Form des ägyptischen Namens des Hundssterns, außerdem galt Sothis als Göttin, die für dieNilüberschwemmungen verantwortlich war.527 Die weiteren Ausführungen Plutarchs zu diesem Namen sind allerdings äußerst unglaubhaft. Zunächst behauptet er, Sothis bedeute übersetzt “ Schwangerschaft” σ η ις ) bzw“schwanger sein”(κ ύ (κ ), underverbindet sprachlich ε ιν ύ diese griechische Übersetzung mit dem griechischen Wort für den Hundsstern: κ ύ ν(376A). Er äußert in diesem Zusammenhang allen Ernstes, das ω Wort κ νsei aus κ ύ ύ ε ω ιν–“schwanger sein”entstanden.528 Sicher stützt er sich bei seiner Erklärung auch aufdie Gestalt derIsis als Mutter (vgl. Μ ο ύ θ ) undSchöpferin allen Lebens.529 Schließlich setzt sich Plutarch mit demCaniden Anubis530 auseinander. Er bezeichnet ihn als eine Kraft, die sowohl im Irdischen (χ θ ό ν ιο ς)531 als auch im Himmlischen (Ὀ μ λ ύ π ιο ς ) wirke, undsetzt ihn mit Kronos gleich 525

THISSEN 1992,

ägyptische Schreibung

247f. versucht, die Deutungen Plutarchs undihren Bezug auf die

zuerschließen.

526 Vgl. KEES 147. 267f.; HOPFNER 1940, T.1, 162ff.; GRIFFITHS 1970, 371f.; WITT 15. 19. 527 Sie spielte imägyptischen Kalender eine große Rolle; Kl.P.V 290. DieBedeutung desNamens der Göttin ist unbekannt. 528 Vgl. auch oben S.65. Vgl. dasselbe Wortspiel zwischen κ ύ ω νundκύ ε ινauch 368F. 529 HOPFNER 1941, T.2, 244. 530 Dieser warbei denÄgyptern

ein Schakal, wasdie Griechen aber mit demHund verwechselten; HOPFNER 1925, 60f. GRIFFITHS 1970, 317 Anm.3. 467 lastet diese Verwechslung eher denÄgyptern an. 531 Vgl. auch GRENIER 57f. n.16.

3.1. DieEtymologien ägyptischer Wörter inDeIside et Osiride

131

(368E). Die Sorge sowohl für überirdische als auch unterirdische Elemente will Plutarch in den Benennungen des Gottes sehen, der entweder als β ις ) bezeichnet werde.532 μ ά ν ο υ ρ ) oder Hermanubis (Ἑ β ις υ ο ν Anubis (Ἄ

Jener bedeutet Plutarch zufolge die obere, dieser die untere Welt, wobei er –“oben, nach oben”etymologisiert (375E; vgl. auch ν ω β ιςmit ἄ ο υ Ἄν 368E).533 Plutarch hat eine Reihe weiterer ägyptischer Gottheiten genannt undbeschrieben (z.B. Kneph 359D) undmit verschiedenen griechischen Göttern identifiziert. Da er dabei jedoch nicht näher auf die Namen eingeht und diese weder übersetzt noch etymologisiert, wird darauf nicht weiter eingegangen werden. Die Tatsache, daß er diese Wörter nennt, spricht freilich dafür, daß die Autoren seiner griechischsprachigen Quellen mit der ägyptischen Sprache und Religion vertraut gewesen sein müssen. Es ist zu vermuten, daß Plutarch bei seiner Reise nach Ägypten selbst viel Mündliches von denPriestern erfahren hat, daer sie oft als Quelle seines Wissens angibt.534 Dagegen ist es eher unwahrscheinlich, daßPlutarch sich selbst mit derägyptischen Sprache in größerem Maße beschäftigt hat.535 Sein Text läßt darauf nicht zwingend schließen wie beispielsweise für seine Kenntnis der lateinischen Sprache in der Passage Dem.2. Plutarch hat auch an keiner Stelle die ägyptische Sprache oder Schrift in der Weise charakterisiert oder deren Besonderheiten beschrieben, wie er es mit dem Lateinischen des öfteren tat.536 Meiner Meinung nach warer bei seinen Ausführungen auf die

532 Diese Benennungen waren durchaus verbreitet, daAnubis als Totengott, derspäter jedoch von Osiris verdrängt wurde, mit Hermes als Geleiter der Totenseelen in den Hades Berührungspunkte hatte; HOPFNER 1941, T.2, 243; KEES 357; GRIFFITHS 1970, 61. 318. 517f.; WITT 154. 198ff.; GRENIER 53f. 533 HOPFNER hält die Verbindung des Anubis mit himmlischen Dingen für falsch 49). Vgl. (T.2, 243f.), ebenso ROSCHER (Bd.1, 386f.) undPIETSCHMANN (RE 1, 1894, 2645– aber KEES 207, der die Titulierung “ Leiter des Himmels”nachweist. Anubis bedeutet Kind” wahrscheinlich “ Hündchen”(KEES 28; ALTENMÜLLER, Lex. d. Ägypt. 1, 327f.), “ , Königssohn”(ALTENMÜLLER a.a.O.). Siehe junger Hund”(PIETSCHMANN a.a.O.) oder “ “ auch GRENIER 3ff. 534 Vgl. dazu GRIFFITHS 1970, 101ff., derebenfalls keinen Grund sieht, anPlutarchs Ägyptenreise zuzweifeln. 535 Zumal diePriester in derMehrzahl zuPlutarchs Zeiten griechisch verstanden haben; HOPFNER 1925, 48f. Vgl. dagegen THISSEN 1992, 245, der meiner Meinung nach doch zu weit geht, wenn er bemerkt: “Selbst wenn ... Plutarch einen Teil davon (ägyptische Etymologien, Anm. d. Verf.) aus früheren Quellen, z.B. Manetho übernommen hat, verfügte er doch nach meinem Eindruck über sehr gute Kenntnisse von ägyptischer Schrift undSprache.” 536 Obgleich er doch auch einige Bemerkungen machte, dievoneiner Beschäftigung mit der ägyptischen Schrift undSprache zumindest durch seine Quellen zeugen könnten.

132

VI. Die Etymologien

griechischsprachigen Quellen wie Manetho oder Diodor unddie mündlichen Aussagen der Priester angewiesen und konnte in sprachlicher Hinsicht nichts Eigenes beitragen. Möglicherweise ist Plutarch von seiner Freundin Klea, der Isispriesterin in Delphi, die ihn in die Mysterien des Osiris eingeweiht hat undan die er diese Schrift richtet (351C; cf. 242E), inspiriert worden, oder sein aus Ägypten stammender Lehrer Ammonios hat ihn mit derägyptischen Religion undKultur vertraut gemacht, so daßsein Interesse für diesen Gegenstand geweckt wurde.537 Vielleicht machte dieser ihn auch mit den ägyptischen Hieroglyphen und deren Bedeutung in dem Maße bekannt, daß Plutarch seine Quellen nutzen konnte wie z.B. bei der Etymologie des Namens Osiris. Auch die Beschreibung und Deutung Gehör”als Hase, ägyptischer Hieroglyphen (Osiris als Auge und Szepter, “ den ersten Buchstaben als Ibis etc.) zeugen von einer gewissen Einsicht in die ägyptische Schrift. In dieser Richtung teilt uns Plutarch eine weitere bemerkenswerte Beobachtung mit. Die Anzahl der ägyptischen Buchstaben betrüge 25 (5 mal 5; 374A). Laut HOPFNER ist das unter bestimmten Voraussetzungen durchaus richtig, Plutarch müßte die sogenannten phonetischen Zeichen gemeint haben.538 Diese interessanten Bemerkungen bedeuten aber keinesfalls, daß er Ägyptisch konnte.539 Neben denzahlreichen Namen ägyptischer Götter erklärt Plutarch geographische Ausdrücke. Einige dieser Namen waren in ihrer gräzisierten Form sicherlich in Griechenland undRomallgemein bekannt. Sein Interesse an denStädtenamen resultierte gewiß nicht zuletzt aus seiner eigenen Reise nach Ägypten, obwohl er aller Wahrscheinlichkeit nach nurAlexandria besucht hat. Von dieser Reise spricht er nach seiner Rückkehr ausAlexandria zuseinen Freunden in denQuaestiones convivales (678C), unddaandiesem Dazu gehört z.B. 738E (Quaest.conv.): “ Hermes soll vor allen anderen Göttern die Buchstaben in Ägypten erfunden haben. Deshalb bezeichnen auch die Ägypter in ihrer Schrift denersten Buchstaben mitdemVogel Ibis, weil dieser zumHermes gehört, obwohl meines Erachtens sehr unpassend, weil sie einem stummen undlautlosen Tier den Vorrang unter denBuchstaben einräumen”(siehe die Erläuterungen vonTEODORSSON 3, 316f.; vgl. auch 355E). An anderer Stelle bemerkt er, daßdie Ägypter dasWort “ Gehör” mit demBild des Hasen bezeichneten (670F). Vgl. dazu die Anmerkungen von TEODORSSON 2, 114f. Den Haß würden sie mit Hilfe eines Fisches darstellen (363F). An dieser Stelle findet sich auch die Erläuterung einer Inschrift durch Plutarch. Dazu GRIFFITHS 1970, 105f. 108. Vgl. auch 371C (Typhon als Flußpferd). 537 Vgl. NILSSON 2, 629f. 538 HOPFNER 1941, T.2, 238. Ähnlich GRIFFITHS 1970, 109. 509f., der noch darauf hinweist, daßdieÄgypter solch einAlphabet, wiePlutarch es vonseiner Muttersprache her kannte, nicht hatten. Außerdem deuteten Plutarchs Erklärungen eher aufvorptolemaiischen Gebrauch. 539 Ähnlich GRIFFITHS 1970, 102f.

3.1. Die Etymologien ägyptischer Wörter inDeIside et Osiride

133

Gespräch noch sein Großvater Lamprias teilnahm, muß Plutarch die Reise als relativ junger Mann gemacht haben.540 Allerdings gibt es in seinen Werken, auch in der Schrift De Is. et Os., keine weiteren direkten Hinweise, wie beispielsweise eigene Beobachtungen, geographische Beschreibungen etc. auf diese Reise, wenn man davon absieht, daß er sich des öfteren in recht unbestimmter Weise aufdiePriester beruft.541 Zunächst hat uns Plutarch die Benennung der Ägypter für ihr eigenes γ ελ ά ία μ . Ägypten sei wegen seiner schwarzen Erde (μ η Land überliefert: Χ μ ία η γ )Χ ειο ῦ ο μ α λ ο ῦὀφ θ ντ α λ έ ς ) gleich dem Schwarz des Auges (τ ὸμ benannt worden (364C).542 Diese Erklärung ist vollkommen richtig, da Ägypten wegen des aufgeschwemmten Nilschlamms tatsächlich schwarzschwarzes Land”nannten.543 erdig erschien unddie Ägypter ihre Heimat “ Ιüberliefert, aus dem Μ Η Μ Ε Η bzwΧ Aus demKoptischen sind die Formen Κ Demotischen kmy. Andererseits bezeichneten die Ägypter die Pupille tatsächlich mit einem ganz ähnlich klingenden Wort.544 ), am Delta ις φ έμ Eine der wichtigsten Städte Ägyptens warMemphis (Μ des Nil gelegen. Für die Griechen hatte diese Stadt vor allem kulturellen Wert. Viele Philosophen unternahmen dorthin Bildungsreisen wiebeispielsweise Eudoxos von Knidos (354E). Plutarch erklärt Memphis neben einigen anderen Orten zur Grabstätte des Osiris.545 Daher müsse der Name mit ο ) übersetzt werden.546 Ohne weitere ιδ ς ίρ σ ο ά ςὈ φ Grab des Osiris”(τ “ Erklärung gibt Plutarch eine zweite mögliche Übersetzung desNamens der ν ; 359B). Das kann er ῶ ο μ ρ ςἀγαθ Hafen der Guten”(ὅ Stadt Memphis an: “ in diesem Zusammenhang wohl auch nurim Sinne einer Grabstätte gemeint

540 Vgl. K. ZIEGLER 654. 541 Auch solche Bemerkungen

wieüber dieBildsäulen in denTempeln vonTheben (355A), die bronzenen Tore von Memphis (362C) oder die Inschrift in der Vorhalle des Minervatempels in Saïs (363F) lassen nicht zwangsläufig auf eigenes Erleben Plutarchs schließen; er kann diese Informationen ebenso durch mündliche oder schriftliche Überlieferung erhalten haben (vgl. auch 371C: Hermopolis; 371E: Darstellung des Osiris). Dazu auch GRIFFITHS 1970, 102f., derdenUnterschied gerade zuHerodot herausstellt, der sich sehr häufig explizit aufselbst Gehörtes bzw. Gesehenes bezieht. 542 Auch Herodot bezeichnet Ägypten als μ α γ ιο ελ γ ς(II 12). ά 543 WITT 15; cf. BRACK, Lex. d. Ägypt. 1, 916. 544 THISSEN 1992, 249. Vgl. auch HOPFNER 1941, T.2, 155f. sowie GRIFFITHS 1970, 108. 425f., dieeine Reihe vonBelegen ausgriechischen undägyptischen Texten anführen, die Ägypten ebenfalls als “schwarzerdig”o.ä. bezeichnen. Außerdem haben beide mehrere Belege fürdieinhaltliche Verbindung Ägypten-Pupille zusammengetragen. 545 Vgl. KEES 94. 293. 546 Siehe die Erläuterungen von GRIFFITHS 1970, 365.

134

VI. Die Etymologien

haben, der “ Guten”als die Toten.547 Memphis, was Hafen”als Grab, die “ wieder die griechische Form desNamens ist (aus demKoptischen ist Μ Η Β Ε der gute Ort” überliefert), bedeutet im Ägyptischen “ .548 Plutarchs Übersetzung ist erneut aus einer Verwechslung entstanden, da das ägyptische Wort für “ Hafen”klingt.549 Ort, Stelle”ähnlich demfür “ Umdas Grab des Osiris stritten sich einige Orte, Plutarch selbst nennt schon vier.550 Eindeutig ist für ihn diese Frage bei dem Ort Taphosiris (Τ α ο φ φ ό σ ςundOsiris zusammengesetzt sein soll ις ιρ ), dessen Name ausτά (359C). Allerdings sind mehrere Orte mit demNamen Τ α ε ό σ π ιςüberlieιρ Daher könnte man vermuten, dieser ägyptische Ort wurde entweder fert.551 wegen des Osirisgrabes umbenannt oder durch die Mißdeutung des griechischen Namens zur Stätte des Osirisgrabes gemacht. Des weiteren nennt Plutarch Busiris (359B),552 die Geburts- undwichtigste Kultstätte des Osiris, sowie die Insel Philai (359B)553 als mögliche Orte fürdasGrab desOsiris. Eine bedeutende Stadt in Oberägypten in römischer Zeit, in derIsis verό π τ ο ς , Κοπτώ).554 Bei diesem gräzisierten ägypehrt wurde, warKoptos (Κ lag eine Etymologie ausdemgriechischen κόπ tischen Namen555 τ ε ινnahe, worüber Plutarch uns zwei Geschichten überliefert hat: 1. Als sie die Nachricht vom Tode ihres Gatten Osiris bekommen hatte, schnitt sich Isis eine η ) und legte Trauerkleider an.556 ν ε ιντ νκόμ π τ ὴ ό Locke ihres Haares ab (κ Das geschah –so Plutarch –an der Stelle, wo sich heute die Stadt Koptos befindet. 2. Andere allerdings würden behaupten, der Name dieser oberägyptischen Stadt sei voneinem Wort derBedeutung “ berauben”(κ π ό τειv?) gebildet worden: τ ’ λέγ τ ο ε υ ε ιν σ ῖν‘κόπ ο σ π ερ τ ρἀ ι(356D). Plutarch ὰ ὸγ

547 Vgl. Strab.XVII 22 p.803 undDiod.I 22, 10. 548 KEES 182.

549 HOPFNER 1940, T.1, 148f. Vgl. auch GRIFFITHS 1970, 107. 364f. 550 Vgl. KEES 320f. 325. 332. 349 Anm.1. 551 So z.B. bei Strab.XVII 14ff. p.799f. Vgl. HOPFNER 1940, T.1, 158;

1970, 370 (weitere Belege). 552 KEES 89. 112; HOPFNER 1940, T.1, 156. 553 KEES 406f.; HOPFNER 1940, T.1, 149f.; WITT 61f.

GRIFFITHS

554 Es warvorallem die Stadt desGottes Min; KEES338ff.; FISCHER, Lex. d.Ägypt. 3, 737f. 555 Vgl. KEES 182; HOPFNER 1940, T.1, 44: die überlieferte koptische Form ist Κ Ε ΒΤ

Ω.

556 Diese griechische Sitte ist laut GRIFFITHS 1970, 314f. impharaonischen Ägypten nicht belegt. Zur Isisverehrung in Koptos und speziell zur “ Locke der Isis”vgl. MERKELBACH 104.

3.1. Die Etymologien ägyptischer Wörter in De Iside et Osiride

135

erklärt allerdings nicht näher, worauf diese letztgenannte Etymologie zurückgeht, wahrscheinlich meint er dieihres Gatten beraubte Isis.557 Schließlich überliefert uns Plutarch den griechischen Namen einer ), die nach einem Knaben namens σ ο ύ ν η ιο λ ägyptischen Stadt Pelusium (Π α λ α ισ τιν ό ]) so ς σ ς , oder nach anderen Palaistinos [Π ιο ύ ο λ η Pelusius (Π benannt sei (357E).558 In diesem Zusammenhang erwähnt er einen Knaben ω ). Diesen Maneros hätten die Ägypter bei ihren ς έρ ν α namens Maneros (Μ Gastmahlen besungen, da er der Erfinder der Musik gewesen sein soll (357E).559 Plutarch hat noch eine andere Erklärung zu bieten, die nur bei ihm überliefert ist. So sei dieser Name vielleicht gar kein Eigenname, sondern eine Redensart, die sich die Ägypter beim Essen undTrinken zuriefen ατ ὰτοια ῦ ιμ α ἴσ τ Es möge alles wohl bekommen”(α in der Bedeutung “ ; 357E).560 ε ρ ίη π α Betrachtet mandieEtymologien ägyptischer Wörter, so fällt auf, daßdie Worter, die Plutarch ausdemÄgyptischen herzuleiten versucht, oft auf einer nachvollziehbaren Beobachtung basieren und der Ansatz meist gar nicht falsch ist. Neben denEtymologien nennt Plutarch seinen Lesern eine Reihe ägypῦ φ ι (372C; 383E; 384A), tischer Wörter wie ein Räuchermittel namens κ η ς(vgl. App. BT; 359B)561 sowie eine andere ägyptische δ η ίθ eine Pflanze μ (378C). Außerdem erwähnt er eine Reihe α έ σ ρ ε Pflanze mit demNamen π E), Φ α ω φ ί (362F; ρ(356D; 366D; 378D– ύ θ ägyptischer Monate wie Ἀ μ ε ν β θ (368C) ώ ί(371D) Φ α υ ν ί(362F), Τ ϋ α 372B; 377B), Ἐ π ιφ ί(372B), Π ή(378C). Das zeigt, daß Plutarch Quellen benutzt hat, deren ρ sowie Μ ο εσ Verfasser mit der ägyptischen Sprache vertraut gewesen sein müssen.562 Seine Hauptquelle warwahrscheinlich Manetho, dener auch sehr häufig er-

557 Auch GRIFFITHS 1970, 315 ist κόπ τ ε ιν indieser Bedeutung nicht bekannt. 558 HOPFNER kennt denägyptischen Namen dieser Stadt nicht (1940, T.1, 76), vgl. jedoch KEES, RE 19, 1937, 407f.: der altägyptische Name bedeutet “ Festung”(ebenso THISSEN, Lex. d. Ägypt. 4, 925f.) sowie GRIFFITHS 1970, 334f. 559 Vgl. Hdt.II 79, derberichtet, daßdieÄgypter denKlagegesang, derin Griechenland als Linos bekannt ist, Maneros nennen (nach demSohn desersten Königs vonÄgypten). Für weitere Erläuterungen siehe HOPFNER 1940, T.1, 71ff.; GRIFFITHS 1970, 332ff. (mit einigen Erklärungsversuchen aus der modernen Literatur); RUSCH, RE 14, 1928, 1048ff. Dieser Maneros warvielleicht einKlagegesang aufeinfrüh verstorbenes Kind. 560 Siehe HOPFNER 1940, T.1, 74; GRIFFITHS 1970, 107. 335. 561 Zu der Pflanze Methis vgl. GRIFFITHS 1970, 368.

562 GRIFFITHS (1970, 66f.) weist darauf hin, daß allerdings viele seiner möglichen Quellen (Manetho, Eudoxos, Hekataios von Abdera) vor der Einführung des alexandrinischen Kalenders (um 30 v. Chr.) entstanden sind. Plutarch benutzt konsequent die ägyptischen Monatsnamen, griechische Monate zieht ernurzumVergleich heran.

136

VI. Die Etymologien

Vonseiner Reise nach Alexandria wird er durch Gespräche undeigene Beobachtungen Anregungen für diese Schrift erhalten haben. Plutarch konnte zwar dasÄgyptische nicht verstehen, lesen oder garsprechen, er war aber wahrscheinlich dank seinem Lehrer Ammonios so vertraut damit, daß er beispielsweise denNamen des Osiris mit “vieläugig”übersetzt, was u.a. auch Diodor macht, aber auch noch hinzufügen kann, ägypt. os bedeute in seiner Muttersprache “ Auge”(vgl. z.B. auch die Erklärungen viel”undiri “ ις ). Dagegen entbehren die μ η σ ιρ ία ό θ zuΧ ο ύ ,Μ , Ἅμ ν ,Ὄ μ ω ιςoder χεν φ μ Etymologien aus dem Griechischen meist jeder Grundlage (Isis, Sarapis, Osiris oder Anubis).564 Diese Tatsache erscheint uns evident, aber Plutarch vertrat die Auffassung, daß viele ägyptische Namen ursprünglich aus Grie-

wähnt.563

chenland stammen würden.

3.2. DIE ETYMOLOGIEN VON WÖRTERN ANDERER ‘BARBARISCHER’ SPRACHEN Schrift Defluviis enthält eine Reihe von Wörtern ‘barbarischer’ Sprachen, die vomAutor erklärt oder übersetzt wurden. Daß es sich in derTat weniger umEtymologien als vielmehr umÜbersetzungen handelt, muß uns nicht in erster Linie interessieren. Bedeutender ist, daß sich derAutor verschiedener nichtgriechischer Wörter angenommen hatund sich mit ihnen, sei es mit einer Übersetzung, sei es mit einer Erklärung, beschäftigt. Da es sich bei dieser Schrift nicht umein Werk Plutarchs handelt, werden die Erläuterungen und Übersetzungen des Autors an dieser Stelle zwar erwähnt und in die Untersuchungen einbezogen, weil der Autor im Sinne Plutarchs geschrieben zu haben glaubt, doch sollen die im Verhältnis zuPlutarchs Werken relativ vielen Etymologien von Wörtern ‘barbarischer’ Sprachen nicht überbewertet werden. Sowohl die Tatsache, daß eine solche undhäufig sind es geographische Namen oder BenenAnzahl von Wörtern – nungen aus dem Tier- undPflanzenreich, also eher seltener vorkommende in dieser Schrift auftauchen, als auch die Art undWeise der BeWörter – schreibungen zeigen ganz deutlich, daßes sich nicht umein Werk Plutarchs handeln kann (neben den vielen philologischen Beweisen, die längst erbracht worden sind). Niemals hätte Plutarch auf eine solch stereotype Art seine Texte verfaßt. Der Autor beschreibt in jedem Abschnitt einen Fluß, teilt uns mit, wo dieser liegt, wie er früher geheißen hat, welche Gebirge

Die pseudoplutarchische

563 Siehe GRIFFITHS 1963, 250; ders. 1970, 78; WITT 21f. 564 Auch heute sind die meisten ägyptischen Götternamen wie Isis, Osiris, Neith etc. unerklärt oder aber in ihrer Deutung umstritten; BRUNNER 12.

3.2. Die Etymologien vonWörtern anderer ‘barbarischer’ Sprachen

137

oder Orte es in seiner Nähe gibt undschließlich, welche Pflanzen undTiere . in ihm zu finden sind. Jeder Fluß wird auf diese Art “abgearbeitet” Lediglich die Geschichten, die zu der Vergabe der Namen geführt haben sollen, könnten an Plutarch erinnern. Aber auch dies hat Plutarch in seinen Schriften lebendiger undwortreicher erzählt. DerAutor der Schrift Defluviis berichtet beispielsweise voneinem Geρἐσ ν ο μ εν , ὅ τ νκα ε α π ν ῖο ο η λ ύ ε θ ὶμ ο ρ λ λ ςΒα birge in Phrygien, das ὄ ν(De fluv.12, 3). Dort gebe es auch einen Stein, ό α σ ιλ ικ νβ ο ν ε μ η ν ευ ό μ ερ ρ , der in tiefer Nacht wie ein Feuer leuchtet. Die ή σ τ einen sogenannten ἀ η ν ευ μ μ ε ν ό ό ν εθ ερ ρμ ν ή ,ὅ ε π α λ λ Einwohner (die Phrygier) nennten ihn Β ύ σ α ιλ ε ς(De fluv.12, 4).565 Ein Gebirge in dem Gebiet der Skythen σ ἐ τ ιβ ρ ρ ιο αgenannt, was der Autor als Κ ιξ β ῦ ά wird von den Einheimischen Β μ έτω π ο ν(Widderkopf) übersetzt (De fluv.14, 4). Eine Pflanze in diesem ρ ίξ genannt, könnte manseiner Ansicht nach α Gebiet, vonden ‘Barbaren’Φ ο ρ ς(das Schlechte hassend) übersetzen (De fluv.14, 5). Beim η ν ό ο π ισ mit μ wachα λ λ α Euphrat, im Gebiet derParther, würde eine Pflanze namens Ἄ ξ ν(Warmkraut) heißen soll (De fluv.20, 3). μ ό ερ sen, wasθ ρ ά η ςgefunden ξ Eine andere Pflanze, die in Armenien bei dem Fluß Ἀ ν ε ο θ ρ ρ ά ά ς ισ ο π α ξ , was μ wurde, heiße in der Sprache derEinheimischen Ἀ ε ηλέγ τ α ρ θ ισ ν εν ο ιμ ο έ μ π ά η ν ευ ο ς ; De fluv.23, 2). μ ερ εθ τ ιςμ bedeute (ἥ ε τ α ιzeigt, daßderAutor dasWort ausdemArmenischen nicht aufDas λ έγ grund eigener Sprachkenntnisse übersetzt hat (was auch sehr überrascht hätte), sondern seine Informationen ausschriftlichen oder mündlichen Quel-

len schöpfte. ό λ λ α ξgenannt worden sein, wasnach MeiDerFluß Tigris soll früher Σ ή ς(hinabstürzend) zuübersetzen ist (De fluv. ρ α ε τω φ nung des Autors mit κ ρ ις–“Tiger” , 24, 1). DenNamen Tigris habe derFluß vomgriechischen τίγ daan diesem Fluß Dionysos sich in einen solchen verwandelt habe, umein Mädchen, das seinem Verlangen bisher widerstehen konnte, für sich zu gewinnen (De fluv.24, 1).566 ο υ δ ν ο γ ν übersetzt derAutor, indem er ο ύ DenNamen derkeltischen Stadt Λ γ ο νim Keltischen κό ο ῦ ihn in seine Bestandteile zerlegt. So soll λ ρ α ξbeο π jedoch τό ς(De fluv.6, 4). Die phrygische Stadt Ν ν ο ν ο ῦ deuten, δ ρ ικ ο ν ώ Schlauch des habe ihren Namen von der abgezogenen Haut des Marsyas (“ die abgezoσ κ ό νin derphrygischen Sprache ὁἀ ς–“ ο Marsyas” ρ ικ ), daνώ gene Haut”bedeute (De fluv.10, 2). Diese Erklärung gründet sich auf eine Lokalsage, die der Autor in diesem Zusammenhang beschreibt. So soll der Schlauch des Marsyas”in Kelainai, woder Silen besonders verehrt wurde, “ 565 ZuΒ α λ λ ή ν–β α σ ιλ ε ύ ςvgl. z.B. Baal; ROSCHER Bd. 1,748. 566 Zu Dionysos in Indien vgl. KERN, RE 5, 1903, 1040f.

138

VI. Die Etymologien

mitderZeit verdorben, ins Wasser gefallen undfortgespült worden sein. Ein Fischer habe die Haut gefunden, undder Lakedaimonier Peisistratos gründete aufgrund eines Orakelspruches andieser Stelle die Stadt Norikon.567 Eine sehr eigentümliche Erläuterung gibt unsderAutor für denNamen der iberischen Halbinsel Hispania/Spania.568 Danach ließ Zeus, nachdem er die Iberer besiegt hatte, Pan als Verwalter dort, wovon das Land Pania ) genannt ν ία α π (Π α ν ία ), von den Nachkommen später jedoch Spania (Σ wurde (De fluv.16, 3). Diese Erklärungen hat der Autor der Schrift Defluviis freilich nicht durch seine eigenen Sprachkenntnisse realisiert. Er führt am Ende fast jeden Abειτο , λ φ ν ο ,Κ ῶ ε ς θ ό schnitts seine Quellen an (Δ ο , Τιμ α τ ς κ υ λ ο λ σ ,Σ τρ ς ώ έρ ρ χ έλ α ο λ ο Ἀ ςu.v.m.). Es scheint sehr unwahrscheinlich, daß ς , Ἀριστόβου ein griechischer Schriftsteller all jener Sprachen wie des Phrygischen, Armenischen, Skythischen etc. mächtig gewesen sein soll, um diese doch eher nichtalltäglichen Bezeichnungen übersetzen zu können. Viele der Erzählungen, Etymologien undseltenen Begriffe aus der Tier- undPflanzenwelt sind imübrigen oft nurin dieser Schrift. Vereinzelt sind auch in denTexten Plutarchs Etymologien oder Übersetzungen fremdsprachlicher Wörter zu finden. Diese neun Erklärungen nehmensich in seinem umfangreichen Werk allerdings sehr bescheiden aus. η So leitet Plutarch denNamen derΛ ς ε υ , derjüdischen Priesterdiener, ΐτ Leviten”bedie er für Zitherspieler hält (die Juden selbst würden diese als “ F) ab. Beides sind ύ σ ιο zeichnen), von Lysios (Λ ὔ ιο ς ; 671E– ς ) oder Euios (Ε Beinamen desDionysos. DaPlutarch dieLeviten irrtümlich als Zitherspieler ansieht, ist die Verbindung zu Dionysos für ihn durchaus denkbar.569 Auch das Sabbatfest will er mit Dionysos unddessen dionysischen Feiern verbinden. Der Name könnte seiner Meinung nach von der leidenschaftlichen β ε Bewegung der Teilnehmer stammen, was im Griechischen mit σ ῖσ θ α ι ο F).570 bezeichnet werde (671E– Der Labraundensische Zeus genoß in Karien (vor allem Mylasa) große Ehren.571 Weil unter den im Kampf gegen die lydischen Könige erbeuteten

567 Vgl. auch ROSCHER Bd.2, 2444. 568 Die kürzere Form Spania waretwa ab demersten nachchristlichen Jh. gebräuch-

alsHispania. 569 Die Leviten waren Nachkommen desLevi (des dritten Sohnes Jakobs undLeas), ihrNamekommt ausdemHebräischen. Siehe dazuauch TEODORSSON 2, 121u. 127f. 570 Plutarch dachte bei dieser Etymologie vielleicht auch an den phrygischen Gott ά β ζ α ιο ς Σ , dermitDionysos identifiziert wurde undderauch in Jerusalem Anhänger fand. Vgl. Kl.P.IV 1478f.

licher

571 In den codices ist für den Gott die Form Λ α ρ έαüberliefert, BERNARDAKIS δ β α ρ α ν δ έ β α (BT). verbessert Λ α

3.2. Die Etymologien vonWörtern

anderer ‘barbarischer’ Sprachen

139

Waffen, die diesem Zeus geweiht wurden, auch einBeil war, wurde derGott Beil”heiße bei den Lydern λ ρ β υ ά Plutarch zufolge so genannt; denn “ ς ’τ ὸ νπ έλ ε κ υ μ νὀν ά ο ρ 302A).572 β υ ο ζ ν υ σ ά ι; 301F– ρ‘λ (Λ ὰ δ ο υ ὶγ Der germanische Volksstamm derKimbern erhielt Plutarch zufolge seidieRäuber”(ο nenNamen zurecht, dadieGermanen dasWort kimbern für “ ἱ α ί) benutzten (Mar.11).573 Einige Zeilen später schreibt Plutarch, die σ τ ῃ λ Kimbern hätten zunächst Kimmerier geheißen, ihr neuer Name passe aber besser zuihnen. Hier brachte Plutarch einiges durcheinander; die Kimmerier waren ein nomadisches Reitervolk, das wahrscheinlich aus dem Kaukasus nach Kleinasien kam.574 Durch die Schlacht Alexanders des Großen gegen Dareios wurde der so Plutarch assyrische Ort Gaugamela bekannt. DerName dieses Ortes soll – –“Haus des Kamels”(ο ή λ ο ) bedeuten, weil einer der alten Köniυ μ ἶκ ο ςκα ge dorthin aufeinem schnellen Kamel seinen Feinden entkam (Alex.31).575 Schließlich gibt es Personennamen, deren Herkunft Plutarch zu ermitteln versucht. Der Tyrann von Kyme, Aristodemos, wurde von den ‘Barbaκ ό α α λ ςgenannt (das heißt im Griechischen ren’(ohne nähere Angabe) Μ ), weil dieses Wort “Jüngling”bedeute und dieser Aristoder “ Weichling” demos sich in jungen Jahren im Krieg gegen die Barbaren (Etrusker?) E). Es ist unnötig zusagen, daßdiese Erläuterung ausgezeichnet habe (261D– Plutarchs falsch ist. Mit der Erklärung des Namens des persischen Königs Kyros hat Plutarch eine weit verbreitete Volksetymologie aufgegriffen. ρκα ὰ λ ε Kyros heiße bei den Persern die Sonne (Κ ῖνΠ νγ ρ ο ῦ α σ ςτ έρ ὸ ν ἥ λ ιο ν ; Artax.1). Ein berühmter indischer Weiser namens Sphines, der α Alexander beraten sollte, wurde von den Griechen Kalanos (Κ λ α ν ό ς ) genannt, weil er die ihm Entgegenkommenden nicht mit dem griechischen 572 Labrys ist tatsächlich die lydische Bezeichnung fürdieAxt, die Verbindung zum 9. Das Wort ist allerdings unbeHALLIDAY 186– kannter, nichtindoeuropäischer Herkunft, Plutarch wardieses Lehnwort vermutlich nuraus demLydischen, das zur indogermanischen Sprachfamilie gehört, bekannt; GANSZYNIEC, RE 12, 1924, 286f. 573 Auch Poseidonios (b. Strab.VII 2, 1 p.293 [λ ῃ σ ρ τ ικ ο ὶ ὄν τ ε ςκ α ὶπ η λ τ ε ά ν ς ]) ) bezeichnen die Kimbern als Räuber, verbinden allerdings ε ιν ύ ε σ τ ῃ und Diod.V 32 (λ keine Etymologie damit. Die Herkunft desNamens dieses germanischen Volksstammes ist dieLeute vomRande (kim), vondenKüsten desMeeunklar. Eine mögliche Deutung ist “ res” ; M. SCHÖNFELD, Wörterbuch der altgermanischen Personen- und Völkernamen, Heidelberg 21965, 63f. 574 Schon Poseidonios (b. Strab.VII 2, 1 p.293) bringt dieKimbern mit denKimme-

Zeus Labrandeus ist eher zweifelhaft;

riern zusammen. 575 Die Erzählung

ist Legende und die Etymologie eine Volksetymologie; Kl.P.II RE 7, 1910, 861f.: das Wort bedeute “Kamelsrücken”. HAMILTON 80: Gaugamela really means ‘the grazing place of thecamel’. “

703.

STRECK,

140

VI. Die Etymologien

ε ιν α , sondern mit dem entsprechenden indischen Wort Kale Gruß Χ ίρ α έ ) begrüßte (Alex.65).576 Die Griechen nahmen also Plutarch zufolge (Κ λ zum Anlaß, daß der Inder ihnen einen Gruß in seiner Muttersprache und nicht in ihrer eigenen entgegenbrachte, ihm mit Hilfe dieses ‘barbarischen’ Grußes einen Beinamen zugeben. glänzende undbewundernswerte TaSchließlich würden die Phrygier “ ω ν )Μ α ν άnennen, und zwar ικ ὰτ νἔργ τ ῶ σ α μ υ α α ὶθ ὰκ ρ ten”(τ π ὰλαμ η ) oder, wie andere ihn nennen würς ν ά nach ihrem alten König Manes (Μ η ς ; 360B).577 ν σ ά den, Masnes (Μ Das waren die in den anderen plutarchischen Schriften verteilten Etymologien ‘barbarischer’ Sprachen. Diese Erklärungen sind alle falsch und geben auch kaum Anhaltspunkte zu ihrem Entstehen. Einige waren verbreitet (Kyros), andere sind nurbei wenigen Schriftstellern überliefert (Gaugamela, Kimbern), wieder andere nur bei Plutarch (Kalanos). Im Gegensatz dazu haben wir bei den ägyptischen Etymologien in De Is. et Os. doch eine Reihe richtiger Erklärungen und Übersetzungen gefunden, die von einer näheren Beschäftigung Plutarchs mit diesen Wörtern und gut informierten Quellen zeugen. Die zuletzt behandelten Etymologien dagegen nahm Plutarch in seine Texte auf, wenn ihm eine Geschichte interessant erschien (Gaugamela, Kalanos) oder wenn die Etymologie seine Erzählung sinnvoll ergänzen konnte (Kyros, Kimbern). Schließlich nennt Plutarch noch einige Wörter, ohne sie zuetymologisieren. η Der Titel des Dareios, bevor er König wurde, war ἀ σ δ τά ν ς(Alex.18; 326E; 340C),578 ein kleiner Vogel in Persien, der sich nur von Wind und Tau ernähre, heiße ῥυν η ς(Artax.19), ein heiliges Kraut nennen die Perκ ά τ Die Artemis würde in Persien Ἀ ser ὄμ ω ν ι(369E).579 ν α ΐτ ιςgenannt (Artax. σ π ε τ ο 27),580 Achilleus in Epeiros Ἄ ς(Pyrrh.1) unddie Stadt Antiocheia in ις(Luc.32).581 Den keltischen Namen der Frau des ίσ ιβ Mygdonien Ν 576 Vgl. die Anmerkungen bei HAMILTON 181. Kalanos könnte die Übersetzung einesindischen Namens sein. 577 Herodot (I 94) bezeichnet Manes als lydischen König. 578 Vgl. dazu die Anmerkungen von P. HUYSE, Persisches Wortgut in Athenaios’ 104 sowie HAMILTON 49, der weitere Belegstellen , Glotta 68, 1990, 93– Deipnosophistai” “ bei anderen Autoren anführt. 579 Mit demNamen Omoni wird der Saft einer in den Bergen wachsenden Pflanze bezeichnet; HOPFNER 1941, T.2, 205. 580 Siehe dazu NILSSON 2, 672ff.

581 Vgl. dazu Kl.P.IV 137ff. Natürlich nennt Plutarch auch viele ‘barbarische’ Eigennamen (vgl. z.B. 58D. 357B. 770D. 941C). Aber es würde zu weit führen, diese hier alle zu erwähnen. Das gleiche gilt für die geographischen Bezeichnungen unddie Namen ausderTier- undPflanzenwelt, diederAutor inDefluv. nennt.

3.2. Die Etymologien vonWörtern anderer ‘barbarischer’ Sprachen

141

ήwill Plutarch auf Griechisch μ π ο ν Lingonenfürsten Iulius Sabinus Ἐ ρ ω ίςübersetzen (770D).582 Schließlich überliefert er uns τ ί) mit Ἡ ν ισ η λ (Ἑ λ die Namen einer Insel im Indischen Ozean, die Alexander erreichte. Dieser ο ρ ι–die Einwohner?) jeτε σ τ ιςgenannt, andere (ἕ ῦ ο λ ιλ κ selbst hätte sie Σ Auch an dieser Stelle hätten wir uns ausführις(Alex.66).583 κ ῦ ο τ ιλ doch Ψ lichere Informationen des Autors gewünscht, so jedoch sind wir, wie bei vielen anderen Bemerkungen, auf dasWenige angewiesen, dasunsPlutarch mitteilt.

582 Tac.hist.IV 67 überliefert den Namen mit Epponina, Cass.Dio LXVI 16, 2 mit α ν ίλ . Vgl. dazu PIR2 E 81 sowie C. CICHORIUS, Historisches zum Plutarchischen ο επ Π 11, der die Darstellung des Amatorius, in: ders., Römische Studien, Darmstadt 21961, 406– Schicksals von Empone undIulius Sabinus in dieser Schrift als weiteren Beleg für ihre Abfassung erst nach Plutarchs Tod (und zwar in der zweiten Hälfte der Regierungszeit Hadrians) ansieht. Seiner Meinung nach ist derältere Sohn Plutarchs Autobulus derAutor dieser Schrift, undnicht, wiemeist angenommen wird, derjüngere namens Plutarchus. 583 Auch HAMILTON (182) vermutet, daßmit “ denanderen”die Einwohner (“ the naalsNamen derInsel. α τ υ ο λ ίλ tives” ) gemeint sein könnten. Arrian an.VI 19,3 überliefert Κ

VII. FREMDSPRACHIGKEIT Während im Kapitel über die Etymologien Plutarchs Verhältnis zu anderen Sprachen im Mittelpunkt stand, soll in diesem Abschnitt die Einstellung anderer antiker Personen zu fremden Sprachen untersucht werden. Dabei muß beachtet werden, daß uns diese Informationen durch Plutarch übermittelt wurden undwir durch die Art, wie er bestimmte Dinge beschrieben hat und auch durch die Tatsache, daß er überhaupt solche Details erwähnt, seine Meinung zur Fremdsprachenproblematik erfahren können. Er schildert eine Reihe von Personen, die fremde Sprachen beherrschten. Wie zu erwarten finden sich Plutarchs Äußerungen zum größten Teil in den Parallelbiographien, dadort Personen imMittelpunkt derBetrachtungen stehen. Solche Bemerkungen sind kaum in den philosophischen, psychologischen oder medizinischen Texten der Vermischten Schriften zu erwarten gewesen. Sie kommen innerhalb der Moralia vor allem in den antiquarischen Schriften (Quaest. Rom., Defort. Rom., Quaest. conv., De defect. or., [Reg. et imp. apophth.] u.ä.) vor. Etwa fünfzig Bemerkungen Plutarchs zu dieser Problematik in denBiographien stehen nuretwa zehn in den Vermischten Schriften gegenüber. Ebenfalls nicht unerwartet ist die Tatsache, daß Plutarch in dieser Beziehung am weitaus häufigsten über Römer berichtet, die griechisch sprechen. Schließlich hat er in seinen Biographien jeweils zu einem berühmten Griechen einen ebenso bekannten Römer gestellt. Und Römer, zumindest die Mitglieder derführenden Familien, waren sowohl in derZeit der Republik (in dieser Zeit lebten die meisten dervon Plutarch erwähnten griechischsprachigen Römer)584 als auch zuseiner Zeit zweisprachig.585 Die Kinder dieser Familien wuchsen zweisprachig auf undwaren mit griechischer Dichtung (Homer) und Rhetorik (Demosthenes) vertraut. Zu Plutarchs Zeit hatten auch die Römer ihre Klassiker (Cicero, Vergil, Ovid), so daß die römische Literatur unddie lateinische Sprache der griechischen

584 Vgl. denArtikel vonWEIS. 585 ZumVerhältnis der Römer zumGriechischen siehe JÜTHNER 1923, 63ff. (“ das Griechische als unentbehrlicher Bildungsbestandteil für die Römer” 7; HERMANN ) u. 74– 1956, 41ff. (mit umfangreichen Quellenangaben); KAKRIDIS 5f. undvor allem das Buch vonKAIMIO (e.g.: “Greek as a cultural language”[322], “ Theposition of Greek ... indicates a general knowledge of Greek among educated Romans”[317]; er relativiert jedoch die Benutzung des Griechischen für private Konversation [318f.]). BALSDON 139 meint: Greek did not count as a ‘foreign’ language; it was ‘the other language’, andfrom the “ second century BC onwards ... aneducated Roman wasfluent ‘inboth languages’, utraque lingua.”

VII. Fremdsprachigkeit

143

durchaus ebenbürtig waren.586 Aber die Kenntnis der griechischen Sprache undKultur gehörte noch immer zur Bildung eines Römers.587 Seine römischen Freunde wie L. Mestrius Florus undQ. Sosius Senecio, die an vielen dervonihmbeschriebenen Symposien teilnahmen, beteiligten sich aufGriechisch an denGesprächen. Es gibt eine Reihe anderer Römer, die er in den Dialogen zuWort kommen läßt unddie häufig mit Zitaten griechischer PhiF), B; 734D– losophen oder Dichter glänzen. Florus ist mit Aristoteles (650A– F) vertraut, Sosius hat C) und Phylarchos (680C– E; 719A– Platon (717D– 623F).588 Theophrast (623A) gelesen, zitiert Pindar und Sophokles (622C– Plutarch hat eine Reihe von Werken diesen römischen Freunden gewidmet, so daß man davon ausgehen muß, daß sie die Schriften im Original lesen

586 Vgl. dazu MARROU 468– 89, derCicero als denHöhepunkt derVerbindung griechischer undrömischer Kultur darstellt. Nach diesem ist MARROU zufolge die griechische Kultur nicht mehr in dem Maße verinnerlicht worden, nicht zuletzt wegen der eigenen kulturellen Leistungen der Römer. Siehe auch GEHMAN 1915/16, der einige Stellen aus Plutarchs Viten zusammengetragen hat, die die Überlegenheit des Lateinischen über das bei aller Wertschätzung Griechische verdeutlichen sollen (Cat.12; Mar.2 etc.). Das war– für die lateinische Sprache –natürlich nicht Plutarchs Ansicht. In der Schrift Quaestiones Platonicae beschreibt Plutarch allerdings die lateinische Sprache als die Sprache, die von allen Menschen benutzt wird (1010D). Er kann mit dieser Meinung nurdie Bewohner des westlichen Imperium Romanum gemeint haben. In seiner Heimat war Griechisch immer noch die Sprache, selbst für Römer, die sich dort aufhielten. Vielleicht hat er sich zu dieser Bemerkung unter dem Eindruck einer längeren Rom- und Italienreise hinreißen lassen. Eine mögliche Erklärung solcher schwer mitPlutarchs sonstigen Ansichten in Einklang zu bringenden Bemerkungen ist seine Quelle, die in diesem Fall die Schrift eines Römers gewesen sein könnte. (Siehe auch obenAnm.124.) 587 SCHMITT (559) verwendet in diesem Zusammenhang denBegriff ‘Bildungssprache’, allerdings auch in Anführungszeichen, da er sicher der Bedeutung der griechischen Sprache in Rom nicht gerecht würde. Ähnlich DIHLE 1994, Anm.41 (S.154) sowie S.81: In derrömischen Oberschicht erhielt schon imLaufe des2. Jh. v. Chr. dasGriechische die “ Rolle einer Bildungssprache, etwa der Rolle des Französischen im 18. Jh. entsprechend.” (Dazu auch JÜTHNER 1923, 64ff.) Allerdings darf man auch nicht vergessen, daß die Römer Griechisch als Verhandlungssprache (z.B. im Senat) zunächst nicht duldeten, sondern nurLateinisch zuließen (besonders kraß z.B. bei Suet.Claud. 16, 2) undansonsten die Dienste von Dolmetschern anboten. Vgl. SCHMITT 561f.; BALSDON 126; FRANKE 18ff. (die “ 7 (“ ); HAHN 1906, 34– lateinische Sprache diente ... als Herrschaftssymbol!” Der Zweck war, ... die Achtung vor derSprache derRömer bei allen Völkern zuverbreiten.” ); zuDolmetschern imrömischen Senat cf. GEHMAN 1914, 54ff. 588 Die Teilnehmer andenGesprächen sindzusammengetragen bei K. ZIEGLER 68764. Vgl. dazu PELLING 1988, 4ff., der den Philhellenismus dieser 94 sowie JONES 1971, 39– Generation für modisch undrecht oberflächlich hält, dengriechischen Einfluß für wesentlich geringer als einige Generationen vorher. Als Beispiele nennt er Tacitus (im Vergleich zu Sallust) undIuvenal (im Vergleich zuHoraz). ZuSosius vgl. die Anmerkung zu612C von TEODORSSON 1, 32f.; dazu auch SWAIN (1) 1990, 129ff.

144

VII. Fremdsprachigkeit

Da Plutarch erst im Alter Latein lernte, sprach er bei seinen Besuchen in Rom mit seinen Freunden griechisch undhielt auch die Vorträge dort in griechischer Sprache. In Plutarchs Berichten über Römer mit

konnten.589

Griechischkenntnissen (und auch über andere fremdsprachige Personen) zeigt sich seine Bewunderung ob ihres Könnens. Er hatte selbst die Mühen erfahren, eine fremde Sprache zu erlernen, undkonnte daher diese Mühsal besonders guteinschätzen. Die Fiktion von einer gemeinsamen Sprache aller Menschen beschreibt Plutarch im Zusammenhang mit Erläuterungen zur persischen Götterlehre des Zoroaster (der nach Plutarchs Angaben 5000 Jahre vor dem Trojanischen Krieg gelebt haben soll).590 Demnach wird eine Zeit kommen, in der Ahriman, der böse, dunkle Geist, durch die von ihm selbst herbeigeführte Pest und Hungersnot untergeht. Dadurch würde die Erde gleich und eben werden undes entstünde “ ein Leben, ein Staat, eine allen gemeinschaftliche ἷςβ ίο ςκ α ρ ίαπ ο Sprache seliger Menschen ...”(ε λ ώ ὶμ ε ιτ π ίαἀνθ ω ν μ α κ ρ α ίω νκ α γ λ ο ώ σ ὶ ὁμ σ νἁ ν ω ά π ν τ ω ; 370B). Ich glaube allerdings nicht, daßPlutarch andieser Stelle eine bestimmte Sprache, auch nicht diegriechische, im Sinn gehabt hat. Er gibt Vorstellungen aus der persischen Götterlehre wieder, die er sicher einer ihm vorliegenden Quelle (im nächsten Abschnitt nennt er Theopompos) entnommen hat. ObPlutarch, hätte er sich weitere Gedanken darüber gemacht, seine Muttersprache als diese zukünftige Gemeinsprache angesehen hätte, ist zwar zuvermuten, allerdings hat er in einer anderen Passage dasLateinische als zuseiner Zeit überall verbreitet beschrieben (1010D; S. 34f). Im folgenden sollen Plutarchs Ausführungen zu Personen, die eine fremde Sprache erlernt haben, dargelegt und, wenn nötig, kommentiert und ausgewertet werden. Wie schon bei denEtymologien wird auch hier zu beachten sein, warum Plutarch jeweils an einer bestimmten Stelle eine solche Bemerkung macht: ist es sein Interesse an sprachlichen Dingen insgesamt, an der Person, die er beschreibt, ist die Erklärung für das Verständnis der Situation wichtig, oder würzt er mit einer Erzählung seine Geschichte? Ich werde in diesem Zusammenhang auch auf Situationen eingehen, in denen Plutarch fremdsprachige Inschriften, Bücher etc. erwähnt. Auch daraus kann manbeispielsweise auf Zweisprachigkeit bestimmter Personen oder Personengruppen schließen. 589 Plutarch richtet immerhin fast die Hälfte seiner Widmungen (insgesamt 24) an Römer. Einzelheiten siehe bei K. ZIEGLER 894f. Sosius Senecio widmet Plutarch neben den Parallelbiographien immerhin dieumfangreichen Quaestiones convivales sowie die Schrift Deprofectibus in virtute. ZuPlutarchs römischen Freunden vgl. S.10ff. 590 ZurDatierung undzurLehre desZoroaster vgl. HOPFNER 1941, T.2, 201– 11.

1. Lateinische

Sprachkenntnisse

145

1. LATEINISCHE SPRACHKENNTNISSE

Zunächst sollen die wenigen Stellen betrachtet werden, in denen der Autor Personen beschreibt, die sich die lateinische Sprache angeeignet haben bzw. in denen er Begebenheiten schildert, bei denen lateinisch gesprochen wurde. Der Sohn desletzten makedonischen Königs Perseus, Alexander, wurde zusammen mit seinem Vater nach dessen Niederlage gegen die Römer im Jahre 168 v. Chr. im Triumph nach Alba Fucens mitgeführt und dort zunächst gefangengehalten. Plutarch berichtet nun, daßdieser auch handwerklich sehr begabte junge Mann die lateinische Sprache und Schrift erlernte undals Schreiber bei denBehörden tätig war. Bei dieser Arbeit wäre er sehr geschickt undtüchtig gewesen (Aemil.37). Gebildete Kriegsgefangene wurden in Rom nicht selten in der Verwaltung oder im Haus eingesetzt und lernten dann zwangsläufig auch die lateinische Sprache.591 Häufig werden Sprachkenntnisse erst der Garant für einen solchen Einsatz gewesen sein, derfür die Sklaven bei weitem angenehmer war, als in derArena auf Leben undTodkämpfen oder auf denLatifundien, in Bergwerken undauf Baustellen schwere körperliche Arbeit leisten zumüssen. Weitere Erwähnungen Plutarchs hängen mit dem Partherfeldzug des Crassus (53 v. Chr.) zusammen. Nach seiner Niederlage zog sich derRömer nach Carrhae zurück undwollte vondort denAbzug seiner restlichen Truppen nach Syrien vorbereiten. Plutarch erzählt, daß ein Bote aus demHeer des Crassus nach der Schlacht Carrhae erreichte unddort die Wachen auf τ ί) anrief, sie sollten dem Kommandanten Coponius α ϊσ μ ω Lateinisch (Ῥ melden, eine große Schlacht habe zwischen Parthern und Römern stattgefunden (Crass.27). Wahrscheinlich hatten die Römer ein lateinisches Losungswort vereinbart. DerBote wollte mit seinem Anruf sichergehen, daß die Stadt noch in der Hand der Römer war, und die Wachen mußten aufpassen, daßkein Feind in die Stadt eindringt. Plutarch erwähnt hier also eine ganz selbstverständliche Angelegenheit. Surenas, der Feldherr der Parther, so wollte mit Crassus in Carrhae verhandeln. Zudiesem Zweck schickte er – ῷ δ γ – ι λ einen seiner ώ ᾽α Dolmetscher (τ ὐ ττ τ ρ ν ω ) ιν ὰτ α νπ ῶ Plutarch ὴδ ιά α λ ε κ μ ϊκ ω dorthin, der Crassus persönlich in lateinischer Sprache (Ῥ ο ) Verhandlungen anbieten sollte (Crass.28). τ ς Ein vermeintliches Mißverständnis nutzte Cicero für eine originelle Beυ έν ο ςἀ υ ίβ ὸγ ), der vorgab, Cicero nicht π ς merkung. Einem Afrikaner (Λ ν ο ο ὴἀ ε τ ο κ ύ ινλέγ ), antwortete dieser: “ ς Und zu hören, wenn er rede (μ doch hast du Löcher in den Ohren”(205B; 631D). Cicero wußte natürlich, 591 Siehe dazu BALSDON 124f. mit Beispielen undQuellenangaben. Vgl. auch HAHN 7 (“ Geiseln in Rom” 1906, 24– ) sowie ders. 1907, 698.

146

VII. Fremdsprachigkeit

daß der Mann auf seine afrikanische Herkunft und damit das angebliche Nichtverstehen des Lateinischen anspielte, undantwortete darauf auf seine Weise.592 Plutarch liebte solche geistreichen Aussagen und zitierte sie

in seinen Werken. Schließlich “ lernte”Plutarch zufolge ein Gott eine andere Sprache, vermutlich die lateinische. Ianus, der griechischer Abkunft gewesen sein soll, sei nach Italien gegangen undhabe sich unter dendort wohnenden ‘Barbaren’niedergelassen. Dann habe er auch noch deren Sprache und Lebensweise angenommen (269A). Dies ist eine der Begründungen Plutarchs für das doppelköpfige Wesen des Ianus.593 Da Plutarch keine genaueren zeitlichen Angaben macht undselbst nursehr vage Vorstellungen gehabt haben dürfte, könnte die von dem Gott angenommene ‘barbarische’ Sprache Etruskisch oder eine italische Sprache gewesen sein. Aber das kann der Grieche kaum wissen, er berichtet lediglich, daßes sehr lange her gewesen sein muß, dadie Einwohner Italiens noch als ‘Barbaren’bezeichnet wurden. Weil er die Römer aber nie ‘Barbaren’ nennt, könnte Plutarch die Etrusker oder einitalisches Volk (z.B. die Sabiner) gemeint haben.594 immer wieder

2. GRIECHISCHE SPRACHKENNTNISSE BEI RÖMERN

Wie oben schon angedeutet, erwähnt Plutarch verhältnismäßig viele Römer, die die griechische Schrift undSprache beherrschten. Aus seinen Worten spricht oft Bewunderung darüber, daß diese Männer auch in seiner Muttersprache solche Vollkommenheit erreicht haben undgriechische Literatur lasen (Lucullus, Cato Censorius, Cato Uticensis), griechische Briefe (Cice-

ro, Brutus), Reden (Cato Censorius, Pompeius, Cicero) oder gar historische 592 Vielleicht dachte Cicero bei seiner Bemerkung aber auch an die Ohrlöcher, die einen Sklaven kennzeichneten. Der Mann, den Plutarch in 631D Octavius (Ὀ κ τ ύ α ο ιο ) ς nennt, ist sonst nicht bekannt. TEODORSSON 1, 179f. (Anm. zu 631D) sieht in der Bemerkung eine Anspielung auf dieTracht derLibyer undanderer ‘barbarischer’ Völker, zuder Ohrlöcher und Ohrschmuck gehörten, und bringt eine Reihe von Belegen bei antiken Schriftstellern (Xen., Dio Chrys., Plaut., Strab. etc.). PETTINE (Anm.541, 331f.) glaubt an einen afrikanischen Sklaven. Cassius Dio(LXXIII 11, 1) erwähnt dieniedere Herkunft des Kaisers Macrinus undweist in diesem Zusammenhang auch auf die durchbohrten Ohrläppchen, eine –so Dio –maurische Sitte (κ α τ ὰτ ὸτο ρ ν ὺ ω ὺ α ύ νΜ ο ο ςπ λ ῶ λ ςτ ρ ιο ν ). π ιχ ἐ ώ 593 Diese doppelgesichtige Figur desIanus soll aufDoppelfiguren in derfrühen griechischen Kunst zurückgehen; ROSE1924, 178. 594 AmRande sei erwähnt, daßPlutarch glaubte, dieEtrusker seien ursprünglich Lyder gewesen (277C). Die Sabiner dagegen sollen sich Plutarch zufolge selbst für Nachkommen derLakedaimonier gehalten haben (Num.1).

2. Griechische

Sprachkenntnisse

bei Römern

147

(Lucullus) oder philosophische (Cicero) Werke in griechischer Sprache verfassen konnten.595 Den zweiten römischen König Numa Pompilius verbindet die Legende mit dem griechischen Philosophen Pythagoras, und zwar als dessen Schüler.596 In diesen Zusammenhang gehört die Auffindung vermeintlicher philosophischer Schriften desNuma, von denen auch Plutarch berichtet. Er beruft sich dabei auf Valerius Antias und erzählt, in dem Sarg des Numa hätten sich zwölf Bücher theologischen und weitere zwölf griechische λ ο υ ν... β ίβ ὲ ςἱεροφ αμ ν ε ώ κ α δ τ ικ ά philosophischen Inhalts gefunden: δ ς , ὰ υ ό ο ν ικ σ ςφ ο ιλ φ ς (Num.22). Über den η λ λ α λ ςἙ λ ὲἄ αδ κ δ ε ώ δ möglichen Inhalt derBücher soll andieser Stelle nicht spekuliert werden, es waren vermutlich vor allem pythagoreische Weisheiten.597 Nach Plutarchs Formulierung ist davon auszugehen, daß zumindest ein Teil der Bücher in griechischer Sprache abgefaßt war und die Fälscher annahmen, Numa beherrschte Griechisch. Dajedoch alles umNumaLegende ist, sind auch die Gedanken umseine Griechischkenntnisse nur Fiktion. Livius (XL 29, 3ff.) hat uns allerdings etwas ausführlicher über den Fund informiert. So seien zwei Kisten gefunden worden, die mit griechischen und lateinischen Buchstaben (litteris Latinis Graecisque) beschriftet gewesen seien. Auf der einen hätte gestanden, daßNuma Pompilius darin begraben sei, doch diese erwies sich als leer, auf der anderen, daß sie die Bücher desNuma beinhalteten. Es wurden nach Livius’Angaben tatsächlich sieben Bücher in lateinischer Sprache gefunden, die das Pontifikalrecht beschreiben (septem Latini de iure pontificio erant), undebenfalls sieben in griechischer Sprache, die Weisheitslehren enthielten (septem Graeci de disciplina sapientiae; wahrscheinlich pythagoreische Schriften, wie Valerius Antias hinzugefügt haben soll). Livius bestätigt also, daßein Teil derSchriften in griechischer Sprache berufen sich aufValerius Antias Plutarch undLivius – abgefaßt war. Beide – Die unterschiedliche Anzahl der Bücher kann, wenn Plutarch als Quelle.598 Livius nicht direkt benutzt hat, der Mittlerquelle geschuldet sein oder, wie wires schon desöfteren sahen, Plutarchs getrübtem Erinnerungsvermögen.

595 Weitere Beispiele beiKAIMIO 207ff., bes. 269. 596 Vgl. Num.1. Plutarch gibt auch dieMeinung wieder, daßNumagarkeine griechische Erziehung genossen, sondern seine Bildung einem Nichtgriechen (β ρ β ῳ ά ) zu verρ α danken hätte.

597 Zu Numa als Pythagoreer vgl. GLASER, RE 17, 1936, 1245f. Livius (XL 29, 8) streitet Numas Verbindung mit Pythagoras ebenso ab wie Dionysios von Halikarnassos (ant.Rom.II 59). 598 Zur Überlieferung der Geschichten umdiese Numabücher vgl. K. ROSEN, Die 90; zur Interpretation LATTE 268ff. falschen Numabücher, Chiron 15, 1985, 65–

148

VII. Fremdsprachigkeit

In historischer Zeit dagegen bewegt sich Plutarch mit seiner Biographie desRömers M. Porcius Cato (Censorius). Dessen Abneigung gegen die griechische Kultur ist schon in derAntike sprichwörtlich gewesen. Er wollte mit aller Macht die römischen Tugenden bewahren undandie nächsten Generationen weitergeben, unddaszueiner Zeit, in derdie griechische Bildung ein hohes Ansehen genoß, man denke nur an Scipio Aemilianus und seinen Kreis. Auch Plutarch geht aufdiese Einstellung Catos ein (z.B. M.Cat.4. 16. 23).599 Doch soll er –so Plutarch –im Alter noch Griechisch gelernt und griechische Bücher, vor allem die des Thukydides und des Demosthenes, gelesen haben.600 Plutarch zufolge hat Cato sogar von dieser Lektüre profitiert und sie zur Verbesserung seiner Redekunst genutzt. Seiner Ansicht nach weisen Catos Schriften viel griechisches Gedankengut auf, und seine η ν μ ευ μ ρ έ ν η α εθ Denksprüche sollen sogar wörtlich Übersetztes enthalten (μ Ob Plutarch selbst einige vonCatos Reden π ο λ α ὰκ έ λ τ ὰλ ; M.Cat.2).601 ξ ιν oder Aphorismensammlungen gelesen hat, die uns, wenn überhaupt, leider nurnoch fragmentarisch erhalten sind, ist angesichts desrecht komplizierten Prosastils des Römers eher unwahrscheinlich, so daßer sich vielleicht doch lieber auf griechische Gewährsmänner stützte.602 Einige der Aussprüche werden in derBiographie (c.8. 9) sowie in denunechten Regum et imperato199E) zitiert. Plutarch versucht sogar, Catos rum apophthegmata (198D– Redestil zu bewerten. Er charakterisiert ihn als “ gefällig und zugleich nachdrücklich, einnehmend und zurückschreckend, scherzhaft und bitter, ρ ιςγ ρἅ μ ὰ ακ ὔ χ α α ὶ δειν ὸ sinnreich und schlagfertig ...”(ε ςἦ ν ,ἡ δ ὺ α ςκ ὶ ρ μ νκ α ό ω ὶα ὐ σ μ μ τη α ς , ἀπ ώ η τ κ κ ο ικ τ σ εγ ό ικ ο ὸ φ θ α π λ κ τα ς , φ ιλ ςκ α ὶ γ ν ω σ ἀ τ ικ ό ). Für weitere Urteile und Vergleiche hält er sich allerdings ς

599 In Kap.23 beschreibt Plutarch, wiesich Cato über die griechische Bildung lustig machte, Karneades, Sokrates undIsokrates verspottete undversuchte, auch seinem Sohn die griechische Bildung, vor allem Philosophie, verhaßt zumachen. Cato pflegte zusagen, die Römer würden umihre Macht kommen, wenn sie sich der Liebe zu dengriechischen

Wissenschaften hingeben würden. Plinius n.h.XXIX 7, 14 läßt Cato Ähnliches sagen. So meinte dieser (in Bezug aufdiegriechischen Ärzte), daßes zwarnützlich wäre, einen Blick in ihre Bücher zu werfen, aber nicht, sie gründlich zu studieren. Sie hätten sich verschworen, durch ihre Medizin alle ‘Barbaren’ (barbari omnes) zu töten. Und auch die Römer würden die Griechen Barbaren nennen. Vgl. dazu G. WÖHRLE, Cato und die 5; siehe auch CHRISTES 25– griechischen Ärzte, Eranos 90, 1992, 112– 28. 600 Das bestätigt Cicero in der Schrift Cato Maior.De Senect. VIII 26. 601 Siehe dieBemerkungen vonSANSONE 206.

602 KIENAST (24f.) gesteht Plutarch als Quelle für dieCatobiographie die Sammlung vonApophthegmata, die wohl erst nach Catos Todherausgegeben wurde, eine griechische Biographie, die auf Nepos aufbaute sowie eine griechischsprachige catofeindliche Tendenzschrift, vielleicht einpolitisches Pamphlet, zu.

3. Griechischkenntnisse bei ‘Barbaren’

149

nicht kompetent genug. Vielmehr sollten sich damit diejenigen beschäftigen, diemitderrömischen Vortragsweise besser vertraut seien (M.Cat. 7). In Athen soll Cato nach Plutarchs Berichten eine Rede auf Griechisch τ ν ί) gehalten haben und darin seine Bewunderung für die η ισ (Ἑ λ λ Tapferkeit der Athener unddie Schönheit der Stadt zumAusdruck gebracht haben. Plutarch glaubt jedoch, Cato hätte sich nurmit Hilfe eines Dolmetέ η ν ω ) an die Athener gewandt, nicht etwa, weil er nicht in ς ι᾽ἑρμ schers (δ der Lage gewesen wäre, griechisch zu sprechen, sondern weil er seinen Grundsätzen treu bleiben wollte. Allerdings widerspricht sich Plutarch an wie oben gezeigt –berichtete, Cato habe erst im dieser Stelle selbst, da er – Alter Griechisch gelernt. Die Gesandtschaft Catos nach Griechenland hatim Jahre 191 v. Chr. stattgefunden. (Es ist andererseits nicht sicher, ob Plutarch diese Reise Catos chronologisch richtig einordnen konnte.) Cato wardamals gerade 43 Jahre alt, undda er bekanntlich fast doppelt so alt geworden ist (85 Jahre), könnte Plutarch kaum davon sprechen, daß Cato erst im Alter Griechisch gelernt hat.603 Vielleicht wollte Plutarch ausdrücken, Cato habe sich erst spät intensiver mit der griechischen Kunst undLiteratur beschäftigt. Richtig undwichtig scheint mirjedoch, daß Cato entsprechend seiner Zeit und seinem Stand trotz seiner Abneigung gegen alles Griechische Griechisch konnte, wiees auch andere Schriftsteller (z.B. Cicero) bezeugen. Weiter erzählt Plutarch, daß Cato Bewunderer der griechischen Sitten verspottete, so z.B. Postumius Albinus, der eine Geschichte in griechischer Sprache geschrieben habe und sich dafür –so Cato –auch noch entschuldigte. Er sei schließlich durch einen Beschluß der Amphiktyonen zu diesem Werk gezwungen worden.604 Gleichzeitig preise Cato die Kürze der lateinischen Sprache, die mit wenigen Worten das Wesentliche wiederzugeben vermag. Waser mit nurwenigen Worten gesagt habe, hätte – so PlutderDolmetscher mit vielen Worten vorgetragen (M.Cat. 12; cf. arch weiter – 199E).605 Plutarch greift Catos Ansichten zur griechischen Kultur und 603 KIENAST (103ff.) bemerkt, daßCato bereits mit30 Jahren Griechisch sprach. Außerdem weist er nach, daßdasBild von CatodemGriechenhasser” , dasnicht zuletzt durch fortbesteht, nicht der Realität entspricht. Vielmehr Plutarchs Biographie bis in unsere Zeit “ habe sich Cato sehr wohl intensiv mit griechischer Bildung beschäftigt –das sei ganz , er habe aber die Gefahren derbedingungslosen deutlich in seinen Schriften zuerkennen – Übernahme alles Griechischen in die römische Gesellschaft gesehen und davor warnen wollen: “ Er wünschte keine blinde Nachahmung, sondern überlegte Aneignung dessen, was zumrömischen Wesen paßte.”(105). Ähnlich KAIMIO 45f. 604 Vgl. dazu die Bemerkungen von KIENAST 114f. Schon bei Polybios (XXXIX 1, 10) findet sich diese Geschichte. 5– 605 Diese Beobachtung soll Cato zuderBemerkung veranlaßt haben, daß “ denGrie-

chen die Worte vondenLippen, denRömern ausdemHerzen kämen”(τ ᾽ὅ λ ο νοἴεσ θ α ὸδ ι

150

VII. Fremdsprachigkeit

Sprache auf, wasCatos sonstiger Denkweise sowie seinem Charakter zuentsprechen scheint, unddemist Plutarch in seinen Biographien vor allem auf der Spur. Aber in gewissem Sinne entlarvt er denvermeintlichen Griechenhasser, wenn er schreibt, daßdieser doch noch Griechisch gelernt undsogar davon profitiert habe. Etwa eine Generation früher als Cato Censorius lebte M. Claudius Marcellus, der sicher nicht zuletzt dank Plutarchs Biographie berühmteste Marceller. Von ihm berichtet Plutarch, er sei zwar ein guter Kriegsmann, aber trotzdem sehr besonnen undgütig gewesen. Er habe die griechische Bildung ο ) verehrt unddiejenigen ς α ίακ ὶ λόγ ε ήπ α ιδ ν ικ η λ λ undBeredsamkeit (Ἑ bewundert, die darin etwas vollbracht hätten, selbst jedoch leider nie die Muße gehabt, sich soweit damit zubeschäftigen, wie er es gern getan hätte (Marc. 1).Wenn Plutarch vondenGriechischkenntnissen eines Römers berichtet, erwähnt er das oft im Zusammenhang mit dessen Interesse an griechischer Bildung undKultur. Meist benennt er zudem solche positiven Charakterzüge wiebei Marcellus, umso die Person als klug undgebildet zu kennzeichnen. Dazu gehörte nach Plutarchs Auffassung griechische Bildung. Ein Zeitgenosse desCato warT. Quinctius Flamininus, der 196 bei den Isthmischen Spielen die Freiheit der griechischen Poleis verkündete. Im Gegensatz zu Cato war er ein Freund alles Griechischen undvermittelte den Römern Kenntnisse griechischer Kultur.606 So soll auch Pyrrhos erstaunt gewesen sein, als er das römische Heer zumersten Mal in Schlachtordnung sah, daßes gar nichts Barbarisches an sich habe unddaß an dessen Spitze einjunger Mann (nämlich Flamininus) stehe, derGüte ausstrahle, griechisch spräche (φ ή ντ ) undnach wahrer Ehre strebe εκ ν α νἝ η ὶ διά εκ ο λ ν τ ω λ λ (Flam.5).607 Auch hier wird wieder derZusammenhang zwischen derKenntnis der griechischen Sprache, tugendhaften Charaktereigenschaften und

ὰῥήμ τ α η σ τ ατο ὸχειλέω ινἀ π ν ,τ ο ῖςμ νἝ ὲ ῖςδ λ λ α ιςἀ ρ δ ίο μ ὲῬ ία ω π ὸκα ε σ θ α ςφ ι; έρ M.Cat.12). Zu dieser Anekdote, die schon bei Polybios (XXXIX 12) überliefert ist, vgl. 98f. 228f. 606 Die Proklamation derFreiheit im Jahre 196 v. Chr. erfolgte wahrscheinlich in Lateinisch, der Sprache der Sieger (Liv.XXXIII 32, 5; Polyb.XVIII 46, 5; Val.Max.IV 5, 8); DEBRUNNER, Geschichte der griechischen Sprache Bd. II, Berlin 1954, 87; SCHMITT 561; ebenso SANSONE 215f. Vgl. aber KAIMIO 98 mit Anm.12 undFRANKE 1992, 95 Anm.17, diedasbezweifeln. ZumPhilhellenismus desFlamininus siehe auchKAIMIO 43f. 607 Pyrrhos undFlamininus konnten sich allein vonihrer Lebenszeit hergarnicht begegnet sein. DerFeldherr aufrömischer Seite in dieser Schlacht 280 v. Chr. ward7er Konsul P. Valerius Laevinus. So bemerkt es Plutarch auch in Pyrrh. 16, wo er demPyrrhos beim Anblick des römischen Heeres ebenfalls die Bemerkung in den Mund legt, die KAIMIO

‘Barbaren’ hätten gar nichts Barbarisches

sindbei Plutarch keine Seltenheit.

an sich. Solche

historischen Ungenauigkeiten

3. Griechischkenntnisse bei ‘Barbaren’

151

allgemein guter Bildung geschildert. Sogar das Standbild des Flamininus in Rom soll nach Plutarchs Aussage in Anlehnung an dessen Verdienste eine

griechische Inschrift getragen haben (Flam.1).608 Ähnlich wie Cato Censorius lehnte C. Marius einige Generationen später die Beschäftigung mit der griechischen Kultur ab. Er hatte sich ganz dem soldatischen Leben verschrieben und plante bis zu seinem Tode (mit über 70 Jahren) militärische Aktionen.609 Plutarch berichtet nun, daßMarius nichts über die griechischen Wissenschaften erfahren wollte unddaß er die griechische Sprache nie benutzte, wenn es um wichtige Dinge ging. Vielmehr hielt er es für lächerlich, sich die Wissenschaften von Lehrern näherbringen zulassen, die anderer Leute Sklaven seien (Mar.2). Marius hat aus ähnlich wie Cato in Athen – also Griechisch gekonnt, er wollte es aber – prinzipiellen Gründen nicht sprechen. Er stammte aus demRitterstand, war ein homo novus, so daßdie griechische Bildung bei derErziehung nicht eine so große Rolle gespielt haben mag, wiebei denMitgliedern adliger Familien (vgl. jedoch Cicero, der ebenfalls homo novus war!). Marius’ Widersacher, L. Cornelius Sulla, der aus einer alten, zu seiner Zeit allerdings nicht mehr sehr ruhmreichen patrizischen gens stammte, hatte sich neben seinem ό δ ρ α ιτ π ο φ ς– lateinischen Beinamen Felix den griechischen Namen Ἐ Liebling der Aphrodite”zugelegt (318D; 542E-F). Diese Inschrift befand “ sich nach Plutarchs Bericht auch aufdemSiegesdenkmal bei Chaironeia zur Erinnerung an die Schlacht 86 v. Chr. (318D). Sulla wollte sich damit als neuer Herrscher und Beschützer Griechenlands präsentieren, nachdem er allerdings zunächst die Tempel in Delphi, Epidauros und Olympia geplündert undebenso Athen nicht geschont hatte.610 Ein anderes Denkmal dieser Schlacht gegen die Truppen desMithridates vonPontos befindet sich laut Plutarch auf dem Gipfel des Thurion (bei Chaironeia) und erinnert ebenfalls mit einer griechischen Inschrift an die beiden boiotischen Helden Homoloichos undAnaxidamos (Sull.19), die sich an der Seite Sullas für die Verteidigung ihrer Heimatstadt Chaironeia einsetzten. Eine griechische Inschrift scheint uns in diesem Fall selbstverständlich, aber da es sich um

608 KAIMIO (66) meint dazu, die Statue sei entweder von einer griechischen Gemeinde in Romerrichtet oder ausGriechenland nach Romtransportiert worden. Er hält es sicher zu Recht für sehr unwahrscheinlich, daß Römer selbst den Flamininus mit einer griechischen Inschrift ehrten. 609 ZurProblematik Feldherr – Bildung inPlutarchs Biographien bei solchen Römern wieMarius, Sulla, Lucullus, Sertorius, Pompeius, Crassus oder Caesar vgl. DEBLOIS 4590– 4611. 610 Vgl. LATTE 279, der nur lateinische Weihinschriften Sullas in Griechenland erwähnt.

152

VII. Fremdsprachigkeit

ein Ereignis handelt, das unmittelbar mit Plutarchs Heimat in Verbindung steht, hat der Autor die Vorkommnisse etwas ausführlicher beschrieben.611 Sulla schien großes Vertrauen in die Fähigkeiten des L. Licinius Lucullus sowohl auf militärischem als auch auf künstlerischem Gebiet zu haben. Er widmete ihm seinen Tatenbericht mit der Begründung, dieser werde die Geschichte noch besser aufbauen und darstellen als er selbst. Plutarch bemerkt in diesem Zusammenhang, Lucullus beherrsche sowohl ὲ die lateinische als auch die griechische Sprache hinreichend (ὁδ 612). Seine ν ττα νγλῶ α ρ ν ῶ τέ ε ινἱκα γ ςἑκα έ α ὶλ οκ η τ κ σ Λ ο ύ κ ο υ λ ο λ ςἤ Beredsamkeit sei nicht nur auf praktische Bedürfnisse (also die Rhetorik) hin ausgerichtet, sondern ebenso edleren, schöneren Dingen (der Dichtung) zugewandt gewesen (Luc.1). Er sei sehr gebildet gewesen unddazu gehörte, wie wir schon oben des öfteren gesehen haben, die Kenntnis der griechischen Sprache. Er habe beide Sprachen so gutbeherrscht, daßer sich bereit erklärte, das Los entscheiden zu lassen, eine Geschichte des Marsischen Krieges in Versen oder Prosa, in Lateinisch oder Griechisch zu schreiben. Die Wahl fiel –so Plutarch –auf Prosa und Griechisch (Luc.1).613 Plutarch beschreibt Lucullus im folgenden als erfolgreichen Feldherrn, der sich zugleich als Förderer vonKunst undWissenschaft verstand. Er erzählt z.B., daßLucullus Bücher sammelte undsie in einer Bibliothek, diejedem offen stand, vereinigte. Auch Griechen hätten in den Räumen undWandelhallen der Bibliothek ungehinderten Zutritt gehabt. Lucullus sei an allen Wissenschaften sehr interessiert gewesen und habe sich selbst an den gelehrten Gesprächen beteiligt. Er sei den Griechen, die Rom besuchten, ein vollendeter Gastgeber gewesen (Luc.42). Plutarch schätzte an ihm nicht nur die hervorragenden Griechischkenntnisse, sondern auch seinen Einsatz für die griechischen Künste undWissenschaften.

611 ZudemEreignis siehe JONES 1971, 5f. 612 Plutarch schreibt ἑκα τ έρ α ν , womit er natürlich Griechisch undLateinisch meint. Daswarseinen Lesern genauso klar wie es unsist, wenn wirdiese Stelle lesen. Trotzdem hat K. ZIEGLER in seine Übersetzung (Bd.2: 1955) eingefügt: “ dergriechischen wiederlateinischen (Sprache)” , während KALTWASSER diese Erklärung ca. 150 Jahre früher noch nicht für nötig hielt. KAIMIO (236 mit Anm.152) bemerkt zu dieser Passage, Plutarchs Aussage würde verständlicher sein, wenn Sullas Memoiren in Griechisch geschrieben wären. AmEnde bleibt erjedoch bei seiner Aussage: “ Sulla’s memoirs were evidently in Latin.” 613 Gemeint ist dasBellum Marsicum 91/90. Vgl. auch Cic.Att.I 19, 10: Lucullus habe, wie er selbst gegenüber Atticus zugegeben hat, über sein in griechischer Sprache geschriebenes Geschichtswerk gesagt, er habe, umgleich zuzeigen, daßes ein Römer verfaßt hat, absichtlich Barbarismen und Solözismen (barbara et σ ό λ ο ικ α ) eingestreut. Zum Philhellenismus des Lucullus vgl. GELZER, RE 13, 1926, 412f. undSWAIN 1992.

2. Griechische

Sprachkenntnisse

bei Römern

153

Der zwar sehr reiche, in derKriegsführung allerdings weniger erfolgreiche M. Licinius Crassus sprach ebenfalls griechisch. So empfing er nach der Schlacht gegen Surenas zwei Boten des parthischen Feldherrn, die Plutarch ε ν ) beschreibt und die Crassus in griechischer ς η ιξ έλ λ als Halbgriechen (μ ) anredeten (Crass.31).614 ῇ ν ω ιφ δ ά λ λ Sprache (ἑ Selbstverständlich sprach Cn. Pompeius Magnus griechisch. Aus Plutarchs Bericht über dessen Sprachkenntnisse, die sich bei der Ankunft des , also unmittelbar vor seiner Ermordung – Römers in Ägypten offenbarten – geht hervor, daß Pompeius mit den Ägyptern in griechischer Sprache verkehrte. So sei er bei seiner Ankunft von einem Getreuen namens Septimius ) angesprochen worρ ά τ ω ρ κ ὐ το τ ί) als Imperator (α α ϊσ μ ω auf Lateinisch (Ῥ ν ισ η τ ί; Pomp. λ λ den, von demÄgypter Achillas jedoch auf Griechisch (Ἑ 78). Schließlich habe Pompeius eine Schriftrolle hervorgeholt, auf der er ό ν η ικ ) notiert hatte, die er andenägypγ ο ς ςἙ ό λ λ eine griechische Rede (λ tischen König Ptolemaios XIII. richten wollte (Pomp.79). Pompeius brauchte keinen Dolmetscher, um sich mit den Ägyptern zu verständigen. Griechisch wird in dieser Zeit die gemeinsame Sprache gewesen sein, auch Caesar und Antonius werden sich bei ihren längeren Aufenthalten in Alexandria ihrer bedient haben.615 Caesars Griechischkenntnisse sind in die Weltgeschichte eingegangen.616 Vor demÜberschreiten des Rubico soll er denberühmten Satz Iacta “ ίφ θ ω ν η ισ τ ί) ausgerufen haben: Ἀνερρ λ λ alea esto”auf Griechisch (Ἑ ο β ς(Pomp.60).617 Nach Auskunft des Asinius Pollio, auf den sich Plutκ ύ arch bei der Beschreibung der im folgenden geschilderten Begebenheit beruft, soll Caesar beim Anblick des Schlachtfeldes nach der Schlacht bei Pharsalos lateinisch gesprochen haben. Als er die dahingemetzelten Feinde sah, immerhin ebenfalls römische Bürger, habe er gesagt, daß der Gegner ihn dazu gezwungen hätte under so etwas nicht gewollt habe. Asinius Pollio nun, der dabei gewesen war, habe nach eigenen Aussagen diesen lateinischen Ausspruch Caesars in griechischer Sprache aufgeschrieben (Caes.46). An dieser Stelle wirdjedoch Plutarch (oder seine Mittlerquelle) die Adver614 Vgl. S. 173 und 175. Siehe besonders K. – H. ZIEGLER 21 Anm.5 sowie 74, wo er über eine andere, ebenfalls auf Griechisch geführte Verhandlung zwischen Römern und Parthern berichtet. 615 Zu den Sprachkünsten Kleopatras vgl. S. 160f. 174. Siehe auch Cass.Dio LI 16, woberichtet wird, daßOctavian nach seinem Sieg über Antonius undKleopatra eine Rede andieÄgypter in griechischer Sprache hielt, damit sie ihnbesser verstünden. 616 Zu Caesars Griechischkenntnissen siehe KAIMIO 130f.

617 In Caes.32 und206C, wo es umdie gleiche Begebenheit geht, schreibt Plutarch allerdings nicht ausdrücklich, daß es ein griechischer Ausruf Caesars gewesen war, er zitiert lediglich dieRedensart, natürlich aufGriechisch, d.h. imOriginal.

154

VII. Fremdsprachigkeit

η ν ισ τ μ α bien Ἑ ίundῬ λ ϊσ τ λ ίvertauscht haben. Asinius hat also in Wirkω

unddaher Notierens- und lichkeit das von Caesar auf Griechisch Gesagte – Erwähnenswerte –auf Lateinisch niedergeschrieben. So, wie Plutarch die Geschichte überliefert, wäre es ganz undgarunlogisch, zumal Asinius seine Historien in lateinischer Sprache verfaßt hat.618 Caesars Gegner waren meist überzeugte Anhänger der Republik und Verfechter der alten römischen Traditionen. Trotzdem waren sie aufgrund ihrer Ausbildung mit der griechischen Kultur undSprache vertraut. Zu diesem Kreis gehörte u.a. der Urenkel des berühmten Cato Censorius, M. Porcius Cato Uticensis. Von diesem berichtet Plutarch, daßer sich kurz vor seinem Freitod ins Schlafgemach zurückzog, einen Dialog Platons zurHand nahm und fast bis zum Ende durchlas (M.Cat.min.68). Er hat sicher das griechische Original gelesen. Berühmt geworden ist die Szene der Ermordung Caesars (sicher nicht zuletzt durch die Darstellung Shakespeares). So soll nach Plutarchs Schildeα μ ϊσ τ ί) zuω rung der Verwundete einem der Mörder, Casca, lateinisch (Ῥ gerufen haben: “ ρ ώ α τ ε τ ια Verfluchter Casca, was tust Du da?”(Μ ν ό σ ιε [Brut.17] Κ α , τ σ κ ά ο ίπ ιε ῖς ;), worauf sich dieser in [Caes.66]/Ἀ ν η ισ τ ί) an seinen Bruder wandte mit den λ seiner Angst auf Griechisch (Ἑ λ ή θ ε ι). In dieser kurzen Szene hat Worten: “ ο ελ , β έ φ δ Bruder, Hilf!”(Ἀ Plutarch die ganze Dramatik des Vorgangs erfaßt undbeschrieben (sowohl in derCaesar- als auch in derBrutusbiographie). Die Täter waren zumeinen keine kaltblütigen Mörder, zumanderen waren sie Caesar gut bekannt, ihm z.T. sogar befreundet. In diese Aufregung paßte der Sprachenwirrwarr sehr gut, was auch Plutarch erkannte. Interessant ist, daß Casca, der Sueton zufolge der erste Angreifer gewesen sein soll (Suet.Caes. 82),619 in seiner Aufregung griechisch sprach, wasaufsehr gute Sprachkenntnisse deutet. C. Cassius Longinus, ein anderer derCaesarmörder, soll nach Plutarchs Angaben griechisch gesprochen haben, wenn er sich wohlwollend geben

618 Es könnte eine griechische Bearbeitung der historiae des Pollio gegeben haben; GROEBE, RE 2, 1896, 1595f.; PELLING 1979, 85 Anm.78. HÄUSSLER dagegen glaubt nicht

an eine griechische Ausgabe, er sagt vielmehr, Pollio habe gemeint, Caesar habe zwar lateinisch gesprochen, denAuspruch aber selbst auf Griechisch aufgeschrieben (wo, spielt für den Autor keine Rolle, vielleicht in einem Brief), ὑ ῦbeziehe sich also auf ὐ ο τ ᾽α π Caesar undnicht, wie sonst angenommen wird, aufAsinius Pollio. Also warnach HÄUSSLERSMeinung Pollio kein Augenzeuge, sondern er hat diesen Ausruf Caesars dessen Brief o.ä. entnommen. Ebenso KAIMIO 131Anm.4 und237 Anm.157. 619 Sueton berichtet an dieser Stelle, Caesar hat auf Griechisch demBrutus zugerufen: “ Auch du,mein Sohn?”(κ α ὶσ ;). ὺτέκνον

3. Griechischkenntnisse bei ‘Barbaren’

155

εν ο μ ο ύ ς ν ; Brut.40) –die griechische Sprache diente ihm ο ρ ο φ ιλ wollte (φ dazu, besondere Freundlichkeit zuzeigen.620 Der Freund Caesars und Anführer der Verschwörung gegen ihn, M. Iunius Brutus, dervonseinem Onkel Cato Uticensis ausgebildet wurde (u.a. in Athen), sprach selbstverständlich griechisch. Plutarch berichtet, Brutus ν η ισ τ λ ί) die sinnreiche, lakonische Knappλ bevorzuge im Griechischen (Ἑ γ ία ).621 Dieses sei vor ρ α χ υ ο λ ὴ... β ὴκ α ὶΛ κ α ν ω ικ α τ ικ μ εγ ο θ π φ heit (ἡἀ allem in seinen Briefen an Griechen zu sehen gewesen, aus denen Plutarch im folgenden einiges zitiert hat (Brut.2).622 Ananderer Stelle erzählt er, daß Brutus, während die anderen schliefen, aneinem Auszug ausdemWerk des Polybios arbeitete (Brut.4). Auch hier mußmandavon ausgehen, daßBrutus das griechische Original benutzte. Nach der Niederlage bei Philippi gegen Antonius undkurz vor seinem Freitod soll Brutus seinen Freund Volumnius ν η ισ τ ί) an gemeinsame Studien erinnert λ λ ν ιο ) auf Griechisch (Ἑ μ ς (Β ο ο ύ λ haben (Brut.52). Volumnius erlebte die Schlacht und Brutus’ Tod und beschrieb diese Ereignisse in einem nicht mehr erhaltenen Geschichtswerk, das Plutarch noch fürseine Ausführungen verwendet haben könnte.623 Einen Höhepunkt der Verschmelzung griechischer Kultur undBildung undrömischer Tugenden stellen die Schriften des M. Tullius Cicero dar.624 Der Philosoph fuhr nach Athen, Kleinasien undRhodos (78/77 v. Chr.), um dort bei berühmten Rhetoren und Philosophen zu studieren (Cic.4).625 In kein so Plutarch – Rhodos traf er denRhetoriklehrer Apollonios Molon, der– Latein verstand. Daher bat er Cicero, seine Reden in griechischer Sprache (Ἑ η ν ισ λ τ λ ί) vorzutragen. Die Hörer wären ob des Könnens ganz betroffen 620 ZurSchwierigkeit beiderInterpretation dieser Passage KAIMIO 236 Anm.155. 621 In derlateinischen Sprache beherrschte Brutus sowohl dieFest- als auch die Gerichtsreden. Sojedenfalls schätzte Plutarch Brutus’Fähigkeiten ein(Brut.2). 622 Diese Briefe sind laut KAIMIO (116) möglicherweise nicht authentisch. 623 GUNDEL (RE 9 A, 1961, 876) geht davon aus, daß Volumnius diese nur durch Plutarch bekannte Schrift in Latein verfaßt hat. KAIMIO (235 mit Anm.145) dagegen glaubt, daß sie, da Plutarch sie direkt als Quelle benutzt hat, auf Griechisch geschrieben worden ist.

624 DaßCicero Griechisch konnte, mußnicht extra erwähnt werden. Es ist in seinen zur Genüge belegt. Als einziges Beispiel sei ein Brief an Atticus angeführt (Att.I 19, 10), in welchem er demFreund eine griechisch geschriebene Geschichte seines KonsuUngriechisches”(minus Graecum) entschuldigt, das dem lats ankündigt und sich für “ Atticus eventuell auffallen möge. Die lateinische Fassung will er ihmschicken, sobald sie fertig ist. Cicero hatzuerst diegriechische, dann erst die lateinische Fassung ausgearbeitet! Vgl. CHRISTES 24ff., der gerade in Cicero denHauptzeugen für dasnegative Griechenbild derRömer in derausgehenden Republik ausmacht, wobei er aber betont, daß “Abneigung gegen Griechen ... nicht zwangsläufig Ablehnung griechischer Kultur (bedeutet).” 625 Vgl. Ciceros eigene Aussagen dazu in Brut. 91, 314– 6. Werken

156

VII. Fremdsprachigkeit

gewesen,

während Apollonios lange nachdenklich dagesessen hätte. Schließlich sagte dieser, daßer das Schicksal Griechenlands beklage, da die einzigen Vorzüge, die dem Land gegenüber Rom geblieben wären, die γ ο ), dank Cicero nun ebenς α ό ε ὶλ ίακ α ιδ Bildung und die Redekunst (π falls an Rom gefallen seien (Cic.4). Apollonios beschreibt sozusagen als Augenzeuge den Wendepunkt in der römischen Literatur (das Verdienst gehört natürlich nicht Cicero allein), die fortan in der Dichtkunst, Geschichtsschreibung, Satire und Dramatik eigenständige, herausragende Werke schuf. Plutarch zitiert ausdengriechischen Briefen Ciceros (Cic.24), die er selbst gelesen zu haben scheint,626 undan anderer Stelle berichtet er voneinem Wortspiel Ciceros, bei demdieser die Kenntnis des Griechischen nutzte. Einer der Söhne des Crassus, der einem gewissen Axius ähnlich sah und so seine Mutter in Verruf brachte, hielt im Senat eine Rede, zu der Cicero um seine Meinung gefragt wurde. Er antwortete kurz und knapp: υ(Cic.25).627 Weiter erzählt Plutarch von Cicero, dieser ο σ σ ά ρ ςΚ ιο ξ Ἄ habe beim Verfassen der Dialoge philosophische undnaturwissenschaftliche Termini aus dem Griechischen ins Lateinische übertragen, und Plutarch drückt die Schwierigkeiten solcher Übertragungen aus, wenn er schreibt, η σ κ α θ ε ή τά ις , συν ο ψ μ ις ν ά τ λ , , κα , ἄ το χ Cicero habe “ ο , ἐπ σ ία α ν τ α φ έ μ ερ ς ἀ νund vieles andere derart als erster oder zumindest maß, κεν ό gebend für die Römer ausgedrückt und sie teils durch bildliche Bezeichnungen, teils durch andere, dem Sinn angemessene Wörter bekannt undbenennbar gemacht”(Cic.40).628 Das war für Cicero keine reine Übersetzung von Wörtern, sondern mehr sinngemäße Übertragung undvor allem Nutzbarmachung für die lateinische Sprache.629 Am Beispiel Ciceros wird die von Plutarch immer wieder dargestellte Verbindung zwischen griechischen Sprachkenntnissen undBildung besonders deutlich, daer Ciceros Bildungsreisen nach Griechenland, seine Sprachkenntnisse sowie seine Übersetzertätigkeit erwähnt.

626 Vgl. KAIMIO 189. 627 Auch die anwesenden Senatoren müssen Griechisch verstanden haben, sonst konnten sie die Zweideutigkeit (zum einen “ Axius, Sohn des Crassus” , zumanderen “ des Crassus würdig” ) nicht verstehen. 628 Zu Übersetzungen literarischer Texte in Rom siehe HERMANN 1956, 39ff. GELZER (662) gibt die lateinischen Äquivalente an: visio, retentio, adsensus, perceptio, individuum, inane. Ähnlich MOLES 189. 629 Vgl. dazu KAIMIO 286– 9; GÖRLER 160ff. sowie denArtikel über Cicero als Übersetzer Platons von MUELLER-GOLDINGEN 1992, bei demeine Reihe weiterführender Literatur zufinden ist.

3. Griechischkenntnisse bei ‘Barbaren’

157

3. GRIECHISCHKENNTNISSE BEI ‘BARBAREN’

Im folgenden Abschnitt werden die Passagen aus den Werken Plutarchs behandelt, in denen er ‘Barbaren’ erwähnt, die aus den verschiedensten Gründen griechisch sprachen. Dabei handelt es sich im wesentlichen um Dolmetscher undHerolde.630 Der Partherkönig Orodes, dessen Feldherr Surenas dasHeer des Crassus bei Carrhae besiegt hat (vgl. oben S. 145), soll der griechischen Sprache und Literatur kundig gewesen sein. Oft präsentierte er bei den Gelagen Darbietungen griechischer Herkunft. Der Kopf des Crassus soll ihm, so berichtet Plutarch weiter, während einer Aufführung der Bakchen des Euripides dargebracht worden sein (Crass.33).631 Dieser Gegensatz zwischen der griechischen Bildung des Orodes undder grausamen Tat gerade während einer Euripidesaufführung hat Plutarch vermutlich beeindruckt und zur Schilderung dieser Szene bewogen. Von Artavazdes632 erzählt Plutarch in demselben Kapitel, dieser hätte nicht nur die griechische Sprache verstanden, sondern sogar selbst Tragödien gedichtet und Reden und Geschichtswerke geschrieben, von denen zu Plutarchs Zeit noch einige erhalten gewesen seien (Crass.33).633 Auch aus diesen Worten Plutarchs spricht die Bewunderung dafür, daßjemand in einer fremden Sprache Prosastücke undsogar Tragödien verfaßt hat. Er selbst warkaum in derLage, Dichtung in lateinischer Sprache zugenießen. Der karthagische Philosoph Hasdrubal, der sich später Kleitomachos nannte, wurde derbedeutendste Schüler des Karneades. Plutarch bewundert die Kraft des Karneades, der den Karthager in die Kenntnis des Griechischen einführte und so aus einem ‘Barbaren’ einen bedeutenden griechischen Philosophen machte. Ähnliches schreibt er über den Babylonier Diogenes (aus Seleukeia am Tigris), den Zenon in die griechische Philosophie

630 Die Textstellen, in denen es umDolmetscher geht, werden in demKapitel über Dolmetscher ausführlicher besprochen. Sie müssen aber in diesem Abschnitt über die Fremdsprachigkeit in derAntike zumindest erwähnt werden. 631 J. NADOLNY (Die “ Bacchantinnen”des Euripides auf armenischer Bühne im 1. Jahrhundert v.u.Z., Das Altertum 21, 1975, 99– 102) hält die Auswahl gerade dieses Stükkes zudiesem Anlaß fürnicht zufällig undverweist aufdieaktuellen Bezugspunkte. 632 Ἀ ρ τ α ο υ ά σ δ η ς– König vonGroßarmenien, Sohn desTigranes. 633 In Armenien war allerdings Griechisch neben Aramäisch offiziell verwendete Schriftsprache’, und auch im Partherreich fungierte es als offizielle‘Zweitsprache’; was durch Münzen undInschriften belegt ist; SCHMITT 560; ders. ‘ in: NEUMANN/UNTERMANN 193. DerPartherkönig führte griechische Titel, darunter denBeinamen eines Φ η ν ; K. έλ ιλ λ –H. ZIEGLER 16 u. 88; DIHLE 1994, Anm.31 (S. 152f.). Der Armenier Tigranes nannte sich β α σ ιλ ε ὺ ςβ α σ ιλ έ ω ν(Luc.21; Pomp.38).

158

VII. Fremdsprachigkeit

einführte (328C-D). Ein nicht unerheblicher Teil der Anstrengungen beider wird demErlernen dergriechischen Sprache gegolten haben, wasbesonders bei Philosophen, die auf die genaue Bedeutung der Begriffe besonderen Wert legen mußten, nicht ganz einfach gewesen sein dürfte. σ λ σ ο ω ) des ς ίγ Grausam ging Themistokles mit dem Dolmetscher (δ persischen Großkönigs um, der gekommen war, Erde und Wasser zu fordern. Er ließ ihnfestnehmen undhinrichten undbegründete diesen Beschluß damit, daß jener die griechische Sprache für die Befehle eines Barbaren mißbraucht hätte. Plutarch fügt hinzu, daß der Dolmetscher allerdings gezwungen gewesen wäre, griechisch zusprechen (Them.6). Themistokles war bewußt, daß seine Begründung absurd war, er wollte damit denpersischen König demütigen.634 In einer anderen Erzählung führten unvollständige Griechischkenntnisse eines ‘Barbaren’ zu einem willkommenen Mißverständnis. Der Prophet im ägyptischen Ammonheiligtum wollte Alexander den Großen bei dessen Besuch im Jahre 332 v. Chr. auf Griechisch (Ἑ ν ισ τ ί) besonders freundlich η λ λ ν(“ aus barbarischer Unίο α ιδ mit Ὦ π Söhnchen” ) anreden, setzte aber “ μ ρ ο ισ ) an das Ende des β ῦ α ρ α γ νὑ kenntnis der Sprache”(τ ω π ὸβ γ ό νφ θ ῶ α ῖΔ α ) π ιδ ίο ς(π Wortes ein ςstatt des v, so daß Ὦ ίο ς–“Sohn des Zeus” als Begrüßung herauskam. Das war Alexander nicht unangenehm, und so wurde das Gerücht verbreitet, der Prophet habe ihn als Zeussohn begrüßt (Alex.27).635 Ob die Geschichte wahr ist oder nicht, so zeigt sie doch, daß Ägypter mit Griechen in deren Muttersprache kommunizierten. Alexander besuchte in Persis (Pasargadai) dasGrab des Kyros. Er fand las es aufgebrochen undließ die Übeltäter hinrichten. Dann –so Plutarch –“ ὴ νἀναγνο ύ ρ α φ ) undließ sie in griechischer ς ὲἐπ νδ ὴ ιγ er die Inschrift (τ Sprache darunter einmeißeln”(Alex.69).636 Es ist wahrscheinlich, daß er sich die persische Inschrift vorlesen undübersetzen unddann die griechische Übersetzung anbringen ließ. Alexander wollte mit dieser Tat einerseits zumAusdruck bringen, daßer derHerrscher dervonihmeroberten Gebiete ist, zumanderen, daßer diepersische Kultur undGeschichte durchaus anerkannte undmit dergriechischen zuverbinden suchte. In der Schrift De defectu oraculorum läßt Plutarch einen derGesprächspartner, Kleombrotos, voneinem Nichtgriechen (β ρ ) erzählen, ρ ή ο β α ςἀν ρ ά der sehr gebildet, wohlgestaltet undrecht glücklich warundderviele Spraσ θ α ι). Mit dem Erη λ οχρῆ τ ώ σ σ α ιςδ chen beherrschte (γ κ ὲπ ο λ α λ ῖςἤσ 634 Später war Themistokles durch den Gang der Ereignisse selbst gezwungen, Persisch, dieSprache der‘Barbaren’, zuerlernen. Vgl. dazuS.163und171. 635 Vgl. dieAnmerkungen beiHAMILTON 71f. sowie BORST 134. 636 HAMILTON 191f.

3. Griechischkenntnisse bei ‘Barbaren’

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zähler soll dieser Nichtgrieche vorwiegend dorisch, und zwar fast wie in ελ μ ρ ω ν ῶ ; 421Aρ ό ρ ιζ ὐπ νο νἐδώ ε ο ῖσ τ ε λ ὸπ Versen gesprochen haben (τ Es handelt ‘ , Barbaren ’ dessen sich also umeine Erzählung über einen B).637 Nationalität uns Plutarch nicht verrät undder dadurch (und auch durch andere Bemerkungen) etwas Rätselhaftes in seinem Wesen zu haben scheint. Nicht zuletzt durch seine Sprachkenntnisse wies er sich als gebildeter Mensch aus, obwohl er, aus Sicht Plutarchs bzw. seiner Gesprächspartner, ein ‘Barbar’ war. Allerdings will ihn ein anderer der Dialogpartner, Demeο έν ς ), da dessen ρ ο νγ η β α α ςκ ρ ὶἝ λ λ ὐβά trius, als Griechen entlarven (ο Auffassung über die Zahl der Welten, die im All existieren, weder ägyptisch noch indisch, sondern dorischen Ursprungs sei (422D). Sertorius ließ die vornehmsten Knaben der eroberten spanischen Stadt Osca in Griechisch undLateinisch unterrichten. Zumeinen wollte er sie dadurch ansich binden, zumanderen auf dieVerwaltung derStadt vorbereiten (Sert.14). Für diese Aufgabe wardie Kenntnis desLateinischen vonBedeutung, aber dasGriechische besaß dafür zudieser Zeit noch einen hohen Stellenwert, vorallem jedoch, wiewiroben gesehen haben, fürdie Bildung. Die vornehmen ‘Barbaren’kinder sollten genauso gebildet sein wie die römischen Kinder. Das war durchaus ein Mittel zur Integration der Provinz in das Römische Reich. Eine ganz gegenteilige Situation warzurZeit des Solon eingetreten. Die versklavten attischen Bürger, die z.T. in fremden Ländern ihr Dasein fristen ) verlernt haή α... Ἀ τ σ τ ικ λ σ ῶ mußten, sollen gar ihre attische Sprache (γ ben. So jedenfalls heißt es in einem von Plutarch zitierten Solonvers (Sol. 15).638 Solon holte diese Bürger bekanntlich in die Heimat zurück. Die Bemerkung Solons in einem seiner Gedichte kann mansicher als Übertreibung werten. Sie sollte die dramatische Situation dieser in die Fremde verkauften athenischen Bürger deutlich machen. Andererseits zeigt diese Stelle auch, daß durchaus das Bewußtsein einer sprachlichen Identität vorhanden war. Selbstverständlich wardas zu dieser Zeit in Athen die attische Sprache, noch nicht die griechische.

637 Der Erzähler Kleombrotos war Spartaner (410A). Siehe auch FLACELIÈRE 1947, 240f. Anm.146ff. 638 Solon fr.24, 11 DIEHL. J. WERNER 1983 meint, es sei keinesfalls sicher, ob die Athener, dasie Attisch verlernt hatten, einen anderen griechischen Dialekt oder eine nichtgriechische Sprache sprächen (584). Das hängt wohl in erster Linie davon ab, wohin sie verkauft wurden. Daanzunehmen ist, daßdiemeisten Athener doch eher in andere griechische Gemeinden verkauft wurden als in fremde Länder, wird es sich bei Solon tatsächlich umdasVerlernen desattischen Dialekts undnicht dergriechischen Sprache handeln.

160

VII. Fremdsprachigkeit

Auch die Bewohner der Insel Ogygia (Insel der Kalypso)639 hätten durch ρ β α ικ ρ ῇ α ), die Sitten (ν ῃβ λ ώ τ τ μ ο ό ις ) und die ‘barbarische’ Sprache (γ Lebensart (δ ια ίτ α ις ; wahrscheinlich derUreinwohner) ihre griechische Herkunft vergessen. Erst durch die mit Herakles eingewanderten Griechen sei der griechische Volkscharakter (und damit die Sprache) wieder erweckt worden (941 C).

4. DIE KENNTNISS ‘BARBARISCHER’ SPRACHEN

ZumSchluß dieses Kapitels werden die Bemerkungen Plutarchs untersucht, in denen er Sprecher ‘barbarischer’ Sprachen erwähnt. AmAnfang steht die wohl bekannteste Äußerung in diesem Zusammenhang. Es ist Plutarchs Hinweis auf die Vielsprachigkeit der ägyptischen Königin Kleopatra. Sie soll sich, so schreibt Plutarch, in fast jeder beliebigen Sprache mit den Vertretern ‘barbarischer’ Völker unterhalten und nur ganz selten einen Dolmetscher gebraucht haben.640 (Im Gegensatz dazu hätten die aus Makedonien stammenden ptolemaiischen Könige vor ihr nicht einmal die ägyptische Sprache [Α ο ] beherrscht, einige sogar das Makedoτ εκ ς λ π τ υ ίαδιά ἰγ α nische [μ ο ν κ εδ ίζ ] vergessen [Ant.27].) Solche Berichte über Sprachε ιν genies gab es öfter in derantiken Literatur.641 Sie waren einerseits übertrieben, andererseits drückten sie die Bewunderung für durchaus vorhandenes Können aus. Kleopatra galt als sehr klug, gebildet, ehrgeizig und witzig. Obwohl sie keine Schönheit gewesen sein soll, betörte sie mit diesen Eigenschaften immerhin Caesar undspäter Antonius.642 Sie wird tatsächlich über die Kenntnis einiger Sprachen (neben dem Ägyptischen, Makedonischen 639 DieLokalisierung dieser Insel warschon imAltertum umstritten; K1.P.IV 249. 640 Plutarch zählt folgende Völker auf, mit denen Kleopatra ohne Dolmetscher ύ τ γ λ ο α δ ι, Ἑβ kommunizieren konnte: Α ε π ς , Τρω ίο ἰθ ρ α ῖο ι, Ἄραβ ῆ δ ε ο ο ι, ρ ι, Μ ς , Σ ύ α υ ῖο ρ θ ι. α Π 641 Man denke an Mithridates VI. (Val.Max.VIII 7, 16; Plin.n.h.VII 88; XXV 6; 2 [hier auch die tria corda des Q. Ennius]), der 22 (25 oder gar 50) SpraGell.XVII 17, 1– chen beherrscht haben soll. Galen berichtet von einem Mann, der zwei Sprachen konnte undbezeichnet das als Wunder (De pulsuum differentiis II 5). J. KOLLESCH, Die Sprache von Ärzten nichtgriechischer Herkunft im Urteil Galens, Philologus 138, 1994, 260– 3, glaubt, diese Bemerkung Galens sei eher ironisch gemeint, da in Rom, woer lebte, viele Menschen zweisprachig waren. Imübrigen habe Galen die Barbarismen jüngerer Autoren medizinischer Werke kritisiert, die –so Kollesch weiter –allerdings alle aus nichtgriechischsprachigen Landesteilen desImperium Romanum kämen. 642 Cassius Dio (XLII 34, 5) preist ausdrücklich Kleopatras Schönheit im Gegensatz zu Plutarch (Ant.27) sowie denAbbildungen auf Münzen undReliefs (STÄHELIN, RE 11, 2). 1921, 750–

4. Die Kenntniss

‘barbarischer’ Sprachen

161

und Griechischen) verfügt haben.643 Plutarch verbindet den Hinweis auf Kleopatras Fähigkeiten mit einer Kritik an den früheren ptolemaiischen Königen, die nurnoch griechisch sprächen, wasjedoch über die Bedeutung und Ausbreitung des Griechischen in der damaligen Zeit viel aussagt.644 Abgesehen von dem Ansehen und der Bildung, die die Kenntnis der griechischen Sprache vermittelten, war es für die Könige wohl nicht unbedingt nötig, andere Sprachen zu beherrschen. Die Gesprächspartner konnten entweder selbst Griechisch, oder sie brachten Dolmetscher mit bzw. nutzten die amHof tätigen Übersetzter.645 Plutarch erwähnt die makedonische Sprache noch in einem anderen Zusammenhang. Bis heute ist die Identität desMakedonischen nicht völlig geklärt.646 Für die antiken Griechen zählten die Makedonier meist zu den 643 Dereinzige erhaltene Erlaß Kleopatras verfügt ausdrücklich dieVeröffentlichung μ α σ ιν μ ; STÄHELIN, RE 11, 1921, 751. Vgl. auch ά ρ ιςγ ίο ρ χ ω α ὶ ἐν ῖςκ ο ν ικ η λ λ ο τ ῖςτ εἙ PELLING 1988, 191f., der diese Aufzählung an Sprachen für übertrieben hält, allerdings glaubt, daßKleopatra Ägyptisch gelernt hat, wasaußergewöhnlich genug war. Die früheren Könige hätten Dolmetscher benutzt, um mit ihren Untertanen zu verkehren (siehe auch Polyb.V 83, 7). 644 Vgl. dazu SCHMITT 561. 645 PEREMANS kommt bei seiner Untersuchung über die Zweisprachigkeit im ptolemaiischen Ägypten zu dem Ergebnis, daß die ägyptische Gesellschaft im wesentlichen nicht zweisprachig war(es gibt natürlich Ausnahmen z.B. in derVerwaltung oder unter den Schriftstellern wieManetho, Isidoros). Die Mehrheit derBevölkerung sprach ägyptisch, die Oberschicht unddie Mitglieder desKönigshauses griechisch oder in seltenen Fällen makedonisch. Die meisten offiziellen Texte (Urkunden, Gesetze, Dekrete), die an die Bevölkerung gerichtet waren, wurden zweisprachig abgefaßt. Dolmetscher werden PEREMANS zufolge allerdings in den griechischen Papyri nur selten erwähnt (siehe dagegen Hdt.II 154). Mandenke auch andenberühmten Stein vonRosette (Anf. 2. Jh. v. Chr.), derin der alten heiligen Schrift (Hieroglyphen), derin dieser Zeit gebräuchlichen Schrift (demotisch) sowie in Griechisch beschrieben war. Siehe auch SOFER 144ff. 646 Das Makedonische wird von den Historikern in der Mehrzahl als griechischer Dialekt eingeordnet. (H. BENGTSON, Griechische Geschichte, München [Handbuch der Altertumswissenschaft III 4] 51977, 305f.; N. G. L. HAMMOND, A History of Macedonia, 54; M. ERRINGTON, Geschichte Makedoniens, München 1986, 13). vol. 2, Oxford 1979, 39– HAMMOND weist zwar die Methode der zu Beginn dieses Jahrhunderts erschienenen Untersuchung von O. HOFMANN zurück, anhand der makedonischen Personennamen nachzuweisen, daßdasMakedonische ein thessalischer Dialekt sei, kommt aber u.a. durch die Auswertung literarischer Zeugnisse (vgl. ders., Historia 43 [1994] 131ff.) zu einem a dialect of Aeolic Greek”(das Thesähnlichen Ergebnis: Die makedonische Sprache ist “ salische gehört zur äolischen Dialektgruppe). Etwas differenzierter sehen das Problem die Philologen und Indogermanisten, die im wesentlichen HOFMANNS Untersuchungsergebnisse ablehnen. So bemerkt A. THUMB in seinem Handbuch der griechischen Dialekte (T. 1 bearb. v. E. KIEKERS, Heidelberg 21932, 9f.) zu dem Problem: Mag diese Sprache “als etwa zumIllyriimmerhin zumUrgriechischen in näherer Beziehung gestanden haben schen oder Thrakischen oder zueiner anderen indogermanischen Sprache, so sind wirdoch

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VII. Fremdsprachigkeit

‘Barbaren’, lediglich die griechische Abstammung derKönigsfamilie wurde anerkannt.647 So ist es aus Plutarchs Sicht nicht verwunderlich, daß auch die Sprache seiner Untertanen – sprach. Alexander derGroße makedonisch – Er soll, bei einem Gelage durch denAthener Kleitos aufs Äußerste gereizt (sein Jähzorn war bekannt), auf Makedonisch (μ α ο ν κ εδ ισ τ ί) nach seinen Waffenträgern gerufen haben (Alex.51). Obgleich schon zuZeiten Philipps ή ) offiziell II., des Vaters Alexanders, das Griechische (und zwar die κοιν zur Kanzleisprache erklärt worden war,648 sprach Alexander noch die Sprache seiner Untertanen. Als er voneinem Griechen gereizt wurde, gab er das Kommando zumBeginn des Kampfes auf Makedonisch! An einer Stelle in denQuaestiones Graecae scheint Plutarch allerdings dasMakedonische als griechischen Dialekt zubetrachten, daer dessen Besonderheit erwähnt, statt

desφ ein π zusprechen (292D-E; vgl. S. 69). Kyros der Jüngere führte einen erbitterten Kampf gegen seinen Bruder Artaxerxes, den Großkönig der Perser, um selbst den Thron besteigen zu können. Während der letzten Schlacht, als er schon glaubte, gesiegt zu haben, geriet er zwischen dieFeinde. Plutarch berichtet in diesem Zusammenhang, Kyros sei durch dieReihen desfeindlichen persischen Heeres geritten (sein eigenes Heer bestand ausgriechischen Söldnern) undhabe auf Persisch ρ (Π σ ε ισ τ ί) gerufen: Ἐ Aus dem Weg, elendes ί (“ ο ρ ιχ εν , π ε θ σ τα ίσ ξ Pack” erkannt. Daß Kyros in Per; Artax.11). So wurde zunächst nicht” er “ rief, ist für denAutor nur erwähnenswert im seiner Muttersprache – sisch – Zusammenhang mit der Tatsache, daß Kyros selbst ein vorwiegend aus Griechen bestehendes Heer befehligte. Er bekämpfte mit diesem Söldnerheer seinen Bruder und seine eigenen Landsleute. Nurvor diesem Hinternicht berechtigt, dasMakedonische auf einer Stufe mit dengriechischen Mundarten, etwa als Schwesterdialekt desThessalischen, zubehandeln. Es gehört nicht in eine Darstellung der griechischen Sprache und ihrer Dialekte” . Daran haben sich in der Nachfolge die Philologen, die sich mit denDialekten beschäftigt haben, gehalten. In denmaßgeblichen Werken von F. BECHTEL (Die griechischen Dialekte, 3 Bd., Berlin 1921– 24), C. D. BUCK (The Greek Dialects, Chicago 1955) und R. SCHMITT (Einführung in die griechischen Dialekte, Darmstadt 1977) ist dasMakedonische nicht behandelt worden. Dasüberlieferte sprachliche Material (es ist kein einziger vollständiger Satz in dieser Sprache erhalten) reicht wohl für eine abschließende Bewertung nicht aus. Undaus denGegebenheiten des 6./5. Jh. bzw. den Aussagen der Schriftsteller Rückschlüsse auf den Ursprung des Makedonischen zu ziehen, scheint mir eher problematisch. Andererseits sind viele der erhaltenen makedonischen Personen- undMonatsnamen ausdemGriechischen abzuleiten.

Vgl. dazu GEYER, RE 14, 1928, 681– 97. 647 Aber auch das mußten sich die makedonischen Könige erst erkämpfen, man denke z.B. an Alexander 3. nehmen; JÜTHNER 30– 648 SCHMITT 558.

I. undseine

Bemühungen,

an den olympischen

Spielen teilzu-

4. DieKenntniss

‘barbarischer’ Sprachen

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Ruf des Kyros verständlich. Ein makedonisches Heer befehligte derGrieche Eumenes ausKardia. Er bekleidete Funktionen am Hofe Philipps II. und Alexanders und war Stratege Alexanders und später Perdikkas’. Er bekannte sich gegenüber seinen makedonischen Soldaten immer zu seiner griechischen Herkunft. Plutarch schildert eine Situation, in derdie Soldaten, erfreut, ihren Feldherrn wieder bei sich zu sehen, Eumenes mit makedonischem Zuruf begrüßten (μ α εδ κ ο ν ισ τ ν ίτ ῇ ῇφ ; Eum.14). Auch andieser Stelle scheint Plutarch die ω den makedonischen Zuruf –wegen des Gegensatzes zwischen Einzelheit – demGriechen Eumenes unddemmakedonische Heer, dersich auch sprachlich ausdrückte, erzählt zu haben. Da Eumenes zeit seines Lebens von Makedoniern umgeben war, hat er sicher einiges von der Sprache aufgenommen undwirdzumindest solch einen Zuruf verstanden haben. Ein anderer Grieche dagegen war gezwungen, eine ‘barbarische’ Sprache zu erlernen. Als er noch der mächtigste Mann in Athen war, ließ Themistokles den Dolmetscher des persischen Großkönigs hinrichten, weil dieser sich erlaubt hatte, griechisch zu sprechen (siehe S. 158 und 171). Als Themistokles nach Persien geflohen war, wurde er –so berichtet Plutarch – vor den Großkönig geführt. Dieser befragte Themistokles mit Hilfe eines η ν έω ), werer sei, undderGrieche antwortete, ebenς ι ἑρμ Dolmetschers (δ wie er heiße undwoher er komme (Them.28). falls über den Dolmetscher, ᾽ Da er aber dasVertrauen des Königs erwerben wollte, erbat er sich ein Jahr σ Π ὶςγλῶ ερ ) zu erlernen, umdann ohne α τ τ Zeit, die persische Sprache (ἡ Dolmetscher mit demKönig sprechen zu können. Nachdem er hinreichend (ἀ ρ π ο ώ χ ν ι᾽ τ ω ) Persisch gelernt hatte, konnte sich Themistokles allein (δ ς ) mit demKönig unterhalten (Them.29; 185E).649 Hier erfahren wir α ὐ ο ῦ τ voneinem derseltenen Fälle, in demein Grieche eine ‘barbarische’ Sprache erlernt hat. Allerdings war Themistokles mehr oder weniger gezwungen, Persisch zulernen, wollte er mit demKönig Intrigen spinnen. Der Zeitraum von einem Jahr, denThemistokles sich ausbat, ist sicherlich realistisch und deutet darauf hin, daß diese Geschichte durchaus wahr sein könnte. Dagegen erlernten zwei Römer ‘barbarische’ Sprachen, umdemjeweiligenKriegsgegner miteiner List zuschaden. Derlegendäre Mucius Scaevola grund wird Plutarchs Bemerkung über den persischen

649 Siehe dazu auch Kap. VIII. Cornelius Nepos (Them. 10)berichtet, Themistokles verwandte alle Zeit darauf, dasPersische in Wort undSchrift zuerlernen. Er brachte es zu solcher Vollkommenheit, daß es ihm leichter als dengebürtigen Persern gefallen sei, die richtigen Worte vor dem Großkönig zu finden. Nepos, der mehr über das Ergebnis der Mühen verrät als Plutarch, spielt mit dieser Bemerkung sicher auch auf die Redegewandtheit undÜberzeugungskraft des Themistokles an, die demAthener unabhängig vom Beherrschen derfremden Sprache zueigen waren.

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VII. Fremdsprachigkeit

wollte den Etruskerkönig Porsenna eigenhändig ermorden. Dazu schlich er sich Plutarch zufolge in etruskischer Kleidung undetruskisch sprechend (... ῆ τ ν ρ ακ α αφ ῶ νἐσθ ίδ ῇ ο ὶφ ῆ ν ω νΤυρρη λ ο θ ε ρ νε δ εισ π ε τό π α ἰςτ ὸστρα μ ε ρ ν ο ώ ο χ ςὁμ ) ins Lager der Feinde (Popl.17). Dort tötete er allerdings ίᾳ irrtümlich den Schreiber des Königs undnicht diesen selbst. Eine ähnliche List wandte Sertorius im Auftrag des Marius an. Umdie Absichten der heranrückenden Heerscharen der germanischen Kimbern und Teutonen besser erkennen zu können, schickte Marius Sertorius in das feindliche Lager, um Erkundigungen einzuholen. Er soll dazu keltische Kleidung angelegt undsich die allgemeinsten Sprachkenntnisse angeeignet μ ε ν ο ά ευ σ κ α α ῇσ ςκ ὶτ ὰκοινότα ατ τ ῆ ῆ τ ελ ιδ ὲΚ haben (ἐ ς τ ικ θ σ δ ια λ έκ ο τ υ ; Sert.3).650 Die Kimbern, die zusammen mit den Teutonen die ersten Germanen waren, die die Römer bedrohten, wurden von diesen zunächst teils als Germanen, teils als Kelten angesehen. Erst als die Römer Kelten undGermanen besser unterscheiden konnten, ordneten sie die Kimbern eindeutig denGermanen zu(Caesar, Augustus, Seneca, Tacitus; Cicero undSallust bezeichnen sie noch als Kelten). Da die Kimbern sich lange bei den Kelten aufhielten und sich ihnen Kelten anschlossen, ist es nicht unmöglich, daß der als Spion eingesetzte Römer Sertorius die keltische Sprache erlernen mußte.651 Die Römer Scaevola undSertorius durften im Lager der Feinde nicht als solche erkannt werden, und dazu mußten sie in der fremden Sprache wenigstens einige Worte verstehen undsprechen können. Allerdings wirken diese Geschichten aufunseher unwahrscheinlich, daman einen Fremden, auch wenn er die fremde Sprache spricht, meist amAkzent erkennen kann.

650 KONRAD (46) schreibt zur keltischen Kleidung: chiefly trousers and long“ sleeved coats; see Strabo 4, 4, 3 for a full description...” ’ eventuell schon vor. Sertorius Sertorius hadbeen serving in handenen Sprachkenntisse erklärt er folgendermaßen (46f.): “ Gaul nowfor several years andmayhave acquired some basic Gaulish through contacts with Gallics auxiliaries, or with dignitaries frequenting the headquarters of the Roman commander in chief.” 651 Die unserhaltene literarische Überlieferung über die Kimbernkriege beginnt erst lange nach deren Ende und scheint im wesentlichen auf Livius zurückzugehen, dessen Bände darüber allerdings verloren sind; IHM,RE 3, 1899, 2551f. Plutarchs “ Irrtum” kann auch damit zusammenhängen, daß die Wanderungen der Kimbern später mit denen der Gallier vermischt wurden. Spätere Historiker (Josephus, Cassius Dio) bezeichnen als Kelten die Germanen undals Gallier die linksrheinischen Bewohner dergallischen Provinzen; NIESE, RE 7, 1910, 611ff, KONRAD (46f.) führt die Verwechslung von Kelten und Germanen auf Poseidonios zurück, Plutarchs Hauptquelle für die Kimbernkriege. Auch er bezweifelt, daß Sertorius mit den “ allgemeinsten Sprachkenntnissen”lange unerkannt geblieben wäre. Vielleicht habe er sich auch deshalb –so KONRAD –als Kelte und nicht als Germane verkleidet, umnicht als “ native” auftreten zumüssen.

4. Die Kenntniss

‘barbarischer’ Sprachen

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Das waren zwei Beispiele von Römern, die eine ‘barbarische’ Sprache erlernt haben. Wie bei den Griechen, scheint dies ebenso bei den Römern eher selten gewesen zu sein, undwenn es vorkam, dann waren sie dazu gezwungen (man denke z.B. an Ovid in Tomi). Es gab für sie keine Beweggründe, fremde Sprachen zu erlernen. Die Römer genossen die griechische Literatur, später ihre eigene undin denVerhandlungen wurde, wie wir oben gesehen haben bzw. in den nächsten Zeilen sehen werden, griechisch oder lateinisch gesprochen. Manchmal wurden Dolmetscher eingesetzt. Einige dieser Situationen schildert Plutarch vor allem in seinen Biographien (siehe unten Kap. 8). Wie schon während der Partherkriege des Crassus erwähnt Plutarch während der Partherkriege des M. Antonius Dolmetscher. Der parthische Adlige Monaises, der mit Antonius auf gutem Fuße stand, sandte seinen Vetter Mithridates zu Antonius mit der Bitte, jemanden zu schicken, der ρ ισ υ τ ί) spräche (Ant.46). Es wurde θ τ ρ ισ ὶἢΣ parthisch oder syrisch (Π α ein Vertrauter des Antonius, Alexander von Antiocheia, gefunden (siehe S. 173f.).

Häufig fungierten Dolmetscher als Führer in schwerbegehbaren Gegenden. Sie waren Einheimische, die sich in demGebiet gutauskannten undaus den verschiedensten Gründen die Sprache des fremden Heeres sprachen. Solch einen Führer hatte Alexander auf seinem Weg durch das gebirgige ίGebiet der Persis. Dieser war –so Plutarch weiter –zweisprachig (δ γ λ ω σ σ ο ς ), daer eine Perserin zurMutter undeinen Lykier zumVater hatte (Alex.37; s. unten S. 172). Der Punier Hannibal dagegen wurde das Opfer eines Irrtums, weil sein (vermutlich lateinischer) Wegführer ihnnicht richtig verstand. Er wollte sein Heer eigentlich nach Casinum führen, der Führer verstand ihn –wie Plutarch schreibt –wegen seiner fremdländischen Ausρ μ ό ν ισ ) nicht richtig undwies ihmdenWeg α sprache (τ ῆ ιὰβαρβ ςδ ῆ ν ςφ ω in daskampanische Casilinum (Fab.Max.6).652 Weiter oben wurden Situationen besprochen, in denen Plutarch von Heerführern (Kyros, Eumenes) berichtet, die ein “ anderssprachiges”Heer muß die Kommunikation beispielsweise befehligten. Weitaus komplizierter im Heer Mithridates’ VI. gewesen sein, in demnach Plutarchs Aussagen die ἱπ ο vielsprachigen Drohungen der Barbaren zu hören waren (α γ λ λ ύ ω σ σ ο ι ρ ν ω ; Luc.7). Leider verrät Plutarch uns nichts über die ά ἀ π ε ιλ α ίτ νβαρβ ῶ

652 Casinum liegt im südlichen Latium, während sich Casilinum in Kampanien nahe Capua befindet. Livius (XXII 13, 6) berichtet ebenfalls, daß durch Hannibals unverständliche Aussprache lateinischer Namen (Punicum abhorrens ab Latinorum nominum pronuntiatione os) derFührer Casilinum statt Casinum verstand.

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VII. Fremdsprachigkeit

Art und Weise der Verständigung in diesem Heer, aber ganz problemlos dürfte es nach seiner Beschreibung nicht gewesen sein.653 Um ein aus Griechen und ‘Barbaren’ gemischtes Heer geht es bei der Deutung eines Traumes des Atheners Kimon. Als sein Heer schon gerüstet undzurAbfahrt gegen die Perser bereit war, träumte Kimon, ihn belle eine Hündin anundrief ihmmit menschlichen Lauten zu, er werde ihr undihren Jungen ein Freund werden. Ein Philosoph nun deutete diesen Traum so,654 daßdieser denTodimKampf ankündige, weil derHund, derdenMenschen anbellt, diesem Feind sei underst im Toddessen Freund werde. Die Vermischung ausmenschlicher Stimme undHundegebell deute aber aufdie Meder (Perser), weil ihr Heer aus Griechen und ‘Barbaren’ zusammengesetzt sei (Kim. 18). Der griechische Philosoph identifiziert ganz selbstverständlich das Hundegebell mit der ‘barbarischen’ Sprache unddie menschliche StimmemitdemGriechischen.655 Ebenfalls um einen Traum geht es in einer Geschichte, die uns schon Herodot überliefert hat.656 In Plutarchs Version schickte der persische Feldherr Mardonios einen Lyder zumOrakel des Amphiareos (Oropos in Boiotien) undeinen Karer zumOrakel nach Ptoon (bei Acraephia in Boiotien). Der Prophet in Ptoon nun sprach zu dem Karer in karischer Sprache (Κ ρ α ικ ῃ ), während derLyder sich imHeiligtum schlafen legte und λ ῇγ σ σ ώ die Antwort im Schlaf erhielt (Arist. 19), allerdings ohne daß Plutarch erwähnt, in welcher Sprache. Die gleiche Begebenheit erwähnt derAutor in einer der Schriften der Moralia, und zwar in De defectu oraculorum, allerdings mit anderen Einzelheiten. Er schreibt, Mardonios wählte diese beiden Orakel aus, da sie zu seiner Zeit in ganz Griechenland berühmt 653 Mithridates derGroße sahsich selber eher als Grieche denn als ‘Barbar’undorganisierte auch sein Heer nach griechischem Vorbild. Trotzdem war sein Griechentum oberflächlich, er blieb in seinem Handeln ein asiatischer Despot. Sein Heer warvorallem ausgriechischen Söldnern undGalatern zusammengesetzt. 654 Knappe Erklärungen zuμ ά ν τ ε ιςimgriechischen Heersiehe beiBLAMIRE 180. 655 Vergleiche ‘barbarischer’ Stimmen mit Tierlauten gab es z.B. bei Aischyl.Ag. 1050; Aristoph.Ran.679ff. etc. Vgl. dazu J. WERNER 1981, 270ff. 656 VIII 133– 5. VonHerodot erfahren wir, daßMardonios einen Mann namens Mys zudenverschiedensten griechischen Orakelstätten geschickt hat. Beim Orakel desApollon Ptoos sei ihmetwas Wunderbares passiert. Myssei mitdendrei Bürgern, diedie Stadt zum Aufschreiben derOrakel mitgeschickt habe, zumTempel gekommen, undderPriester habe in einer fremden Sprache geweissagt. Die Thebaner hätten sich sehr gewundert undnichts verstanden, Mys aber habe selbst den Spruch aufgeschrieben underklärt, daß es Karisch sei. Herodot erzählt diese Geschichte insgesamt etwas ausführlicher, Plutarch erwähnt aber beispielsweise noch einen Lyder, derebenfalls zueinem Orakel geschickt wurde, während bei Herodot allein Mys diese Aufgabe zufiel. Zum Vergleich der Plutarchstellen mit Herodots Schilderung siehe dieAnmerkungen 23– 8 vonFLACELIÈRE 1947, 224f.

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‘barbarischer’ Sprachen

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gewesen seien.657 Weiter erzählt Plutarch, der Priester des Apollon Ptoos ῇΑ ἰο λ ίδ ν ω ι), in äußere sich zwar normalerweise im äolischen Dialekt (φ diesem Fall habe er aber den Orakelspruch in einer ‘barbarischen’ Sprache ) mitgeteilt. Daher konnte bis auf den ‘Barbaren’ ν ω ῇ > τ νβαρβάρ ῶ (