Von Subjekten, Sätzen und Subjektsätzen: Untersuchungen zur Syntax des Deutschen [Reprint 2010 ed.] 9783111356426, 9783484302419

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German Pages 375 [376] Year 1991

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Table of contents :
0. EINLEITUNG
1. SUBJEKTE
1.1 Generelle Überlegungen zu grammatischen Relationen
1.1.1 Das Anzeigen der semantischen Struktur durch Markierungsmittel
1.1.2 Rollenspezifische und prädikatspezifische Markierung
1.1.3 Grammatische Relationen
1.1.4 Die syntaktische Relevanz grammatischer Relationen
1.2 Mögliche Charakterisierungen des Subjektbegriffs
1.3 Pragmatische Charakterisierungen des Subjektbegriffs
1.3.1 Das Subjekt als 'bevorzugt referentielle NP'
1.3.2 Das Subjekt als Thema
1.3.3 Das Subjekt als 'Perspektivensetzer'
1.3.4 Das Subjekt als 'Fokus des Sprecherinteresses'
1.3.5 Zusammenfassung
1.4 Rollensemantische Charakterisierungen des Subjektbegriffs
1.4.1 Subjekte und Agentivität
1.4.2 Subjekte und die Hierarchie der Kasusrollen
1.4.3 Zusammenfassung
1.5 Strukturelle Charakterisierungen des Subjektbegriffs
1.5.1 Das Subjekt als 'verbfernste NP'
1.5.2 Das Subjekt als VP-externe NP
1.5.3 Asymmetrien im syntaktischen Verhalten von Subjekten und Objekten: Gibt es im Deutschen eine VP?
1.6 Morphologische Charakterisierungen des Subjektbegriffs
1.7 Kapitelüberblick
2. SÄTZE
2.1 Fakten zu den Satzstrukturen des Deutschen
2.1.1 Verbstellung
2.1.2 Einige Eigenschaften der satzeinleitenden Position
2.1.3 Die Satzeinleiter- und die Vorfeldposition
2.1.4 Zusammenfassung
2.2 Beschreibung der Satzstrukturen des Deutschen
2.2.1 Satzeinleiter als statusanzeigende Ausdrücke
2.2.2 Die Rolle der Finitheitsmerkmale: finite und infinite Komplementiererphrasen
2.2.3 Die Rolle der Funktionstyp-Operatoren
2.2.4 Verb-Erst- und Verb-Zweit-Strukturen in CP-Positionen
2.2.5 Die funktionale Markiertheit illokutiv selbständiger Komplementiererphrasen
2.3 Kapitelüberblick
3. SUBJEKTSÄTZE
3.1 Formen von Subjektsätzen
3.1.1 Standardtypen von Subjektsätzen
3.1.2 Verb-Zweit-Sätze
3.1.3 Adverbialsätze als Subjekte?
3.1.4 Freie Relativsätze
3.2 Zum Stellungsverhalten von Subjektsätzen
3.2.1 Subjektsätze im Vorfeld
3.2.2 Subjektsätze und das Mittelfeld
3.2.3 Extraposition von Subjektsätzen
3.3 Kapitelüberblick
4. SCHLUSSÜBERBLICK
LITERATUR
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Von Subjekten, Sätzen und Subjektsätzen: Untersuchungen zur Syntax des Deutschen [Reprint 2010 ed.]
 9783111356426, 9783484302419

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Linguistische Arbeiten

241

Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese

Wilhelm Oppenrieder

Von Subjekten, Sätzen und Subjektsätzen Untersuchungen zur Syntax des Deutschen

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1991

D 19 Philosophische Fakultät für Sprach und Literaturwissenschaft I

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Oppenrieder, Wilhelm : Von Subjekten, Sätzen und Subjektsätzen : Untersuchungen zur Syntax des Deutschen / von Wilhelm Oppenrieder. - Tübingen : Niemeyer, 1991 (Linguistische Arbeiten ; 241) NE: GT ISBN 3-484-30241-0

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1991 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Heinr. Koch, Tübingen

0.

EINLEITUNG

l

1.

SUBJEKTE

3

1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3

Generelle Überlegungen zu grammatischen Relationen Das Anzeigen der semantischen Struktur durch Markierungsmittel Rollenspezifische und prädikatspezifische Markierung Grammatische Relationen Die syntaktische Relevanz grammatischer Relationen Mögliche Charakterisierungen des Subjektbegriffs Pragmatische Charakterisierungen des Subjektbegriffs Das Subjekt als 'bevorzugt referentielle NP' Das Subjekt als Thema Das Subjekt als 'Perspektivensetzer' Das Subjekt als 'Fokus des Sprecherinteresses' Zusammenfassung Rollensemantische Charakterisierungen des Subjektbegriffs Subjekte und Agentivität Subjekte und die Hierarchie der Kasusrollen Zusammenfassung Strukturelle Charakterisierungen des Subjektbegriffs Das Subjekt als 'verbfernste NP' Das Subjekt als VP-externe NP Asymmetrien im syntaktischen Verhalten von Subjekten und Objekten: Gibt es im Deutschen eine VP? 1.5.3.1 Unakkusativische Subjekte 1.5.3.2 'Subjektinversionen' 1.5.3.2.1 Markierte und unmarkierte 'Subjektinversionen' im Mittelfeld 1.5.3.2.2 'Subjektinversionen' und die VP-Analyse 1.5.3.2.3 Eine alternative Beschreibung von 'Subjektinversionen': Das 'Wettbewerbsmodell'

1.5.3.2.4 Zusammenfassung 1.5.3.3 V*-Topikalisierung 1.5.3.3.1 Reihenfolgebeschränkungen bei der V'-Topikalisierung 1.5.3.3.2 V-Topikalisierung von NP-Subjekten

3 3 4 6 9 11 13 13 14 16 21 27 27 28 29 32 32 32 34 36 38 42 42 43 44

51 51 52 55

VI

1.5.3.3.3 V x -Topikalisierung von satzförmigen Subjekten 1.5.3.3.4 Zusammenfassung 1.5.3.4 NP-Aufspaltung 1.5.3.4.1 Verschiebung von NP-Köpfen

61 65 66 66

1.5.3.4.2 Aufspaltung von was für-Phrasen 1.5.3.4.3 Topikalisierung von PP-Attributen 1.5.3.4.4 Zusammenfassung 1.5.3.5 Bindungsphänomene

75 77 80 80

1.5.3.5.1 Variablenbindung 1.5.3.5.2 Koreferenzbeschränkungen in komplexen Sätzen 1.5.3.5.3 Zusammenfassung

84 89 97

1.5.3.6 Reflexivierung 1.5.3.7 Transitive Strukturen 1.5.3.7.1 Externalitätseffekte 1.5.3.7.2 Prototypische transitive Strukturen 1.5.3.7.3 Die 'Transitivierung' intransitiver Strukturen 1.5.3.7.4 'Transitivierung' durch prädikative Zusätze 1.5.3.7.4.1 Die Akkusativ-NP als ' S u b j e k t 1 des prädikativen Zusatzes 1.5.3.7.4.2 Dativ-NPn in transitiven Strukturen 1.5.3.7.4.3 Zur Interpretation der 'transitivierenden' Prädikativa

97 105 105 106 110 112 113 117 122

1.5.3.7.4.4 Resultative Prädikative und Zustandsprädikative in transitiven Strukturen 123 1.5.3.7.4.5 Prädikative in transitiven Strukturen: semantische Selektion, Restrukturierung und Kasusmarkierung 128 1.5.3.7.5 Zusammenfassung 132 MA 1.5.3.8 S als V * 133 1.5.3.9 Relationsunterscheidende Reihenfolge 135 1.6 Morphologische Charakterisierungen des Subjektbegriffs 139 1.7 Kapitelüberblick 145 2. 2.1

SÄTZE Fakten zu den Satzstrukturen des Deutschen

2.1.1 Verbstellung 2.1.1.1 Die Stellung der infiniten Verbformen 2.1.1.2 Die Stellung der finiten Verbformen: Verb-Letzt vs. Verb-Erst/Verb-Zweit

150 150 150 151 152

VII

2.1.2 Einige Eigenschaften der satzeinleitenden Position 2.1.2.1 Satzeinleiter 2.1.2.2 Gibt es eine oder zwei Positionen für Satzeinleiter? 2.1.2.2.1 Verb-Letzt-Sätze mit mehrfachen »-Ausdrücken 2.1.2.2.2 Komplexe Satzeinleiter im Bairischen 2.1.2.3 Die Satzeinleiterposition als linke Hittelfeldgrenze 2.1.2.3.1 Personalpronomina und die linke Hittelfeldgrenze

154 155 156 157 159 166 167

2.1.2.3.2 Flektierte Satzeinleiter

168

2.1.2.4 Zusammenfassung zur Stellung der Verben und Komplementierer 2.1.3 Die Satzeinleiter- und die Vorfeldposition 2.1.3.1 Das zweistufige CP-Hodell der Satzstruktur 2.1.3.2 Selbständige Verb-Letzt-Sätze 2.1.3.3 unselbständige Verb-Erst- und Verb-Zweit-Sätze 2.1.4 Zusammenfassung 2.2 Beschreibung der Satzstrukturen des Deutschen 2.2.1 Satzeinleiter als statusanzeigende Ausdrücke 2.2.1.1 Generelle Überlegungen zum Status von Verb-Letzt-Sätzen 2.2.1.2 Statusmerkmale von Verb-Letzt-Sätzen 2.2.1.3 COHP als statusanzeigender CP-Kopf 2.2.1.4 Strukturen mit w- oder Relativmerkmal 2.2.1.5 Zur Rattenfängerstrategie

171 172 172 177 179 187 188 188 189 190 192 194 196

2.2.1.6 V MAX -Lücken

198

2.2.1.7 Zusammenfassung 2.2.2 Die Rolle der Finitheitsmerkmale: finite und infinite Komplementiererphrasen 2.2.2.1 Finitheitsmerkmale als CP-Herkmale 2.2.2.2 Infinite Strukturen 2.2.2.2.1 Zu-Infinitivphrasen als Komplementiererphrasen 2.2.2.2.2 Das Herkmal [Inf] und seine Realisierung 2.2.2.2.3 Kohärenzinfinitive 2.2.2.3 Kongruenzmerkmale 2.2.2.3.1 Zur Nominativmarkierung durch den Kongruenzkomplex 2.2.2.3.2 Komplementiererflexion und Subjektellipse im Bairischen 2.2.2.4 Die V MAX -periphere Position des Finitums 2.2.3 Die Rolle der Funktionstyp-Operatoren 2.2.4 Verb-Erst- und Verb-Zweit-Strukturen in CP-Positionen 2.2.4.1 Verb-Erst-Antezedenssätze

202 202 203 204 205 206 209 216 216 220 223 225 231 232

VIII

2.2.4.2 Abhängige Verb-Zweit-Sätze 2.2.4.3 Extraktionen aus eingebetteten Sätzen 2.2.4.3.1 Extraktionen aus eingebetteten Verb-Zweit-Sätzen 2.2.4.3.2 Extraktionen aus eingebetteten Verb-Letzt-Sätzen

234 237 237 239

2.2.4.4 Verb-Zweit-Sätze nach komparativischen Prädikaten

245

2.2.4.5 Einbettungsbeschränkungen bei Verb-Erst- und Verb-Zweit-Sätzen

248

2.2.5 Die funktionale Markiertheit illokutiv selbständiger

2.3 3. 3.1

Komplementiererphrasen Kapitelüberblick SUBJEKTSATZE Formen von Subjektsätzen

250 251 254 255

3.1.1 Standardtypen von Subjektsätzen

255

3.1.2 Verb-Zweit-Sätze

263

3.1.3 Adverbialsätze als Subjekte? 3.1.4 Freie Relativsätze

264 271

3.1.4.1 Die fehlende Subkategorisierung Freier Relativsätze

272

3.1.4.2 Semantische und syntaktische Restriktionen 3.1.4.3 Stellungseigenschaften 3.1.4.4 Platzhalterverbot

274 278 279

3.1.4.5 Hypothesen zur Struktur Freier Relativsätze

280

3.1.4.6 Freie Relativsätze und die formalen Argumentstellen-Merkmale 3.1.4.7 Zur Homonymie von Freien Relativsätzen und Interrogativsententialen 3.1.4.8 Zusammenfassung

283

3.2

290

Zum Stellungsverhalten von Subjektsätzen

3.2.1 Subjektsätze im Vorfeld 3.2.2 Subjektsätze und das Mittelfeld 3.2.2.1 Die Skala der Mittelfeldunverträglichkeit bei Subjektsätzen unterschiedlicher Form 3.2.2.2 Die universelle Tendenz der Mittelfeldunverträglichkeit von Argumentsätzen: Erklärungsansätze

287 289 290 295 295 300

3.2.2.3 'Hominalität' von Argumentsätzen und das Mittelfeldverbot

305

3.2.2.4 Rattenfänger-Infinitivphrasen

310

3.2.2.5 Zusammenfassung

318

IX

3.2.3 Extraposition von Subjektsätzen 3.2.3.1 Allgemeine Charakteristika der Extraposition 3.2.3.1.1 Die 'lokale' Charakteristik der Extraposition 3.2.3.1.2 Extraposition und andere Nachfeldbesetzungen 3.2.3.1.3 Zusammenfassung 3.2.3.2 Platzhalter 3.2.3.2.1 Platzhalter und Bezugsausdrücke 3.2.3.2.2 Der Mechanismus der Platzhaltereinsetzung 3.2.3.2.3 Bedingende Faktoren bei der Realisierung von Platzhaltern 3.3 Kapitelüberblick

319 319 319 322 326 327 327 337 340 347

4.

SCHLUSSOBERBLICK

350

LITERATUR

355

0.

EINLEITUNG

Die folgende Untersuchung beschäftigt sich mit syntaktischen Phänomenen, die im Zusammenhang mit Subjekten, satzförmigen Ausdrucken und satzförmigen Subjekten auftreten. Insbesondere die beiden ersten Problembereiche finden zur Zeit eine starke Beachtung in verschiedenen Syntaxtheorien. In einigen dieser Theorien (Relational Grammar, Lexical Functional Grammar) werden grammatische Relationen, wie z.B. die Subjektrelation, als zentrale Grundbegriffe eingeführt, um bestimmte einzelsprachliche und universelle grammatische Regularitäten zu formulieren. In anderen Theorien dagegen spielen Relationsbegriffe höchstens die Rolle von definierbaren Hilfsbegriffen - prominent ist hier natürlich die Generative Grammatik (in ihrer gegenwärtigen Gestalt der GB-Theorie), die grammatische Relationen auf strukturelle Relationen zurückführt. Primus (1987) schließlich plädiert für die vollständige Ersetzung der grammatischen Relationsbegriffe durch 'Hierarchiepositionen' in verschiedenen morphologischen, strukturellen, rollensemantischen usw. Hierarchien. Im ersten Kapitel dieser Arbeit soll eine dieser Relationen, die Subjektrelation, untersucht und von möglichst vielen Seiten beleuchtet werden. Verschiedene pragmatische, rollensemantische, strukturelle und morphologische Charakterisierungen des Subjektbegriffs werden vorgestellt. Ein Schwergewicht liegt auf den möglichen strukturellen Definitionen des Subjektbegriffs, insbesondere auf der im Rahmen der GB-Theorie häufig diskutierten Frage, inwieweit sich im Deutschen eine VP-Konstituente rechtfertigen läßt. Das zweite Kapitel.ist einer Untersuchung der Strukturtypen der deutschen Sätze gewidmet. Deren spezifische Felder- und Klammerstruktur wurde in den letzten Jahren von Vertretern der GB-Theorie wiederholt durch den Rückgriff auf universelle Prinzipien zu beschreiben und zu erklären versucht. Die hier vorgelegte Beschreibung schließt sich teilweise an diese Analysen an. Sie arbeitet die Zusammenhänge zwischen den drei Satztypen Verb-Erst-, Verb-Zweit- und Verb-LetztSatz heraus. Zentraler Untersuchungsgegenstand ist die jeweilige Besetzung der satzinitialen Position in Abhängigkeit von einbettenden Ausdrücken oder abstrakten Satzmodusoperatoren.

Im dritten Kapitel schließlich werden die verschiedenen zulässigen Formen und das Stellungsverhalten von satzförmigen Subjekten analysiert. Dabei werden nicht nur die Standardtypen der Verb-Letzt-Sätze (daß-, ob- und ir-Sätze) betrachtet, sondern auch 'Mischformen 1 aus Adverbial- und Subjektsatz sowie die sogenannten Freien Relativsätze. Die Stellungseigentümlichkeiten der Subjektsätze werden mit ihrer fehlenden Funktionsmarkierbarkeit durch formale Argumentstellenmerkmale in Zusammenhang gebracht: Das Hittelfeld ist ihnen typischerweise verschlossen, so daß bei Abwesenheit eines Vorfelds nur die Extraposition zulässig ist, bei der die 'freien' Argumentstellenmerkmale durch Platzhalterausdrücke realisiert werden können. Für die Beschreibung der syntaktischen Regularitäten wird vorausgesetzt, daß die im Rahmen der gängigen syntaktischen Theorien (z.B. GB-Theorie, Generalisierte Phrasenstrukturgrammatik) entwickelten Beschreibungsmittel verfügbar sind: Begriffe der X-Bar-Theorie wie der des Kopf, der Projektion oder der Phrase; syntaktisch-morphologische Merkmale wie das des Nominativs; rollentheoretische Merkmale oder Begriffe wie der des Agens; strukturelle Begriffe wie der des k-Kommando usw. Wo es notwendig erscheint, werden Begriffe oder deren spezieller Gebrauch explizit eingeführt. Die Datengrundlage für die Untersuchung bilden Beispiele mit ihrem jeweils zugeordneten Akzeptabilitätswert. Das Beispielmaterial besteht aus Belegen, aus selbstkonstruierten Beispielen und aus Beispielen, die aus anderen Arbeiten übernommen wurden. Nur bei den letzteren erfolgt eine Quellenangabe; normalerweise wird bei ihnen auch die Akzeptabilitätseinschätzung mitzitiert. Belegtes und Konstruiertes wird also normalerweise nicht als solches gekennzeichnet, schon um einen möglichen Fehlschluß von der Authentizität auf die Akzeptabilität eines Beispiels auszuschließen. Der Rückgriff auf selbstkonstruierte Beispiele ist zum einen dann notwendig, wenn sich die Argumentation auf relativ marginale und daher kaum belegte Strukturen stützt, zum anderen dann, wenn der Ausschluß bestimmter Strukturen gezeigt werden soll. Die Akzeptabilität eines Teils der Beispiele wurde durch eine Befragung von durchschnittlich acht Testpersonen überprüft, die restlichen Beurteilungen stammen von mir selbst. Dabei wird eine Viererskala der Akzeptabilität - angezeigt durch die üblichen Markierungen - zugrundegelegt, die von 'akzeptabel' (keine besondere Kennzeichnung) über 'nicht völlig akzeptabel' (ein Fragezeichen als Kennzeichnung) und 'kaum mehr akzeptabel' (zwei Fragezeichen als Kennzeichnung) bis zu 'inakzeptabel 1 (ein Asterisk als Kennzeichnung) reicht.

l.

SUBJEKTE

1.1

Generelle Überlegungen zu grammatischen Relationen

Beginnen möchte ich mit einigen ganz generellen Überlegungen zur Funktion und Relevanz grammatischer Relationen. 1.1.1

Das Anzeigen der semantischen Struktur durch Markierungsmittel

Die Sätze einer Sprache, z.B. des Deutschen, sind keine 'atomaren Einheiten', die einem vorgegebenen Repertoire entstammen, sondern sie sind aus kleineren bedeutungstragenden Einheiten zusammengesetzt. Insbesondere befinden sich darunter Ausdrücke mit relationaler Bedeutung, die mit zwei oder mehr 'individuendenotierenden' ('Individuen' in einem ganz allgemeinen Sinn verstanden) Ausdrücken verbunden werden können und somit anzeigen, in welcher spezifischen Beziehung die zwei oder mehr 'Individuen' zueinander stehen. Nicht immer wird durch die Art der Individuen-Denotate klar, wie diese den verschiedenen Stellen der Relation zuzuordnen sind. In diesem Fall muß durch bestimmte ausdrucksseitige Markierungsmittel angezeigt werden, wie die Denotate aufeinander zu beziehen sind, z.B. durch die Kontiguität und Reihenfolge der einzelnen Ausdrücke, also durch 'strukturelle' Beziehungen; Beispiel: Adpositionen. In dem bekannten Beispiel Die Katze ist auf der Matte, ist der Ausdruck, der die 'Basis' bezeichnen soll, mit auf durch die Beziehung der Kontiguität verknüpft. Zur Kennzeichnung können aber auch andere syntaktische Mittel verwendet werden, nämlich die morphologische Veränderung der beteiligten Ausdrücke (z.B. durch Kasusmarkierung}, die Kennzeichnung durch intonatorische Mittel und die Markierung durch spezielle Ausdrücke (z.B. durch Adpositionen) , die aber die Benützung mindestens einer der restlichen Beziehungen (z.B. der strukturellen) voraussetzt. Der zentrale relationale Ausdruck in einem Satz ist das (Haupt-)Verb (in Kopulastrukturen wie der gerade erwähnten das Prädikativum). Ist dieses zwei- oder mehrstellig, dann stellt sich im Normalfall wieder das Problem, die Relata den

einzelnen Stellen richtig zuzuordnen. Auch hier reicht der Denotattyp der verbundenen Relata für die Zuordnung häufig nicht aus. Während man z.B. in der Verbgruppe um das Verb herstellen - schmieden, drechseln, nähen usw. - zumindest in der Mehrzahl der Fälle allein aufgrund der Tatsache, daS der eine der beiden Terme ein zielbewußt handelndes, typischerweise menschliches Individuum denotiert, eine richtige Zuordnung t r e f f e n kann, gilt das für viele andere Verben lieben, besuchen, tadeln usw. - im Regelfall nicht. 1.1.2

Rollenspezifische oder prädikatspezifische Markierung

Eine Möglichkeit, die richtige Zuordnung zu gewährleisten, besteht darin, die relatadenotierenden Ausdrucke durch eine zusätzliche Markierung inhaltlich so zu spezifizieren, daß sie eindeutig den Argumentstellen des relationsdenotierenden Verbs zugeordnet werden können. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß eine bestimmte Argumentposition bei den Verben einer Verbklasse durch ein 'inhaltliches' Merkmal oder durch einen Komplex solcher Merkmale selbst hinreichend genau charakterisiert werden kann. Eine solche Charakterisierung ist über 'Kasusrollen' oder 'thematische Rollen' möglich, die also nach dieser Vorstellung zunächst einmal die 'durchschnittlichen' verbbestimmten semantischen Eigenschaften der Argumentstellen einer bestimmten Klasse von Verben darstellen. 1 Je mehr Verbklassen in einer solchen Argumentstellencharakterisierung zusammengefaßt werden, um so abstrakter sind die Rollen. Zudem ist anzunehmen, daß bestimmte Verben oder Verbklassen die zentralen oder prototypischen Fälle für die verschiedenen Kasusrollen darstellen. Die Auswahl der Kasusrollen aufgrund der Zusammenfassung von verschiedenen Verbklassen selbst kann sich von Sprache zu Sprache und von historischer Sprachstufe zu historischer Sprachstufe verändern. Im angenommenen Fall der direkten Rollenmarkierung ließe sich im Idealfall an der Anzahl der verwendeten verschiedenen Markierungen die Anzahl der 'relevanten Rollen' feststellen. 'Verbargument-Ausdrücke', die Träger der zentraleren Kasusrollen (derjenigen, die für den Sprachbenutzer typischerweise am 'interessantesten 1 sind), würden sich in dem angenommenen Fall der reinen Rollenmarkierung im Prinzip nicht anders verhalten als adverbielle Bestimmungen im Deutschen, also Ausdrücke, die Letztendlich lassen sie sich damit auf bestimmte 'Situationstypen' zurückführen, deren zentrale Relation von den Prädikatsausdrücken bezeichnet wird; vgl. dazu die 'Ableitung* der zentralen Kasusrollen über eine Typologie der 'states of affairs' in Dik (1978: 3 2 f f . } ; es sind jedoch auch sprachspezifische Typisierungen von Situationen und damit von Kasusrollen zu erwarten.

aufgrund ihrer Bedeutung und speziellen Markierung (z.B. durch Typen von Adpositionen oder auch spezifische Kasus, die eine 'Rollenbedeutung' tragen) 'inhärent' einer bestimmten thematischen Rolle zugeordnet werden können. Sie könnten aufgrund ihrer Markierung, z.B. als 'Agens-Ausdruck' unabhängig vom spezifischen Verb den in ihrer Rollencharakteristik passenden Argumentstellen zugeordnet werden. Die Argumentausdrücke spezifizieren dabei bestimmte Argumentstellen am Verb, indem sie eine Variable 'binden', die den Forderungen genügen mufi, die die Kasusrolle und möglicherweise spezifischere Selektionsrestriktionen ihr auferlegen. Durch diese 'Bindung' wird die Argumentstelle zusätzlichen Denotationsbedingungen unterworfen. In diesem Punkt, der Spezifizierung einer 'Variablen', unterscheiden sich die Träger der zentraleren Rollen ebenfalls nicht grundsätzlich von den periphereren adverbiellen Bestimmungen, z.B. Temporal- und Instrumentalbestimmungen. Eine explizite Temporalbestimmung ist mit fast jedem Satz verträglich; eine Ausnahme sind vielleicht Sätze, die als notwendig wahr - d.h. immer wahr? - interpretiert werden: Wale sind (*heute/??immer) Säugetiere. Die Temporalbestimmung spezifiziert damit aber nur einen immer schon mitverstandenen 'Gültigkeitszeitraum', auf den der vom Satz bezeichnete Sachverhalt eingeschränkt wird. Temporalbestimmungen unterscheiden sich von den 'Verbargumenten' aber dadurch, daß ihre Zulässigkeit nicht direkt vom jeweiligen Prädikat abhängt. Explizite Instrumentalbestimmungen spezifizieren ebenfalls nur die relativ unbestimmte Bedeutung einer mitverstandenen 'Instrumentvariablen'. Im Gegensatz zur Temporalbestimmung sind sie jedoch von der spezifischen Art des Prädikats abhängig; dieses mufi als 'Handlungsprädikat' im weitesten Sinn interpretiert werden können. Die Instrumentalbestimmung ist damit aber genauso verbabhängig wie z.B. ein Agens-Ausdruck. Bei einer direkten Rollenmarkierung ist der Unterschied zwischen 'Verbargumenten' und adverbiellen Bestimmungen also nur ein gradueller, je nachdem wie spezifisch die Verbsemantik sein muß, um den Träger einer bestimmten Rolle zuzulassen (nach v. Seefranz-Montag (1983: 17ff.) wird z.B. das vor-indogermanische Kasussystem als stark 'rollenbestimmt' rekonstruiert). Neben der direkten Rollenmarkierung gibt es als anderes Extrem die Möglichkeit, die vom Verb miteinander in Beziehung gesetzten Relata auch völlig verbspezifisch zu markieren (mit einer Ausdehnung der spezifischen Markierung auch auf 'adverbielle' Rollen). Ein Ausdruck kann in diesem Fall nur deshalb einer bestimmten Argumentstelle des Verbs zugeordnet werden, weil mit dieser eine bestimmte formale Markierung verbunden ist. Die 'Kasusrolle' eines Ausdrucks ist also nicht mehr direkt an seiner Markierung abzulesen, sondern kann nur noch auf

dem Umweg über die prädikatspezifische Zuordnung zu einer Argumentstelle zugewiesen werden. Der Extremfall, daß bei jedem Verb tatsächlich eigene Markierungsmerkmale verwendet werden, tritt natürlich nicht auf. Beide Strategien, die rollenspezifische und die verbspezifische Kennzeichnung, verfolgen aber das gleiche Ziel, durch eine geeignete Markierung den eindeutigen Aufbau der komplexen Satzbedeutung aus den Bedeutungen elementarer Einheiten zu ermöglichen. 1.1.3

Grammatische Relationen

In den einzelnen Sprachen findet sich eine Mischung aus beiden Strategien, wobei die Ausdrücke mit weniger 'interessanten' und weniger prädikattypischen Rollen eher rollenspezifisch markiert werden. Welche der zulässigen Kasusrollen prädikatspezifisch markiert wird und mit welcher der verfügbaren Markierungen, ist also nicht willkürlich, sondern hängt von einer Hierarchie der Kasusrollen (zu solchen Kasusrollenhierarchien vgl. z.B. Dik (1978), Primus (1987)) ab, die ihrerseits von Faktoren wie der 'Interessantheit' der Rolle in einer Situation oder einem Situationstyp abhängt. Nach Sasse (1982) ist z.B. bei einem gegebenen Prädikat für die Auswahl derjenigen Kasusrolle, die typischerweise als die 'primäre grammatische Relation' einheitlich kodiert wird, ausschlaggebend, inwieweit der Träger dieser Kasusrolle sich typischerweise als Topic, als 'Aufhänger' für den im Satz beschriebenen Sachverhalt eignet, da diese primäre grammatische Relation vor allem die Funktion hat, das Topic zu signalisieren. In 'Akkusativsprachen' ist der Träger der Agensrolle, wenn eine solche vorhanden ist, am ehesten 'topic-verdächtig', in Ergativsprachen dagegen der Träger der Patiensrolle (vgl. dazu auch Sasse (1978)). Die Verbindung zwischen dem Topic, dem Träger der Agensrolle und dem Ausdruck, der gemäß der primären grammatischen Relation markiert wird, ist jedoch nur prototypisch. Die einzelnen grammatischen Relationen mögen pragmatisch unterschiedlich 'belastet' sein, zentral ist, daß sie die korrekte 'Zusammensetzung' der einzelnen bedeutungstragenden Elemente eines Satzes zu der komplexen Satzbedeutung ermöglichen. Eine, zugegeben etwas vage, Bestimmung von grammatischen Relationen, die dem Rechnung trägt, ist die folgende: Grammatische Relationen sind (satzinterne) zweistellige Relationen, die Ausdrücke zueinander in Beziehung setzen, die auch in einer 'semantischen Struktur' in spezifischer Weise aufeinander bezogen sind (z.B. als Funktor und Argument in einer formalsprachlichen Repräsentation der semantischen Struktur). Sie ermöglichen dadurch die korrekte Abbildung der Ausdrucks- auf die Inhaltsstruktur. 2 2

Für Lehmann (1985: 71) bestehen grammatische Relationen aufgrund der inhä-

Als Beispiel möge wieder die PP auf der Matte von oben dienen; zwischen der Präposition auf und der NP der Matte besteht eine grammatische Relation, Objekt der Präposition', kenntlich gemacht durch die Struktur und die Kasusmarkierung, die eine Anwendung der durch auf bezeichneten Ortsfunktion' auf das NP-Denotat ermöglicht. Die zentralen syntaktischen Relationen betreffen aber die Relationen zwischen einem Verb und seinen 'Argumentausdrücken 1 . Unter einem Argumentausdruck sei ein Ausdruck verstanden, der aufgrund einer verbspezifischen Markierung, die mit einer Argumentstelle des Verbs verbunden ist, dieser Argumentstelle zugeordnet wird (d.h. es handelt sich um so etwas wie die Obligatorischen Ergänzungen' des Verbs; zu den Probienen mit diesen und ähnlichen Begriffen vgl. Jacobs (1986)). Von den prinzipiell verfügbaren formalen Mittel, um verbspezifisch Argumentausdrücke zu kennzeichnen, gebraucht das Deutsche die morphologische Kasusmarkierung und die Markierung mittels bestimmter Präpositionen; daneben auch noch Reihenfolgebeziehungen und Kontiguität, also strukturelle Relationen. (Eine Sprache, die Töne, also intonatorische Mittel, zur Funktionsmarkierung einsetzt, ist nach Perlmutter (1982: 308f.) das Massai.). Die verfügbaren Markierungen selbst werden nicht willkürlich bestimmten Argumentstellen zugeordnet. Weiter oben wurde bereits erwähnt, dafi bei der Zuordnung pragmatische und rollensemantische Faktoren von wesentlicher Bedeutung sind. Der EinfluS der Kasusrollenhierarchie beruht darauf, dafi die Verbarguaente bei einer prädikatspezifischen Markierung ihre 'Rolleninterpretation' erst über die Argumentstelle des Verbs erhalten (bei adverbial interpretierten Ausdrücken ist die Rolle demgegenüber 'inhärent' und z.B. von der Bedeutung einer verwendeten Präposition abhängig). Die Rollenmerkmale sind, wie oben angesprochen, diejenigen Merkmale, die bei allen Verben einer semantisch bestimmten Verbklasse, z.B. den Handlungsverben, renten Relationalität eines der Relata oder beider. Wenn die semantische Struktur eines Satzes durch Funktor-Argument-Beziehungen expliziert werden kann, ist die Relationalität wenigstens der Funktorausdrücke aus semantischen Gründen zu erwarten. Nicht mit Hilfe der Bestimmung der inhärenten Relationalität zu erfassen sind, wie Lehmann selbst erwähnt, zumindest Koordinationen und Appositionen (ebd.: 83). Problematisch sind auch Konstruktionen aus Bezugsausdruck und nicht-relativischem Attributsatz. Die angeschlossenen, durch daß, ob usw. eingeleiteten Sätze sind mit Sicherheit nicht relational. Bei den Bezugsausdrücken gilt das wohl zumindest für die pronominalen wie das, davon usw. Die lehmannsche Bestimmung erfaßt also den prototypischen Fall, könnte aber auf keinen Fall für eine Definition des Begriffes 'grammatische Relation' gebraucht werden.

dem Ausdruck zugeordnet werden, der eine bestimmte Argumentstelle füllt; der die erste Argumentstelle bei einem Handlungsverb füllende Ausdruck bekommt also z . B . 'Agens-Merkmale* zugewiesen, d.h. er wird so interpretiert, daß das von ihm bezeichnete Individuum der verantwortliche Ausführende der spezifischen Handlung

ist. Die Rollenmerkmale unterscheiden sich dabei nicht prinzipiell, sondern nur dem Grad der inhaltlichen Spezifiziertheit nach von den völlig 'inkorporierten' Rollenträgern, die viele Verben kennzeichnen. Bekanntlich gibt es eine Unzahl von Verben, die z.B. das Instrument, mit dem eine Tätigkeit ausgeführt wird, in ihre Bedeutung 'inkorporiert' haben - allerdings nur den 'Typ' und entsprechend kann auch ein Ausdruck, der die Instrumentrolle trägt, durchaus hinzugefügt werden: baggern vs. mit einem (XY-)Bagger baggern. Diese Verbspezifizierung geht so weit, daß Verben auf der Basis von Eigennamen gebildet werden können (galvanisieren, pasteurisieren, gödelisieren, guillotinieren, fianlandisieren, entstalinisieren, bramarbassieren, röntgen, morsen, kneippen, einwecken, beckmessern), die einen Vorgang, eine Handlung usw. bezeichnen, die nach dem von XY entwikkelten Verfahren, mit dem von XY entwickelten Gerät, in der für XY typischen Verhaltensweise usw. ablaufen. Die Argumentstellen eines Verbs können aufgrund der hierarchischen Position der zugeordneten Kasusrollen geordnet werden. Durch strukturelle und Reihenfolgebeziehungen zwischen Verb und Argumentausdrücken, durch deren verschiedene 'Verbnähe', läßt sich diese Ordnung in ein Markierungssystem umwandeln, das die Zuordnung der Argumentausdrücke zu den Argumentstellen ermöglicht. Die 'neutrale' Anordnung der Verbargumente und die Verschiebung von Komplexen aus Verb und Argumentausdrücken (s.u. 1.5.3.3 zur V x -Topikalisierung) zeigen, daß im Deutschen strukturelle Faktoren im Verhältnis des Verbs zu seinen Argumentausdrücken von Bedeutung sind. Bestimmte Argumente sind aufgrund ihrer Kasusrolle 'verbnäher' als andere. Es sind aber 'Umhierarchisierungen 1 möglich; die Ordnung der Argumentstellen ist also nicht völlig festgelegt. Außerdem ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß es verbspezifische Anordnungen der Argumentstellen gibt. Die strukturellen Relationen (und auch die morphologische Markierung) werden durch eine Kasusrollenhierarchie nicht vollständig determiniert. 3 In der Relationalen Grammatik gibt es als ein Pendant zu der Vorhersagbarkeit der für eine Relationskennzeichnung verwendeten Markierungen auf der Grundlage der Kasusrollen die 'Universal Alignment Hypothesis', nach der mit Hilfe einiger universeller Prinzipien auf der Grundlage der rollensemantischen Repräsentation eines Satzes die Verteilung der 'initialen' grammatischen Relationen, der Relationen auf der 'tiefsten' syntaktischen Repräsentationsebene, auf die einzelnen nominalen Ausdrücke vorhergesagt werden kann; zu den Problemen dieser Hypothese vgl. Rosen (1982).

1.1.4

Die syntaktische Relevanz grammatischer Relationen

Grammatische Relationen beziehen nicht nur semantisch zusammengehörige Ausdrücke aufeinander. Sie sind auch rein syntaktisch relevant, insbesondere die zentralen 'verbspezifischen' Relationen Subjekt und Objekt, da sich die nominalen Konstituenten, die zum Verb in einer solchen Relation stehen, syntaktisch in ganz bestimmter Weise verhalten. Das Paradebeispiel f ü r eine subjektbezügliche grammatische Regel ist die Regel der Verbkongruenz. Die Verwendung des Subjektbegriffs in Regelformulierungen ist aber nicht unproblematisch. Während sich Subjekts-NPn bezüglich der Verbkongruenz einheitlich verhalten, scheinen sie auf der anderen Seite nicht bei allen Verben eine strukturell einheitliche Position in Bezug auf die Objekts-NPn einzunehmen. Das zeigt sich z.B. daran, daß zwar bei der Mehrzahl der Verben das Subjekt in einer 'unmarkierten Reihenfolge' vorausgeht; entsprechend zeigt daß den Kabeljau der Postbote kocht eine markierte Reihenfolge, da das Objekt vor dem Subjekt steht. Bei bestimmten Verben gilt dies jedoch nicht: daß dem Postboten der Kabeljau schmeckt zeigt eine unmarkierte Reihenfolge, obwohl das Objekt dem Subjekt vorausgeht. Insbesondere bei den intransitiven Verben gibt es zwei Gruppen mit ganz unterschiedlichem Verhalten der Subjektsausdrücke; so lassen sich nicht alle diese Subjekte durch unpersönliche Passivierung zum Verschwinden bringen: Am Abend wurde getanzt. *Nach der 67. Polka wurde zusammengebrochen. Offensichtlich gibt es also mehrere 'Arten' von Subjekten, die aufgrund ihres unterschiedlichen syntaktischen Verhaltens auseinandergehalten werden müssen. In der Relationalen Grammatik wird daher z . B . der Subjektbegriff, wie die anderen relationalen Begriffe auch, auf verschiedene syntaktische Repräsentationsebenen relativiert. Syntaktische Regeln können dann auf ganz verschiedene 'Subjekte' zugreifen (vgl. Perlmutter 1982). 4 übrigens kommt die Bezeichnung 'Subjekt' für eine Relation gar nicht vor, sondern die 'zentralen' Relationen im Satz werden als ' für das Subjekt, ' 2 ' für das direkte Objekt und '3' für das indirekte Objekt bezeichnet; der Wahl der Bezeichnungen liegt neben der terminologischen Abgrenzung von den traditionellen, teils inhaltlich bestimmten Relationsbegriffen zugrunde, daß sich diese zentralen und auch die restlichen satzbezüglichen Relationen genauso wie Kasusrollen - hierarchisch ordnen lassen, wobei sprachspezifisch wie universell viele syntaktische Regularitäten nur NPn/PPn bis zu einer bestimmten Hierarchie-Position erfassen, im Deutschen z.B. die Regel der Verbkongruenz nur die erste Position auf der Funktionen-Hierarchie (mit gewissen Problemen in Kopulasätzen, wo auch das Prädikativum kongruenzbestimmend sein kann (vgl. Reis 1982: 197f.): (i) Das *ist/sind Linguisten.

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Primus (1987) nimmt dagegen an, daß eine NP nicht auf verschiedenen Repräsentationsebenen einen jeweils verschiedenen, aber dann immerhin ganz eindeutigen, relationalen Status hat - sie verwirft grammatische Relationen als Beschreibungsgrößen. Vielmehr sind nach ihr die (rein Oberflächen'-bezogenen) strukturell-topologischen und morphologischen Kennzeichnungen der Verbargumente unabhängig voneinander: eine Nominativ-NP (natürlich keine prädikative} mufi nicht das strukturell äußerste Verbargument sein. Auch sie hierarchisiert, wie die Vertreter der Relationalen Grammatik, ihre Beschreibungseinheiten; nur gibt es eben verschiedene Hierarchien, z.B. eine morphologische und eine der strukturellen Relationen; ein bestimmter Ausdruck, der 'morphologisches Subjekt* ist, braucht, da die Hierarchien unabhängig voneinander sind, nicht unbedingt auch ein 'strukturelles Subjekt* zu sein. Die Ursache dafür, daß sich syntaktische Regeln auf verschiedene 'Subjekttypen' und generell auf verschiedene Typen einer gegebenen syntaktischen Relation beziehen können, liegt darin, daß verschiedene syntaktische Regeln auch jeweils verschiedene Arten von 'Information' verwerten können, die mit der Verwendung eines Ausdrucks in einem syntaktischen Kontext verbunden sind. Die zentralen syntaktischen Relationen ordnen bestimmte Ausdrücke den Argumentstellen eines Prädikats zu, wobei jeder Ausdruck in spezifischer Weise markiert ist. Bei Regeln, die sich scheinbar auf solche syntaktischen Relationen beziehen, ist es auch möglich, daß sie tatsächlich 'Markierungsinformation' (oder auch Information über die zugeordnete Kasusrolle} verwerten. Wenn nun, wie im Deutschen, zwei im Prinzip unabhängige 'Markierungssysteme 1 - das morphologische und das strukturelle oder topologische - verwendet werden, dann kann die morphologieabhängige Regel möglicherweise andere Ausdrücke erfassen als die Struktur- oder reihenfolgeabhängige. Die über die syntaktische Relation vermittelte Beziehung zwischen einem Ausdruck und einer Argumentstelle am Verb bleibt auf jeden Fall eindeutig, ohne daß sich die Relation aber bei allen Verben durch eine einheitliche formale oder rollenbezogene (oder auch pragmatische) Charakterisierung festlegen ließe. Im folgenden soll der Subjektbegriff im Deutschen näher untersucht werden. Es wird sich zeigen, daß er tatsächlich nicht einheitlich charakterisiert werden kann (sei es durch strukturelle, morphologische, rollensemantische oder pragmatische Bestimmungen), zumindest nicht außerhalb eines bestimmten Kernbereichs.

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1.2

Mögliche Charakterisierungen des Subjektbegriffs

Der Subjektbegriff kann nicht nur als rein syntaktisch relevant verstanden werden, sondern es lassen sich auch verschiedene pragmatische und (rollen)semantische Charakterisierungen für die Subjekts-NP denken. Vorausgesetzt wird dabei im allgemeinen eine Bestimmung der Subjekts-NP als nominativisch markierte (nicht-prädikative) NP. Entsprechend wird nicht nur vom Subjekt als der Ergänzung gesprochen, die z.B. die Verbkongruenz steuert, sondern auch vom Subjekt als dem, worüber etwas ausgesagt wird, oder vom Subjekt als Agens (vgl. Lyons 1968: 3 3 4 f f . ; Lyons 1977: 50ff.). In einen Kernbereich der deutschen Sätze kommen den durch morphologische Markierung und Verbalkongruenz formal als Subjekt gekennzeichneten Ausdrücken tatsächlich häufig bestimmte Eigenschaften wie Topikhaftigkeit oder Agentivität zu. Gegen eine allzu feste Verbindung des Subjekts mit der Topikfunktion spricht aber schon die relativ freie Satzgliedstellung des Deutschen, die in Verb-ZweitAussagesätzen nicht nur die nominativische Subjekts-NP in die typische potentielle Topikposition vor dem finiten Verb zu rücken gestattet. Einer zu direkten Verknüpfung des Subjekts mit einer einzigen Kasusrolle steht die Tatsache entgegen, daß dem Subjektsausdruck in Abhängigkeit vom Prädikat eine große Zahl verschiedener Rollen zugeordnet werden kann (vgl. dazu die Aufzählung der verschiedenen Rollen des Subjektsnominativs bei Heibig (1974: 220f.) und bei Heidolph et al. (1981: 3 1 5 f f . ) ) . Eine pragmatische oder rollensemantische Charakterisierung der Subjektsausdrücke in Deutschen kann also nur die typischen Fälle erfassen. Eine mögliche Reaktion darauf ist, den durch morphologische Markierung und Verbalkongruenz ausgezeichneten formalen Subjektbegriff als Basis für die nichtsyntaktische Charakterisierung ganz zu verlassen und gegen einen einzutauschen, dem bestimmte pragmatische oder semantische Eigenschaften eindeutig zugesprochen werden können. Ein bekanntes Beispiel für eine derartige Strategie liefert Hermann Paul, der neben dem 'grammatischen' ein 'psychologisches' Subjekt einführt, das "die Vorstellung oder Vorstellungsgruppe, die zuerst in der Seele des Sprechenden vorhanden ist" (Paul 1919: 62), repräsentiert. Mit dieser Bestimmung soll vermutlich die ursprünglich inhaltliche Deutung des Subjekts als das, von dem etwas im Satz ausgesagt wird, verdeutlicht und vereinheitlicht werden. Das psychologi-

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sehe Subjekt braucht mit dem grammatischen nicht übereinzustimmen; es umfaßt als Kernbereich diejenigen Glieder, mit denen "an eine vorhergehende eigene oder fremde Äußerung angeknüpft wird" (ebd.: 6 2 ) ; es ist nicht unbedingt an die Position vor dem 'psychologischen Prädikat' gebunden, unterscheidet sich aber von diesem, außer in Fällen kontrastiver Verwendung, durch die schwächere Betonung (ebd.: 61). Das psychologische Subjekt umfaßt also zumindest alle klar thematischen, alte Information aufnehmenden Satzglieder. Sehr viel enger faßt Harweg seinen ' S u b j e k t b e g r i f f 1 , den er als streng "aussagentheoretischen Begriff" (Harweg 1971: 260) aufgefaßt wissen möchte. Unter einem Subjekt versteht er bestimmte nach links herausgestellte Ausdrücke (ebd.: 2 6 2 f . ) . Aufgrund der Eigenheiten des Herausstellungsmusters fallen unter die Größe, von der etwas prädiziert wird, nicht nur nominativisch markierte Ausdrükke; gleichzeitig gibt es eine Unzahl in diesem Sinn subjektloser Sätze, die sehr wohl eine Nominativ-NP enthalten. Unklar ist allerdings, wieso ausgerechnet das angeführte Konstruktionsmuster einen intuitiven aussagentheoretischen Subjektbegriff expliziert (z.B. bei den erwähnten 'subjekt'-losen Sätzen). Die denkbare inhaltliche Bestimmung des Subjekts als typischerweise 'agentisches' Satzglied wird in Endres (1976) zu einer Abgrenzung der formalen Subjekte und der "Inhaltssubjekte" genützt, wobei letztere als Verursacher oder Ermöglicher aufzufassen seien (Endres 1976: 301); die möglichen Inhaltssubjekte sollen dabei mit einem ziemlich unklaren, weil nicht überall und nicht immer mit eindeutigen Ergebnissen anwendbaren, Fragetest herausgefunden werden. In allen drei Fällen wird der Versuch unternommen, eine dem Subjekt zugeschriebene 'Bedeutung' durch die Aufgabe des 'formalen Kerns' des Subjektbeg r i f f s eindeutig festzuhalten, so daß alle möglichen Arten von Ausdrücken als 'Subjekt' erscheinen. Damit ist aber der wesentliche Teil des üblichen Subjektbegriffs ausgeklammert, der sich eben vor allem durch Kasusmarkierung und Kongruenz mit dem finiten Verb auszeichnet und dem nur zusätzlich bestimmte 'Bedeutungen' zugesprochen werden. Im allgemeinen wird davon ausgegangen, daß der Zusammenfall von nominativischer NP, Topik und Träger der Agensrolle nur den prototypischen Fall darstellt. Dazu sei noch einmal auf die bereits angesprochene Ansicht von Sasse verwiesen, daß im Subjekt, das durch verschiedene formale Eigenschaften und durch sein syntaktisches Verhalten ausgezeichnet ist, eine "Kombination von Agens- und TopicEigenschaften zu einer grundlegenden primären grammatischen Relation" (Sasse 1978: 227) erfolgt. Der Zusammenfall gilt allerdings nur im unmarkierten Fall, das Subjekt hat keine 'inhärente' Agentivität oder Topikalität (vgl. Sasse 1982: 273, Fn. 14).

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In van Oosten (1986) wird (für das Englische) ein pragmatisch und semantisch charakterisierbarer Subjektbegriff explizit auf die prototypischen Fälle eingeschränkt: "I suggest the use of prototype theory: what is predictable from semantics and pragmatics is not all subjects, but prototypical subjects" (van Oosten 1986: 2 ) . Insbesondere gilt die semantische und pragmatische Charakterisierung für die 'Basissätze', während in Strukturen, in denen prototypisches Agens und prototypisches Topik nicht zusammenfallen, im engeren Sinn grammatische Prinzipien zur Anwendung kommen - also z.B. in Cleft-Sätzen oder in Passivsätzen. Die Begriffe Agens und Topik haben van Oosten zufolge selbst eine prototypische Struktur. Auf einige der pragmatischen und semantischen Charakterisierungen und ihre Probleme mit dem morphologischen bzw. syntaktisch relevanten Subjektbegriff sei, zum Teil im Anschluß an Reis (1982), im folgenden etwas genauer eingegangen.

1.3

Pragmatische Charakterisierungen des Subjektbegriffs

In diesem Abschnitt werden verschiedene im weitesten Sinn pragmatische Charakterisierungen des Subjektbegriffs diskutiert. Ihr gemeinsamer Nenner läßt sich grob so beschreiben, daß die Auszeichnung einer NP als Subjekt dazu dient, eine semantische Struktur (und damit einen bestimmten Sachverhalt) in einer spezifischen Form zu präsentieren, die für die Verwendung besonders geeignet ist. Die Subjekt-NP wird charakterisiert a) als NP mit vom Sprecher präsupponierter Referenz (1.3.1), b) als typischerweise thematische oder auch rahmensetzende NP, d.h. als NP mit ausgezeichnetem informationeilen Status (1.3.2), als perspektivesetzende NP (1.3.3) oder als Fokus des Sprecherinteresses (1.3.4). 1.3.1

Das Subjekt als 'bevorzugt referentielle HP'

Argumente gegen eine (ausschließlich) pragmatische Fundierung des Subjektbegriffs finden sich in Reis (1982). Von den möglichen charakterisierenden Bestimmungen greift sie zwei heraus: Subjekt als 'Thema' oder als 'bevorzugt referentielle NP' des Satzes. Eine Charakterisierung der Subjektsausdrücke mit Hilfe der zweiten Eigenschaft (der präsupponierten Referenz), die Reis aus Keenans Liste der potentiellen Subjektseigenschaften entnimmt (Keenan 1976: 318), kann nicht alle Verwendungen abdecken. Auf das Problem der indefiniten, nicht präsuppositionalen Subjektsausdrücke weist allerdings Keenan selbst hin; er zieht die Möglichkeit in Betracht, daß Sätze, die derartige Subjekte enthalten, nicht zu den semantisch

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'einfachen' Basissätzen (vgl. zu diesem Begriff Keenan (1976: 3 0 7 f f . ) ) gehören, die allein bei der Bestimmung der 'definierenden' Subjektseigenschaften in Betracht gezogen werden. Das Problem verlagert sich dann auf die semantisch weniger komplexen Existenzsätze. Auch in diesen nicht-präsuppositionalen Umgebungen können jedoch definite Subjekts-NPn auftreten (Beispiel: Der trojanische Krieg findet nicht statt). Bei Reis (1982: 177) werden zahlreiche 'Existenz-Prädikate' und Prädikate, die bezüglich der Subjektstelle opak sein können, aufgezählt. Für satzförmige Subjekte gilt ebenfalls, daß bei ihrem Gebrauch nicht in jedem Fall ihre Wahrheit, d.h. die 'Existenz' irgendwelcher Sachverhalte, vorausgesetzt wird - man denke etwa an die möglichen Subjektsätze zu Prädikaten wie stimmen, wahr sein. Auffällig ist, daß alle diese Prädikate 'unakkusativisch' (s.u. 1.5.3.1) sind: Nominativ-NPn in Sätzen mit derartigen Prädikaten verhalten sich generell in vielerlei Hinsicht eher wie ein Objekt. Ihr untypisches Verhalten in Bezug auf Präsupponiertheit ist daher nicht überraschend. Eine echte Definition des Subjektsbegriffs durch den Begriff der bevorzugt referentiellen NP eines Basissatzes ist nicht möglich - und von Autoren wie Keenan auch sicherlich nicht beabsichtigt; die Präsupponiertheit ist keine notwendige und hinreichende Bedingung für die Subjekthaftigkeit eines Ausdrucks, sondern sie kennzeichnet eher die typische Verwendung von Subjektsausdrücken. 1.3.2

Das Subjekt als Thema

Als zweite mögliche pragmatische Charakterisierung untersucht Reis (1982) eine, die Subjektsausdrücke als Thema bestimmt: Unter dem Begriff 'Topik' oder 'Thema' wird, laut Reis, 'alte', bzw. 'kontextuell gebundene' Information verstanden oder auch 'das, worüber man spricht'. Diese Bestimmungen finden sich auch in Keenans Charakterisierung des Topik-Begriffs (vgl. Keenan 1976: 318f.). Die Formulierung 'das, worüber man spricht' ist natürlich denkbar ungenau. Etliche der Grammatiken, die sich auf diese 'Subjektdefinition' stützen (vgl. Curme I960 2 : 455; Duden 19733: 485; Erben 1976: 89; Jung 1973: 36; Schulz/Griesbach 1970": 329), scheinen die Bestimmung aber auch in dem Sinn zu verstehen, daS die Subjekts-NP auf bereits 'gegebene' Information Bezug nimmt; sie identifizieren also die beiden Kriterien für Topikhaftigkeit. Diese Gleichsetzung muß aber durchaus nicht vorgenommen werden; nach Jacobs (1984: 4 6 f f . ) ist es sogar verkehrt, das 'rahmensetzende' Topik mit dem Nichtfokus (typischerweise kontextuell gebundene 'Hintergrund'-Information) zu identifizieren.

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Chafe z.B. trennt das Subjekt als 'das, worüber gesprochen wird 1 (Chafe 1976: 43) von der 'gegebenen' Information, da Subjekte nicht immer, sondern nur tendenziell 'gegeben' seien (ebd.: 4 7 f . ) . Insbesondere sollen mit dieser Bestimmung auch Subjekte in Sätzen mit völlig 'neuer' Information erfaßt werden. Den Einwand, daß ein Satz nicht nur über die vom Subjektsausdruck denotierte Entität (wenn es eine solche gibt) etwas aussagt, versucht Chafe mit dem Hinweis zu entkräften, in Sätzen mit mehreren HPn werde zwar auch über deren Denotate Information vermittelt, aber: "it may be that such additional knowledge about these other particulars is secondarily derived from what these sentences communicated in the first instance" (ebd.: 44). Ohne einen Hinweis darauf, wie man sich diese Reihenfolge genauer vorzustellen habe oder wie sie nachzuweisen sei, ist der angesprochene Einwand nicht entkräftet. Ein solches Problem tritt auch bei der traditionellen Redeweise vom Subjekt als 'Satzgegenstand' auf, der offensichtlich als Modell Sätze zugrundeliegen, die nur aus einer Nominativ-NP und einer finiten Verbform bestehen - Admoni nennt das die "klassische Form, in welcher die prädikativen Beziehungen ihren Ausdruck finden" (Admoni 19703: 217). Hier gibt es natürlich nur einen möglichen 'Satzgegenstand', unabhängig von dessen informationellem Status als 'neu' oder 'alt'. Kommen in einem Satz dagegen mehrere NPn vor, dann müssen unabhängige Kriterien dafür gefunden werden, 'über' welche von ihnen der Satz etwas aussagt. Chafe scheint auch zu der Ansicht zu tendieren, daß Subjektsausdrücke immer ein ganz bestimmtes Einzelding als Denotat haben (vgl. dazu auch Keenans Subjekteigenschaft der absoluten Referenz (Keenan 1976: 317£.)}. Ausgeschlossen werden müßten dann aber z.B. Formalsubjekte, Subjekte zu zahlreichen unakkusativischen Prädikaten, durch kein negierte Subjektsausdrücke usw. Selbst wenn klare Kriterien für die 'aboutness* vorlägen, ist nicht zu erwarten, daß damit Subjekte im syntaktischen Sinn, also Ausdrücke, die z.B. mit ihrem finiten Verb kongruieren, ausgezeichnet werden können. In anderen Ansätzen, die eine Trennung von 'alter' Information und dem, worüber man spricht, vornehmen, wird übrigens keiner der beiden Aspekte als kennzeichnend für Subjektsausdrücke angesehen (vgl. Danes 1978: 15; Kuno 1980: 126). Reis selbst geht im Grunde nur auf die Bestimmung der Subjekts-NP als Träger 'gegebener' Information ein. Natürlich sind auf diese Weise völlig rhematische Sätze ohne thematischen 'Hintergrund 1 nicht mehr zu erfassen; ebenso sind Sätze problematisch, bei denen die Nominativ-NP nicht allein diesen Hintergrund bildet. Aber auch die schwächere Aussage, daß Nominativ-NPn in vielen Fällen als 'Thema' vor fokussierten Ausdrücken stehen, beweist nach Reis nicht eine inhärent höhere "Thematizität' derartiger NPn, da diese auch durch das Zusammenwir-

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ken zweier Tendenzen Zustandekommen könnte, für deren Formulierung der Subjektbegriff unnötig ist: Erstens gehe im Deutschen tendenziell das Thema dem Rhema voraus; zweitens sei die Position der Nominativ-NP vor allen anderen nominalen Satzgliedern im Deutschen die unmarkierte Abfolge, auch unabhängig von ThemaRhema-Gegebenheiten (Reis 1982: 175). Die häufige 'Thematizität 1 einer Nominativ-NP wäre durch das Zusammentreffen beider Abfolgetendenzen erklärbar - das Argument ist also wohl so zu verstehen, daß Sprecher des Deutschen ihre Sätze so konstruieren, daß sie möglichst beiden Tendenzen genügen (und zu diesem Zweck z.B. Diathesen verwenden). Daß Reis bei dieser Diskussion satzförmige Subjekte - den Fall, der nicht durch die Nominativregel abgedeckt wird - unberücksichtigt läßt, ist sicherlich berechtigt. Deren Position im Vergleich zu anderen Satzgliedern hängt nicht nur von ihrer möglichen Thematizität ab, sondern vor allem auch davon, ob ein Vorfeld vorhanden ist, in das ein an 'alte' Information anknüpfender Subjektsatz gestellt werden könnte; ansonsten muß der Subjektsatz extraponiert werden. Selbst bei Matrixsätzen mit Verb-Zweit-Stellung (und damit einem Vorfeld) werden Subjektsätze, möglicherweise allein aufgrund ihres Umfangs, häufig extraponiert. Außerdem ist anzunehmen, daß Subjektsätze höchstens teilweise 'alte' Information vermitteln, da sie andernfalls eher durch eine Proform ersetzt werden. 1.3.3

Das Subjekt als 'Perspektivensetzer1

Häufig wird davon gesprochen, daß Subjekte so etwas wie eine Perspektive angeben, von der aus der im Satz mitgeteilte Sachverhalt dargestellt wird. Li und Thompson, die davon ausgehen, daß Subjekte syntaktisch in den Satzrahmen integrierte 'Diskurstopiks' sind (Diskurstopiks bezeichnen die Entität, über die ein folgendes Textstück Informationen vermittelt, ähnlich dem Freien Thema im Deutschen; vgl. auch den Topik-Begriff in (Jacobs 1984: 4 6 f f . ) ) und daher sehr viele dieser Topikeigenschaften verlieren können, charakterisieren das Subjekt als "providing the orientation or the point of view of the action, experience, state, etc., denoted by the verb" (Li/Thompson 1976: 464). Die beiden Metaphern Orientation' und 'point of view' werden allerdings nicht erläutert. Insbesondere fehlen Kriterien für die Bestimmung der Orientierung', wenn nicht nur eine NP im Satz vorkommt. 9 Li und Thompson stützen sich in ihrer Formulierung auf Noonan, der allerdings selbst diese "orientation property" gerade nicht mit dem Subjekt notwendig verknüpft sehen möchte (Noonan 1977: 379). Er scheint vielmehr anzu-

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Die Deutung des Subjekts als 'Perspektive 1 , von der aus die gesamte in einem Satz beschriebene Situation gesehen wird, hat Dik ausdrücklich in seine Funktionale Grammatik aufgenommen (Dik 1978: 1980). Die beiden syntaktischen Funktionen Subjekt und Objekt tragen seiner Meinung nach zur Gesamtbedeutung eines Satzes bei und sind in dieser Hinsicht sowohl von semantischen Funktionen, d.h. den verschiedenen semantischen Rollen von nominalen Konstituenten, als auch von pragmatischen Funktionen wie Topik und Fokus zu unterscheiden. Unter Topik versteht er 'gegebene Information', 'über' die der Rest des Satzes etwas aussagt: "a constituent with Topic function refers to an entity assumed by the Speaker to be 'known' or 'given' to the Addressee, and about which the predication predicates something" (Dik 1978: 9 2 ) . Typisches Beispiel sind für Dik die referentiell identischen Konstituenten in (Ergänzungs-)Frage-Antwort-Paaren. Topik und Subjekt fallen zwar ziemlich o f t , aber nicht notwendig zusammen. Beispiele für verschiedene Subjektwahl sind: (1-1)

Der Postbote schenkte dem Hund die Hurst.

(1-2) (1-3)

Die Vurst wurde dem Hund vom Postboten geschenkt. Der Hund bekam die Vurst vom Postboten geschenkt.

Solche Sätze sind, laut Dik, "synonymous in describing the same state of affairs, but non-synonymous in describing that state of a f f a i r s from different perspectives" (ebd.: 71). Er geht davon aus, daß die Subjektwahl semantische Konsequenzen hat, die mit Hilfe einer Wahrheitsbedingungen-Semantik nicht zu erfassen sind. Seine 'Definition' der Subjektsfunktion soll demzufolge eine im Kern semantische sein: Subjekt ist "that constituent which refers to the entity which is taken as a point of departure for the presentation of the state of affairs in which it participates (ebd.: 87). 6 Nun spricht Dik auch davon, daß Sätze, die sich z.B. nur durch die Plazierung des Hauptakzents unterscheiden, nicht unbedingt synonym seien, "in the sense of providing precisely the same information to the Addressee" (ebd.: 127). nehmen, daß der erste nominale Ausdruck eines Satzes - oder ein nach links herausgestellter - für die Perspektivesetzung sorgt. Im Deutschen sei die Besetzung der Vorfeldposition für die 'Perspektivierung' entscheidend (ebd.: 383, Fn. 21). Hagege (1978) stellt die Hypothese a u f , daß sich Subjekte ihrerseits wieder zu 'Diskurstopiks' entwickeln. Dazu ist natürlich notwendig, daß sich Topikeigenschaften im Subjekt halten. Daß im Deutschen beliebige Satzglieder ins Vorfeld gestellt werden und als 'psychologisches Subjekt' fungieren können, weist darauf hin, daß das 'formale Subjekt' anderen Satzgliedern nicht sehr viel an 'inhärenter Topikalität 1 voraus hat. Einige Seiten später spricht Dik davon, er postuliere wie die Relationale Grammatik "primitive status for grammatical relations" (Dik 1978: 114). Die angebliche Definition ist also wohl mehr als eine Art Erläuterung des Subjektbegriffs, so wie ihn Dik verstanden wissen möchte, aufzufassen.

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Die pragmatischen Funktionen, die sich unter anderem auf die intonatorische Form einer Äußerung auswirken, sollen bestimmte Konstituenten als für den Hörer besonders wichtig herausstellen, etwa weil sie für ihn neue Informationen enthalten. Diese Funktionen beziehen sich also auf den Interaktionsaspekt der Sprache. Wenn jedoch die Subjektwahl etwas mit der 'Präsentation' eines Sachverhalts zu tun hat, so ist nicht einzusehen, wieso man sie nicht auch unter die 'pragmatischen Strategien' fassen sollte. Das einzig Besondere an der Subjektwahl gegenüber den pragmatischen Strategien ist, daß in sie bestimmte rollensemantische Faktoren Eingang finden müssen. Dik stellt die Hypothese auf, daß die Subjektwahl sowohl einzelsprachlich als auch universell durch eine Hierarchie semantischer Funktionen, d.h. Kasusrollen, beeinflußt wird: Je weiter die Rolle eines Arguments von der höchsten Rolle des Agens entfernt ist, um so schwerer kann es die Subjektfunktion übernehmen. Obwohl Dik mit seinen Erläuterungen zum Subjektbegriff sicher eine bestimmte Intuition t r i f f t - insbesondere die Feststellung einer Abhängigkeit der Subjektwahl von semantischen Rollen ist hier von Bedeutung -, dürfte die Gleichsetzung der Subjektfunktion mit einer 'Perspektivebildung' kaum möglich sein: Bei manchen Subjektsausdrücken ist es schwer, sinnvoll von einer 'Perspektivebildung' zu reden; andererseits scheinen auch syntaktisch nicht als Subjekte ausgezeichnete NPn eine solche 'semantische' Funktion zu haben. Der ganze Ansatz funktioniert recht plausibel, solange Beispiele verwendet werden, in denen man sich unter dem Ausgangspunkt für die Darstellung eines Sachverhalts recht gut etwas vorstellen kann. (1-4) Der Dactel biß den Eisverkäufer in die rechte Wade. (1-5) Ella lauscht einem Stack von Satchmo. Ganz unklar ist, wie man sich die Perspektive in Sätzen mit es in Subjektsfunktion vorstellen soll (es dämmert, es gibt verbrannte handeln usw.). Wahrscheinlich sind solche Sätze 'perspektivelos'. Von der 'Perspektivierung' einer NP zu reden, ist vielleicht auch tatsächlich nur dann sinnvoll, wenn mehrere NPn den potentiellen Ausgangspunkt bilden können - eine Voraussetzung, die zumindest bei einstelligen Verben entfällt. Dik selbst läßt durchaus die Möglichkeit zu, daß ein Satz, insbesondere wenn er ein bloß einstelliges Prädikat enthält, überhaupt keine Perspektive hat. Da er zudem Subjektzuweisung und Subjektmarkierung auseinanderhält, könnte man davon ausgehen, daß im Deutschen zwar jedes nominale Subjekt nominativisch markiert werden muß, daß aber nicht jede Nominativ-NP, ganz abgesehen von Prädikatsnomina, als Subjekt im Sinn des Perspektivensetzens fungieren kann. Dann wären aber 'formale' und 'echte* Subjekte nur noch durch Rückgriff auf intuitive Vorstellungen von 'Perspektivierung' unterscheidbar. Die

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Fälle mit 'Formai-Subjekt' es zeigen, daß die Subjektwahl im Deutschen nicht in allen Fällen etwas mit der Bedeutung zu tun hat. Vielmehr kann ein Subjektsausdruck, d.h. ein nominativisch markierter und die Verbkongruenz steuernder Ausdruck, auch einfach deshalb vorhanden sein, um das im gegenwärtigen Standarddeutschen bei Sätzen mit aktiver Verbform fast ausschließlich verwendete Konstruktionsmuster zu ermöglichen. Die beiden 'Arten 1 von Subjekten unterscheiden sich jedenfalls nicht in ihrem syntaktischen Verhalten, etwa im Bereich der Verbalkongruenz, was nach den Kriterien Diks auch für ihre einheitliche Behandlung spricht (vgl. Dik 1978: 7 4 f . ) . Fraglich wird die Redeweise von der 'Perspektivierungsfunktion' des Subjektsausdrucks auch bei idiomatischen Wendungen, die die Subjekts-NP mit umfassen. (1-6) Dem Oberamtmann scheint heute wieder eine Laus über die Leber gelaufen zu sein. Vielleicht sollte man in diesem Fall von einem komplexen einstelligen Prädikat sprechen, 'perspektiviert' ist dann aber höchstens die Dativ-NP. Dik nimmt an, daß die Perspektivewahl allein durch die Auswahl eines Arguments als Subjekt zustandekommt (ebd.: 71). Zwischen den beiden folgenden Sätzen scheint aber intuitiv kein großer Unterschied in der Perspektivesetzung zu bestehen. (1-7) Dem Verhafteten wurde mit der Folter gedroht. (1-8) Der Verhaftete wurde mit der Folter bedroht. Wenn die Szene im zweiten Beispiel vom Verhafteten aus gesehen wird, so besteht eigentlich kein Grund, dies nicht auch für den ersten Satz anzunehmen. Da die Subjektwahl sich aber bei Dik in einer konsistenten morphologischen Markierung äußert, kann und darf das nicht sein. Er könnte sich auf den Standpunkt stellen, daß im ersten Fall die 'Perspektivierung' fehlt und im zweiten vorhanden ist, eben weil nur der zweite Satz eine Nominativ-NP enthält. Dann ist aber die Bestimmung der Perspektive selbst von der morphologischen Markierung, also der typischen Eigenschaft von Subjekts-NPn, abhängig. Ein Unterschied könnte lediglich noch auf die verschiedenen thematischen Rollen zurückgeführt werden, da deren Hierarchie die Subjektwahl mit beeinflußt: die 'Goal'-Rolle (diese ähnelt der objekttypischen "Theme'-Rolle in anderen Theorien) des zweiten Beispiels rangiert vor der 'Recipient'-Rolle, die der Dativ-NP im ersten Beispiel zugewiesen wird. Dann bleiben aber die bekommen-Passive ein Gegenbeispiel, da bei ihnen nicht das 'Ziel', sondern der 'Rezipient' subjektiviert wird. Auf Faktoren, die die Perspektivesetzung beeinflussen, geht Fillmore näher ein. Er spricht davon, daß Verben wie kaufen und verkaufen dazu dienen, über

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denselben Typ von Situation etwas auszusagen, aber: "the choice of one or another of these verbs seems to make it possible to speak of a buying/selling transaction from one of the participant's point of view" (Fillmore 1972: 9 f . ) . In einer späteren Arbeit verallgemeinert Fillmore diesen Ansatz: Verben haben die Eigenschaft, in irgendwelchen prototypischen Situationen, wie z.B. der Kauf-/Verkauf-Situation, bestimmte daran beteiligte Entitäten hervorzuheben, zu 'perspektivieren". Die so hervorgehobenen Entitäten werden durch Ausdrücke bezeichnet, denen die zentralen syntaktischen Funktionen (logisches oder Tiefen-)Subjekt und direktes (logisches oder Tiefen-)Objekt zukommen. Welche Entitäten überhaupt 'perspektiviert' werden, hängt davon ab, wie 'interessant' sie sind, die Verteilung der Subjekt- und Objektfunktion wird durch eine Kasushierarchie geregelt. Von den Faktoren, die die 'Interessantheit' einzelner Entitäten bestimmen - hier wird der Begriff der Perspektive also nicht auf einer rein intuitiven Ebene belassen -, nennt Fillmore die Merkmale 'menschlich', 'Veränderung 1 , 'Definitheit' und 'Totalität' - sicherlich wäre auch noch 'Belebtheit* hinzuzufügen, wie die folgenden Paare in Bezug auf die Objektwahl zeigen: (1-9)

Max trat den Hund nit dem Fuß.

(1-10) (1-11)

?Nax trat mit dem Fuß gegen den Hund. Max trat mit dem Fuß gegen die Tür.

(1-12)

??Max trat die Tür mit dem Fuß.

Subjekt und Objekt haben also nach Fillmore durchaus eine bestimmte Bedeutung: Sie zeichnen - wenn mehrere Teilnehmer an einem prototypischen Geschehen zu unterscheiden sind - die, in einem sicher noch genauer zu fassenden Sinn, interessantesten Teilnehmer aus, d.h. pragmatische Faktoren (in einem weiteren, 'potentiellen 1 Sinn, da es sich ja um eine lexikalische Perspektivesetzung handelt) bestimmen die Subjektwahl mit. Es ist nicht klar, ob Fillmore so wie Dik davon ausgeht, daß das Subjekt die primäre und das Objekt die sekundäre 'Perspektive' anzeigt (vgl. Dik 1980: 6 2 ) ; die Subjekt- und Objektverteilung gemäß einer Kasushierarchie spricht nicht unbedingt dagegen. Selbstverständlich müßte die Hierarchie der Faktoren, die die 'Perspektivierung' bestimmen, genauer ausgearbeitet werden. In Bezug auf das Deutsche wäre außerdem festzulegen, durch welche morphologischen Kasus die Objekte ausgezeichnet werden. Eine Akkusativmarkierung ist sicherlich weder notwendig (etwa bei helfen)

noch hinreichend - man vergleiche Naßangaben -, um etwas als

'perspek-

tiviertes Objekt' auszuzeichnen. Problematisch ist die Festlegung auf eine 'Doppelperspektivierung' bei dreistelligen Verben: Daß es parallel zu einem Verb wie beschenken ein Verb mit drei kasusmarkierten Ergänzungen gibt, schenken, zeigt, daß sich die Perspektivierung möglicherweise nicht so problemlos am Unterschied

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NP vs. PP festmachen läBt. Klar durch eine Markierung ausgezeichnet werden kann im Deutschen nur das Subjekt, so daß sich der Perspektivebegriff am problemlosesten auf dieses anwenden läßt. Die lexikalischen Perspektivierungsmöglichkeiten werden von Fillmore nicht direkt mit Oberflächenerscheinungen' wie dem Ausdruck der Fokus-HintergrundGliederung von Äußerungen in Beziehung gesetzt. Es scheint aber, daß jene durch diese mitbestimmt werden. Das Englische erlaubt z.B. sehr viel häufiger als das Deutsche, bei einzelnen Verben die Träger von thematischen Rollen, die relativ niedrig in einer Rollenhierarchie angesiedelt sind, als Subjekte in Perspektive zu bringen; man vergleiche dazu Hawkins (1981), der allerdings betont, daß es sich nur um eine quantitative Aussage handle (Hawkins 1981: 9). Zu Hawkins' Beispielen mit Verben des Deutschen, die - anders als ihre englischen Gegenstücke bestimmte Argumente nicht als Subjekte zulassen, lassen sich zwar meistens annähernde Paraphrasen mit anderen Prädikaten bilden, in denen das fragliche Argument als Subjekt erscheint, z.B.: (1-13) This tent sleeps four. (Hawkins 1 (17a)) (1-14) Dieses Zelt bietet vier Personen Platz. Es werden also im Deutschen nicht generell bestimmte thematische Rollen von der Realisierung als Subjekt ausgeschlossen. Da sich Fillmore jedoch nur auf die Perspektivebildung bei einzelnen lexikalischen Einheiten bezieht, sind diese Paraphrasen ohne Belang: Das Deutsche zeigt bei diversen Prädikaten eingeschränktere Perspektivierungsmöglichkeiten als das Englische. Bereits im Lexikon müssen demnach für die entsprechenden Verben des Englischen mehr Perspektivierungsmöglichkeiten notiert werden. Als Erklärung für das unterschiedliche Verhalten bietet sich an, daß im Deutschen 'interessante' Teilaspekte einer Situation auch durch die besondere Stellung des entsprechenden Ausdrucks, etwa im Vorfeld, angezeigt werden können. 1.3.4

Das Subjekt als 'Fokus des Sprecherinteresses'

Eine auf dem Sprecher und seiner 'kognitiven Ausstattung' beruhende Deutung des Subjektbegriffs nimmt David Zubin vor. Anders als die bisher erwähnten Autoren geht er explizit von dem unzweideutigen morphologischen Begriff des Nominativkasus aus. Sein Ziel ist festzustellen, welche Funktion einer mit diesem Kasus markierten NP im Diskurs zukommt. In einer Fußnote allerdings sagt Zubin ausdrücklich, daß er den Nominativ als "case of the grammatical subject" (Zubin 1979: 474, Fn.4) versteht. Prädikatsnomina sind demnach auszuschließen: Der auf seine 'Diskursfunktion' zu untersuchende Begriff ist also gar nicht so scharf

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gefaßt, wie es zunächst den Anschein hat - insbesondere wenn man sich so problematische Fälle wie die Identitätsaussagen ansieht. Zubin stellt zunächst die Hypothese auf, daß für den Begriff 'Fokus des Sprecherinteresses', mit dessen Hilfe er die Funktion des Nominativs im Deutschen zu klären versucht, eine kognitive Basis vorhanden sei. Zum einen fuhrt er das Phänomen der 'selektiven Aufmerksamkeit' beim Menschen an, das besagt, daß sich zu einem gegebenen Zeitpunkt die Aufmerksamkeit nur auf jeweils eine Entität oder ein Ereignis richten kann, zum anderen die Erscheinung des 'Egozentrismus', die sich in der Form äußert, daß Informationen über den Sprecher selbst von diesem leichter verarbeitet werden als solche über andere menschliche Wesen, die letzteren wiederum leichter als solche über Nichtmenschliches. Auf diesem Hintergrund formuliert Zubin seine zentrale Hypothese, daß es im Deutschen ein grammatisches System des "Speaker's Focus of Interest" (Zubin 1979: 474) gebe, das (formal) aus den Nominativ-, Dativ- und Akkusativendungen und (inhaltlich) aus der Bedeutungsopposition zwischen der Nominativendung als dem 'Interessefokus' des Sprechers und den anderen beiden Endungen als dem Nicht-Fokus bestehe. Der Nominativ zeigt also ein relativ größeres Interesse an. Das Interesse wird dabei von Faktoren des jeweiligen Diskurses, in dem der Sprecher die nominativisch markierte NP verwendet, beeinflußt. Die beiden kognitiven Eigenschaften der selektiven Aufmerksamkeit und des Egozentrismus bewirken, so lautet die Vermutung, daß im Nominativkasus diejenige NP erscheint, die die für den Sprecher auffälligste oder die ihm selbst ähnlichste Entität in der sprachlich zu fassenden Szene denotiert. Zubin geht dabei von einer egozentrischen Skala aus, die den Sprecher vor dem Hörer, diesen vor dritten Personen, diese vor unbelebten Objekten und die letzteren wiederum vor abstrakten Objekten anordnet. 7 Der Sprecher setzt, wenn an einem Ereignis keine für ihn besonders auffällige Entität beteiligt ist, diejenige NP in den Nominativ, die die auf der egozentrischen Skala 'ego-nächste' der beteiligten Entitäten bezeichnet. Eine solche oder eine ähnliche Skala wird, wie Zubin anmerkt, in sehr vielen Arbeiten genutzt, um bestimmte sprachliche Phänomene zu erklären. Foley/Van Valin sprechen in Bezug auf NPn von einer "universal hierarchy of inherent topic-worthiness" (Foley/Van Valin 1977: 294), die mit durch den Diskurs kontrollierten Eigenschaften interagiert; Dixon erklärt mit Hilfe einer "'potentiality of agency* scale" (Dixon 1979: 85) bestimmte 'Nominativ/Akkusativ '-Phänomene in Ergativsprachen; Runo (1976: 431ff.) sieht in den Sprachen bestimmte Prinzipien wirksam, die auf einer mehr oder weniger ausgeprägten Identifikation des Sprechers mit NP-Referenten einer bestimmten Form beruhen.

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Zubin nimmt an, daß es sich bei der Markierung des Interessefokus um die Bedeutung der Nominativendung handle (vgl. Zubin 1979: 474, 488, 490, 500; Zubin 1982: 245, 250). Diese Behauptung versucht er durch statistische Untersuchungen an einer Anzahl von Erzählungen und einem wissenschaftlichen Text zu untermauern. Tatsächlich wird z.B. in 96% der Relativsätze - die deshalb zur Untersuchung herangezogen werden, weil nach Zubin davon ausgegangen werden kann, da£ die in der vom Relativsatz repräsentierten Situation a u f f ä l l i g s t e Entität durch das Relativpronomen bezeichnet wird (vgl. Kuno 1976: 420) - das Relativpronomen oder die MP, die die dem Sprecher ähnlichste Entität innerhalb der beschriebenen Szene bezeichnet, nominativisch markiert. Ebenso sprechen die untersuchten Texte auch für die weiteren Hypothesen, daß die in einem Textstück häufig erwähnten, also für den Sprecher wichtigen, Entitäten überproportional häufig durch eine nominativisch markierte NP, im Gegensatz zu nicht nominativisch markierten NPn oder zu PPn, bezeichnet werden und daß umgekehrt verhältnismäßig viele Nominativ-NPn in einem gegebenen Textstück dieselbe Entität bezeichnen, während das für oblique NPn und PPn nicht gilt. Der Einfluß der egozentrischen Skala ist in den Texten daran zu erkennen, daß die Wahrscheinlichkeit d a f ü r , daß eine Entität mit einer Nominativ-NP bezeichnet wird, um so größer ist, je näher die Entität auf der Skala am 'Sprecherende' liegt. Mögliche alternative Erklärungen für die Verwendung des Nominativs, die etwa das Merkmal 'menschlich 1 oder das Konzept der alten Information verwenden, glaubt Zubin aufgrund der Eigenarten der untersuchten Texte ausschließen zu können. Zwar hänge der Begriff der Hervorgehobenheit auch mit dem der alten Information zusammen. 8 Nicht jede für den Sprecher in einer Szene wichtige Entität brauche aber zum jeweiligen Zeitpunkt des Diskurses zur 'gegebenen' Information zu zählen. Insbesondere sei dabei der Einfluß der egozentrischen Skala auf die Auswahl der Nominativ-NP zu beachten. Neben der durch kognitive Eigenschaften des Menschen zu erklärenden und weitgehend unbewußten 'fokussierenden 1 K r a f t des Nominativs nennt Zubin drei Mittel, die dem Sprecher zur Verfügung stehen, um ganz bewußt die Aufmerksamkeit des Hörers auf eine bestimmte Entität zu lenken, nämlich die Verwendung deiktischer Pronomina, die Wortstellung - hier bezieht er sich anscheinend auf die Besetzung der Vorfeldposition - und die Hervorhebung durch Akzentuierung. 8

Van Valin/Foley (1980: 3 3 8 f f . ) sprechen davon, daß sprecherbezogene Faktoren (der Interessefokus) und hörerbezogene Faktoren (Definitheit, 'Gegebenheit' usw.) zusammenwirken, um eine NP als pragmatisch hervorgehobenste auszuzeichnen, was im Deutschen ihre Markierung durch die Nominativendung nach sich ziehe. Welche Faktoren bei einer möglichen Divergenz überwiegen, wird allerdings nicht gesagt.

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Wie Dik schließt auch Zubin bestimmte semantisch leere nominativisch markierte NPn nicht explizit aus der Untersuchung aus. 9 Das betrifft neben den esSubjekten bei 'Vetterverben' oder Verben wie es gibt wiederum Ausdrücke mit idiomatisch festgelegter Besetzung der Subjektstelle. In solchen Fällen scheint es aber kaum sinnvoll, von einer Fokussierungsfunktion des Nominativs auszugehen. Bei Vetterverben ist überhaupt kein 'Interessefokus' festzustellen. In anderen Fällen bezeichnet zumindest die Nominativ-NP kaum die interessanteste oder auch ego-nächste Entität. Problematisch sind für die Bestimmung der Nominativ-Funktion auch Passivsätze, und zwar nicht nur die 'unpersönlichen' Passivsätze, in denen überhaupt keine Nominativ-NP vorkommt. Die Funktion des Passivs scheint nämlich in manchen Fällen einfach die zu sein, eine Argumentstelle, die ansonsten obligatorisch durch einen Ausdruck besetzt werden muß, aus dem Argumentrahmen des Verbs zu entfernen und zu einer 'freien Angabe' herabzustufen, die nicht notwendigerweise vorhanden sein muß. Andererseits wird eine im Aktivsatz akkusativisch markierte NP im passivischen Gegenstück völlig regelmäßig als Nominativ-NP realisiert. Durchaus möglich sind also Passivsätze, in denen aufgrund des rein syntaktisch bedingten Prozesses der Nominativmarkierung eines Tiefen-Objekts die so markierte NP weder die 'ego-nächste' noch die für den Sprecher (in einem intuitiven Sinn) 'interessanteste' Entität denotiert. Beispiele sind vor allem passivierte Idiome: (1-15) Dem Kittelstürmer wurde frühzeitig die Schneid abgekauft. Aber auch andere Beispiele mit semantisch wenig spezifizierten (und den beiden 'Fokussierungs-Bedingungen' der Ego-Nähe und Interessantheit nicht entsprechenden) Nominativ-NPn lassen sich anführen: Obwohl Zubin nur von Nominativen mit Subjektsfunktion spricht, kann man sich fragen, ob er mit seiner pragmatischen Charakterisierung nicht auch Subjektsätze erfassen sollte. Immerhin könnte auch die Wahl eines satzförmigen Subjekts darauf hindeuten, daß dieser Teilsatz die für den Sprecher in einer Szene hervorstechendste 'Entität' bezeichnet. Allerdings lassen sich für diese Hypothese sicherlich nicht die angeführten Wege der Oberprüfung beschreiten, da z.B. die von einem Subjektsatz denotierte Entität - bestimmte Freie Relativsätze mit Subjektsfunktion einmal ausgeschlossen - als Abstraktum auf der egozentrischen Skala am weitesten vom Sprecher entfernt ist. Zudem ist sie im allgemeinen nicht so stabil individuiert, daß der Sprecher sich in einem Diskurs immer wieder auf sie bezieht, und wenn es doch der Fall ist, verschwindet - zumindest bei aufeinanderfolgenden Verwendungen der Subjektsatz und wird durch ein Pronomen, in anderen Fällen vielleicht auch durch eine nominalisierte Variante ersetzt. Dennoch ist es durchaus denkbar, daß die Charakterisierung des Nominativs als Fokus des Sprecherinteresses auch auf satzförmige Ausdrücke z u t r i f f t , die durch eine nominativisch markierte NP ersetzt werden können. Da die entsprechenden Matrixsätze keine Nominativ-NP enthalten, könnten solche komplexen Sätze natürlich auch ganz ohne jeden 'Interessefokus' sein.

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(1-16) (1-17)

Dem Herrn Brösele bleibt auch nichts erspart. Den Pfiffen vereinzelter Demonstranten wurde keine Aufmerksamkeit geschenkt. (1-18) Dem Angeklagten brach der Schweiß aus. Beim Beispiel (1-18) kann man sicher nicht in allen Verwendungssituationen davon ausgehen, daß diese Kombination aus Dativ- und Nominativ-NP Ausdrücken wie in Schweiß ausbrechen oder zu schwitzen beginnen deswegen vorgezogen wird, weil der Schweiß 'interessanter' ist als die schwitzende Person. Aus solchen Beispielen läßt sich schließen, daß nicht alle Subjekts-Nominative mit dem pragmatischen (nach Zubin: semantischen) Begriff eines Fokus des Sprecherinteresses erfaßt werden können. Umgekehrt scheint Zubin davon auszugehen, daß der Interesse-Fokus ausschließlich durch den Nominativ angezeigt wird: "The speaker 'decides' which of the several participants in an event is at the center of his interest [...] and then puts it in the nominative" (Zubin 1979: 475). Da sich die Fokusbedeutung des Nominativs nur durch die Opposition zu den anderen Kasus ergibt, sind nominativlose Sätze mit einstelligen Prädikaten, wie mich schaudert, kein Gegenbeweis. Nominativlose Sätze mit mehrstelligen Prädikaten sind jedoch problematisch. (1-19) Dem Verein wurde mit einem Kredit aus der Patsche geholfen. Wenn man bedenkt, daß die PP mit einem Kredit ohne weiteres, die Dativ-NP aber nur sehr schlecht zum Subjekt gemacht werden kann, liegt der Schluß nahe, daß hier ein vorhandener Interesse-Fokus einfach nicht mit dem Standardmittel der Nominativ-NP ausgedrückt werden kann: (1-20) Ein Kredit half dem Verein aus der Patsche. (1-21) ??Der Verein bekam mit einem Kredit aus der Patsche geholfen. Angesichts solcher Beispiele scheint es nicht gerechtfertigt, den Fokus des Sprecherinteresses als die Bedeutung des Nominativkasus auszugeben. Auch Zubins Untersuchung der Relativsätze zeigt, daß in etlichen Fällen weder der ego-nächste Ausdruck noch das Relativpronomen, sondern eine ganz unvorhergesehene NP nominativisch markiert wird. Immerhin ist eine klare Tendenz in der Verwendung des Nominativs zu erkennen: Die Markierung des Interessefokus ist daher am besten als eine typische pragmatische Funktion der Nominativmarkierung zu charakterisieren. Ungeklärt bleiben in Zubins Untersuchung vor allem zwei Dinge. Die Kasusendungen gehören nämlich noch zu einem zweiten grammatischen System, dem "System of Contribution", "in which they signal the degree to which individual participants in an event are potent or agent-like relative to one another" (Zubin 1979:

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474, Fn. 3). Dabei rangiert die von einer Nominativ-NP denotierte Entität vor einer durch eine Dativ-NP bezeichneten und diese wiederum vor einer durch eine Akkusativ-NP denotierten. (Der semantische Unterschied von Dativ- und AkkusativNPn wird in Zubin (1977) genauer zu erfassen versucht.) Anscheinend handelt es sich hier um eine zweite Bedeutung der Nominativendung. Leider ist aus der Fußnote nicht zu entnehmen, wie Zubin dieses System der semantischen Rollen genauer versteht - etwa im Zusammenhang mit sein/werden-Passiven, bei denen eine ehemalige Akkusativrolle gegenüber einer möglicherweise vorhandenen Dativrolle auf einmal ein größeres Naß an 'Agentivität' aufzeigen sollte. Auch die semantisch leeren Nominativ-NPn sind wieder problematisch. Vor allem wird nicht klar, inwieweit die beiden Systeme ineinandergreifen und welches in Konfliktfällen das wichtigere ist. Im folgenden Beispiel könnte man durchaus davon ausgehen, daß die Nominativrolle weniger agensähnlich ist als die Dativrolle, daß aber nach Gesichtspunkten der 'Interessantheit' ausgewählt wird. (1-22) Am Ende unterlag Rom den Barbaren. Umgekehrt zeigt der Relativsatztest, daß die agensähnliche Nominativ-NP weder die in einer Szene 'interessanteste' noch die 'ego-nächste' Entität zu bezeichnen braucht. (1-23) Auf dem Blatt Papier, das mir der Vind vor die Füße geweht hatte, standen auch einige grammatikalisch bemerkenswerte Subjektsätze. Ganz unklar ist auch die Beziehung zwischen der weitgehend unbewußten Fokussierung des Sprecherinteresses durch die Verwendung einer Nominativ-NP und der bewußten Hervorhebung durch Betonung (hier durch Großschreibung repräsentiert), Wortstellung und Verwendung deiktischer Pronomina. Die für den Sprecher in einer Situation bemerkenswerteste Entität kann anscheinend durch beide Strategien ausgezeichnet werden. (1-24)

(Von wegen 'das ist doch ein ganz braver Hund'!) Keine VEISSwürste hat er mir geklaut! Nachdem in diesem Beispiel die in der Situation verhältnismäßig auffälligste Entität durch eine positioneil und intonatorisch hervorgehobene Akkusativ-NP denotiert wird, sollte nach der egozentrischen Skala der Sprecher selbst mit Hilfe einer nominativisch markierten NP bezeichnet werden. Da dies nicht der Fall ist, kann man nur davon ausgehen, daß ein zweiter 'Aufmerksamkeitsfokus' vorhanden ist, was aber der zugrundegelegten Hypothese widerspricht, daß der Sprecher die Aufmerksamkeit auf jeweils eine Entität einer Szene konzentriert. Trotz dieser Probleme ist die Annahme sicherlich vernünftig, daß es bestimmte pragmatische Faktoren - 'Interessantheit' und 'Ego-Nähe 1 - gibt, die auf die Subjektwahl, bzw. die Wahl der nicht-prädikativen Nominativ-NP, einen statistisch feststellbaren Einfluß haben.

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1.3.5

Zusammenfassung

Als Kern der hier untersuchten pragmatischen Charakterisierungen des Subjektbegriffs läßt sich die Metapher einer gewissermaßen 'gerichteten' sprachlichen Präsentation von Sachverhalten herausschälen. Eine solche Darstellung hat einen 'Ausgangspunkt', von dem ausgehend sie aufgebaut wird, bzw. auf den als zentralen Bestandteil verwiesen wird. Dieser Ausgangspunkt wird nach den vorgestellten Ansätzen typischerweise durch die Subjekts-NP bezeichnet, bzw. die Subjekts-NP bezeichnet typischerweise einen derartigen Ausgangspunkt. Die Metapher von der gerichteten Darstellung findet sich am deutlichsten bei Fillmore und Dik, die von der Perspektivierungsfunktion des Subjekts sprechen, sowie bei Zubin, für den die Nominativ-NP den Fokus des Sprecherinteresses bezeichnet. Die beiden zuerst diskutierten Charakterisierungen passen ebenfalls in dieses Bild: Der Ausgangspunkt und das Zentrum einer Darstellung werden eher als präsupponiert aufgefaßt. Das Thema, sowohl in der Interpretation als alte Information als auch in der als Rahmen, ist als eine Art Ausgangspunkt zu verstehen, von dem aus zum Rhema (Fokus) weitergeschritten wird. Als Fazit dieses Abschnitts über die pragmatischen Charakterisierungen des Subjektbegriffs ergibt sich, daß im Prinzip nur die typischen Verwendungsweisen von selbständig referierenden Subjektsausdrücken erfaßt werden können. Reine 'Formalsubjekte' (z.B. das 'Wetter-es') oder Teile von idiomatischen Ausdrucken lassen sich keinesfalls auf diese Weise beschreiben. Aber auch unter den selbständig referierenden Subjekts-NPn gibt es solche, die sich untypisch verhalten. Für die eindeutige Charakterisierung der syntaktischen oder morphologischen Subjekte eignen sich die vorgestellten Bestimmungen also nicht. Begriffe wie 'Perspektivierung' und 'Fokus des Sprecherinteresses' können jedoch z.B. bei der Beschreibung der Regularitäten des Textaufbaus durchaus sinnvoll sein. 1.4

Rollensemantische Charakterisierungen des Subjektbegriffs

Die von mir als pragmatisch eingestuften Charakterisierungen des Subjekts mit Hilfe des Begriffs der Perspektivesetzung nehmen zum Teil (Dik und Fillmore) schon wesentlich Bezug auf den rollensemantischen Status der 'perspektivierten' NP. Im folgenden soll auf die rollensemantischen Aspekte, wieder im Anschluß an Reis (1982), etwas näher eingegangen werden. In Reis (1982: 178ff.) werden zwei Arten der rollensemantischen Charakterisierung des Subjekts untersucht: Im einen Fall wird das Subjekt bestimmt durch den Begriff der ranghöchsten in einem Satz verfügbaren Kasusrolle (bzw. thematischen Rolle oder Relation), im anderen durch den der inhärenten Agentivität.

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1.4.1

Subjekte und Agentivität

Reis bezieht sich für diese letzte Auffassung insbesondere auf Sasse (1978), der vom Subjekt als einer übertragbaren Agensthematisierung spricht. 10 Sasse selbst kennzeichnet allerdings die Redeweise von einer inhärenten Agentivität, also von einem völligen Zusammenfall syntaktischer und semantischer - und auch topikaler - Eigenschaften, als eine Fehldeutung der 'semantikzentrierten' Subjektcharakterisierung: Was aber hei8t "inhärente Topikalität oder Agentivität"? Das Subjekt hat keine inhärenten semantischen oder pragmatischen Eigenschaften, es dient vielmehr zum Ausdruck semantischer und pragmatischer Kategorien; [...] Da das syntaktische Ordnungsprinzip der grammatischen Relationen zwischen Semantik und Pragmatik vermittelt, kann es weder mit einem rein semantischen, noch mit einem rein pragmatischen System identisch sein, und schon gar nicht mit beiden gleichzeitig. (Sasse 1982: 273, Fn. 14) Die Agentivität kennzeichnet nur die prototypischen Fälle von Subjektverwendung. Tests, die auf eine klare Agentivität hindeuten, liefern jedenfalls, wie Reis (1982) zeigt, nicht für alle Oberflächensubjekte' des Deutschen positive Ergebnisse: So können z.B. tätigkeitsbezogene Adverbien (wie etwa absichtlich) im Deutschen, anders als im Englischen, nicht auf Subjekte in passivierten Sätzen bezogen werden, sondern nur auf das 'Tiefensubjekt'; d.h. 'Tiefenobjekte' gewinnen nicht dadurch an agentivischer Potenz, daß sie als Subjekte kodiert werden. Eine spezielle, vielleicht 'agentivitätsinduzierende 1 Konstruktion, die PatiensSubjekt-Konstruktion, ist im Deutschen ziemlich selten. Diese Konstruktion kommt nur in Kontexten vor, in denen dem Subjekt eine Art 'Verantwortlichkeit' (was also der Kern des Agentivitätsbegriffes wäre) für die beschriebene Situation zugeschrieben werden kann; vgl. das folgende Beispiel: (1-25) Das Fenster schließt schlecht, weil es sich verzogen hat/*veil ich kaum an den Griff herankomme. 10 Reis erwähnt auch noch Schachter mit seinem Begriff des 'Protagonisten* (Schachter 1977: 283), der der oben kurz angesprochenen Rollencharakterisierung der Nominativ-NP bei Zubin stark zu ähneln scheint: der Subjektsausdruck denotiert die für den Sprecher in einer sprachlich zu fassenden Situation 'am wesentlichsten* beteiligte Entität. Anscheinend handelt es sich um eine sprecherbezogene 'subjektivierte 1 Variante von Filimores Prinzip der Subjektwahl. Dabei braucht natürlich nicht von einer besonderen Agentivität der wichtigen NP ausgegangen zu werden. Solange aber nicht angegeben wird, wie unabhängig von der Subjektwahl die 'Rollenprominenz' einer bestimmten nominalen Konstituente festgestellt werden kann, bleibt eine solche semantische Fassung des Subjektbegriffs ohne Substanz.

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Eine Agentivität der Subjekts-NP fehlt auf jeden Fall bei Vorgangs- oder Zustandsverben, 11 bei psychischen Verben, bei den Nominativ-NPn in Identitätssätzen und beim Formal-Subjekt es. Abschließend meint Reis, daß "die angeführten Agentivitätsphänomene im Deutschen [...] als idiosynkratische Eigenschaften spezieller Verben und Verbklassen, bzw. gegebenenfalls eines Konstruktionstyps, zu behandeln" seien (Reis 1982: 184). 1.4.2

Subjekte und die Hierarchie der Kasusrollen

Für die Charakterisierung der Subjekts-NP als Träger der ranghöchsten Kasusrolle in einem Satz bezieht sich Reis speziell auf die fillmoresche Konzeption. Fillnore nimmt an (in Fillmore (1968) und (1971); die Kasuslisten differieren voneinander), daß die gemäß einer universellen Kasushierarchie höchste Kasusrolle in einem Satz zum Subjekt dieses Satzes wird; einzelne lexikalische Ausnahmen oder auch bestimmte durch Subprinzipien geregelte Ausnahmeklassen sind ebenso zugelassen wie Passivierungen, die die Rangfolge der Kasus in Bezug auf die Subjektwahl verändern. Reis (1982: 179ff.) wendet gegen diese Auffassung ein, daß es erstens eine ziemliche Menge an Ausnahmefällen gibt und auch die Subprinzipien, die eine der Kasushierarchie widersprechende Subjektwahl bei bestimmten Verbklassen regeln, nicht ausnahmslos gültig sind - mit entsprechenden Folgen für die Subjektwahl im Einzelfall - und daß zweitens die Zulässigkeit von Einzelausnahmen und 'Umhierarchisierungstransformationen' wie den Passivtypen unverständlich ist, wenn das Subjekt allein dazu dient, die ranghöchste Kasusrolle zu markieren. Venn tatsächlich bestimmte Diskursfaktoren die Subjektwahl beeinflussen, etwa die 'Interessantheit' einer bestimmten Entität für den Sprecher, so ist natürlich nicht zu erwarten, daß ein rein rollenbezogenes Prinzip der Subjektwahl alle möglichen Fälle zu erfassen vermag. Es scheint eher so zu sein, daß eine Kasushierarchie die Subjektwahl zwar beeinflußt und beschränkt, aber nicht vollständig determiniert. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß es zum einen Konstruktionstypen gibt, die eine oberflächliche 'Umhierarchisierung' der Kasusrollen erlauben, und zum anderen einzelne Prädikate, die demselben Zweck dienen. Daß jedoch ein Trend vorherrscht, zentralere Rollen auch per se für 'interessan11 Diese werden in der Terminologie der Relationalen Grammatik als unakkusativisch charakterisiert und ähneln damit sehr stark den passivierten Verben. In der Government-Binding-Theorie heißen diese Verben - oder zumindest eine Teilmenge - ergativ.

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ter' zu halten (bzw. umgekehrt: sie sind zentral, weil sie kommunikativ im Normalfall besonders interessant sind), kann nicht bestritten werden. Diese zweite Form der semantischen Charakterisierung des Subjektbegriffs ist, wenn man sich nur auf den Begriff der Agentivität, bzw. die Agensrolle konzentriert, schwächer als die erste: Sie sagt nicht, daß das Subjekt 'inhärent' agentivisch ist, sondern nur, daß es die Agensrolle übernimmt, wenn diese in einem Satz Oberhaupt verfügbar ist. Die Möglichkeit der Einfügung einer Agens-Phrase 12 beim Passiv spricht natürlich sofort auch gegen diese Einschränkung. Derartige Phrasen stehen nun aber außerhalb der zentralen oder 'nuklearen' Prädikation (vgl. zu diesem Begriff Dik (1978: 2 5 f . ) ) ; sie sind z.B. ohne weiteres weglaßbar und werden auch in ihrer speziellen Form nicht durch das passivierte Verb determiniert. Die Agens-Bindung durch das Subjekt muß also noch weiter eingeschränkt werden. Möglicherweise gilt, daß ein nominaler Ausdruck mit Agensrolle nur dann als obligatorische Ergänzung erscheinen darf, wenn er zum Subjekt wird. Die Agensrolle wäre also innerhalb der zentralen Prädikatsergänzungen auf das Subjekt beschränkt. Obligatorische Ergänzungen seien verstanden als diejenigen, deren Kasusmarkierung argumentstellenspezifisch erfolgt (s.o. 1.1.2). Das Subjekt kann auf diese Weise natürlich nicht rollensemantisch einheitlich charakterisiert werden, aber immerhin läßt sich festhalten, daß es unter den obligatorischen Ergänzungen die einzige ist, die agentivisch interpretiert werden kann. Vielleicht entsteht dadurch auch der Eindruck, daß das Subjekt von Haus aus agentivisch zu interpretieren ist. Mögliche Gegenbeispiele sind Sätze mit den Prädikaten stammen von j'An., erfahren von jda., durcbfallen bei jda., bei denen nach Reis (1982: 180) nicht die Agens-, sondern die Objektrolle zum Subjekt wird. Im ungünstigsten Fall müßte die These noch weiter abgeschwächt und auf kasusmarkierte obligatorische Ergänzungen beschränkt werden. Möglicherweise sind die PPn bei den drei Verben aber gar nicht argumentstellenspezifisch markiert. Damit wären sie keine obligatorischen Ergänzungen im oben festgelegten Sinn: Die von-Markierung ist ja die typische personenbezogene Präposition bei den Agens-Phrasen im Passiv; es ist also durch allgemeine Regeln vorhersagbar, daß der Träger einer Agensrolle als von-PP 12 Üblicherweise bezieht man sich mit diesem Begriff auf alle 'Tiefensubjekte' in Passivsätzen - nicht ganz glücklich, da die entsprechenden PPn natürlich alle Rollen übernehmen können, die im entsprechenden Aktivsatz dem Subjekt zugewiesen werden, also nicht nur die Agens-Rolle (vgl. dazu z.B. Lasnik (1988)). Im vorliegenden Zusammenhang geht es natürlich nur um solche 'Agens-Phrasen' (im üblichen Sinn), die tatsächlich eine echte Agens-Rolle (bzw. deren Äquivalent in passivischen Strukturen) tragen.

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realisiert werden kann. Zudem kann bei den letzten beiden Prädikaten eine PP derselben Form hinzugefügt werden: vom reitenden Boten von der Geburt des Messias erfahren; (?) bei Professor Unrast bei der Hebräischprüfung durchfallen. Es ist anzunehmen, daß nur eine der beiden formgleichen Präpositionen verbspezifisch sein kann - die angebliche Agens-Phrase scheint mir in beiden Fällen der unwahrscheinlichere Kandidat. Weiter hat die iei-Phrase in bei Professor Unrast versagen wohl keinen wesentlich anderen Status als diejenige bei durchfallen; sie ist zunächst lokal zu interpretieren. Die Agentivität der PPn bei den drei Verben ist jedenfalls nicht unbedingt gesichert; hier wirkt sich natürlich das Problem aus, daß die Kasusbegriffe prototypisch strukturiert sind, also unscharfe Ränder aufweisen. Der in Jackendoff (1987: 396} vorgeschlagene Test, den 'agensverdächtigen' Ausdruck in einer Pseudocleft-Konstruktion der Form was NP tat, war ... zu verwenden, funktioniert hier aber schon aus rein syntaktischen Gründen nicht, da in einen solchen Testsatz keine PP eingesetzt werden kann. Die oben aufgestellte Generalisierung, daß die Agensrolle nur dann durch eine obligatorische Ergänzung realisiert werden kann, wenn diese ein Subjekt ist, scheint mir durch die genannten problematischen Verben mit 'Agens-PPn' jedenfalls nicht widerlegt zu werden. Unter den Argumentstellen des Verbs, die mit einer spezifischen formalen Markierung des Argumentausdrucks gekoppelt sind, kann also nur die Subjekt-Argumentsteile die Agensrolle vergeben. Die Verben, die überhaupt eine ihrer zentralen Argumentstellen mit Agens-Merkmalen versehen, 'perspektivieren' also tatsächlich die Agensrolle. (In diesem Sinn fehlt einer 'Agens-Phrase' im Passiv also auch ein Bedeutungsmoment.) Die Überlegungen in Jackendoff (1987) zeigen, daß die Charakterisierung einer NP als Agens nicht ausreichend ist, sondern daß auch z.B. 'lokalistische* Kasusrollen, wie etwa die Rollen 'Ziel* oder 'Quelle', berücksichtigt werden müssen (bei nehmen ist die Agens-NP auch noch Träger der 'Ziel'-Rolle, bei geben dagegen Träger der 'Quellen'-Rolle); 13 die einzelnen Argumentstellen sind also durch Rollenkoeplexe zu kennzeichnen. Für diese zusätzlichen Rollen gibt es keine vergleichbare Subjekt-Präferenz. Auch das deutet darauf hin, daß die AgensRolle einen gewissen Sonderstatus hat. Die Redeweise von der inhärenten Agentivität der Subjekt-NP im Deutschen ist also dahingehend abzuändern, daß von den zentralen Argumentstellen eines Verbs 13 Bei den ren von werden. mit der

oben behandelten problematischen Verben stammen von jdm. und erfahjdm. kann möglicherweise gar nicht von echten Agens-PPn gesprochen Wahrscheinlicher ist, daß es sich um PPn handelt, die ausschließlich (lokalistischen) Rolle 'Quelle' verknüpft sind.

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nur die Subjekt-Stelle agentivische Merkmale vergeben kann. Eine weitergehende rollensenantische Charakterisierung des Subjekts ist nicht möglich. 1.4.3

Zusammenfassung

Der Subjektbegriff läßt sich höchstens in einem eng begrenzten Bereich mit Hilfe rollensemantischer Bestimmungen charakterisieren. Insgesamt zeigen die verschiedenen pragmatischen und rollensemantischen Deutungsversuche, welchen pragmatischen und semantischen Zwecken die Subjektsetzung im prototypischen Fall dient. Der Subjektausdruck gehorcht jedoch aufgrund seiner Markierung auch spezifischen syntaktischen Gesetzmäßigkeiten, die nicht vollständig aus der Erfüllung pragmatischer oder semantischer Zielsetzungen abgeleitet werden können. Im folgenden soll untersucht werden, inwieweit Subjekte durch ihre Markierung und die syntaktischen Regeln, die auf sie Bezug nehmen, eindeutig charakterisiert werden können. 1.5

Strukturelle Charakterisierungen des Subjektbegriffs

In Theorien, die den Sätzen einer Sprache eine explizite Strukturbeschreibung zuordnen, ist es im Prinzip denkbar, die Subjektrelation auf das Bestehen einer bestimmten Strukturkonfiguration zurückzuführen. 1.5.1

Das Subjekt als 'verbfernste HP'

Ein solcher Definitionsversuch im Rahmen einer kategorialgrammatischen Beschreibung findet sich in Vennemann/Harlow (1977). Das Subjekt wird dort definiert als "the last noun phrase to bind an argument place of the verb" (Vennemann/Harlow 1977: 245). Die kategorialgrammatischen Definitionen sollen insbesondere als Fundament einer Wortstellungstypologie dienen und dabei die unscharfen traditionellen Relationsbegriffe ablösen, in denen syntaktische, rollensemantische und pragmatische Eigenschaften verschmolzen werden; auf ihrer Grundlage soll aber auch erklärt werden können, wieso 'nominativlose' Verben (z.B. im Deutschen mich friert) sich im Laufe der Zeit zu Verben mit Nominativkomplement entwickeln können (ich friere als neuere Konstruktion): Es erfolgt hier lediglich ein Wechsel in der Kasusmarkierung des am letzten abgebundenen Arguments (vgl. zur Entwicklung solcher 'nominativloser' Strukturen v. Seefranz-Montag (1983)). Im Anschluß an die Kritik dieses Definitions-vorschlags bei Reis (1982: 198ff.) wird er auch von Vennemann selbst verworfen. Eine zentrale Frage bei ei-

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ner solchen rein formalen Definition ist nämlich: "How do we determine the proper order of application of terms to their verbs?" (Vennemann 1982: 249) Die kategorialgrammatische Merkmalskombinatorik selbst legt die Abbindungsreihenfolge nicht fest, so daß ganz verschiedene Terme als 'Subjekte' ausgezeichnet werden können. Die Definition relationaler Begriffe, die in Dowty (1982) im Rahmen der Montague-Grammatik unternommen wird, ist dagegen eingebettet in ein Grammatikfragment, das auch relationsverändernde Regeln enthält. Damit kann eine strukturelle Definition auch auf 'inhaltliche' syntaktische Eigenschaften bestimmter Konstruktionen bezogen werden und ist somit wesentlich weniger willkürlich. Die doppelte Aufgabe der "universal definition of grammatical relations and relation changing rules" (Dowty 1982: 80) erfordert eben, daS die strukturelle Definition der Relationen auch eine geeignete Formulierung von Regeln wie der Passivierung gestattet: Das Subjekt ist dann u.a. dadurch zu charakterisieren, daß es in Strukturen mit einem aktivischen Verb dasjenige Argument ist, das bei der möglichen Bildung eines 'agenslosen Passivs' existentiell wegquantifiziert wird. Die Definition geht aus von der montagueschen Unterscheidung von syntaktischen Regeln und syntaktischen Operationen. Eine syntaktische Regel ist ein geordnetes Tripel, wobei das erste Element eine syntaktische Operation, das zweite Element die Kategorien der Argumente dieser Funktion (syntaktischen Operation) und das dritte Element die Kategorie des Funktionswerts angibt. Die syntaktischen Operationen selbst sind sprachabhängig: Im Deutschen muß etwa, wenn ein transitives Verb und eine Termphrase verknüpft werden, für eine akkusativische Markierung dieser Termphrase gesorgt werden. Die Tripel werden dagegen nach Dowtys Vermutung universell verwendet (wobei die spezifische Natur der syntaktischen Operationen außer acht gelassen wird). Mit Hilfe der syntaktischen Regeln lassen sich universell grammatische Relationen definieren. Das Subjekt ist z.B. derjenige Term (T), der durch die 'Subjekt-Prädikat-Regel 1 mit einem intransitiven Verb, bzw. einer intransitiven Verbalphrase, (IV) zu einem Satz (t) verbunden wird. Diese Regel Sl sieht folgendermaßen aus: < F i , < I V , T > , t > (Dowty 1982: 85); die Anwendung der syntaktischen Operation Fi führt sprachspezifisch u.a. zur Plazierung der Subjekts-Termphrase und zur Kongruenzmarkierung des finiten Verbs in IV. In Dowtys Grammatikfragment gibt es aber auch eine Regel, die Passive durch eine regelhafte Veränderung von transitiven Verben/Verbalphrasen zu bilden gestattet (ebd.: 92). Die Abbindungsreihenfolge kann nicht willkürlich gewählt werden, wenn diese Verben/Verbalphrasen als Argument für die syntaktische Operation dienen sollen, die aus ihnen intransitive Verbalphrasen für die Bildung von 'agenslosen 1 Passivstrukturen erzeugt.

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Ein Kriterium für die Abbindungsreihenfolge liegt damit allerdings nur für einen Teil der Prädikate fest, eben die 'persönlich' passivierbaren. Tatsächlich ist jedoch die rein strukturelle Festlegung der relationsverändernden Regeln nicht ausreichend. Darauf weist Dowty auch selbst hin: "In many languages, further syntactic complexity is introduced in that not all verbs of the same logical type are treated syntactically alike" (ebd.: 120, Fn. 4}. Er exemplifiziert diese syntaktische Komplizierung am Deutschen, das bei zweistelligen Verben eben nicht nur akkusativisch, sondern auch dativisch (z.B. bei helfen) und genitivisch (z.B. bei gedenken) markierte Objekts-Termphrasen verlangen kann. Damit muß die syntaktische Regel, die transitive (oder besser: zweistellige) Verben und Termphrasen zu intransitiven Verbalphrasen verknüpft, in drei syntaktische Teilregeln (mit derselben semantischen Interpretation) aufgespalten werden. Die Aufspaltung pflanzt sich natürlich durch das gesamte Grammatikfragment fort: Die Regel, die 'agenslose Passive' durch Detransitivierung einer transitiven Verbalphrase erzeugt, muß z.B. mindestens drei Teilregeln enthalten; ebenso darf die Operation Ft der Subjekt-Prädikat-Regel Sl die Kongruenzmarkierung nur verteilen, wenn die in diesem Fall zuletzt abgebundene Termphrase (die strukturelle 'Subjekts'-Termphrase) nominativisch markiert ist. Viele 'relationsbezogene' syntaktische Regularitäten des Deutschen erfordern also zu ihrer Formulierung die zusätzliche Berücksichtigung von nicht strukturell definierbaren Unterkategorien, die auf die morphologische Markierung an den beteiligten syntaktischen Einheiten zurückgehen (vgl. auch Primus 1987: 2 5 f . ) . Fazit: Die Charakterisierung des Subjekts als verbfernste und damit zuletzt abgebundene NP ermöglicht selbst bei einer Berücksichtigung relationsverändernder syntaktischer Operationen (z.B. der Passivbildung) nicht die angezielte Präzisierung des traditionellen Subjektbegriffs. 1.5.2

Das Subjekt als VP-ezteroe HP

Die bekanntesten strukturellen Definitionsversuche für die grammatischen 'HauptRelationen' wie Subjekt und direktes Objekt finden sich in der chomskyschen Generativen Grammatik. Üblicherweise wird dabei an die 'Aspects'-Definition gedacht: Ein Ausdruck der Kategorie NP steht demnach in der Subjektrelation zu einem Ausdruck der Kategorie Satz, wenn der jenen Ausdruck dominierende NP-Knoten unmittelbar vom SKnoten dominiert wird (Chomsky 1965: 7 0 f . ) . Die Definition greift nur dann eine ganz bestimmte NP heraus, wenn weitere NP-Knoten vom S-Knoten nicht unmittelbar dominiert werden. Soll durch die Subjekt-Relation eine bestimmte NP ausgezeich-

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net werden, dann müssen andere NPn Teil einer Schwesterkonstituente der Subjekts-NP sein. Bei dieser Schwesterkonstituente handelt es sich um die Verbalphrase VP. Die Strukturierung sieht also folgendermaßen aus:

NP

VP

Auch in der neuesten Version der X-Bar-Theorie (vgl. Chomsky 1986a: 161; Chomsky 1986b: 3) wird der Subjekts-NP-Knoten von S (=IP, d.h. INFL-Phrase) direkt dominiert und bleibt damit außerhalb der VP. Neu ist jedoch gegenüber der Standardtheorie, daß die Aufspaltung von S in eine NP und eine VP nur mehr für die sogenannten konfigurationeilen Sprachen, wie z.B. das Englische, angenommen wird. Die nicht-konfigurationellen Sprachen, mit der australischen Sprache Varlpiri als prototypischer Vertreterin, sind dagegen u.a. durch eine 'flache' S-Struktur ohne eine VP gekennzeichnet, so daß also in Sätzen mit einem n-stelligen Verb auch alle diese n NPn zum Satz in der strukturellen Subjektrelation stehen und keine unter ihnen dadurch besonders ausgezeichnet wird.

NP

NP

Eine Differenzierung in Strukturen mit VP und ohne eine solche ist nur dann sinnvoll, wenn sich die VP-externe NP syntaktisch anders verhält als VP-interne NPn und das unterschiedliche Verhalten auf die strukturelle Position zurückgeführt werden kann. Die strukturelle Auszeichnung einer NP ist also dadurch gerechtfertigt, daß diese Sonderstellung - zusammen mit anderen Annahmen - das Verhalten der entsprechenden 'Subjekts'-NP in bestimmten syntaktischen Konstruktionen zu erklären gestattet. Auch bezüglich des Deutschen stellt sich die Frage, ob es Evidenz für eine VP gibt, ob sich also eine bestimmte NP in ihrem Verhalten als die strukturell definierte Subjekts-NP auszeichnen läßt. Die nicht strukturell erklärbaren Ka-

36 Susmarkierungen, 1 * auf die schon im Zusammenhang mit Dowtys struktureller Definition der grammatischen Relationen eingegangen wurde, tauchen in der neueren Government-Binding-Theorie (GB-Theorie) als inhärente Kasus wieder a u f , die vom jeweiligen die NP regierenden Ausdruck, z.B. einem Verb, aufgrund lexikalischer Eigenschaften zugewiesen werden. Die nicht-konfigurationellen Sprachen sind u.a durch ein reiches System nicht-struktureller Kasus gekennzeichnet. Innerhalb der GB-Theorie ist die Mehrheitsmeinung, daß das Deutsche eine VP besitzt. In Fanselow (1987) wird darüber hinaus zu zeigen versucht, daß es auch in den anscheinend nicht-konfigurationellen Sprachen (wie dem Warlpiri) keine Evidenz für das Fehlen einer Kategorie VP gibt. Da eine VP in allen Sprachen vorhanden ist, auch in den oberflächlich nicht-konfigurationellen, sollte es sich um eine angeborene syntaktische Kategorie handeln. Im folgenden soll ausführlich untersucht werden, ob sich im Deutschen tatsächlich klare Asymmetrien im syntaktischen Verhalten von Subjekts- und Objektsausdrücken nachweisen lassen. 1.5.3

Asymmetrien i· syntaktischen Verhalten von Subjekten und Objekten: Gibt es i· Deutschen eine VP?

Ausschlaggebend für die strukturelle Definierbarkeit der Subjekts-NPn im Deutschen ist also, ob sich diese in ihrem syntaktischen Verhalten eindeutig von Objekts-NPn unterscheiden und ob dieses unterschiedliche Verhalten auf die strukturelle Bedingung der VP-Externalität zurückgeführt werden kann. Eine im Rahmen der GB-Theorie z.B. von Haider (etwa in Haider 1985b) vertretene Alternative ist, Subjekts- und Objekts-NPn als Schwesterkonstituenten zu analysieren, so daß bei mehrstelligen Prädikaten durch die strukturelle Position allein keine NP besonders ausgezeichnet ist. Die interne Struktur des deutschen Satzes wäre nach dieser Theorie so zu analysieren wie die Struktur von Warlpiri-Sätzen, nämlich nicht-konfigurationell ( ' f l a c h ' } . Als weitere Möglichkeit der Analyse läßt sich denken, daß bei mehrstelligen Verben die Abbindungs-Reihenfolge der einzelnen Verbargumente nicht völlig festgelegt ist. Es ergibt sich dann zwar eine (binäre) Strukturierung, so daß immer umfangreichere und komplexere Konstituenten entstehen, die sich z . B . alle durch 14 Diejenigen Kasus, die bei Vorliegen einer bestimmten strukturellen Konfiguration zugewiesen werden, sind: Objektiv'/Akkusativ (geht an die NP-Schwester von V, d.h. an das direkte Objekt in einem Satz), Genitiv (geht an die Schwester von N, d.h. an das Genitivattribut in einer komplexen NP), Nominativ (geht an die Subjekts-NP bei finitem INFL, also bei finiten Verbflexions-Elenenten).

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Vorfeldfähigkeit auszeichnen. Aber keine dieser Teilkonstituenten, die in S echt enthalten (also nicht mit S identisch) sind, stellt eine maximale Verbprojektion dar, deren Vorhandensein automatisch dazu führt, daß das außerhalb dieser maximalen Projektion abgebundene Argument besondere syntaktische Eigenschaften aufweist. Auf der anderen Seite wird durch eine derartige Analyse nicht ausgeschlossen, daß das als erstes und das als letztes abgebundene Argument teilweise unterschiedliche Eigenschaften haben können. Hier soll für die Position argumentiert werden, daß sich (bestimmte) Subjektsausdrücke zwar in vielen Konstruktionstypen anders verhalten als die typischen direkten Objektsausdrücke, daß dies aber nicht für die Einführung einer von S verschiedenen maximalen Verbprojektion VP spricht. Entweder lassen sich die Konstruktionen, die die Berücksichtigung einer Kategorie VP notwendig zu machen scheinen, ohne Bezugnahme auf eine VP beschreiben; oder aber zusätzlich berücksichtigte Daten sprechen gegen eine klare Asymmetrie im Verhalten von Subjekten und Objekten - und nur eine durchgängige Asymmetrie rechtfertigt die obligatorische Einführung einer VP-Grenze zwischen Subjekt und direktem Objekt. Der Verzicht auf die Kategorie VP bedeutet aber natürlich nicht den Verzicht auf strukturelle Relationen insgesamt als Beschreibungsinstrument. Die von den Verfechtern der VP-Hypothese diskutierten Argumente betreffen u.a. bestimmte Stellungsphänomene (vor allem Topikalisierungskonstruktionen), 'Bindungs-' und Koreferenzphänomene bei pronominalen Ausdrücken und Extraktionen: In allen Fällen scheinen sich Subjektsausdrücke völlig anders zu verhalten als die strukturell markierten Akkusativ-Objekte. Bevor auf die entsprechenden Konstruktionen näher eingegangen wird noch ein Wort zu den Daten: Ein Problem bei der Einschätzung der im folgenden darzustellenden Argumente liegt darin, daß sie sich häufig auf das Verhalten von Subjekts- und Objekts-Ausdrücken in sehr marginalen Konstruktionen beziehen. Eindeutige Akzeptabilitätsurteile sind deshalb nur bei ganz wenigen Beispielen zu treffen. Dementsprechend werden nicht selten Daten ganz unterschiedlich beurteilt, je nachdem welches Argumentationsziel angesteuert wird - das gilt natürlich auch für meine Beispiele. Die empirische Grundlage der jeweiligen Theorien bilden nicht Sprachdaten an sich, sondern bewertete Daten. Diese Bewertungsabhängigkeit wirkt sich bei marginalen Konstruktionen besonders stark aus. Darüberhinaus sind einige der Argumente, die die Notwendigkeit der Kategorie VP bei der Erfassung bestimmter sprachlicher Regularitäten und damit auch die strukturelle Definierbarkeit von Subjekts-NPn dartun sollen, nicht nur aufgrund der Unsicherheit bei der Akzeptabilitätsbeurteilung der Daten nicht besonders durchschlagend. Vielmehr dürfen von Haus aus bei manchen der Konstruktionen mit

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den Subjekten nur direkte Objekte verglichen werden, da sich andere Objekttypen eher wie Subjekte verhalten ( z . B . bei den tras für AP-Konstruktionen, s.u. 1.5.3.4.2), in anderen Fällen ist der Status von Ausdrücken als direktes Objekt (gegenüber dem Status als Subjekt) zwar anscheinend notwendig, aber zugegebenermaßen nicht hinreichend dafür, daß dieser Ausdruck in bestimmten Konstruktionen verwendet werden kann (z.B. bei PP-Restrukturierungen, s.u. 1.5.3.4.3). 1.5.3.1 Unakkusativische Subjekte Bei der Einschätzung der verschiedenen Argumente für eine strukturelle Sonderstellung des Subjekts ist zu beachten, daß sie nicht zugleich auch Argumente für eine strukturelle Sonderstellung von nominativisch markierten NPn sind. Die nominativisch markierten NPn bei passivierten Verben und bei den sogenannten unakkusativischen Prädikaten müssen nämlich ausgenommen werden. Das Konzept der Unakkusativität wurde zuerst von Perlmutter (1978) im Rahmen der Relationalen Grammatik (RG) eingeführt, um die Ungrammatikalität bestimmter unpersönlicher Passivierungen in Sprachen zu erklären, die im Prinzip unpersönliches Passiv zulassen (wie z . B . das Deutsche oder das Niederländische). Sätze werden im Rahmen der RG (vgl. die Sammelbände von Perlmutter (1983b) und Perlmutter/Rosen (1984)) und ihrer Weiterentwicklung, der Arc Pair Grammar (APG, vgl. Johnson/Postal 1980), mit Hilfe Undefinierter Relationen beschrieben, die zwischen dem Satz und seinen Konstituenten bestehen: Die 1-Relation entspricht der traditionellen Subjekt-Relation, die 2-Relation der traditionellen Relation 'direktes Objekt' usw. Die Relationen können auf unterschiedlichen Ebenen bestehen, von denen die initiale für die semantische Interpretation von Belang ist, die finale für die phonetische Interpretation. 19 Die Abbildung der -ten in die n+l-te Ebene unterliegt dabei universellen und einzelsprachlichen Regularitäten. Die ursprüngliche Motivation des Theorierahmens der RG war die universelle Charakterisierung bestimmter Konstruktionen, die in den einzelnen Sprachen zwar durch ganz unterschiedliche syntaktische Mittel markiert werden können, denen aber als gemeinsamer Kern eine bestimmte Relationsveränderung zugrundeliegt prominentestes Beispiel: das Passiv, das universell als Beförderung eines direk15 Insofern ähnelt das Mehrebenenkonzept dem Mehrebenenkonzept der generativen Standardtheorie, nur daß hier nicht Phrasenmarker in Phrasenmarker abgebildet werden, sondern Mengen von zweistelligen Relationen in Mengen von zweistelligen Relationen.

39 ten Objekts zum Subjekt mit darauffolgender Herabstufung des ursprünglichen Subjekts zum 'Chomeur' (der 'Agens-Phrase' im Passiv) beschrieben wird (vgl. Perlmutter/Postal 1977). Die Analyse der unpersönlichen Passive in Perlmutter (1978) dient der Absicht, eine 'Advancement'-Analyse (Beförderungs-Analyse) auch der unpersönlichen Passivierung gegenüber einer 'Demotion'-Analyse ('spontane' Herabstufung eines Subjekts, ohne die 'motivierende' Beförderung eines direkten Objekts) zu verteidigen. 16 Auch das Deutsche läßt unpersönliche Passivierung zu, d.h. die Bildung von Sätzen mit 'passivischem Verbkomplex 1 ohne eine nominativisch markierte NP (Passiv im weitesten Sinn verstanden, also nicht nur das prototypische sein/werdenPassiv). (1-26) Bei den Zigeunern wurde getanzt und gelacht. (1-27) Dem Kanne kann geholfen werden. (1-28) Dem ist nicht zu widersprechen. Andererseits ist die Bildung von unpersönlichen Passiven nicht bei allen Verben möglich: (1-29) *Bei den Zigeunern wurde errötet. (1-30) *Mir wurde geschmeckt. Ein zentrales Bestandstück der RG-Erklärung für die Ungrammatikalität derartiger Strukturen ist die sogenannte 'Unaccusative Hypothesis', deren ursprüngliche Formulierung folgendermaßen lautet: "Certain intransitive clauses have an initial 2 but no initial l" (Perlmutter 1978: 160). 'Initial 2 ' s 1 sind grob gesprochen Tiefenobjekte und 'initial l's' Tiefensubjekte. Enthalten syntaktische Ebenen (die bei einer generelleren Regelformulierung nicht unbedingt initial sein müssen) eine 2-Relation, aber keine 1-Relation, so werden sie 'unakkusativisch' genannt. Die finale Ebene muß aufgrund des 'Final l Law' eine 1-Relation enthalten, also einen Subjektsausdruck (der nicht unbedingt an der Oberfläche* zu erscheinen braucht, etwa in Imperativischen Strukturen, vgl. auch Fn. 16), so daß eine unakkusativische Ebene durch eine Ebene ersetzt werden muß, die einen 1-Nachfolger der 2-Relation enthält. Die Ungrammatikalität bestimmter unpersönlicher Passivsätze, nämlich solcher, die 'unakkusativische Verben' enthalten, folgt dann aus einem weiteren universellen Gesetz, dem -Advancement Exclusiveness Law' (vgl. Perlmutter/ 16 I· Deutschen muß bei dieser Analyse allerdings ein phonetisch leeres 'DummySub j e k t ' angenommen werden.

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Postal 1984), das grob gesprochen festlegt, daß bei einem einzelnen (einfachen) Satz nicht zweimal ein Nicht-Subjekt zum Subjekt befördert werden darf. Die Beförderungs-Analyse der unpersönlichen Passivkonstruktion sagt dann voraus, daß bei unakkusativischen Verben keine Passivierung möglich ist, da der Passivierung - und damit der Beförderung eines 'Dummy-Objekts* zum Subjekt - die Beförderung eines unakkusativischen (Tiefen-)Objekts zum Subjekt vorausgehen müßte. Die Einführung des Begriffs der Unakkusativität ermöglicht aber auch die Erklärung zahlreicher anderer syntaktischer Phänomene, z.B. der Auxiliarwahl, der ae-Klitisierung usw. im Italienischen (vgl. Perlmutter 1983a). Zur Erklärung solcher syntaktischer Regularitäten des Italienischen wurde der Begriff von Burzio auch in die GB-Theorie eingeführt. Dort werden die 'unakkusativischen Verben' allerdings als 'ergative Verben' bezeichnet (vgl. Burzio 1986). 1T Für das Deutsche werden die syntaktischen Eigenschaften unakkusativischer (ergativer) Strukturen insbesondere in Grewendorf (1986b) sehr ausführlich behandelt. Nach Grewendorf ist dabei nur eine Teilmenge derjenigen Verben als ergativ zu bezeichnen, die aufgrund des ursprünglichen Kriteriums eines Verbots der unpersönlichen Passivbildung als unakkusativisch aufgefaßt wurden. Die beiden wichtigsten, eng miteinander zusammenhängenden Kriterien für ergative Verben sind die Selektion des Perfekthilfsverbs und die Attribuierbarkeit des Partizip Perfekt. Erstens fordern ergative Verben - genauso wie das Passiv-Hilfsverb werden - sein und nicht haben als Perfekthilfsverb: ist/*hat errötet (ergatives Verb); ist/*hat widerlegt worden (Passivhilfsverb werden) . Zweitens kann das Partizip Perfekt ergativer Verben wie das der transitiven Verben attributiv verwendet werden (bei letzteren mit eindeutigem Bezug auf das 'Tiefenobjekt'): die mißglückte Beweisführung (ergatives Verb); der widerlegte Gedankengang (transitives Verb); *der gelachte Heringsverkäufer (nicht-ergatives intransitives Verb). Kennzeichen der ergativen wie der passivierten Verben sei, daß sie nur an ihre Objekte thematische Rollen vergeben, die Subjektsposition dagegen thematisch unmarkiert bleibt; der Objektsausdruck kann dann in die (aufgrund der Strukturierung eines S, bzw. einer IP) prinzipiell vorhandene Subjektposition 17 Als 'ergativ' können die entsprechenden Strukturen aufgrund des Verhältnisses von thematischer Rolle und Kodierung bezeichnet werden, insofern nämlich ähnlich wie in Ergativsprachen ein Ausdruck mit einer objekttypischen thematischen Rolle gemäß den Regeln für die 'primäre grammatische Relation' markiert wird - in Nominativspracben also durch den Nominativ (anstatt durch den Absolutiv wie in echten Ergativsprachen).

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bewegt werden. Eine nominativisch markierte NP in Strukturen mit ergativem oder passiviertem Verb ist also aufgrund der thematischen Markierung durch das Verb (bzw. durch das jeweilige Prädikat) in der d-strukturellen ('tiefenstrukturellen') Objektposition mit den akkusativisch markierten Objekten in transitiven Strukturen im Hinblick auf bestimmte objekttypische syntaktische Regularitäten (die im folgenden genauer untersucht werden sollen) auf eine Stufe zu stellen. Insbesondere grenzt sich Grewendorf gegen Wunderlich (1985: 2 0 4 f f . ) ab. Nach Wunderlich ist die Klasse der (unakkusativischen) Verben, die als eindeutigen Kern diejenigen mit Perfekthilfsverb sein und attribuierbarem Partizip Perfekt enthält, dadurch gekennzeichnet, daß die entsprechenden Verben ihrem Subjekt die thematische Rolle 'Thema* zuweisen (vgl. Grewendorf 1986b: 2 0 6 f f . ) . Aufgrund des zusätzlichen Kriteriums der fehlenden Passivierbarkeit werden Verben wie schmekken oder fehlen mit zu den 'Themaverben' gezählt, während sie keine ergativen Verben in Grewendorfs Sinn sind: *Es wurde geschmeckt (kein unpersönliches Passiv möglich); aber: Die Gans hat/*ist geschmeckt; *die geschmeckte Gans (kein 'ergatives Verhalten* in Bezug auf die Selektion des Perfekthilfsverbs und die Attribuierbarkeit des Partizip P e r f e k t ) . Weiter unten soll darauf eingegangen werden, ob sich die ergativen Verben und der Rest der Themaverben tatsächlich so gravierend unterscheiden. Im Moment wird nur eine terminologische Festlegung getroffen: Der Begriff 'unakkusativische Verben* (bzw. Prädikate) wird als Oberbegriff verwendet; 'ergative Verben 1 sind diejenigen, die sein als Perfekthilfsverb fordern und als Partizip Perfekt attribuierbar sind; der Rest möge 'Themaverben' genannt werden. Bei der Einschätzung der Argumente, die für eine VP sprechen sollen, wird also darauf zu achten sein, daß sich die nominativisch markierten NPn in Sätzen mit passivierten oder ergativen Verben, möglicherweise auch mit Themaverben, aufgrund ihrer Objekthaftigkeit (wie immer man diese auch beschreiben möge) in bestimmten Konstruktionen eher wie ('transitive') akkusativisch markierte NPn verhalten werden. Das Auftreten dieser speziellen nominativisch markierten Ausdrücke im Zusammenhang mit objekttypischen Konstruktionen ist also noch kein Beweis dafür, daß an diesen syntaktischen Konstruktionen (die die VP-Hypothese durch das objektuntypische Verhalten von 'echten' Subjekten stützen sollen) eben doch auch generell Subjekte beteiligt sein können. Die erste Gruppe der Argumente (1.5.3.2 - 1.5.3.4) geht aus von bestimmten Stellungsregularitäten, insbesondere von einer Reihe von Topikalisierungskonstruktionen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß nicht ein einzelnes 'Satzglied* im Vorfeld erscheint, vielmehr das Vorfeld durch Ausdrücke besetzt wird, die aus mehreren solchen Satzgliedern oder aus bestimmten Satzgliedteilen bestehen.

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1.5.3.2

'Subjektinversionen'

Das erste Argument dieser Gruppe stützt sich auf die unterschiedlichen Grade der Harkiertheit bei Subjektumstellungen im Mittelfeld. 1.5.3.2.1 Markierte und unmarkierte 'Subjektinversionen' im Mittelfeld Im Mittelfeld lassen sich im Prinzip nicht-pronominale Subjektsausdrücke hinter Objekte stellen. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden. Im ersten Fall weicht eine solche Reihenfolge von der 'unmarkierten' ab. Daß eine Reihenfolge unmarkierter ist als eine andere, soll heißen, daß sie eine größere Zahl von Fokusprojektionen 16 zuläßt, so daß die entsprechenden Äußerungen in eine größere Menge von Kontexten passen und somit in ihrer Verwendung weniger stark beschränkt sind als die mit markierter Reihenfolge (vgl. Höhle (1982)). Die Subjektnachstellung blockiert in diesem Fall also bestimmte Fokusprojektionen, z.B. solche, die den gesamten (Teil-)Satz umfassen; wird ein solcher (Teil-)Satz in Kontexte eingebettet, die eine enge Fokussierung von Teilen des Satzes ausschließen, so erhält man inakzeptable Ergebnisse, und zwar bei jeder möglichen Akzentverteilung (auf die verschiedenen 'nicht-maximalen' Fokussierungen, die sich aus einer unterschiedlichen Akzentverteilung ergeben, wird nicht systematisch eingegangen): 19 (1-31) A: Warum trinkst du Jägermeister? B: Ich trinke Jägermeister, veil mein Hund meine OisKETten gefressen hat./*weil meine DisKETten mein Hund gefressen hat./??veil meine Disketten mein HUND gefressen bat. Allerdings ist die Subjektnachstellung dann nicht mehr besonders markiert, wenn andere Ausdrücke, die einem Subjekt ansonsten folgen, schon durch ihre Form als 'Hintergrundsausdrücke' kenntlich gemacht werden. Wenn z.B. ein Objekt nicht als Voll-NP, sondern als unbetontes Pronomen ohne spezifischere Eigensemantik realisiert wird, so daß es per se zum Hintergrund gehört, kann ihm ein nicht-pronominaler Subjektsausdruck folgen. (1-32) Der Bundesaußenminister reagierte verärgert, nachdem ihn der Ministerpräsident heftig Angegriffen hatte. 18 D.i. eine Erweiterung des durch die Akzentsetzung bedingten minimalen Fokusbereichs auf Kosten eines 'Hintergrunds'; zu den Begriffen vgl. Jacobs (1984). 19 Die intonatorisch hervorgehobenen Silben werden im folgenden, wo nötig, durch Großschreibung angezeigt.

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Ein Objektsausdruck kann aber nur dann in den Hintergrund gerückt werden, wenn die textuellen Bedingungen dafür vorhanden sind. In einem Textanfangssatz ohne jeden (auch situativen) Hintergrund ist dementsprechend eine Umstellung kaum mehr möglich. (1-33) München: In einem Artikel des "Bayernkurier" hat Ministerpräsident Strauß den BundesAUßenminister angegriffen. (1-34) »München: In einem Artikel des "Bayernkurier" hat den Bundesaußenminister Ministerpräsident STRAUSS angegriffen. Zum zweiten Fall: Unmarkiert ist die Stellung des Subjekts nach einem Objekt in Sätzen mit unakkusativischen Prädikaten (vgl. dazu z.B. Grewendorf (1986b)} oder mit einem passivierten Verb: (1-35) München: Bei den beutigen Wahlen ist den Grünen der Sprung ins ParlaMENT geglückt. (1-36) Moskau: Im Rahmen einer Feierstunde im Kreml ist dem Bundeskanzler der LEninorden verliehen worden. Im Mittelfeld ist also die Abfolge Objekt - Subjekt durchaus zulässig, auch wenn beide als Voll-NP realisiert werden. Allerdings muß jede Analyse berücksichtigen, daß diese Reihenfolge, bedingt durch das jeweilige Prädikat, markiert sein kann. 1.5.3.2.2 'Subjektinversionen' und die VP-Analyse Eine Analyse der deutschen Satzstruktur unter Einbeziehung einer VP ist zumindest bei einigen der Subjektumstellungen zu 'Strukturanpassungen' genötigt. Die unakkusativischen Fälle (bei Verben wie glücken) - und natürlich auch die passivischen - lassen sich erfassen, wenn die 'Oberflächensubjekte' in einer zugrundeliegenden Struktur als (direkte) Objekte - und damit als VP-intern, jedenfalls aber verbnäher als z.B. bestimmte Dativobjekte - analysiert werden und wenn sie auch in der S-Struktur in dieser Objektposition verbleiben können. Daß sie dann in dieser Position nominativisch markiert werden können, muß zwar durch spezielle Annahmen erklärt werden, 20 aber auch andere Theorien sind hier zur Annahme irgendeines speziellen Markierungsmechanismus gezwungen: Auch wenn man z.B. die Verbnähe bestimmter Subjektsausdrücke mit Hilfe von thematischen Rollen zu beschreiben versucht (s.u. 1.5.3.2.3), ist die Nominativmarkierung der ent20 Ergative und passivierte Verben weisen der NP-Schwester keinen Objekts-Kasus zu, wie es sonst üblich ist; die vom finiten INFL vergebene Nominativ-Markierung muß auf irgendeine Art eine ansonsten blockierende maximale Projektion, hier VP, überwinden können; vgl. Grewendorf (1986b).

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sprechenden Rollenträger (mit einer objekttypischen Rolle) ein Ausnahmefall zumindest bei den mehrwertigen Verben. Die markierten Umstellungen, die zu einer Einschränkung der Möglichkeiten der Fokusprojektion führen, können im Rahmen der VP-Theorien durch bestimmte Strukturveränderungen repräsentiert werden, etwa indem die Objekte links an den die Subjekts-NP dominierenden Satzknoten adjungiert werden (zu einer solchen Analyse vgl. Grewendorf (1986b: 2 1 9 f f . ) ) . Es ließe sich denken, daß eine derartige Strukturkomplizierung zu der Markiertheit solcher Konstruktionen beiträgt. Dieser letzte Schluß ist allerdings problematisch, wenn man (wie z.8. Grewendorf 1986b) eine ganze Anzahl der 'umstellungsfreundlichen' Verben, nämlich die Themaverben mit haben als Perfekthilfsverb (z.B. gefallen, mißfallen, guttun, fehlen usw.) nicht zu den im eigentlichen Sinn ergativen Verben zählt. (1-37) A: Warum trinkst du Jägermeister? B: ?Veil meine Mandolinenmusik meinen MITmietern mißfällt/Weil meinen Mitmietern meine MandoLInenmusik mißfällt. Da es sich um nicht-ergativische Verben handelt, macht man die sie enthaltenden Sätze mit 'Subjektinversion' zu Kandidaten für eine Strukturanreicherung, ohne daß sich diese in gesteigerter Markiertheit der Subjektsnachstellung auswirkt. 2 1 1.5.3.2.3 Eine alternative Beschreibung von 'Subjektinversionen 1 : Das 'Wettbewerbsmodell ' Eine alternative Erklärung der unterschiedlichen Harkiertheit findet sich in Uszkoreit (1984; 1986). Die Version der GPSG (Generalized Phrase Structure Grammar) , die Uszkoreit seiner Beschreibung zugrundelegt, enthält neben Regeln, die lediglich die Art und Anzahl der von einer Kategorie unmittelbar dominierten Kategorien festlegen (Immediate Dominance-, bzw. ID-Regeln), eine separate Linearisierungskomponente (Linear Precedence-, bzw. LP-Regeln). 22 Die Linearisierung der Arguments-NPn genügt dabei bestimmten Bedingungen. Nach Uszkoreit (1984: 175) gelten u.a. die folgenden drei Prinzipien für die Mittelfeldreihenfolge von Argument-NPn: 21 Vgl. Grewendorf (1986b: Kap. 4.3); dort wird die Möglichkeit erwogen, ob nicht vielleicht doch die objekttypische thematische Rolle der (tiefen)strukturellen Subjekts-NP bei den Themaverben für die Ähnlichkeiten mit den nur oberflächenstrukturellen Subjekts-NPn bei ergativen Verben und in Passivkonstruktionen verantwortlich ist. 22 Auch in der GB-Theorie wird davon ausgegangen, daß das X-Bar-Schema selbst nicht die Abfolge regelt. Dort ergibt sich die Verzweigungsrichtung innerhalb maximaler Konstituenten aus der sprachspezifischen Rektionsrichtung der lexikalischen Köpfe maximaler Projektionen.

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a) b)

Fokus folgt auf Nicht-Fokus; die unmarkierte Abfolge ist Subjekt - direktes Objekt - indirektes Objekt (die Relationen werden bestimmt durch die zugeordneten Kasusmerkmale der NPn); c) Personalpronomina stehen vor anderen NPn. An anderer Stelle wird allerdings aufgrund der Stellungseigenschaften von nominativisch markierten NPn in Sätzen mit unakkusativischen Verben als Modifikation erwogen, die unmarkierte Abfolge nicht auf der Grundlage der Kasusmarkierung, sondern mit Hilfe thematischer Rollen zu formulieren (ebd.: 90). Das geschieht in Uszkoreit (1986), wo die unmarkierte Reihenfolge b) festgelegt wird durch die Abfolge der thematischen Rollen Agens - Ziel - Thema (realisiert durch NPn); die Nominativ-NP bei unakkusativischen Verben realisiert demnach die Thema-Rolle, die Dativ-NP die Ziel-Rolle. In bestimmten Fällen können nicht gleichzeitig alle Ordnungsprinzipien erfüllt werden: z.B. dann nicht, wenn ein Personalpronomen mit der Thema-Rolle zusammen mit einer Voll-NP mit Agens-Rolle vorkommt; in diesem Fall konfligieren die Bedingungen b) und c ) . Die verschiedenen Ordnungsprinzipien konkurrieren gewissermaßen miteinander um ihre Erfüllung ('Wettbewerbsmodell'). Die einzelnen Bedingungen in einer komplexen Abfolgeregel werden deshalb verschieden gewichtet, um den Grad der Abweichung von Ausdrücken festzulegen, die diese jeweiligen Bedingungen nicht erfüllen (vgl. Uszkoreit (1986: 897); 2 3 ein solches Modell von verschieden stark gewichteten Teilprinzipien, gemäß denen zunächst ungeordnete Ergänzungen im Mittelfeld linearisiert werden, findet sich schon in Lötscher (1981). Die Reihenfolge, die mit einer verbspezifischen 'Grundreihenfolge' in anderen Theorien vergleichbar ist, wird völlig durch die thematischen Rollen der beteiligten NPn bestimmt. Sie ergibt sich, wenn nur Voll-NPn mit jeweils gleicher 'Definitheit' und gleichem 'Thematizitätsrang' (also z.B. in Textanfangssätzen) bei einer 'passenden' Akzentuierung, die maximale Fokusprojektion erlaubt, berücksichtigt werden. Das Zusammenwirken der einzelnen Prinzipien ist allerdings komplexer, als es die simple Aufaddierung von Gewichtungsfaktoren darzustellen gestattet, die von23 Vgl. dazu auch Jacobs (1988a); dort werden die einzelnen Faktoren in einem einfachen Modell tatsächlich quantitativ gewichtet: Jede Abfolgeregel erhält je nach ihrem Gewicht einen bestimmten Zahlenwert zugewiesen; der Akzeptabilitätsgrad einer Äußerung ergibt sich dann aus dem Verhältnis von maximal erreichbarem Zahlenwert (alle anwendbaren Prinzipien sind erfüllt und die jeweiligen Bewertungszahlen werden addiert) und tatsächlich in der Äußerung erreichtem Wert (nur die Zahlenwerte der erfüllten Prinzipien werden addiert) .

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einander völlig unabhängigen Teilregeln zugeordnet sind. Insbesondere ist es aber auch nötig, durch Kasusbegriffe bestimmte grammatische Relationen zusätzlich zu berücksichtigen. Die Rollenbedingungen gelten nämlich nicht für die Abfolge von unbetonten Personalpronomina, von denen ein nominativisches den nicht-nominativisch markierten immer vorausgehen muß, selbst wenn es in der Rollenhierarchie niedriger steht. Während bei dativisch (Träger der 'Ziel'-Rolle) und nominativisch (Träger der 'Thema'-Rolle) markierten nicht-pronominalen Arguments-NPn zu unakkusativischen Verben beide Abfolgen als gleichermaßen 'neutral' erlaubt sind (natürlich dürfen die NPn nicht unterschiedlich ' d e f i n i t ' sein und müssen auch den gleichen Thematizitätsrang haben, z.B. beide zum Hintergrund gehören), gilt das für unbetonte Personalpronomina auch bei diesen Prädikaten nicht. (1-38) Ich habe gehört, daß dem Bundeskanzler der Leninorden/der Leninorden dem Bundeskanzler erst MORgen verliehen wird. (1-39) Ich habe gehört, daß *ihm er/er ihm erst MORgen verliehen wird. Es ließe sich daran denken, dieses spezielle Verhalten der Personalpronomina auf ihre (potentielle) Enklitizität zurückzuführen. Es könnte sein, daß diese Enklitika-Abfolge ganz generellen Regularitäten gehorcht, die auf eine 'strukturell normale Abfolge' im Sinn von Reis (1987: 172f.) zurückgehen, also auf eine Abfolge, die bei der überwiegenden Mehrzahl der Verba des Deutschen die 'Grundreihenfolge 1 kennzeichnet. 2 * Der Zwang zur Voranstellung eines Nominativpronomens gilt auch dann, wenn das erste der Pronomina im Vorfeld steht, also ein (potentielles) Proklitikum ist. 2 9 (Die Vorfeldstellung einer Dativ-NP ist allerdings in manchen Fällen von vornherein etwas markierter als die Voranstellung innerhalb des Mittelfelds.) (1-40) Dem Bundeskanzler soll der Leninorden/Der Leninorden soll dem Bundeskanzler erst MORgen verliehen werden. (1-41) *Ihm soll er/Er soll ihm erst MORgen verliehen werden. (1-42) Dem FC Bayern ist der Sprung an die Tabellenspitze/Der Sprung an die Tabellenspitze ist dem FC Bayern erst am SaisonENde geglückt. (1-43) 24

*Ihm ist er/Er ist ihm erst am SaisonENde geglückt.

Eine andere denkbare Erklärung der festgelegten Enklitika-Reihenfolge scheidet aus, nämlich die, daß sich klitische Ausdrücke wie Affixe mit ihrer festgelegten Reihenfolge verhalten - die Abfolge klitischer Ausdrücke ist nämlich noch syntaktisch geregelt; vgl. zu der Unterscheidung von Klitisierung und Affigierung Zwicky/Pullum (1983). 25 Travis (1984) stellt sogar die noch weitergehende Behauptung auf: "All personal pronouns may appear preverbally, but if they are non-subjects, they must be heavily stressed" (Travis 1984: 121). Aufgrund dieser Generalisierung schließt sie, daß im Deutschen eine zugrundeliegende Reihenfolge Subjekt - INFL - VP vorliegen müsse. Verb-Zweit-Stellung und damit ein Vor-

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Für die Beschreibung dieser 'strukturell normalen Abfolge 1 werden offensichtlich Kasusmerkmale benötigt. feld kommt im einfachsten Fall dadurch zustande, daß das (oberste) Verb in der VP an die INFL-Position wandert und sich dort mit den INFL-Merkmalen (Finitheits-Merkmalen) verbindet. Die restlichen Verb-Zweit-Strukturen entstehen hingegen dadurch, daß ein Nicht-Subjekt topikalisiert wird und INFL mit dem (obersten) Verb in den COMP-Knoten 'vor' der Subjektposition wandert (also Subjekt und INFL sozusagen ihre Plätze vertauschen). Die Verteilung der unbetonten Personalpronomina läßt sich dann durch die folgende Beschränkung erklären: "Unstressed pronouns may not topicalize" (ebd.: 119). Lediglich Subjektspronomina, die bereits in der zugrundeliegenden Struktur an erster Position stehen und nicht eigens topikalisiert werden müssen, sind demnach vorfeldfähig. Die Behauptung, daß nicht-nominativische unbetonte Personalpronomina nicht im Vorfeld stehen können, t r i f f t allerdings nicht immer zu. Eindeutige Ausnahmen finden sich im Bereich der unakkusativischen und passivischen Strukturen. Wie oben gezeigt wurde, bleibt zwar die für nicht-fokussierte Personalpronomina typische Abfolge erhalten, wenn mehrere solche Pronomina a u f treten: Ein nicht-nominativisches Personalpronomen kann in einem solchen Fall das Vorfeld nicht besetzen. Das Vorfeldverbot gilt jedoch nicht, wenn nur der nicht-nominativische Ausdruck ein Personalpronomen ist. (i) Ihr ist was ins Auge gekommen. (ii) Ihm ist gestern gekündigt worden. Allerdings zeigen diese nicht-nominativischen Personalpronomina nicht in allen Konstruktionen das gleiche Verhalten wie die nominativischen, seien diese Tiefen-Subjekte oder Passiv-Subjekte. Die Konstruktion mit Vorfeld-es ist z . B . nur dann zulässig, wenn im entsprechenden Verb-Zweit-(Matrix-)Satz kein nominativisches Pronomen vorkommt: (iii) Es ist ihr was ins Auge gekommen. (iv) £s ist ihm gestern gekündigt worden, (v) *Es hat sie eine Mücke im Auge. (vi) *Es ist er hinausgeschmissen worden. Wenn man Travis' Strukturschema (S-INFL-VP) für topikalisierungslose VerbZweit-Sätze übernimmt, so kann in Prinzip in den unakkusativischen und passivierten Konstruktionen auch ein Nicht-Subjekt in die (freie) strukturelle Subjektposition rücken; genauso wie auch ein Passiv-Subjekt (d.h. ein Tiefen-Objekt) diese Position füllen kann, ohne daß es topikalisiert werden müßte. Vorausgesetzt ist dabei natürlich, daß es in beiden Fällen kein Tiefen-Subjekt gibt (also die übliche GB-Analyse für derartige Strukturen). Insofern kommt das Strukturschema, wenn man es, anders als Travis selbst, in voller Allgeneingultigkeit interpretiert, den tatsächlichen Verhältnissen näher als die Generalisierung (keine Vorfeldfähigkeit von nicht-nominativischen unbetonten Personalpronomina), aufgrund deren sie dieses Schema annimmt. Allerdings gilt die Vorfeld-Fähigkeit nicht-nominativischer Personalpronomina bei unakkusativischen und passivierten Verben eben gerade dann nicht, wenn daneben auch noch ein nominativisches Personalpronomen als weiterer Kandidat für die Besetzung der Subjektposition vorhanden ist. Die Daten weisen also auf eine Sonderstellung der nominativisch markierten NP hin. Die strukturellen Schlußfolgerungen, die Travis zieht, sind dagegen durch das Verhalten unbetonter Personalpronomina nicht gerechtfertigt. Im übrigen scheint sogar für aktivische, nicht-unakkusativische Verb-ZweitSätze zu gelten, daß die Stärke des Vorfeldverbots für nicht-nominativische unbetonte Pronomina abnimmt, wenn nominativische Ausdrücke aufgrund ihrer

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Die folgenden Beispiele zeigen jedoch, daß von einer obligatorischen Klitisierung höchstens in Bezug auf das unbetonte nominativische Personalpronomen gesprochen werden kann, denn ein dativisches Pronomen kann einer nominativischen Voll-NP durchaus folgen: (1-44) Ich habe gehört, daß *dem Bundeskanzler er/er dem Bundeskanzler erst MORgen verliehen wird. (1-45) Ich habe gehört, daß ihm der Leninorden/der Leninorden ihm erst MORgen verliehen wird. (1-46) Ich habe gehört, daß *dem FC Bayern er/er dem FC Bayern erst am SaisonENde geglückt ist. (1-47) Ich habe gehört, daß ihm der Sprung an die Tabellenspitze/der Sprung an die Tabellenspitze ihm erst am SaisonENde geglückt ist. Das nachgestellte Dativ-Pronomen verstößt gegen die Bedingung 'Pronomina vor dem Rest* und gegen die Bedingung 'Ziel vor Thema'; dennoch sind die entsprechenden Abfolgen sehr viel weniger markiert als beim nachgestellten Subjekts-Pronomen, das nur die Bedingung 'Pronomina vor dem Rest' verletzt, dagegen die Rollenbedingung erfüllt. Der ausschlaggebende Faktor, der auch für die relative Akzeptabilität der Dativ-Nachstellung verantwortlich ist, ist die Voranstellung des nominativischen Ausdrucks. Die thematische Rolle scheint im Zusammenhang mit der Abfolge von unbetonten Personalpronomina gegenüber der Nominativmarkierung dagegen keine oder nur eine marginale Rolle zu spielen. Wie diese Beispiele zeigen, greifen die verschiedenen Abfolgeprinzipien auf jeden Fall in relativ komplizierter Weise ineinander. Die 'Grundreihenfolge' der NP-Argumente wird zwar durch die hierarchische Position der ihnen zugeordneten thematischen Rollen wesentlich bestimmt, aber wenigstens die morphologische Subjektmarkierung durch den Nominativkasus kann die rollenbestimmte Abfolge überspielen; vgl. noch einmal die folgenden Beispiele mit unakkusativischen Verben: (1-48) Ich stelle mit Bedauern fest, daß dem Prüfling die Antwort/die Antwort dem Prüfling erst viel zu SPAT eingefallen ist. (1-49) Ich glaube, daß dem Studenten das Mensaessen/das Mensaessen dem Studenten nicht einmal HEUte schmecken würde. Eine Rolle bei der leichten Umstellbarkeit könnte freilich auch spielen, dafi die Regel, eine NP, der die (dativtypische) Rolle des 'Betroffenen' (vgl. zu diesem Begriff Wegener (1985)) zugeordnet ist, vor eine 'Thema'-NP zu stellen, relativ schwach ist; jedenfalls ist eine 'falsche' Serialisierung der Objektsrollen Ziel und Thema - z.B. bei (aktivisch gebrauchtem) verleihen und ähnlichen dreistelliRhematizitat, ihrer Indefinitheit usw. ins hintere Hittelfeld verschoben werden. (vii) ?Ibn hat was gestochen. Bevorzugt wird in einem solchen Fall aber sicherlich die Konstruktion mit Vorfeld-es. (viii) Es hat ihn was gestochen.

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gen Verben - sehr viel leichter möglich als eine 'falsche' Serialisierung einer Agens- und einer Objekts'-NP (natürlich gleiche Thematizität usw. vorausgesetzt). Übrigens weist Lötscher darauf hin, daß bei den im Prinzip umstellungsfreundlichen Verben die Akzeptabilität der Nominativ-Nachstellung infolge eines 'Empathie-Faktors' dann vermindert werden kann, wenn das Subjekt eine Person bezeichnet (Lötscher 1981: 4 8 f f . ) . Auch die Position eines Argumentdenotats auf einer 'Empathie-Hierarchie' ist also ein Faktor bei der Bestimmung der Reihenfolge. Eine Beschreibung der Hittelfeld-Reihenfolge auf der Grundlage eines ausgearbeiteten Modells vom Zusammenspiel der rollensemantischen, morphologischen und anderen Teilprinzipien scheint jedenfalls durchaus fruchtbar. Die Abfolgeprinzipien brauchen dabei nicht unbedingt auf eine völlig 'flache' Satzstruktur angewendet werden, wie dies bei Uszkoreit geschieht, sondern es läßt sich auch an eine schrittweise Abbindung der einzelnen NP-Argumente und anderer Ausdrücke denken. Eine solche Strukturierungsmöglichkeit muß sogar, wie die im folgenden beschriebene 'V-Topikalisierung' zeigt, auf jeden Fall angenommen werden (vgl. dazu die GPSG-Beschreibung bei Nerbonne (1986)). Die ursprünglichen LP-Regeln sind dann als Beschränkungen für die Abbindungsreihenfolge zu verstehen. Die zentralen, weil nicht variierbaren, Faktoren bei der Bestimmung einer 'neutralen' Abbindungsreihenfolge der Argumente eines gegebenen Verblexems sind die unter anderem rollensemantisch determinierte Hierarchisierung der Argumentstellen des Verbs und die Kasus- oder präpositionale Markierung der Ausdrücke, die diese Argumentstellen besetzen. Der Argumentstellenhierarchisierung mag dabei im prototypischen Fall die von Uszkoreit angenommene Rangfolge der zentralen Kasusrollen Agens, Thema und Ziel (oder ähnlicher Rollen) zugrundeliegen: Die Argumentstelle mit der Themarolle muß als erste spezifiziert werden, dann diejenige mit der Zielrolle und am Ende diejenige mit der Agensrolle. Es ergibt sich also, bei zugrundeliegender Verb-Letzt-Stellung, die unmarkierte Abfolge ( ' < ' stehe dabei für die lineare Präzedenzrelation): (AI) Agens < Ziel < Thema Bei den morphologischen Kasus rangiert der Nominativ eindeutig vor den restlichen Kasus. (A2) Nominativ < X Die Abfolge von Akkusativ und Dativ ist dagegen weit weniger offensichtlich. Bei Voll-NPn entspricht sie im typischen Fall der rollensemantisch bestimmten Abfolge: Eine Dativ-NP als Trägerin der Zielrolle geht einer Akkusativ-NP als Trägerin der Thema-Rolle voraus (vgl. zur Abfolge von direkten und indirekten Objek-

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ten auch Lenerz (1977: 3 9 f f . ) ) . Der Einfluß der Rollenhierarchie läßt sich ausschalten, wenn man die Abfolge der unbetonten Personalpronomina betrachtet. Für diese gilt: 26 (A3) Akkusativ < Dativ Eine weitere generelle Regel b e t r i f f t die kategoriale Füllung der Verbargumente: (A4) NP < PP Die durch diese vier Abfolgeprinzipien (AI) - (A4) bestimmte neutrale Abbindungsreihenfolge, die sich aufgrund lexikalischer Eigenschaften der jeweiligen Prädikate ergibt (argumentstellenabhängige Rollenmarkierung und morphologische Markierung), darf durch 'variable Faktoren' verändert werden. Auf einen wichtigen Faktor, der in jedem Fall wirksam wird, weist Jacobs (1988a) hin; vgl. dessen Prinzip (P6) (ebd.: 20): (A5) skopusinkludierend < skopusinkludiert Um die Skopusverhältnisse in einem Satz korrekt anzuzeigen, die ja für die semantische Interpretation der Äußerung wesentlich sind, dürfen die anderen Abfolgeprinzipien außer Kraft gesetzt werden (ebd.: 30). Die Durchschlagskraft dieses semantikbasierten Prinzips ist zu erwarten, wenn die Ausdrucksstruktur dazu dient, eine semantische Struktur transparent zu machen (s.o. 1.1). Ein weiteres Abfolgeprinzip wurde oben bereits erwähnt: (A6) Personalpronomina ( Voll-NPn Die Personalpronomina sind wohl als ein einziger Komplex zu behandeln, daher die pluralische Formulierung (vgl. dazu Jacobs (1988a: 31); zu beachten ist jedoch, daß für pronominale PPn nur Abfolgeregel (A4) 'NP < PP' gilt). Weitere Abfolgeregeln sind: (A7) Hintergrund < Fokus (A8) definit < indefinit Auf eine explizite Darlegung des Zusammenspiels der einzelnen Abfolgeregeln wird hier verzichtet. Es soll nur noch darauf hingewiesen werden, daß für die Beset26 Eine Ausnahme ergibt sich bei der Enklise des reduzierten neutralen akkusativischen Personalpronomens 's. Nicht nur ein nominativisches Pronomen, sondern auch die gesamte Gruppe der restlichen unbetonten Personalpronomina kann als Enklisebasis dienen - insbesondere wohl dann, wenn es sich um Pronomina der 1. und 2.PS. handelt (also Pronomina, die merkmalhaltiger sind als die der 3.Person, so daß möglicherweise rollensemantische Bedingungen wieder eher greifen können). In diesem speziellen Fall kann also das Dativpronomen dem reduzierten Akkusativpronomen vorausgehen (vgl. auch Heidolph et al. (1981: 734)): (i) veil er's air (/ihm) verraten hat (ii) veil er mir's (/?ihm's) verraten hat

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zung des Vorfeldes in Verb-Zweit-Sätzen eigene Regeln gelten, d.h. es handelt sich bei den hier vorgestellten Regeln um reine Mittelfeld-Abfolgeregeln. 1.5.3.2.4 Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde untersucht, welche Faktoren die Reihenfolge der Verbargumente im Mittelfeld bestimmen. Vor allem interessierte dabei die Möglichkeit einer 'Inversion' von nominativisch markierten Subjektsausdrücken, d.h. deren Nachstellung hinter Objektsausdrücke. Strukturelle Faktoren spielen bei der Abfolge der Verbargumente insofern eine Rolle, als die verbspezifische Ordnung der Argumentstellen neben der morphologischen Markierung die Grundreihenfolge mitbestimmt. Subjektsausdrücke, die aufgrund der Argumentstellenordnung näher beim Verb stehen als bestimmte Objektsausdrücke, lassen unmarkierte 'Inversionen' eher zu als Subjektsausdrücke, die die äußerste Argumentstelle besetzen. Bei diesen müssen spezifische Bedingungen in Kraft treten, um eine solche Umstellung zu ermöglichen (z.B. eine spezische Fokus-Hintergrund-Gliederung). Die Abfolgeregeln beziehen sich also auch auf die Reihenfolge der Argumentstellen. Für die Rechtfertigung einer speziellen VP-Konstituente, die einen scharfen Schnitt zwischen einer maximalen Verbprojektion und dem im Satz als letztes strukturell abgebundenem Subjektsausdruck setzt, reichen die Markiertheitsüberlegungen bei der Subjektsnachstellung im Mittelfeld dagegen nicht aus. 1.5.3.3 V-Topikalisierung Mit der eben behandelten 'Subjektinversion' im Mittelfeld bzw. den dort behandelten Abfolgeregularitäten hängt eine Konstruktion zusammen, die man V*-Topikalisierung nennen könnte. V stehe für eine 'Verb-Projektion' in einem ganz allgemeinen Sinn, d.h. für Komplexe aus einem Verb und dem von diesem Verb abhängigen Ausdrücken, sowie eventuell Ausdrücken, die diesen Komplex modifizieren (zum Begriff der Projektion vgl. z.B. v.Stechow/Sternefeld (1988: 120)). Bei der V*Topikalisierung werden zusammenhängende Teile aus dem Prädikatskomplex, 27 beginnend von links, zusammen mit Ausdrücken, die ihnen im Mittelfeld unmittelbar vorhergehen können, ins Vorfeld gestellt; das finite Verb, dessen Voranstellung (in die strukturelle Satzspitzenposition) erst die Vorfeldbildung ermöglicht, ist von diesem Typ von Umordnung natürlich ausgenommen. 27 Unter dem Prädikatskomplex sei ein Komplex aus finitem und/ oder infinitem Verb (bzw. infiniten Verben) oder prädikativen Ausdrücken zusammen mit engen Prädikatsergänzungen, wie z.B. Direktionalergänzungen, verstanden (vgl. den Begriff der engeren Prädikatsgruppe bei Heidolph et al. (1981: 2 3 8 f f . ) > .

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1.5.3.3.1 Reihenfolgebeschränkungen bei der V-Topikalisierung Die V-Topikalisierung fügt sich in die üblicherweise angenommene Beschränkung ein, daß das Vorfeld nur durch eine Konstituente besetzt werden darf; eine Besonderheit ist nur, daß diese Konstituente nicht zugleich auch eine maximale Projektion zu sein braucht (also eine NP, PP u s w . ) . 2 8 Von Primus (1987: 9 5 f f . ) wird diese Art der Topikalisierung als Test für die Konstituentenstruktur des Deutschen benutzt; parallele Ergebnisse lassen sich nach ihr durch einen 'Fokussierungstest' erzielen, da den einteiligen Fokus einer Gradpartikel nur Konstituenten bilden dürfen. Daß beide Methoden zu den gleichen Ergebnissen führen, ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, daß die Vorfeldposition insofern eine 'thematische Spezialposition' ist, als dort nicht nur Hintergrundsausdrücke, sondern auch fokussierte Ausdrücke erscheinen können (mit dem 'Assertions-Operator' als fokussierendem Element; vgl. dazu Jacobs (1984)). Die Reihenfolge, in der die nicht zum Prädikatskomplex zählenden 'Mittelfeld-Ausdrucke' mit im Vorfeld erscheinen können, entspricht im allgemeinen der (durch die 'invariablen Faktoren' Argumentstellenordnung und Kasusmarkierung, s.o. 1.5.3.2.3) festgelegten 'Grundreihenfolge',· Abweichungen davon sind zumindest markiert. (1-50) (Alle Sowjets lieben unseren Bundeskanzler.) Den LEninorden verliehen haben sie ihm aber noch NICHT. (1-51) (Den Leninorden verleihen die Sowjets nur an ganz dicke Freunde.) ??Dem Bundeskanzler verliehen haben sie ihn allerdings noch NICHT. Die durch den (variablen) Faktor der pronominalen Realisierung bedingte Umstellung im Mittelfeld (pronominales Akkusativobjekt vor dem als Voll-NP realisierten Dativobjekt im topikalisierungslosen Äquivalent von (1-51)) hat also keinen wesentlichen Einfluß auf die topikalisierungsrelevante Reihenfolge der Argumente. In manchen Fällen scheint die 'falsche' Topikalisierungsreihenfolge nur zu einer verhältnismäßig geringen Markiertheit zu führen: (1-52) Den HANDschuh ins Gesicht werfen sollte er der Dame. (1-53) ?Der Dame ins GeSICHT werfen sollte er den Handschuh. (1-54) (Was für einen Dienst hat der Sänger dem König erwiesen?) Den KönigsJodler vorgejodelt hat er ihm. 28 Dieser Normalfall der Vorfeldbesetzung durch eine einzige Konstituente gilt nicht immer: Nach Altmann (1981: 48, 164) ist bei Linksversetzung von mehrfacher Vorfeldbesetzung auszugehen; nach der Argumentation in Jacobs (1983: 4 0 f f . ) bilden eine Gradpartikel und ihr Bezugsausdruck keine Konstituente, selbst wenn sie zusammen im Vorfeld stehen.

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(1-55)

(Vie hat's der Sänger geschafft, daß sein Jodler so berühmt geworden ist?) ?Dem König vorgejodelt hat er ihn. Die mehr oder weniger strikte Reihenfolgebedingung gilt aber nur für (verbspezifisch markierte) Argumentausdrücke; Ausdrücke, die nicht als Argumente in diesem Sinn zählen, z . B . Instrumentalphrasen, unterliegen dieser Einschränkung im Vergleich mit Argumentausdrücken nicht, vgl. die folgenden Beispiele (Beispiele (lOOd) und (lOOe) aus Olszok (1983: 153)): 2 9 (1-56) Den Juwelier erstochen haben die Gangster mit diesem Kesser. (1-57) Mit diesem Messer erstochen haben die Gangster den Juwelier. Die Abfolge der Konstituenten im Vorfeld selbst gehorcht typischerweise den (unmarkierten) Mittelfeldregularitäten, z . B . auch in Bezug auf die Stellung der unbetonten Personalpronomina; hier kann die 'Grundreihenfolge' also wieder von den anderen Stellungsfaktoren beeinflußt werden. (1-58) ??Der Dame ihn ins GeSICHT werfen sollte der Ritter. (1-59) Ihn der Dame ins GeSICHT werfen sollte der Ritter. Die V-Topikalisierung erfaßt im unmarkierten Fall also nur Konstituenten, wie sie sich durch die 'Grundreihenfolge' ergeben; andererseits unterliegen die Teilkonstituenten innerhalb des Vorfeldkomplexes den normalen Mittelfeld-Abfolgeregularitäten. Eine Erklärung für diese beiden Regularitäten könnte aus der Tatsache gewonnen werden, daß der Komplex in der Vorfeldposition zwar insgesamt pragmatisch ausgezeichnet ist, daß aber eine nicht-normale Serialisierung innerhalb dieses Komplexes30 zu einem zusätzlichen Markiertheitseffekt führt, der für diese thematisch einheitliche Konstituente nicht angemessen ist, da er eine Art Fokussierungseffekt nach sich zieht, der durch kein fokussierendes Element motiviert ist. Hie kommt es zu der pragmatischen Auszeichnung der komplexen Konstituente im Vorfeld? Die V x -Topikalisierung tritt einerseits in Kontexten a u f , in denen die gesamte Vorfeldkonstituente fokussiert ist, z.B. nach entsprechenden Ergänzungsfragen (vgl. die Beispiele (1-54) und (1-55) oben). Eine zusätzliche Teilfokus29 Neben den Objekten können auch die meisten Adverbialbestimmungen mittopikalisiert werden. Dagegen scheint ein Satzadverbiale kaum mit nach vorne gestellt werden zu können - wohl aufgrund seines Status als Satzoperator; vgl. dagegen die Mehrfachkategorisierung von Satzadverbialien bei Jacobs (1983: 5 7 f f . ) , aufgrund derer eine solche Hittopikalisierung möglich sein mußte, (i) ??Vermutlich entwischt ist mir der Halunke. (ii) ??Unverschämterweise um eine Zigarette gebeten hat er seinen Nachbarn. 30 Die unmittelbare Aufeinanderfolge einer 'verbfernen' Voll-NP und des regierenden Verbs ist, wenn nur die Verhältnisse im Vorfeld ausschlaggebend sind, sicherlich nicht-normal, ganz gleich, ob im Mittelfeld ein diese Abfolge scheinbar motivierendes Pronomen a u f t r i t t .

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sierung innerhalb eines solchen 'Antwortfokus 1 , z.B. durch eine Gradpartikel, ist nun aber generell und daher auch innerhalb des Vorfeldkomplexes ausgeschlossen. 31 (1-60) (Was wolltest du mit dem Dolche?) *Die Stadt gerade von DIR befreien wollte ich. Je markierter die Abfolge der topikalisierten Ausdrücke in Bezug auf die durch die Argumentstellenordnung und Kasusmarkierung bestimmte 'Grundreihenfolge' ist, um so eher ähnelt sie der ausgeschlossenen 'Fokussierung im Assertionsfokus'. 3 Z Ist der Vorfeldkomplex nicht fokussiert, dann sind markierte Abfolgen natürlich erst recht problematisch - zumindest, wenn die Vorfeldkonstituente intonatorisch nicht besonders ausgezeichnet ist. Eine bezüglich des Assertionsoperators nicht-fokussierte V-Konstituente scheint mir jedoch bevorzugt in Fällen verwendet zu werden, die mit der Realisation eines ganz bestimmten Tonmusters verbunden sind. Am akzeptabelsten und gebräuchlichsten sind nämlich die Fälle mit einer Art Doppelakzentuierung - ein Akzent auf einem der Vorfeldausdrücke und ein zweiter auf einem weiteren Ausdruck, in der Regel einem 'Bereichsträger' (vgl. Jacobs 1982: 122), z.B. einem Negationsträger am Ende des Hittelfelds: die einleuchtendsten und akzeptabelsten Verwendungsmöglichkeiten für die V-Topikalisierungskonstruktion ergeben sich wohl in Sprechakten des Bestreitens. Viele Beispiele in der Literatur sind auch nach diesem Muster konstruiert. Sie entsprechen dem Muster der I-Topikalisierung (=intonatorisch markierte Topikalisierung; vgl. Jacobs 1982, Kap. 5.2) mit ansteigendem 'Akzentton' auf einem Ausdruck der komplexen Konstituente im Vorfeld und einem fallenden 'Akzentton' auf einem Ausdruck am Ende des Mittelfelds. Die komplexe Konstituente im Vorfeld ist trotz dieser akzentuellen Hervorhebung nicht Assertionsfokus - das ist vielmehr nur der betonte Mittelfeldausdruck. Nach der Analyse in Jacobs (1984: 50f.) liegt die I-topikalisierte Konstituente im Bereich eines speziellen fokussierenden Operators, des 'topiksetzenden' FRAME-Operators, der für den starken 'Topikakzent' verantwortlich ist. Wenn der FRAME-Operator fokussierend wirkt, dann sollte eine 'falsche' Reihenfolge bei der V-Topikalisierung der Verbargumente noch am ehesten möglich 31 Es sei denn, das Gradpartikelvorkommnis ist gegenüber dem Assertionsoperator 'bereichsabsorbiert' im Sinn von Jacobs (1982; 1983), befindet sich also z.B. innerhalb eines Teilsatzes. 32 Entsprechend tritt auch bei einteiliger Fokussierung durch eine Gradpartikel innerhalb des fokussierten Komplexes die 'Grundreihenfolge' auf; die mehrteilige Fokussierung erfaßt dagegen mehrere Konstituenten, die selber keine Konstituente bilden, und darf im Vorfeld nicht auftreten.

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sein, wenn das I-Topikalisierungsmuster vorliegt, vgl. das folgende Beispielpaar: (1-61)

(Ritter Trutzbald mag zwar ein rechtes Rauhbein sein, aber) den HANDschuh ins Gesicht geschleudert hat er ihr NICHT./ ?der Dame ins GeSICHT geschleudert hat er ihn NICHT.

Daß in die V-Topikalisierungskonstruktion die Verbargumente nur (oder doch stark bevorzugt) in ihrer 'Grundreihenfolge' eingehen und daß gleichzeitig innerhalb des Gesamtkomplexes die normale Mittelfeldabfolge gilt, ist also nach diesen Überlegungen darauf zurückzuführen, daß der topikalisierte Komplex einen einheitlichen 'thematischen Status' hat, während eine markierte Abweichung von der 'Grundreihenfolge' eine zusätzliche Fokussierung anzuzeigen scheint. 1.5.3.3.2 V x -Topikalisierung von NP-Subjekten Wenn nun diese unmarkierte Reihenfolge der V-Topikalisierung zugrundeliegt, dann ist zu erwarten, daß die verbfernen Subjektsausdrücke zu mehrstelligen Verben nicht mittopikalisiert werden können, auch wenn im Mittelfeld eine Spätstellung dieser Subjektsausdrücke möglich ist. Das ist tatsächlich der Fall: (1-62) (1-63)

Seltsamerweise wollte keiner den ASbach trinken. Den ASbach trinken wollte seltsamerweise KEIner.

(1-64)

Seltsamerweise wollte den Asbach keiner TRINken.

(1-65)

*Keiner TRINken wollte seltsamerweise den ASbach.

Wird versucht, das Subjekt zusammen mit dem nachfolgenden Objekt ins Vorfeld zu stellen, so verbessert sich das Ergebnis jedoch nicht. (1-66) *Eine Linguistin den ASbach trinken wollte seltsamerweise. Ebensowenig lassen sich die agentivischen Subjekte bei einstelligen Verben mittopikalisieren. (1-67) *Ein Zuschauer geLACHT hat niemals in diesem Theater. Da bei zweistelligen unakkusativischen Verben ( z . B . auffallen, gelingen usw.) und der passivierten Variante von bestimmten dreistelligen Verben (z.B. verleihen) der nominativisch markierte Ausdruck von seiner thematischen Rolle und der Argumentstellenposition

her gesehen jedoch verbnäher ist als der zweite Argu-

mentausdruck, könnte ein derartiger Ausdruck möglicherweise mittopikalisiert werden. In der einschlägigen Literatur (z.B. Primus 1987; Fanselow 1987; Grewendorf 1986b; Haider 1985a; Toman 1986; Webelhuth 1985) hat man sich darauf geeinigt, die V-Topikalisierung eines unakkusativischen (oder passivischen) Subjektsausdrucks als akzeptabel zu beurteilen.

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Nach den Verfechtern der VP-These wird diese Topikalisierung deshalb ermöglicht, weil die Oberflächensubjekte 'Tiefenobjekte', d.h. VP-intern sind: Die V*-Topikalisierung zeigt demnach, daß man mit (mindestens) zwei Typen von Oberflächensubjekten' zu rechnen hat. Die Unmöglichkeit der Topikalisierung von Tiefensubjekten weist ihrerseits darauf hin, daß diese außerhalb der ins Vorfeld verschiebbaren VP stehen. (Daß nicht die S-Konstituente insgesamt topikalisiert werden kann, läßt sich dann z.B. damit erklären, daß diese mindestens eine ungebundene Spur enthält, nämlich die des finiten Verbs, das ja obligatorisch die Zweit-Position besetzen muß, damit es überhaupt zu Topikalisierung kommen kann.) Die normalerweise von den oben genannten Autorinnen angeführten Beispiele von mittopikalisierten unakkusativischen Subjekten scheinen mir nicht völlig akzeptabel. Das liegt mit Sicherheit an der nominativischen Markierung. (1-68) ?Der Durchbruch gelungen ist ihn erst mit seinem Gedichtband 'Erinnerungen an Scharlachberg'. (1-69) PBdcke geschossen werden hier schon lange nicht mehr. (1-70) ?Die Haare zu Berge stehen könnten einem bei solchen Beispielsätzen. Auch der folgende Hörbeleg ist nicht völlig akzeptabel: (1-71) ?Die Kassen zum Klingeln gebracht wurden auf alle Fälle. Die Markiertheit derartiger Konstruktionen läßt sich möglicherweise damit erklären, daß der Nominativkasus 'von außen', nämlich vom finiten Verb her, in die komplexe Vorfeldkonstituente gelangt. Zwei Faktoren spielen dabei eine Rolle. Zum einen kann die komplexe Konstituente in der Vorfeldposition kein finites Verb enthalten (außer natürlich in eingebetteten Glied(teil)sätzen). Die Nominativmarkierung einer Subjekts-NP ist aber von der Finitheit des (Teil-)Satzes abhängig, in dem sie vorkommt. 33 Das Kasusmerkmal kann also nicht 'innerhalb' der Vorfeldkonstituente vergeben werden. Zum anderen kommt dazu, daß die komplexe Konstituente zwar Teil einer finiten Konstruktion ist, nämlich des Gesamtsatzes, zu dem sie gehört: sei sie mit ihrer 'Grundposition' in diesem Gesamtsatz durch ihre 'Ableitungsgeschichte' verbunden (wenn man annimmt, daß sie durch eine Anwendung der Regel 'Move ' ins Vorfeld gelangt ist) oder komme diese Verbindung durch bestimmte interpretative Prinzipien zustande (wenn man die Vorfeldkonstituente als basisgeneriert analysiert, wobei sie aber eine kategorial passende 'Lücke' im Restsatz füllt, a la 33 Das gilt natürlich nicht für die Markierung einer prädikativ verwendeten NP, die höchstwahrscheinlich 'inhärent' innerhalb des Prädikatskomplexes erfolgt; das freilich sehr begrenzte Vorkommen von genitivisch markierten Prädikatsnomina - des Todes/des Teufels sein - zeigt, daß ein anderer Markierungsmechanismus vorliegt; konstruktionsspezifisch ist der Nominativkasus in infiniten Strukturen, die als Aufforderungen zu interpretieren sind: (i) Fußgänger die Straßenseite gegenüber benutzen!

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GPSG; vgl. Nerbonne ( 1 9 8 6 ) ) . Aufgrund der Position im Vorfeld wird dieser komplexe Ausdruck jedoch zunächst als i n f i n i t e und damit nicht nominativverträgliche Konstituente analysiert. Dieselben Probleme einer von 'außen' kommenden Kasusmarkierung ergeben sich auch bei der Topikalisierung der eingebetteten 'Sätze' in A.c.I.-Konstruktionen: 3 « (1-72)

?Den Sänger jodeln läßt der Koni ff.

Die exzeptionelle Akkusativmarkierung des 'Subjekts' des 'eingebetteten' A.c.I.Satzes stammt nicht von jodeln, so daß auch hier nicht ganz akzeptable Topikalisierungen Zustandekommen. 3 9 Abgesehen von diesem generellen Problem mit der Nominativmarkierung unterliegt die V-Topikalisierung mit einem Subjektsausdruck weiteren deutlichen Einschränkungen: Das Hittelfeld nach dem Finitum darf auf keinen Fall leer bleiben. Die relativ akzeptabelsten Sätze ergeben sich, wenn das Mittelfeld nicht zu dünn besetzt ist und vor allem eine weitere Verbergänzung enthält. Das fuhrt natürlich bei den einstelligen unakkusativischen Verben zu Problemen (vgl. Haider 1985a: 237f.). (1-73)

*Linguisteo eingetroffen

sind.

(1-74)

*Linguisten errötet sind bei solchen Beispielsätzen noch nie.

Bei der V x -Topikalisierung mit Objektsausdrücken ist der Zwang zu einer gewichtigeren Mittelfeldfüllung weniger stark. Insbesondere scheint das zu gelten, wenn das Finitum nicht lediglich ein Hilfsverb ist. (1-75) TEinen Enzian gekippt hat er. (1-76) Einen Enzian kippen trill er. In Grewendorf (1986b: 2 7 f . ) wird darauf hingewiesen, daß die an sich schon nicht sehr große Akzeptabilität oft zusätzlich leidet, wenn der Subjektsausdruck definit

ist.

34 übrigens findet sich im Zusammenhang mit diesem Punkt eine schöne Bestätigung der oben aufgestellten These, daß die Theoriebildung nur auf dem Hintergrund von Akzeptabilitätsbeurteilungen der Daten stattfindet, die selbst extrem stark vom Argumentationsziel beeinflußt werden. Primus - als Vertreterin der 'Anti-Satz-Hypothese 1 - beurteilt den folgenden Beispielsatz (={38b) in Primus 1987: 143) als völlig ungrammatisch: (i) *Den Diener arbeiten trill er lassen. Dagegen stellt Fanselow - als Vertreter der 'Pro-Satz-Hypothese' - anscheinend keinerlei verminderte Akzeptabilität beim folgenden Beispielsatz fest (=(73b) in Fanselow 1987: 133): (ii) Den Diener seinen Freund umbringen, das hat er lassen. 35 Gegen den Satz-Status des 'eingebetteten' Ausdrucks, wie Primus (1987: 143) meint, spricht die verminderte Akzeptabilität also nicht unbedingt.

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(1-77)

Ein Fehler unterlaufen ist dem Hans schon lange nicht mehr. (=(2-49a) in Grewendorf 1986b) (1-78) *Der Fehler unterlaufen ist dem Hans gestern schon wieder. (=(2-50a) in Grewendorf 1986b) Bei Grewendorf (1986b: 2 0 3 f f . ) findet sich eine mögliche Erklärung für die generelle Indefinitheits-Tendenz der reinen Oberflächensubjekte': Danach kann die für eine nominativisch markierte HP trotz ihres Tiefenobjekt-Status untypische Verbnähe u.a. durch Indefinitheit als ein Mittel der 'Rhematisierung' aufgewogen werden (um eine echte Fokussierung kann es sich nach den obigen Ausführungen nicht handeln). Wenn bei der V x -Topikalisierung die 'Grundreihenfolge' ausschlaggebend ist und wenn dabei die rollenthematischen und markierungsbedingten Faktoren konfligieren (die Rolle spricht für Verbnähe, die nominativische Markierung nicht), dann ist zu erwarten, daß zusätzliche stellungsbestimmende Faktoren wie Definitheit die eine der beiden Tendenzen verstärken können. Die Topikalisierungsbeschränkungen werden von manchen Vertretern der Pro-VPThese als Argument für die Beschreibungsrelevanz (oder auch Existenz) einer Kategorie VP angesehen: Die VP oder VP-Teile sind im Prinzip topikalisierbar, die S-Konstituente (bzw. die INFL-Phrase) dagegen nicht. Da die V*-Topikalisierung die unmarkierte Reihenfolge der Verbergänzungen berücksichtigt, muß die relative Verbnähe der einzelnen Ergänzungen repräsentiert werden können. Als Argument für die Relevanz einer VP läßt sich diese Konstruktion aber höchstens dann gebrauchen, wenn sich nicht alle verbfernsten Ergänzungen gleich verhalten, sondern die 'echten' Subjektsausdrücke (solche, die sowohl in der 'Tiefen- 1 wie auch in der Oberflächenstruktur' Subjekte sind) einen Sonderstatus haben. Daß einfach bestimmte Typen von Rollenträgern generell von dieser Topikalisierung ausgeschlossen sind und nicht nur der verbspezifisch verbfernste Rollenträger, scheidet als Erklärung aus, da nicht nur nominativische Agens-NPn betroffen sind, sondern z.B. auch die Subjektsausdrücke zu transitiven Wahrnehmungsverben, die Subjekte bei Verben wie besitzen, enthalten usw. Die Dativobjekte zu zweistelligen unakkusativischen Verben und zu bestimmten dreistelligen passivierten Verben lassen sich, wie zu erwarten, genauso wie die (Tiefen-)Subjektsausdrücke nicht mittopikalisieren (am ehesten noch bei I-Topikalisierung, s.o.). Bei ihnen handelt es sich aufgrund ihrer thematischen Rolle um die verbfernsten Ergänzungen. (1-79) *Einem Literaturwissenschaftler geglückt sind Gedichte noch nie. (1-80) *Einem Linguisten unterlaufen ist dieser Fehler noch nie. (1-81) ??Einem Unwürdigen verliehen wurde diese Auszeichnung noch nie. Ein Pro-VP-Argument läßt sich aus der V x -Topikalisierung also nur dann gewinnen, wenn die Tatsache, daß eine Ergänzung die 'verbfernste' ist, für die Unzulässig-

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keit der Topikalisierung zwar notwendig, aber nicht immer hinreichend, die VPExternalität aber in jedem Fall auch hinreichend ist. Den einzig echten Testfall, der zwischen Verbferne und VP-Externalität entscheidet, liefern demnach die einstelligen Verben: 36 Bei beiden Arten von Prädikaten ist der Subjektsausdruck trivialerweise die verbfernste Ergänzung. Verhalten sich die lediglich oberflächenstrukturellen Subjekte anders als die 'echten' Subjekte, dann ist das auf ihren unterschiedlichen strukturellen Status zurückzuführen. Hier wirkt sich allerdings das oben erwähnte Problem aus, daß bei den entsprechenden unakkusativischen und passivierten Verben das Mittelfeld keine zusätzliche Verbergänzung enthält. Die ziemlich geringe Akzeptabilität solcher Beispiele liegt u.a. daran, daß hier das einzige Verbargument mit im Vorfeld steht. Die akzeptabelsten V x -Topikalisierungen mit einem Subjektsausdruck sollten sich nach der VP-Hypothese dann ergeben, wenn das topikalisierte regierende Verb ergativ ist. Allerdings treten auch hier große Akzeptabilitätsunterschiede a u f , die sich wahrscheinlich darauf zurückführen lassen, daß die Nominativ-NPn nicht nur Verb-Schwestern sein müssen, sondern auch aufgrund einer 'semantischen Nähe' mit dem Verb zusammen eine Art neuen Prädikatskomplex bilden können müssen. (1-82) ? Unglück passiert ist hier schon lange nicht mehr. (1-83) ??Fußgänger gestolpert sind hier schon öfters. (1-84) *Ein Linguist errötet ist bei solchen Sätzen noch nie. 36 Ausgeschlossen ist auch die Topikalisierung des einzigen Argumentausdrucks bei einwertigen subjektlosen Verben, vgl. das folgende Paar mit einem akkusativisch und einem nominativisch markierten einzigen Argumentausdruck: (i) *Mich gefroren bat trie einen Schneider. (ii) *Ich gefroren habe wie ein Schneider. Bei mehrstelligen subjektlosen Sätzen ergibt sich ein Akzeptabilitätsunterschied, der wieder auf eine unterschiedliche Verbnähe der mittopikalisierten Konstituenten hindeutet: (iii) (A: Dem Gretchen graut bekanntlich schon beim ersten Zusammentreffen vor Heinrich.) (B: Das stimmt doch gar nicht!) Vor Heinrich gegraut hat ihr erst in der berühmten Gartenszene. (iv) (A: Diesem Gretchen bat vor einem gewissen Egmont ganz fürchterlich gegraut.) (B: Du Kulturbanause hast wirklich keine Ahnung von Schiller!) ??Dem Gretchen gegraut hat nicht vor Egmont, sondern vor Faust. (v) ?An seiner allseitigen Entwicklung gelegen war dem Wilhelm Meister schon von Jugend auf. (vi) *Dea Wilhelm Meister gelegen war vor allem an seiner allseitigen Entwicklung.

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Die inakzeptabelsten Konstruktionen mit ergativen Verben sind dann aber kaum mehr von den verhältnismäßig akzeptabelsten Beispielsätzen mit nicht unakkusativischen Verben zu unterscheiden. (1-85) (1-86)

??Kinder geveint haben hier noch nie. ??Völfe geheult haben in dieser Nacht nicht.

Die Datenlage ist jedenfalls nicht so eindeutig, daß man auf ihr guten Gewissens eine Analyse aufbauen könnte, die die Topikalisierungserscheinungen nicht nur mit der durch thematische Rollen (und Kasusmarkierung) weitgehend festgelegten Verbnähe beschreibt, sondern eine Ergänzung als prinzipiell nicht topikalisierbar auszeichnet, während für die anderen lediglich gilt, daß auch die verbnäheren Ergänzungen mit im Vorfeld stehen müssen. Das Fehlen eines deutlichen Akzeptabilitätsschnitts zwischen den Beispielen mit den verschiedenen Typen von Verben unterstützt jedenfalls nicht die These, daß die Zulässigkeit der V-Topikalisierung einer Ergänzung (unter anderem) von ihrer (tiefenstrukturellen) Beziehung zu einer Konstituente VP abhängt. Daß eine nominativisch markierte Subjekts-NP - insbesondere wenn sie nicht das verbnächste Argument ist - nicht mittopikalisiert werden kann, selbst wenn die richtige Topikalisierungsreihenfolge eingehalten wird, daß also Beispielsätze wie (1-87) völlig inakzeptabel sind, ist dann das Resultat einer Häufung von akzeptabilitätsmindernden Faktoren, von denen der wichtigste auf das Wirken eines Oberflächenfilters' zurückzuführen ist: (1-87)

*Männer Geschirr abgewaschen haben in früheren Zeiten nie.

Vgl. aber auch ein Beispiel mit zweistelligem ergativem Verb: (1-88)

??Passagieren ein Unglück passiert ist auf der Nordatlantik-Route ziemlich häufig.

Das Mittelfeld ist dadurch gekennzeichnet, daß in ihm typischerweise die NP-Argumente des jeweiligen Prädikats stehen. Eine Ausklammerung von NPn, auch wenn diese sehr 'gewichtig' sind, ist z.B. immer leicht markiert; für die Ausklammerung von PPn und Adverbien gilt das nicht im gleichen Haß. Werden nun alle NPArgumente eines infiniten Verbs zusammen mit diesem topikalisiert, dann ergibt sich eine Oberflächenabfolge, die derjenigen bei Verb-Letzt-Strukturen weitgehend gleicht: Im (ursprünglichen) Mittelfeld verbleibt kein einziges NP-Argument, die noch vorhandenen PPn und Adverbien sind nicht mittelfeldtypisch, sondern können auch im Nachfeld auftreten, so daß das Mittelfeld als solches nicht mehr klar erkennbar ist.

Umgekehrt gleicht die Abfolge der topikalisierten NPn

im Vorfeld der im Mittelfeld. Die Abfolge V-Konstituente mit Mittelfeldanordnung vor finitem Verb bei möglicher Ausklammerungsinterpretation der folgenden Ausdrücke gleicht dann derjenigen bei Verb-Letzt-Strukturen. Verb-Letzt-Struktu-

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ren ohne satzeinleitenden Komplementierer sind im heutigen Standarddeutschen jedoch ausgeschlossen, also Strukturen der Form [ X V I N F V F I N Z s 1 ] , wobei X keinen Satzeinleiter und Z keine NP (oder einen satzförmigen Ausdruck mit derselben Funktion wie eine solche NP) enthält. Entsprechend sind alle Abfolgen ausgeschlossen oder mindestens sehr stark markiert, die diesen verbotenen Verb-Letzt-Strukturen gleichen, z.B. diejenigen V x -Topikalisierungsstrukturen, bei denen sämtliche NP-Argumente im Vorfeld erscheinen, während hinter dem finiten Verb keine Ausdrucke zurückbleiben oder doch nur solche, die auch als ausgeklammert interpretierbar sind. 1.5.3.3.3 V*-Topikalisierung von satzförmigen Subjekten Satzförmige Subjekts- und Objektsausdrücke verhalten sich in der V-Topikalisierungskonstruktion analog zu NP-förmigen Subjekten und Objekten. Objektsätze lassen sich mittopikalisieren. Allerdings ist im Gegensatz zu Objekts-NPn eine Art 'Extraposition im Vorfeld 1 notwendig: (1-89) Gespürt, daß er als Sieger in Frage käme, bat er zehn Meter vor dem Ziel. vs. *Daß er als Sieger in Frage käme, gespürt hat er zehn Meter vor dem Ziel. Dagegen treten bei Subjektsätzen dieselben Probleme auf wie bei NP-Subjekten. Das unterschiedliche Verhalten läßt sich insbesondere an Sätzen mit 'Doppelgliedsatzverben' demonstrieren, d.h. mit Verben, bei denen sowohl das Subjekt als auch das Objekt satzförmig (oder als Infinitivphrase) realisiert sein kann. (1-90) Velcb hochkarätiger Gegner der l.FC Magdeburg sein kann, zeigt schon, daß den Magdeburgern als bisher einzigem DDR-Verein 1974 mit dem Erfolg bei den Pokalsiegern der Gewinn einer europäischen Trophäe gelang. Das Verb zeigen läßt als Subjektsatz keine Interrogativ- oder Exklamativsententiale zu, so daß ein durch einen v-Ausdruck eingeleiteter Verb-Letzt-Satz nur als Objekt interpretierbar ist (abgesehen vom Sonderfall der Freien Relativsätze, die auch hier als Subjekt zulässig sind, vgl. dazu 3.1.4). Die V*-Topikalisierung eines derartigen Satzes ist auch tatsächlich möglich: (1-91) Zeigen, welch hochkarätiger Gegner der l.FC Magdeburg ist, kann jedoch auch, daß ... Die Topikalisierung des durch daß eingeleiteten Satzes ist hingegen nicht möglich. (1-92) *Zeigen, daß die Magdeburger einst den Pokalsieger-Vettbewerb gewannen, kann jedoch auch, welch hochkarätiger Gegner der l.FC Magdeburg ist. Der daf-Satz kann, da er mittopikalisiert wird, nur ein Objektsatz sein, so daß für den p-Satz nur die Interpretation als Subjektsatz bleibt, die aber durch die

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lexikalische Besonderheit von zeigen ausgeschlossen ist, daß dieses keine Interrogativ- oder Exklamativsententiale als Subjekt zuläßt. Es kann also nicht einfach jeder auf das topikalisierbare Verb folgende satzförmige Ausdruck mit im Vorfeld erscheinen. Tatsächlich ist eine solche Adjazenz auch nicht notwendig:

(1-93)

Zeigen, welch hochkarätiger Gegner der l.FC Magdeburg ist, hätte auch können, daS ... vs. Zeigen können, welch hochkarätiger Gegner der l.FC Magdeburg ist, hätte auch, daß ...

Hier kann zwischen Vollverb und Objektsatz ein Modalverb stehen, das aber die gemeinsame Topikalisierbarkeit von Vollverb und Objektsatz nicht beeinträchtigt. Von Belang ist vielmehr die Fähigkeit des infiniten Vollverbs, ein satzförmiges Objekt zu regieren. Satzförmige Subjekte und Objekte sind dabei durch ihre unterschiedliche rollenthematische Verbnähe ausgezeichnet; eine offene Kasusmarkierung spielt hier für die Bestimmung der Verbnähe keine Rolle. Die Abfolge im Vorfeld genügt dann ganz generellen Gesetzmäßigkeiten: Subkategorisierte satzförmige Ausdrücke stehen rechts vom jeweiligen Prädikat, am Rand der Konstruktion; NPn stehen links davon, wahrscheinlich deshalb, weil die für die Kasusvergabe relevante Rektionsrichtung bei verbalen Ausdrücken im Deutschen generell nach links geht; 3 7 PPn und Adverbien - die nicht kasusmarkiert werden - können beide Positionen einnehmen, also auch ausgeklammert werden:

(1-94)

Vorausgesetzt dabei/bei diesen Überlegungen ist, daß durch die Entwicklung neuer Produktionsbedingungen die historische Beschränktheit der alten erkennbar geworden ist.

Ausklammerung und Extraposition treten also genauso wie die

mittelfeldspezifi-

schen Abfolgeregularitäten auch dann a u f , wenn keine maximale V-Projektion vorhanden ist. Vergleicht man den E f f e k t der verbotenen Hittopikalisierung von satzförmigen und NP-Subjekten, dann ergibt sich im ersten Fall eher der Eindruck, daß dem Gesamtsatz überhaupt ein Subjekt fehlt und nicht unbedingt der Eindruck einer 37 Auch für Adjektive gilt wohl, daß die Rektionsrichtung nach links geht. In manchen Fällen kann ein NP-förmiges Objekt sowohl vor als auch hinter dem regierenden Adjektiv stehen ( f ü r PP-förmige Objekte gilt dies generell): (i) seinen Grundsätzen treu vs. treu seinen Grundsätzen Dies ist jedoch in der Mehrzahl der Fälle nicht möglich: (ii) seiner Sache sicher vs. ??sicher seiner Sache Zudem ist zu beachten, daß die postadjektivische Stellung von NP-förmigen wie auch von PP-förmigen Objekten nicht mehr möglich ist, wenn das Adjektiv attributiv verwendet wird:

(iii) (iv)

*der treue seinen Grundsätzen Oberinspektor *der eifersüchtige auf den Liebhaber Ehemann

Da die präadjektivische Stellung dieser Typen von Adjektiv-Objekten demgegenüber immer möglich ist, handelt es sich bei der Nachstellung offensichtlich um das Ergebnis einer Umordnung innerhalb der Adjektivphrase, die aber in bestimmten Fällen blockiert ist.

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'falschen' Topikalisierung; insofern sind derartige Strukturen auch durch die Anwendung des I-Topikalisierungsmusters auf keinen Fall zu verbessern. Der Grund ist wahrscheinlich in der fehlenden Kasusmarkierung zu suchen. (1-95) *GeÄRgert, daß du so spät geheimen bist, hat mich SCHON. (1-96) *GeARgert hat mich SCHON. (1-97) ??Dein Verhalten geÄRgert hat mich SCHON. Vgl. die wesentlich akzeptablere Version mit einem satzförmigen Präpositionalobjekt: (1-98) (Drüber) GeARgert, daß du so spät gekommen bist, habe ich mich SCHON. Die fehlende Kasusmarkierung kann zwar durch die Verwendung eines Platzhalter-es 'ausgeglichen' werden - der satzförmige Ausdruck steht nicht allein im Vorfeld, so daß die Platzhalter-Verwendung nicht verboten ist. Aber der E f f e k t der f a l schen Topikalisierungsreihenfolge wird dadurch natürlich nicht aufgehoben. (1-99) *Es geARgert, daß du so spät gekommen bist, hat mich SCHON. Immerhin könnte zur Inakzeptabilität der platzhalterlosen Version auch beitragen, daß bei ärgern die starke Tendenz besteht, ein Platzhalter-es zu verwenden. (1-100) ?..weil mich einfach ärgert, daß du so spät kommst. Die V x -Topikalisierung von satzförmigen Subjekten zu ergativen (und passenden passivierten) Prädikaten, die immerhin einigermaßen akzeptabel ist, verliert nämlich um so mehr an Akzeptabilität, je größer die Tendenz des Prädikats ist, einen Platzhalter zu fordern; vgl. die folgenden Beispiele mit den ergativen Verben auffallen (bevorzugt ohne Platzhalter; vgl. Marx-Moyse (1983: 8 2 f f . ) ) und schwerfallen (bevorzugt mit Platzhalter (ebd.: 2 7 f . ) ) : (1-101) ?Aufgefallen, vie schofel ich mich benommen habe, ist mir leider erst hinterher. (1-102) ??Sckwergefallen, Spinat zu essen, ist Herrn Brösele schon in seiner Kindheit. Anders als bei Objektsätzen 38 darf der Platzhalter nicht im Vorfeld stehen: (1-103) *Es geärgert, daß du so spät kommst, hat mich schon. (1-104) *Es schwergefallen, Spinat zu essen, ist Herrn Brösele schon in seiner Kindheit. 38 Zumindest ist bei Präpositionalobjekt-Sätzen ein Platzhalter zulässig; vgl. Beispiel (1-98). Ein Akkusativ-es ist dagegen kaum akzeptabel: (i) ??Es bedauert, daß die Karten schon weg gewesen sind, haben wir nicht sonderlich. Vielleicht gilt diese Beschränkung deshalb, weil ein Akkusativ-es in Spitzenstellung zu sehr der verbotenen Konstellation mit einem solchen es als alleinigem Vorfeldfüller gleicht: (ii) *Es bedauere ich, daß..

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Aber auch bei einem passenden Platzhalter im Mittelfeld des 'Matrixsatzes' ergeben sich keine völlig akzeptablen Sätze. 39 (1-105) ??Geärgert, daß du so spät gekommen bist, hat es mich schon. (1-106) ??Schwergefallen, Spinat zu essen, ist es Herrn Brösele schon in seiner Kindheit. Durch die Vervendung des es verschwindet bei nicht unakkusativischen Verben wie ärgern zumindest der weiter oben erwähnte Eindruck, daß das Subjekt völlig fehlt. Andererseits kann es sich bei diesem es auch nicht um einen echten Platzhalter handeln. Das legt zumindest der Vergleich mit Platzhaltern zu satzförmigen Objekten nahe, bei denen der Platzhalter auf jeden Fall mit im Vorfeld erscheinen muß: (1-107) Drauf gehofft, daß Ella kommen wird, haben wir alle. (1-108) *Gehofft, daß Ella kommen wird, haben wir alle drauf. (1-109) *Gespürt, daß er als Sieger in Frage käme, hat er es zehn Meter vor dem Ziel. Wenn ein (nicht durch einen adverbialen Komplementierer eingeleiteter) satzförmiger Ausdruck in der V x -Konstituente vorkommt, dann muß er auch so interpretiert werden können, daß er eine Argumentstelle des Verbs füllt. Ein nachfolgender Platzhalterausdruck kann dann nicht mehr in diesen Argumentrahmen eingeordnet werden. Innerhalb des Vorfelds gelten dagegen, obwohl keine maximale (insbesondere keine finite) V-Projektion vorhanden ist, doch dieselben Stellungsverhältnisse wie in einer solchen; da 'Extraposition im Vorfeld' möglich ist, sind im Prinzip auch Platzhalter im Vorfeld möglich: Der Ausschluß des akkusativischen es liegt, wie erwähnt, wahrscheinlich an der Ähnlichkeit mit einer ausgefilterten Struktur; beim Ausschluß des nominativischen Platzhalters wirken alle Faktoren, wie das Definitheits- und das Markierungsproblem, zusammen, die die V-Topikalisierung einer Nominativ-NP an sich schon problematisch machen; vgl. ?Ein Unglück/*Es passiert ist hier schon lange nicht mehr. Für die 'Bindung' des satzförmigen Ausdrucks durch den Platzhalter (oder auch, bei einer anderen Analyse, durch die Spur, die er überdeckt) sind jedenfalls nicht die KKommando-Relationen 'vor 1 der Topikalisierung ausschlaggebend, so daß ein Platz39 übrigens beurteilt v.Stechow einen Satz mit fast identischem Aufbau als "guten deutschen Satz" (v.Stechow 1979: 402). (i) Schwergefallen sein mir einen Rettich anzubieten wird es Hotzenplotz. Er scheint allerdings auch das es als das eigentliche Subjekt aufzufassen (ebd.: 365). Etwa ein Dutzend Personen, die von mir konstruierte Sätze mit der fraglichen Struktur beurteilen sollten, haben sie in der Mehrzahl als zwar nicht völlig inakzeptabel, aber trotzdem nur marginal möglich beurteilt.

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halter im Mittelfeld zurückbleiben könnte - bei einer Basisgenerierung der V x Konstituente im Vorfeld gilt sowieso, daß ein Platzhalter nur im Vorfeld auftreten darf. Daß sich die Akzeptabilität der Beispiele mit verbotener Mittopikalisierung von satzförmigen (Tiefen-)Subjekten verbessert, wenn im Mittelfeld des 'Matrixsatzes' ein es eingefügt wird, liegt daran, daß der satzförmige Ausdruck gar keine Argumentstelle des Verbs füllen kann, so daß das es als echtes Subjekt gewertet werden kann. Diese fehlende Einordnung des satzförmigen Ausdrucks ist aber natürlich auch gleichzeitig der Grund dafür, daß keine völlig akzeptablen Sätze entstehen. Aufgrund einer 'Reparaturstrategie' wird das es als selbständig referierendes Pronomen gewertet, das 'inhaltlich' auf den satzförmigen Ausdruck bezogen wird. Dieser kann, da er innerhalb der Vorfeldkonstituente keine Funktion hat, nur als parenthetisch eingeschoben gewertet werden. Am ehesten gleichen derartige Strukturen also noch völlig verqueren, weil falsch serialisierten, Rechtsversetzungskonstruktionen (vgl. zu diesen Altmann 1981). Auch satzförmige Subjekte lassen sich also, sofern sie von ihrer thematischen Rolle her das verbnächste Argument eines mehrstelligen Verbs sind, mit einigermaßen akzeptablen Resultaten als Teil einer V x -Konstituente topikalisieren. Als zusätzliche Einschränkung (neben der problematischen notwendigen 'Definitheit' dieser Sätze) gegenüber Nominativ-NPn kommt jedoch mindestens hinzu, daß dies nur dann gilt, wenn das Verb keinen Platzhaltergebrauch erforderlich macht; vgl. noch ein Beispiel mit einem passivierten Verb: (1-110) PBeachtet, daß der allergrößte Teil seines Auftritts einer Verteidigung der DDR galt, trurde bei dieser äußerst ungerechten und harschen Kritik natürlich nicht. 1.5.3.3.4 Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde untersucht, welchen Beschränkungen die V x -Topikalisierung unterliegt und ob sich aus diesen Beschränkungen ein Pro-VP-Argument und somit ein Argument für die strukturelle Charakterisierbarkeit der Subjektrelation gewinnen läßt. Es wurde gezeigt, daß die 'Grundreihenfolge' ausschlaggebend dafür ist, welche Ausdrücke zusammen mit infiniten Ausdrücken aus dem Prädikatskomplex im Vorfeld erscheinen können; innerhalb des Vorfelds gelten dagegen die für das Mittelfeld typischen Abfolgeregularitäten. Subjektsausdrücke lassen sich am ehesten bei zweistelligen unakkusativischen Verben (oder dreistelligen passivierten Verben) mit ins Vorfeld stellen. Der für die VP-Frage relevante Testfall der einstelligen Verben erbringt keine eindeutigen Akzeptabilitätsunterschiede zwischen unakkusativischen und nicht unakkusativischen Verben, so daß sich auch

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im Bereich der V-Topikalisierung kein klares Argument fur die Beschreibungsnotwendigkeit (bzw. Existenz) einer Kategorie VP finden läßt. 1.5.3.4 NP-AufSpaltung Eine Asymmetrie im syntaktischen Verhalten von Subjekts- und (direkten) Objektsausdrücken könnte sich auch bei weiteren Topikalisierungserscheinungen zeigen: Unter bestimmten Bedingungen ist es nämlich zulässig, daß NPn 'aufgespalten' werden, wodurch - abhängig von der jeweiligen speziellen Konstruktion - NP-Teilkonstituenten vorfeldfähig werden (vgl. dazu Fanselow 1987, 1988; Grewendorf 1986b, 1988; Haider 1985a; Kniffka 1986; Lötscher 1985). 1.5.3.4.1 Verschiebung von NP-Köpfen Im ersten Fall einer solchen Topikalisierung von NP-Teilkonstituenten wird der nominale Kopf einer NP - möglicherweise zusammen mit attributiven Ausdrücken ins Vorfeld gestellt. (1-111) Böse, schroffe Worte hat es viele gegeben. (1-112) Mühe hatte dieser dann keine mehr, Torwart Müller zu überwinden. Dieses Auseinanderreißen der NP hat Auswirkungen auf die Adjektivflexion: Die Verteilung der schwachen und starken Deklinationsformen entspricht den Oberflächengegebenheiten', d.h. dem Auftreten von zwei eigenständigen NPn (und nicht den Gegebenheiten 'vor' der Topikalisierung des NP-Kopfes). (1-113) Bier habe ich noch keines/*kein geholt. (1-114) Ich habe noch *keines/kein Bier geholt. (1-115) Ich habe noch keines/*kein geholt. (1-116) Geburtstagsgeschenke habe ich heute keine schönen/*schöne bekommen. (entspricht (15b) in Lötscher 1985) (1-117) Scböne/*Schönen Geburtstagsgeschenke habe ich heute keine bekommen. (entspricht (15c) in Lötscher 1985) (1-118) Ich habe beute keine schönen/*schöoe bekommen. Die Topikalisierung von NP-Teilen zusammen mit einem folgenden infiniten Verb bzw. zusammen mit folgenden infiniten Verben ist ebenfalls einigermaßen akzeptabel. (1-119) Bier geholt habe ich noch keines. (1-120) ?Bier holen müssen habe ich noch keines. Das Ziel der 'Topikalisierung' braucht dabei nicht unbedingt das Vorfeld zu sein; auch die Umstellung im Hittelfeld ist einigermaßen akzeptabel. (1-121) ?Ich trinke Jägermeister, weil ich Bier noch keines geholt habe.

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Um auch die Deklinationsfakten zu erklären, wird in Haider (1985a: 237£.) angenommen, daß der nominale Kopf (mit folgenden Attributen und eventuell auch mit pränominalen Adjektiven) in den Verbalkomplex 'inkorporiert' und dann durch eine Transformation, die der oben angesprochenen V x -Topikalisierung entspricht, ins Vorfeld bewegt wird. In Grewendorf (1986b: 2 9 f f . ) wird eine solche Restrukturierung im Verbalkomplex als Argument für die Existenz einer VP und die Unterscheidung von (tiefenstrukturell) VP-internen (=unakkusativischen und 'passivischen') und VP-externen Subjekten genutzt. 1 « 0 Eine Restrukturierung und damit eine NP-AufSpaltung sollte beim ersten Typ von Subjekten möglich sein, beim anderen dagegen nicht: (1-122) Fehler sind ihm nur unwesentliche unterlaufen. (1-123) Fehler wurden nur unwesentliche begangen. (1-124) *Kunden haben anspruchsvolle diese Weine gekauft. (1-125) *Hausfrauen verwenden kluge dieses Waschmittel. Die Beispiele scheinen diese Erwartung also zunächst zu bestätigen. Allerdings gibt es auch genügend nicht unbedingt zu erwartende Ausnahmefälle. Bei manchen transitiven Verben« 1 ist die Objekt-Aufspaltung weniger akzeptabel als die Subjekt-Aufspaltung. (1-126) ?Frauen interessieren ihn nur blonde. (1-127) ??Frauen interessiert er nur blonde. Bei anderen Verben ist sie nur um ein weniges akzeptabler. (1-128) ??Frauen bewundern ihn nur blonde. (1-129) TFrauen bewundert er nur blonde. Manche unakkusativischen Subjekte eignen sich nicht besonders gut für eine Aufspaltung; bzw. sie sind in dieser Konstruktion kaum viel akzeptabler als 'echte' Subjekte. (1-130) ??Saltos sind ihm nur vierfache schwergefallen. (1-131) ??Saltos haben ihm nur vierfache Probleme bereitet. (1-132) ??Frauen sind nur blonde errötet. (1-133) ??Frauen haben nur blonde gelacht. Es gibt also nicht unbedingt einen scharfen Schnitt zwischen (Tiefen-)Subjekten und (Tiefen-)Objekten. Jedenfalls ist er nicht deutlich genug, um als klares Pro-VP-Argument genutzt werden zu können. 40 Nach Grewendorf (1988: 3 0 3 f f . ) sind allerdings nur die Fälle mit zusätzlicher V*-Topikalisierung wie in den Beispielen (1-119) und (1-120) für die VP-Frage von Belang. 41 Von den thematischen Rollen her entsprechen sie allerdings nicht den typischen transitiven Verben mit Agenssubjekt und affiziertem oder effiziertem Objekt; vgl. zu diesen 'Flip-Verben mit Akkusativ' Sternefeld (1985: 427).

68 Die am wenigsten markierte Position des im Hittelfeld verbleibenden NP-Teils ist eine am Ende des Satzes, allerdings vor infiniten Verbformen. Wenn eine Restrukturierung erfolgen soll, ist das auch zu erwarten, da in einem solchen Fall Adjazenz vorausgesetzt ist. Der zweite NP-Teilausdruck steht damit aber auch in der für das Mittelfeld typischen (potentiellen) Fokusposition. 42 Folgen noch weitere Ausdrücke, dann vermindert sich die Akzeptabilität. (1-134) ?Gutes Kirschwasser wirst du keines in diesem Geschäft finden. (1-135) ??Ketzer hat er keine dem Monsignore vorgestellt. Da der zweite NF-Teil in der Fokusposition steht, erhält er (typischerweise, vgl. Fn. 43) einen Akzent; gleichzeitig fällt auch auf den topikalisierten Ausdruck, der das 'Thema' des Restsatzes angibt, ein Akzent. Die typischen intonatorischen und auch die funktionalen Charakteristika derartiger Konstruktionen mit Vorfeldstellung von NP-Teilen zeigen, daß es sich wieder um einen Fall der I-Topikalisierung handelt, die in beschränktem Maß auch mittelfeldintern angewendet werden kann. 4 3 Das erklärt, warum "NP-Aufspaltung nur im indefiniten Fall 42

"The focus positions in German are immediately before the predicate" (v.Stechow/Uhmann 1986: 315). 43 In manchen Fällen wird das typische Muster der I-Topikalisierung durchbrochen; zwar bleibt dann der 'Topikakzent* auf dem Vorfeldausdruck erhalten, der fokussierende Akzent fällt jedoch nicht auf den am Ende des Mittelfeldes stehenden NP-Teil. Die Akzeptabilität der NP-AufSpaltungskonstruktion verringert sich dadurch nicht. Dieses Verschwinden des zweiten Akzents tritt zum einen dann a u f , wenn eine Gradpartikel einen Ausdruck fokussiert, der nicht mit dem zweiten NP-Teil identisch ist: (i)1 STRANde gibt es dort SCHÖne. (i ) STRANde gibt es auch DORT schöne. Ebenso kann nachgestelltes auch ganz regulär den Akzent auf sich ziehen: (ii) KOFfer habe ich AUCH keinen. ((40b) aus Kniffka 1986)

Der zweite NP-Teil verbleibt z.B. in ( i f ) zwar weiter in der potentiellen Fokusposition, die fokussierende Gradpartikel überlagert aber die Fokussierung, wie sie in (i) a u f t r i t t . Derselbe Effekt zeigt sich aber auch bei den typischen Beispielen für ITopikalisierung: (iii) Alle Aufsätze habe ich ihr NICHT besorgen können. (iii 1 ) ALle Aufsätze habe auch ICH ihr nicht besorgen können. (iv) Zufälligerweise geschab das keinesVEGS. ((3.163) in Jacobs 1983) (iv') zufälligerweise geschah auch DAS keineswegs. Intonatorisch1 konstituierend für die I-Topikalisierung scheint also nur der 'Topikakzent mit seinem spezifischen Tonverlauf zu sein, während der Nukleusakzent nur bevorzugt, aber nicht obligatorisch auf den zugehörigen Ausdruck in Distanzstellung fällt; dieser muß sich aber offensichtlich in einer potentiellen Fokusposition befinden. (Vielleicht ist aber auch in diesen Fällen der jeweilige zweite Ausdruck des I-Topikalisierungspaars weiterhin fokussiert, wenn auch nur im Sinn eines 'sekundären Fokus' und damit auch mit einer herabgestuften Akzentuierung.) Ein weiterer Fall von überlagernder Fokussierung findet sich im Zusammenhang mit der Betonung des Finitums (dem sogenannten VERUM-Fokus; vgl. Höhle (1988)):

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akzeptabel scheint" (Grewendorf 1986b: 32): Die Fokussierung des im Hittelfeld verbleibenden NP-Teils wird dadurch erleichtert. Auf der anderen Seite ist die Indefinitheit sicherlich auch eine Vorbedingung der 'Restrukturierung', die im definiten Fall kaum möglich ist (vgl. die Beispiele (1-139) und (1-140) u n t e n ) . Das heißt aber, daß die präferierte verbnahe Stellung der NP, bzw. des 'NPVorderteils', (die nach Grewendorf eine mögliche Restrukturierung auslöst) mit der Fokussierung zusammenhängt. Die angeblich ausgeschlossene Aufspaltung einer 'tiefen- 1 und Oberflächenstrukturellen 1 Subjekts-NP (Grewendorf 1986b: 31f., 211f.) ist infolgedessen bei manchen Verben durchaus zulässig, wenn die NP z.B. durch eine fokussierende Partikel hervorgehoben wird und in eine verbnahe Position gelangt. (1-136) Verwandte haben mich bisher nur wenige besucht. (1-137) PVasallen haben ihn nur wenige treue begleitet. Die Verben können in diesem Fall jedoch kaum mittopikalisiert werden, so daß eine echte Restrukturierung und Inkorporierung in den Prädikatskomplex nicht stattzufinden scheint (vgl. dazu auch die gegenüber den früheren Versionen abgeänderte Analyse in Grewendorf (1988: 305)). Eine simple alternative Erklärung ist jedoch, daß hier bei der Topikalisierung, wie in den Fällen der V-Topikalisierung üblich, eine unmarkierte Reihenfolge eingehalten werden muß. Die Aufspaltung einer Dativ-NP ist allerdings auch bei passender Verbnähe häufig kaum möglich: (v)

(Warum hast du denn dieses teure Adelhol zener gekauft?) MineRALwasser HAT er kein billiges. Dazu wieder der (weitgehend) parallele Fall mit Negation und Quantor: (vi) (Hast du alle Schlüssel an den Bund gehängt?) ALle Schlüssel HAB' ich doch gar nicht. Du hast doch selber noch den Kellerschlüssel. In einem dritten Fall ist die Nicht-Akzentuiertheit des zweiten NP-Teils zu erwarten - dann nämlich, wenn es sich um den indefiniten Ausdruck welch(bzw. das süddeutsche Gegenstück ein-) handelt, der bei Betonung als «r-Frageausdruck interpretiert werden müßte (mit der Folge, daß auch der Gesamtsatz als Versicherungsfragesatz ('Echo-ar-Fragesatz') zu verstehen wäre). Der Akzent geht in diesem Fall regelhaft auf den 'rhematischsten' Ausdruck, d.h. es kommt nicht zu einer Fokusüberlagerung; vgl. das folgende Paar: (vii) GELD HAbe ich welches. (vii 1 ) GELD habe ich welches daBEI. Möglicherweise gilt auch ganz generell, daß semantisch 'schwache' Ausdrücke, auf jeden Fall bestimmte Indefinitpronomina (welch- bzw. ein-), mehr oder weniger resistent gegen Akzentuierung sind. Ein weiterer Kandidat sind Maßangaben; im folgenden Beispiel ((32c) aus Rniffka 1986) ist es durchaus möglich, die Maßangabe unakzentuiert zu lassen, (viii) SCHWEInefleiscb habe ich noch ein Pfund geKAÜFT. Zentral für die I-Topikalisierung, die auch hinter der hier zur Debatte stehenden NP-AufSpaltung zu stehen scheint, ist also der Topikakzent auf dem Vorfeldausdruck, während der Fokusakzent nur bevorzugt, nicht aber obligatorisch auf den zweiten Teil der jeweiligen Konstruktion fällt.

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(l-138a) ??Vasallen hat er nur wenigen vertraut. Vgl. aber: (l-138b) Strahlungen waren sie (sogar) sehr starken ausgesetzt. Sicherlich spielt es für die Akzeptabilität der NP-AufSpaltung eine Rolle, ob bereits in der unmarkierten Reihenfolge die entsprechende NP einen 'fokussierungsverdächtigen' Platz einnimat und ob sie typischerweise indefinit ist. Bei der Aufspaltung einer definiten NP erscheint demgegenüber eine 'partitive' vonPhrase im Vorfeld (Genitivattribute sind nicht zulässig, vgl. dazu Lötscher (1985: 213)); es handelt sich dann jedoch um einen anderen Konstruktionstyp. (1-139) ??Orangea/Von den Orangen/*Der Orangen sind nur die billigen verschimmelt. (1-140) ??Kunden/Von den Kunden haben nur die anspruchsvollsten diese Weine gekauft. Die Präferenz für indefinite NPn könnte auch der Grund sein, warum diese Konstruktion am akzeptabelsten ist, wenn der im Mittelfeld zurückbleibende, die Definitheit bestimmende NP-Teil quantifizierende Ausdrücke enthält, die als nichtdefinit interpretiert werden können. Bei definiten Quantoren ist das Muster ungrammatisch. (1-141) *Verwandte/Von den Verwandten sind alle gekommen. (1-142) *Freunde/??Von den Freunden sind beide gekommen. Die beiden letzten Beispiele werden natürlich akzeptabel, sobald vor das Nomen im Vorfeld ein die gestellt wird; sie werden dann zu typischen Beispielen für Quantoren-Floating. Die NP-AufSpaltung, bei der quantifizierende Ausdrücke im Mittelfeld zurückbleiben, darf aber nicht mit dem üblichen Quantoren-Floating gleichgesetzt werden, wie das in Grewendorf (1986b: 33) vermutet wird. Das zeigt sich erstens bei einer Umwandlung der einfachen Topikalisierungsin Linksversetzungskonstruktionen: Der NP-Teil darf auf keinen Fall durch eine komplette Pro-HP wieder aufgenommen werden (vgl. (1-143)), da ja noch ein 'NPTeil' vorhanden ist, der nach Ausweis der Deklinationsfakten noch dazu wie eine komplette NP aussieht, so daß die betreffende Argumentstelle bereits gefüllt ist und eine normale Pro-NP die verbotene Doppelbesetzung einer syntaktischen Funktion nach sich zöge; eine eindeutig passende Proform für den NP-Teil existiert im Deutschen nicht. Bei Quantorenfloating (vgl. (1-144)) kann demgegenüber ohne weiteres eine Pro-NP verwendet werden (und bei der erwähnten T.opikalisierung einer voo-PP die Pro-PP da): (1-143) Hosen, *die/??da/??davoo hat er keine/nur dreckige gewaschen. (1-144) Die Hosen, die hat er alle gewaschen.

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Zweitens: Während bei den indefiniten Quantoren I-Topikalisierung die Regel ist, gilt das für die definiten Quantoren nicht. Bei ihnen kann problemlos ein eingipfliges Intonationsmuster ohne Akzent auf dem Mittelfeldteil der NP verwendet werden (Beispiel (1-145), vgl. dagegen (1-146) mit unzulässiger NP-AufSpaltung). (1-145) Die Kunden sind alle einem BeTROger aufgesessen. (1-146) *Kunden sind keine einem/dem BeTROger aufgesessen. Allein schon die intonatorische Differenzierung (wie auch die wohl damit zusammenhängende mehr oder weniger große Freiheit in der Besetzung der zur Verfügung stehenden Parenthesennischen) läßt es geraten erscheinen, die zwei Arten der Distanzstellung von quantifizierenden Ausdrücken nicht zu vermischen. 44 Drittens gilt, daß das intonatorisch nicht besonders zu kennzeichnende Quantoren-Floating im Mittelfeld (Beispiele (1-147), (1-149) und (1-150)) weniger markiert ist als die I-Topikalisierung im Mittelfeld (Beispiele (1-148) und (1-151)). (1-147) Daß die Verwandten alle gekommen sind, freut mich. (1-148) ?Daß Verwandte keine gekommen sind, freut mich. (1-149) Daß die Kunden alle dem Betrüger aufgesessen sind/Daß die Kunden dem Betrüger alle aufgesessen sind, wundert mich. (1-150) Daß dem Betrüger die Kunden alle aufgesessen sind, wundert mich. (1-151) *Daß Kunden keine dem Betrüger aufgesessen sind/??Daß Kunden dem Betrüger keine aufgesessen sind/??Daß dem Betrüger Kunden keine aufgesessen sind, wundert mich. Viertens ist Quantoren-Floating aus einer Dativ-NP problemlos möglich (vgl. (1-152) und (1-154)), eine entsprechende I-Topikalisierung mit indefinitem Quantor nicht (vgl. (1-153) und (1-155)). (1-152) Den Schülern gab er gestern allen eine Fünf. (entspricht (17b') in Vater (1981)) (1-153) *Schülern gab er gestern keinen eine Fünf. (1-154) Er gab den Schülern gestern allen eine Fünf. (1-155) *Er gab Schülern gestern keinen eine Fünf. Die I-Topikalisierung eines NP-Kopfes, bei der im Mittelfeld ein quantifizierender Ausdruck zurückbleibt, darf also nicht mit 'intonationsneutralem' QuantorenFloating gleichgesetzt werden. Auf der anderen Seite besteht zwischen den Fällen, in denen ein Adjektiv im Mittelfeld verbleibt, und denjenigen mit indefiniten Quantoren kein bedeutender Unterschied. (1-156) Linguisten haben hier nur wenige gearbeitet. 44 Unterschiede im Verhalten von alle und kein werden schon in Vater (1981) festgestellt; allerdings wird dort daran festgehalten, daß es sich beide Male um dieselbe Erscheinung 'Quantoren-Floating' handelt.

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(1-157) Linguisten haben hier nur wenige bedeutende gearbeitet. (1-158) Linguisten haben hier nur bedeutende gearbeitet. Die Beachtung der intonatorischen (und funktionalen) Eigenschaften der Konstruktion 'Verschiebung von NP-Köpfen' zeigt, daß diese nicht unbedingt als 'Inkorporierung in den Verbalkomplex' oder als 'Restrukturierung' analysiert zu werden braucht. Eine alternative Analyse ist, daß die beiden 'NP-Teile 1 basisgeneriert sind - daraus folgen ganz zwanglos die Deklinationsfakten; beide Teile kommen in der nämlichen Form ja auch außerhalb dieser Konstruktion vor. Diese beiden Ausdrücke können sodann unter ganz bestimmten Bedingungen 49 interpretativ miteinander in Beziehung gesetzt werden, indem in einer LF-Repräsentation oder auf einer ähnlichen Ebene, die Bedeutungsbeziehungen wie z.B. den Skopus von Operatorausdrücken zu repräsentieren erlaubt, die nicht gebundene Variable, die die pronominale Bedeutung der Mittelfeld-NP repräsentiert, durch die Bedeutungsrepräsentation des topikalisierten nominalen 'NP-Kerns' ersetzt wird. 4 6 Ahnlich geschieht dies auch bei anderen Konstruktionen, wo ein herausgestelltes Thema vom folgenden (Rest-)Satz 'ausgearbeitet* wird: Die NP-Aufspaltung mit einem verschobenen NP-Kopf weist ja zumindest funktional Ähnlichkeiten zu Konstruktionen mit 'Freiem Thema' (vgl. Altmann 1981) auf, vgl.: (l-159a) Was das Bier betrifft, (so) habe ich keines geholt. (l-159b) Apropos Bier - ich habe keines geholt. Zudem deutet der obligatorische Themaakzent bei der Aufspaltungskonstruktion auch auf formale Parallelen hin. Allerdings unterscheiden sich die beiden Konstruktionen darin, daß beim Freien Thema die in Fn. 45 angedeuteten Beschränkungen entfallen. 4 7 Das Thema ist in der Aufspaltungskonstruktion syntaktisch wesentlich enger in den Rahmen des Restsatzes integriert als beim echten Freien Thema. Die Konstruktion läßt sich analysieren als ein spezifisches, ins Vorfeld eines Verb-Zweit-Satzes integriertes Freies Thema. Akzentuierung und scheinbare Doppelbesetzung einer syntaktischen Funktion sind Auswirkungen der Freien-Thema-Eigenschaften. Als ins Vorfeld integrierter Ausdruck verhält sich dieses Freie Thema andererseits wie andere Vorfeldausdrücke auch: es kann nicht mit bestimmten eingebetteten Posi45 Wie Fanselow (1988: 103) zeigt, unterliegt der zweite KP-Teil der strukturellen Beschränkung, daß er nicht in einer 'Bewegungsinsel' - in einer komplexen NP, in einer koordinativen Struktur usw. - eingebettet sein darf. 46 Eine derartige Variable kann im Rahmen der GB-Theorie syntaktisch als (phonetisch nicht realisiertes) pro analysiert werden, das durch die Thema-NP 'gebunden' wird, wie dies Fanselow (1988) im Anschluß an die Analyse von Adjektiv- 'Substantivierungen' in Olsen (1987) vorschlägt (vgl. Fn. 49). 47 Ausnahme: koordinative Strukturen.

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tionen in Bezug gesetzt werden und es unterliegt der vom Prädikat geforderten Kasusmarkierung. 4 8 Es handelt sich bei der Verschiebung von NP-Köpfen also um eine 'Kreuzung' aus zwei verschiedenen Konstruktionstypen. 4 9 Eine NP wird dabei in einen rahmen48

Eine als Freies Thema verwendete NP steht im Nominativ (außer ihre Kasusform wird als 'Echo' aus einem Vorgängersatz übernommen). (i) Jaja, die Linguisten/*den Linguisten - ich würde ihnen nicht trauen. Bei fehlendem Artikel, wie in der Aufspaltungskonstruktion, sind Nominativund Akkusativform normalerweise nicht zu unterscheiden (von nicht sehr häufigen Ausnahmen wie Mensch vs. Menschen oder Hase vs. Hasen abgesehen). Der Zwang zur Verwendung einer Nominativform beim Freien Thema könnte der Grund sein, daß die Aufspaltungskonstruktion bei Dativ- und Genitiv-NPn häufig nicht sehr akzeptabel ist, selbst wenn der im Mittelfeld verbleibende NPTeil passend fokussiert wurde. Die Integration der Thema-NP kann, wie in (1-119) und (1-120), bis zur Verwendung in einer V x -Topikalisierung gehen. Allerdings scheinen nur die Fälle völlig akzeptabel zu sein, bei denen im Mittelfeld kein- zurückbleibt: (i) Polnische Gänse gekauft hat sie keine. ( ( 3 3 ) aus Fanselow (1988)) (i') TGänse gekauft bat sie keine polnischen. (i11) ?Gänse gekauft hat sie polnische. (i) ist aber vielleicht nur deshalb völlig akzeptabel, weil es wie ( i i ) , d.h. nicht als Aufspaltungskonstruktion verstanden wird: (ii) Polnische Gänse gekauft hat sie nicht. Die Thema-NP kann also wohl doch nicht wie jede andere verbnahe NP problemlos in einer V*-Topikalisierung verwendet werden. 49 Auch Fanselow (1988) kommt zu dem Schluß, daß bei der fraglichen Konstruktion von zwei basisgenerierten NPn ausgegangen werden muß. Die Vorfeld-NP bindet dabei ein pro-Element in der Mittelfeld-NP. Vgl. Fanselows (45) mit 'gespaltener' Akkusativ-NP: (i) polnische Gänsei hat sie [keine proi][tt gekauft] Die NP polnische Gänse wurde dabei aus der durch die Spur tj markierten Adjunktionsposition am 'Hauptverb 1 (die NP ist ins Verb inkorporiert) in die Vorfeldposition bewegt, so daß keine unzulässige Bindung von Voll-NPn vorliegt. In der zugrundeliegenden Adjunktionsposition erhält die 'Vorfeld-NP 1 ihren Akkusativkasus, allerdings keine unabhängige -Rolle; vielmehr 'partizipiert' sie über die Bindung von pro an der -Rolle der am Ort verbleibenden NP keine proi. Sie verhält sich als Nicht-e-Rollenträger ähnlich wie eine prädikative NP. Diese Analyse der Aufspaltungskonstruktion führt aber zu bestimmten Problemen. Die NP keine pro/ bindet die Spur ti, eine Anapher. Die entstehende Kette erhält jedoch an beiden Positionen Kasus zugewiesen; dies ist immerhin ungewöhnlich. Nicht ganz klar ist, wie die Bewegung der 'V-internen 1 NP und das Festfrieren der -markierten NP erzwungen werden kann. Fanselow erwähnt, daß die Verschiebung von infinitem Hauptverb und inkorporierter NP ins Vorfeld möglich ist (Fanselows ( 3 3 ) ) : (ii) polnische Gänse gekauft hat sie keine In diese· Fall kann keine pro von polnische Gänse nicht k-kommandiert (letztere NP befindet sich innerhalb des 'komplexen Verbs') und damit nicht gebunden werden (vgl. Fanselow 1988: 104). Eine Bindung von pro (im Gegensatz zur bloßen Koindizierung mit polnische Gänse) ist also offensichtlich nicht

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setzenden thematischen Teil und in einen (im typischen Fall) fokussierten Teil aufgebrochen, die beide durch einen interpretativen Hechanismus miteinander in Beziehung gesetzt werden. Eine besondere Verbnähe ist für die Aufspaltung einer NP anscheinend nicht erforderlich. Selbst wenn jedoch die Möglichkeiten der interpretativen Verbindbarkeit der beiden NP-Teile etwas mit der Verbnähe zu tun haben sollten, können die Akzeptabilitätsverteilungen nicht als Pro-VP-Argument herangezogen werden. Insbesondere notwendig. Dann ist aber nicht klar, wieso von den beiden Teil-NPn die prohaltige nicht ins Vorfeld verschoben werden kann, d.h. warum der Inkorporationskonplex aufgesprengt werden mufi, die unter normalen Umständen frei bewegliche -markierte Akkusativ-NP aber an ihrem Platz verbleiben muß: (iii) *Keine hat sie polnische Gänse gekauft. Bei Berücksichtigung der Intonation und der Fokussierungsstruktur ist dagegen erklärlich, dafi die an die Vorgängeräußerung anknüpfende 'Topic-NP' die Vorfeld-Position besetzt. Von den beiden aufeinander bezogenen NPn darf aufgrund des -Kriteriums nur eine eine -Rolle erhalten, an der die zweite durch pro-Bindung 'partizipiert'; nach Fanselow (1988: 104) ist jedoch mit Dativ und Genitiv als obliquen Kasus stets eine spezifische -Rolle verbunden, d.h. derartig markierte NPn können nicht -frei sein. Damit sei erklärt, warum Dativ- und GenitivNPn keine 'Aufspaltung' zulassen. Auch bei einer derartigen NP lassen sich jedoch akzeptable 'Aufspaltungen' finden. Insbesondere durch eine zusätzliche Gradpartikel-Fokussierung der am Ende des Hittelfelds verbleibenden Teil-NP wird die Akzeptabilität mancher Aufspaltungen verbessert: (iv) Strahlungen waren sie (sogar) sehr starken ausgesetzt. (v) ?Streitereien kann ich mich nur weniger entsinnen. Auch in diesem Fall wird wieder klar, wie wichtig bei der Beschreibung dieser Konstruktion die Berücksichtigung der Fokussierungsstruktur ist. Die genannten Schwierigkeiten sprechen gegen die Beschreibung Fanselows. Eine alternative Analyse, bei der die Vorfeld-NP basisgeneriert ist, wird von Fanselow aufgrund der Zulässigkeit von Strukturen wie der folgenden verworfen (Fanselows (35b)): (vi) Gänse sagte Peter [c P wurde er keine kaufen] Die Verbstellung in der Komplementiererphrase (CP) mache nach den gängigen Vorstellungen über die deutsche Satzstruktur die Anwesenheit der Spur des Ausdrucks Gänse in der 'Vorfeldposition' der CP erforderlich (Fanselow 1988: 103), so dafi also auf jeden Fall diese NP durch Bewegung in ihre Position gelangt sein muß. Der Satz kann aber auch anders analysiert werden, nämlich mit sagte Peter als parenthetischem Einschub, der verschoben und in bestimmter Weise erweitert werden kann, sowie typischerweise intonatorisch gegenüber dem umgebenden Trägersatz 'zurückgenommen' ist; vgl.: (vii) Gänse würde er, (so) sagte Peter (jedenfalls), keine kaufen. Nach den Kriterien Grewendorfs (1988: 8 4 f f . ) weist sagte Peter eine ganze Henge von Parenthesemerkmalen auf; insbesondere kann auch die Verteilung von Voll-NP und koreferentiellem Pronomen auf die beiden Teilsätze, zumindest bei geeigneter 'Verstärkung' des Pronomens, verändert werden, (viii) Gänse würde Peter, sagt er selbst, keine kaufen. Wenn es sich aber in (vi) um einen parenthetischen Einschub handelt, dann fällt Fanselows Argument gegen die Basisgenerierung der NP im Vorfeld weg.

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besteht wiederum bei den einstelligen Verben kein deutlicher Einschnitt zwischen den unakkusativischen/'passivischen' und den restlichen Subjekten. (1-160) Rosen wachsen hier nur unempfindliche. (unakk.) (1-161) Rosen blühen hier nur unempfindliche. (nicht unakk.) Die Beispiele, in denen der abgespaltene NP-Teil zusammen mit einem folgenden infiniten Verb bzw. zusammen mit folgenden infiniten Verben im Vorfeld erscheint, bringen gegenüber der oben behandelten V x -Topikalisierung keine neuen Erkenntnisse: Auch hier muß wieder die unmarkierte Reihenfolge beachtet werden. Der entscheidende Testfall bleiben die einstelligen Verben. Daß die Unterschiede zwischen den beiden Subjekttypen trotz einer generell nicht sehr großen Akzeptabilität "noch deutlich genug" (Haider 1985a: 238) ausfallen, kann nicht unbedingt behauptet werden. (1-162) ??Linyuisten angekommen sind noch keine, aber viele Juristen. (=(41b) in Haider 1985a; unakkus.) (1-163) ??Linguisten gearbeitet haben hier keine. 1.5.3.4.2 Aufspaltung von was für-Phrasen

Die zweite Konstruktion mit 'diskontinuierlichen Phrasen', die für eine Asymmetrie im Verhalten von Subjekten und Objekten zu sprechen und damit eine VP-Analyse zu motivieren scheint, betrifft Verb-Zweit-Frage- und Exklamativsätze, die durch eine 'was för-Phrase 1 eingeleitet werden (vgl. Fanselow 1987: 60f.; Grewendorf 1986b: 33ff.; Uszkoreit 1984: 84f.). An der Satzspitze braucht unter bestimmten Bedingungen nur was zu stehen, während der Rest im Mittelfeld verbleibt. Die Konstruktion ist zulässig, wenn der diskontinuierliche Ausdruck ein Akkusativobjekt oder ein unakkusativisches/ 'passivisches' Subjekt ist. (1-164) Was hast du heute fur gute Taten vollbracht? (1-165) Was sind dir für Beispiele eingefallen? (1-166) Vas sind dir für Tropfen verschrieben worden? Dagegen ist die Aufspaltung eines Tiefen-Subjekts problematisch. (1-167) *Vas haben für Leute diese Bilder gemalt?/*Vas haben diese Bilder für Leute geaalt? Fanselow (1987: 61) und Grewendorf (1986b: 34) nehmen an, daß die Vorbedingung für diese Aufspaltung eine Reanalyse der Struktur [HP[HP was ] [pp für ]] als [NP was ] [pp für ] ist, die ihrerseits nur innerhalb der VP erfolgen kann. Gegen die Subjektbeschränkung wird in Uszkoreit (1984: 84) darauf hingewiesen, daß ( f ü r viele Sprecher) auch (Tiefen-)Subjekte in dieser Konstruktion zu-

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lässig sind, "if we substitute the questions by emphatic interjections containing the particle da".

(1-168) *Was haben uns für Leute geholfen? (=(110) in üszkoreit 1984) (1-169) Vas haben uos denn da für Leute geholfen! (=(112) in Üszkoreit 1984) Wie die Verwendung der Modalpartikel denn zeigt, handelt es sich beim letzten Beispiel sehr wahrscheinlich noch um einen Fragesatz und nicht um einen Exklamativsatz, 9 0 so daß die Aufhebung der Restrukturierungsbeschränkungen nicht damit erklärt werden kann, daß diese nur für interrogative vas för-Phrasen gelten. Ahnliche Effekte lassen sich mit anderen Satzmustern erzielen, die allerdings vielleicht schon eher zu den Exklamativsätzen gerechnet werden können. (1-170) *Was haben für Leute an dem Problem herumgebastelt? (1-171) Was haben nicht alles für Leute an dem Problem herumgebastelt! Kennzeichnend für alle akzeptablen Beispiele ist, dafi auf den abgespaltenen Teil ein nicht markierter Fokusakzent fallen muß. Die Vermutung liegt also nahe, daß es auch bei dieser Konstruktion erforderlich ist, den hinteren Teil der diskontinuierlichen Phrase in eine intonatorisch markierbare Position, eine Fokusposition zu bringen, so daß eine (interpretative) Verbindung zum satzeinleitenden vas hergestellt werden kann. Dementsprechend ist auch die Aufspaltung von Akkusativobjekten weniger akzeptabel, wenn dem 'PP-Rest' der HP noch (VP-interne) 'fokusverdächtige' Ausdrücke folgen, z.B. ein Dativobjekt (vgl. dazu Lenerz (1977)), so daß die Fokussierung des Akkusativobjekts stark markiert ist. (1-172) Vas hat er seinem Bruder für Bücher gekauft? (1-173) ??Vas hat er für Bücher seinem Bruder gekauft? Die Hervorhebung der Dativ-NP, die die Fokusposition besetzt, ist natürlich ebenfalls ausgeschlossen, da sie die Vorbedingung für die interpretative 'Bindung' der abgespaltenen NP aufhebt, nämlich deren Betonung. (1-174) ??Vas hat er für Bücher seinem BRUder gekauft? In Grewendorf (1986b: 3 5 f . ) wird festgestellt, daß die unakkusativischen Subjekte bei zweistelligen Verben kaum mehr aufgespalten werden können, wenn das Dativobjekt näher am Verb steht als ein solches Subjekt. Dies wird damit in Zusammenhang gebracht, daß bei Voranstellung die Subjekte nicht mehr die strukturelle Objektsposition einnehmen. Der Vergleich mit den Akkusativobjekten legt nahe, daß eine generellere Erklärung erforderlich ist: Damit der bedeutungstragende Teil der was fur-Phrase mit dem satztypanzeigenden in Beziehung gesetzt werden kann, muß jener intonatorisch gekennzeichnet sein, ohne daß es zu markierten Fokussierungserscheinungen kommt. Bei expressiver Verwendung ist diese letzte Be50 Zur Nodalpartikel denn und ihrer Satzmodusdistribution vgl. Thurmair (1989: 163ff.).

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schränkung aufgehoben oder zumindest abgemildert; eine zusätzliche 'emphatische' Akzentuierung kann eine an sich markierte Fokusakzentsetzung zum Teil 'überdekken'. Bei echten Exklamativstrukturen ist die Aufhebung der Beschränkung insofern nicht verwunderlich, als dort die üblichen Fokussierungsgesetzmäßigkeiten sowieso nicht mehr zu gelten scheinen (vgl. Batliner 1988: 269; Jacobs 1988b: 115; Oppenrieder 1988: 176). Die weitere, von den Besten (1981: 102) angeführte Beschränkung, daß keine Dativ-NPn aufgespalten werden dürfen, ist in den meisten Fällen ebenfalls durch die 'falsche Fokusposition' des 'PP-Rests' (bei der Abfolge Dativ-MP vor Akkusativ-NP) erklärbar: (1-175) *ffas bast du für Leuten deinen Aufsatz geschickt? (=(28a) in den Besten 1981) Dieselbe Beschränkung scheint aber auch zu gelten, wenn die unmarkierte Abfolge Akkusativ-HP vor Dativ-NP ist (vgl. zu solchen Verben Sternefeld (1985: 411) und Primus (1989: 6 0 f . } ) . (1-176) *Was bast du deinen Urgroßvater für Leuten vorgestellt? Unter der Voraussetzung, daß das selbständige ras zur syntaktischen Funktion der Interrogativ-Phrase passen muß und damit mehr als ein simpler Fragemarkierer ist, läßt sich jedoch erklären, warum Dativobjekte generell von dieser Konstruktion ausgeschlossen sind: Alleinstehendes was kann nicht als dativisches Fragepronomen interpretiert werden. 01 Fazit: Auch die Einschränkungen der Aufspaltung von was für-Phrasen lassen sich nicht zu einem eindeutigen Pro-VP-Argument ausbauen. 1.5.3.4.3 Topikalisierung von PP-Attributen Ein weiterer Prozeß, der in Fanselow (1987: 6 8 f f . ) und Grewendorf (1986b: 3 6 f f . ) als VP-interne Restrukturierung gedeutet wird, betrifft die Abspaltung eines PPAttributes von einer NP. Das PP-Attribut wird daraufhin frei verschiebbar und kann sowohl im Vorfeld wie auch im Mittelfeld vor seiner 'NP-Basis' erscheinen. 51 Has kann zwar nicht alleinstehend als dativisches Fragepronomen auftreten; vgl.: (i) *was bat er sieb unterzogen? Möglicherweise deshalb, weil der Dativ typischerweise ein 'personenbezogener' Kasus ist, so daß es ein entsprechendes 'sachbezogenes' Fragepronomen im Deutschen gar nicht gibt. Die Beschränkung ist allerdings aufgehoben, wenn das Fragepronomen als Objekt einer Präposition verwendet wird, die den Dativ fordert: (ii) Mit was krieg' ich bloß diese blöde Schraube locker? Auch bei nicht aufgespaltenen was für-Phrasen, d.h. wenn was nicht für sich allein steht, ist der Dativ zulässig, (iii) Was für Leuten wurdest du denn trauen?

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(1-177) (1-178) (1-179)

Ober Subjektsätze wird er noch zahlreiche Aufsätze lesen müssen. Ober Subjektsätze wurden ihn zahlreiche Aufsätze empfohlen. über Subjektsätze sind in den letzten Jahren zahlreiche Aufsätze erschienen. (1-180) Leider sind über Subjektsätze (in den letzten Jahren) zahlreiche Aufsätze erschienen. Auch die Topikalisierung der NP allein ist erlaubt: (1-181) Zehn Kopien wurden von diesem Artikel gemacht. (=(104a) in Fanselow 1987) Ferner kann der Pro-PP-Teil einer NP auch durch "preposition stranding 1 aufgespalten werden; 92 das setzt nach Grewendorf (1986b) wiederum u.a. voraus, daß die Pro-PP nicht mehr innerhalb einer NP eingebettet ist: (1-182) Vo hat der Student ein Argument gegen vorgebracht? (=(2-99a) in Grewendorf 1986b) Diese Aufspaltung sollte als VP-interner Reanalyseprozeß wiederum keine tiefenstrukturellen Subjekte betreffen. (1-183) *0ber Subjektsätze haben ihn zahlreiche Aufsätze in seiner Seelenruhe gestört. In einigen Fällen ist zwar die Aufspaltung akzeptabel; sie führt aber zu einer adverbiellen Interpretation der PP und damit zu einer massiven Bedeutungsveränderung. (1-184) Rei in der Tube wäscht alles sauber. (1-185) In der Tube wäscht Rei alles sauber. (1-186) Der Teufel mit den drei goldenen Haaren verprügelte seine Großmutter. (1-187) Mit den drei goldenen Haaren verprügelte der Teufel seine Großmutter. Die Reanalyse der NPn führt nach Grewendorf (1986b: 4 9 f f . ) zu einer 'thematischen Restrukturierung': die abgespaltene NP und das Verb müssen dazu ein komplexes Prädikat bilden können, das die PP -markiert, also wie ein Präpositionalobjekt behandelt. Da diese Umstrukturierungen eine passende Neuverteilung thematischer Rollen verlangen, können nicht beliebige Objekthafte' NP-PP-Kombinationen aufgespalten werden. Daher sind bei weitem nicht alle Tiefenobjekte in NP und PP aufzuspalten: (1-188) *0ber Subjektsätze wird er noch zahlreiche Aufsätze wegwerfen müssen. Die Verbnähe ist für die Aufspaltung also nicht hinreichend. Vielmehr muß aus der NP und dem Verb eine semantische Einheit gebildet werden, die von dem PPDenotat sinnvoll prädiziert werden kann oder die dieses in eine sinnvolle Relation zu anderen Denotaten stellt; in anderen Fällen kann auch die Ausweichinter52 Zu einer Kritik an dieser Aufspaltungs-Analyse des preposition stranding vgl. Oppenrieder (i.Ersch.a).

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pretation als Adverbiale möglich sein. Es findet also eine Art 'KP-Inkorporation 1 statt, die auch die Tendenz zur Indefinitheit dieser NP erklären d ü r f t e . Die oben angesprochene Erscheinung der abgespaltenen 'partitiven von-Phrase' sollte daher aufgrund der Definitheit der zurückbleibenden NP nicht mit den hier interessierenden PP-Voranstellungen gleichgesetzt werden. Ansonsten spräche sie natürlich gegen die Subjektrestriktion: (1-189)

Von den gestarteten Läufern hat ein Großteil das Ziel gar nicht erreicht.

(1-190)

Von Chomsky haben mich die Spätwerke nie sonderlich interessiert.

Da die Komplexbildung im wesentlichen auf semantische/inhaltliche Kriterien Bezug nimmt, ist zu erwarten, daß zahlreiche Akkusativobjekte und 'objekthafte' Oberflächensubjekte nicht in dieser Konstruktion verwendet werden können. Die Besonderheiten der Komplexbildung legen es andererseits nahe, daß die Verbnähe notwendige Bedingung f ü r die Umstrukturierung ist.

Damit kann als Testfall für

die VP-Frage wiederum nur das unterschiedliche Verhalten der einstelligen Verben herangezogen werden. Da auch hier nicht allzuviele unakkusativische Subjekte betroffen sind, könnte es auch reiner Zufall sein, wenn bei den restlichen Subjekten keine Umstrukturierung zulässig ist.

Tatsächlich finden sich aber derartige

Konstruktionen auch dort. In Grewendorf (1986b: 230) wird darauf hingewiesen, dafi fehlen die Aufspaltung zuläßt, obwohl es aufgrund der Wahl des Perfektauxiliars haben nicht zu den eigentlichen ergativen Verben gehört. (1-191)

Zu diesen Maßnahmen hat ihm der Mut gefehlt.

Das Verb fehlen ist sogar noch in einer weiteren Hinsicht untypisch, insofern es nämlich die Inkorporation einer definiten Subjekts-NP (der Mut) zuläßt. Es gibt jedoch noch weitere Verben, die trotz fehlender Ergativität die Umstrukturierung anscheinend zulassen (eine Adverbialinterpretation der PPn ist nicht erforderlich). (1-192) (1-193)

Zu diesem Problem/Von den Hörern/Ober dieses Problem haben uns noch einige Briefe erreicht. Da haben uns noch einige Briefe zu erreicht.

(1-194)

Gegen diese Krankheit haben bisher alle Mittel versagt/haben sich her alle Mittel als wirkungslos erwiesen.

(1-195)

Da haben bisher alle Mittel gegen versagt.

(1-196)

Ober dieses Problem haben einige Untersuchungen vorgelegen.

bis-

(1-197) Gegen Boris Becker wurde ihm eine Niederlage nicht sonderlich wehtun. Auch diese 'Restrukturierungsprozesse' sind also nicht eindeutig genug, um als glasklares Pro-VP-Argument herangezogen werden zu können.

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1.5.3.4.4 Zusammenfassung Die besprochenen Topikalisierungs- und Restrukturierungserscheinungen lassen erkennen, daß sich (Akkusativ-)Objekte und bestimmte Subjektsausdrücke völlig unterschiedlich verhalten. Sie machen außerdem deutlich, daß sich bestimmte Subjektsausdrücke bzw. bestimmte nominativisch markierte NPn eher wie (Akkusativ-) Objekte verhalten; dem muß bei einer Beschreibung der sprachlichen Fakten Rechnung getragen werden. Die Daten weisen außerdem darauf hin, daß die relative Verbnähe der NP-Argumente berücksichtigt werden muß, die sich unter anderem aufgrund der thematischen Rolle ergibt, die der jeweiligen Argumentstelle zugeordnet ist. Für die Annahme, daß es zwei Typen von verbnahen Subjektsausdrücken gibt, die sich in den besprochenen Konstruktionen deutlich unterschiedlich verhalten und deren Verhalten auf die VP-Internalität bzw. -Externalität zurückgeführt werden kann, sprechen die Akzeptabilitätsverteilungen jedoch nicht eindeutig genug: Statt eines scharfen Schnittes findet sich eine Obergangszone. Vielleicht sind der Tendenz nach die ergativen Subjekte objektähnlicher als die restlichen verbnahen Subjekte, aber allein auf den in diesem Bereich auftretenden ziemlich unklaren Akzeptabilitätsverteilungen (mit dem zweifellos vorhandenen Obergangsbereich) kann eine so weitgehende Strukturhypothese, wie sie die VP-Hypothese darstellt, nicht aufgebaut werden. Außerdem wurde gezeigt, daß sich die verschiedenen Topikalisierungskonstruktionen auch ohne den Bezug auf eine VP und VP-interne Reanalyseprozesse beschreiben lassen. 1.5.3.5 Bindungsphänomene Als ein Diagnostikum für die strukturellen Beziehungen zwischen den Konstituenten eines Satzes werden auch die satzintern geltenden Koreferenzbeschränkungen bei der Verwendung von pronominalen Ausdrücken und Voll-NPn - insbesondere definiten NPn und Quantorenphrasen - genützt (vgl. Grewendorf 1988: 313ff.; Webelhuth 1985). Bei dieser Argumentation wird davon ausgegangen, daß eine angemessene Beschreibung der Beschränkungen die strukturellen Beziehungen zwischen den Koreferenzkandidaten berücksichtigen muß. Die vorgefundenen Koreferenzbeschränkungen lassen dann aber auch Rückschlüsse auf die syntaktische Struktur zu. Für das Englische wurden insbesondere von Tanya Reinhart (z.B. in Reinhart 1981; 1983a; 1983b) derartige strukturbezogene Beschränkungen formuliert. Die Bindungstheorie in Chomsky (1981) nimmt ebenfalls wesentlich auf die strukturellen Bedingungen Bezug.

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Der entscheidende strukturelle Begriff ist der des c(onstituent)-command/kKommando. Die Formulierung in Reinhart (1983a: 50; vgl. auch Reinhart 1981: 612; Reinhart 1983b: 41) lautet: Ein Knoten k-kommandiert einen Knoten B gdw. der erste verzweigende Knoten a, der A dominiert, entweder B dominiert oder unmittelbar von einem Knoten a' dominiert wird, der B dominiert, wobei a und a' vom selben Kategorientyp sind (z.B. S und S ' } . 9 3 Der k-Kommando-Bereich eines Knotens A besteht genau aus den Knoten, die von A k-kommandiert werden (Reinhart 1981: 614; Reinhart 1983b: 41). Der k-KommandoBereich von A umfaßt also - Reflexivität der Relation des Dominierens vorausgesetzt - den A unmittelbar dominierenden Knoten (bzw. auch noch den diesen unmittelbar dominierenden, in seinem Kategorientyp passenden Knoten) und alle von diesem dominierte Knoten, auch A selbst. Zur Illustration eine Beispielsstruktur:

Der k-Komaando-Bereich von b und d umfaßt jeweils die gesamte C-Konstituente (b, d und C ) , der von e und f die gesamte D-Konstituente (e, f und D ) , der von a die gesamte Struktur; zum k-Kommando-Bereich von C und D gehört jeweils die gesamte B-Konstituente (b, d, e, f, C, D, B); falls B und A vom selben Kategorientyp sind (z.B. S und S ' ) , dann gehören zum k-Kommando-Bereich von C und D auch noch a und A. Die ursprüngliche Version der Koreferenzbeschränkungen für definite NPn und pronominale Ausdrücke in Reinhart (1981: 617) lautet: 53 Die entsprechende Formulierung in Chomsky (1981: 166) unterscheidet sich im wesentlichen dadurch, daß B nicht in A enthalten sein darf. Dementsprechend ist auch der k-Kommando-Bereich enger als bei Reinhart.

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Eine gegebene NP kann nicht als koreferent mit einem von ihr unterschiedenen nicht-pronominalen Ausdruck in ihrem k-Kommando-Bereich interpretiert werden. Das bedeutet, daß zwei solche Ausdrücke A und B, von denen B im k-KommandoBereich von A liegt, nur dann koreferent sein können, wenn (zumindest) B ein Pronomen ist. Für die Satzstruktur hat das die folgenden Auswirkungen: Ist A ein Pronomen und kann es nicht als koreferent mit einer definiten Voll-NP B interpretiert werden, dann muß nach diesen Festlegungen B im k-Kommando-Bereich von A liegen; A ist also in der strukturellen Repräsentation 'hoch genug' anzusiedeln. Umgekehrt gilt, daß bei zulässiger Koreferenz A 'tief genug' in der hierarchischen Struktur repräsentiert werden muß, so daß die Voll-NP B nicht k-kommandiert wird. In Reinhart (1983a; 1983b) werden nur noch die Koreferenzmöglichkeiten für die Interpretation von Pronomina als 'gebundenen Variablen > D 4 grammatisch festgelegt, während die restlichen Koreferenzmöglichkeiten aus der Befolgung einer pragmatischen Strategie abgeleitet werden; bei dieser Strategie wiederum handelt es sich um eine spezielle Anwendung der griceschen Maxime der Art und Weise: Sei so explizit wie möglich {Reinhart 1983a: 76). Die Interpretation als gebundene Variable betrifft insbesondere Pronomina nach Quantorenphrasen und Reflexiv- und Reziprokpronomina. Dabei gilt (vgl. Reinhart 1983a: 71): Pronomina können nur dann als gebundene Variablen interpretiert werden, wenn sie von ihrem Antezedensausdruck k-kommandiert werden. Die pragmatische Strategie lautet: Wenn eine syntaktische Konfiguration vorliegt, die für zwei Ausdrücke die 'gebundene Variablen'-Interpretation zuläßt," und wenn Koreferenz zwischen diesen beiden Ausdrücken intendiert ist, dann soll diejenige Form, die explizit Koreferenz anzeigt, auch benützt werden. Aus der Nichtausnutzung einer solchen Konfiguration (z.B. durch die Verwendung zweier Voll-NPn) kann andererseits der Hörer im allgemeinen schließen, daß vom Sprecher 54 Pronominale Ausdrücke verhalten sich in diesem Fall wie die gebundenen Variablen in logiksprachlichen Formeln, die von einem Binder (typischerweise dem All- oder dem Existenzquantor) gebunden werden, in dessen Bereich sie sich befinden. 55 Also bei einer k-Kommando-Konfiguration; bei Reflexiv- und Reziprokpronomina müssen zusätzlich bestimmte Bereichseinschränkungen erfüllt sein (im Standardfall erfolgt Reflexivierung innerhalb eines Teilsatzes).

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keine Koreferenz intendiert wurde (vgl. Reinhart 1983a: 76). Der klarste Fall betrifft die Verwendung von Reflexiv- und Reziprokpronomina: Wenn die Bedingungen für die Verwendung dieser eindeutig als koreferent zu interpretierenden Pronomina erfüllt sind und Koreferenz intendiert ist, dann müssen nach der pragmatischen Strategie diese Ausdrücke auch verwendet werden, d.h. die Koreferenz muß explizit gemacht werden. Allerdings handelt es sich nur um eine pragmatische Strategie (und nicht um eine syntaktische oder semantische Regel), deren Verletzung, wie bei pragmatischen Maximen generell, nicht zum Verlust der Akzeptabilität führt, sondern eine Uminterpretation nach sich zieht. Wird also keine Ausdrucksform gewählt, die Koreferenz anzeigt, obwohl vom Sprecher offensichtlich Koreferenz intendiert wurde, so entstehen bestimmte Implikaturen (etwa eine Implikatur, daß die Koreferenz in irgendeiner Hinsicht als ungewöhnlich zu bewerten ist). 8 6 Akzeptiert man die Voraussetzung, daß sich auch für das Deutsche die Koreferenzbeschränkungen in dieser Weise erfassen lassen, dann läßt sich damit herausfinden, ob im Deutschen der den Subjektsausdruck dominierende Knoten Schwesterknoten zu irgendwelchen Knoten sein kann, die Objektsausdrücke dominieren, oder ob er diesen strukturell übergeordnet ist in dem Sinn, daß die Objektsausdrücke zwar i· k-Kommando-Bereich des Subjektsausdrucks liegen, dieser aber nicht in ihrem. Allerdings zeigen solche Strukturasymmetrien noch nicht, daß der Subjektsknoten die maximale Verbprojektion, also die VP, als Schwesterknoten hat. Möglicherweise auftretende Asymmetrien sprechen zwar für eine hierarchische Strukturierung des Satzes, z.B. in verschiedene Verbprojektionen, aber noch nicht dafür, daß eine dieser Projektionen in ganz besonderer Weise auszuzeichnen ist. Die Koreferenzdaten können zum zweiten auch für eine Entscheidung über die Position extraponierter Sätze genutzt werden. Eine alternative Beschreibung wird dagegen z.B. in Haider (1985b) angedeutet. Er nimmt an, daß sich die Fakten im Deutschen durch den Begriff des "command, defined in terms of governing category" (Haider 1985b: 32) und der Relation des linearen Vorgängers erfassen lassen. 56 Eine Kritik an dieser pragmatischen Formulierung findet sich in Fanselow (1989). Dort wird angenommen, daß bei der Bindung von Pronomina (und auch in anderen Bereichen) ein Prinzip (Proper Inclusion Principle) wirksam ist, das grob gesprochen fordert, daß in einem bestimmten Bereich das spezifischste Merkmal Vorrang vor den anderen hat: Ein lexikalisch als notwendig gebunden festgelegtes Reflexivpronomen hat bei Koreferenz im Bereich des Teilsatzes Vorrang vor normalen Pronomina oder Voll-NPn, die lexikalisch nicht derart festgelegt sind (ebenso rangiert ein lexikalisch festgelegter Genitiv-, Dativ- oder Präpositionalkasus vor dem strukturellen Akkusativkasus). Das entsprechende Prinzip gehört nicht zur Pragmatik, läuft aber weiterhin auf eine sehr globale - 'pangrammatische' - Explizitheitsforderung hinaus.

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Bindung sollte also dann möglich sein, wenn beide Ausdrücke in derselben regierenden Kategorie, z.B. einem S, vorkommen und der bindende Ausdruck vorausgeht, umgekehrt sollte Bindung dann unmöglich sein, wenn ein Nicht-Pronomen folgt. Die Bindungsmöglichkeiten spiegeln nach dieser Theorie also nicht unbedingt eine hierarchische Strukturierung wider. 1.5.3.5.1 Variablenbindung Zum ersten Problemkomplex: Können Subjekts- und Objektsausdrücke strukturell als Schwestern repräsentiert werden, dann sollten nach den reinhartschen Bedingungen keine prinzipiellen Unterschiede in der 'gebundenen Variablen'-Interpretation auftreten, da sie sich beide gegenseitig k-kommandieren. 37 Ein Testfall ist die Bindung von Possessivpronomina in NPn durch Quantorenphrasen. Tatsächlich können sowohl Subjekts-Quantorenphrasen Possessivpronomina in Objekts-NPn 'binden', wie auch umgekehrt Objekts-Quantorenphrasen Possessivpronomina in Subjekts-NPn. Allerdings gilt die Einschränkung, daß die bindende Quantorenphrase dem gebundenen Pronomen vorausgehen mufi. (1-198) Wir leben in der besten der möglichen Welten, veil jeden seinei Mitmenschen achtet. (1-199) .., veil jedem seinei Mitmenschen achten. In Haider (1985b: 31) wird dieses Faktum als Stutze für die Analyse mit Hilfe der Begriffe 'Kommando' und 'Vorgänger* gewertet. s e In Webelhuth (1985: 175) wird allerdings darauf verwiesen, daß ein quantifizierter Subjektsausdruck auch dann ein Pronomen in einer Objekts-NP binden könne, wenn er dieser folge; zumindest sei eine solche Bindungslesart leichter zu erreichen, als wenn ein Objektsquantor einem Possessivpronomen in einer Subjekts-NP folge. 57 Daß Reflexiv- und Reziprokpronomina nicht als (Oberflächen-)Subjekte vorkommen, mufi natürlich sichergestellt werden. Offensichtlich gibt es von diesen Pronominatypen gar keine Nominativformen. Als 'Subjekte' können sie daher höchstens dann auftreten, wenn sie nicht nominativisch markiert werden müssen, z.B. als eingebettete 'Subjekte' in A.c.I.-Konstruktionen. (i) Max hört sich auf einmal losschimpfen. 58 Die Abfolgeverhältnisse sind wohl in Parallele zu der Abfolge von Bereichsträgern zu sehen, bei denen derjenige, der den semantischen Bereich des anderen einschließt, diesem auch vorausgeht (vgl. Hypothese (B) in Jacobs (1982: 231)). Ein gebundenes Pronomen ist natürlich kein Bereichsträger, aber auch hier wird die Reihenfolge für die Anzeige einer bestimmten semantischen Strukturierung genutzt.

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(1-200) veil seinem Eltern ja wohl jeden traut (={51) in Webelhuth 1985) (1-201) *veil seinei Eltern jedem trauen (=(52) in Webelhuth 1985) Die Akzeptabilitätsbeurteilungen stammen von Webelhuth selbst; die Unterschiede zwischen den Beispielen sind aber sicherlich nicht so deutlich, wie dort angegeben. Zudem werden die Daten offensichtlich auch nach den vorgegebenen Argumentationszielen ganz unterschiedlich bewertet. Haider scheint z.B. Sätze mit nachgestelltem Subjektsquantor für ebensowenig akzeptabel zu halten wie die entsprechenden Gegenstücke mit Objektsquantor (die Gradpartikel ist wohl nicht der ausschlaggebende Faktor): (1-202) ??daß sogar seinen Mutter jeden schreiben darf (=(6b) in Haider 1985b, Appendix A; Akzeptabilitätseinschätzung nach Haider) Bei den angegebenen Beispielen ist ein Linearitätsverstoß durch einen Subjektsquantor sicherlich tolerierbarer als einer durch einen Objektsquantor. Was folgt aber daraus für die strukturelle Sonderstellung des Subjekts? Bemerkenswerterweise erwähnt Webelhuth nicht, daß Objektsquantoren durch eine Veränderung der linearen Abfolge zu Bindern für Possessivpronomina in Subjektsausdrücken gemacht werden können. Berücksichtigt man diese Umstellungsmöglichkeit, dann liegt die Besonderheit der Subjektsquantoren vor allem darin, daß sie bei einer Verletzung der Vorgängerbedingung leichter binden können als Objektsquantoren. Für die Beschreibung einer solchen bindungsirrelevanten Umstellung verwendet Webelhuth eine 'stilistische Regel': Bewege die Nominativ-NP (vgl. Webelhuth 1985: 188f.). Will man die Tatsache erfassen, daS auch Bindung durch Objektsquantoren möglich ist, wenn diese nur der Subjekts-NP vorausgehen, so müßte man - im webelhuthschen Ansatz - wohl davon ausgehen, daß in diesem Fall eine bindungsrelevante Umstrukturierung stattfindet. Zu denken wäre an eine Adjunktion der ObjektsNP an den S-Knoten, so daß die Subjekts-NP in ihren k-Kommando-Bereich gerät. Dann ist aber zu fragen, ob die stilistische Regel nicht auch eher die Objekts-NPn 'nach vorne stellen' sollte, statt die Subjekts-NP zu verschieben. Es handelte sich dann um eine einzige Regel - auf verschiedenen Ebenen angewandt und daher mit verschiedenen Konsequenzen für die Bindung pronominaler Ausdrücke. Eine solche Regel zeigt jedenfalls nicht unbedingt, daß Subjekte strukturell besonders ausgezeichnet sind. Eine alternative Erklärung für die (nicht sehr ausgeprägte) Asymmetrie im Bindungsverhalten von Objekts- und Subjektsquantorenpnrasen kann nämlich davon ausgehen, daß hier lediglich auf eine unmarkierte lineare Abfolge Bezug genommen wird, die mit der Vorgängerbedingung für Pronominabindung zusammenspielt: Die Abfolge Objekt-Subjekt ist bei den in den Beispielen verwendeten Verben (achten, trauen) markiert (zumindest bei der vorliegenden nicht-pronominalen Realisierung

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des Objekts). Bei einem bindenden Objektsquantor (jeden/ seiner Mitmenschen in (1-199)) ist eine derartige Abfolge jedoch durch die Vorgängerbedingung motiviert; sie ermöglicht die Bindung des Pronomens. Bei einem bindenden Subjektsquantor (seinem Eltern ... jeden in (1-200)) kann die markierte Abfolge dagegen nur durch Überlegungen zur Fokus-Hintergrund-Strukturierung motiviert sein; sie widerspricht dann zwar der Vorgängerbedingung, aber immerhin ist bei einem 'Zurückrechnen' von dieser eindeutig markierten Struktur auf die unmarkierte Abfolge (Subjekt vor Objekt) die angezielte Bindungskonstellation rekonstruierbar. Dagegen liegt bei einen auf den Subjektsausdruck folgenden Objektsquantor (seinei Eltern jedem in (1-201)) keine markierte Stellung vor. Ein 'Zurückrechnen' von dieser unmarkierten auf eine markierte Abfolge, nur um zu einer Reihenfolge zu gelangen, die die Vorgängerbedingung erfüllt, stößt daher auf viel größere Schwierigkeiten. 3 ' Für diese Erklärung spricht auch, daß die Verletzung der Vorgängerbedingung am akzeptabelsten ist, wenn die Objekts-NP mit dem gebundenen Pronomen ins Vorfeld rückt: In diesem Fall ist die Objekts-NP leichter als thematisch zu interpretieren als bei einer Umstellung in Hittelfeld, so daß die Nachstellung des bindenden Subjektsquantors motiviert werden kann. Die Bindung eines Pronomens, das in einer Subjekts-NP im Vorfeld enthalten ist, durch einen folgenden Objektsquantor ist allerdings immer noch wesentlich weniger akzeptabel: 60 (1-203) Seinem Eltern traut jeden. (l-203a) ??Seinei Eltern trauen jedear. Die Akzeptabilität einer Verletzung der Vorgängerbedingung hängt jedoch auch vom 59 Bei (nicht deiktisch verwendeten) Possessivpronomina ist immer auch Koreferenz mit einem satzexternen Ausdruck möglich. Allein schon wegen dieser Gefahr der Fehlinterpretation wird die Nachstellung eines als Binder intendierten Quantors vermieden werden. Bei den notwendigerweise innerhalb ihres Teilsatzes gebundenen Reflexivpronomina ist dagegen die zwar ebenfalls 'bindungswidrige', aber der Fokus-Hintergrund-Gliederung entsprechende Abfolge Reflexivpronomen vor Antezedensausdruck durchaus üblich. (i) Heute hat sichi Maxi die Füße gewaschen. 60 In einer GB-näheren Ausdrucksweise wäre hier für die Bindungsverhältnisse die durch eine Spur markierte 'zugrundeliegende' Position ausschlaggebend in (1-202) befindet sich diese Position hinter dem Subjektsquantor, in (1-203) dagegen vor dem Objektsquantor: wie in (1-201) erscheint eine bindungsgerechte zugrundeliegende Abfolge von Quantor und Pronomen als nicht motiviert. Die Bindung durch einen nachgestellten Quantor weist gewisse Ähnlichkeiten mit dem Phänomen der Bereichsumkehrung auf (vgl. dazu Jacobs 1982: 361ff.), die z.B. durch die oben erwähnte I-Topikalisierung angezeigt werden kann. Allerdings genügen die intonatorischen Mittel offensichtlich nicht, um bei unmarkierter Reihenfolge eine für die Bindung erforderliche Lesart zu erzwingen, die der markierten Reihenfolge entspricht. Pronomina unterscheiden sich also in dieser Hinsicht von Bereichsträgern.

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jeweiligen Verb ab. Bei manchen ist die Verletzung der Vorgängerbedingung durch einen Objektsquantor nicht so schwerwiegend, daft sie die Bindungslesart beinahe ausschließt. (1-204) veil ja wohl jeden/ seiner Eltern interessieren (1-205) ?weil seinei Eltern ja wohl jedem interessieren (1-206) PSeinei Eltern interessieren ja wohl jedem. Die letzten beiden Beispiele werden noch etwas akzeptabler, wenn ein Modalverb wie sollten verwendet wird: (l-205a) weil seinei Eltern ja wohl jedem interessieren sollten (l-206a) Seiner Eltern sollten ja wohl jeden/ interessieren. Die Bindung ist hier wahrscheinlich aus dem Grund eher möglich, weil die bindungsgemäße Lesart keine besonders markierte Reihenfolge voraussetzt - bei interessieren ist die Abfolge Akkusativobjekt vor Subjekt nicht markierter als die uagekehrte Reihenfolge. Das würde (im Sinn der oben versuchten Erklärung) bedeuten, daft die Bindungslesart bei einer Verletzung der Vorgängerbedingung dann nicht ausgeschlossen ist, wenn sie nicht auf eine markiertere Abfolge als die tatsächlich verwendete (durch die Fokus-Hintergrund-Gliederung bestimmte) zurückgeführt werden muß. 6 1 AB akzeptabelsten sind Bindungen, wenn sie sowohl der Vorgängerbedingung gehorchen als auch eine unmarkierte Reihenfolge der beteiligten Ausdrücke einhalten (vgl. (1-198)); die Akzeptabilität vermindert sich etwas, wenn die der Vorgängerbedingung genügende Abfolge markiert ist

(vgl. (1-199) und (1-204)); sie

wird noch geringer, wenn (aufgrund der Fokus-Hintergrund-Gliederung) die Abfolge weder der Vorgängerbedingung entspricht, noch unmarkiert ist, die doppelte Markier theit aber durch ein 'Umserialisieren' aufgehoben werden kann, so daft wieder der Idealfall hergestellt ist (vgl. (1-200) und (1-202)); 6 2 am wenigsten akzeptabel sind derartige Bindungen, wenn die für die Erfüllung der Vorgängerbedingung erforderliche Umserialisierung nicht durch irgendwelche Auffälligkeiten in der Abfolge motiviert werden kann (vgl. (1-201) und (l-203a)). Wenn die unmarkierte Abfolge eine wesentliche Rolle spielt, dann sollte auch bei zweistelligen unakkusativischen Verben die Spätstellung eines bindenden (Da61 Die Zurückführung auf eine weniger markierte Struktur ist demgegenüber offensichtlich erlaubt und f ü h r t sogar zu den verhältnismäßig akzeptabelsten Beispielen; vgl. die Abfolge Dativobjekt vor Subjektsquantor bei trauen in (1-200). 62 Das könnte i· Sinn einer anderen Form von 'pragmatischer Strategie' geschehen, die die Effekte fokussierungsbedingter Umstellungen kontrolliert: Wenn der Sprecher die unmarkierte Grundreihenfolge der Fokussierung opfert, dann vernachlässigt er zu Gunsten der letzteren möglicherweise auch andere Reihenfolgebedingungen, z.B. die für die Bindung relevanten.

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tiv-)0bjektquantors einigermaßen zulässig sein, 63 zumindest aber durfte die Spätstellung eines Subjektquantors auch nicht wesentlich akzeptabler sein. Eben dieses müßte auch für dreistellige passivierte Verben gelten. Entsprechende Beispielsätze sind wohl wie die mit interessieren gebildeten einzuschätzen - nicht sonderlich akzeptabel; aber das gilt auch für die Subjektsnachstellung; vgl. dazu die folgenden Beispiele mit nachgestellten Objekts- und Subjektsquantoren:

(1-207) Ich glaube, daß jedem Teilnehmeri seinei Pirouetten mißlungen sind. (1-208) ?Ich glaube, daß seinei Pirouetten jedem Teilnehmeri mißlungen sind. (1-209) Ich glaube, daß jederi seinem Vorlieben aufgesessen ist. (1-210) Pich glaube, daß seinem Vorlieben jederi aufgesessen ist. (1-211) Ich glaube, daß jedemi seinei Fehler verziehen werden. (1-212) Pich glaube, daß seinei Fehler jedemi verziehen werden. (1-213) Ich glaube, daß jeder Fehlen seinemi Urheber verziehen wird. (1-214) Pich glaube, daß seinemi Urheber jeder Fehlen verziehen wird. Zusammenfassend kann man feststellen, daß die hier berücksichtigten klar akzeptablen Beispiele für Bindungsphänomene bereits durch die Bestimmung erfaßt werden können, daß der Binder dem gebundenen Pronomen - in einem festgelegten syntaktischen Bereich - vorausgehen muß. Die zweifelhaften Fälle mit einem Binder in Spätstellung können durch einen Rückgriff auf die unmarkierte Reihenfolge der Verbergänzungen und ihr Zusammenspiel mit der realisierten und der bindungsgerechten Abfolge beschrieben werden. Jedenfalls sprechen die Bindungsfakten nicht unbedingt für eine generelle Sonderstellung des Subjekts, sondern nur dafür, daß ihm bei der unmarkierten Reihenfolge, abhängig vom Prädikat, oft der Platz vor den Objekten zukommt. 64 63 Man könnte schon interessieren in den Beispielen (1-204) bis (1-206) in die Nähe dieser Verben rücken (vgl. Sternefeld 1985: 427). 64 Primus (1989: 74) weist darauf hin, daß in einer SOV-Sprache die k-KommandoBedingung und die Vorgängerbedingung dann kaum auseinanderzuhalten sind, wenn keine flachen, sondern gestufte Satzstrukturen vorliegen, wenn also die Argumente des Verbs in binär verzweigenden Strukturen 'nacheinander* angefügt werden. Dabei ist allerdings ein einfacherer Begriff des k-Kommandos vorausgesetzt, der tatsächlich nur den nächsthöheren verzweigenden Knoten als relevanten Bereich für k-Kommando bestimmt und nicht den nächsten verzweigenden phrasalen Knoten. In einer solchen gestuften SOV-Sprache gilt zumindest in der Grundreihenfolge, daß ein Verbargument, das einem anderen vorausgeht, dieses auch k-kommandiert. Selbst wenn sich die Bindungsfakten durch die so bestimmten k-Kommando-Verhältnisse erklären lassen, erhält man aber aus dem festgestellten unterschiedlichen Verhalten von Subjekten und Objekten kein Argument für die Existenz einer VP. Ein (Tiefen-)Subjektsausdruck hat dann einen umfangreicheren k-Kommando-Bereich als ein Objektsausdruck, da er in der gestuften Satzstruktur eine hierarchisch höhere Position einnimmt; bei dem zugrundegelegten einfacheren k-Kommando-Begriff bedeutet das aber nicht, daß eine phrasale Grenze zwischen Subjekts- und Objektsausdrücken angenommen werden muß.

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1.5.3.5.2 Koreferenzbeschränkungen in komplexen Sätzen Weitere mögliche Argumente für einen strukturellen Sonderstatus des Subjekts betreffen Koreferenzbeschränkungen zwischen einem Subjekts- oder Objektspronomen in einem einbettenden Satz und einer definiten Voll-NP (keiner Quantorenphrase) in einem extraponierten Adverbialsatz (vgl. Grewendorf 1988: 316). Wie weiter oben erwähnt wurde, darf nach der ursprünglichen Fassung dieser Beschränkungen in Reinhart (1981) die Voll-NP nur dann mit dem Fronomen koreferent sein, wenn sie nicht in dessen k-Kommando-Bereich liegt. Wenn nun die Koreferenz mit einem Objektspronomen erlaubt, die mit einem Subjektspronomen verboten ist, dann läßt sich das folgendermaßen erklären: Der extraponierte Adverbialsatz wird an den S-Knoten adjungiert, ist also Schwester der Subjekts-NP, in deren k-Kommando-Bereich er somit liegt. Demgegenüber kann er von einer ObjektsNP, die sich in der maximalen Projektion VP befindet, nicht k-kommandiert werden. Man vergleiche dazu die folgenden Beispielsätze; die anschließenden Strukturbäume zeigen die für die k-Kommando-Beziehung relevanten strukturellen Eigenschaften: (1-215) Ifaria hat iboj geküßt, bevor Peteri zugestimmt bat. (=(13-83a) in Grewendorf 1988) (1-216) *Eri bekam einen Kuß, bevor Peteri zugestimmt bat. (=(13-83b) in Grewendorf 1988)

SADV

Maria

en

ibni

bevor Pet er i

bevor Pet er*

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Koreferenz einer definiten NP in einem extraponierten Adverbialsatz mit einem Objektspronomen im einbettenden Satz ist tatsächlich akzeptabler als Koreferenz mit einem Subjektspronomen. Der Unterschied ist allerdings nur ein gradueller und nicht einer zwischen voll akzeptabel und inakzeptabel. Man vergleiche dazu die folgenden Beispiele, bei denen auch die Koreferenz von Objektspronomen und Voll-NP im extraponierten Adverbialsatz kaum akzeptabel ist. (1-217) ??Kan hat ihm über den Strudel gefahren, als Karlj jüngst in Regensburg war. (1-218) *En ist über den Strudel gefahren, als Karli jüngst in Regensburg war. (1-219) ??Der Jägermeister widert ihm allmählich an, weil Karli ihn jeden Tag trinken muß. (1-220) *En trinkt Jägermeister, weil Karli die Milch ausgegangen ist. (1-221) ?Man überschüttet ihni mit Vorwürfen, wenn Karli sich einen Jägermeister genehmigt. (1-222) *Eri ruiniert seine Gesundheit, wenn Karli weiterhin nur Jägermeister trinkt. Die Akzeptabilitätsurteile sind jedenfalls nicht so eindeutig, wie bei einer alleinigen Berücksichtigung der strukturellen Fakten zu erwarten wäre. Offensichtlich wirkt sich auch hier eine pragmatische Strategie aus, ähnlich derjenigen, die Reinhart für die Interpretation von Pronomina als gebundene Variablen annimmt: Wenn Koreferenz intendiert ist, dann verwende nach Möglichkeit keinen Ausdruck, der notwendig selbständig referiert. 6 9 Die Koreferenzmöglichkeiten sind bei einem solchen Ausdruck im Prinzip durch bestimmte strukturelle Gegebenheiten beschränkt, bei einem passenden pronominalen Ausdruck dagegen nicht. Die Beispiele mit Subjektspronomina zeigen, daß die k-Kommando-Beziehung für die Beschränkung eine Rolle spielt. Sie zeigen dagegen nicht, daß Subjekte dadurch generell in besonderer Weise ausgezeichnet sind. Genausogut könnten die Koreferenzbeschränkungen für das verbspezifisch äußerste Argument gelten; dieses ist eine Schwesterkonstituente des extraponierten und am obersten vorhandenen Knoten hängenden Adverbialsatzes, den es k-kommandiert. 66 Enthält der Matrixsatz ein zweistelliges unakkusativisches (oder dreistelliges passiviertes) Prädikat, dann ist die Koreferenz eines Dativpronomens mit einer definiten Voll-NP im extraponierten Adverbialsatz tatsächlich markierter als die einigermaßen akzepta€5 Andererseits gilt natürlich auch, daß Pronomina, die als 'referentiell abhängig' zu interpretieren sind, nicht verwendet werden sollten, wenn keine eindeutige Beziehung zu einem selbständig referierenden Ausdruck hergestellt werden kann. 66 Der Begriff k-Kommando werde in diesem Fall nicht wie bei Reinhart verstanden, sondern in dem vereinfachten Sinn, daß der k-Kommando-Bereich eines Knotens dessen Schwesterknoten und die von diesen dominierten Knoten umfaßt; vgl. Fußnote 64.

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ble Koreferenz mit einem Akkusativpronomen bei einen typischen transitiven Verb. D.h. die Oativ-NP, als verbfernste NP, verhält sich in dieser Beziehung ähnlich wie eine Subjekts-NP: 67 (1-223) ??Tatsäcblicb gelang ihmi der Durchbrach erst, als Fridolim seinen neuen Gedicbtband veröffentlichte. (1-224) ??0brigens schmeckt ihm der Jägermeister besonders, wenn Karli guter Laune ist. (1-225) ??Ond dann ist ihmi ein Kuß gegeben worden, bevor Peten zugestimmt hat. Die Koreferenzmöglichkeiten bei einen parenthetischen Einschub des Adverbialsatzes variieren in Abhängigkeit von dessen Position; auch hier könnte der (vereinfachte) k-Komnando-Begriff von Belang sein. (1-226) Ich glaube, daß - bevor Peteri zugestimmt hat - eri einen Kuß bekommen hat. Da& eine definite Voll-NP im Adverbialsatz mit dem pronominalen Subjekt des einbettenden Satzes koreferent sein kann - wenn auch die Konstruktion an sich nicht sehr akzeptabel ist -, ließe sich durch eine entsprechende Strukturierung beschreiben: Der Adverbialsatz wird links an die entsprechende V-Projektion (chomsky-)adjungiert. 68 Ein Einschub nach den Subjektspronomen schließt dementsprechend Koreferenz wieder aus, weil die Adjunktion in diesem Fall zu 'tief erfolgt ist. (1-227) *Ich glaube, daß er - bevor Peteri zugestimmt hat - einen Kuß bekommen hat. (l-226a)

daß

bevor Peteri zugestimmt bat

en —

67 Die einzige Beschreibungsalternative fur den Pro-VP-Ansatz wäre, daß in diesem Fall das Dativ-Prononen aus unerfindlichen Gründen obligatorisch an S adjungiert wird und somit der Adverbialsatz in seinen k-Kommando-Bereich gerät. €8 Es darf also nicht wie z.B. in Emonds (1976: 45) der parenthetisch eingeschobene Ausdruck als Tochter von S, d.h. als Schwester der Subjekts-NP, analysiert werden.

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(l-227a)

daß

en

bevor Peter*/ zugestimmt hat

einen Kuß

Die Koreferenz eines Objektpronomens im einbettenden Satz mit einer Voll-NP in einem 'tief genug* eingebetteten (jedenfalls dem Pronomen folgenden) Adverbialsatz ist dementsprechend ebenfalls kaum mehr zulässig. (1-228) ??Ich glaube, daß Maria ibni - bevor Feten zugestimmt hat - geküßt bat. In den Parenthesefällen ist eine strukturelle Erklärung jedoch gar nicht nötig. In den (einigermaßen) akzeptablen Fällen geht der Adverbialsatz, und damit die Voll-NP, dem Pronomen voraus. Damit liegt eine im Prinzip 'bindungsfreundliche' Konstellation vor. Spezifische Koreferenzbeschränkungen finden sich auch bei extraponierten Subjektsätzen; die Beschränkungen können auch hier als Diagnostikum fur die strukturelle Einordnung derartiger extraponierter Sätze dienen. Entsprechende Beispiele deuten darauf hin, daß ein extraponierter Subjektsatz nicht als Tochter von S repräsentiert werden sollte (vgl. Reinhart 1983b: 48f.; Grewendorf 1988: 314ff.): (1-229) Es ärgert den Linguisten!, daß en keine passenden Beispiele findet. (1-230) *Es ärgert ibni, daß der Linguisti keine passenden Beispiele findet. In Beispiel (1-230) legt die Unzulässigkeit der Koreferenz nahe, daß der extraponierte Subjektsatz vom Akkusativobjekt des Matrixsatzes k-kommandiert wird, also strukturell tief genug angeordnet sein muß, um eine derartige Beziehung zuzulassen. Subjektsätze im Vorfeld können demgegenüber im Prinzip eine Voll-NP enthalten, die mit einem pronominalen Objekt des Matrixsatzes koreferent ist. Allerdings ist auch bei dieser Strukturierung ein Pronomen im Subjektsatz etwas akzeptabler: (1-231) Daß der Linguisti keine passenden Beispiele findet, ärgert ihm. (1-232) Daß err keine passenden Beispiele findet, ärgert den Linguisten!.

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Eine derartige leichte Inakzeptabilität tritt dagegen nicht auf, wenn ein Adverbialsatz im Vorfeld steht. (1-233) Bevor Feten zugestimmt hat, bat eri einen Kuß bekommen. Subjektsätze zu ergativen Prädikaten sollten schon aufgrund ihrer 'Tiefenobjekt '-Eigenschaf t bei Extraposition keine Koreferenz zulassen. Immerhin ist bei ihnen interessant, daS die Akzeptabilität der Koreferenz eines Matrixsatzpronomens mit einer Voll-NP des Subjektsatzes im Vorfeld noch geringer ist als bei den 'echten' Subjektsätzen. (1-234) Erst beute ist dem Linguisten! wieder aufgefallen, daß en oft reichlich langweilige Beispielsätze konstruiert. (1-235) *Erst beute ist ihmi wieder aufgefallen, daß der Linguisti oft reichlich langweilige Beispielsätze konstruiert. (1-236) Daß en oft reichlich langweilige Beispielsätze konstruiert, ist dem Linguistem erst beute wieder aufgefallen. (1-237) ?Daß der Linguist oft reichlich langweilige Beispielsätze konstruiert, ist ihmi erst heute wieder aufgefallen. Konstruktionen mit nicht-ergativen unakkusativischen Verben verhalten sich eben-

so. (1-238)

?Daß der Linguisti mit konstruierten Sätzen arbeiten mußte, hat ibmi mißfallen. Die Struktur von Verb-Zweit-Sätzen sollte in diesem Fall eine Koreferenz ohne weiteres erlauben, da die Vorfeldposition nicht 'aus dem Mittelfeld heraus' kkommandiert werden kann. Hit Akkusativobjektsätzen im Vorfeld erhält man ebenfalls keine völlig akzeptablen Resultate: (1-239) ?Vann Jobannai wiederkehrt, weiß siei nicht. Es ergeben sich also die folgenden Akzeptabilitätsstufen, wenn eine definite NP aus einem eingebetteten Satz als koreferent mit einer pronominalen NP im Matrixsatz interpretiert werden soll. 69 Im Vorfeld: Bei Adverbialsätzen ist die Koreferenz völlig akzeptabel; bei subkategorisierten Teilsätzen nimmt die Akzeptabilität von 'echten' Subjektsätzen bis zu Objektsätzen (leicht) ab. Extraponiert: Nur bei Adverbialsätzen ist die koreferente Interpretation einigermaSen akzeptabel, und auch da nur, wenn das Pronomen den Adverbialsatz nicht k-kommandiert. Die Interpretationsmöglichkeiten für definite NPn in eingebetteten Sätzen lassen sich erklären, wenn man die Anwendungsbedingungen für die oben erwähnte pragmatische Strategie genauer fafit: Die Strategie fordert, bei intendierter 69 Eine Voll-NP im Matrixsatz kann immer als koreferent mit einem Pronomen im eingebetteten Satz interpretiert werden.

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Koreferenz möglichst keinen selbständig referierenden Ausdruck (wie eine VollNP) zu verwenden, also keinen unerwünschten Interpretationsspielraum zu eröffnen. Diese Strategie betrifft insbesondere NPn in Positionen, die eine 'gebundene' Interpretation von Pronomina zulassen: In einem solchen Fall legt nämlich die Verwendung eines selbständig referierenden Ausdrucks dem Hörer nahe, daß die Bindungs-Option vom Sprecher bewußt nicht gewählt wurde, also Nicht-Koreferenz intendiert ist. Ein Beispiel dafür sind nun gerade Fälle, bei denen der Koreferenzkandidat zu einem eingebetteten Satz gehört, der in eine 'bindungsgerechte' Position gebracht werden kann. Entscheidend für eine solche Konstellation sind zwei Faktoren: Zum einen die Abfolge des Matrixsatzes mit dem potentiellen Binder und des eingebetteten Satzes: Ist dieser extraponiert oder steht er im Vorfeld, bzw. in einer Parenthesennische? Geht nämlich der eingebettete Satz voraus, dann ist die Bindungsinterpretation weniger wahrscheinlich, als wenn er folgt, weil die Abfolgebedingung (Binder vor Gebundenem) verletzt ist. Zum anderen die 'Distanz* des eingebetteten Satzes zu einem potentiellen Binder: Bei gegebener Abfolge ist die Bindungsinterpretation um so weniger wahrscheinlich, je eindeutiger der Binder selbst einem weiteren potentiellen Binder untergeordnet ist. Bei extraponierten Adverbialsätzen rangiert der Subjektsausdruck als möglicher Binder vor dem Objektsausdruck; bei extraponierten Subjektsätzen fehlt demgegenüber ein solcher bezüglich des Objektsausdrucks höherwertiger Binder. Die Koreferenz einer definiten Voll-NP in einem eingebetteten Satz mit einer NP im Matrixsatz ist dann um so akzeptabler, je weniger 'bindungsgerecht' das Verhältnis der beiden NP-Positionen ist. Eine solche Fassung der Beschränkungen für die Koreferenzinterpretation trägt der Tatsache Rechnung, daß es einige Zwischenstufen in den Akzeptabilitätsbeurteilungen gibt. Auf der anderen Seite läßt sich damit aus den Koreferenzbeschränkungen nicht mehr auf die Strukturposition eines extraponierten Teilsatzes schließen. Es braucht z.B. nicht angenommen zu werden, daß ein extraponierter Subjektsatz an einen VP-Knoten gehängt werden muß, 7 0 weil die demon70 Alternativ könnte auch hier wieder der vereinfachte k-Kommando-Begriff (vgl. Fußnote 64) bei einem gestuften Aufbau der Satzstruktur von Belang sein. Dazu müßte man annehmen, daß extraponierte Sätze an bereits vorhandene Knoten angehängt werden (also nicht die rechtsverzweigende gestufte Satzstruktur durch linksverzweigende Teilstrukturen unterbrechen). Extraponierte Subjektsätze sind in diesem Fall Schwestern von Objektsausdrücken und liegen in deren k-Kommando-Bereich; Extraponierte Adverbialsätze andererseits liegen im k-Komnando-Bereich von Subjektsausdrücken, nicht aber in dem von Objektsausdrücken. Nicht ganz klar ist allerdings die strukturelle Einordnung von Platzhalterausdrücken zu Subjektsätzen: Besetzen sie eine 'Subjektposi-

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strierten Koreferenzbeschränkungen bestehen. Bei einem Subjektsatz ist eine Objekts-NP des Matrixsatzes der höchstwertige potentielle Binder; die Verwendung einer selbständig referierenden Voll-NP im extraponierten Subjektsatz legt daher nahe, daß Nicht-Koreferenz mit der vorausgehenden Objekts-NP des Matrixsatzes intendiert ist. Bei einer derartigen alternativen Erklärung entfällt das Argument für die Annahme einer VP. Anders als bei Adverbialsätzen kann bei den subkategorisierten Subjektsätzen und auch bei den Objektsätzen die Vorgängerbedingung normalerweise nicht durch parenthetischen Einschub umgangen werden. Allerdings ist die Umwandlung in einen Gliedteilsatz möglich, so daß auch hier durch die Plazierung vor dem Akkusativpronomen das Koreferenzverbot aufgehoben oder zumindest abgemildert werden kann. (1-240) *Ich ireiß nicht, ob ihm die Tatsache, daß man Karli Sechsämtertropfen geschenkt hat, verärgert hat. (1-241) ?Ich weiß nicht, ob die Tatsache, daß nan Karli Sechsämtertropfen geschenkt hat, ihm verärgert hat. Nicht in jedem Fall garantiert allerdings die passende lineare Abfolge die Aufhebung der Koreferenzbeschränkungen; z.B. dann nicht, wenn der subkategorisierte Teilsatz in einer V-Topikalisierungskonstruktion zusammen mit dem regierenden Verb im Vorfeld steht (völlig problemlos geht das natürlich nur bei Objektsätzen, vgl. oben 1.5.3.3.3). Die intonatorisch markierte Topikalisierung, die bei Bereichsträgern zu einer Bereichsumkehrung f ü h r t , verhindert hier, daß eine definite NP in dem V*-topikalisierten Teilsatz als koreferent mit einem im Mittelfeld folgenden Pronomen interpretiert werden kann. Die für die semantische Repräsentation relevante Reihenfolge ist also eine Umkehrung der Abfolge der beiden Ausdrücke, die in eine mögliche Koreferenzbeziehung treten. (In der Terminologie der generativen Grammatik handelt es sich um ein Crossover-Phänomen.) (1-242) *Darüber geARgert, daß Karli Jägermeister trinken muß, hat eri sich NICHT. (1-243) *GeAHNT, daß Karli dort keinen Jägermeister bekommt, hat eri schon LAHge. tion', so daß der extraponierte Subjektsatz an den entsprechenden Knoten angehängt werden kann, der nicht mehr im k-Kommando-Bereich eines Objektsausdrucks liegt? Da es sich beim Platzhalter jedoch um einen semantisch leeren Ausdruck handelt, bleibt eine nicht k-kommandierende Objekts-NP dennoch der nächste mögliche Koreferenzkandidat. Selbst wenn jedoch k-Kommando bei der Bestimmung der Koreferenzbeschränkungen in komplexen Sätzen relevant sein sollte, genügt der einfache, nicht auf phrasale Knoten Bezug nehmende k-Kommando-Begriff. Ein Argument für die Existenz einer VP ließe sich also auch in diesem Fall nicht gewinnen.

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Die 'Bereichsumkehrung' tritt nicht auf, wenn der Objektsatz allein das Vorfeld besetzt. (1-244) ?Daß Karli dort keinen Jägermeister bekommt, bat en schon lange geahnt. Im Gegensatz zur Extraposition von Subjektsätzen ist die Extraposition eines Relativsatzes aus einer Subjekts-NP nach Grewendorf (1988: 314f£.) - im Anschluß an Überlegungen Reinharts zum Englischen - nicht von den gleichen engen Koreferenzbeschränkungen begleitet. Vielmehr kann im extraponierten Relativsatz eine definite Voll-NP als koreferent mit einen Objektspronomen des einbettenden Satzes interpretiert werden. Das zeigt nach Grewendorf, daß der Relativsatz an den S-Knoten adjungiert wird, so daß er wegen der maximalen Projektion VP nicht von einem Objektspronomen k-kommandiert werden kann: (1-245) Jeder würde ihr in dieser Situation beistehen, der nur ein bißchen Verständnis für Märi äsi Lage hat. (=(13-81) in Grewendorf 1988) Zu beachten ist jedoch, daß die korrekte intonatorische Realisierung dieses Satzes eine Art Doppelakzentuierung erfordert: einen 'progredienten' Akzent auf dem Bezugsausdruck und den 'Fokusakzent' innerhalb des extraponierten Relativsatzes, also eine Art intonatorischer Brücke. Oben wurde schon öfters darauf eingegangen, daß eine markierte intonatorische Struktur die semantische Interpretation eines Ausdrucks beeinflussen kann (Stichwort I-Topikalisierung). Die Möglichkeit liegt also nahe, daß diese Markierung dafür verantwortlich ist, daß der Relativsatz so interpretiert wird, als befände er sich noch an seinem Bezugsausdruck, wo er von einem Objektspronomen nicht mehr k-kommandiert wird, bzw. diesem vorausgeht. Für einen extraponierten Subjektsatz besteht diese Möglichkeit des 'Zurückrechnens' auf eine Position am Bezugselement - und damit vor dem Pronomen dagegen nicht, da kein entsprechend betonbarer Bezugsausdruck zur Verfügung steht. Eine Umstellung des Bezugsausdrucks hinter ein Objektspronomen müßte dann die Koreferenzmöglichkeiten einschränken. Dabei wirkt sich jedoch die oben schon untersuchte zum Teil 'bindungsirrelevante' Umstellbarkeit von Subjekts-NPn aus, die den zu erwartenden Effekt nicht voll zur Geltung kommen läßt: (1-246) ?0hne Zweifel würde ihn jeder beistehen, der nur ein bißchen Verständnis für Hariasi Lage hat. (1-247) ?0hne Zweifel würde ihn jeder, der nur ein bißchen Verständnis für Mariasi Lage hat, beistehen. Die gegenüber den extraponierten Subjektsätzen erweiterten Koreferenzmöglichkeiten scheinen mir aber trotzdem durch den Bezugsausdruck-Effekt hinreichend erklärbar zu sein: So wie es bei den V*-topikalisierten Objektsätzen konstruktions- und intonationsbedingt zu einer Verletzung der an sich erfüllten Vorgän-

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gerbedingung könnet, so wird hier umgekehrt konstruktions- und intonationsbedingt eine Verletzung der Vorgängerbedingung aufgehoben. 1.5.3.5.3 Zusammenfassung Weder die Fakten bei der Pronominabindung noch die Beschränkungen für die koreferentielle Interpretation von Voll-NPn liefern ein klares Indiz für die Existenz bzw. Beschreibungsnotwendigkeit einer VP im Deutschen. Die Bindungsdaten lassen sich durch das Zusammenwirken einer Vorgängerbedingung mit bestimmten markierten Umstellungen erfassen; für die Roreferenz von Voll-NPn mit anderen NPn desselben komplexen Satzes gilt, daß eine solche um so weniger akzeptabel wird, je 'bindungsfreundlicher' das Verhältnis der beiden NPn ist: die Verwendung eines selbständig referierenden Ausdrucks anstatt eines referentiell abhängigen Pronomens legt in einer bindungsfreundlichen Umgebung eine nicht-koreferente Interpretation nahe. Die entsprechenden Umgebungen können ebenfalls ohne Rückgriff auf eine VP erfaßt werden. 71 1.5.3.6

Reflexivierung

Gebundene Pronomina sind auch die Reflexivpronomina (und Reziprokpronomina}; sie sind sogar notwendigerweise in einem bestimmten syntaktischen Bereich gebunden. Auch Bindungsregularitäten im Zusammenhang mit Reflexivpronomina könnten also im Prinzip als Argument für eine Asymmetrie von Subjekt und Objekt und damit für die VP verwendet werden. Tatsächlich bindet im Standardfall nur die Subjekts-NP. Eine Regel, die diese prototypische Bindung erfaßt, kann mit dem Begriff der nominativisch markierten NP formuliert werden, wie es in Reis (1982) geschieht. Eine Komplizierung tritt auf, wenn A.c.I.-Strukturen miteinbezogen werden. In diesem Fall ist nämlich nicht immer Bindung an das nominativisch markierte 'äu&ere' A.c.I.-Subjekt möglich; andererseits kann auch das akkusativisch markierte 'eingebettete Subjekt' als Binder fungieren (die entsprechenden Daten finden sich insbesondere in Reis (1976a) und Grewendorf (1983) ausgebreitet; vgl. auch Primus (1987: 1 4 6 f f . ) ) . (1-248) Der Feldwebeli läßt den Rekrutenj $ich*i/j die Füße waschen. 71 Auch alternative strukturelle Erklärungen für die Bindungsfakten und die Koreferenzbeschränkungen kommen mit einem einfachen k-Kommando-Begriff aus, der nicht die Einführung eines VP-Knotens erfordert.

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Bei Koreferenz mit dem 'äußeren' Subjekt muß in diesem Fall pronominalisiert werden; andererseits ist bei Pronominalisierung keine Koreferenzbeziehung mit dem 'inneren 1 Subjekt möglich. (1-249) Der Feldwebeli läßt den Rekrutenj ihmi/*j die Füße waschen. Offensichtlich kann also nicht die oberflächliche Markierung allein ausschlaggebend sein. Als blockierend (zumindest in den einfachen Fällen, wo nur Kasusobjekte reflexiviert werden sollen) erweisen sich Tiefensubjekte, während unakkusativische und Passiv-Subjekte die Reflexivierung einer mit dem äußeren Subjekt referenzidentischen NP nicht behindern: (1-250) Der Hund läßt sieb die Wurst schmecken. (1-251) Der Hand läßt sich vom Postboten die Wurst schenken. In Haider (1985a: 243) wird daher angenommen, daß die Bindung des Reflexivpronomens an das externe Argument seines regierenden Elements erfolgt. Das regierende Element für die eingebetteten Objekte im A.c.I.-Fall ist das infinite eingebettete Verb; ein externes Argument ist ein Tiefensubjekt, ganz gleich wie es oberflächlich kasusmarkiert ist, dagegen sind die Subjekte zu ergativen und passivierten Verben als Tiefenobjekte nicht extern und damit auch keine möglichen Antezedentien. Auch diese Bestimmung reicht allerdings nicht aus, da sich Reflexivpronomina auch auf Objekte beziehen können, also Ausdrucke, die weder nominativisch markiert sind, noch externen Argumentstatus haben. (1-252) Eine Flasche Zwetschgenwasser versöhnte ihni wieder mit sichi/*mit ihtti und der Welt. (1-253) Diese Aufzeichnungen hatten dem Jünglingi endlich die Wahrheit über sichi/?über ihm und seine Herkunft enthüllt. Völlig unmarkiert sind auf jeden Fall die Objektbindungen von Reziprokpronomina. (1-254) Ella stellte Fritz und Gerald einander vor. (1-255) Ella lehnte die Bretter aneinander. Ein Subjekt kann jedoch nicht durch ein Objekt gebunden werden. Dies gilt auch in A.c.I.-Strukturen, in denen das eingebettete Subjekt ja durchaus die im Prinzip passende akkusativische Kasusmarkierung aufweist, während ansonsten ein Subjekt schon deswegen nicht als gebundener Ausdruck in Frage kommt, weil eine nominativische Form von Reflexiv- und Reziprokpronomen fehlt. (1-256) *Die aufmunternden Worte ließen sicbiihmi/sieht dem Karli wieder etwas zutrauen. Die Bindung des inneren Subjekts durch die äußere Subjekts-KP ist dagegen zulässig. (1-257) Ellai hörte sicbi auf Fritz und Gerald schimpfen.

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Ebenso ist die Objektbindung eines Reflexivums, das sich in einer 'freien' PP befindet, problematisch (zur Bindung von Reflexiva in PPn vgl. auch Breindl (1989: 1 1 2 f f . ) ) :

(1-258)

?Ich erwartete ibni bei sichi daheim.

(1-259)

*Der Bundesaußenminister griff den Ministerpräsidenten! in einer Zeitung von sichi an. Nach Fanselow (1987: 114) folgt diese Asymmetrie aus der konfigurationellen Theorie. Tatsächlich zeigt das Argument aber nur, daß die 'verbfernste' NP eine Sonderrolle spielt. 72 Die Formulierung der Reflexivierungsbedingungen muß also anscheinend auf eine bestimmte hierarchische Strukturierung des Satzes Bezug nehmen können, wie sie sich auch in einer Grundreihenfolge der Argumentsausdrucke zu erkennen gibt. Dabei handelt es sich natürlich nicht um die jeweils aktuelle Reihenfolge, da in dieser ein gebundenes Reflexivum seinem Binder durchaus vorausgehen kann (vgl. oben die Fälle ( l - 2 0 0 f f . ) , in denen auch der bindende Ausdruck, ein Quantor, nachfolgen kann): (1-260)

weil sichi Diogenesi mit den Fingern kämmt.

Eine teilweise strukturelle Erklärung für die Reflexivierungsfakten in einem etwas modifizierten GB-Rahmen findet sich in Sternefeld (1985). Ausgangspunkt der Überlegungen Sternefelds ist die Prädikationstheorie Williams' (Williams 1980). Williams nimmt an, daß maximale Projektionen, insbesondere VPn, von einer NP 'prädiziert' werden, die diese Projektionen k-kommandiert - vom traditionellen Begriffspaar Subjekt/Prädikat wird also das Subjekt zugunsten des Begriffs 'k-kommandierende NP' eliminiert. Die Prädikationsbeziehung wird formal erfaßt durch eine Koindizierung von Prädikat und NP, d.h. die Subjekts-NP eines Satzes ist mit der VP koindiziert. Für die Beschreibung der Reflexivierungsverhältnisse im Rahmen der Bindungstheorie (einer Teiltheorie im GB-Modell) ist erstens die Bestimmung des Bindungsbereichs relevant, der bindenden Kategorie, innerhalb deren das Reflexivum sein Antezedens finden muß. Zweitens muß festgelegt werden, was innerhalb dieser bindenden Kategorie als Antezedens für das Reflexivum dienen kann. 72

Vgl. auch Primus (1987: 126), die zeigt, daß bei 'subjektlosen' Verben wie grauen die Dativ-NP als verbfernstes Argument eine Anapher in einer freien PP binden kann, wenn auch die Akzeptabilität im Vergleich zur prototypischen Bindung durch einen Subjektsausdruck vermindert ist (Primus 1989: 56).

100

1) Zum Bindungsbereich: Hier muß sichergestellt werden, daß der entsprechende Bereich insbesondere bei A.c.I.-Konstruktionen die 'passende Ausdehnung' besitzt. Der Bindungsbereich kann nicht nur als S ' , als ' S a t z ' , festgelegt werden, da Reflexivierung eines A.c.I.-Objekts bei Koreferenz mit dem äußeren Subjekt blokkiert werden kann, obwohl in A.c.I.-Konstruktionen kein Satz eingebettet ist (vgl. dagegen Fanselow 1987). Andererseits blockiert ein eingebettetes Tiefensubjekt nicht die Reflexivierung in eingebetteten freien PPn. Wesentlich für die Beschreibung des Bindungsbereichs sind in Sternefelds Analyse zwei Begriffe: der der designierten

-Rolle und der der r-Determination.

Der Begriff der r-Determination - "wobei r an Rektion erinnert" (Sternefeld 1985: 417) - wird von Sternefeld eigens eingeführt. Er umfaßt bestimmte "notwendige Beziehungen" (ebd.: 417), von denen Sternefeld die folgenden für die Beschreibung verschiedener Reflexivierungsfalle wichtigen a u f f ü h r t : Erstens die Subkategorisierungsrelation:

z.B. r-determiniert ein Verb seine

subkategorisierten Objekte; zweitens die Beziehung von INFL zur VP und zu einem Nicht-PRO-Subjekt: [+Tempus] in INFL weist der adjazenten NP den Nominativkasus zu; drittens in kohärenten Konstruktionen, z.B. einem A.c.I., die Beziehung eines V zur adjazenten VP und zu dem VP-externen Argument: V bestimmt, ob ein zuoder ein 'nackter' Infinitiv realisiert wird, sowie den Akkusativkasus des externen Arguments; viertens die Beziehung eines N-Kopfes innerhalb einer NP zu einer AP (Genus- und Kasuskongruenz). Ein von der r-Determination abgeleiteter Begriff ist der des r-Kommando. Ein 'r-Determinator' r-kommandiert das r-determinierte Element und alle in diesem enthaltenen Positionen: z.B. r-kommandiert ein A.c.I.-Verb alle Positionen in der eingebetteten VP. Der Begriff der designierten -Rolle ist dagegen in der GB-Theorie bereits eingeführt. Er meint die Rolle, die der VP-adjazenten NP, also einer Art logischem Subjekt zugewiesen wird. Bindende Kategorie für ein Reflexivum ist nun die nächste maximale Projektion (also theoretisch S 1 , VP, NP, PP oder AP), die erstens das Reflexivum enthält und zweitens ein Element, das dieses Reflexivum r-kommandiert, wobei zusätzlich gilt, daß dieses Element eine designierte -Rolle zuweist, falls es eine lexikalische X°-Kategorie ist; INFL fällt also z.B. nicht unter dieses Gebot, da es keine lexikalische Kategorie ist. Die letzte Festlegung bringt es mit sich, daß der größtmögliche Bindungsbereich der Satz ist, der ein (Objekt-)Reflexivum enthält, da INFL alle Objektpositionen als VP-interne Positionen r-kommandiert (der Ausschluß von Subjektreflexiva erfolgt durch weitere Bedingungen).

101

Andererseits gilt, daß bereits die VP als dieser Bereich zählt, wenn sie ein Verb enthält, das eine designierte -Rolle zuweist. 2) In einem zweiten Schritt werden die Eigenschaften eines zugänglichen Antezedens für ein Reflexivum festgelegt: 'Formal-strukturelle' Eigenschaften dieses Antezedens sind, daß es erstens das Reflexivum k-kommandiert und zweitens zum selben Bindungsbereich gehört. 'Inhaltlich' muß es wenigstens eine der drei folgenden Eigenschaften aufweisen: Entweder ist es lexikalischer Kopf der bindenden Kategorie (z.B. der mit der VP koindizierte V-Kopf, wobei die VP ihrerseits unter 'Prädikation' mit der Subjekts-NP koindiziert ist), ein extern zugewiesenes Argument (z.B. ein eingebettetes Tiefensubjekt in A.c.I.-Konstruktionen) oder ein Koargument des Reflexivums (ein Objektantezedens). Für Reflexiva gilt dann, daß sie an ein für sie zugängliches Argument gebunden sind. Die Einführung des nicht-strukturellen Begriffs der r-Determination ermöglicht (im Bereich des Satzes) insbesondere die Unterscheidung von subkategorisierten PPn und freien PPn. Selbst wenn die letzteren strukturell innerhalb der VP stehen, sind sie als Reflexiva für einen Objektsausdruck, der sie k-kommandiert, nicht erreichbar, da sie als freie PPn nicht vom Verb als Kopf der VP rkommandiert werden; folglich kann die VP kein Bindungsbereich und eine ObjektsNP kein 'Koargument-Binder' sein. Andererseits wird auch auf die maximale Kategorie VP Bezug genommen, die also für die Erklärung wesentlich ist. 73 73 Sternefeld behandelt auch Kontrollphänomene mit Hilfe des Begriffs des Bindungsbereich. Auf diese Weise soll erklärt werden, wieso 'echte' Subjektsinfinitive im Prinzip 'frei referierendes' PRO enthalten, während bei Objektsinfinitiven PRO immer durch ein weiteres, vielleicht auch nur implizites, Argument kontrolliert wird. Daß PRO im Prinzip frei referiert, schließt natürlich ein, daß es auch mit einem Argument des Matrixsatzes koreferieren kann, ohne daß es sich aber um eine notwendige Beziehung handelt. Eine Voraussage der Theorie ist nun, daß sich ein Subjektsinfinitiv zu einem Verb wie ärgern völlig anders verhält als der entsprechende Objektsinfinitiv zum weitgehend parallelen sich ärgern. Dies gilt für die ganze Gruppe derartiger Verben. Man kann sich zunächst natürlich fragen, ob bei solchen Subjektsinfinitiven tatsächlich nur 'kontingenterweise' Koreferenz von PRO und Akkusativobjekt des Matrixsatzes zustandekommt. In den Beispielen Sternefelds wird durch die Verwendung eines Reflexivums im Subjektsinfinitiv eine solche Koreferenz ausgeschlossen. Das Beispiel scheint aber nicht sonderlich akzeptabel. (i) TSich nicht bei ihm zu entschuldigen, ärgert mich. (entspricht (33) in Sternefeld 1985) Insbesondere gilt das für die extraponierte Version:

102 Die Formulierung der Reflexivierungsbedingungen bei Primus (1987: 125ff.; vgl. auch Primus 1989) enthält zwar auch als wesentlichen Bestandteil eine strukturelle Bedingung. Sie ordnet dabei die Argumente des Verbs jedoch nur nach ihrer 'Verbnähe', so daß sich die besonderen Verhaltenseigenschaften des strukturellen Subjekts nicht aus einer VP-Externalität, sondern höchstens daraus ergeben, daß es als letztes Argument abgebunden wird. Nach Primus muß die Bindung eines Reflexivpronomens innerhalb eines Satzes durch einen bindenden Ausdruck erfolgen, der das Reflexivpronomen k-kommandiert und auf einer morphologischen Hierarchie (Nominativkomplement > Akkusativkomplement > Dativkomplement > 'Präpositionalobjekt' > 'freies Adverbiale') nicht niedriger rangiert als das Reflexivum (vgl. Primus 1987: 131f., einige Feinheiten wurden ausgelassen); eine freie PP wird als S-Komplement nur von einem anderen S-Komplement, dem strukturellen Subjekt, k-kommandiert. Zwei Klauseln, die zu den erwähnten, auf Markierungssysteme bezogenen Bedingungen etwas querliegen, betreffen agentische Antezedentien: Zum einen muß ein Antezedens, das die Agensrolle trägt, das Reflexivum nicht k-kommandieren, eine 'Agens-PP* kann also ein PP-Reflexivum binden: (ii) ??Es ärgert mich, sich nicht bei ihm zu entschuldigen. Am ehesten akzeptabel scheint noch die auch von Sternefeld erwähnte 'generische Lesart' von PRO, also eine solche, die nicht durch ein daÄ-Satz-Äquivalent, sondern eher durch einen rean-Satz wiedergegeben werden sollte, (iii) Es ärgert mich, daß man sich nicht bei ihm entschuldigt. (iv) Es ärgert mich, wenn man sich nicht bei ihm entschuldigt. Daß sich PRO jedoch auf eine spezifische Person - und nicht nur irgendeine Instanz des 'generischen Referenten' - bezieht, ist wohl ausgeschlossen; der gegenteilige Eindruck rührt vielleicht daher, daß ein entsprechender daßSatz mit einem Subjektsausdruck gebildet werden kann, der natürlich einen solchen spezifischen Referenten haben kann. (v) Es ärgert mich an ihm, daß er sich nicht entschuldigt. (vi) ??Es ärgert mich an ihm, sich nicht zu entschuldigen. Wenn PRO in den fraglichen Fällen nicht nur Objektkontrolliert' und 'generisch' verstanden werden kann, dann mußte z.B. auch die folgende Konstruktion zulässig sein. (vii) *Es ärgert mich (an dir), PROi dicbi nicht bei ihm zu entschuldigen. Das liegt nicht daran, daß ein 2.PS.-PRO bei Subjektsinfinitiven generell ausgeschlossen wäre, vgl.: (viii) Es ist deine Pflicht, dich zu entschuldigen. Abgesehen von diesem Problem sagt die sternefeldsche Analyse jedenfalls voraus, daß bei den parallelen Konstruktionen mit einer Infinitivphrase in Präpositionalobjekt-Funktion Kontrolle durch die Subjekts-NP des Matrixsatzes obligatorisch ist: Das Verb des Matrixsatzes r-determiniert die Infinitivphrase und r-kommandiert somit PRO, das an dieses Verb und damit an die Subjekts-NP 'gebunden' wird. Die betref-fende Infinitivphrase scheint sich aber kaum anders als die Subjekts-Infinitivphrase der parallelen Konstruktion zu verhalten. (ix) ??Icb ärgere mich, sich nicht zu entschuldigen. (x) ??Sich nicht zu entschuldigen, darüber ärgere ich mich.

103

(1-261)

Der Brief wurde von Peterj an sichj/?ihnj selbst adressiert/geschickt/ gerichtet. (=(8c) in Primus 1987: 122) Zweitens gilt, daß in A.c.I.-Konstruktionen eine Akkusativ-NP mit Agens-Rolle die Bindung von Objekten durch die äußere Subjekts-NP blockiert (ebd.: 150). Eine ähnliche rollensemantische Bedingung versteckt sich auch in der Redeweise vom 'designierten Argument' bei Sternefeld, die ermöglicht, daß ein Reflexivum vom akkusativisch markierten 'Subjekt' im A . c . I . gebunden werden kann. Die Erklärung für diese zusätzliche Komplizierung der Bedingungen für Reflexivbindung scheint mir darin zu liegen, daß bei Reflexivierung nicht nur die NPn selbst, sondern vor allem auch die zugeordneten Rollen - bei Argument-NPn also auch die Arguaentstellen - miteinander in Beziehung gesetzt werden (das läßt sich dann durch Koindizierung repräsentieren). Auf diese Weise lassen sich auch die ansonsten irregulären Fälle von antezedenslosem Reflexivumgebrauch beschreiben, der sich anscheinend auf Satzstrukturen beschränkt, die im weitesten Sinn als passivisch bezeichnet werden können. (1-262) Gewaschen wird sich im Freien! (1-263) Ober Geschmack läßt sich streiten. (1-264) Es hieß, der Genuß der günstigen Stunde sei sieb zu gönnen. Die Agens-Rolle stellt offensichtlich die primäre Rolle dar, an die die Reflexiv-Rolle (bei echten Reflexivierungen) gebunden werden kann. Wenn die Bindung an eine (mitverstandene) Agens-Rolle möglich ist, dann kann für das Reflexivum die Notwendigkeit entfallen, auch syntaktisch gebunden zu werden. In passivischen und passivähnlichen Konstruktionen kann eine Agens-Rolle offenbar immer mitverstanden werden. In (1-264) muß das Reflexivum aus inhaltlichen Gründen an eine mitverstandene Agens-Rolle gebunden werden, obwohl eine Nominativ-NP vorhanden ist; d.h. die rein rollenbezogene Version der Reflexivbindung kann die ansonsten prototypische ausdrucksbezogene Bindung durch eine Nominativ-NP außer Kraft setzen. Auf der anderen Seite überwiegen natürlich eindeutig die Fälle, in denen ein formaler syntaktischer Binder bereitgestellt wird. Das ist der Fall im 'reflexiven Passiv' . 7 < (1-265) In deiner Anwesenheit arbeitet es/* sich angenehm. Die Fakten der Reflexivbindung erfordern also eine recht komplizierte Beschreibung. In der prototypischen Konstellation wird ein Reflexivum innerhalb eines Teilsatzes an einen nominativisch markierten Ausdruck mit Agens-Rolle gebunden. 74 Zur 'Rollenbindung' vgl. auch Williams (1987), der zu zeigen versucht, daß die Bindungs- und Kontrolltheorie nicht auf NPn, sondern auf die zugehörigen -Rollen angewendet wird.

104 einen Ausdruck, der bei gegebener Grundreihenfolge den 'bindbaren Positionen' vorausgeht (und sie k-kommandiert). Von dieser prototypischen Bindungssituation lassen sich dann weniger typische, aber dennoch zulässige Bindungskonstellationen herleiten: Die Bindung kann durch einen völlig inhaltsleeren nominativisch markierten Ausdruck erfolgen, wie im eben genannten 'reflexiven Passiv'; auf der anderen Seite ist eine rollenbezogene Bindung durch einen Agens-Ausdruck möglich, ganz gleich, mit welcher morphologischen Markierung dieser Ausdruck versehen ist (akkusativisch markierte A.c.I.-'Subjekte', PP-förmige Agens-Ausdrucke), ja sogar die Bindung durch ein mitverstandenes Agens ist in bestimmten Fällen zulässig; die auf die Grundreihenfolge bezogene Vorgängerbedingung scheint eine gewisse Rolle zu spielen, wenn auch in sehr vielen Fällen ein NP-förmiges Reflexivum aufgrund seiner prosodischen Eigenschaften (außer bei Kontrastierung ist es unbetont) die 'Wackernagel-Position 1 an der linken Hittelfeldgrenze besetzt und damit vor einem Mittelfeld-Antezedens (mit entsprechenden 'wackernagelunverträglichen' prosodischen Eigenschaften) stehen kann (vgl. oben Beispiel (1-260)); 7 S bei den akzeptablen Bindungen eines Reflexivums durch einen Objekts75 Entsprechende Beispiele, in denen die Vorgängerbedingung zu berücksichtigen ist, finden sich bei Primus (1989: 67; Beispiele 25a und 25b): (i) Da ich die bei dem sichi selbst anvertraute (ii) ??Da ich sichi selbst die beidem anvertraute Akzeptabilitätsmindernd wirkt in diesem Fall aber auch schon die Nachstellung der definiten Akkusativ-NP. Ein durch selbst verstärktes Reflexivum gehört nicht mehr, wie Primus annimmt, zu den 'Wackernagel-Elementen 1 (ebensowenig gehören Reflexivpronomina in PPn zu dieser Klasse); vgl. die beiden folgenden Sätze, wo jeweils die topologische Präzedenzbedingung erfüllt ist, die Umstellung von Subjekt und Dativobjekt jedoch zu einer Akzeptabilitätsminderung f ü h r t , die nur erklärt werden kann, wenn man sich selbst nicht wie die schwachtonigen Pronomina behandelt: (iii) Die beiden Kiaden hat der unverantwortliche Bäckermeister sichi selbst anvertraut. vs. (iv) ??Die beiden Kinden hat sichi selbst der unverantwortliche Bäckermeister anvertraut. (Ohne selbst ist andererseits ein Bezug des Reflexivums auf die Akkusativ-NP kaum mehr herzustellen.) Die Vorgängerbedingung scheint bei den Reflexiva jedenfalls keine sehr zentrale Bedingung zu sein. Die Bindungsverhältnisse in diesem Bereich lassen sich also nicht auf dieselbe Weise erfassen, wie bei anderen gebundenen Pronomina (vgl. zu diesen oben 1.5.3.5.1). Daß hier keine einheitlichen Regeln für die zwei Typen von gebundenen Pronomina aufgestellt werden, scheint mir kein grundsätzlicher Mangel, da sie sich ja auch in anderen Punkten deutlich unterscheiden: Reflexivpronomina in nominativischer Form existieren nicht, so daß ein Gutteil der in 1.5.3.5.1 behandelten Phänomene gar nicht auftreten kann; Reflexivpronomina sind notwendigerweise innerhalb eines syntaktischen Bereichs (z.B. innerhalb eines Teilsatzes) gebunden, andere Pronomina nicht; Reflexivpronomina können auch reine 'Konstruktionsbedeutung 1 haben (z.B. beim 'Reflexivpassiv'), andere Pronomina nicht. Die Kritik in Primus (1989: 7 7 f f . ) an meinem Versuch, die Bindungsbeschränkungen von Pronomina durch topologische Faktoren zu erfassen, bezieht sich gerade auf eine (mei-

105

ausdruck ist häufig eine kausative Komponente beteiligt (ganz deutlich bei jemanden zu sich bringen, jemanden mit sich versöhnen), wobei sich der Objektsausdruck relativ zum verursachten Sachverhalt wie ein Subjekt verhält, d.h. auch hier liefert die prototypische Situation der Reflexivbindung das Muster. Fazit: Auch die Beschreibung der Reflexivierungsverhältnisse im Deutschen erfordert nicht die Einführung der Kategorie VP. Allerdings scheint eine solche Beschreibung (umter anderem) auf eine hierarchische Strukturierung des Satzes Bezug nehmen zu müssen, die sich ihrerseits von der Anordnung der Argumentstellen und der mit ihnen verknüpften thematischen Rollen herleitet.

1.5.3.7

Transitive Strukturen

Die untersuchten Konstruktionen zeigen, daß in vielen Fällen das hierarchiehöchste Argument von den verbnäheren Argumenten durch bestimmte syntaktische Eigenschaften unterschieden ist.

Diesem Unterschied kann dadurch Rechnung getragen

werden, daß man diese Argumente als VP-extern beschreibt, also in der ArgumenteHierarchie an einer bestimmten Stelle, nämlich zwischen dem äußersten und dem zweitäußersten Argument, einen scharfen Schnitt ansetzt.

1.5.3.7.1 Externalitätseffekte Die hier vertretene Alternative ist, zwar von einer hierarchischen Strukturierung des Satzes auszugehen, aber das am letzten abgebundene Argument nicht weiter auszuzeichnen. Insbesondere bei den einstelligen Verben zeigt sich, daß kein scharfer Schnitt im syntaktischen Verhalten von ergativen und nicht-ergativen Subjekten angesetzt werden kann. Allerdings verhält sich das Subjekt zweistelliger Verben typischerweise anders als die Subjekts-NP einstelliger ergativer Verben. Hier scheint es also tatsächlich zu einer Art 'Externalisierungseffekt' zu kommen. Eine angemessene Beschreibung könnte also vielleicht doch erfordern, bei manchen Verben eine 'Externalisierung' und sozusagen eine 'VP-Kreation' anzusetzen, bei anderen nicht, mit der Konsequenz, daß im ersten Fall Subjekt-Objektner Meinung nach nicht gerechtfertigte) Ausweitung dieser Beschreibung von den nicht-reflexiven Fällen auf die Reflexivbindung. (In der Vorgängerfassung dieser Arbeit, auf die sie sich bezieht, wird diese Einschränkung offenbar nicht deutlich genug.) Ihre Kritik konzentriert sich im wesentlichen auf den für sie problematischen Begriff der Grundreihenfolge als eines wesentlichen Bestandteils meines Erklärungsversuchs.

106

Asymmetrien auftreten, im zweiten dagegen nicht. Die einfachste Annahme ist, daß abhängig TOD Verb zwischen der äußersten Argumentstelle und den (möglicherweise noch vorhandenen) restlichen unterschieden wird, so daß Ausdrücke, die diese äußerste Argumentstelle besetzen, von syntaktischen Prozessen, die eine bestimmte 'Verbnähe' erfordern, ausgeschlossen sind. Bei Ausdrücken, die von derartigen Prozessen erfaßt werden können, handelt es sich im allgemeinen um bestimmte Akkusativobjekte, nämlich direkte Objekte in transitiven Strukturen, 7 6 ausgeschlossen sind dagegen im allgemeinen die Subjekte transitiver Strukturen. 7 7

1.5.3.7.2 Prototypische transitive Strukturen Die charakteristischen Merkmale der prototypischen transitiven Strukturen lassen sich auch fürs Deutsche aus dem in Hopper/Thompson (1980: 2 5 2 f f . ) aufgeführten und an zahlreichen Sprachen exemplifizierten Katalog der Transitivitätsmerkmale zusammenstellen. Hopper/Thompson gehen von einem traditionellen Begriff der Transitivität aus, den sie geeignet zu explizieren versuchen: "Transitivity is traditionally understood as a global property of an entire clause, such that an activity is 'carried-over 1 or 'transferred* from an agent to a patient." (Hopper/Thompson 1980: 251) Sie fassen Transitivität als eine graduierbare Größe a u f , die sich in verschiedenen Dimensionen manifestiert. Sätze sind zunächst in Bezug auf diese Dimensionen mehr oder weniger transitiv, je nach der Nähe zu den charakteristischen 'Eckwerten'; die einzelnen Teilaspekte ergeben zusammengefaßt den globalen Transitivitätsgrad. Die entsprechenden hochtransitiven und schwachtransitiven Eckwerte sind nach Hopper/Thompson (1980: 252): 76

77

Die akkusativisch markierten Maßangaben und vielleicht auch die Akkusative bei Verben wie interessieren verhalten sich demgegenüber teilweise völlig anders, sie können z.B. nicht durch Passivierung erfasst werden: (i) *Ein Liter Flüssigkeit wird (von dem Eimer) enthalten. (ii) *Ich werde von Bindungsphänomenen nicht interessiert! Im prototypischen Fall der 'echten 1 zweistelligen transitiven Verben mit einem direkten Objekt ist dann übrigens nicht zu entscheiden, ob ein Argument 'externalisiert' oder nicht vielmehr ein anderes 'internalisiert' wird. Ein zur Externalisierung annähernd spiegelbildliches syntaktisches Phänomen bildet ja auch die Objektinkorporation', bei der ein direktes Objekt 'internalisiert' wird, indem zwischen der innersten und den äußeren Argumentstellen ein Schnitt gesetzt wird, so daß ein derartig inkorporiertes Objekt sich syntaktisch wesentlich anders verhält als die syntaktisch noch 'freien' Argumentausdrücke; ein Obergangsfall ist dann die Akkusativ-NP in Teppiche klopfen, die z.B. bei Passivierung keine Kongruenz mehr auszulösen braucht, (i) Um Mitternacht wird/werden nicht Teppiche geklopft!

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- zwei und mehr Teilnehmer ('Agens' und Objekt 1 [kein syntaktischer, sondern ein Rollen-Begriff]) - ein Teilnehmer; - Handlung - Nicht-Handlung; - telischer (den Endpunkt einer Handlung miteinbegreifender) Aspekt - atelischer Aspekt; - punktuell - nicht-punktuell; - volitional (Absichtlichkeit auf Seiten des 'Agens') - nicht-volitional; - affirmativ - negativ; - Realis - Irrealis; - hohe 'Agentivität* (des 'Agens') - niedrige 'Agentivität'; - vollständige 'Affiziertheit'

(des Objekts') - fehlende ' A f f i z i e r t h e i t ' ;

- hochindividuiertes Objekt' - nichtindividuiertes Objekt'. 7 8 Es ist zu erwarten, daß die verschiedenen Dimensionen beim Einbau der Transitivität ins grammatische System einer Sprache verschieden stark gewichtet werden. Ein prototypischer hochtransitiver Satz (ohne irgendwelche adverbiellen Erweiterungen) läßt sich also zusammenfassend so charakterisieren: Ein hochtransitiver Satz enthält neben einem Ausdruck, der eine zweistellige Relation bezeichnet, zwei Argumentausdrücke, deren Denotate durch die Relation miteinander in Beziehung gesetzt werden; dabei ist der eine Argumentausdruck rollensemantisch als ein willentlich handelndes 'Agens' charakterisiert, das eine zielgerichtete Handlung - dem relationsbezeichnenden Ausdruck zugeordnet ausführt, durch die unmittelbar ein (konkretes) Objekt - vom zweiten Argumentausdruck bezeichnet - in einen bestimmten Zustand versetzt wird. Die Beziehung ist also vom aktiveren 'Teilnehmer' auf den passiveren gerichtet; ihr Ausgangspunkt ist typischerweise ein bewußt und planend vorgehendes menschliches Wesen, der Endpunkt läßt sich als eine Entität charakterisieren, die durch die Handlung in einen bestimmten neuen Zustand gelangt. Zu dem Kernbereich der transitiven Verben, die die zweistellige Relation in transitiven Strukturen bezeichnen, gehören die Verben mit effizierten oder a f f i zierten Objekten, deren Subjekt und direktes Objekt 'Agens' und Objekt' der genannten prototypischen Szene denotieren. Sätzen mit anderen Verben kann das eine oder andere typische Transitivitätsmerkmal fehlen, so daß bei den periphersten Beispielen die Szenen nur noch eine gerichtete Beziehung zwischen zwei Entitäten beinhalten, die als 'Ausgangspunkt' und 'Endpunkt* der inhaltlich jeweils verschieden spezifizierten Beziehung fungieren. Beispiele wären Wahrnehmungsverben 78 Die Dimensionen sind offensichtlich nicht völlig unabhängig voneinander.

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oder Verben wie besitzen, wobei im letzten Fall noch ein nicht-transitives Gegenstück existiert, nämlich gehören.''9 Charakteristisch an den direkten Objekten ist danach, daß sie als 'Endpunkt' der zentralen Relation angesehen werden, während die Subjekte in transitiven Strukturen dem 'Ausgangspunkt' zugeordnet sind. Dreistellige Verben wie schenken können sich in dieses Muster einpassen, indem sie zwei Argumente als Subjekt und direktes Objekt auszeichnen. Daß bei Passivierung die 'Perspektive' der Szene wechselt, ist offensichtlich: Nur noch der Endpunkt der zentralen Relation wird durch einen Argumentausdruck realisiert, zentral ist der erreichte Zustand des Objekts'. Die unakkusativischen Verben, die mit sein als Perfekthilfsverb konstruiert werden, werden traditionellerweise ebenfalls als Verben eingeordnet, die einen solchen Endzustand bezeichnen. Insofern ist also auch hier das transitive Muster Vorbild. Die Ursache der VP-Effekte ist nach dieser Interpretation darin zu suchen, daß in transitiven Strukturen zwischen den beiden Argumenten deutlich unterschieden wird. Das Objekt kann als 'verbnäher' interpretiert werden, da die von ihm denotierte Entität durch die vom Verb bezeichnete Handlung in einen neuen Zustand gelangt. Andere Strukturen schließen sich an den transitiven Prototyp an, so daß es bei ihnen zu ähnlichen Effekten kommt. Allerdings zeigten die Beispiele oben, daß es z.B. keine klare Trennung zwischen 'transitiven' Subjekten und dem Rest der Subjekte gibt, sondern daß mit unklaren Obergangsfällen zu rechnen ist. An einem typisch unakkusativischen Verb wie sterben läßt sich zudem erkennen, daß es offensichtlich möglich ist, ein Verb nach dem transitiven Schema umzuinterpretieren, indem die Subjektsstelle mit semantischen Rollenmerkmalen versehen wird, wie sie für die Subjektsstelle transitiver Verben typisch sind, z.B. 'willentliche Steuerung des vom Verb ausgedrückten Vorgangs'. Hopper/Thompson (1980) haben gezeigt, daß die Kategorie der Transitivität offenbar in allen Sprachen eine Rolle spielt. Transitivität ist dabei ein graduierbarer Begriff, der vom Vorliegen verschiedener Merkmale abhängig ist. Die anscheinend in allen Sprachen auftretenden VP-Effekte könnten sich also mögli79 Ob und wie weit die nicht dem Prototyp entsprechenden Situationen nach dem Muster der transitiven Strukturen sprachlich kodiert werden, ist natürlich sprachspezifisch. Zum einen kann es sein, daß die Agenshaftigkeit, wie sie dem typischen transitiven Agens zukommt, zu einer globaleren Agensrolle 'ausgedünnt' werden kann, der nur einige der genannten prototypischen Eigenschaften zukommen; vgl. dazu Dahl (1987). Ein Grund für die Übertragung kann sein, daß eine 'Perspektivierung' ermöglicht werden soll, da ja die typische Agensrolle auch in besonderem Maß 'perspektiviert' ist (vgl. oben 1.3.4 zu Zubin). Zum zweiten besteht die Möglichkeit, daß einfach ein bestimmtes grammatisches Muster, z.B. das transitive, aufgrund seiner Häufigkeit schließlich andere Muster vollständig verdrängt.

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cherweise als "Transitivitätseffekte' erklären lassen. Was das Lernbarkeitsargument anbelangt, das für Fanselow (1987) zentral ist, so kann diesem durch die Berücksichtigung der transitivitätsstiftenden Faktoren, die bei Hopper/Thompson herausgearbeitet werden, durchaus Rechnung getragen werden. Die positive Evidenz für die Unterscheidung der zwei Argumente kommt aus den ganz unterschiedlichen Merkmalsbündeln, die die beiden Relata einer prototypischen transitiven Relation charakterisieren. Meine Vermutung ist also, daß sich bestimmte Unterschiede im syntaktischen Verhalten von Argumentausdrücken auf die unterschiedlichen (rollen)semantischen Charakteristika der beiden Relata in hochtransitiven Strukturen zurückführen lassen. Das soll natürlich nicht heißen, daß sich alle weiter oben behandelten syntaktischen Phänomene dadurch erklären lassen. Dagegen kann die Zurückführung auf das transitive Muster klarmachen, warum sich die Argumente zu einstelligen Verben nicht gleich verhalten, obwohl sie immer das 'verbfernste' Argument darstellen. In einen Fall gleichen sie aber von ihrer Rolle her gesehen mehr den prototypischen transitiven Agentien, im anderen Fall mehr den prototypischen transitiven Objekten. Die mehr oder weniger starke Angleichung an die beiden prototypischen Pole ist auch der Grund dafür, warum es bei den oben behandelten Konstruktionstypen keinen scharfen Akzeptabilitäts-Schnitt zwischen ergativen oder auch unakkusativischen Subjekten und dem Rest der Subjekte gibt. Die Verteilung der Perfekthilfsverben (ergative Verben mit sein, ansonsten haben) ist dagegen wieder lexikalisch geregelt. Allerdings könnte durchaus eine Rolle spielen, daß die ergativen Verben im allgemeinen 'terminativ' sind, daß also ihr Subjekt den prototypischen transitiven Objekten eher gleicht, da die von ihnen bezeichnete Entität in einen bestimmten neuen Zustand gerät. Die problematischen Bewegungsverben (laufen, kriechen usw.) zeigen aber, daß das Prinzip sicherlich nicht generell die Auxiliarselektion erklären kann. Auf der anderen Seite ist es auch möglich, daß Argumente zu Verben, die zwar in ihrer Bedeutung sehr weit vom Prototyp der (rollen)transitiven Verben entfernt sind, aber wie die Argumente zu diesen markiert werden (z.B. die beiden Argumentausdrücke bei Wahrnehmungsverben), aufgrund der Markierungsübereinstimmung 'Externalisierungsnerkmale' zeigen. Die untersuchten Konstruktionen deuten also darauf hin, daß in vielen Fällen sich Subjektsausdrücke anders verhalten als Objektsausdrücke. Offenbar genügt es jedoch nicht in jedem Fall, daß ein Ausdruck akkusativisch markiert ist, sondern diese Markierung muß auch 'strukturell' bedingt sein: Es muß sich um 'direkte Objekte 1 handeln.

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Nominativisch markierte Argumente zu einwertigen Verben, bzw. ihnen im Subkategorisierungsrahmen entsprechende satzförmige Ausdrücke, verhalten sich unterschiedlich: Die einen eher wie ein direktes Objekt, die anderen eher wie ein 'Tiefensubjekt'; die zwei Relata der transitiven Struktur dienen hier als Vorbild. 1.5.3.7.3 Die "Transitivierung' intransitiver Strukturen Ein Charakteristikuo der einstelligen intransitiven Verben mit einem "externalisierten' Subjekt ist jedoch, daß sie sich vollständig dem Huster der transitiven Verben angleichen können: Sie lassen nämlich auch einen akkusativisch markierten Ausdruck zu. Das Subjekt ist in diesem Fall ganz offensichtlich als nicht mehr 'verbnahes' Argument zu erkennen. Bekanntermaßen lassen einstellige Verben mit Subjekten, die sich wie die transitiven oder 'externalisierten 1 Subjekte verhalten, häufig auch sogenannte 'innere Objekte' zu - also akkusativisch markierte Ausdrücke, die in ihrer Bedeutung mit der Verbbedeutung nahe verwandt sind; Sätze mit solchen einstelligen Verben können sich also vollständig den transitiven Strukturen angleichen: (1-266) Er lachte sein dreckigstes Lachen. (l-266a) Er schlief einen langen Schlaf. Andere üblicherweise einstellig gebrauchte Verben lassen zwar kein bedeutungsverwandtes inneres Objekt zu, sind aber trotzdem ebenfalls 'potentiell transitiv 1 . (1-267) Gustav hustet Blut/??einen lauten Husten/??einen lauten Husterer. (1-268) Fasching niest er Konfetti/??ein knallfroschartiges Niesen. Sogar Wetterverbjn - also Verben ohne einen denotierenden Subjektsausdruck können 'transitiv* gebraucht werden. (1-269) Es regnet Kuhfladen. Auch manche der echt unakkusativischen Verben, also derjenigen, die das Perfekthilfsverb sein selegieren, können jedoch eine solche Akkusativ-NF regieren. (1-270) Er starb den Märtyrertod. (1-271) Er lief die 100 Meter in 9.83 Sekunden. Insbesondere bei den Bewegungsverben kann in diesem Fall auch das Perfekthilfsverb haben verwendet werden. (1-272) Er ist/hat die 100 Meter in 9.83 Sekunden gelaufen. (1-273) Er ist/*hat den Märtyrertod gestorben. Anscheinend erfolgt bei den unakkusativischen Verben eine Uminterpretation der gesamten 'Perspektive' und damit auch der Rolle des Subjektsausdrucks: In den

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Beispielen ist nicht der Zustand des Denotats des Subjektsausdrucks der 'Endpunkt' des vom Verb denotierten Vorgangs, sondern das Subjektsdenotat ist der Ausgangspunkt einer Aktivität. Derartig uminterpretierte unakkusativische Prädikate lassen dann auch werden-Passiv oder 'sic/j-Medium' zu; das zusätzliche Objekt kann beim werden-Passiv ganz regulär als Subjekt erscheinen, das mit dem Finitum kongruiert: (1-274) Bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften wurden/*wurde die 100 Meter erstmals in 9.83 Sekunden gelaufen. (1-275) In Rom läuft es sieb besonders schnell. (1-276) AD Schaft el-Arab wurde massenhaft der Märtyrertod gestorben. (1-277) Nicht einmal am Schatt el-Arab stirbt es sich besonders angenehm. Die Passivierbarkeit ist allerdings keine automatische Konsequenz der Fähigkeit, ein Akkusativobjekt anzuschließen. Eine zweite wesentliche Voraussetzung - zumindest im Deutschen - ist, daß auch die durch Passivierung zum Verschwinden gebrachte 'Subjektsargumentstelle 1 bestimmten Bedingungen genügt; sie muß z.B. mit denotationsfähigen Ausdrücken gefüllt werden können. Das ist bei Wetterverben nicht der Fall. (1-278)

*Heute wird/werden mal nieder Kübfladen geregnet.

Die Möglichkeit, innere Objekte (oder Objekte überhaupt) zuzulassen, besteht allerdings auf den ersten Blick nicht automatisch für alle einstelligen Verben, deren Subjekte in Bezug auf die semantische Rolle den 'transitiven' Subjekten gleichen; ausgeschlossen ist sie z.B. für Verben wie arbeiten oder die inhaltlich eng verwandten Verben schuften, malochen, werkeln usw. Dagegen ist die Passivierung ohne weiteres möglich. (1-279) ??Der kanadische Holzfäller arbeitet eine schwere Arbeit. (1-280) *Der kanadische Holzfäller schuftet eine schwere Arbeit. (1-281) In den kanadischen Väldern wird auch heute noch schwer gearbeitet/ geschuftet. (1-282) Bei Badewetter arbeitet/schuftet es sich besonders schwer. Man könnte versucht sein, die fehlende Möglichkeit, Akkusativ-NPn anzuschließen, damit zu erklären, daß alle diese Verben eigentlich schon ein - allerdings weglaßbares - Objekt in PP-Form (an einer Dissertation arbeiten usw.) regieren, das die prinzipiell vorhandene Objektstelle bereits ausfüllt. Zum einen ist es aber zweifelhaft, ob es sich jeweils um die gleiche Verblesart handelt, 80 so daß die potentielle Objektstelle' nicht generell durch ein PO blockiert sein könnte. 80 Die Frage woran? ist nicht immer sinnvoll, z.B. dann nicht, wenn arbeiten als pures '(s)einer Beschäftigung nachgehen* verstanden wird.

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Zum anderen findet sich eine ähnliche Objektresistenz' auch bei anderen Verben, die den transitiven Verben insofern gleichen, als ihr Subjekt 'wegpassiviert 1 werden kann. (1-283) ??Heute kartein wir einen Schaf köpf. (1-284) Beute wird gekartelt. (1-285) ??Franz Josef schmollt wieder sein bekanntes Schmollen. (1-286) An meinem Geburtstag wird nicht geschmollt. 1.5.3.7.4 "Transitivierung 1 durch prädikative Zusätze Alle diese Verben haben aber zumindest dann, wenn sie mit bestimmten prädikativen Ausdrücken verbunden werden, eine akkusativische Variante. Allerdings scheint aus semantischen Gründen die Objektstelle in manchen Fällen nur - oder doch stark bevorzugt - mit einem Reflexivpronomen besetzt werden zu können. (1-287) Gustav hat sich krank gearbeitet/geschuftet. (1-288) ??Herr Brösele hat seinen Betrieb schuldenfrei gearbeitet. (1-289) Georg hat seinen Vater arm gekartelt. Ganz ähnlich verlangen auch manche der unakkusativischen ('Bewegungs'-)Verben in ihrer 'transitiven' Version ein Richtungsadverbiale. (1-290) Die dicke Berta hat/*ist eine tiefe Kuhle in unseren Diwan gesessen. Offensichtlich wird in solchen Fällen nicht einfach ein akkusativisch markiertes NP-Objekt angeschlossen, sondern eine prädikative Konstruktion. Ganz parallel aufgebaut sind die folgenden Beispiele mit Verben, die üblicherweise NP-Objekte regieren. (1-291) Graf Fulk hat seine Familie arm getrunken. (1-292) Kein Nachbar singt mich noch ins Grab. Hier wie dort führt ein Weglassen der prädikativen Attribute (arm, ins Grab usw.) notwendig zu einer dem Weltwissen widersprechenden semantischen Interpretation: Offensichtlich kann also im obigen Beispiel die Familie nicht in derselben Relation zu trinken stehen wie z.B. Vein. Andererseits ist die Objektstelle beim Anschluß der prädikativen Konstruktion ausgefüllt, da ein 'normales' Akkusativobjekt nicht mehr zulässig ist. (1-293) *Graf Fulk hat Vein seine Familie arm getrunken. Dann mufi aber auch bei Verben wie arbeiten, sitzen im Prinzip eine solche Objektstelle vorhanden sein, die nur nicht durch ein reines NP-Objekt ausgefüllt werden kann. Die mit dem Eröffnen dieser Objektstelle verbundene Vergabe der Akkusativmarkierung führt zu einer entsprechenden Markierung des 'Subjekts' der prädikativen Konstruktion.

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Andererseits besitzen aber nicht alle einstelligen Verben die Fähigkeit, ein zusätzliches Objekt zu regieren. Bei bestimmten unakkusativischen Verben ist eine 'akkusativische Uminterpretation' und die Hinzufügung eines Objekts nicht möglich:» 1 (1-294) *Das Experiment glückte einen großen Erfolg. (1-295) *Das Experiment glückte sich zu einea guten Ausgang. (1-296) *Das Experiment glückte den Wissenschaftler in den siebten Hiamel. (1-297) *Aoalie errötete ein liebliches Erröten. (1-298) *Aaalie errötete den Grafen in die höchste Entzückung. Im Gegensatz zu den weiter oben genannten unakkusativischen Prädikaten ist auch keine Passivbildung möglich: (1-299) *Nach vielen Experimenten wurde endlich geglückt. (1-300) *Bei der beutigen Technik glückt es sich viel leichter als früher. (1-301) *Im 18. Jahrhundert wurde oft errötet. (1-302) ??In den Romanen des 18. Jahrhunderts wird ungeheuer viel errötet. Die Beispiele zeigen, daß bei denjenigen einstelligen Verben, deren Subjektsausdruck sich wie der Subjektsausdruck typischer transitiver Verben verhält, 8 2 in allen Fällen auch noch ein zusätzlicher Objektsausdruck hinzugefügt werden kann, so daß sich eine Obereinstimmung mit dem prototypischen transitiven Muster ergibt. Bestimmte unakkusativische Verben lassen sich so uminterpretieren, daß sie ebenfalls transitiv verwendet werden können. 1.5.3.7.4.1 Die Akkusativ-MP als 'Subjekt 1 des prädikativen Zusatzes Die prädikative Konstruktion entspricht bei Verben wie arbeiten der 'fehlenden* Akkusativ-NP. Das ist allerdings nicht in dem Sinn zu verstehen, daß sie einfach ein NP-Aquivalent ist. Die Kombination aus Akkusativ-NP und prädikativem Ausdruck entspricht syntaktisch nicht einem NP-Objekt. So ist sie nicht durch was oder wen erfragbar, also durch Frageausdrücke, die eine Akkusativ-HP-Stelle ausfüllen. Generell gibt 81 Das ist die eine Hälfte von 'Burzios Generalisierung'; vgl. z.B. Grewendorf (1986b: 4). Sie besagt, daß ein Verb, das seine Subjektposition nicht thematisch markiert, auch keine Akkusativmarkierung vergeben kann; die andere Richtung, daß nämlich bei vorhandener Akkusativmarkierung die Subjektposition thematisch markiert sein muß, ist von vornherein problematisch: Im folgenden Beispiel müßte dem es eine thematische Rolle zugewiesen werden. (i) Es gibt keinen Gerstensaft auf Hawaii. 82 Er kann bei Passivierung zum Verschwinden gebracht werden und ist in den oben untersuchten Objekttypischen 1 Konstruktionen (z.B. NP-Aufspaltung in 1.5.3.4) kaum verwendbar.

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es keinen v-Ausdruck, der für diese Kombination stehen könnte. Auch die koordinative Verknüpfung mit eindeutigen NP-Objekten ist verboten: (1-303) *Graf Fulk trinkt Vein und die Familie arm. Das 'Subjekt* der prädikativen Konstruktion verhält sich dagegen syntaktisch in mancher Beziehung wie ein NP-Objekt. Es ist nicht nur akkusativisch markiert, sondern auch ohne weiteres durch die entsprechenden ir-Ausdrücke wer oder was erfragbar: (1-304) Wen bat er arm/in den Ruin getrunken? Außerdem kann es genauso wie andere 'strukturell' akkusativisch markierte NPn bei Passivierung des Verbs zum nominativisch markierten Subjekt werden. (1-305) Binnen kurzem wurde von Graf Fulk die Familie arm getrunken. Auf der anderen Seite darf die akkusativisch markierte NP, auch wenn sie in ihrem syntaktischen Verhalten einer Objekts-HP gleicht, nicht als Füller einer Argumentstelle des Verbs - d.h. als auch semantisch von diesem abhängig - verstanden werden. Es können nämlich sämtliche Selektionsrestriktionen bezüglich der Objekts-Argumentstelle verletzt werden, ohne daß sich Inakzeptabilität ergibt. Dafür gelten natürlich die Selektionsrestriktionen, die vom prädikativen Ausdruck ausgehen - so daß etwa das obige Beispiel (1-303) nicht in dem Sinn verstanden werden kann, daß Vein und die Familie das komplexe 'Subjekt' der prädikativen Konstruktion darstellt. Wenn die Akkusativ-NP keine Argumentstelle des Verbs besetzt, stattdessen nur Argument des prädikativen Ausdrucks ist, hat das natürlich auch zur Folge, daß dieser auf keinen Fall weggelassen werden darf. Auch dessen Austausch durch einen r-Ausdruck ist kaum möglich, da ein solcher anscheinend in diesem Kontext nicht als Ersatz für ein angemessen interpretierbares Prädikativum verwendet werden kann; vgl. den folgenden Gegensatz: 83 (1-306) Was ist/wird/bleibt seine Familie? (1-307) *Was trinkt er seine Familie? (1-308) *Vie/Vohin/In welchen Zustand trinkt er seine Familie? Weder verhält sich also eine solche prädikative Konstruktion insgesamt wie ein NP-Objekt, noch ist in den untersuchten Fällen ihr 'Subjekt* ein Argument des 83

Vie ist zwar im Prinzip möglich, aber ganz offensichtlich muß in den hier zur Debatte stehenden Konstruktionen ein Prädikativum in seiner Semantik spezifisch genug sein, um die markierte absolute Lesart des Verbs zu erzwingen. Es genügt nicht, daß eine Akkusativ-NP die Selektionsrestriktionen der transitiven Lesart verletzt, um sie als Nicht-Argument bezüglich des Verbs werten zu können. In anderen Fällen kann wie natürlich als 'Füller* für die Stelle eines prädikativen Ausdrucks oder eines V x -Modifikators verwendet werden.

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'einbettenden Satzes'. Es erhält lediglich die akkusativische Markierung vom Verb. Andererseits verhindert, wie bereits erwähnt, die Vergabe der Akkusativmarkierung an dieses Nicht-Argument, daß noch ein echtes Argument angeschlossen werden könnte; vgl. noch einmal das folgende Beispiel: (1-309) *Graf Fulk bat den Veltliner seine Familie arm getrunken. Es scheint, daß in den hier interessierenden Fällen immer die absolute Verb-Lesart gewählt wird, bei der die Argumentstelle, die durch eine NP zu besetzen ist, völlig 'inkorporiert' wird, so daß nur noch die ganz globalen semantischen Charakteristika eines Objekts der Handlung' erschlossen werden können, wie sie sich z.B. auch im Wirken der Selektionsrestriktionen manifestieren, möglicherweise vermehrt u· kontextbedingte zusätzliche globale Merkmale, wie hier bei trinken (es kann üblicherweise eine Unterart des Trinkens erschlossen werden, nämlich das Trinken von alkoholischen Flüssigkeiten). Absolut ist die Lesart allerdings nur, wenn sie mit der NP-Objekts-Lesart verglichen wird. Hie im folgenden zu zeigen versucht wird, ist die prädikative Konstruktion selbst als eine Art Objekt, nur eben nicht von der Kategorie NP, zu verstehen. Festzuhalten ist auf jeden Fall folgendes: Die Möglichkeit, eine akkusativische Markierung (als 'strukturelle' Kasusmarkierung, die z.B. bei Passivierung durch den Nominativ ersetzt werden kann) zu vergeben, fällt nicht zusammen mit der Eröffnung einer 'direkten' Objekts-Argumentstelle, die von einer NP zu besetzen ist (das ist natürlich keine neue Erkenntnis, sondern findet sich z.B. auch in zahlreichen Arbeiten im GB-Rahmen ausgeführt). Zwar muß ein Ausdruck, der eine solche Objektsstelle füllen soll, akkusativisch markiert werden (in den GB-Theorien wird er ansonsten durch den Kasusfilter ausgeschlossen), aber nicht jede 'strukturell' akkusativisch markierte NP ist als Argument zu deuten, selbst wenn das Verb im Prinzip eine 'direkte' Objekts-Argumentstelle eröffnen kann. Andere Konstruktionen, z.B. die A.c.I.-Konstruktionen, sind ebenfalls so zu analysieren, daß das 'einbettende' Verb ein Nicht-Argument akkusativisch markiert (vgl. zu diesen Objektsprädikat'-Konstruktionen die Beobachtungen in Pütz (1982), sowie Pütz (1988)). Für Verben wie arbeiten bedeutet das, daß sie zwar keine Objekts-Argumentstelle haben (höchstens eine etwas seltsame notwendigerweise 'inkorporierte', die niemals durch einen selbständigen Ausdruck besetzt werden kann, obwohl dies nicht prinzipiell durch fehlende Kasusmarkierbarkeit begründet ist), daß sie aber die Fähigkeit besitzen, eine NP akkusativisch zu markieren. In diesem Punkt gleichen sie sich dem Muster der typischen 'transitiven Verben' an. Hie es scheint, können auch manche zweistelligen Verben mit Dativobjekt das 'Subjekt' einer prädikativen Konstruktion akkusativisch markieren.

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(1-310) Die Favoritin schmeichelte die Gefangenen frei. Das Dativobjekt ist dann allerdings kaum zu realisieren - eine zusätzliche dativisch markierte NP wird im Zusammenhang mit der prädikativen Konstruktion als Träger einer 'benefaktiven' Rolle interpretiert. (l-310a) Die Favoritin schmeichelte dem König die Gefangenen frei. Wahrscheinlich mufi man hier also von einem einwertigen Verb ausgehen, so dafi sich schmeicheln wie arbeiten verhält. Ahnliches gilt, wenn das zweiwertige Verb ein Präpositionalobjekt regiert. (1-311) Graf Fulk streitet/prozessiert seine Familie arm. Eine zusätzliche personenbezogene ait-Phrase wird hier 'komitativ' ('zusammen m i t ' ) interpretiert. (l-311a) Graf Fulk prozessiert mit Graf Falk seine Familie arm. Bei zweiwertigen nicht akkusativmarkierenden Verben, die keine absolute Verwendung zulassen, sollte dann keine prädikative Konstruktion der hier interessierenden Art angeschlossen werden können. Das scheint auch der Fall zu sein. (1-312) *Graf Fulk front (dem Alkohol) seine Familie arm. Tatsächlich gilt diese Einschränkung aber wohl auch für akkusativmarkierende Verben. (1-313) Graf Fulk spendet/*unterstützt seine Familie arm. Nur spenden läßt die absolute Verwendung zu. Der Grund dafür kann übrigens nicht darin liegen, dafi die obligatorische Akkusativ-NP bei unterstützen kein 'direktes Objekt 1 ist; die Einfügbarkeit einer Dativ-NP - auf die Bedingungen für die Einfügbarkeit wird gleich eingegangen - spricht jedenfalls dagegen: (l-313a) Der Graf unterstützt dem Dichter die Familie. Auch an irgendwelchen semantischen Unverträglichkeiten kann die Inakzeptabilität nicht liegen: (l-313b) *Der König unterstützte den Sänger steinreich. Vorbedingung für die Zulässigkeit der hier interessierenden Konstruktion ist also, daß als einziger Argumentausdruck ein 'transitives' Subjekt vorhanden ist. Die Akkusativmarkierung scheint dann in dem Sinn eine 'strukturelle' Markierung zu sein, dafi sie im Prinzip von allen einwertigen oder zumindest einwertig verwendbaren Verben vergeben werden kann, deren Subjekts-Argumentstelle in ihrer Rollencharakteristik der Subjekts-Argumentstelle von prototypisch transitiven Verben hinreichend ähnlich ist. Die hier untersuchten prädikativen Konstruktionen, deren 'Subjekt' akkusativisch markiert wird, füllen zwar keine NP-Argumentstellen, wie es bei den transitiven Verben der Fall ist, sie entsprechen aber den effizierten Objekten der

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hochtransitiven Strukturen insofern, als sie (meistens auf einen Endpunkt gerichtete) Prozesse bezeichnen, die durch diejenige Handlung verursacht werden, die von der 'einbettenden Struktur' bezeichnet wird. Sie sind Argumente, allerdings nicht von der Form einer NP. 1.5.3.7.4.2 Dativ-NPn in transitiven Strukturen Für die eben vorgestellte Analyse spricht, daß beim Vorhandensein solcher prädikativer Strukturen im Prinzip auch eine 'strukturelle' Dativmarkierung vergeben werden kann, die die NP-Realisierung von Ausdrücken mit einer 'bene/malefaktiven' thematischen Rolle gestattet. 64 Anscheinend führt nämlich die Einfügung solcher Dative bei nicht unakkusativischen Verben, also den transitiven Verben und den ihnen in der vergebenen Subjektsrolle ähnlichen Verben, sehr häufig nur dann zu völlig akzeptablen Ergebnissen, wenn auch tatsächlich eine Akkusativ-NP vorhanden ist: (1-314) Salome tanzt *dem Herodes/für den Her ödes. (1-315) Saloae tanzt dem Herodes/für den Herodes den Schleiertanz. (1-316) Siegfried wirft *den> Günther/für Günther. (1-317) Siegfried wirft dem Günther/für Günther den Stein. (1-318) Hirne schmiedet *seinen Bruder/für seinen Bruder. (1-319) Hiae schmiedet seinem Bruder/für seinen Bruder eine Tarnkappe. (1-320) Siegfried lauert *dem Mime/für Mime auf den Drachen. In seltenen Fällen kann diese Regel allerdings durchbrochen werden, ohne daß man annehmen könnte, daft die Dativ-NP keine 'freie' Bene/Malefaktiv-Rolle hat: (1-321) Rahel kocht dem Isaak (zwei gute Böcklein). (1-322) Die Geißlein öffneten dem Wolf (die Tür). Da der Ausdruck, der die Objekt-Argumentsteile besetzt, im allgemeinen auch als Passiv-Subjekt auftreten darf, ist die Regel allerdings allgemeiner zu formulieren, nämlich so, daß ein entsprechender (logischer Objekt-)Ausdruck realisiert werden muß, egal mit welchem der beiden 'strukturellen' Kasus Akkusativ oder Nominativ.* 9 (1-323) Dem Alberich wurde eine Tarnkappe geschmiedet. (1-324) Dent Herodes wurde der Schleiertanz getanzt. 84 Vgl. zu diesem Dativus (in)commodi die entsprechenden Abschnitte in Vegener (1985). 85 Da also die Realisierung eines Ausdrucks relevant ist, der einem 'transitiven Objekt' entspricht, ist zu erwarten, daß einstellige unakkusativische Verben derartige Dative zulassen; in Grewendorf (1983: 166) werden solche Dative daher auch als Test für Unakkusativität verwendet.

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In allgemeinen gilt also, daß eine 'strukturelle' Dativmarkierung bei diesen Verben nur dann vergeben werden kann, wenn auch eine Akkusativmarkierung (oder eine passivbedingte Nominativmarkierung) realisiert wurde. Die Bedingung ist natürlich keine hinreichende. Vegener nennt z.B. als weitere generelle Bedingung, daß zwischen dem Referenten einer 'anderen', für die Realisierung der Dativ-NP notwendigen NP/PP und dem Referenten dieser Dativ-NP eine bestimmte Relation bestehen muß: "Für einen großen Teil aller Dativkonstruktionen ist dies eine Haben-Relation." (Wegener 1985: 87); daher die unterschiedlichen Interpretationen bei: (1-325) Lola Montez hebt dem König/für den König die Röcke. Das Bestehen einer solchen Relation ist prototypisch, scheint allerdings noch nicht die Zulässigkeit einer Dativ-NP zu garantieren: Wird im obigen Beispiel (1-320) lauern durch belauern ersetzt, dann ist c-ine Dativ-NP akzeptabler, ohne daß sich eine möglicherweise vorhandene Haben-Relation zwischen Mime und dem Drachen entsprechend deutlich geändert haben sollte. Dafür ist in diesem Fall eine Akkusativ-NP vorhanden, also die Kasusbedingung erfüllt. Die Annahme ist ganz plausibel, daß die bene/malefaktive thematische Rolle die zentrale Zusatzrolle in den prototypischen hochtransitiven Strukturen ist: Der entsprechende Partizipant steht zwar außerhalb der Handlung selbst; 87 deren Resultat - im prototypischen Fall das Versetzen einer Entität in einen bestimmten Zustand - kann aber doch auf ihn bezogen werden. Vgl. bei Wegener das Prinzip, daß "ein Dativ nur dann gebraucht wird, wenn das Verb bzw. das komplexe Prädikat aus Verb und primärer Ergänzung ein Geschehen bezeichnet, das 1. ein für den Betroffenen relevantes Resultat zeitigt oder 2. selbst ein solches Resultat darstellt" (Wegener 1985: 71). Die hier interessierenden prädikativen Strukturen lassen nun aber ebenfalls derartige dativisch markierte Ausdrücke mit einer bene/malefaktiven thematischen Rolle zu; vgl. oben (l-130a) und die folgenden Beispiele: (1-326) *Graf Fulk trinkt seinem Freund. (1-327) Graf Fulk trinkt seinen Freund die Familie arm. (1-328) *Gustav arbeitet seiner Familie. (1-329) ?Gustav arbeitet seiner Familie den Betrieb schuldenfrei. (1-330) *Gustav qualmt ihm. (1-331) Gustav qualmt ihm die Bude voll. 86 Eine Rolle könnte allerdings spielen, daß nur lauern eine nicht-referentielle Lesart des Objekts zuläßt und somit weniger resultativ zu interpretieren ist als belauern. 87 Sein Auftreten ist auch nicht konstitutiv für das Zustandekommen der Handlung wie beim prototypischen 'Adressaten' einer Handlung.

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Die bisherigen Beispiele zeigen allerdings nur, daß eine akkusativisch (oder bei Passiv nominativisch) markierte NP vorhanden sein muß, und nicht, daß die prädikative Konstruktion insgesamt wie ein Objekts-Argument zu verstehen ist. Eine Entscheidung über einen solchen mit einem NP-Objekt äquivalenten Status ergäbe sich jedoch aus der Zu- oder Unzulässigkeit von Fällen, bei denen das akkusativisch markierte 'Subjekt' der prädikativen Konstruktion nicht realisiert ist, ohne daß gleichzeitig die Dativ-NP durch eine PP ersetzt wird. In den bisherigen Beispielen mit einem als Prädikativum verwendeten Adjektiv ist dessen 'Subjekt' nicht weglaßbar - es sei denn, der prädikative Ausdruck läßt eine geeignete Uminterpretation als V x -Modifikator oder subjektbezogenes Prädikativum zu. (1-332) *Graf Fulk trinkt arm. (1-333) Gustav raucht (die Bude) stinkig. (1-334) Kolbe rudert (die Muskeln) locker. (1-335) Die Quelle plätscherte (wich) aunter. Als prädikativer Ausdruck sind aber auch als Richtungsadverbiale zu interpretierende PPn zulässig. In selbständigen prädikativen Strukturen wäre dabei konnten vielleicht auch noch ein paar ähnlich inhaltsarme Verben wie gelangen - das passende Kopulaverb (ohne Festlegung einer Subjektsrolle, aber mit einer Richtungskomponente als Bedeutungsbestandteil). es Die kopulalose prädikative Konstruktion mit einem Richtungsadverbiale kommt auch selbständig vor - mit einer spezifischen Interpretation. Die 'freie' Kasusmarkierung ist dabei akkusativisch und nicht nominativisch, obwohl kasusindifferente Formen wohl bevorzugt werden. Der 'freie' Akkusativ könnte in Analogie zu parallelen verbhaltigen Konstruktionen gebildet sein. 88 Man denke an: (i) Der Rauch kommt aus dem Ofen. (ii) Er kommt ins Kittchen, vs. Er ist im Kittchen. (iii) Vie kommt das Haar in die Suppe/der Spinat aufs Dach? Oder speziellere Konstruktionen mit einem übertragenen Begriff der Richtung: (iv) Er kommt zu Tode. (v) Er kommt in die Bredouille. vs. Er ist in der Bredouille. (vi) Er kommt in Form. vs. Er ist in Form. Offensichtlich läßt sich kommen auch statt sein als Perfekt-Hilfsverb verwenden, wenn das Vollverb eine Richtungskomponente enthält: (vii) Er kommt/ist gelaufen. (viii) Er *kommt/ist verblichen. l» letzten Beispiel ist kommen in der Hilfsverblesart ungrammatisch. Vielleicht ist kommen weniger 'hilfsverbartig' als sein, da es nur mit richtungsbestiuten Verben verbunden werden kann (vgl. zu dieser Graduierung Reis (1976b: 7 9 f . ) ) . Aber auch für sein ist zumindest in der kopulativen Verwendung eine Lokalitätskomponente anzunehmen (vgl. zu Prädikativen auch Steinitz (1989)): (ix) *Er ist ins Kittchen.

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(1-336) Den/??Der Ketzer auf den Scheiterhaufen! (1-337) Den/??Der Finger aus meiner Nase! (1-338) Mehr Frauen in den Bundestag! üblicher dürfte es sein, statt einer NP eine mit-PP zu verwenden, so daß kein 'freier' Kasus mehr vorhanden ist (vgl. zu dieser Konstruktion Fries (1983)); allerdings ist eine Umformung (aufgrund syntaktischer Beschränkungen und einer spezifischeren Interpretation der ait-Konstruktion) nicht immer möglich. (1-339) Auf den Scheiterhaufen mit dem Ketzer1. (1-340) In den Bundestag mit *mehr/den Frauen! Beispiele für eingebettete Prädikativkonstruktionen mit direktionaler PP finden sich bei passenden transitiven Verben: (1-341) Die Hexe lockt die Kinder ins Pfefferkuchenhaus. (1-342) Der Minister lobt seinen Staatssekretär aus dem Ministerium. In bestimmten Fällen ist nun die Akkusativ-NP weglaßbar. Trotzdem kann eine dativische NP mit bene/malefaktiver thematischer Rolle eingefügt werden. 89 89

Ganz ähnlich sind die unakkusativischen Bewegungsverben in der Analyse von Grewendorf (1986b: 15ff.) und Hoekstra (1984: 2 4 2 f f . ) für eine 'small clause' mit direktionaler PP als 'Kern' subkategorisiert; das 'Subjekt' der small clause erhält aufgrund der Unakkusativität des 'einbettenden' Verbs nominativische Markierung. Auch in diesem Fall darf eine Dativ-NP eingefügt werden - wie zu erwarten ist, wenn nur die Realisation eines (logischen) Objekts-Ausdrucks von Belang ist. (i) Dem Binterleitner ist der neue Mercedes in die Odelgrube gekippt. Eine Besonderheit findet sich bei den 'Verben der Körperberührung und Körperverletzung' (vgl. Vegener 1985: 1 6 7 f f . ) , die statt einer Dativ- auch eine Akkusativ-Realisierung einer 'Betroffenen'-HP zulassen, (ii) Der Vorstopper tritt dem/den Mittelstärmer in die Waden. Die Akkusativ-NP bezeichnet hier gerade nicht die Entität, die in die von der PP bezeichnete Richtung in Bewegung gesetzt wird, sondern den 'Empfänger' einer Berührung oder Verletzung, wie die parallele Dativ-NP auch. Da keine andere Akkusativ-NP vorhanden ist, kann die 'Empfänger'-NP anscheinend als direktes Objekt behandelt werden. Die akkusativische Konstruktion ist allerdings nicht einmal bei allen Verben möglich, die als solche der 'Körperberührung' interpretiert werden können, nämlich nicht bei unakkusativischen Verben, die bestenfalls sehr begrenzt Akkusativ-NPn, z.B. als innere Objekte, zulassen, (iii) Der Vorstopper springt/donnert/kracht dem/*den Mittelstürmer in die Waden. Von Wegener werden auch (nicht unakkusativische) Verben genannt, die die früher mögliche markierte akkusativische Konstruktion inzwischen nicht mehr zulassen. Die Konstruktion ist also sicher ein ganz markierter Sonderfall. Ein etwas ungewöhnlicher Fall ist übrigens auch helfen, das mit einer direktionalen PP verbunden werden kann. (iv) Tellheim hilft dem Fräulein in die Kutsche/in den Mantel. Die Dativ-NP bei helfen entspricht nicht den 'freien' strukturellen Dativen, die neben den 'prädikativen Objekten 1 als eine Art zweites Objekt auftauchen dürfen; da allerdings auch helfen absolut verwendbar ist, könnte es sein, daß die beiden Typen von Dativ-NPn nicht hinreichend unterscheidbar sind.

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(1-343) *Kaspar spuckte den Balthazar. (1-344) Kaspar spuckte dem Balthasar in die Suppe. (1-345) *Herr Brösele kotzte seiner Tischnachbarin. (1-346) Herr Brösele kotzte seiner Tischnachbarin in den Ausschnitt. (1-347) *Der Unterleitner odelt dem Hinterleitner. (1-348) Der Unterleitner odelt dem Hinterleitner auf den neuen Mercedes. Daß dabei die von Wegener hervorgehobene Haben-Relation keine Rolle spielen kann, sieht man, wenn das direktionale Prädikativum durch eine Lokalangabe ersetzt wird. (1-349) Kaspar spuckte dem Balthasar ins Zimmer/*im Zimmer. (1-350) Man pinkelt seinem Gastgeber nicht ins Schwimmbecken/*im Schwimmbecken. Wenn man die Haben-Relation als grundlegend ansieht, dann ist unklar, wieso sie im einen Fall besteht und im anderen nicht. Entscheidend für die Zulässigkeit der Dativ-NP ist vielmehr, daß das direktionale Prädikativum und sein 'mitverstandenes Subjekt' die Stelle eines Objekt-Arguments einnehmen, die Lokalangabe dagegen die dativ-unverträgliche absolute Interpretation des Verbs nicht aufhebt. Daß als sekundärer Effekt der Referent einer NP, die in einer solchen direktional zu interpretierenden PP eingebettet ist, aufgrund seiner Integration in den 'zentralen Sachverhalt' eine erschließbare Haben-Relation zum Referenten der Dativ-NP eingeht, ist natürlich möglich; Vorbedingung ist dann jedenfalls die Einbettung in ein solches Objekt'. Auch aufgrund der Zulässigkeit einer Dativ-NP läßt sich demnach schließen, daß die hier interessierenden prädikativen Konstruktionen als Besetzung der Objektstelle aufzufassen sind. Einstellige Verben mit einem Subjektsausdruck, der in seinen rollensemantischen Eigenschaften den Subjektsausdrücken in typischen transitiven Strukturen gleicht, sind also zwar nicht immer durch ein NP-Objekt zu erweitern, aber zumindest durch eine prädikative Konstruktion, deren 'Subjekt' sie akkusativisch markieren, so daß sie sich auch bezüglich einer ObjektStelle den transitiven Verben angleichen. Einstellig verwendbare Verben, deren Subjektsrolle keine 'transitiven 1 Subjekts-Eigenschaften aufweist und die auch nicht in diesem Sinn uminterpretierbar sind (z.B. stinken vs. riechen), lassen dagegen keine Objekts-Erweiterung zu, selbst wenn es sich nicht um ergative Verben mit sein als Perfekthilfsverb handelt. (1-351) ??Der Käse stank einen fürchterlichen Gestank. (1-352) Der Käse hat alle Gäste aus dem Haus/bewußtlos ?gestunken/*gerochen. (1-353) *Der Schweinsbraten hat die Maria selig/in den siebten Himmel geschmeckt.

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(1-354) *Das neue Stück von Bernhard hat die Zuschauer zufrieden gefallen. Die Unmöglichkeit der Anfügung eines 'prädikativen Objekts' bei dieser spezifischen Art von intransitiven Verben scheint mir eine prinzipielle zu sein, wenn die Anfügung auch ganz allgemein bestimmten inhaltlichen Beschränkungen unterliegt. 1.5.3.7.4.3 Zur Interpretation der 'transitivierenden' Prädikativa

Während die Akkusativ-NP nämlich nur die Selektionsrestriktionen des prädikativen Ausdrucks zu erfüllen braucht, muß die gesamte prädikative Konstruktion in einer passenden inhaltlichen Beziehung zum 'einbettenden' Teil des Gesamt-Satzes stehen: Die vom Restsatz bezeichnete 'Handlung' (Handlung im weitesten Sinn, da auch unbelebte 'Kräfte' auftreten können) und der von der prädikativen Konstruktion bezeichnete Prozeß (meistens mit einem Endzustand) sind miteinander kausal verknüpft, der Prozeß/Endzustand ist Resultat der 'Handlung*. Ist aufgrund des Weltwissens keine sinnvolle Kausalbeziehung rekonstruierbar, so entstehen semantische Anomalien. (1-355) Kaspar ißt den Teller leer/*voll. (l-355a) Kaspar ißt sich den Bauch *leer/voll. (1-356) Kaspar kauft die Regale leer/voll. Im letzten Beispiel handelt es sich bei den Regalen um die Lagerplätze der gekauften Dinge vor bzw. nach dem Kauf. Daß es immer zu einer resultativen/konsekutiven Interpretation kommt, wenn die Akkusativ-NP Selektionsrestriktionen des 'einbettenden* Verbs verletzt und damit nur 'Subjekt' des angeschlossenen Prädikativums sein kann, läßt sich vielleicht durch einen allgemeinen ('ikonischen') Interpretationsmechanismus erklären: Die enge syntaktische Verknüpfung der prädikativen Struktur mit dem 'einbettenden' Teil des Gesamtsatzes hat notwendig eine inhaltliche Beziehung zur Folge. 90 Der Prozeß, der von der 'abhängigen' prädikativen Struktur bezeichnet wird, wird auch inhaltlich als abhängig gewertet und die prototypische Beziehung zwischen einem abhängigen Prozeß und einer (relativ) unabhängigen Handlung ist ein direktes Ursache-Wirkung-Verhältnis. Möglicherweise wird diese Interpretation aber auch dadurch erzwungen, daß die prädikative Struktur die Stelle eines Objekts nach einem Handlungsverb einnimmt. Die durch das jeweilige Verb ausgedrückte spezifische Beziehung zwischen 90 Um Schlußfolgerungen allein auf der Grundlage von Konversationsmaximen kann es sich wegen der Unaufhebbarkeit der Schlüsse allerdings nicht handeln.

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Subjekts- und Objektsdenotat ist aufgrund der absoluten Verwendung des Verbs nicht mehr frei verfügbar. Daher wird zur Interpretation die Beziehung der unmittelbaren Einwirkung herangezogen, die die prototypischen transitiven Strukturen charakterisiert. 1.5.3.7.4.4 Resultative Prädikative und Zustandsprädikative in transitiven Strukturen Die resultative Interpretation tritt allerdings nicht bei allen unselbständigen prädikativen Strukturen auf. Auf der einen Seite findet sie sich nicht, wenn das einbettende Verb kein Handlungsverb ist, also z.B. bei den A.c.I.-Wahrnehmungsverben wie sehen und bei Verben wie glauben, finden, usw. (vgl. die Auflistung bei Pütz (1982: 3 5 4 f . ) ) . Auf der anderen Seite fehlt sie auch, wenn das 'Subjekt 1 eines angeschlossenen Prädikativums syntaktisch als das direkte Objekt des 'einbettenden' Verbs zu interpretieren ist: Das Prädikativum bezeichnet in diesen Fall einen Zustand des Objektsdenotats. Die Akkusativ-NP verhält sich z.B. in Bezug auf Selektionsrestriktionen wie ein echtes Objekt, gleichzeitig entfällt der Zwang, eine sinnvolle kausale Beziehung zu rekonstruieren: (1-357) Graf Fulk trinkt seinen Vein lauvara. Bei eine· Verstoß gegen Selektionsrestriktionen muß eine sinnvolle konsekutive Interpretation möglich sein. (1-358) Graf Fulk trinkt sein Glas leer/*voll. Allerdings darf auch ein Zustandsprädikativum nicht völlig frei angeschlossen werden, sondern es Bussen zwischen dem 'Kern-Sachverhalt' und dem zusätzlichen Zustand, in den sich das an diesem Sachverhalt beteiligte Objektsdenotat befindet, bestirnte inhaltliche Verträglichkeiten herrschen: (1-359) ??Graf Fulk trinkt seinen Vein rot. (1-360) Gustav bügelt seine Hemden feucht/*kariert. (1-361) Gustav kauft seine Hemden kariert. Offensichtlich »ufi der Zustand für den Kern-Sachverhalt relevant sein. Die spezielle Farbe als eine permanente 'notwendige' Eigenschaft des Weines ist an sich für den Trinkvorgang nicht relevant; da aber eine Relevanzbeziehung bestehen muß, wird die wenig sinnvolle Interpretation nahegelegt, daß dem Wein im Hinblick auf den Trinkvorgang eine bestimmte Färbung gegeben wird. Ebenso ist für die Handlung des Bügeins von Hemden deren Dauereigenschaft des Kariertseins nicht relevant; für den Kauf kann dagegen sowohl eine vorübergehende Eigenschaft, 9 1 wie auch eine permanente von Bedeutung sein. 91 Vgl.: (i)

Er kauft die Semmeln warm.

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Bezüglich des Prädikativums gehen vom übergeordneten Verb also ganz spezifische, von einem bestimmten Verwendungskontext weitgehend unabhängige semantische Restriktionen aus - ganz parallel zu denen, die für die möglichen Subjekts- und Objektsausdrücke gelten. Auch was die Art der prädikativ verwendbaren Ausdrücke angeht, zeigt sich ein Unterschied. Als Zustandsprädikativa sind u.a. Adjektive zulässig, aber auch Partizipien. (1-362) Ich habe das Gemälde ziemlich kaputt/zerstört gekauft. (1-363) Gustav bügelt seine Hemden trocken/getrocknet und nicht feucht. Bei den resultativen Konstruktionen ist dagegen die Verwendung der Partizipien ausgeschlossen. (1-364) Sie bombten die Stadt kaputt/*zerstört. (1-365) Gustav bügelt seine Hemden trocken/*getrockne t und flauschigweich. Ein weiterer Unterschied zwischen den resultativen Prädikativen und den Zustandsprädikativen zeigt sich im Zusammenhang von Fokussierungserscheinungen. Pütz (1982: 350f.) weist darauf hin, daß in dem folgenden Satz mit resultativem Prädikativum zwei Fortsetzungen möglich seien: (1-366) Die Kutter sagte, Susanne hätte den Teller beinahe leer gegessen. Einmal: (l-366a) .., aber glücklicherweise hätte sie ihn nicht gefunden Und ein andermal: (l-366b) .., aber glücklicherweise hätte sie dann doch noch etwas übriggelassen Die Akzentuierung wird nicht erwähnt, aber nur, wenn das Prädikativum leer einen Fokusakzent erhält, sind die erwähnten Fortsetzungen möglich. Diese zeigen, daß eine Fokusprojektion vom Prädikativum auf das infinite Verb gegessen möglich ist, da sonst der erste der beiden Folgesätze offensichtlich nicht zulässig wäre. Zum Vergleich ein Beispielsatz mit einem Zustandsprädikativum: (1-367) Die Mutter sagte, Susanne hätte die Milch beinahe eiskalt getrunken. Hier ist die Fortsetzung (l-367a) .., aber glücklicherweise hätte sie sie nicht gefunden höchstens dann zulässig, wenn nicht nur das Prädikativum akzentuiert wird, sondern auch das folgende Verb. Eine Fokusprojektion ist also hier nicht möglich. Ein weiteres Beispiel: (1-368) Gustav hat das Fleisch nicht nur KLEIN/in kleine ZyLINder geschnitten, sondern sogar geBRAten. (1-369) Gustav hat das Fleisch nicht nur ??ROH geschnitten/ROH geSCHNITten, sondern sogar geBRAten. Diese Beobachtungen bestätigen sich auch, wenn die Möglichkeiten einer noch umfangreicheren Fokusprojektion untersucht werden.

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(1-370)

Gustav bat nicht nur das FLEISCH klein geschnitten, sondern sogar EINgekauft. (1-371) ??Gustav hat nicht nur das FLEISCH roh geschnitten, sondern sogar Eingekauft. Nur ein Zustandsprädikativum blockiert also die Fokusprojektion, 92 nicht dagegen ein resultatives Prädikativum. Ein Zustandsprädikativum verhält sich in Bezug auf die Fokusprojektion auch nicht wie ein V x -Modifikator wie schnell, sorgfältig. Ein solcher Modifikator liegt im Fokusprojektionsbereich der modifizierten Konstituente; vgl. das folgende Beispielspaar: (1-372) Gustav hat das Fleisch nicht nur sorgfältig geSCHNITten, sondern sogar geVORZT. (1-373) ??Gustav hat das Fleisch nicht nur roh geSCHNITten, sondern sogar geWORZT.9* Ganz offensichtlich können die resultativen Prädikative enger mit dem Verb verbunden werden als die Zustandsprädikative. Das zeigt sich auch bei Nominalisierungen, die das Prädikativum niteinbeziehen. Zum einen sind solche mit Resultativum im allgemeinen akzeptabler: das Leeressen des Tellers (Resultat), ??das Kalttrinken der Milch (Zustand), das Kleinscbneiden/In-kleine-Zylinder-Schneiden des Fleisches (Resultat), ??das Rohschneiden des Fleisches (Zustand), ?das Armtrinken der eigenen Familie (Resultat), ??das Lauvaratrinken eines Spitzenireines (Zustand). Zum zweiten haben die resultativen Nominalisierungen die typische Akzentverteilung von Verbkomposita mit prominenterer erster Komponente; bei den Zustandsnominalisierungen muß dagegen auch das nominalisierte Verb deutlich hervorgehoben werden. Auch hier kann geschlossen werden, daß die engere Beziehung zum Verb die Kompositabildung erleichtert. Nur die resultativen Konstruktionen sind auch eine Quelle von lexikalisierten Bildungen wie totschießen, krankärgern. Zustandsprädikativum und (infinites) 'Matrixverb' zusammen ins Vorfeld zu stellen, führt zu nicht sehr akzeptablen Ergebnissen. 94 Auf jeden Fall ist wieder Doppelakzentuierung verlangt. (1-374) ??Roh schneiden Bussen Sie das Fleisch! (1-375) ??Wara> serviert bat er die Suppe noch nie. 92 Ein mehrteiliger Fokus, angezeigt durch die Nehrfachakzentuierung, ist dagegen auch hier zulässig. 93 Dieses Beispiel ist natürlich nur dann kaum akzeptabel, wenn rob nicht als V 1 -Modifikator ( ' i n roher Weise'), sondern als Zustandsprädikativum ('befindet sich in rohem Zustand') verstanden wird. 94 Dies ist zu erwarten, wenn die Eigenschaft, Fokus eines fokussierenden Ausdrucks sein zu können, im allgemeinen nur Konstituenten zukommt und gleichzeitig auch das Vorfeld im allgemeinen nur von Konstituenten besetzt werden kann; vgl. zu diesen beiden Konstituententests Primus (1987: 8 7 f f . ) .

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Bei den resultativen Prädikativa fällt diese Schwierigkeit fort. (1-376) Klein schneiden dürfen Sie das Fleisch erst nach dem Garen. (1-377) Jas Grab singen wird er mich noch! Die unterschiedliche Verbnähe spiegelt sich auch in der Reihenfolge wider, wenn beide Typen von Prädikativa zusammen vorkommen. (1-378) Gustav hat das Fleisch roh klein/*klein roh geschnitten. Entsprechend kann in diesem Fall auch ein Zustandsprädikativum auf einen Objektsausdruck bezogen werden, der nicht in den Selektionsrahmen des 'einbettenden' Verbs paßt. (1-379) Susanne ißt den Teller angewärmt leer. Ganz generell darf zwischen resultativem Prädikativum und dessen 'einbettendem' Verb kein weiterer Ausdruck stehen. (1-380) *Gustav hat die Tasse leer mit großen Schlucken getrunken. Weiter können nur Zustandsprädikativa auf einen Subjektsausdruck ihres 'Matrixverbs' bezogen werden; ein Subjektsbezug resultativer Prädikativa kann allerdings indirekt über Reflexivierung hergestellt werden: 'Subjekt' der prädikativen Konstruktion ist dann das reflexivierte Objekt, das wiederum auf das Subjekt als sein Antezedens bezogen ist. (1-381) Salome tanzte müde. (prädikative Interpretation nur als Zustand) (l-381a) Salome tanzte sich müde. (resultative Interpretation) Bei unakkusativischen Verben ist ein direkter Bezug der direktionalen PP auf die nominativisch markierte NP dagegen zu erwarten. (1-382) Er stürzte in den Graben. (1-383) Er erschrak zu Tode. Die resultative Interpretation hängt also auch von der Verbnähe ab - sie ist eine Folge der typischen Objektsrolleneigenschaften der gesamten prädikativen Konstruktion, auf die oben bereits hingewiesen wurde. Daß sich die resultative prädikative Konstruktion insgesamt rollensemantisch wie ein typisches transitives NP-Objekt verhält, bedeutet allerdings nicht, daß sie auch syntaktisch als eine Konstituente zu behandeln wäre. Während nämlich Frädikativum und 'Matrixverb', wie gezeigt, eine Konstituente bilden können, gilt das für das Prädikativum und sein 'Subjekt' nicht. (1-384) *Das Fleisch klein müssen Sie schneiden. Andererseits darf das regierende infinite Verb bei resultativer Interpretation (im Gegensatz zur Zustandsinterpretation) ebenfalls nicht allein im Vorfeld stehen ; vgl.:

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(1-385) ??Schneidea müssen Sie das Fleisch klein! vs. (1-386) Schneiden müssen sie das Fleisch roh! Diese Besonderheit zeigt, daß das resultativ interpretierte Prädikativum zum engeren Prädikatskomplex gehört, wie ihn z.B. auch Hilfs-, Modal- und A.c.I.-Verben zusammen mit den jeweiligen abhängigen Verben bilden. Es darf bekanntlich nicht ein Verb aus der Mitte eines solchen Komplexes ins Vorfeld gestellt werden, sondern die Topikalisierung muß zusammenhängende Stücke am linken Rand erfassen; vgl. dazu die folgende Struktur mit einem derartigen mehrfach gegliederten Prädikatskomplex und die unzulässigen und zulässigen Topikalisierungen. (1-387) Aristoteles hat Maria singen hören vollen. (1-388) *Hören hat er sie singen wollen. (1-389) Singen hat er sie hören trollen. (1-390) Singen hören hat er sie trollen. Die Topikalisierung darf nicht vom rechten Rand ausgehen. (1-391) *Wollen hat er sie singen hören. (1-392) *Hören wollen hat er sie singen. Auch diese Beschränkung folgt aus der allgemeineren, daß der Prädikatskomplex nicht in der Mitte durch Topikalisierung aufgebrochen werden darf. Wenn man nämlich davon ausgeht, daß sich das Finitum noch in irgendeiner Weise (z.B. über eine Spur a la 6B oder eine Hierarchie von Ausdrücken mit Finitumslücke ä la GPSG) an seiner strukturellen Ursprungsposition am Ende des Verbkomplexes bemerkbar macht," dann ist auch die Topikalisierung des letzten infiniten Verbs ein verbotenes Aufbrechen des Prädikatskomplexes. Daß das regierende Verb eines resultativen Prädikativums nicht ohne dieses topikalisiert werden darf, folgt dann, wenn man annimmt, daß die beiden einen Prädikatskomplex bilden. Die Verwandtschaft mit A.c.I.-Konstruktionen besteht dann nicht nur im Bereich der akkusativischen Markierung eines Nicht-Objekts durch das 'Matrixverb'. Alles deutet also darauf hin, daß 'Matrixverb' und resultatives Prädikativum Oberflächen-syntaktisch sehr eng miteinander verbunden sind. Sie gehören 95 Die Voranstellung des Finitums in Letzt-Position, wie sie bei Ersatzinfinitiven vorkommt, ist eine lokale Umstellung innerhalb des Prädikatskomplexes, von der anzunehmen ist, daß sie nur stattfindet, wenn das Finitum seine Ursprungsposition nicht in Richtung auf die COMP-Position (Verb-Erst-/VerbZweit-Position) verlassen hat. (i) weil er sie bat singen hören wollen (Zu Ersatzinfinitivkonstruktionen vgl. z.B. Edmondson (1980); Grewendorf (1988: 2 6 7 f f . ) ; Kohrt (1979); Lange (1982).)

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beide zu einem einzigen Prädikatskomplex. Vorbedingung für die Komplexbildung ist, daß das Prädikativum zu einem verbnahen und damit prinzipiell inkorporierbaren Objekt' gehört. 1.5.3.7.4.5 Prädikative in transitiven Strukturen: semantische Selektion, Restrukturierung und Kasusmarkierung In einer rollen- und selektionssemantischen Struktur wird für ein Objektsargument festgelegt, ob es vom propositionalen (semantischen) Typ sein kann oder sein muß. Generell hängt dann die syntaktische Erscheinungsform zunächst davon ab, ob das regierende Verb auch syntaktisch eine Komplementiererphrase (d.h. einen Verb-Letzt-Satz; bzw. eine entsprechende Infinitivphrase oder einen VerbZweit-Satz) zuläßt. Ist das nicht der Fall, dann kann die Proposition nicht in der Form einer maximalen Projektion erscheinen. Sie wird damit 'restrukturierbar'. Insbesondere können das regierende Verb und der abhängige prädikative Ausdruck unter der Bedingung der Adjazenz zu einem umfangreicheren prädikativen Komplex zusammengefaßt werden. 96 Das neue komplexe Prädikat übernimmt bestimmte semantische und syntaktische Rektionseigenschaften der Teilkomponenten. Bei den resultativen Konstruktionen stammen die Selektionsrestriktionen bezüglich des Objekts des komplexen Prädikats vom Prädikativum, die Kasusmarkierung vom 'Matrixverb'. 9 7 Die Umstrukturierung hat dann zur Folge, daß das 'Subjekt' der prädikativen Konstruktion zum passivierbaren Objekt des komplexen Prädikats wird; es bildet syntaktisch mit dem Prädikativum keine Konstituente. Die enge Bindung von Prädikativum und 'Matrixverb' ist auch der Grund dafür, daß das letztere die Form des ersteren bestimmen kann - durch den Ausschluß von prädikativisch verwendeten echten Partizipien. Warum diese ausgeschlossen werden müssen, ist allerdings 96 Das zu bei bestimmten kohärenten Infinitivphrasen - z.B. nach scheinen wird offensichtlich nicht mehr als 'Komplementiererreflex' gewertet und führt daher ebenfalls notwendig zur 'Restrukturierung' (vgl. unten 2.2.2.2.4). Die Kopulaeinsetzung bei nicht-verbalen prädikativen Ausdrücken, also z.B. prädikativen Adjektiven, hängt vom Vorhandensein eines Komplementierers ab, wie auch die resultativen Konstruktionen durch das Fehlen beider zeigen. Eine Ausnahme sind bestimmte restrukturierende Verben wie scheinen und das 'adhortative' haben: (i) Er scheint krank (zu sein). (ii) Ein Indianer hat tapfer zu sein. 97 Generell stammt nur die Kasusmarkierung des 'Subjekts' der 'eingebetteten' Proposition von außen. Wie sonst die Finitheitsmerkmale so sorgt hier das 'regierende' Verb für die notwendige Kasusmarkierung.

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nicht ganz klar. Zunächst läßt sich an folgende Erklärung denken: Die Prädikatskomplexbildung gleicht der Verbkomplexbildung, die sich bei Hilfs- und Modalverben findet. Die abhängigen Verbalausdrücke müssen bei diesen immer in einer bestimmten infiniten Form erscheinen. So fordern die Perfekthilfsverben - abgesehen von Ersatzinfinitiv-Konstruktionen - das Partizip Perfekt als Verbform. Bei der 'Einbettung' eindeutiger Perfektpartizipien wären danach Verben wie bomben, essen usw. als Hilfsverben zu verstehen, was sie natürlich nicht sind. Allerdings paßt diese schöne Erklärung nicht, wenn man auch andere Restrukturierungsverben betrachtet, die ohne Zweifel anders als die Hilfsverben eine spezifische Eigensemantik besitzen. (1-393) Der Kaiser sah Deutschland von einer Veit von Feinden umringt. (1-394) Othello glaubt sich betrogen. Immerhin läßt auch das kausative lassen keine Partizipeinbettung zu, so daß die Beschränkung etwas mit der Resultativität zu tun zu haben scheint. Der neugebildete Prädikatskomplex hat also folgende Struktur: [[ ] [ ß v ] v ] , wobei XP für eine Adjektivphrase, eine Nominalphrase oder eine Präpositionalphrase, also die als Prädikativa verwendbaren maximalen Projektionen mit Adjektiven, Nomina oder Präpositionen als Köpfen, stehe. Wenn ein Nomen ist, muß allerdings garantiert werden, daß es von einem geeigneten Ausdruck kasusmarkiert wird; der nächste potentiell kasusmarkierende Ausdruck ist die Schwesterkonstituente ß. Der unmarkierte 'verbnächste' Kasus ist der Akkusativ. Allerdings vergibt eine Verb im unmarkierten Fall eine bestimmte Kasusmarkierung nur einmal. Infolgedessen darf ein Prädikativum in NP-Form anders als eines in AP- oder PP-Form nicht beliebig angefügt werden, da ja auch dessen 'Subjekt 1 - das Objekt des restrukturierten Prädikatskomplexes - passend kasusmarkiert werden muß. Nur eine kleine Gruppe von Verben - z.B. nennen, heißen vergibt den 'strukturellen' Akkusativ doppelt und erlaubt daher die 'Einbettung' von prädikativen Strukturen mit einem NP-Prädikativum: 98 (1-395) Dr. Einsam nennt seinen Geschäftspartner einen Lügner. Die Voraussetzung für die Bildung eines derartigen restrukturierten Komplexes ist dabei, daß der prädikative Teilausdruck eines Objektsarguments' ist (kein Oberflächen-syntaktisches Objekt; bei unakkusativischen Verben das einzige Argument). Die Rektionseigenschaften von und fi gehen auf den neuen Komplex über. 98 Ein Verb wie lehren mit doppeltem Akkusativ gehört natürlich nicht zu dieser Gruppe, da hier die zweite Akkusativ-NP keine prädikativ verwendete NP, sondern eine Adressaten-NP ist; vgl. zu den Eigenschaften der JeZirea-Konstruktionen Plank (1987).

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Ist t ein transitives Verb, dann wird ein von nicht kasusmarkiertes Argument von ß akkusativisch markiert. Werden neben den erwähnten maximalen Phrasen auch Verben oder Prädikatskomplexe - also Phrasen der 0-Ebene im X-Bar-System - zugelassen, dann erhält man die Strukturen der Verbkomplexe mit A.c.I.-, Modal- und Hilfsverben. Bei diesen kann man allerdings (schon weil nicht-maximale Phrasen von der Restrukturierung betroffen sind) auch daran denken, daß es nicht aufgrund einer 'syntaktischen' Restrukturierung zur Verbkomplex-Bildung kommt, sondern daß als 'Komplement' dieser Verben bereits lexikalisch nur Verben einer bestimmten infiniten Form zugelassen sind. Z.B. fordern die Perfekthilfsverben ein Perfektpartizip - mit Ausnahme der Ersatzinfinitive, wenn die eingebetteten Verben selbst ein 'Verbkomplement' haben (können): (1-396) Er hat ia die Uni gemußt/müssen. vs. (l-396a) Er bat in die Uni gehea ??gemußt/müssen. (1-397) Er bat ibn allein gelassen/lassen. vs. (l-397a) Er bat ibn vorsingen *gelassen/lassen, Ersatzinfinitivbildung ist dagegen verboten, wenn das vom Hilfsverb abhängige Verb nur 'syntaktische' Prädikatskomplexe bildet: (1-398) Er bat seine Familie arm getrunken/*trinken. Dieses unterschiedliche Verhalten von eingebetteten Verben zwingt aber natürlich nicht dazu, im einen Fall (trinken) von syntaktischer Restrukturierung auszugehen, im anderen Fall (müssen, lassen) dagegen eine lexikalisch bestimmte Verbkomplexbildung anzunehmen. Ebensogut könnte die Ersatzinfinitivkonstruktion dadurch ausgelöst werden, daß das Verb in Infinitivform (müssen, lassen) bei der syntaktischen Restrukturierung mit einem Verb (gehen, vorsingen) verbunden werden kann. Auf jeden Fall muß eine syntaktische Restrukturierungsregel vorgesehen werden, da offensichtlich im Prinzip jedes 'transitive' Vollverb mit einer semantisch passenden AP oder PP zu einem komplexen Prädikat verbunden werden kann. Die Eigenschaften der Strukturen mit Zustandsprädikativa zeigen, daß auf der einen Seite keine Prädikatskomplex-Bildung erfolgt, andererseits aber auch 'Subjekt' und Prädikativum keine Konstituente bilden: (1-399) *Das Fleisch roh schneiden Sie am besten in kleine Streifen. Anders als etwa bei appositiven Strukturen: (l-399a) Das Fleisch, das (übrigens) roh sein sollte, schneiden Sie am besten in kleine Streifen. Auch infinites Verb und Akkusativ-NP sind nicht zusammen vorfeldfähig: (1-400) *Das Fleisch schneiden müssen Sie unbedingt gebraten. Schon weil das Prädikativum kaum vor seinem 'Subjekt' stehen kann: (l-400a) ??Sie müssen gebraten das Fleisch schneiden.

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Die angemessenste Strukturierung ist eine nit Verb, NP und Prädikativum als Schwesterkonstituenten. Die NP muß sämtliche Selektionsrestriktionen des Verbs erfüllen, ist also bezüglich der rollen- und selektionssemantischen Ebene ein echtes Objekt und darf hier nicht nur als Teil einer eingebetteten 'Proposition' angesehen werden. Damit ist die entsprechende Argumentstelle des Verbs gesättigt und es entfällt die Voraussetzung der Rekonstruierbarkeit - die Selektions- und Rolleneigenschaften einer NP durch den zusätzlich eingebauten prädikativen Ausdruck zu bestimmen. Die Akkusativ-NP mufi aber die semantischen Restriktionen des prädikativen Ausdrucks erfüllen. Die einfachste Lösung scheint die, daß die einzige Argumentstelle des Prädikativums mit der NP durch einen Koindizierungsmechanismus in Beziehung gesetzt wird, wobei die Koindizierung als Sättigung dieser Argumentstelle gilt." Zu erklären bleibt dann noch, wieso das Prädikativum die Fokusprojektion von der Objekts-NP auf die gesamte Konstituente blockiert. Am besten scheint mir eine Erklärung, die wesentlich auf die ternäre Verzweigung in der Strukturbeschreibung des Komplexes aus Akkusativ-NP, Prädikativum und Verb Bezug nimmt. Die Blockade der Fokusprojektion bei solchen Strukturen läfit sich erklären, wenn man annimmt, daß bei einer Erweiterung des Fokusbereichs das Fokusmerkmal vom ursprünglichen durch intonatorische Hervorhebung ausgezeichneten Fokusexponenten ausgehend immer nur an eine Schwesterkonstituente weitergegeben werden kann. Bei nicht-binären Verzweigungen ist also eine eindeutige Fokusprojektion nicht möglich, so dafi auch keine konsistente pragmatische Interpretation der fokusmarkierten Struktur möglich ist. Nicht-binär verzweigende Knoten können allerdings dadurch als insgesamt fokusmarkiert gekennzeichnet und damit einer konsistenten pragmatischen Interpretation zugänglich gemacht werden, daß jeder der unmittelbar dominierten Knoten ein eigenes Fokusmerkmal mitbringt, daß es also zu einer -fachen Fokussierung mit n intonatorisch hervorgehobenen Fokusexponenten kommt. Beispiele finden sich, wenn koordinierte Teilstrukturen fokussiert sind: (1-401) »Gustav bat nicht nur Fleisch, Gemüse und BROT eingekauft, sondern sogar die Küche aufgeräumt. (l-401a) Gustav hat nicht nur FLEISCH, GeMüse und BROT eingekauft, sondern sogar die Küche aufgeräumt. Auch die ternäre Strukturierung bei Sätzen mit Zustandsprädikativen zwingt dann zu einer Aufspaltung in mehrere Foki, angezeigt durch intonatorische Mehrfachhervorhebung, die normale Fokusprojektion ist durch die Nicht-Binarität der Verzweigung blockiert. 99 Alternative: Die 'Sättigung' der Subjektsposition geschieht durch das unhörbare PRO, das seinerseits vom Objektsausdruck kontrolliert wird.

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Die Binaritätsforderung ist auch dann sinnvoll, wenn man nicht annimmt, daß ein Fokusmerkmal im Baum nach oben weitergegeben wird, sondern daß umgekehrt von einer 'Fokuskonstituente' das 'Fokusexponenten-Merkmal 1 nach unten durchsickert und jeweils eine eindeutige Aufteilung in Exponent und Nicht-Exponent möglich sein muß (vgl. das Konzept des 'unambiguous path' im gleichnamigen Aufsatz von Kayne (1981)). Eine alternative Annahme ist die, daß die syntaktische Struktur durch Regeln, die für die binäre Verzweigung sorgen, auf eine prosodische Struktur abgebildet wird (vgl. Culicover/Rochemont 1983). Auf jeden Fall muß aber garantiert sein, daß bei Zustandsprädikativa keine binäre Verzweigung entstehen kann.

1.5.3.7.5 Zusammenfassung 'Externalitätseffekte', also ein deutlich unterschiedliches syntaktisches Verhalten von bestimmten Subjekts- und Objektsausdrücken, zeigen sich am deutlichsten in Strukturen, die dem Prototyp der hochtransitiven Strukturen entsprechen: in Sätzen, die neben einem agentivisch zu interpretierenden Subjektsausdruck eine Akkusativ-NP enthalten, die ein effiziertes oder affiziertes Objekt denotiert. Die Konstruktionen mit zumeist intransitiv verwendeten Verben, denen innere Objekte oder aber Akkusativ-NPn zusammen mit resultativ zu interpretierenden Prädikative hinzugefügt werden, zeigen, daß im Prinzip für jedes Verb, dessen Subjekts-Argumentstelle eine thematische Rolle zugeordnet ist,

die der prototy-

pischen Agens-Rolle in hochtransitiven Strukturen genügend ähnlich ist, auch eine Objekts-Argumentstelle zur Verfügung steht. Diese Konstruktionen können sich also in doppelter Hinsicht den prototypischen transitiven Strukturen annähern: zum einen in der Rollencharakteristik ihrer Subjektsausdrücke, zum anderen in der Hinzufügbarkeit eines Objekts', das seinerseits den prototypischen 'transitiven' affizierten und effizierten Objekten ähnelt. Diese 'transitivierbaren 1 Verben sind aber auch diejenigen intransitiven Verben, bei deren Verwendung sich 'Externalitätseffekte' zeigen. Bei den unakkusativischen Verben fehlt dagegen, sofern das Subjekt nicht agentivisch uminterpretierbar ist, die Möglichkeit, ein Objekt anzuschließen. Der Grund dafür ist, daß die nominativisch markierte Argumentstelle in ihrer Rollencharakteristik mehr oder weniger der typischen Objektrolle in hochtransi-

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tiven Strukturen gleicht. 1 0 0 Eine Annäherung an transitive Strukturen könnte höchstens durch Kausativierung Zustandekommen, z.B. lexikalisch (vgl.: fallen/ ist gefallen vs. fällen/hat gefällt) oder durch syntaktische Mittel (etwa mit einer - veralteten - jnacAen-Konstruktion); es würde sich jedoch in jedem Fall um eine völlige Veränderung der Ausgangsstruktur handeln. Wenn sich nun die 'Externalitätseffekte' nur in denjenigen Strukturen zeigen, die dem Prototyp der transitiven Strukturen entsprechen oder nahekommen, bzw. diesem angenähert werden können, dann kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß die entsprechenden Effekte (die ja zudem graduierbar sind) auf die völlig unterschiedlichen Eigenschaften der beiden Relata zurückgeführt werden können, die in der prototypischen transitiven Szene aufeinander bezogen sind. Die scheinbaren strukturellen Unterschiede von bestimmten Typen von nominativisch markierten NPn und akkusativisch markierten NPn wären demnach nur ein nachgeordnetes Phänomen, das je nach den spezifischen syntaktisch-morphologischen Eigenheiten einer Sprache mehr oder weniger deutlich zu Tage tritt. Eine VP-Barriere als bestimmende Ursache des unterschiedlichen syntaktischen Verhaltens von VP-externen Subjekten und VP-internen (Tiefen-)Objekten läßt sich nach diesen Überlegungen nicht rechtfertigen, 1.5.3.8 S als V MA * Die untersuchten Konstruktionen haben meines Erachtens deutlich gezeigt, daß es zwar eine bestimmte Ordnung der Argumentstellen eines Prädikats gibt, daß aber die Aufteilung eines Satzes in eine VP und eine externe Subjektposition nicht angenommen zu werden braucht. Maximale Projektion des Verbs ist nicht eine VP als Teilkonstituente von S (bzw. der INFL-Phrase), sondern S selbst, das mit V MAX identifiziert werden kann. Wenn es keine VP-externe Position gibt, dann taucht auch nicht das Problem auf, in nominativlosen finiten Strukturen eine leere Subjektsposition annehmen zu müssen, die durch ein passendes 'stummes' Element besetzt werden muß. In der GB-Theorie z.B. legt das 'Erweiterte Projektionsprinzip' (vgl. Chomsky 1982: 10» fest, daß Sätze Subjekte haben. 101 100 Nicht als transitiv im eigentlichen Sinn zählen selbstverständlich die obligatorisch reflexiven Verben wie sich verschlucken. Bei diesen kann offensichtlich der reflexive Prädikatsbestandteil als Anzeiger dafür dienen, daß die Rolle des nominativisch markierten Ausdrucks nicht der typischen 'Subjektrolle' entspricht. 101 Allerdings wird auch in der (nicht-konfigurationellen) Relationalen Grammatik durch das Final-1-Gesetz (vgl. oben 1.5.3.1) die Anwesenheit eines Dummy-Sub jekts auf der finalen syntaktischen Ebene erzwungen.

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Ein Problem sind sowohl die 'zugrundeliegend' subjektlosen Prädikate (1-402) als auch die 'abgeleitet', durch Diathesenbildung, subjektlos gewordenen Prädikate (1-403): (1-402) Nach dem Mensaessen wurde mir so absonderlich. (1-403) Dem Manne kann geholfen werden. Während im ersten Fall noch zur Not ein es im Mittelfeld eingefügt werden kann, ist das beim zweiten Beispiel völlig ausgeschlossen. Grewendorf (1986b: 184ff.) nimmt an, daß der Grund für die scheinbar fehlende Besetzung der Subjektposition darin liegt, daß das Deutsche nur ein expletives Pronomen ohne phonetische Merkmale hat; alle Kandidaten, die ansonsten als 'hörbares' Expletivum in Frage kämen, seien in Wirklichkeit keine Expletiva, also keine 'Formalsubjekte', die nur der Forderung nach der Besetzung der Subjektposition Genüge tun, insbesondere nicht das Platzhalter-es, das Vorfeld-es und das es bei Wetterverben. Gegen die Behauptung Grewendorfs, daß es im Deutschen kein expletives es gebe, scheint jedoch zumindest das Verhalten von es-Subjekten zu sprechen, die bei denjenigen Prädikaten mit 'Experiencer'-Objekt auftreten, zu denen es auch eine subjektlose Variante gibt, also z.B. frieren, hungern usw. Das es ist, wenn vorhanden, kein bloßer Vorfeldfüller; vgl. den folgenden Kontrast: (1-404) Heute friert es stich. (1-405) Gestern zogen *es drei Burschen wohl über den Rhein. Andererseits verhält es sich (zumindest für die Mehrzahl meiner Informanten) nicht wie das 'quasi-argumentelle' es der Witterungsverben, von dessen QuasiArgumentcharakter die Fähigkeit abgeleitet wird, das mitverstandene quasi-argumentelle PRO-Subjekt einer nebengeordneten Infinitivphrase mit einem ebensolchen Witterungsverb zu kontrollieren. (1-406) Heute nieselt es, ohne richtig zu regnen. Für die Mehrzahl meiner Informanten gilt, daß eine derartige Konstruktion mit dem Subjekt-es der oben erwähnten 'Experiencer-Prädikate' nicht möglich ist. (1-407) *Ia Augenblick fröstelt es mich, ohne mich richtig zu frieren. Die entsprechenden es-Subjekte der 'Experiencer-Prädikate' sind also durchaus nicht vorbehaltlos mit den quasi-argumentellen Subjekten der Witterungsverben gleichzusetzen, sondern zeigen viel eher das Verhalten von echten expletiven Subjekten. Ist im Deutschen aber ein solches 'hörbares' expletives Subjekt im Prinzip vorhanden, dann ist es allerdings verwunderlich, wieso es nur bei den 'Experiencer-Verben' alternativ zu einem 'unhörbaren' expletiven Subjekt eingesetzt wird, und nicht auch bei den Passivfällen.

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(1-408)

*Dem Hanne kann es geholfen werden.

Plausibler ist, daß Passivsätze ohne ein 'hörbares' Subjekt auch tatsächlich kein Subjekt haben, dafi also das 'Erweiterte Projektionsprinzip' in diesem Fall verletzt ist. Die Expletivum-Einsetzung bei den 'Experiencer-Verben' ist lexikalisch determiniert. Offensichtlich gibt es ja eine Tendenz in heutigen Deutsch und in dessen Vorstufen, Verben ohne nominativische Ergänzung, also subjektlose Verben, durch verschiedene Mittel zu 'noninativieren' (vgl. v. Seefranz-Nontag 1983). Ein Mittel ist die Einsetzung von expletiven Formalsubjekten. Die Passivbildung als syntaktischer Prozeß ist von dieser lexikalischen Tendenz ausgenommen. Dagegen wird ein Expletivum eingesetzt im 'reflexiven Passiv'; das ist erklärbar, da ein Reflexivum im Standardfall wenigstens einen formalen 'Binder' braucht (Grewendorf analysiert dieses es dagegen als 'Quasi-Argument'): (1-409) Mit diesem Rennrad fährt es/* sich hervorragend. Ein Formalsubjekt ist

im Deutschen also durchaus vorhanden. Daß es in subjektlo-

sen Konstruktionen nicht verwendet wird, ergibt sich daraus, daß keine VP-externe Position gefüllt werden muß.

1.5.3.9 Relationsunterscheidende Reihenfolge Im Verlauf dieses Abschnitts wurde immer wieder deutlich, daß Reihenfolgebeziehungen im Deutschen genutzt werden, um die semantischen Beziehungen zweier Ausdrücke anzuzeigen. In manchen Fällen lassen sich Ausdrucke nur dann den richtigen Argumentpositionen zuordnen, wenn eine strikte Reihenfolge eingehalten wird. Es ist nicht sehr überraschend, daß das insbesondere dann der Fall ist, wenn das andere, ansonsten bevorzugte Markierungsmittel, die morphologische Kasusmarkierung, ausfällt. Zwei Konstellationen sind im Prinzip denkbar. Auf der einen Seite können kasusmarkierte NPn aufgrund der Besonderheiten einer Konstruktion mit denselben Kasusmerkmalen markiert werden, 102 auf der anderen Seite können zwei prinzipiell nicht kasusmarkierbare satzförmige Argumentausdrücke vorhanden sein, die zwei Argumentpositionen richtig zugeordnet werden müssen. Zum ersten Fall: Sternefeld (1985: 406) weist darauf hin, daß in Konstruktionen mit prädikativen NPn die Reihenfolge der beiden NPn darüber entscheidet, 102 Natürlich können auch durch Formengleichheit Konstellationen auftreten, bei denen typischerweise auf die Reihenfolge als argumentunterscheidendes Kriterium zurückgegriffen wird; vgl. das bekannte Beispiel (i) Die Mutter liebt die Tochter.

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welche als Subjekt und welche als Prädikat zu interpretieren ist; vgl. seine beiden Beispiele (40a/b): (1-410) daß Wale Säugetiere sind, ist richtig (l-410a) daß Säugetiere Vale sind, ist falsch Ein weiterer Kandidat für eine verhältnismäßig strikte Abfolgeregelung sind die beiden akkusativisch markierten Argumentausdrücke zu Verben wie lehren, abfragen (vgl. Plank 1987); allerdings lassen sich bei ihnen die beiden Akkusativ-NPn von vornherein auch aufgrund ihres Denotattyps unterscheiden, so daß die Verletzung der Normalreihenfolge 'Personen-Akkusativ' vor 'Thema-Akkusativ' zu keinen besonderen Verständnisproblemen führen kann. (1-411) Der Feldwebel lehrt die Rekruten das Stiefelputzen. (1-412) ??Der Feldwebel lehrt das Stiefelputzen die Rekruten. Strikte Abfolgeregeln finden sich auch im Bereich der A.c.I.-Konstruktionen mit lassen, hören usw. Treten im Mittelfeld zwei Akkusativ-NPn auf, so muß das 'Subjekt' des eingebetteten .c.I.-Satzes' vor das Akkusativobjekt gestellt werden (vgl. Sweetser 1976: 535). (1-413) Max sah den zotteligen Bund den Laternenpfahl besudeln. (1-414) *tiax sah den Laternenpfahl den zotteligen Sund besudeln. Trotz der prinzipiellen Möglichkeit, die beiden Argumentausdrücke aufgrund inhaltlicher Kriterien den passenden Argumentstellen zuzuordnen, führt die Verletzung der vorgeschriebenen Reihenfolge hier zu schlechteren Resultaten als in (1-412). Insbesondere können keine markierten intonatorischen Mittel eingesetzt werden, um den Effekt der falschen Reihenfolge aufzuheben. Selbst die Regel, daß im Mittelfeld unbetonte Personalpronomina den Voll-NPn vorangehen, wird durchbrochen. Die Abfolgegesetzmäßigkeit, die als einzige die Funktion zweier kasusgleicher Ausdrücke zu unterscheiden gestattet, setzt sich gegenüber der Regel durch, semantisch weitgehend leere Ausdrücke, die auf bereits Bekanntes Bezug nehmen - und die zudem phonetisch wenig Gewicht haben -, vor semantisch reichere Ausdrücke zu stellen, die verhältnismäßig wichtigere Information vermitteln. Allerdings wirkt sich diese Regel noch insoweit aus, als Verstöße gegen sie möglichst umgangen werden, etwa durch 'Passivbildung' im A.c.I.-Satz. (1-415) Max sah den zotteligen Hund ihn besudeln. entspricht nicht (1-416) Max sah ihn den zotteligen Hund besudeln. (1-417) Max ließ einen Detektiv den Mann/ihn beschatten. entspricht nicht (1-418) Max ließ den Mann/ihn einen Detektiv beschatten.

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Das (extrem 'schwache', weil nicht einmal vorfeldfähige} akkusativische es kann allerdings die Abfolgeregel eher verletzen: (1-419) Sie läßt es ihn/?ibn es spüren, daß ... (1-420) fr läßt ihn das Schnitzel/?ihn es/?es ihn/??seinen Freund es/?es seinen Freund verspeisen. Zum zweiten Punkt, den prinzipiell nicht kasusmarkierbaren satzförmigen Argumentausdrücken: Ein ganz ähnliches Unterscheidungsproblem ergibt sich, wenn zwei subkategorisierte satzförmige Argumentausdrücke von einem einzigen Matrixsatz abhängen; nur tritt das Abfolgeproblem dann nicht innerhalb des Mittelfeldes auf. Eine Kasusmarkierung solcher satzförmigen Ausdrücke ist von vornherein nicht möglich. Dagegen gibt die Art des satzeinleitenden Ausdrucks zusammen mit der Semantik des Verbs oft darüber Aufschluß, welche Funktion der jeweilige Gliedsatz hat. Lassen die Einleiteelemente eine entsprechende Unterscheidung zu, so braucht durchaus nicht die 'Standardreihenfolge' Subjektsatz vor Akkusativobjektsatz eingehalten zu werden, sondern der letztere kann im Vorfeld stehen, während der Subjektsatz extraponiert wird. (1-421) Vie erfolgreich die "technologische Gewichtsreduzierung" bei BMV war, zeigt z.B., daß selbst der BMV 526i weniger Gewicht erreicht als das Grundmodell einer vergleichbaren Automobilserie. üblicherweise zeigt eine bestimmte Tatsache den Grad einer Eigenschaft, etwa hier den Grad der erfolgreichen Gewichtsreduzierung, und nicht umgekehrt. (1-422) Dieser Tatbestand zeigt, wie erfolgreich die Gewichtsreduzierung war. (1-423) *Vie erfolgreich die Gewichtsreduzierung war, zeigt diesen Tatbestand. Obwohl bei zwei von einem Matrixsatz abhängenden satzförmigen Argumentausdrücken üblicherweise der Subjektsatz im Vorfeld steht, ist der Belegsatz ohne Schwierigkeiten zu interpretieren. Sehr viel schwerer ist die Reihenfolge Objekt- vor Subjektsatz zu durchschauen, wenn das jeweilige Einleiteelement gleich ist. In diesem Fall bleibt dem Hörer/Leser nichts anderes übrig, als eine vom Inhalt her zweifelhafte 'Normalinterpretation' mit dem Subjektsatz im Vorfeld umzustoßen: (1-424) Und daß falsche und fehlerhafte Meldungen von den V-Leuten kommen, zeigt, daß die Vorfälle aa 5.März auf Fehleinschätzungen von V-Leuten zurückgehen. Erst wenn der Inhalt der beiden Gliedsätze genauer betrachtet wird, läßt sich die richtige Zuordnung zu den Argumentstellen herausfinden: ein spezieller Fall von Fehleinschätzung zeigt die Existenz von Fehleinschätzungen, aber nicht umgekehrt. Höchstwahrscheinlich kommen derartige Sätze so gut wie nie vor. Ein Sprecher, dem es un die Übermittlung von Informationen geht, wird sich hüten, den Hörer in solche verständnishemmenden Fallen zu locken. Er wird vielmehr den Sub-

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jektsatz dem Objektsatz vorangehen lassen. Vollkommen unumgänglich wird dieses, wenn keinerlei inhaltliche Schlüsse die beiden satzförmigen Argumentausdrücke zu unterscheiden gestatten. (1-425) Die Neutronenvaffe zu bauen bedeute, bereit für die Vorneverteidigung zu sein. (1-426) Bereit für die Vorneverteidigung zu sein bedeute, die Neutronenwaffe zu bauen. Allein die Reihenfolge der Infinitivphrasen gibt Auskunft über deren Subjektoder Objektstatus; eine intonatorische Kennzeichnung kann den Effekt der nichtnormalen Reihenfolge wohl nicht aufheben. Daß es sich tatsächlich um Subjekt und Akkusativobjekt handelt, zeigt die Ersetzung durch geeignete Nominalisierungen: (1-427) Der Bau des neuen Flugzeugs bedeute einen Auftrag zur Vorneverteidigung. Einen Auftrag zur Vorneverteidigung bedeute aber auch der Bau der Neutronenboabe. Entspricht nicht (1-428) Dieses neue Flugzeug zu bauen bedeute, bereit für die Vorneverteidigung zu sein. Bereit für die Vorneverteidigung zu sein bedeute (*aber auch), die Neutronentfaffe zu bauen. Auch im folgenden Beispiel muß wohl von einer festen Reihenfolge Subjekts- vor Objektsinfinitiv ausgegangen werden; der Test über eine Ersetzung der Infinitivphrasen durch NPn ist in diesem Fall allerdings ausgeschlossen. (1-429) Politisch interessiert zu sein, heißt heute, den Adrenalinspiegel ständig in Höchstform zu halten! entspricht nicht

(1-430)

Den Adrenalinspiegel ständig in Höchstform zu halten, beißt heute, politisch interessiert zu sein. Die Beispiele zeigen: Sobald allein die Reihenfolge der beiden Gliedsätze über deren Rolle im Satz Aufschluß gibt, wird ausschließlich auf eine 'neutrale' Abfolge zurückgegriffen. Jedesmal wenn die Reihenfolge einziges Mittel ist, die Zuordnung zweier Konstituenten im Satz zu gewährleisten, wird eine neutrale Abfolge gewählt. Sind Subjekt und Objekt beteiligt, dann geht die Subjektkonstituente den Objektkonstituenten voraus, wie das z.B. auch für die Abfolge der unbetonten Pronomina im Mittelfeld gilt. Das Standardmittel zur Markierung der syntaktischen Relationen ist im Deutschen allerdings die morphologische Markierung.

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1.6

Morphologische Charakterisierungen des Subjektbegriffs

Die These, daß der Subjektbegriff im Deutschen vollständig durch den Begriff der nominativisch markierten HP ersetzt werden könne, wird in Reis (1982) vertreten. Nun hat der letzte Abschnitt gezeigt, daß offensichtlich in Fällen, in denen die morphologische Markierung neutralisiert ist, die Reihenfolge die argumentdifferenzierende Funktion übernehmen kann; d.h. 'topologische Subjekte' können durch die morphologische Charakterisierung nicht erfaßt werden. Die Existenz der unakkusativischen Subjekte führt außerdem dazu, daß sich nicht alle nominativisch markierten (nicht-prädikativen) Ausdrücke syntaktisch gleich verhalten; d.h. die morphologische Charakterisierung hat gegenüber dem traditionellen Subjektbegriff auch nicht den Vorteil, syntaktisch eine einheitlichere Klasse von Ausdrücken zu erfassen. Die Ersetzung des traditionellen Subjektbegriffs durch den morphologischen Begriff der nominativisch markierten NP ist also nicht unproblematisch. Reis (1982: 185ff.) zählt sechs Gruppen von Fakten auf, die für die Notwendigkeit eines Subjektbegriffs zu sprechen scheinen, aber ihrer Meinung nach alle durch den Begriff der Nominativ-NP hinreichend beschrieben werden könnten. Ein Problem stellen dabei natürlich die Subjektsätze dar, da sie ganz offensichtlich nicht mit Hilfe einer kasusbezüglichen Regel erfaßt werden können. Reis versucht zu zeigen, daß sich die angeblichen Subjektsätze tatsächlich gar nicht so verhalten wie die anderen Subjekte, d.h. die nominativisch markierten NPn. Die ersten drei Gruppen von Fakten betreffen die Weglaßbarkeit von SubjektsNPn in Imperativsätzen, im Telegrammstil und in Infinitivphrasen; in allen drei Fällen sei eine potentiell nominativische NP weggelassen. Nun weist Sternefeld (1985: 397ff.) darauf hin, daß der Begriff der potentiell nominativischen NP gar nicht der völlig unproblematische morphologische Begriff ist, der er zunächst zu sein scheint, sondern eine Theorie darüber voraussetzt, was 'potentiell' nominativisch genau bedeuten soll. Insofern wird der Subjektbegriff nicht durch einen eindeutigeren Begriff ersetzt. Die vierte subjektrelevante Regularität bezieht sich auf die Abfolge der unbetonten Pronomina im Mittelfeld, bei der das Subjekt den Objekten vorausgeht. Klarerweise läßt sich die Pronominaregel kasusbezogen formulieren. Im vorigen Abschnitt 1.5.3.9 wurde aber zu zeigen versucht, daß die Abfolge nicht in jedem Fall auf die Kasusmarkierung zurückgeführt werden kann. Die fünfte Gruppe von Fakten betrifft die Reflexivierung. Reis formuliert auch die Reflexivierungsregel rein nominativbezogen. In 1.5.3.6 wurde bereits ange-

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sprechen, daß die Reflexivierungsregel offenbar auf mehr Informationen Zugriff haben mufi als nur auf die morphologischen Merkmale eines Antezedens in einem bestimmten syntaktischen Bereich. Insbesondere mufi natürlich von Reis gezeigt werden, dafi Subjektsätze kein Problem für die nominativbezogene Formulierung der Reflexivierungsregel darstellen. Sie nimmt an, dafi solche Subjektsätze nur dann in Sätzen mit Reflexivpronomina vorkommen, wenn diese Sätze obligatorisch reflexive Prädikate bzw. reflexive Fügungen enthalten. Das auftretende Reflexivum kann dann durch die Nebenregel beschrieben werden, die für subjektlose obligatorisch reflexive Fügungen sowieso benötigt wird, also für Sätze wie: (1-431) Ober Geschmack läßt sich nicht streiten. In 1.5.3.6 wurde darüber spekuliert, ob nicht in allen diesen Fällen, die dadurch gekennzeichnet sind, dafi sie in passivisch zu interpretierenden Strukturen vorkommen, das Reflexivum an eine mitverstandene Agens-Rolle gebunden wird. Es scheint aber auch Fälle zu geben, wo tatsächlich eine 'echte' Reflexivierung vorliegt. Eine Gruppe von 'Doppelgliedsatzverben' ermöglicht bestimmte reziproke Konstruktionen. Beispiele dafür sind Prädikate wie sich ausschließen, sich widersprechen, sich bedingen usw. In diesem Fall kann man sicher nicht von obligatorisch reflexiven Fügungen sprechen. Zum einen können diese Verben auch nicht-reflexiv verwendet werden. Zum anderen kann bei der Reziprokkonstruktion sicher nicht von einer reflexiven Passivkonstruktion gesprochen werden. Wenn man Fälle wie (1-432)

Fritz und Ella streiten sich.

mit dem Begriff des Bezugsausdrucks für das Reziprokpronomen erfassen will, dann mufi man diesen Weg auch für die folgenden Beispiele einschlagen: (1-433) Daß Fritz schimpft und daß Ella Migräne hat, bedingt sich (gegensei tig). (1-434) Daß Paul Gurken mag und daß er Kümmerlinge verabscheut, schließt sich (gegenseitig) aus. Eine rein nominativbezogene Regel ist demnach schon aufgrund der Reflexivierbarkeit von Subjektsätzen nicht möglich. Die Reflexivierungsregel mufi auf die Argumentstellenordnung Zugriff haben. Ein weiteres Argument für eine Ersetzung des Subjektsbegriffs durch den Begriff der nominativisch markierten NP läßt sich nach Reis (1982) gewinnen, wenn man eine geeignete Regel für die Beschreibung der Verbalkongruenz aufzustellen versucht. Diese Regel dürfe nicht mit Hilfe des Subjektsbegriffs formuliert werden, da sie sonst falsche Ergebnisse liefere. Damit fällt aber eine Hauptstütze für die Einführung dieses Begriffs weg. In den gängigen Grammatiken ist die Verbalkongruenz nämlich die subjektbezügliche Regel schlechthin.

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Fur finite deutsche Sätze gilt, daß bei Vorhandensein einer nominativisch markierten NP diese NP die Person und den Numerus des finiten Verbs bestimmt. Ist keine solche NP vorhanden, so tritt eine Nebenregel in Kraft, die das finite Verb mit der 3.Person Singular (wahrscheinlich der 'unmarkierten Form') kennzeichnet. Hier wird davon ausgegangen (vgl. unten 2.2.2.3), daß bei der Verbalkongruenz eine Art Merkmalstausch stattfindet, bei dem das finite Verb an eine bestimmte NP das Nominativmerkmal vergibt, während es seinerseits von dieser durch die 'pronominalen Merkmale' Person und Numerus markiert wird. Wesentlich für die reissche Argumentation ist die Tatsache, daß durch und koordinierte nominativisch markierte Singular-NPn eine pluralische Markierung des finiten Verbs nicht ausschließen. Vergleicht man aber einen Satz, der durch und koordinierte Subjektsätze enthält, mit einem Satz, der sich von diesem nur dadurch unterscheidet, daß die Subjektsätze jeweils nominalisiert wurden - Reis spricht von "semantisch gleichwertigen Sätze[n]" (Reis 1982: 195) -, so zeigt sich, daß in der ersten Version eine Pluralmarkierung des Verbs trotz des durch Koordination anscheinend 'pluralisch' gewordenen Subjekts verboten ist, während sie in der zweiten Version nicht beanstandet werden kann. (1-435) Daß Haas Dicht kommt und daß Fritz sich nicht dafür entschuldigt, ärgert/*ärgern mich sehr. (=(57a) in Reis 1982) (1-436) Hansens Absage und Fritzens fehlende Entschuldigung (*)ärger t/ärgern mich sehr. (=(57'a) in Reis 1982) Reis schließt daraus, daß bei koordinierten Subjektsätzen die Nebenregel angewandt wurde. Das bedeutet, daß bei satzförmigen Subjekten keine Bezugs-NP für die Kongruenz vorhanden ist, so daß also "die Kongruenzregel tatsächlich Nominativ-bezüglich ist" (Reis 1982: 195). Noch schlagender zeigt sich das spezielle Verhalten koordinierter satzförmiger Subjekte, wenn der Matrixsatz ein Verb enthält, das von seiner Bedeutung her ein 'pluralisches' Subjekt fordert. (1-437) Daß Gliedsätze eingeleitet sind und daß sie nicht im Mittelfeld stehen können, hängt/*hängen eng miteinander zusammen. (1-438) Die Tatsache, daß Gliedsätze eingeleitet sind und die Tatsache, daß sie nicht im Mittelfeld stehen können, *bängt/bängen eng miteinander zusammen. (1-439) Daß irgendjemand Spiegeleier liebt und daß er gleichzeitig Rühreier verabscheut, schließt/*schließen sich meiner Meinung nach aus. (1-440) Die Vorliebe für Spiegeleier und der Abscheu vor Rühreiern *schließt/ schließen sich meiner Meinung nach aus. Entscheidend für die Argumentation ist, daß bei einer Koordination von Subjektsausdrücken nicht nur semantisch, sondern auch syntaktisch ein 'pluralisches Subjekt' vorhanden ist, das die Pluralmarkierung des finiten Verbs wenigstens nicht ausschließen sollte.

142

Oben wurde bereits kurz angedeutet, da£ die ans Verb weitergegebenen Kongruenzmerkmale 'pronominale Merkmale' sind (daher hat in der GB-Theorie das Kongruenzelement AGR auch (pro)nominale Eigenschaften; vgl. Chomsky (1981: 5 2 ) ) . Es sollte demnach eine gewisse Parallelität zu den offensichtlichen Fällen von Pronominalisierung bestehen. Wenn nun koordinierte satzförmige Ausdrücke pronominal stets durch eine singularische Form vertreten oder wiederaufgenommen werden, dann braucht die reissche Schlußfolgerung nicht zuzutreffen, daß die Verbalkongruenz bei satzförmigen Subjekten immer über die Nebenregel festgelegt wird: Sie könnte genausogut über die Hauptregel erfaßt werden, wenn satzförmige Ausdrücke - gleich ob koordiniert oder nicht-koordiniert - im System von Person, Numerus und Genus als singularische Neutra zählen. Infolgedessen sind auch die Kongruenzfakten kein eindeutiges Argument für die Überlegenheit des Begriffs der nominativisch markierten NP gegenüber dem traditionellen Subjektbegriff. Tatsächlich scheint die Pronominalisierung satzförmiger Ausdrücke nur in singularischer Form möglich zu sein. Das zeigt sich z.B. in Linksversetzungskonstruktionen. Die Numeruskongruenz zwischen linksversetztem Ausdruck und wiederaufnehmender Proform (vgl. dazu Altmann 1981: 122ff.) entspricht den Verhältnissen bei der Verbalkongruenz. (1-441) Der Peter und der Paul, die reiten/*der reitet aufm Gaul. Koordinierte Gliedsätze lassen kein pluralisches Demonstrativpronomen als wiederaufnehmendes Element zu, während dies für die 'semantisch gleichwertigen' Nominalisierungen nicht gilt. (1-442) Daß Sans nicht kommt und daß Fritz sich nicht dafür entschuldigt, das ärgert/*die &rgern mich. (1-443) .., das/*die empfinde ich als unverschämt. (1-444) Hansens Absage und Fritzens fehlende Entschuldigung, die ärgern/*das ärgert mich. (1-445) .., die/*das empfinde ich als unverschämt. Bei der Wiederaufnahme durch einen nichtpronominalen Ausdruck kann dieser allerdings pluralisch markiert werden. (1-446) Daß Hans nicht kommt und daß Fritz sich nicht dafür entschuldigt, diese Verhaltensweisen ärgern mich maßlos. Solche wiederaufnehmenden Ausdrücke unterscheiden sich aber ganz prinzipiell von den inhaltsarmen Proformen, da sie aufgrund ihrer reicheren Eigensemantik gewisse 'Zusatzinformationen' über den linksversetzten Ausdruck vermitteln können. Sie kategorisieren ihn z.B. als Tatsache, Behauptung, Vermutung usw., so daß es sich nicht um eine simple Wiederaufnahme, sondern auch um eine zusätzliche 'verdeckte Prädikation' handelt. Es ist nicht verwunderlich, daß dann auch mitge-

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teilt werden kann, daß es sich um mehrere Tatsachen, Behauptungen oder Vermutungen handelt. Nicht anders als bei der Linksversetzung wird beim Freien Thema keine pluralische Proform zur Wiederaufnahme gewählt. (1-447) Daß Sans nicht kommt und daß Fritz sieb nicht dafür entschuldigt - ich bedaure das/*die/diese Verhaltensweisen sehr. Ebenso ist bei der Rechtsversetzung ein pronominaler Bezugsausdruck singularisch. (1-448) Ich bedaure das/*die/diese Verhaltensweisen sehr, (ich meine) daß Hans nicht kommt und daß Fritz sich nicht dafür entschuldigt. Auch die satzübergreifende Pronominalisierung kann nur mit einer singularischen Form erfolgen. (1-449) Es regnet und Fritz ist nicht gekommen. Das/*Die/Diese Tatsachen finde ich sehr traurig. Die singularische Markierung am finiten Verb gilt auch für Freie Relativsätze (mit einleitender «r-Phrase), die ansonsten noch am NP-ähnlichsten unter den satzförmigen Strukturen sind. (1-450) Ver erster wird und wer den letzten Platz belegt, bekomm t/'bekommen einen Preis. (1-451) ffer erster wird und wer den letzten Platz belegt, der bekommt/??die bekommen einen Preis. (1-452) Der erste und der letzte ?bekommt/bekommen einen Preis. Enthält der Matrixsatz ein Prädikat, das ein 'pluralisches' Subjekt erfordert, so scheint hier - im Gegensatz zu den subkategorisierten Gliedsätzen - eine Singularmarkierung am Verb ebenfalls ausgeschlossen. (1-453) Wer im Sackhüpfen gewinnt und wer beim Eierlaufen am schnellsten ist, ??tritt/??treten am Ende gegeneinander an. Möglicherweise gibt es Unterschiede zwischen dem Numerus des finiten Verbs und dem Numerus der wiederaufnehmenden Proform, wenn zu-lose Infinitivformen miteinander verknüpft werden, die zum Teil auch als Nominalisierungen, d.h. als NPn, interpretiert werden können. Hier schwankt die Numerusmarkierung am Verb, je nachdem, ob von der koordinativen Verknüpfung von NPn oder von der Verknüpfung von (zu-losen) Infinitivphrasen ausgegangen wird: Im letzteren Fall ist wie bei der Koordination von finiten Sätzen, und zu-Infinitivphrasen, nur singularische Markierung möglich. (1-454) Lieben und Saufen/saufen reiben/reibt den Menschen auf. (1-455) Dauernd zu lieben und zu saufen, *reiben/reibt den Menschen auf. Sind zusätzlich zu den Infinitiven noch Ergänzungen vorhanden, so scheint die Interpretation des Subjekts als HP-Koordination - und damit die pluralische Markierung des Finiturns - schwieriger zu werden.

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(1-456)

Radfahren uod im Englischen Garten Spazierengehen ist/ Psind mein liebster Zeitvertreib. (1-457) Mittags Grießbrei löffeln und abends Butterbrote essen macht/??machen einen nicht satt. Parallel dazu wird es allerdings auch immer schwieriger, einen Artikel - als klares Kennzeichen der NP-Haftigkeit - zu verwenden. (1-458) das Lieben, das Saufen, das Radfahren (1-459) ?das im-Englischen-Garten-Spazierengeben (1-460) ?das mittags-Grießbrei-Löffeln Auch bei einer möglichen Pluralmarkierung am Verb ist jedoch eine Wiederaufnahme durch eine pluralische Proform in der Linksversetzungskonstruktion weniger akzeptabel, als zu erwarten wäre; erst die Verwendung des NP-typischen Artikels führt - wo sie überhaupt möglich ist - zu etwas besseren Ergebnissen. (1-461) Lieben und Saufen, das reibt/??die reiben den Menschen auf. (1-462) Das Lieben und das Saufen, ?die reiben den Menschen auf. (1-463) Radfahren und im Englischen Garten Spazierengehen, das ist/*die sind mein liebster Zeitvertreib. (1-464) Mittags Grießbrei löffeln und abends Butterbrote essen, das macbt/*die machen einen nicht satt. Dies könnte an Besonderheiten der Linksversetzungskonstruktion liegen, da sich auch beim (genetischen) Gebrauch von Kontinuativa und Abstrakta eine verminderte Akzeptabilität ergibt. (1-465) Hopfen und Malz(, ?die) werden zum Bierbrauen benötigt. (1-466) Intelligenz und Ehrlichkeit(, ?die) zeichnen unsere Politiker aus. Laut Altmann (1981: 207) wird bei der Linksversetzungskonstruktion spezifische Referenz vorausgesetzt; in den genannten Fällen ist aber nicht von spezifischen 'Instanzen' die Rede. Das leicht voneinander abweichende Kongruenzverhalten finiter Verben und bestimmter wiederaufnehmender Proformen bei Nominalisierungen spricht also nicht gegen die generelle Annahme, daß sich Pronominalisierung und Verbalkongruenz in entscheidenden Punkten parallel verhalten. Insbesondere gilt dies für die Wahl des Numerus. Während für die Verbalkongruenz bei satzförmigen Subjekten, wenn man sie isoliert betrachtet, die Anwendung einer Nebenregel noch einigermaßen plausibel erscheint, gilt das nicht für die Pronominalisierung. Welche Eigenschaften des satzförmigen Antezedensausdrucks auch immer nur eine singularische Wiederaufnahme zulassen - dieselbe Gesetzmäßigkeit scheint nicht nur bei der Pronominalisierung, sondern auch bei der Verbalkongruenz zu gelten.

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Der kritische Punkt in der reisschen Argumentation ist der Rückschluß von semantischen auf syntaktische Fakten: Die Gliedsatz- und Nominalisierungsversionen ihrer Beispielsätze sind semantisch gleichwertig, die koordinierten Nominalisierungen können syntaktisch als komplexe pluralische NPn behandelt werden, also müßten auch die Koordinationen von Subjektsätzen als 'pluralische Konstituenten' aufgefaßt werden können, die eine entsprechende pluralische Markierung am fini-ten Verb des Matrixsatzes steuern. Tatsächlich werden aber koordinativ verknüpfte Sätze nie durch eine pluralische (echte) Proform wiederaufgenommen. Wenn man davon ausgeht, daß die Kongruenzmerkmale am finiten Verb pronominalen Charakter haben, dann ist zu erwarten, daß eine pluralische Markierung bei koordinativ verknüpften Subjektsätzen ausgeschlosser, ist. Die Singularform ist insofern ganz regulär. Eine Formulierung der Regeln der Verbalkongruenz, die davon ausgeht, daß der Subjekt-Ausdruck bestimmte pronominale Merkmale ans Verb 'vergibt', führt also durchaus nicht zu falschen Ergebnissen, wenn die 'syntaktische Singularität' koordinativ verknüpfter satzförmiger Ausdrücke berücksichtigt wird. Die Verbalkongruenzfakten lassen sich also nicht als Argument für die Notwendigkeit der Ersetzung des Subjektbegriffs durch den Begriff der nominativischen NP verwenden. 1.7

Kapitelüberblick

In diesem Kapitel wurde untersucht, wie sich die traditionelle Subjektrelation genauer charakterisieren läßt. Gegenstand in 1.1 war eine globale Bestimmung der Funktion grammatischer Relationen im Sprachsystem. Grammatische Relationen werden aufgefaßt als Relationen, die Ausdrücke zueinander in Beziehung setzen, die auch in der semantischen Struktur aufeinander bezogen werden müssen. Sie sorgen also für die korrekte Abbildung der Ausdrucks- auf die Inhaltsseite. Die Relation selbst wird durch den Einsatz verschiedener syntaktischer Markierungsmittel angezeigt, zu denen im Deutschen Reihenfolgebeziehungen und im weitesten Sinn strukturelle Beziehungen, spezifische Adpositionen und die morphologische Markierung der beteiligten Ausdrücke gehören können. Für die Relationen zwischen einem Verb oder allgemeiner einem Prädikat und den zugeordneten Argumentausdrücken gilt, daß die Verteilung der verschiedenen Markierungen auf die Argumentstellen typischerweise auch die mit dieser Stelle verbundenen Rollencharakteristika berücksichtigt. Syntaktische Regeln können auf verschiedene Markierungs- oder Rollenaspekte der beiden Relata zugreifen. Subjektausdrücken sind im prototypischen Fall Argumentstellen mit Agenscha-

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rakteristik zugeordnet, sie sind zudem häufig pragmatisch als 'Thema' ausgezeichnet; in 1.2 referierte Versuche, die Rolle oder die Themaeigenschaft zum definierenden Kriterium der Subjekthaftigkeit zu machen, weichen aber sehr stark von einem grammatisch relevanten formalen Subjektbegriff ab, der die Nominativmarkierung und syntaktische Regeln wie die Kongruenz von Subjektsausdruck und finitem Verb als zentrale Bestandstücke enthält. Verschiedene im weitesten Sinn pragmatische Charakterisierungen des Subjektbegriffs werden in 1.3 unter die Lupe genommen: das Subjekt als 'bevorzugt referentielle N P ' , als Thema (alte Information oder 'das, worüber man spricht'), als 'Perspektivensetzer', d.h. als Ausgangspunkt für die sprachliche Darstellung eines Sachverhalts, oder als 'Fokus des Sprecherinteresses 1 , der sich aufgrund der Interessantheit oder Ego-Nähe eines NP-Denotats ergibt. Allen diesen Versuchen liegt als Kern die Hetapher einer 'gerichteten' sprachlichen Präsentation von Sachverhalten zugrunde. Als 'Ausgangspunkt' der Darstellung wird in den verschiedenen Ansätzen die Subjekts-NP angenommen. Damit lassen sich zwar die typischen Verwendungsweisen selbständig referierender Subjekts-NPn mehr oder weniger angemessen erfassen, eine vollständige Charakterisierung aller formalen Subjekte ist auf diese Weise aber nicht möglich. Auch die in 1.4 vorgestellten rollensemantischen Explikationen des Subjektbegriffs vermögen dies nicht zu leisten. Agentivität kennzeichnet nur die prototypischen Subjekte. Als einzige Regel scheint zu gelten, da& von den zentralen Argumentstellen eines Prädikats, die eine spezifische Markierung des Argumentausdrucks erfordern, nur die Subjektargumentstelle die Agensrolle vergeben kann. Syntaktische Regeln berücksichtigen die Argumentstellenordnung des Prädikats und damit strukturelle Beziehungen. In 1.5 ging es darum, inwieweit die Subjektrelation strukturell definiert werden kann: (a) einmal als verbfernste NP, wobei sich das Problem der unabhängigen Bestimmung einer Abbindungsreihenfolge der Argumente eines Prädikats als unüberwindliche Schwierigkeit erweist; (b) ein andermal als VP-externe NP. Für diesen zweiten Vorschlag ist zentral, ob für die Beschreibung des Deutschen eine VP-Konstituente angenommen werden mufi, die Argumentausdrücke in zwei Teilmengen mit klar unterschiedlichen syntaktischen Eigenschaften aufteilt - in ein VP-externes Argument, d.h. das Subjekt, und in den Rest der VP-internen Objekte, zu denen auch bestimmte reine Oberflächensubjekte bei den sogenannten unakkusativischen oder ergativen Prädikaten gehören. Zu diesem Zweck wurde in 1.5.3 eine ganze Reihe von syntaktischen Phänomenen untersucht, die in der Literatur angeführt wurden, um eine klare Asymmetrie im syntaktischen Verhalten von Tiefensubjekten und dem Rest der Prädikatsergänzungen und damit die Beschreibungsnotwendigkeit der VP-Kategorie für das

147

Deutsche darzutun. Es zeigte sich jedoch, daß bei allen diesen Konstruktionen kein wirklich scharfer Schnitt zwischen 'externen 1 und 'internen 1 Argumenten besteht, bzw. daß jeweils alternative Beschreibungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die keine VP erfordern. Bei den Konstruktionen handelt es sich um: (a)'Subjektinversionen' im Mittelfeld: es wurde gezeigt, daß die Reihenfolge der Argumentausdrücke im Mittelfeld - und insbesondere der Grad der Markiertheit einer Stellung des Subjektsausdrucks nach Objektsausdrücken - neben der morphologischen Markierung wesentlich von der verbspezifischen Ordnung der Argumentstellen (d.h. von strukturellen Faktoren) abhängt; das Zusammenspiel der Faktoren läßt sich jedoch ohne VP in der Art eines 'Wettbewerbsmodells 1 beschreiben. (b) V*-Topikalisierungen, d.h. die Vorfeldstellung von verschieden umfangreichen Verbprojektionen: es wurde gezeigt, daß die Beschränkungen für diese Topikalisierung einer unmarkierten 'Grundreihenfolge' entsprechen; der für die VP-Diskussion entscheidende Testfall betrifft die Akzeptabilität der V-Topikalisierung von Subjekten; die Beispiele zeigen, daß zwischen den deutlich inakzeptablen Fällen mit VP-externen Subjekten und den zu einem geringen Teil einigermaßen akzeptablen Fällen mit VP-internen ergativen Subjekten ein breiter Obergangsbereich existiert; das spricht gegen die Relevanz einer VP-Grenze, die einen scharfen Akzeptabilitätsschnitt erwarten ließe. (c) NP-AufSpaltungen: oft wird angenommen, daß die Akzeptabilität der entsprechenden Konstruktionen von der Stellung der aufzuspaltenden NPn innerhalb oder außerhalb einer VP abhängt, die für solche 'Restrukturierungen 1 eine Barriere darstellt; die Verschiebung von NP-Köpfen (Geld habe ich keines} zeigt jedoch keine derartigen Unterschiede, es ist lediglich von Belang, daß der spezifisch betonte 'rahmensetzende HP-Teil' (Geld) mit einem in einer Fokusposition zurückbleibenden und daher typischerweise ebenfalls betonten 'NF-Rest' (keines) interpretativ in Beziehung gesetzt werden kann; auch bei der Aufspaltung von was fürPhrasen scheint die intonatorische Struktur der jeweiligen Äußerung der ausschlaggebende Faktor zu sein und nicht die Stellung einer derartigen Phrase relativ zu einer VP; die Abspaltung von PP-Attributen schließlich ist wesentlich von (rollen)semantischen Faktoren abhängig und zeigt ebenfalls keinen eindeutigen Akzeptabilitätsschnitt zwischen VP-externen und VP-internen Argumenten. (d) Bindungsphänomene: die akzeptablen Möglichkeiten der 'Bindung 1 von bestimmten Pronomina an Quantorenausdrücke (ähnlich der Bindung von Variablen in Logiksprachen) scheinen nicht nur ganz generell für die Relevanz struktureller Beschränkungen, sondern besonders auch für die der VP zu sprechen; als Alternative ohne Einbeziehung einer VP wurde hier vorgeschlagen, die zentralen Fälle über die Reihenfolgebedingung 'Binder vor Gebundenem' in einem festgelegten syntak-

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tischen Bereich zu erfassen und die zweifelhaften Fälle der Spätstellung eines Binders durch einen Rückgriff auf die unmarkierte Grundreihenfolge der Verbergänzungen und ihr Zusammenspiel mit der realisierten und der bindungsgerechten Reihenfolge zu beschreiben; auch die Koreferenzbeschränkungen zwischen den VollNPn in einem eingebetteten Satz und Argumentausdrücken des einbettenden Satzes werden häufig als klares Indiz für die Existenz einer VP angeführt; hier wurde dagegen angenommen, da£ die Koreferenz um so akzeptabler ist, je weniger eindeutig es sich um eine typische 'Bindungskonstellation' handelt, die bei intendierter Koreferenz die Verwendung eines Pronomens und nicht einer Voll-NP im eingebetteten Satz nahelegt; für die Einschätzung der Bindungskonstellationen ist die Abfolge von eingebettetem und einbettendem Satz sowie die Unterordnung des 'aktuellen' unter weitere 'potentielle Binder' relevant, eine VP-Barriere braucht nicht angesetzt zu werden. (e) Reflexivierung: auch dabei handelt es sich um einen Fall von Pronominabindung; die hier vorgelegte Beschreibung geht von der prototypischen Reflexivierungskonstellation aus, bei der ein Reflexivum innerhalb eines (Teil-)Satzes an einen nominativisch markierten Ausdruck mit Agens-Rolle gebunden wird, der in der Argumentstellenhierarchie den 'bindbaren Positionen' übergeordnet ist (d.h. strukturelle Beziehungen, aber nicht eine VP, spielen eine Rolle); andere zulässige Reflexivierungen lassen sich größtenteils aus dieser prototypischen Konstellation ableiten, indem das Antezedens entweder zumindest Agenseigenschaften aufweist oder zumindest eine nominativisch markierte Subjekts-NF ist. Im Abschnitt 1.5.3.7 wurde schließlich zu erklären versucht, wieso es zu den zweifellos feststellbaren 'Externalisierungseffekten' kommt, die die VP-Vertreter zur Unterstützung ihres Strukturierungsvorschlags für die Sätze des Deutschen (und anderer 'konfigurationeller 1 Sprachen) anführen. Derartige Effekte treten zunächst in hochtransitiven Strukturen a u f , bei denen sich die Subjektsund Objekts-NP auch durch eine ganze Reihe von 'inhaltlichen' Merkmalen unterscheiden. Strukturen, denen bestimmte Transitivitätsmerkmale fehlen, können sich in ihrem syntaktischen Verhalten mehr oder weniger stark an das prototypische transitive Vorbild annähern. Insbesondere bei den Prädikaten mit nur einer Argumentstelle können die 'inhaltlichen' Merkmale mehr zur Subjekt- oder mehr zur Objektseite im Prototyp tendieren, so daß die einzige Ergänzung sich eher wie ein 'externes' oder aber wie ein 'internes' (ergatives) Argument verhält. Relativ ausführlich wurde gezeigt, daß sich die intransitiven Verben mit 'externem' Argument auch formal den transitiven Strukturen angleichen können, indem sie entweder ein 'inneres' Objekt oder doch zumindest eine prädikative Struktur als eine Art Objekt zulassen.

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Fazit der Untersuchungen zur VP-Problematik war die in 1.5.3.8 aufgestellte These, daß es im Deutschen zwar eine maximale Verbprojektion gibt, daß diese aber mit S zusammenfällt, so daß (Tiefen-)Subjekte nicht durch ihre Position außerhalb einer VP definiert werden können. In einem weiteren Abschnitt wurde der Beitrag der Reihenfolge zur Argumentstellenmarkierung in den Fällen untersucht, in denen andere Markierungsmittel, inbesondere die morphologische Kennzeichnung, ausfallen. Es zeigt sich, daß in diesen Fällen auf eine neutrale Abfolge zurückgegriffen wird, bei der das Subjekt den Objekten vorangeht. In 1.6 wurde schließlich gezeigt, daß sich subjektbezügliche syntaktische Regularitäten zwar im typischen Fall mit Hilfe des Begriffs der Nominativmarkierung erfassen lassen, daß diese Strategie aber vor allem im Bereich der Subjektsätze an ihre Grenzen stößt.

2.

SATZE

Im ersten Teil der Arbeit wurde unter anderem gezeigt, daß die Argumentstellen eines Prädikats geordnet sind, daS aber Umstellungen, im Hittelfeld und ins Vorfeld, möglich sind. Nun soll darauf eingegangen werden, wie die 'Stellungsfelder' zu analysieren sind, die einen Rahmen für solche Umstellungsmöglichkeiten vorgeben. Es wird also die globale S'-Struktur untersucht, die auch den im dritten Teil vorgestellten Subjektsätzen zukommt. Im Rahmen der GB-Theorie gibt es zahlreiche Versuche, diese globale Satzstruktur des Deutschen zu beschreiben und das besondere Verhalten des finiten Verbs und der satzeinleitenden Ausdrücke zu erklären (vgl. z.B. Grewendorf 1988, Kap. 10 und 11; Raider 1986; Olsen 1985; Scherpenisse 1985; Stechow/Sternefeld 1988, Kap.11; vgl. auch die kritische Analyse einer speziellen Struktur-Hypothese, der Doppelkopf-Hypothese in Reis (1985)). Die hier vorgestellte Beschreibung lehnt sich zum Teil an die dort gemachten Grundvoraussetzungen an. 2.1

Fakten zu den Satzstrukturen des Deutschen

Im folgenden werden zunächst typische Eigenschaften der verschiedenen Satzstrukturen des Deutschen aufgezählt. In einem zweiten Schritt wird dann versucht, eine Beschreibung der deutschen Satzstrukturen zu liefern, aus der diese typischen Eigenschaften folgen. 2.1.1

Verbstellung

Zentral für die Beschreibung der deutschen Satzstrukturen ist bekanntlich die Analyse der Stellung der infiniten und finiten Verben im Satz.

151

2.1.1.1 Die Stellung der infiniten Verbformen Es gilt die Stellungsregel für infinite Verben: Infinite Verben haben in ihrer jeweiligen Konstruktion 'typischerweise' Endstellung (vgl. (G4) in Reis (1985: 2 7 3 ) ) . Einschränkungen: (a) Ausklammerungen sind möglich: Satzförmige Ausdrücke und unter bestimmten thematischen Bedingungen auch PPn oder Adverbien, die zur selben Konstruktion gehören, können auf die klamaerschliefienden infiniten Verben folgen; bei kasusmarkierten NPn kommt es auch unter ausklammerungsgünstigen Bedingungen zu stark markierten Resultaten. 1 (b) Unter bestimmten thematischen Bedingungen kann ein infinites Verb ins Vorfeld gestellt werden. 2 Diese Regel gilt für alle infiniten Konstruktionen (Infinitivphrasen mit Satzgliedfunktion, A.c.I.-Konstruktionen, analytische Verbformen, Partizipialkonstruktionen), vgl.: (2-1) Es ist verboten, die Waren mit den Fingern zu betasten. (2-2) *Es ist verboten, zu betasten die waren mit den Fingern, (2-3) Der Sultan ließ dem Großwesir die seidene Schnur überreichen. (2-4) *Der Sultan ließ überreichen dem Großwesir die seidene Schnur. (2-5) *Der Sultan ließ dem Großwesir überreichen die seidene Schnur. (2-6) Der Sultan hat dem Großwesir die seidene Schnur geschickt. (2-7) *Der Sultan hat geschickt dem Großwesir die seidene Schnur. (2-8) *Der Sultan hat dem Großwesir geschickt die seidene Schnur. (2-9) Das Land der Griechen ait der Seele suchend, stehe ich am Ufer. (2-10) *Suchend das Land der Griechen mit der Seele, stehe ich am Ufer. Infinite Strukturen werden im folgenden zunächst nicht mehr berücksichtigt. Auf die Ausklammerungsmöglichkeiten soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden; vgl. dazu Lambert (1976). Entweder steht dabei nur ein infinites Verb bzw. ein Komplex aus diesen im Vorfeld: (i) Abgefahren ist er erst am nächsten Tag. Oder aber ein infinites Verb (bzw. ein Verbkomplex) steht zusammen mit abhängigen und/oder modifizierenden Ausdrücken im Vorfeld; zu dieser V-Topikalisierung vgl. oben 1.5.3.3. Auch dann nimmt aber das infinite Verb (bzw. der Verbkomplex) die letzte Stelle innerhalb der komplexen Vorfeldkonstituente ein - wiederum von Ausklammerungen abgesehen.

152

2.1.1.2

Die Stellung der finiten Verbformen: Verb-Letzt vs. Verb-Erst/ Verb-Zweit

Für das finite Verb sind im deutschen Satz im Prinzip drei Positionen möglich: (a) an der Satzspitze: Verb-Erst, 3 (b) hinter einem Vorfeld: Verb-Zweit, (c) am Ende eines Satzes: Verb-Letzt. 4 Verb-Erst und Verb-Zweit können zusammengefaßt und Verb-Letzt gegenübergestellt werden. Es gilt nämlich die Stellungsregel für finite Verben: Ein (finites) Verb hat Endstellung genau dann, wenn ein satzeinleitender Ausdruck/Satzeinleiter/Komplementierer vorhanden ist (vgl. (Gl) und (G3) in Reis (1985: 2 7 2 f . ) ) Weder darf also ein finites Verb am Satzende - genauer: hinter Ausdrücken, die nicht als (komplexe) Vorfeldbesetzung interpretiert werden können - stehen, wenn kein Satzeinleiter vorhanden ist. 9 Bekanntlich können vor dem finiten Verb in der strukturellen Spitzenposition noch eine ganze Menge Ausdrücke stehen, die für den Verbstellungstyp nicht zählen, z.B. Konjunktionen oder bestimmte nach links herausgestellte Ausdrücke (vgl. zu diesen Altmann (1981)}. Solche 'feldexternen' Ausdrücke links vor der eigentlichen Felderstruktur können im Prinzip bei allen drei Verbstellungstypen auftreten. Daß sie nicht zur Felderstruktur gehören, zeigt sich deutlich daran, daß sie keinen Einfluß auf die (Satzmodus-)Funktion der entsprechenden Satztypen haben, eine Funktion, die gerade auch durch den Verbstellungstyp gesteuert wird (vgl. dazu z.B. Altmann (1987)). Ausklammerungen bzw. generell bestimmte Herausstellungen nach rechts (vgl. wiederum Altmann (1981)) und lokale Umstellungen mit abhängigen infiniten Verben, besonders mit sogenannten 'Ersatzinfinitiven', bleiben dabei außer acht; vgl. die folgenden Beispielsätze: (i) Ich bedaure zutiefst, daß es dazu gekommen ist gestern abend. (ii) leb bedaure zutiefst, daS es dazu gekommen ist, zu dem Zerwürfnis. (iii) Ich bedaure zutiefst, daß es dazu hat kommen müssen. Das zwingt natürlich dazu, in einem Beispiel wie dem folgenden von einem komplexen Vorfeld auszugehen: (i) Ein Jäger längs des Weihers ging. Genau deshalb wäre die Konstruktion aber auch kaum mehr akzeptabel - wenn es sich nicht um ein so hübsches Liedchen handeln würde. Andere Sätze nach diesem Muster sind jedenfalls (in nicht-gebundener Rede) klar inakzeptabel: (ii) *Ein fleißiger Linguist bis spät in die Nacht arbeitete. (iii) *Der Trainer auf einem wackligen Stuhl saß. Es könnte übrigens durchaus sein, daß es sich in (i) um ein Beispiel einer Verb-Letzt-Stellung ohne Satzeinleiter handelt, da diese Konstruktion in älteren Sprachstufen des Deutschen zulässig war (vgl. Lenerz 1985).

153

(2-11) *Ich seit Jahren mit heißem Bemühn Linguistik studiere. Noch darf in einem Verb-Erst- oder Verb-Zweit-Satz ein Ausdruck vorkommen, der nur als Satzeinleiter interpretierbar ist - es sei denn, dieser gehört zu einem eingebetteten Verb-Letzt-Satz. 6 HF-Ausdrucke müssen nicht als Satzeinleiter interpretiert werden. Daher sind sie zumindest mit Verb-Zweit-Stellung verträglich, und zwar sowohl in VerbZweit-Ergänzungsfragesätzen wie in ' ir-Echofragesätzen' (vgl. zu diesen Neibauer (1987), Reis (1989), Wunderlich (1986), Oppenrieder ( i . E r s c h . c ) ) . (i) Wer hat die Kokosnuß geklaut? (ii) Peter hat VAS gekocht? (=(2b) in Wunderlich 1986) Auf die Doppelrolle der v-Ausdrücke einerseits als Satzeinleiter und andererseits als lediglich semantisch besonders ausgezeichnete Phrasen wird weiter unten noch eingegangen. Scheinbar können auch Relativausdrücke an der Spitze von Verb-Zweit-Strukturen vorkommen, (iii) In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön. Sehr viel deutet aber darauf hin, daß es sich um selbständige Sätze handelt, die mit Relativsätzen nur gemeinsam haben, daß ein Pro-Ausdruck an der Satzspitze (bzw. ein komplexer Ausdruck, der einen passenden Pro-Ausdruck enthält, wie in (iii)) anaphorisch auf einen Vorgängerausdruck bezogen ist. Zum einen verhält sich der Gesamtsatz nicht wie ein typischer Relativsatz. So müssen die betreffenden Verb-Zweit-Sätze ganz im Gegensatz zu normalen Relativsätzen extraponiert werden (vgl. Reis 1985, Fn. 11). (iv) *Zwei Grenadiere, die waren in Rußland gefangen, zogen nach Frankreich. Eine koordinative Verknüpfung mit normalen Relativsätzen ist ausgeschlossen, (v) *Nach Frankreich zogen zwei Grenadiere, die waren in Rußland gefangen und die wegen der traurigen Mär vom Ende der Großen Armee sehr niedergeschlagen waren. Zum anderen verhalten sich die Ausdrücke an der Satzspitze - ganz abgesehen von der Tatsache, daß sie nicht in Verb-Letzt-Strukturen auftreten - nicht wie Relativausdrücke. Es gibt keine 'Doppel-Subjekte', wenn der Bezugsausdruck ein Personalpronomen der 1. oder 2.PS. ist (vgl. Reis 1985: 3 0 2 f . ) . (vi) Einaal fand er da uns vor, die betrunken waren/die wir betrunken waren/*die waren wir betrunken/*die wir waren betrunken. (entspricht Reis' (61b)) Die in süddeutschen Dialekten mögliche 'Erweiterung' des Relativausdrucks durch ein wo ist ausgeschlossen. (vii) *Es war ein Schütz in seinen besten Jahren, der wo wurde hinweggeputzt von dieser Erd'. Erklärlicherweise fehlen auch alle für Satzeinleiter typischen Phänomene, wie Enklitisierung von schwachtonigen Personalpronomina und Flexion, die bei normalen Relativpronomina auftreten, weil diese dieselbe Position wie andere Satzeinleiter besetzen. Eine Verb-Zweit-Parallele zu den Freien Relativsätzen existiert nicht: (viii) *Es wird gegessen, was kommt auf den Tisch! Es spricht also einiges dafür, die fraglichen Strukturen nicht als 'VerbZweit-Relativsätze' zu analysieren, sondern als normale Aussagesätze, die allerdings wegen ihres Pro-Anschlusses an einen Vorgängersatz bestimmten Bedingungen der Textkohärenz unterliegen. Das ist wohl auch der Grund dafür, daß die 'Verb-Zweit-Relativsätze 1 sich intonatorisch wie restriktive Rela-

154

(2-12) *0b hatte er Dicht weaiysteas eiaen Koch bei sich? (2-13) *Hatte ob er nicht wenigstens eiaen Koch bei sich? (2-14) *DaS heitere verwandte Engelsbilder schauen vom Gewölbe auf sie herab. (2-15) *Daß schauen heitere verwandte Engelsbilder vom Gewölbe auf sie herab. Genau diese Zweiteilung in Verb-Letzt- und Nicht-Verb-Letzt-Strukturen ist es, die in den neueren Untersuchungen zur Verbstellung des Deutschen bevorzugt zu erklären versucht wird. Was die Erzeugung von Verb-Erst- im Gegensatz zu VerbZweit-Strukturen betrifft, wird dagegen zum Teil nur festgelegt, daß die Besetzung der Position vor dem Finitum oder auch diese Position selbst optional ist, "no deeper principle rules against it" (Olsen 1985: 155). Eine Erklärung der Unterschiede der beiden Nicht-Verb-Letzt-Strukturen versucht dagegen Haider (1986), der aber von der merkwürdigen Annahme ausgeht: "The only non-interrogative V-initial structures are those with pronoun-drop" (Raider 1986: 57). VerbErst-Antezedens-Sätze werden an die Struktur von Entscheidungsfragen angeglichen (ebd.: 67); Verb-Erst-Exklamativsätze, Verb-Erst-Wunschsätze und vor allem die verschiedenen Verb-Erst-Aufforderungssätze werden dagegen schlankweg unterschlagen. 2.1.2

Einige Eigenschaften der satzeinleitenden Position

Im vorherigen Abschnitt wurde die Korrelation zwischen der Anwesenheit von satzeinleitenden Ausdrücken und der Endstellung des Finitums angesprochen. In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, daß diese Korrelation mit bestimmten Eigenschaften der satzeinleitenden Position zusammenhängt. tivsätze verhalten können. Allein aufgrund dieser Eigenheit die entsprechenden Strukturen zu den Relativsätzen zu zählen, wie dies in Schuetze-Coburn (1984) geschieht, scheint aber angesichts der zahlreichen relativsatz-untypischen Merkmale nicht gerechtfertigt. Einen weiteren Konstruktionstyp, der gegen den Ausschluß von Komplementierern in Nicht-Verb-Letzt-Sätzen zu sprechen scheint, stellen bestimmte irreale Vergleichssätze dar: (ix) Er lay zu meinen Füßen, als war's ein Stück voa mir. In derartigen Strukturen scheint der Komplementierer als im Vorfeld eines Verb-Zweit-Satzes zu stehen (vgl. zu einer solchen Einordnung Beispiel (4-4)(h) in Grewendorf (1988: 2 0 ) ) . Es gibt jedoch gute Argumente dafür, hier eine verdeckte 'konditionale' Verb-Erst-Struktur anzunehmen, während die Vergleichspartikel als, wie üblich, außerhalb der Phrase steht, die die Vergleichsgröße denotiert (vgl. Oppenrieder i.Ersch.b).

155

2.1.2.1 Satzeinleiter Die Ausdrücke, die in der satzeinleitenden Position auftreten können, lassen sich in zwei Typen unterteilen, in subordinierende Konjunktionen und in v- und Relativausdrücke (vgl. zum folgenden Oppenrieder (1989: 1 7 5 f f . ) ) . Zunächst zu den subordinierenden Konjunktionen: Diese zerfallen ihrerseits wieder in zwei Gruppen. Auf der einen Seite stehen die 'absoluten', nicht-relationalen bzw. nichtadverbiellen Satzeinleiter daß und ob, die lediglich anzeigen, welchem Denotattyp der durch sie eingeleitete Satz zugeordnet ist. Ein daJ-Satz ist als eine geschlossene, in ihrem Wahrheitswert festgelegte Proposition zu interpretieren; bei einem oirSatz bleibt dagegen der 'positive' oder 'negative* Abschluft der Proposition offen. Die Rolle der so eingeleiteten Sätze in einer einbettenden syntaktischen Einheit wird erst durch deren Prädikat festgelegt - oder aber durch einen nominalen Kopf. Sie können auch nur unter bestimmten Prädikaten bzw. nominalen Köpfen eingebettet werden. Auf der anderen Seite stehen die adverbiellen subordinierenden Konjunktionen, die nicht lediglich einen ganz abstrakten Denotattyp des durch sie eingeleiteten Satzes anzeigen. Vielmehr sind sie auch mit einer relationalen Bedeutungskomponente versehen, die die Rolle dieses Satzes in einer größeren Einheit von vornherein festlegt. Als relationendenotierende Ausdrücke gleichen die adverbiellen Satzeinleiter den (typischen) Adpositionen. Die entsprechenden Relationen bestehen zwischen dem im Matrixsatz ausgedrückten Sachverhalt und dem im Adverbialsatz selbst ausgedrückten Sachverhalt; je nach Art des adverbiellen Satzeinleiters ist auch die Relation verschieden aufzufassen, z.B. als kausal, konzessiv oder temporal. Die Einbettungsmöglichkeiten von Sätzen, die solche relationalen Satzeinleiter enthalten, hängen nicht vom Vorhandensein bestimmter Prädikate im einbettenden Satz ab.7 Zu den «r- und Relativausdrücken: Im Gegensatz zu den subordinierenden Konjunktionen handelt es sich um Ausdrücke, die neben der satzeinleitenden auch Satzgliedfunktion haben. Da es auch genitivische *- und Relativausdrücke (vesLediglich bestimmte semantische Unverträglichkeiten sind zu berücksichtigen (vgl. oben 1.1): Nicht alle Sätze sind z.B. mit einem 'instrumentalen* jfldea-Satz verträglich: (i) *Der Bücherstapel ist fast einen Meter hoch, indem ich einige dikke Grammatiken unten hingelegt babe. vs. (ii) Ich habe einen fast meterhohen Bücherstapel aufgeschichtet, indem ich einige dicke Grammatiken unten hingelegt habe.

156

sen, dessen, deren) und solche mit 'Ad-Funktionen 1 (welch-, vas für, vie) gibt, die (weitgehend) beliebig kategorial passende lexikalische Ausdrücke modifizieren können, ist die Zahl der komplexen v- und Relativausdrücke - im Gegensatz zur festgelegten kleinen Zahl an subordinierenden Konjunktionen - nicht begrenzt. Den durch sie eingeleiteten Sätzen sind Denotattypen zugeordnet, die, grob gesprochen, erst nach einer genaueren Spezifizierung der durch die tr- oder Relativausdrücke angezeigten 'Lücke' zu einer geschlossenen Proposition 'ergänzt' werden können. 8 Wie die Sätze, die durch daß und ob eingeleitet werden, sind v-Sätze nur unter passende, rollenbestimmende Prädikate einzubetten; Relativsätze (mit den Freien Relativsätzen als Sonderfall, vgl. unten 3.1.4) sind auf den Anschluß an Bezugsausdrücke angewiesen. Es gibt eine Reihe von Gründen, diese eben aufgeführten Typen von Ausdrücken unter dem Begriff 'Satzeinleiter'/'satzeinleitender Ausdruck'/'Komplementierer' zusammenzufassen. Dazu gehört natürlich zunächst die oben angesprochene Eigenschaft, daß sie alle nur in solchen Sätzen vorkommen, die ein finites Verb in der Endposition enthalten. Sie selbst nehmen in diesen Sätzen die Erstposition ein - möglicherweise vorhandene felderexterne Ausdrücke ('Vorvorfeldausdrücke', bestimmte nach links herausgestellte Ausdrücke), also Ausdrücke, die nachweislich in allen drei Verbstellungstypen optional vor die erste obligatorische Strukturposition gestellt werden können, zählen dabei selbstverständlich nicht. 2.1.2.2

Gibt es eine oder zwei Positionen für Satzeinleiter?

Ist es berechtigt von der Erstposition zu reden? Die Verhältnisse im Standarddeutschen scheinen für diesen Schluß zu sprechen. Zwar kann man sicherlich davon ausgehen, daß die Doppelbesetzung der Erstposition in vielen Fällen schon wegen semantischer Unverträglichkeiten ausgeschlossen ist. (2-16) *Ich trinke Jägermeister, obwohl venn/venn obwohl ich keinen Pfennig Geld mehr besitze, (2-17) *Du tust, vas ich sage, solange veil/veil solange du die Füße unter meinen Tisch streckst. An (Verb-Letzt-)Sätzen mit mehrfachen v-Ausdrücken, bei denen derartige Unverträglichkeiten keine Rolle spielen, läßt sich jedoch zeigen, daß nur einer von diesen in der strukturellen Erstposition stehen kann. 8

Bei den Relativsätzen erfolgt die nähere Spezifikation über eine anaphorische 'Bindung' an den Bezugsausdruck.

157

2.1.2.2.1 Verb-Letzt-Sätze mit mehrfachen ir-Ausdrücken In ¥-Verb-Letzt-Sätzen steht jeweils genau ein »^-Ausdruck in der Komplementiererposition. Alle eventuell vorhandenen weiteren «r-Ausdrücke zeigen ein Stellungsverhalten, das weitgehend dem der kategorial entsprechenden indefiniten Ausdrücke gleicht. (2-18) *Ich weiß nicht, wer wann sie besiegt hat. (2-19) Ich weiß nicht, wer sie wann besiegt hat. (2-20) Ich weiß nicht, wer wen womit bestochen hat. (2-21) ??Icb weiß nicht, wer womit wen bestochen hat. Insbesondere die Beispiele (2-18) und (2-19) sind aufschlußreich. Da schwachtonige Personalpronomina an der Spitze des Mittelfeldes, also direkt hinter einem Satzeinleiter stehen, ist unter der Voraussetzung, daß wann nicht die Spitzenposition besetzt, die stark verminderte Akzeptabilität von Beispiel (2-18) zu erwarten. In Beispiel (2-21) ist die unmarkierte Mittelfeldreihenfolge, bei der die PPn auf NPn folgen, verletzt; der Akzeptabilitätsverlust gegenüber der in (2-20) realisierten unmarkierten Mittelfeldreihenfolge läßt sich ohne weiteres erklären, wenn man annimmt, daß wen und woait nicht in der Komplementiererposition, sondern im Mittelfeld stehen. Mehrere »r-Ausdrücke können nur dann die Erstposition besetzen, wenn sie koordinativ verknüpft sind. Allerdings ist hier (wie auch bei der koordinativen Verbindung von »^Ausdrücken im Vorfeld eines Verb-Zweit-Satzes 9 ) die semantische Bedingung, daß nur denotattypgleiche adverbielle Ausdrücke verknüpft werden dürfen, aufgehoben. (2-22) Vgl.: (2-23) Aber: 10

9

Ich weiß nicht, wann und wo wir uns treffen Wann und wo sollen wir uns

sollen.

treffen?

Allerdings scheinen die Möglichkeiten der Vorfeldkoordination stärker beschränkt zu sein; vgl.: (i) Ich möchte nur wissen, wann und warum er kontat. (ii)

Ich mochte nur folgendes wissen: ?Wann und Warum kommt er?/Vann

kommt er und warum? 10 Andererseits besteht bei denotattypähnlichen adverbiellen Ausdrücken ohne wCharakteristik die Möglichkeit, sie zu einem neuen 'komplexen Adverbiale' zu verknüpfen. Das betrifft gerade die 'situierenden' lokalen und temporalen Adverbiale. Während also Beispiel (2-24) mit einer koordinativen Verknüpfung dieser beiden Typen von Adverbialen inakzeptabel ist, dürfen sie unkoordiniert gemeinsam im Vorfeld erscheinen: (i) Am Abend im Biergarten konnten wir uns treffen. Wenn man nicht annehmen will, daß hier doppelte Vorfeldbesetzung vorliegt, dann muß man den Vorfeldausdruck als ein einziges komplexes 'Situierungsadverbiale' werten.

158

(2-24) *Aa Abend und ia Biergarten könnten wir uns treffen. Stehen die beiden ir-Ausdrücke nicht in den beiden Spitzenpositionen - im Vorfeld oder in der Satzeinleiterposition -, dann ist eine solche Verknüpfung jedenfalls kaum Möglich. (2-25) ??Ich möchte gern wissen, wer ihn wann und wo zum letztenmal gesehen bat. (2-26) ??Ich möchte gern wissen, wer mich wann und mit welchem Auto abholt. Die beiden Spitzenpositionen weisen also in dieser Hinsicht ganz besondere Eigenschaften auf. Daß typverschiedene «r-Ausdrücke in der Satzeinleiterposition koordinativ verknüpft werden können, ist sicherlich auf ihren Komplementiererstatus zurückzuführen. Als Satzeinleiter können r-Ausdrücke ja auch mit den beiden anderen absoluten Komplementierern daß und ob koordinativ verbunden werden. (2-27) Jeder weiß, daß und von wem er bestochen wurde. (2-27a) Können Sie mir sagen, ob und wie lange ich warten muß? Bestehen bleibt aber die Einschränkung, daß mindestens kasusmarkierte (^-Ausdrucke nicht mit kasusfremden oder PP-förmigen »^Ausdrücken verknüpft werden können; vgl.: (2-28) Ich möchte gern wissen, wer oder was dich geärgert hat. (2-28a) *Icb möchte gern wissen, wer und aus welchem Grund dich geärgert hat. Bei v-Ausdrücken mit Präpositionalobjekt-Funktion besteht diese Einschränkung bezüglich der Koordinierbarkeit wohl nur dann, wenn sie obligatorisch sind (vielleicht kommt es bei optionalen zu einem Lesartenwechsel): (2-29) Ich möchte gern wissen, über wen und aus welchem Grund ihr gelacht habt. (2-30) *Ich möchte gern wissen, gegen wen und aus welchem Grund ihr euch entschieden habt. Die Verhältnisse im Bereich der Interrogativsententiale legen also nahe, von einer einzigen Satzeinleiterposition zu sprechen. Ausdrücke wie ohne daß oder (an)statt daß müssen wohl auch nicht als Aufeinanderfolge von je zwei selbständigen Satzeinleitern interpretiert werden, sondern können als 'komplexe Satzeinleiter' aufgefaßt werden. 11 11 Alternative: ohne und (an)statt werden ganz normal als Präpositionen analysiert, die allerdings nicht nur mit NPn, sondern auch direkt mit dai-Sätzen bzw. Infinitivphrasen verbunden werden können, (i) ohne daß er einen Laut von sich gab/ohne einen Laut von sich zu geben/ohne einen Laut (ii) statt daß er einen Leberkäs kauft/statt einen Leberkäs zu kaufen/

statt eine» Leberkis

Veraltet ist dagegen der Gebrauch der Präpositionen bis und auf mit einem daß-S&tz:

159

2.1.2.2.2 Komplexe Satzeinleiter im Bairischen In verschiedenen süddeutschen Dialekten gibt es jedoch ganz regelhafte Kombinationen von «r-Ausdrücken oder Relativausdrücken mit einem weiteren Ausdruck, der ganz wie ein selbständiger Satzeinleiter aussieht. Relativausdrücke verbinden sich dabei mit wo oder »ras, »»-Ausdrücke mit daß. Bayer (1984a; 1984b) untersucht (unter anderen auch) derartige Phänomene in einer Varietät des Bairischen. Er nimmt an, daß in solchen Konstruktionen tatsächlich zwei Satzeinleiter vorhanden sind, so daß bei der Beschreibung mindestens dieser Verb-Letzt-Sätze von zwei satzeinleitenden Positionen ausgegangen werden muß, deren erste allerdings nicht immer von Ausdrücken besetzt ist. Beispiele für Konstruktionen mit 'doppeltem Satzeinleiter' sind: (2-31) I woaß oed, wann (daß) da Xavea kummt. (=(3a) in Bayer 1984b) (2-32) dea Hund, dea (wo) gestern d'Katz bissn bot. (=(3c) in Bayer 1984b) (iii) bis daß der Tod euch scheidet (iv) auf daß es dir wohl ergehe Die Besonderheit der Präpositionen ohne und (an)statt ist, daß sie ohne die Zwischenschaltung eines Bezugselements - sei dieses ein selbständiger Ausdruck (v) oder der pronominale Bestandteil einer Pro-PP (vi) - mit einem satzförmigen Ausdruck verbunden werden können: (v) Durch das, daß der Wasserbahn dauernd tropft, ist natürlich die Badewanne total versaut. (vi) Dadurch, daß der Wasserbabn dauernd tropft, leidet die Badewanne natürlich. PP-Konstruktionen wie in (v) sind in süddeutschen Dialekten bei fast allen Typen von Adverbialsätzen üblich. Sie ersetzen also auch Verb-Letzt-Sätze mit adverbieller subordinierender Konjunktion: (vii) seitdem daß/seitdem ich jede Woche an den Spitzingsee radle D.h. die meisten Typen von adverbiellen Ausdrücken sind in diesen Dialekten durchgängig PP-förmig; sie unterscheiden sich nur dadurch, ob eine Voll-NP oder aber ein semantisch leerer Bezugsausdruck mit angehängtem Gliedteilsatz als Objekt der Präposition verwendet wird. Inwieweit diese Daten dafür sprechen, auch im Standarddeutschen die (meisten) adverbiellen Satzeinleiter in Analogie zu Präpositionen zu behandeln und z.B. einen 'stummen' oder notwendig getilgten Komplementierer anzunehmen, oder ob Präpositionen durch die Besetzung der Satzeinleiter-Position Komplementierer-Eigenschaften erwerben, soll hier nicht weiter untersucht werden. Ein weiterer Problemfall sind Sätze, die mit kaum daß eingeleitet werden: (viii) Kaum daß ich angekommen war, ging auch schon der Zirkus los. Kaum allein ist andererseits auch vorfeldfähig bzw. kann ins Mittelfeld eines Verb-Zweit-Satzes wandern; die Einbettungsmöglichkeiten ändern sich in diesem Fall jedoch: (ix) Kaua war ich angekommen, ging auch schon der Zirkus los. ( ) Der Zirkus ging los, kaum daß ich angekommen war/??kaum war ich angekommen. (xi) JcL war kaum angekommen, da/?? ging auch schon der Zirkus los. Auch hier deutet also nichts darauf hin, daß eine doppelte Satzeinleiterposition vorliegt, da sich kaum nicht gerade wie ein typischer Satzeinleiter verhält.

160

Eine Alternative zu der Analyse dieser Ausdrucke als doppelte Satzeinleiter wird in Reis (1985: 304) vorgeschlagen: Es könne sich auch um komplexe Satzeinleiter handeln, die eine einzige Strukturposition besetzen. Ein Vorteil dieser Analyse sei z . B . , daß es zur Generierung von ungrammatischen Folgen aus Relativausdrükken und daß (*dea daß) oder v-Ausdrücken und wo/ was (*wann wo/was] gar nicht erst komme. Was genau unter diesen komplexen Komplementierern verstanden werden soll, wird allerdings nicht ganz klar. Problematisch für die 'Komplexlösung' ist jedenfalls das Koordinationsverhalten derartiger Satzeinleiter. Nach dieser Lösung kann nämlich erwartet werden, daß sich die 'komplexen Satzeinleiter' insgesamt koordinieren lassen. Geht man dagegen wie Bayer von zwei voneinander unabhängigen Strukturpositionen aus, denen in der Baumrepräsentation keine Schwesterknoten zugeordnet sind, dann sollten nur innerhalb dieser Positionen koordinative Verknüpfungen vorkommen; 12 vgl. den folgenden Strukturbaum (nach (82) in Bayer (1984a>):

COHP2 COMP1

Koordinierte (^Ausdrücke zeigen genau das Verhalten, das sich nach Bayers Analyse erwarten läßt. Sie können nämlich gemeinsam durch ein folgendes daß 'verstärkt' werden (2-33); andererseits ist die Koordination von 'komplexen w+daßAusdrücken' verboten (2-34): (2-33) I woaß no ned, wo und wann daß i an Xavea triff. (2-34) *I woaß no ned, wo daß und wann daß i an Xavea triff. Allerdings treten auch bei einer Analyse im Stil Bayers Schwierigkeiten a u f . Wegen der (im Rahmen der GB-Theorie erforderlichen) Subjektrektion, muß die 'mittelfeldnächste' Satzeinleiter-Position (=COMP1 bei Bayer) besetzt sein. Die weiter unten zu besprechenden Enklise- und Flexionsfakten legen nahe, daß das Auftreten der 'unverstärkten 1 w- und Relativausdrücke nicht das Resultat einer Tilgung von daß bzw. wo in dieser Position sein kann; also werden daß bzw. wo op12 Koordinativ verknüpft werden können nur Konstituenten, die zudem zur gleichen syntaktischen Kategorie gehören müssen; vgl. die Regel (9) in Gazdar (1981). Nach der Analyse Bayers ist diese Konstituenzbedingung für die 'doppelten Satzeinleiter' nicht erfüllt.

161

tional in der mittelfeldnächsten Position (=COMP1) erzeugt, ff- und Relativausdrücke gehen in die 'mittelfeldferne' Position (=COMP2) genau dann, wenn die andere Position bereits besetzt ist (Bayer 1984a: 234). Das bedeutet, daß v- und Relativausdrücke in Verb-Letzt-Sätzen ganz unterschiedlich analysiert werden, einmal als 'echte Satzeinleiter', bei daÄ/vo-Verstärkung dagegen wie XP-Phrasen in Verb-Zweit-Sätzen. Bei Zugrundelegung zweier unabhängiger Positionen an der Spitze von VerbLetzt-Sätzen müssen bestimmte unzulässige Kombinationen ausgefiltert werden. Die nicht verstärkbaren subordinierenden Konjunktionen dürfen nur in die mittelfeldnächste Position (=COMP1) eingesetzt werden. (^-Ausdrücke können aber nur dann in die Position davor (=COMP2) rücken, wenn auf sie ein daß (oder ein finites Verb) folgt, insbesondere können keine zwei p-Ausdrücke aufeinander folgen. Im Bairischen hat also der folgende Filter Gültigkeit: *[[COMPZ ^Phrase] [ c o M p i a ] . . . ] wobei gilt: (a*cfajß [oder V f m ] ) Entsprechend dürfen d-Phrasen nur mit wo kombiniert werden. Die Kombinationsmöglichkeiten sind also weit beschränkter, als es die Unabhängigkeit der beiden Satzeinleiterpositionen eigentlich erwarten ließe. Dritter Punkt: Auf die nittelfeidferne COMP2-Position wird von Bayer auch bei der Beschreibung der Extraktion aus Verb-Letzt-Sätzen (und bei der Beschreibung des normalen Verb-Zweit-Vorfeldes) Bezug genommen. In allen diesen Fällen hängt die Zulässigkeit der Besetzung dieser Position aber entweder davon ab, ob sie äußerungsinitial ist, oder davon, ob der einbettende Satz ein Verb mit einer bestimmten Bedeutungskomponente, ein sogenanntes Brückenverb, enthält. Solche Einschränkungen lassen sich bei 'verstärkten* v~ und Relativausdrücken nicht beobachten: Ist ein Bezugsausdruck oder ein passender Matrixsatz vorhanden, dann können sie auf jeden Fall verwendet werden. Die genannten Schwierigkeiten legen es nahe, nach einer Alternative zu suchen. Eine Komplex-Analyse (ä la Reis 1985) ließe sich z.B. mit den Koordinationsfakten vereinbaren, wenn man alle Strukturen ausfiltert, die einen verstärkten Komplementierer als nicht-letztes Konjunkt enthalten. Als weitere Alternative ist denkbar, daß die Satzeinleiterposition nur unter bestimmten Bedingungen durch einen rechts angehängten spezifischen Ausdruck (z.B. daß) zu einer komplexeren Struktur erweitert werden kann. Eine Beschreibung der urtdaf-Strukturen könnte etwa durch folgende Regel geschehen (mit S' als dem üblicherweise angenommenen Etikett für den 'Satzknoten' in Verb-Letzt-Sätzen und COMP als Etikett für den 'Satzeinleiterknoten'):

162

Im Bairischen darf die Struktur [s·[coxra]...] durch die Struktur [s·[COMP·[coHpa] daß ]...] ersetzt werden, wenn a ein p-Ausdruck ist. Die Bedingung nimmt darauf Bezug, daß ein w-Merkmal haben muß, das bei einer Verknüpfung mehrerer ^Ausdrücke zu einen komplexen an dieses 'weitergegeben' wird; da im unmittelbar von S' dominierten COMP enthalten ist, kann nur der gesamte Komplex durch daß verstärkt werden (und zwar nur einmal). Die verstärkten v-Ausdrücke bleiben normale Satzeinleiter. Es müssen keine Strukturen ausgeschlossen werden, sondern unter genau festlegbaren Bedingungen kann eine gegebene Struktur geringfügig modifiziert werden. Diese Modifikation erfolgt ohne Bezug auf irgendwelche S'-externe Faktoren. Damit fallen die drei Einwände, die gegen die Analyse Bayers sprechen, hier weg. Daß der adjungierte Ausdruck nur der unmarkierte Satzeinleiter daß sein kann, ist wohl kein Zufall. Man könnte spekulieren, daß er deshalb an die vorangehenden Ausdrücke angehängt wird, um deren Funktion als Satzeinleiter zu verdeutlichen. Daher ist er optional und tritt gerade bei Ar-Ausdrucken auf, die bekanntlich eine Doppelrolle haben: als Satzeinleiter in Verb-Letzt-Sätzen und als Vorfeldausdrücke in VerbZweit-Sätzen. Relativsätze werden im Bairischen durch ^-Ausdrücke + wo, unter bestimmten Bedingungen durch wo allein oder - vielleicht nur in vom Standarddeutschen beeinflußten Varianten - durch einen d-Ausdruck allein eingeleitet. Dabei scheint wo der unmarkierte Kennzeichner für die Relativsatzhaftigkeit eines Verb-LetztSatzes. Der einfache «ro-Anschluß ist immer dann möglich, wenn die syntaktische Funktion dieses einleitenden Ausdrucks im Relativsatz rekonstruiert werden kann Bayer geht, wie bereits erwähnt, davon aus, daß der d-Ausdruck die mittelfeldnächste Position (COMP1) besetzt, wenn kein wo vorhanden ist. Im anderen Fall rückt er in die COMP2-Position, in der er einer optionalen Tilgungsregel unterliegt. 13 Diese Regel wirkt mit zwei weiteren obligatorischen Regeln zusammen, die einen Teil der Fälle abdecken, in denen die syntaktische Funktion des wo rekonstruierbar ist. Die erste Regel 14 legt fest, daß wo nominativische und mit dem Nominativ 13 Regel (30) in Bayer (1984a: 220): Deletion in COMP (DC) d-pronoun -> f / t c o x p z HCOMPI wo] 14 Regel (29) in Bayer (1984a: 220): [-oblique]-Transmission in COMP (-OT) l

WO ~>

(optional)

(obligatory)

l

WOl/[cQMP2\^Obljl][cMri

]

Als -oblique sind diejenigen Pronomina markiert, die mit der Nominativform identisch sind.

163

formgleiche (akkusativische)

Relativpronomina, also eine Art unmarkierte Form,

ersetzen kann; nach der zweiten Regel 19 ist wo dort zugelassen, wo der Kasus der Bezugs-NP dem Kasus des getilgten Relativpronomens entspricht. Damit werden die folgenden zulässigen Fälle von reinem vo-Anschluft erfaSt: (2-35) I soff's dem (der) wo im Gartn arwat. (=(19a) in Bayer 1984a) (2-36) Sie gem's dem Mo (dem) wo mir g'hoifa boa. Ein weiterer Kontext, in dem wo auftreten kann, entspricht trivialerweise der Bedingung der Rekonstruierbarkeit der syntaktischen Funktion. Ein Relativpronomen mit Präpositionalobjekt-Funktion ist durch wo ersetzbar, wenn im Satz eine passende Pro-PP verwendet wird. 16 In diesem Fall scheint wo tatsächlich nur den Satz als relativisch zu kennzeichnen. (2-37) Do schiebt dea MS, wo mir geschtern davo g'red harn. (2-38) Do tlackt no dea Pfoschtn, wo's dageng g'fahrn sin. Für die Tilgungsanalyse Bayers sind derartige Konstruktionen sehr problematisch. Kombinationen aus Pro-PP und wo sind nicht zulässig: *davo wo, *dageng wo usw. Der getilgte d-Ausdruck kann also nur vo dem bzw. geng den sein. Die entsprechenden Beispiele ohne Tilgung müßten dann jedoch lauten: (2-37a) Do schtebt dea MS, vo dem wo mir geschtern g'red harn. (2-38a)

Do flackt no dea Pfoschtn, gegn den wo's g'fahrn

sin.

Aber ganz gleich, was getilgt wurde, auf jeden Fall müftte die Tilgungsregel obligatorisch angewandt werden, denn die folgenden Beispiele mit Doppelbesetzung einer syntaktischen Funktion sind ausgeschlossen. (2-39) Do schiebt dea MS, vo dem wo mir gescbtern (*davo) g'red harn. (2-40) Do flackt DO dea Pfoschtn, geng den wo's (*dageng) g'fahrn sin. Ahnlich problematisch sind Sätze, in denen ein Relativpronomen, das einer possessiven adnominalen coo-Phrase entspricht, durch wo ersetzt wird. (2-41) Do schtebt dea MS, wo da Franz d'Scbwescbta davo kennt. Wieder darf der d-Relativsatzeinleiter nicht die Form einer Pro-PP haben und die Doppelbesetzung ist wieder ausgeschlossen: (2-42) Do schtebt dea MS, vo dem wo da Franz d'Schwescbta (*davo) kennt. 15 Regel (34) in Bayer (1984a: 222): Case-Transmission (CT) (obligatory) wo -> woj/[V?i] [COHPI ]

16 Die folgenden Beispiele zeigen die Verhältnisse im mir geläufigen Augsburger Stadtdialekt, der sich aber in diesem Punkt wohl nicht zu sehr von der Variante des von Bayer untersuchten Bairischen unterscheidet.

164

Allerdings ist hier auch eine Pro-PP-lose Version möglich; die syntaktische Funktion des wo ist offensichtlich rekonstruierbar: 17 (2-42a) Do schteht dea Mä, wo da Franz d'Schwescbta kennt. Statt in den PP-Fällen obligatorische d-Tilgung anzunehmen, sollte man besser davon ausgehen, daß tatsächlich nie ein d-Ausdruck vorhanden war. 1 8 Wenn man aber sowieso einen 'nackten' Relativsatzeinleiter wo benötigt, dann ist zu überlegen, ob die Tilgungsidee nicht ganz fallengelassen werden sollte. Die Anwendung der Regel (34) in Bayer (1984a), die für die Oblique Markierung' eines wo durch einen Bezugsausdruck in Beispielen wie (2-36) sorgt (vgl. Fn. 15), setzt die Anwendung der Tilgungsregel voraus. Offensichtlich kann sie also auch auf das 'nackte' wo angewandt werden. Es bleiben die Fälle von nominativäquivalentem wo. Hier ließe sich denken, daß wo die Rolle der unmarkierten Form übernimmt. Die Rekonstruktion der syntaktischen Rolle des wo könnte folgendermaßen aussehen: In den PP-Fällen muß keine syntaktische Rolle rekonstruiert werden, aber die richtige Interpretation erfordert, eine Beziehung zwischen der Pro-PP und dem Relativsatzeinleiter herzustellen, repräsentierbar etwa durch Koindizierung der beiden Ausdrücke. Bei der Rekonstruktion der syntaktischen Funktion des wo ist der Default-Fall die nominativische Interpretation. Erst wenn aufgrund dieser Annahme keine Kohärenz der syntaktischen Funktionen im Relativsatz erreicht werden kann (indem dann z.B. zwei voneinander unabhängige Subjekte auftreten vielleicht ist ein solcher Interpretationsversuch mit inkohärentem Resultat auch der erste Schritt in den PP-Fällen), wird wo entsprechend dem Bezugsausdruck kasus-, bzw. 'funktions'-markiert. Erhält man auch auf diese Weise keine in den Kasusrahmen des Relativsatzes passende Interpretation, dann ist der Satz ungrammatisch. Wo hat dieser Analyse zufolge zwar nicht gleichzeitig verschiedene Funktionen, kann aber sehr wohl in den verschiedenen Interpretationsschritten verschiedene Funktionen zugeordnet bekommen. 17 Vgl. auch den folgenden Hörbeleg, in dem eine Pro-PP (damit) rekonstruiert werden muß. (i) Wo i mi überhaupt net auskenn, des laß i weg. Die Umformung dieses linksversetzten Freien Relativsatzes in einen Relativsatz mit Bezugsausdruck ändert nichts an der Weglaßbarkeit der Pro-PP: (ii) Des, wo i mi überhaupt net auskenn, laß i halt weg. 18 Die Fälle sind die relativische Version der 'Verdopplung 1 von da- und woPro-PPn (vgl. dazu Oppenrieder i.Ersch.a): (i) Da habe ich mich sehr drauf gefreut. (ii) Wo hast du dich sehr drauf gefreut? (iii) Wo ich mich sehr drauf gefreut habe?

165

Die zulässigen Strukturen könnten in einer ersten Annäherung durch die folgende (natürlich noch unterspezifizierte) Regel erfaßt werden: 19 Im Bairischen/Augsburgerischen ist die Struktur [ J N P k ] [ s - [COUP J t i m ] ]...] zulässig, wenn a) l=[-obl] (nach Regel (29) in Bayer 1984a) oder b) l=k (nach Regel (34) in Bayer 1984a) oder c) 1=0 und S' enthält eine mit ' j 1 superskribierte Pro-PP oder eine solche Pro-PP läßt sich rekonstruieren. Die tatsächliche Rekonstruktion der syntaktischen Rolle kann dann so beschrieben werden, daß wo nach den folgenden Regeln mit Kasusindizes versehen wird. Jede Regelanwendung 'überschreibt' die bei einer vorhergehenden Regelanwendung zugewiesenen Indizes (die Reihenfolge der Regelanwendungen ist nicht von vornherein festgelegt): Subskribiere wo mit [-oblique]. Subskribiere wo mit dem Kasusindex des Bezugsausdrucks. Superskribiere eine Pro-PP mit den relativischen Kongruenzmerkmalen. Die entsprechenden Indizierungen müssen unter anderem daraufhin überprüft werden, ob sie in den Funktionsrahmen des Relativsatzes passen: Prüfe die Kohärenz der syntaktischen Funktionen in einem Satz (bezogen auf den Prädikatsausdruck des Satzes). Wenn die Verwendung des 'nackten' wo auch ohne die Annahme von Tilgungsregeln beschrieben werden kann und die nicht durch wo 'verstärkten' Relativausdrücke nach Bayer ebenfalls keine Tilgungsresultate sind, dann kann auf die 'verstärkten' Formen, also d*-wo-Ausdrücke, die Komplex-Analyse aus Reis (1985) angewandt werden. In diesem Fall sprechen auch keine überraschenden Koordinationsfakten gegen eine solche Lösung. Auch die Relativsätze lassen sich demnach ohne die Annahme zweier zugrundeliegender Satzeinleiterpositionen beschreiben. Selbstverständlich ist eine Be19 Dabei stehe ' k ' bzw. ' für irgendwelche Kasus- oder Funktionsmerkmale, ' j ' für Kongruenzmerkmale von Bezugsausdruck und Relativausdruck, also z.B. Genus- und Numerusmerkmale; diese werden allerdings weder durch das wo noch durch eine Pro-PP hör- oder sichtbar gemacht.

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Schreibung analog den w+daj-Ausdrücken ebenfalls möglich. In der entsprechenden Regel muß nur daß durch wo ersetzt und für das Merkmal relativisch spezifiziert werden. Wie bei den w-Ausdrucken die Einfügung eines daß die Funktion als Satzeinleiter und die Verb-Letzt-Stellung garantiert, so ist hier wo der Garant für die relativische Interpretation. Ein Unterschied zwischen den beiden Typen von 'verstärkten' Satzeinleitern besteht allerdings darin, daß der w-Ausdruck nicht weglaßbar ist, der d-Ausdruck hingegen unter den angeführten Hiederentdeckbarkeitsbedingungen sehr wohl; im letzten Fall ist jedoch bereits durch die Anwesenheit eines Bezugsausdrucks die Relativsatzinterpretation sichergestellt, während im ersten Fall ein da£-Satz übrigbliebe, ohne daß es irgendwelche Hinweise auf dessen «^-Charakteristik gäbe. Im übrigen gibt es im Bereich der Relativsätze eine spezielle Konstruktion, die auch Bayer dazu zwingen würde, für manche Fälle eine Komplex-, bzw. Adjunktions-Analyse zuzulassen. Laut Hans Altmann (pers. Hitt.) ist es in emphatischer Rede möglich, einen Relativausdruck doppelt zu verstärken, nämlich durch das übliche wo und durch ein darauffolgendes daß. (2-43) Dea Ho, dea wo daß mi daschlogt, dea is no net af dera Void. Fazit: Die (süddeutschen) Fälle, die dafür zu sprechen scheinen, daß zwei Satzeinleiterpositionen vorhanden sind, lassen sich auf der Grundlage einer einzigen Satzeinleiterposition beschreiben, die unter genau bestimmbaren Bedingungen durch einen adjungierten unmarkierten Komplementierer erweitert wird. Es ist also durchaus zulässig, weiterhin von der Satzeinleiterposition in Verb-Letzt-Sätzen zu sprechen.

2.1.2.3 Die Satzeinleiterposition als linke Hittelfeldgrenze Während in Verb-Letzt-Sätzen die Satzeinleiterposition den Beginn des Satzes markiert, nimmt beim Fehlen eines Satzeinleiters das Finitum entweder selbst die absolute Spitzenposition ein oder aber es geht lediglich die thematisch ausgezeichnete Vorfeldposition voraus. Eine ganze Reihe von Argumenten spricht für die Identifikation dieser beiden strukturellen Spitzenpositionen, d.h. der Position, die der satzeinleitende Ausdruck in Verb-Letzt-Sätzen einnimmt, und der Finitums-Position in Sätzen ohne Komplementierer. Die auf den satzeinleitenden Ausdruck bzw. auf das finite Verb in Erst- oder Zweit-Position folgenden Ausdrücke verhalten sich z.B. in vieler Hinsicht gleich. In der traditionellen Felderterminologie (vgl. die Literaturangaben in Reis (1980)) wird dem dadurch Rechnung getragen, daß sowohl das finite Verb (in Erst- oder Zweit-Position) als auch die satzeinleitenden Ausdrücke die linke

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Begrenzung des Mittelfeldes bilden können (vgl. die Tabellen (4) und (5) in Reis (1980)). Reis (1980: 73£f.) bringt einige Argumente dafür, daß bestimmte Stellungsregularitäten, die sich quer durch Sätze mit jeweils verschiedener Verbstellung finden, unter Bezug auf ein Hittelfeld ganz generell formuliert werden können. Das sind dann aber auch Argumente für eine Identifizierung der Finitumsposition in Verb-Erst- und Verb-Zweit-Sätzen mit der Position von satzeinleitenden Ausdrücken in Verb-Letzt-Sätzen, da diese jeweils die linke Begrenzung des Mittelfeldes bilden. In dieselbe Richtung, daß es sich nämlich um ein und dieselbe Position mit typverschiedener lexikalischer Füllung handelt, weist auch die Tatsache, daß ein finites Verb genau dann die linke Mittelfeldgrenze bildet, wenn kein satzeinleitender Ausdruck vorhanden ist: Die linke Grenze kann also nie doppelt markiert werden - weder durch zwei eigenständige Satzeinleiter noch durch einen Satzeinleiter und ein finites Verb (zu den problematischen irrealen Vergleichssätzen mit als und folgendem Finitum vgl. oben Fn. 6): (2-44) *0b komat er über Oberaaaergau, weiß ich nicht. (2-45) *Koaat ob er Ober Oberamaergau, reiß ich nicht. 2.1.2.3.1 Personalpronomina und die linke Mittelfeldgrenze Die schlagendsten Mittelfeld-Argumente im Hinblick auf Stellungsregularitäten betreffen schwachtonige Ausdrücke. Unbetonte Personalpronomina müssen in der Reihenfolge Subjekt vor den Objekten (hier Akkusativobjekt vor Dativobjekt) angeordnet werden. (2-46) Hat er sie ihr gegeben(, die Uhr)? (2-47) Ob er sie ihr gegeben hat? (2-48) ??Eat er ihr sie gegeben? (2-49) ??0b er ihr sie gegeben hat? (2-50) *Hat sie er ihr gegeben? (2-51) *0b sie er ihr gegeben hat? Diese feste Reihenfolge gilt auch im Zusammenhang mit solchen Verben, bei denen die Reihenfolge von kasusmarkierten Voll-NPn verhältnismäßig frei variieren kann (vgl. Lenerz 1977: 1 0 4 f f . ) . (2-52) Ich glaube, daß diese Tänzerin dem Kritiker gefallen würde. (entspricht Lenerz' (33a)) (2-53) Ich glaube, daß dea Kritiker diese Tänzerin gefallen würde. (entspricht Lenerz' (33b))

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(2-54) Ich glaube, daß sie ihm gefallen wurde. (2-55) *Ich glaube, daß ihn sie gefallen würde. (2-56) Ob sie ihet wohl gefallen würde? (2-57) *0b ihtt sie wohl gefallen wurde? Bei manchen zweistelligen unakkusativischen Verben ist die Abfolge dativische Voll-NP vor nominativischer Voll-NP sogar die weniger markierte. Aber auch dann müssen Personalpronomina nach der generellen Regel angeordnet werden: (2-58) Ich glaube, daß dem Flexions-tfindungs-Modell der Durchbruch gelungen ist, (2-59) ?Icb glaube, daß der Durchbruch dem Flexions-Vindungs-Modell gelungen ist. (2-60) Ich glaube, daß er ihm gelungen ist. (2-61) *Icb glaube, daß ihm er gelungen ist. (2-62) Ob er ihm wohl inzwischen gelungen ist? (2-63) *0b ihm er wohl inzwischen gelungen ist? Die Abtolgeregularitäten der schwachtonigen Pronomina gelten also einheitlich für alle Mittelfelder, ganz gleich, welcher Ausdruck diejenige Position besetzt, die das Mittelfeld links begrenzt. In gesprochener Sprache kommt es wohl meistens zur Enklise und anschließenden Reduktion der Pronomina, 20 und zwar bei beiden Typen von Füllungen der linken Randposition. Die linke Grenze des Mittelfeldes ist also auch eine typische KlitisierungsPosition, unabhängig davon, ob sie durch ein finites Verb oder durch einen satzeinleitenden Ausdruck gefüllt wird. (2-64) Ich weiß nicht, ob's'n beut' sieht. (2-65) Sieht 's'n heut'? 2.1.2.3.2 Flektierte Satzeinleiter

Den eben angesprochenen Klitisierungsphänomenen sehr ähnlich ist die in beschränktem Maß mögliche Flexion satzeinleitender Ausdrücke in bestimmten Dialekten und Varietäten des Deutschen. Im folgenden soll kurz dafür argumentiert werden, daß es sich tatsächlich um Flexion und nicht nur um die Enklitisierung von Personalpronomina handelt. Solche Flexionserscheinungen zeigen eine weitere Gemeinsamkeit von finiten Verben und Satzeinleitern. Sie deuten darauf hin, daß die linke Mittelfeldgrenze eine wenigstens potentiell finite Position ist. 20 In 1.5.3.2.3 wurde aber darauf hingewiesen, daß zumindest bei den nichtnominativischen Pronomina nicht eine Art Enklisezwang für die Stellung verantwortlich gemacht werden kann.

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In Verb-Letzt-Sätzen mit einem Subjekt der 2.PS. wird in bestimmten süddeutschen Dialekten an den Satzeinleiter das entsprechende singularische oder pluralische Kongruenzmorphem der 2.PS. angehängt; ein Personalpronomen der 2.PS. als Subjektsausdruck braucht nicht verwendet zu werden und fehlt auch üblicherweise. In nördlicheren Varianten ist eine solche Erweiterung des Satzeinleiters nur möglich mit dem Kongruenzmorphem der 2.Ps.Sg.; dieses ist zudem obligatorisch mit dem enklitischen Subjektspersonalpronomen verschmolzen, wie das auch am flektierten Verb selbst der Fall sein kann. (2-66) Vennsde willst, kannsde (*du) kommen. (2-67) *Vennsde du willst, kannsde kommen. (2-68) *Wennsde willsde, kannsde kommen. (2-69) *Weanst willsde, kannsde kommen. (2-70) *Wennst du willst, kannsde kommen. In den süddeutschen Varianten (vgl. Altmann 1984, Bayer 1984a) kann dagegen neben dem erweiterten Komplementierer auch ein nicht-klitisiertes Personalpronomen verwendet werden: (2-71) Venns_t du weg bis_t, ... (2-72) Vennts_ ia/e(:)s weg seits, ... Im Normalfall fällt es weg: (2-73) Nennst weg bist, ... (2-74) Venn ts weg seits, ... Die Möglichkeit, daß es sich bei dem Anhängsel an die satzeinleitenden Ausdrücke gar nicht um ein Flexionsmorphem handelt, sondern um ein enklitisches Personalpronomen der 2.PS., das in dieser Kombination lediglich spezielle phonologische Anpassungen durchmacht, kann aus mehreren Gründen ausgeschlossen werden. Dagegen spricht erstens die Tatsache, daß sich das Anhängsel am Satzeinleiter und das Kongruenzmorphem am Verb haargenau gleichen: Es handelt sich jeweils einheitlich um -st (2-71) oder um -ts (2-72). Bei einer Klitisierungsanalyse bleibt völlig mysteriös, wieso ein enklitisches du durch einen Sibilanten erweitert werden kann oder wieso zwischen enklitischem e(:)s und dem Satzeinleiter ein -r- eingeschoben werden muß. 2 1 Eine Analyse der Erweiterungen als Kongruenzmorpheme vermag dagegen deren spezifische Form problemlos zu erklären. Gegen die Klitisierungsanalyse spricht zweitens, daß nur in bestimmten süddeutschen Varianten der Konplementierer auch bei einem pluralischen Subjekt der 21 Bei der Form wennts könnte sich das Auftreten des eingeschobenen -t- noch als ein artikulatorischer Effekt (Verschlußlösung vor dem Frikativ) erklären lassen; eine solche Erklärungsmöglichkeit entfällt jedoch bei Formen wie daß ts oder wots.

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2.PS. erweitert werden kann. Anscheinend ist eine Vorbedingung für diese Erweiterung, daß ein Sibilant beteiligt ist. Genau in denjenigen süddeutschen Varianten, in denen das Kongruenzmorphem der 2.PS.P1. die sibilantenhaltige Form -ts hat, ist auch die entsprechende Veränderung des Komplementierers möglich. Da diese Bedingung in den standardnäheren Varianten nicht erfüllt ist, kann dort auch der Satzeinleiter nicht erweitert werden. 22 Wenn in den erwähnten süddeutschen Varianten die dem Standard entsprechende Form des Kongruenzmorphems der 2-Ps.Pl. (also -t) verwendet wird, entfällt auch dort sofort die Möglichkeit, den Satzeinleiter zu erweitern, d.h. Mischformen aus Komplementierer mit NichtStandard-Flexion und Verb mit Standard-Flexion sind unzulässig: (2-75) Wena-ts *voll-t, könnt ihr kommen. Die Abhängigkeit der Komplementiererveränderung von der spezifischen Form des Kongruenzmorphems (und nicht von der Form des Pronomens der 2.PS.) ist ebenfalls ein Argument gegen die Klitisierungsanalyse. Drittens gilt z.B. für den Augsburger Stadtdialekt (bzw. eine ähnliche schwäbische Variante) als einen der süddeutschen Dialekte, daß in der 2.Ps.Sg. kein Bestandteil am Satzeinleiter zu identifizieren ist, der als enklitisches Personalpronomen interpretiert werden könnte: Es sind keine Spuren eines d-Lautes als Rest eines enklitisierten du mehr vorhanden. Stattdessen findet sich nur das reine Kongruenzmorphem -seh. (2-76) ffennsch ki:sch, no kommsch. (2-77) Den Kä:s, densch/den wosch/woscb geschtern kofft hasch, mog i net. (2-78) Obwohlscb net komma bisch, ... (2-79) Vennsch (du) komma warseh, ... Die Erweiterung am Satzeinleiter und das Kongruenzmorphem zeigen also einheitlich die Form -seh. Im Plural wird einheitlich -ts verwendet. (2-80) ffennte (ihr) fertig seit*, no sagts es. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, den Satzeinleiter nicht durch ein Flexionsmorphem zu erweitern, sondern ein Personalpronomen zu enklitisieren. (2-81) Wennd komma wärsch, ... Dafi satzeinleitende Ausdrücke im beschränkten MaS flektiert werden können, ist also nicht zu bestreiten. Eine naheliegende Interpretation dieser Tatsache ist, 22

Lediglich die einfache Enklise des Subjektpronomens ist zulässig: (i) Henna wollt, könnt a kommen. Die im Singular anzutreffende Formgleichheit von Komplementierer-Erweiterung mit enklitischem Personalpronomen einerseits und Kongruenzmorphem mit enklitischem Personalpronomen andererseits (wenn-sde und kaan-sde) ist im Plural nicht gegeben: wenn-a und könn-ta, nicht *wenn-ta.

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daß die satzeinleitende Position zumindest potentiell finit ist, auch wenn sie von einem Komplementierer besetzt wird. Die besprochenen Phänomene deuten darauf hin, daß es eine Position links vom Mittelfeld gibt, die einheitlichen Regularitäten gehorcht, gleich ob sie von einem finiten Verb oder von einem Satzeinleiter besetzt wird. Insbesondere gilt, daß sich ir-Ausdrücke, die in dieser Position stehen, so verhalten wie andere Satzeinleiter auch (2-82), während das nicht der Fall ist, wenn sie sich vor dem Finitum, also in der Vorfeldposition, befinden (2-82a): (2-82) I voiß scho, veascb ägrufa hosch. (2-82a) Wen/*Wenscb boscb du ägrufa? Ebensowenig zeigen sie solche Satzeinleiter-Eigenschaften, wenn sie bei Mehrfachfragen im Mittelfeld verbleiben. (2-83) I tfoiß scho, ffeosch trann/*wen vannsch treffa villscb. (Vgl. auch die Beispiele (57)-(58) in Reis (1985: 302).) 2.1.2.4 Zusammenfassung zur Stellung der Verben und Komplementierer Die bisherigen Beobachtungen zum Stellungsverhalten der Verben und Komplementierer im deutschen Satz lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: (1) Samtliche infiniten Verbformen verbleiben am Ende des Satzes oder der entsprechenden Infinitivphrase bzw. Partizipialkonstruktion (von wo aus sie lediglich in die pragmatisch ausgezeichnete Vorfeldposition verschoben werden können). (2) Die einzige finite Verbform innerhalb eines 'finiten Satzes* kann die Endposition verlassen und nach vorne wandern. (3) Sie kann nur dann nach vorne wandern, wenn bestimmte satzeinleitende Ausdrücke fehlen; im heutigen Deutschen muß sie dann aber sogar in dieser Position erscheinen. (4) Daß das Finitum genau dann seine Endposition verläßt, wenn kein Satzeinleiter vorhanden ist, legt die Vermutung nahe, daß es eine spezifische Strukturposition gibt, die entweder von einem Satzeinleiter oder aber vom finiten Verb gefüllt wird. Auch das einheitliche Verhalten von finiten Verben und Satzeinleitern gegenüber angrenzenden Mittelfeldausdrücken spricht dafür, daß sie dieselbe Position besetzen. Diese selbst muß durch Finitheitsmerkmale gekennzeichnet werden können. Dies wirkt sich so aus, daß Verben in dieser Position flektiert werden müssen; für Satzeinleiter gilt die Flektierbarkeit allerdings nur in sehr beschränktem Maß, nämlich nur für die

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Personal- und Numerusflexion und auch dann nur, wenn die lautliche Struktur des Flexionsmorphems 'stark' genug ist. (5) Neben daß, ob - und vielleicht auch noch venn - als den unmarkierten, verhältnismäßig bedeutungsarmen Satzeinleitern gibt es noch Satzeinleiter mit einer speziellen adverbiellen Bedeutung, sowie Relativausdrücke und nr-Ausdrücke. Die Erscheinung der 'verstärkten' Komplementierer in Süddeutschen Varianten zwingt nicht dazu, eine verdoppelte Satzeinleitungsposition anzunehmen. (6) Für die «r-Ausdrücke gilt als Besonderheit, daß sie nicht nur als Satzeinleiter fungieren, sondern auch vor das finite Verb gestellt werden können wie (fast) jede andere Konstituente auch. 2.1.3

Die Satzeinleiter- und die Vorfeldposition

Mit dem sechsten Punkt der vorhergehenden Zusammenfassung ist die Vorfeldproblematik angesprochen: Wie ist diese Position in ein Strukturmodell des deutschen Satzes zu integrieren? 2.1.3.1 Das zweistufige CP-Modell der Satzstruktur Im Zuge der Vereinheitlichung der X-Bar-Theorie wird in Chomsky (1986a; 1986b) angenommen, daß eine COMP-Phrase (CP), wie jede andere maximale Projektion auch, eine zweistufige Phrase ist, daß also die maximale Projektion im Bereich des Satzes S" (bzw. COMP") und nicht S 1 ist; das eingebettete S als Objekt 1 eines Komplementierers wird als INFL-Phrase (IP) analysiert.

C(OMP)

Damit ist die Satzstruktur/CP-Struktur (wie auch S durch die Analyse als IP) in das generelle X-Bar-Schema integriert: Die CP enthält dieselbe Anzahl von Projektionsstufen (bei Chomsky sind es 2} wie andere maximale Phrasen auch, wobei die Projektion von einem COMP-Kopf den Ausgang nimmt (zu den verschiedenen Bedingungen, die X-Bar-Systeme charakterisieren vgl. Pullum (1985) und Kornai/

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Pullum (1990)). Die XP-Position wird von maximalen Phrasen (z.B. NP oder PP) besetzt. Die C-Position bleibt dagegen für lexikalische Ausdrücke der 0-ten Projektionsstufe reserviert. Nach dieser Analyse gibt es in der CP neben der Position für 'echte' Komplementierer wie daß, ob, weil usw. (die Position, die auch als Landeplatz für ein finites Verb dienen kann) eine zweite Position. In VerbLetzt-Sätzen ist diese zweite Position (die Spezifizierer-Position der CP) der Landeplatz für w- und Relativausdrücke, d.h. für einen spezifischen Typ von maximalen Phrasen; in Verb-Zweit-Sätzen repräsentiert sie das Vorfeld. Für eine solche Analyse der Verb-Letzt-Sätze gibt es zunächst theorieinterne Rechtfertigungen, z.B. den Ausschluß maximaler Projektionen von lexikalischen Kopf-Positionen. Daneben läßt sich das oben in 2.1.2.2.2 behandelte Auftreten von 'verstärkten' Satzeinleitern in bestimmten süddeutschen Varianten mit zwei unabhängigen Positionen problemlos beschreiben. 23 Neben theoretischen und beschreibungstechnischen Vorteilen hat eine derartige Analyse jedoch auch Nachteile. Die Tatsache, daß sich XP-Satzeinleiter und C-Satzeinleiter koordinativ verknüpfen lassen (vgl. oben die Beispiele (2-27) und (2-27a)), ist überraschend, wenn man annimmt, daß nur Ausdrücke der gleichen Kategorie koordinierbar sind (vgl. dazu Gazdar 1981): (2-27) Jeder weiß, daß und von wem er bestochen wurde. (2-27a) Können sie mir sagen, ob und wie lange ich warten auß? Auf jeden Fall zwingt die CP-Strukturierung zu einer Tilgungsanalyse, da nr-Ausdruck und 'echter' Komplementierer nicht unter einem gemeinsamen C- oder XP-Knoten plaziert werden dürfen. Anzunehmen ist dabei eine Analyse mit 'Right Node Raising':

wann e

und 11 und

wo wie l any e

tt [du sie triff st] i ti [du bleibst]i

23 Daß für diese Fälle aber auch eine Beschreibung mit einer einzigen zugrundeliegenden COMP-Position möglich ist, wurde bereits gezeigt.

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Die süddeutsche Komplementierer-Flexion legt jedoch nahe, von einem einzigen komplexen Komplementierer auszugehen. Wenn nämlich nur einer von zwei koordinierten ir-Ausdrücken flektiert wird, dann immer der rechte: (2-84) I weiß net, wann und wost (du) die Frau treffen könnest. (2-85) *I weiß net, wannst und wo du die Frau treffen könnest. Bei einer Tilgungsanalyse sollte ein flektierter Komplementierer zurückbleiben können, ganz egal, welche Form der andere Komplementierer hat. Daß jedoch nur der rechte allein flektiert werden kann, nicht aber der linke, deutet darauf hin, daß hier ein einziger komplexer Komplementierer vorliegt, an dessen rechtes Ende ganz regulär das Flexionselement angefügt wird: [COMP wann und wo] -st. Dieselbe Asymmetrie findet sich aber auch bei der Koordination von XP- und C-Komplementierern: (2-86) Jetz sag halt scho, ob und wie langst (du) bleibst. (2-87) *Jetz sag halt scho, obst und wie lang du bleibst. Auch hier bietet sich wiederum die Annahme eines komplexen Komplementierers als Erklärung für die Asymmetrie an. Eine solche Annahme ist jedoch mit der oben aufgezeichneten zweistufigen CP-Struktur und ihrer Anwendung auf die Verb-LetztSätze nicht verträglich. Die Komplementiererflexion ist aber auch in anderer Binsicht ein Problem für die zweistufige CP-Version der Satzstruktur. Die C-Position ist auf jeden Fall eine Flexions-Position; sie ist ja auch in den gängigen GB-Analysen der deutschen Satzstruktur der Landeplatz für das nach vorne bewegte finite Verb (vgl. aber Stechow/Sternefeld 1988: 3 8 8 f f . ) . Die XP-Position hingegen ist nur dann eine Flexions-Position, wenn die C-Position unbesetzt bleibt, d.h. wenn 'unverstärkte' w- und Relativausdrücke verwendet werden. Dann muß aber erklärt werden, wieso verbale Flexionsmerkmale an eine XP-Position gelangen können, obwohl sie doch ansonsten nur mit einem lexikalischen Ausdruck (im Standardfall mit einem Verb) verbunden werden. Als alternative Erklärungsmöglichkeit bietet sich die Satzanalyse mit einer einzigen Komplementiererposition an: Diese satzperiphere Position ist potentiell finit - und sobald w- oder Relativausdrücke in diese Position gelangen, werden sie auch flektierbar. Auf weitere Probleme einer Analyse der deutschen Satzstruktur, die von zwei unabhängigen COHP-Knoten ausgeht, wird in Reis (1985) ausführlichst eingegangen; diese Probleme betreffen insbesondere die verschiedene Positionierung von wPhrasen in Verb-Letzt-Sätzen und in »r-Verb-Zweit-Sätzen. 24 24 Allerdings entspricht die 'Doppelkopf-Analyse* in Chomsky (1986a; 1986b)

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Eine mögliche Reaktion auf die von Reis angeführten Schwierigkeiten ist, nur eine einzige COHP-Position anzunehmen (vgl. z.B. Scherpenisse 1985) oder die einzige COMP-Position nur unter 'passenden Umständen* zu einer Doppelposition zu erweitern (vgl. Haider 1986); die 'passenden Umstände' korrespondieren mit den Bedingungen, die für die Besetzung der 'äußeren' COHP-Position im Erklärungsmodell mit zwei zugrundeliegenden COMP-Positionen gelten. D.h. während im einen Fall sozusagen häufig ein Oberangebot an satzperipheren Positionen vorhanden ist, deren Besetzung jedoch durch bestimmte Regularitäten (z.B. Filter) eingeschränkt ist, kann bei der anderen Sichtweise die eine vorhandene Position gemäß bestimmten Regularitäten zu einer Doppelposition erweitert werden. Ein zentrales Problem bei einer Analyse mit zugrundeliegendem doppeltem CONP-Knoten ergibt sich daraus, daß eine Doppelfüllung im allgemeinen nur dann möglich ist, wenn die C-Position (die 'finite' Position) durch ein finites Verb besetzt ist. Veiter oben (in 2.1.2.2.2) wurde dafür argumentiert, daß das Auftreten von 'verstärkten' Satzeinleitern, das auch im Bereich der Verb-LetztSätze für eine Analyse mit zwei COMP-Positionen zu sprechen scheint, auch in der Weise analysiert werden kann, daß ein komplexer Satzeinleiter die einzige zur Verfügung stehende COMP-Position besetzt. Ein aufgrund seiner Kategorie nicht klar als Satzeinleiter gekennzeichneter v- oder ^-Ausdruck kann jedoch durch einen Ausdruck 'verstärkt' werden, der ihn zu einem kategorial eindeutigen Komplementierer macht. Auf der anderen Seite gibt es das Phänomen, daß auch vor Satzeinleiter, die sich in der 'Finitposition' befinden, gelegentlich ein Ausdruck gestellt werden kann, so daß auch hier eine Art Vorfeld vorhanden zu sein scheint. In diesem Fall läge also eine Parallele vor zu den Fällen mit einem Verb in der 'Finitposition', eine Parallele, die wiederum für die Annahme einer 'äußeren' COMP-Position auch in Verb-Letzt-Sätzen spricht. Diese 'Pseudovorfeld 1 -Bildung ist allerdings nur möglich bei den von Reis so genannten 'schwachen Komplementierern' (Reis 1985: 284). Zudem sind folgende Einschränkungen zu machen: Ein 'Pseudo-Vorfeld' vor schwachen Komplementierern ist nur dann vorhanden, wenn der entsprechende Teilsatz am Beginn eines Satzgefüges steht. (2-88) (2-89)

Nach Sparta wenn du kommst, mußt du unbedingt von unserem Pflichtbewußt seio berichten. Du mußt unbedingt voo unserem Pflichtbewußtsein berichten, wenn du nach Sparta kommst.

nicht völlig derjenigen, gegen die Reis argumentiert, da in der Chomsky-Version die Spezifizierer-Position der C-Position, d.h. der 'finiten Position' hierarchisch übergeordnet ist, während in der von Reis kritisierten Version die beiden Positionen von einem gemeinsamen COMP-Knoten dominiert werden.

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(2-90)

*Du mußt unbedingt von unserem Pflichtbewußtsein berichten, nach Sparta »eon du kommst.

Offensichtlich hängt die Eröffnung einer solchen 'Vorfeld'-Position nicht allein von satzintern«n Faktoren, von der Verfügbarkeit zweier COMP-Positionen, ab. Im allgemeinen gilt also, daß die Spezifizierer-Position der CP nur dann besetzt werden darf, wenn sich das Finitum in der C-Position befindet. Außer unter sehr spezifischen Bedingungen blockiert die Anwesenheit eines Satzeinleiters die Besetzung der jeweils anderen COMP-Position, die nach dem zweistufigen Modell immer vorhanden ist. 2 9 25

Spezifizierer sind im X-Bar-System Chomskys Ausdrücke, die strukturell als Töchter der jeweiligen XP (maximalen Phrase) analysiert werden. Da alle Phrasentypen eine einheitliche Struktur haben sollen, muß auch jeweils eine Spezifizierer-Position vorhanden sein; das gilt auch für die CP mit ihrer XP-Spezifizierer-Position. Was haben diese verschiedenen Spezifizierertypen gemeinsam? Es handelt sich um "gewisse Elemente", die "Phrasen sozusagen abschließen" (Stechow/Sternefeld 1988: 132). Aha! Möglicherweise sind Spezifizierer der Rest, der bei der Klassifikation der übrigen im X-Bar-Schema auftretenden Elemente übrigbleibt; diese anderen Elemente sind neben lexikalischen Köpfen und deren strukturellen Schwestern, d.h. den subkategorisierten Komplementphrasen (vom jeweiligen lexikalischen Kopf semantisch und formal abhängig, also mit formalen Merkmalen, z.B. Kasusmerkmalen, versehen), die frei hinzufügbaren Adjunktphrasen (Modifikatoren). Was Spezifizierer (z.B. ein Gradwort wie sehr in der Adjektivphrase, das Subjekt in der INFL-Phrase und die XP in der COMP-Phrase) außer diesem 'Rest-Charakter' gemeinsam haben, bleibt unklar. Der prototypische Spezifizierer war bis vor kurzem der Determinator innerhalb der NP; anhand dieser Determinatoren und der Hilfsverb-Kategorie AUX in der VP wurden in Chomsky (1970: 210) die Spezifizierer exemplarisch eingeführt. Aber inzwischen ist AUX zur Kopf-Kategorie INFL mutiert und determinatorenhaltige nominale Phrasen werden zum Teil als Determinatorphrasen analysiert (vgl. Bhatt (1990) und die darin besprochene Literatur), in denen Determinatoren als lexikalische Köpfe fungieren. Ein besonders kritischer Fall ist auch die Identifikation der Spezifizierer im VP-Bereich (nachdem AUX alias INFL nicht mehr zur Verfügung steht): Fanselow/Felix (1987: 54) geben ohne jede Erläuterung oder Begründung ein Beispiel mit einer Gradpartikel (only looked at Mary, ihr Beispiel (44d)) und der Kategorisierung Adverb; Stechow/Sternefeld (1988: 132) schweigen sich über die VP-Spezifizierer ganz aus. Wenn ganz allgemein adverbielle Ausdrücke die gesuchten Spezifizierer sind, dann müßte gezeigt werden, wie sich im VP-Bereich Spezifizierer und Adjunkte unterscheiden lassen; wenn es sich dagegen eingeschränkter um Gradpartikeln handelt, dann muß erklärt werden, wieso sich im Deutschen Gradpartikeln auch mit den verschiedenen nicht-maximalen Zwischenstufen in der VP verbinden lassen (vgl. die Metaregel (MR1) in Jacobs (1983: 5 5 ) ) , ohne daß dadurch die Zwischenstufen 'sozusagen abgeschlossen* sind zu einer VP (vgl. sogar einem Hund eine Wurst verkaufen vs. einem Hund sogar eine Wurst verkaufen vs. einem Hund eine Wurst sogar verkaufen). Der Begriff des Spezifizierers ist also ein problematischer. Daher ist es nicht gerechtfertigt, in der CP 'aus Gründen der Allgemeinheit' des X-BarSchemas eine Spezifizierer-Position anzusetzen.

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Dem entspricht ein Unterschied in der Verteilung der Strukturen mit unterschiedlicher COMP-Füllung, auf den Reis (1985: 286) hinweist: "Die unmarkierte Struktur des Hauptsatzes ist Complementizer-los, also V/l und V/2. Die unmarkierte Struktur des Nebensatzes ist Complementizer+V/E." Allerdings gibt es auch auf der einen Seite den markierten Fall nicht eingebetteter, aber durch Komplementierer eingeleiteter Strukturen, auf der anderen Seite den narkierten Fall eingebetteter Verb-Zweit-Sätze. 2.1.3.2

Selbständige Verb-Letzt-Sätze

Bekanntlich findet nan auch Verb-Letzt-Sätze, die nicht-eingebettet verwendet werden. Während sich für einen Teil dieser Sätze relativ zum Verwendungskontext ein Matrixsatz rekonstruieren läßt, gibt es auch illokutiv völlig selbständige Verb-Letzt-Sätze, für die sich eine (kontextspezifische) 'Vervollständigung' durch einen einbettenden Satz verbietet (zu selbständigen Verb-Letzt-Sätzen vgl. Oppenrieder (1989)). Typische Vertreter sind die im folgenden exemplifizierten Verb-Letzt-Imperativsatze (2-91), Verb-Letzt-Fragesätze (2-92), Verb-LetztVunschsätze (2-93) und Verb-Letzt-Exklanativsätze (2-94). 2 6 (2-91) Daß du mir JA recbzeitig fertig wirst! (2-92) Ob du wohl rechtzeitig fertig wirst? (2-93) Wenn du nur rechtzeitig fertig würdest! (2-94) Wie schnell du doch fertig geworden bist! Ein Indiz dafür, daß es sich um Sätze mit eigenem illokutiven Funktionspotential handelt (und nicht nur um elliptische Strukturen, deren Funktionspotential den satzmodusrelevanten Merkaalen eines zu rekonstruierenden Natrixsatzes zuzuordnen ist), ist die Verwendbarkeit von Modalpartikeln: betontes JA, wohl, nur und doch 26 Für «r-Exklamativsätze wie (2-94) gilt wohl nicht, daß die selbständige Verwendung eines Verb-Letzt-Satzes markierter ist als die Verwendung eines Verb-Zweit-Satzes. Zumindest im Gegenwartsdeutschen scheinen mir die VerbLetzt-Versionen wesentlich häufiger zu sein und auch 'natürlicher* zu klingen als die Verb-Zweit-Versionen (vgl. dagegen die Bemerkungen in Näf (1987: 150)): (i) Wie geschmacklos seine Beispielsätze sind! (ii) Wie geschmacklos sind seine Beispielsätze! Der Grund für die Bevorzugung der Verb-Letzt-Strukturen dürfte darin zu suchen sein, daß «r-Exklanativsätze auf diese Weise leichter von den ansonsten oft formgleichen Ergänzungfragesätzen unterschieden werden können. Im Bereich der nr-Exklamativsätze, sicher einem verhältnismäßig peripheren Bereich, scheint jedenfalls der von Reis konstatierte Verteilungsunterschied von Sätzen mit und ohne Satzeinleiter aufgehoben.

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in den Beispielen. Modalpartikeln modifizieren im allgemeinen ein vorhandenes Funktionspotential und zeigen damit funktionale Selbständigkeit an. 27 Legt man das Modalpartikelkriterium und die Unplausibilität einer Matrixsatzrekonstruktion bei der Festlegung von selbständigen Verb-Letzt-Strukturen zugrunde, dann ergibt sich, daß Verb-Letzt-Sätze, die durch einen der 'schwachen' Satzeinleiter (daß, ob, trenn) oder durch einen ir-Ausdruck eingeleitet werden, in diesem Sinn echt selbständig verwendet werden können. Allerdings bleibt zu erklären, wieso nur Verb-Letzt-Strukturen mit den oben erwähnten einleitenden Ausdrücken selbständig im funktionalen Sinn sein können. Charakteristisch für die entsprechenden Satzeinleiter ist, daß sie - mit Ausnahme von wenn** - keine Adverbialsätze kennzeichnen. Der in Adverbialsätzen ausgedrückte Sachverhalt steht immer in einer spezifischen (temporalen, kausalen, finalen usw.) Relation zu dem in einem entsprechenden Matrixsatz ausgedrückten Sachverhalt. Diese Relation wird bereits durch 27 Das Kriterium der Modalpartikelverträglichkeit ist allerdings nicht unproblematisch, da auch in nichtrestriktiven Gliedteilsätzen und in einigen Typen von Adverbialsätzen trotz syntaktischer Einbettung Modalpartikeln verwendet werden können (vgl. zu diesem Problem Thurmair (1989: 7 3 f f . ) ; Oppenrieder (1989: 167)): (i) Meine Leber, die air ja schon iaaer Schwierigkeiten gemacht hat, leidet natürlich unter diesem exzessiven Alkoholkonsum. (ii) Ich babe air einen großen Keller angenietet, veil ich doch so viele Weinflaschen besitze. Nach dem Modalpartikelkriterium haben derartige Sätze ein eigenes Funktionspotential. Dies ist auch nicht unplausibel, da z.B. appositive Relativsätze oder Kausalsätze völlig optionale 'Zusatzinformationen' ausdrücken und insofern in eigenen 'Zusatz-Sprechakten' realisiert werden. Semantisch abhängige Subjekt- und Objektsätze, restriktive Relativsätze und auch 'situierende' Adverbialsätze wie Temporal- und Lokalsätze gehören dagegen in den 'HauptSprechakt' und sind daher mit Modalpartikeln nicht verträglich: (iii) Ich bedaure außerordentlich, daß es (*docb) zu diesem Mißverständnis gekommen ist. (iv) Diejenigen ff einsorten, von denen ich (*ja) selbst nur noch ein paar Flaschen besitze, biete ich Ihnen natürlich nicht an. (v) Als er (*ja) die Tür geöffnet hatte, hörte er ein Geräusch hinter sich. 28 Von den Satzeinleitern, die Antezedenssätze charakterisieren, kann nur wenn (nicht aber falls) in selbständigen Verb-Letzt-Sätzen verwendet werden. Daneben ist wenn auf die Verwendung in Wunschsätzen festgelegt, wo es im Prinzip durch den 'absoluten' Satzeinleiter daß ersetzt werden kann - wenn auch diese Form von Verb-Letzt-Wunschsätzen im Gegenwartsdeutschen sicher höchst markiert ist: (i) Wenn/Daß diese ganzen Verb-Letzt-Sätze doch der Teufel holen würde! Bei der Verwendung in selbständigen Verb-Letzt-Sätzen ähnelt das relationale wenn also einem 'absoluten' daß; der Unterschied dürfte darin bestehen, daß wenn zusätzlich die Irrealität des erwünschten Sachverhalts anzeigt (vgl. zu der Problematik von wenn als Satzeinleiter in selbständigen Verb-Letzt-Sätzen Oppenrieder (1989: 177f.)).

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den Satz selbst bzw. den jeweils verwendeten Satzeinleiter angezeigt. Dies ist bei den Verb-Letzt-Sätzen, die durch daß, ob oder einen tr-Ausdruck eingeleitet werden, nicht der Fall. Hier zeigt der Satzeinleiter lediglich den semantischen Typ des Satzes in eine· allgemeinsten Sinn an (vgl. oben 2.1.2.1); die entsprechende Relation zu einem Matrixsatz wird hingegen nicht durch den Satz selbst, sondern durch den Matrixsatz, insbesondere dessen Prädikat festgelegt. Adverbialsätze können demnach deshalb nicht selbständig vorkommen, weil schon durch ihre Form der Bezug auf ein Relatum angezeigt wird, während sich die Sätze mit nicht-adverbiellen Satzeinleitern 'absolut' verwenden lassen. Die selbständigen Verb-Letzt-Strukturen können auch, wenn der Komplementierer es zuläßt, ein 'Vorfeld' vor der Finitposition haben: (2-95) Deine Arbeit daß du air ja Dicht vernachlässigst! (2-96) In Tadschikistan wenn ich jetzt nur sein könnte! Bemerkenswert an den selbständigen Verb-Letzt-Strukturen ist, da£ sie nicht wie die typischen selbständigen Satztypen (also solche mit Verb-Erst- und VerbZweit-Stellung) eine ziemlich undifferenzierte (Satzmodus-)Funktion haben, sondern recht speziellen Funktionstypen zugeordnet werden müssen (Ausnahme: v-Exklamativsätze). Auch funktional sind sie also markierter als die selbständigen Verb-Erst- und Verb-Zweit-Strukturen. 2.1.3.3 Unselbständige Verb-Erst- und Verb-Zweit-Sätze So wie es entgegen der oben genannten Faustregel selbständige Sätze gibt, die durch Komplementierer eingeleitet werden, gibt es auf der anderen Seite auch unselbständige Hicht-Verb-Letzt-Strukturen. Ihre Verwendung ist allerdings auf sehr spezifische Kontexte eingeschränkt, die sich auf wenige Konstruktionstypen oder bestimmte einbettende Prädikate zurückführen lassen. Unselbständige Verb-Erst-Strukturen lassen sich bekanntermaßen als Antezedenssätze in Konditionalgefügen interpretieren. 29 29 Daneben werden sie auch in anderen Konstruktionen als Alternativform für einen reaa-Satz verwendet, z.B. in Konzessivgefügen. Allerdings werden sie in diesem Fall nicht ins Vorfeld integriert, sondern typischerweise als Freies Thema realisiert: (i) Ist es auch noch so schön draußen - wir schreiben fleißig an unserer Dissertation. (ii) Ist es auch noch so schön draußen, so/?? schreiben wir doch fleißig an unserer Dissertation. Zu den irrealen Vergleichssätzen mit als und verdeckter Verb-Erst-Stellung vgl. oben Fn. 6.

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(2-97) gast du Minimax im Keller, (dann) brennt der Dachstuhl um so heller. Während die unselbständige Verwendung von Verb-Erst-Sätzen im spezifischen Konstruktionstyp Konditionalgefüge möglich ist, hängt der Gebrauch unselbständiger Verb-Zweit-Sätze von der Anwesenheit bestimmter einbettender Ausdrücke ab. 30 Kennzeichen der Einbettung von Verb-Zweit-Sätzen ist im allgemeinen (d.h. beim Gebrauch als indirekte Rede; auf andere Verwendungen komme ich noch zu sprechen) die Verwendung des 'Abhängigkeitszeichens' Konjunktiv I bzw. Konjunktiv II (zum Konjunktivgebrauch vgl. z.B. Flämig (1962); Jäger (1971)) und die 'Pronominalverschiebung' bzw. generell die 'Referenzverschiebung' (vgl. z.B. Roncador 1988). Die Masse der Verb-Zweit-Sätze, die von einem Natrixausdruck abhängig sind, entsprechen in ihrer Funktion in etwa den selbständigen Aussagesätzen, d.h. unselbständige Verb-Zweit-Sätze (oder auch Verb-Brst-Sätze), die im Zusaamenspiel mit der Bedeutung eines Matrixausdrucks z.B. erotetische Funktion haben, treten nicht a u f ; vgl.:31 30 Die konstruktionsbedingte Verwendung eines eingebetteten Verb-Zweit-Satzes findet2 sich im folgenden Beispiel aus Ulvestad (1957: 203; vgl. auch Curme I960 : 222): (i) Venn ich im Fahren lange hinaufsah, war es mir, der ganze Himmel käme auf mich zu. Irreale Vergleichssätze, die als Verb-Zweit-Sätze realisiert werden, scheinen mir im gegenwärtigen Standarddeutschen aber nicht mehr akzeptabel. 31 Die Beispiele (2-99) in der Verb-Erst-Version (die Verb-Zweit-Version paßt generell nicht) und (2-100) sind offensichtlich auch nicht zu retten, wenn sie mit 'Doppelpunkt-Intonation' als direkte Zitate realisiert werden, d.h. mit einem eigenen (vielleicht sogar global steigenden) Melodieverlauf auf dem (dann eben nicht mehr eingebetteten) Fragesatz. Nur wenn gleichzeitig das Abhängigkeitszeichen Konjunktiv I und die Pronominalverschiebung (von ich zu du) abgeändert werden, erhält man akzeptable Abfolgen; vgl.: (i) Eri fragte: *Könne en körnten/Kann ich kommen? (ii) Sri fragte: *Wen könne en mitbringen/ff en kann ich mitbringen? Dies zeigt deutlich, daß alle Merkmale der Einbettung entfernt werden müssen.

Im Bereich der Exklamativsätze ist die Verb-Erst-Version wiederum klar ausgeschlossen: (iii) (Nachdem ich vor ihr auf die Knie gesunken war,) sagte Frl. Brezner ganz verwundert zu mir, *sei ICH vielleicht altmodisch. Bei einem entsprechenden Verb-Zweit-Exklamativsatz, kann das konstitutive Merkmal des Exklanativakzents nur realisiert werden, wenn ein eigener Melodieverlauf vorhanden ist; Konjunktivgebrauch und Pronominalverschiebung werden gemieden: (iv) ..., sagte Frl. Brezner ganz verwundert zu mir: SIE sind aber altmodisch. Bei eingebetteten «r-Exklamativsätzen ist nur die Verb-Letzt-Version möglich: (iv) Frl. Brezner wunderte sich, *wie altmodisch sei ich/wie altmodisch ich sei. Auch bei Imperativsätzen ist keine Einbettung, sondern nur das Zitat als direkte Rede möglich: (v) Sri trug mir auf: Spiel mir/*ihmi das Lied vom Tod. Hier ist ein Ausweichen auf die Indirektheitsversion mit einem Modalverb

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(2-98) Sri sagte, eri könne nicht kommen. (assortierend) (2-99) *Eri fragte, erj könne kommen/könne eri körnen, (erotetisch) (2-100) *Erj fraffte, wen könne er/ mitbringen? (erotetisch) Als weitere Beschränkung für das Auftreten eingebetteter Verb-Zweit-Sätze ist festzuhalten, daß sie nur n a c h ihrem Matrixausdruck erscheinen können. (2-101) Er sagt, er volle endlich aal wieder radeln. Andernfalls wird der scheinbare Natrixsatz zur Parenthese. Dies zeigt sich zum einen daran, da£ er mit einer Art 'Hintergrundsintonation' realisiert wird; zum anderen entsteht ein ungrammatischer Ausdruck, wenn der 'Matrixsatz' nicht als Parenthese interpretiert werden kann (vgl. dazu unten die Beispiele (2-148) und (2-149) Bit den 'komparativischen Matrixsätzen 1 und die dazugehörigen Bemerkungen) : (2-102) Er wolle endlich aal wieder radeln, sagt er. Für abhangige Verb-Zweit-Sätze gibt es aber auch noch starke Einschränkungen in der Vorfeldbesetzung (vgl. Reis 1980: 81). Allerdings muß eingestanden werden, daß die Beurteilung manchmal nicht ganz einfach ist, da eine Lockerung dieser Restriktionen eintritt, sobald der 'Matrixsatz' mit einer 'Doppelpunkt-Intonation' gesprochen wird. In diesem Fall nähert sich die Oratio obliqua der Oratio recta stark an. Tatsächlich werden auch die entsprechenden Konstruktionen immer inakzeptabler, je schwieriger es ist, den Matrixsatz als eine Art Redeeinleitung zu interpretieren. Auf der einen Seite stehen Matrixsätze, die ein echtes Verbum dicendi (wie sagen) enthalten; weniger akzeptabel sind solche mit einem Verbum sentiendi (putandi o.a.) bzw. einem entsprechenden komplexen Prädikat (wie denken, glauben, der Meinung sein) während 'komparativische Matrixsätze' mit Prädikaten wie besser sein häufig zu inakzeptablen Ergebnissen führen (offensichtlich können diese Prädikate nicht als 'zitateinführend' im weitesten Sinn verstanden werden). Beschränkt man sich auf die echt abhängigen Fälle, so zeigt sich, daß 'Spezialeffekte*, wie sie die thematisch besonders ausgezeichnete Vorfeldposition in selbständigen Sätzen zuläßt, kaum mehr akzeptabel sind - wenn auch die Inakzeptabilitäten teilweise nicht an die heranreichen, die entstehen, wenn andere uneingeleitete Satztypen abhängig gebraucht werden (Verb-Erst- und «r-Verb-ZweitFragesätze). möglich; allerdings handelt es sich dann wieder um einen eingebetteten 'Verb-Zweit-Aussagesatz': (vi) Sri trug air auf, ich solle ihai das Lied vom Tod spielen. Lediglich bei Wunschsätzen könnte man daran denken, daß eine eingebettete Version möglich ist:

(vii)

Ich wünschte/wollte, es wäre Nacht.

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Erstens kann das Vorfeld nicht ohne weiteres zu einem Vorvorfeld erweitert bzw. durch eine 'Frame'-Position (im Sinn von Jacobs (1984: 4 6 f f . ) ) ergänzt werden. Damit fuhren Linksversetzung (Beispiele (2-103)-(2-105)), Freies Thema ((2-106)-(2-108)) oder die Verwendung typischer 'Vorvorfeidausdrücke' wie aber ((2-109)-(2-112)) zu verminderter Akzeptabilität. (2-103) ?Die Brigitte sagt, den Kerl, den könne sie schon gar nicht leiden. (2-104) YJeder denkt, die zwei Lausbuben, die seien perdu. (2-105) ??Es ist am besten, dein Bruder, der ruft nochaal an. (2-106) ?Die Anni sagt, was Subjektsätze betrifft, (da) bleibt noch viel zu untersuchen. (2-107) ??Die Anni denkt, was Subjektsätze betrifft, (da) bleibt noch viel zu untersuchen. (2-108) *Es ist am vernunftigsten, was Subjektsätze betrifft, (so) läBt man sie auf sich beruhen. (2-109) ??Die Anni sagt, aber Subjektsätze seien in der Beziehung am schlimmsten. Vgl. dagegen:

(2-110) (2-111)

Die Anni sagt, Subjektsätze seien in der Beziehung aber am schlimmsten. *Die Anni glaubt, aber Subjektsätze seien in der Beziehung am schlimmsten.

Aber:

(2-112)

Die Anni glaubt, Subjektsätze seien in der Beziehung aber am schlimmsten. Zweitens treten Probleme auf, wenn ein satzförmiger Ausdruck ins Vorfeld gestellt wird. (2-113) ?Die Anni behauptet, daß die GB-Theorie in diesem Punkt versagt, (das) sei offensichtlich. (2-114) ?Die Anni glaubt, daß die GB-Theorie in diesem Punkt versagt, das sei offensichtlich. (2-115) *Es ist besser, daß die GB-Theorie in diesem Punkt versagt, wird verschwiegen. (2-116) ?Die Anni behauptet, obwohl die GB-Theorie in diesem Punkt versagt, kann man sie noch gebrauchen. (2-117) ?Die Anni glaubt, obwohl die GB-Theorie in diesem Punkt versagt, kann man sie noch gebrauchen. (2-118) *Es ist besser, obwohl die GB-Theorie in diesem Punkt versagt, benutzt man sie weiter. Drittens kann dementsprechend auch kein Verb-Erst-Antezedens verwendet werden. Als weitere Quelle der verminderten Akzeptabilität kommt hier hinzu, daß ein solches Verb-Erst-Antezedens seinerseits bei einer nicht äufterungs-initialen Verwendung zu nicht mehr ganz akzeptablen Resultaten führt.

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(2-119)

?Die sagt, hätte sie genug Geld, (so) würde sie 'Zettels Traum' kaufen. (2-120) ??Die Anni glaubt, hätte sie mehr Zeit, (so) würde sie eiae bahnbrechende Dissertation schreiben. (2-121) *Es ist am vernünftigsten, findest du keine schlagenden Argumente, (so) brichst du ab. Viertens sind markierte I-Topikalisierungen nicht sehr akzeptabel. (2-122) ?Die Anni sagt, Schwierigkeiten mit den DA ten habe sie KEIne. (2-123) *Die Anni glaubt, Schwierigkeiten mit den DA ten habe sie KEIne. (2-124) *Es ist am besten, ALle Daten berücksichtigt er NICHT. (2-125) ?Die Anni sagt, über NACBbarn schimpfen könne sie NICHT. (2-126) ??Die Anni glaubt, über NACHbarn schimpfen könne sie NICHT. (2-127) *Es ist vernünftiger, über NACHbarn schimpfen läßt du sie NICHT. Fünftens gibt es keine 'Vorfeldtilgungen': Weder kann ein unbetontes Prononen weggelassen werden (z.B. ihn in (2-128)), noch darf ein Vorfeldfüller fehlen (z.B. da in (2-133); vgl. zu solchen Vorfeldtilgungen Oppenrieder (1987: 178ff.); eine Beschreibung in GB-Rahmen findet sich in Huang (1984) und Sternefeld (1985: 407, 4 2 7 ) ) . Wird dagegen die Reihenfolge umgekehrt, so daft der ursprüngliche Matrixsatz (soweit überhaupt möglich) als Parenthese fungiert, ist die Vorfeldtilgung akzeptabler; nur darf dann das 'Abhängigkeitszeichen 1 Konjunktiv I nicht mehr verwendet werden, d.h. es handelt sich jeweils um ein Zitat. (2-128) *Die Anni sagt, kenne sie schon (,den Falott). vs. (2-129) Kennt/??Kenne sie schon (,den Falott), sagt sie. (2-130) *Die Anni glaubt, weiß sie schon. vs. (2-131) ??Veit sie schon, glaubt sie. (2-132) *Es ist am besten, macht er nicht (,die Arbeit). (2-133) ??Die Anni sagt, springe nichts für ihre Arbeit heraus. vs. (2-134) Springt/*Springe nichts für ihre Arbeit heraus, sagt sie. (2-135) *Die Anni glaubt, springe nichts für ihre Arbeit heraus. vs. (2-136) ?Springt nichts für ihre Arbeit heraus, glaubt sie. Sechstens sind auch keine 'Pseudo-Vorfeider' vor schwachen Komplementierern wie wenn zulissig. Bier kommt wiederum akzeptabilit&tsmindernd hinzu, da£ diese Pseudo-Vorfelder an sich nur aufcerungsinitial auftreten können. (2-137) ??Die Anni sagt, der Lump wenn wiederkommt, (dann) wirft sie ihn die Stiege hinunter. vs. (2-138) Der Lump wenn wiederkommt, (dann) wirft sie ihn die Stiege hinunter, sagt sie. (2-139) *Die Anni glaubt, Zeit wenn sie hat, schreibt sie eine ganz hervorragende Dissertation. vs.

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(2-140)

Zeit wenn sie bat, schreibt sie eine ganz hervorragende Dissertation, glaubt sie. All das deutet also darauf hin, dafi es sich bei abhängigen Verb-Zweit-Sätzen um einen Sonderfall handelt, bei den die übliche Freiheit der Vorfeldbesetzung, wie sie in selbständigen Sätzen gegeben ist, außer Kraft gesetzt wurde. Welche Erklärungen für den jeweiligen Fall in Frage kommen könnten, soll hier nicht weiter interessieren. Offensichtlich sind Verba dicendi, auch wenn sie im Zusammenhang einer indirekten Rede gebraucht werden, noch einigermaßen an den Fall der direkten Rede anzugleichen. Beim wörtlichen Zitat bestehen nämlich keine Beschränkungen: (2-141) Die Anai bat gesagt: "Xeon ich nicht, diesen Chomsky!" (2-142) Die Aaai bat gesagt: "Aber diesen Chomsky bringst du mir nicht ins Haus!" Natürlich können auch Nicht-Aussagesätze wörtlich zitiert werden. (2-143) Er fragte: "Kann ich körnen?" (2-144) Sie rief verwundert aus: "Sind DAS vielleicht komische Theorien!" In diesem Punkt unterscheiden sich 'Matrixsätze' bei Oratio obliqua und Oratio recta deutlich. Wie aus den Beispielen zu sehen ist, gibt es neben den Verba dicendi et sentiendi (ab jetzt: Vds), die (bei aktivischer Verwendung) abhängige Verb-ZweitSätze als Objekte (bisweilen auch als Subjekte: schwanen) zulassen, 32 noch eine spezielle Konstruktion ait einem Matrixsatz, der ein Kopulaverb und ein prädikativ verwendetes Adjektiv (mit Komparativ- oder Superlativform) aus einer eng begrenzten Subklasse enthält: als Subjekt können Verb-Zweit-Sätze verwendet werden, die aber noch strengeren Restriktionen unterliegen, als sie sich i· Zusammenhang mit den Vds finden. (2-145) is wäre besser, du gingest jetzt. (2-146) £5 ist am vernünftigsten, er läßt in Zukunft die Finger von dieser Frau. (2-147) Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung loste das Volk auf und wählte ein anderes? Die Möglichkeiten der Vorfeldbesetzung im Verb-Zweit-Satz sind noch eingeschränkter, da dieser aufgrund der Bedeutung des Matrixsatzes nicht als zitatähnlich uminterpretiert werden kann; d.h. das Ausweichen in die Oratio recta ist unmöglich. 32 Daneben können die satzförmigen Attribute zu den nominalisierten Gegenstükken der Vds als Verb-Zweit-Sätze realisiert werden: (i) Die Behauptung, Stuauaelbacb könne nicht bis drei zählen, (entbehrt jeder Grundlage.) (ii) Der Gedanke, Stumaelbach könne nicht bis drei zählen, (macht mich beinahe rasend.)

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Damit zusammenhängend ist auch eine Umstellung der beiden Teilsätze generell unzulässig. Während nämlich bei den Vds nach einer Umstellung der ursprüngliche Matrixsatz als nachgeschobene Parenthese interpretiert werden kann, fällt diese Möglichkeit bei den hier zur Debatte stehenden kopulativen Strukturen weg: (2-148) *St läßt in Zukunft die Finger von dieser Frau, ist am vernünftigsten. (2-149) *Er läßt - ist am vernünftigsten - in Zukunft die Finger von dieser Frau. Vgl. dagegen Vds-Strukturen: (2-150) (2-151)

Er läßt in Zukunft die Finger von dieser Frau, sagt er/wird behauptet. Er läßt - sagt er/trird behauptet - in Zukunft die Finger von dieser Frau. Der Kontrast zwischen (2-149) und (2-151) zeigt, da£ sich die beiden Typen von Matrixsätzen hinsichtlich ihrer Umwandlung in Parenthesen unterscheiden. Andererseits unterstützt der parallele Akzeptabilitätskontrast zwischen (2-148) und (2-150) die weiter oben (auf der Grundlage intonatorischer Eigenheiten) aufgestellte Behauptung, daß ein eingebetteter Verb-Zweit-Satz seinem Matrixsatz immer nachfolgen mufi. Die feste Abfolge zusammen mit der unterschiedlichen Parenthesenfähigkeit der Vds-Strukturen und der komparativischen Strukturen erklärt, wieso nur (2-150) akzeptabel ist. Selbstredend lassen sich (2-148) und (2-149) in akzeptable Strukturen umwandeln - sobald nämlich im kopulativen Teilsatz eine Proform (das/es) als Subjekt eingesetzt wird. (2-152) Er läßt in Zukunft die Finger von dieser Frau. Das ist aa vernünftigsten. (2-153) Er läßt - das ist am vernünftigsten - in Zukunft die Finger von dieser Frau. Allerdings werden dann in (2-152) zwei selbständige Sätze nebeneinandergestellt. 33 Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den Vds-Strukturen und den komparativischen Strukturen besteht darin, daß bei den letzteren das typische Merkmal der indirekten Rede, der Konjunktiv I, im Verb-Zweit-Satz ausgeschlossen ist. (2-154)

Es ist besser, er gebt/*gehe jetzt.

33 Eine Linksversetzungskonstruktion (LV) bleibt z.B. ausgeschlossen: Die beiden Sätze sind intonatorisch völlig unabhängig voneinander; vgl. die lautlich realisierten Versionen von (2-152) mit zwei selbständigen Tonmustern und von (i) mit einer zulässigen 'LV-Intonation' (vgl. zu dieser Altmann 1981: 193ff.): (i) Daß er in Zukunft die Finger von dieser Frau läßt, das ist au vernünftigsten.

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Es sei denn, die GesantXonstruktion ist ihrerseits von einem Vds-Matrixsatz abhängig . (2-155) Darauf sagte Ella, es sei besser, Fritz gehe jetzt. Anders als bei den Vds-Strukturen ist die Verb-Letzt-Alternative des eingebetteten Verb-Zweit-Satzes kein durch daß, sondern ein durch vena eingeleiteter Satz - selbst wenn nicht durch die Wahl des Konjunktiv II in Matrixsatz und i· eingebetteten Satz Konditionalität angezeigt wird. (2-156) Es ist besser, du gehst jetzt. Die entsprechende Verb-Letzt-Version zu (2-156) ist nicht (2-157) mit einen daßSatz, sondern (2-158) mit einem nreaa-Satz. (2-157) Es ist besser, daß du jetzt gehst. (2-158) Es ist besser, trenn du jetzt gehst. Der Grund für die notwendigerweise konditionale Interpretation des eingebetteten Satzes ist darin zu suchen, daß durch den Matrixsatz ein Vergleich zwischen zwei verschiedenen Verhaltensweisen impliziert wird. Der eingebettete Satz bezeichnet die höher bzw. am höchsten bewertete Handlungsalternative. Da es sich um eine (noch) nicht realisierte Alternative handelt, wird sie durch einen »reaa-Satz, also einen 'Antezedenssatz' bezeichnet. Daß durch den Verb-Zweit-Satz h o c h bewertete Handlungsalternativen bezeichnet werden, zeigt sich daran, daß die prädikativ verwendeten Adjektive im Matrixsatz Komparativ- oder Superlativform haben müssen. 34 (2-159) ??Es wäre gut, du kSaest jetzt. (2-160) *Es ist gut, du kommst jetzt. Die durch den Verb-Zweit- oder venn-Satz bezeichnete Handlungsweise wird implizit zu niedriger bewerteten Alternativen in Beziehung gesetzt. Damit hängt zusammen, daß nur positive Bewertungen zugelassen sind. (2-161) *Ss wäre am düoasten, du bliebest hier. (2-162) *Es ist dumaer, du bleibst hier. Da Handlungsalternativen bewertet werden, sind im Matrixsatz nur bestimmte prädikative Adjektive zulässig. (2-163) *JEs ist wäruer, du aachst die Heizung an. Andererseits muß auch das Prädikat des Verb-Zweit-Satzes passend interpretierbar sein. (2-164) Es wäre am besten, du würdest die Tasche an beiden Griffen tragen/?die Tasche hätte zwei Griffe. 34 Die beiden folgenden Sätze werden natürlich akzeptabel, wenn der Verb-ZweitSatz nicht als eingebettet gewertet (und damit intonatorisch anders realisiert) wird.

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Der Matrixsatz kann nicht negiert werden und darf auch keine Modalverben enthalten. (2-165) *Es auf aa besten sein, du bleibst hier. (2-166) *Es ist aicht besser, du bleibst hier (, sondern viel schlechter). Ein Sonderfall, der sich möglicherweise an diese Gruppe anschließt, sind die Verb-Zweit-Sätze nach wünschen und wollen Bit Konjunktiv-II-Form. (2-167) Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kirnen, (2-168) Ich wünschte/??wünsche, ich hätte mich nie mit diesen Sätzen beschäftigt. Fazit: Es gibt also zwar unselbständige Verb-Zweit-Sätze, aber sie sind nur bei Matrixsitzen erlaubt, die eine sehr spezifische Bedeutungskomponente enthalten. Selbst dann sind sie noch bestimmten Einschränkungen unterworfen, die sowohl die Stellung als auch die Besetzung der Vorfeldposition betreffen. Was den letzten Punkt angeht, gibt es offensichtlich ein Kontinuum, das von den komparativischen Matrixsätzen bis hin zu Matrixsätzen reicht, die auch als bloße Zitat-Einleitungsfloskeln interpretiert werden können; die Einschränkungen werden um so geringer, je mehr sich die Verwendung der unselbständigen Verb-Zweit-Sätze der der selbständigen annähert. 2.1.4

Zusammenfassung

In diesem Teilabschnitt wurde untersucht, welche Fakten bei der Beschreibung der Satzstrukturen des Deutschen zu berücksichtigen sind und wie die Strukturierung global auszusehen hat. Zentral ist die Stellung der finiten Verbform mit ihren zwei Ausprägungen Verb-Letzt und Verb-Erst/Verb-Zweit. Eine Letzt-Stellung des Finitums ist im Gegenwartsdeutschen immer mit der Anwesenheit eines spezifischen Komplementiererausdrucke verbunden. Als Komplementierer oder Satzeinleiter fungieren zum einen spezifische Ausdrücke mit relationaler (adverbielle Satzeinleiter) oder 'absoluter' (daß, ob) Bedeutung, zum anderen «r- oder d-Ausdrücke, die zusätzlich innerhalb des eingeleiteten Satzes eine Satzgliedfunktion haben. Jeder Verb-Letzt-Satz enthält genau eine Komplementiererposition. Daten aus dem Bairischen oder anderen süddeutschen Dialekten, die auf die Notwendigkeit einer Doppelposition hinzuweisen scheinen, lassen sich besser auf andere Weise erklären: ein «r-Ausdruck (bzw. die koordinative Verknüpfung von ir-Ausdrücken) in der Komplementiererposition kann durch daß 'verstärkt* und somit eindeutig als Satzeinleiter markiert werden; ebenso läßt sich ein Relativausdruck durch ein hinzugefügtes wo markieren oder (unter bestimmten Bedingungen) sogar gänzlich ersetzen.

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Die Strukturposition für die Satzeinleiterausdrucke scheint jedoch nicht nur in Verb-Letzt-Sätzen relevant zu sein. Vielmehr weisen einige Daten darauf hin, da8 sie in Verb-Erst- und Verb-Zweit-Sätzen ebenfalls vorhanden ist, dort aber vom finiten Verb eingenommen wird: Zum einen bilden der Komplementierer in VerbLetzt-Sätzen und das Finitum in den beiden anderen Satztypen die linke Mittelfeldgrenze (sichtbar am Verhalten unbetonter Personalpronomina), zum anderen scheint es sich bei der besagten Position generell um eine potentiell finite Position zu handeln, da in bestimmten süddeutschen Dialekten auch Komplementiererausdrucke mit den Kongruenzmerkmalen der 2.PS. versehen werden können. Die in neueren Versionen der GB-Theorie vertretene X-Bar-Theorie behandelt Sätze wie andere XP-Phrasen (NPn, PPn usw.) auch, d.h. als zweigestufte Phrase mit einem 'echten' Komplementierer als Kopf, einer IP (bzw. einem S, hier wird dagegen V MAX als entsprechende maximale Projektion angenommen) als Komplement und de· 'Landeplatz' für v- und d-Ausdrücke als Spezifizierer. Nach einer Kritik dieser Analyse werden die zwei Typen von 'irregulären* CPn mit ihren verschiedenen funktionalen und syntaktischen Besonderheiten vorgestellt: illokutiv selbständige Verb-Letzt-Sätze und abhängige Verb-Erst- und Verb-Zweit-Sätze. Im zweiten Teil dieses Kapitels soll nun untersucht werden, wie sich die festgestellten Besonderheiten der deutschen Satzstrukturen angemessen beschreiben und erklären lassen. 2.2

Beschreibung der Satzstrukturen des Deutschen

Die Beschreibung der Verb-Stellungs-Typen des Deutschen und damit der globalen Satzstruktur erfolgt am besten in zwei Schritten. In einem ersten Schritt ist die Verteilung der (finiten) Satzeinleiter und des finiten Verbs in der Satzspitzenposition zu beschreiben. In einem zweiten Schritt ist sodann zu zeigen, wie es beim Fehlen eines Satzeinleiters zu den zwei Verb-Stellungs-Typen VerbErst und Verb-Zweit kommen kann. Daneben sollte z.B auch noch geklärt werden, wieso die Bildung eines 'Pseudo-Vorfeldes' genau unter den angesprochenen Umständen möglich ist. 2.2.1

Satzeinleiter als statusanzeigende Ausdrücke

Eingebettete Verb-Letzt-Sätze (wie auch die in 2.1.3.3 behandelten eingebetteten Verb-Erst- und Verb-Zweit-Sätze) stehen zu der übergeordneten syntaktischen Einheit in ganz verschiedenen Beziehungen: Sie fungieren (a) als Adverbialsätze der verschiedensten Arten:

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(2-169)

Als wir jungst in Reaensburg varen, sind vir über den Strudel gefahren.

(b) als Attributsätze (relativisch oder nicht-relativisch):

(2-170) (2-171)

Der Mann, der Liberty Valance erschoß (, trinkt nur Melissentee.) Die Frage, was Aufklärung ist (, interessiert Herrn Brösele herzlich venig.) (c) als subkategorisierte 'Ergänzungssätze': (2-172) Es freut mich, daß Sie doch noch gekomaen sind. (2-173) Natürlich veiß wieder keiner, uro Timbuktu liegt. 2.2.1.1 Generelle Überlegungen zum Status von Verb-Letzt-Sätzen Damit Verb-Letzt-Sätze diese verschiedenen Beziehungen eingehen können, müssen sie jeweils einen bestimmten syntaktischen und semantischen 'Status' haben: Nicht alle Typen von Verb-Letzt-Sätzen können in allen Umgebungen verwendet werden, ein -Satz z.B. nicht als Relativsatz. Die Menge der Verb-Letzt-Sätze zerfällt also in verschiedene Teilgruppen, deren jede durch bestimmte syntaktische und semantische Merkmale ausgezeichnet ist. Unter dem 'Status' eines Verb-LetztSatzes soll verstanden werden, daß er zu einer solchen Teilmenge gehört. Die Aufspaltung in Teiltypen muß verhältnismäßig weit gehen. Sicherlich ist es notwendig, die verschiedenen Arten von Adverbialsätzen nach dem Typ der bezeichneten Relation zu unterscheiden. Im Bereich der Ergänzungssätze ist zwischen den daß-, ob- und den beiden Typen von ir-Sätzen, also den 'ir-Interrogativsententialen' (bei Prädikaten wie fragen) und den 'Exklamativsententialen* (bei Prädikaten wie sich vundern) zu trennen. Für die Art der Aufspaltung ist offensichtlich der semantische Typ, d.h. der Denotattyp des Verb-Letzt-Satzes von wesentlicher Bedeutung: Ein da£-Satz denotiert so etwas wie eine 'geschlossene Proposition 1 , 30 ein «r-Interrogativsententiale demgegenüber eine Offene Proposition' oder eine 'propositionale Funktion'. Wie sich z.B. auch im Bereich der Subjektsätze zeigt (vgl. unten 3.1), muß der Denotattyp des abhängigen Satzes zum Denotattyp des Matrixsatzes bzw. des entsprechenden Matrixsatzprädikats passen; es muß eine kohärente FunktorArgument-Struktur vorhanden sein: Ein Matrixsatz mit ärgern als Prädikat läßt z.B. satzförmige Subjekte zu, aber nicht in der Fora eines ojb-Satzes, sondern nur in der Form eines daÄ-Satzes oder eines exklamativisch zu interpretierenden nr-Verb-Letzt-Satzes; d.h. dieses Prädikat läßt keine Offenen', sondern nur 'ge35 Was immer man darunter in einer semantischen Theorie verstehen mag, z.B. eine Menge von möglichen Welten oder auch eine Funktion von der Menge der möglichen Welten in Wahrheitswerte.

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schlossene' Propositionen zu, die ein spezifisches Ärgernis denotieren. Daneben kann das Matrixprädikat auch speziellere Formaspekte eines abhängigen Satzes steuern (z.B. bei den eingebetteten Verb-Zweit-Sätzen). Es nuS also zwischen mehreren Typen von Verb-Letzt-Sätzen unterschieden werden können, die formal durch die verschiedenen Formen der Satzeinleiter gekennzeichnet sind. Repräsentieren lassen sich diese Unterschiede dadurch, daS der Wurzelknoten, der einem solchen Verb-Letzt-Satz zugeordnet ist (d.h. der oberste Knoten des Teilbaums, der den Verb-Letzt-Satz repräsentiert), mit bestimmten Merkmalen indiziert wird, die die Teilkategorie festlegen, zu der der Satz gehört. Werden Verb-Letzt-Sätze als Komplementiererphrasen (CPn) repräsentiert (vgl. oben 2.1.3.1), dann muß der CP-Knoten mit diesen Merkmalen versehen werden. 2.2.1.2

Statusmerkmale von Verb-Letzt-Sätzen

Die im dritten Kapitel näher untersuchten Verb-Letzt-Sätze, die als Subjekte verwendbar sind, könnten beispielsweise durch die Indizierung des obersten Knotens mit einem syntaktisch-formalen Merkmal wie [+da£] oder auch mit semantisch eingefärbten Merkmalen wie [+propositional] oder [-(-geschlossen] erfaßt werden. Im folgenden soll von einem Merkmalsbaukasten für Ergänzungssätze ausgegangen werden, der die Merkmale [-(-/-geschlossen] und [+/-w] umfaßt. Dann sind daßSätze zu charakterisieren als [+geschlossen,-w], 3e ojb-Sätze als [-geschlossen, -w], nr-Interrogativsententiale als [-geschlossen,+w] und Exklamativsententiale als [-»-geschlossen,·»·*]. Bei Adverbialsätzen sind zusätzliche Merkmale erforderlich, so daß weilSätze z.B. als [-(-geschlossen,+kausal] ausgezeichnet werden könnten. Am Wurzelknoten eines Relativsatzes ist ein Merkmal wie [-»-Rel] nicht ausreichend, sondern es muß auch angezeigt werden, welches Genus und welchen Numerus ein genus- und numerusfähiger relativischer Ausdruck im Relativsatz selbst hat, oder zu welcher Adverbialklasse ein Relativausdruck gehört. 37 Wenn im Rahmen der X-Bar-Theorie als einer universalen kategorialen Komponente der Grammatik syntaktische Kategorien als Merkmalskomplexe aufgefaßt werden, dann kann es keine prinzipielle Schwierigkeit damit geben, diese Merkmals36 [-(-geschlossen,-*] als Abkürzung der Merkmalsmenge l [-»-geschlossen], [-w]). 37 Die spezifischere Merkmalsübereinstimmung bei Relativsätzen könnte alternativ über die für Anaphern auch intersententiell geltenden 'Kongruenzregeln' erfaßt werden; das relativische Merkmal muß aber auf jeden Fall vorhanden sein, da die Kongruenz des Bezugsausdrucks ja nicht mit einem beliebigen pronominalen Ausdruck innerhalb des Attributsatzes besteht.

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komplexe durch solche zusätzlichen Merkmale zu erweitern. Besonders die GPSG arbeitet mit derartigen 'angereicherten Kategorien' (vgl. z.B. Gazdar 1982; Gazdar et al. 1985). Wird ein solcher Untertyp eines Verb-Letzt-Satzes in eine größere syntaktische Einheit eingebettet, dann müssen die Merkmalsspezifikationen mit diesem größeren Kontext verträglich sein. Ein Verb wie ärgern läßt cfajß-Sätze als Subjekt zu. Wenn man mit den oben eingeführten Merkmalen arbeitet, dann heifit das, daß ein (Verb-Letzt-)Satz, der als [^geschlossen,-*] gekennzeichnet ist, in einem Satz, der ärgern als Prädikat enthält, ein zulässiges Subjekt ist, während dies für einen ofr-Satz mit den Merkmalen [-geschlossen,-w] nicht gilt. Anders ausgedrückt: Ein Verb wie ärgern ist für ein satzförmiges Subjekt subkategorisiert, das das zusätzliche Merkmal [-»-geschlossen] (Exklamativsententiale als Subjekt sind ja ebenfalls zugelassen) aufweist. Wie diese Merkmalsüberprüfung technisch genau zu formulieren ist, soll hier nicht eingehender untersucht werden. Zur Realisierung einer solchen Oberprüfung bietet sich an, daß alle komplexen Strukturen der folgenden Forderung genügen müssen: Es muß möglich sein, die Merkmalsmengen der einbettenden Struktur und des eingebetteten Verb-Letzt-Satzes zu einer 'konsistenten' Menge zu vereinigen (vgl. Gazdar et al. 1985). Für die einzelnen Merkmalsspezifikationen ist in Regeln festzulegen, welche anderen Merkmalsspezifikationen sie ausschließen oder implizieren. Bei den hier verwendeten binären Merkmalen [+/- geschlossen] und [+/- w] gilt etwa, daß die vereinigte Merkmalsmenge nicht gleichzeitig die positive und negative Merkmalsspezifikation aufweisen darf. 3 8 Wenn ein (Verb-Letzt-)Satz zu einem bestimmten Teiltyp gehört, d.h. wenn er einen bestimmten Status hat, dann wird das durch die Form dieses Satzes auch angezeigt. Die Satz-Merkmale wie [+geschlossen,-w], [+Rel,...], [-»-geschlossen, -»•kausal] usw. werden in einer bestimmten Form realisiert und hörbar bzw. sichtbar gemacht. 38 Ein relevantes Merkmal braucht aber nicht unbedingt genauer spezifiziert zu sein. So kann bei ärgern die Subjektposition durch einen Ausdruck mit dem Merkmal [-»-geschlossen] besetzt werden; die genaue Spezifikation des w-Merkmals bleibt jedoch offen, so daß sowohl ein Verb-Letzt-Satz mit den Merkmalen l [^geschlossen], [-w]} als auch einer mit den Merkmalen l [-»-geschlossen], [+w]} als Subjekt verwendet werden kann - ein Verb-Letzt-Satz mit dem Merkmal [-geschlossen] ergäbe hingegen eine 'inkonsistente' Gesamtmerkmalsmenge, die i [-»-geschlossen], [-geschlossen]} als Teilmenge enthält. Bei der koordinativen Verknüpfung zweier merkmalsverschiedener subkategorisierter Sätze erfolgt die Verträglichkeitsprüfung bezüglich des einbettenden Ausdrucks für jeden Teilsatz gesondert; vgl. unten Fn. 44.

192

2.2.1.3 COUP als statusanzeigender CP-Kopf Bei Verb-Letzt-Sätzen wird der Status durch den satzeinleitenden Ausdruck angezeigt, d.h. durch subordinierende Konjunktionen und durch Relativ- oder p-Ausdrücke. In der satzeinleitenden Position befinden sich also Ausdrücke, die die Merkmalsspezifikationen des Satzes realisieren. Wie kommt diese Realisierung zustande? Die plausibelste Annahme ist, daß die Status-Merkmale des (Verb-Letzt-)Satzes auch die satzeinleitende Position, die COMP-Position, charakterisieren. Entsprechend ist die COHP-Position in einem daÄ-Satz durch das Merkmal [-«-geschlossen.-«] indiziert, in einem Relativsatz durch [+Rel,...], in einem ureil-Satz durch [^geschlossen, +kausal] usw. Die lexikalische Besetzung der COMP-Position muß die vorhandenen COMP-Merkmale respektieren, d.h. die Merkmalsspezifikation des eingesetzten Ausdrucks darf sich von der der COMP-Position nicht unterscheiden. Nächste Frage: Wieso erscheinen die Statusmerkmale des Satzes ausgerechnet an der COMP-Position wieder? Das ergibt sich, wenn man, wie in der X-Bar-Syntax üblich (also einer Syntax, die die phrasalen syntaktischen Kategorien, wie z.B. die NPn, als gestufte Erweiterungen eines zentralen Kerns oder Kopfes ansieht), die COMP-Position als Kopf des Verb-Letzt-Satzes analysiert, so daß ein VerbLetzt-Satz eine Projektion von COMP, also eine COMP-Phrase ist (und kein S ' , wie im bisherigen Verlauf dieser Untersuchung angenommen wurde; das entspricht, bis auf die Stufung in zwei Projektionen, der Ansicht in Chomsky (1986a; 1986b); vgl. oben 2.1.3.1). Verb-Letzt-Sätze haben demnach die Struktur

COMP

V*AX

Die (mindestens partielle) Merkmalsübereinstimmung zwischen dem Wurzelknoten eines (Verb-Letzt-)Satzes und dem COMP-Knoten läßt sich als Spezialfall einer allgemeineren Regularität beschreiben: Im allgemeinen sind es bestimmte Kopf-Merkmale, die den Status der Gesamtkonstruktion, z.B. ihre Kategorie, bestimmen. Zurück zur Merkmalsübereinstimmung von COMP-Position und Ausdruck in der COMP-Position: Bei einer COMP-Phrase mit der Merkmalsspezifikation [•••geschlossen,-w] ist auch der COMP-Knoten selbst mit diesen Merkmalen indiziert; als lexikalisches Material, das vom COMP-Knoten dominiert wird, ist der Ausdruck daß zulässig, der im Lexikon durch das Merkmal [^geschlossen] charakte-

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risiert ist. 39 Entsprechend ist der Satzeinleiter ob im Lexikon als [-geschlossen] gekennzeichnet und kann daher nur von einem COMP-Knoten mit der Merkmalsspezifikation [-geschlossen,-w] dominiert werden, welcher seinerseits wieder als Kopf einer CP mit genau dieser Merkmalsspezifikation fungiert. Die adverbiellen Satzeinleiter und damit die COMP-Positionen, in die sie eingesetzt werden, sowie die entsprechenden CPn, als deren lexikalische Köpfe sie fungieren, sind durch spezifische Merkmale wie z.B [+kausal] gekennzeichnet, die den jeweiligen Typ der Relation zwischen eingebettetem Satz und Matrixsatz festlegen. Bei 'Lückenstrukturen', also Relativsätzen mit dem Kopf-Merkmal [+Rel] und v-Sätzen mit dem Merkmal [+w], muß in der Position des Satzeinleiters ein passender Ausdruck stehen, d.h. ein Relativausdruck oder ein v-Ausdruck. Das [+w]Merkmal dominiert bezüglich der Realisierung gegenüber dem [geschlossen]-Merkmal, dessen Spezifikation in diesem Fall nicht durch einen eigenen Ausdruck angezeigt werden kann - weder ob noch daß sind möglich (das ausschließlich 'verstärkende' daß im Bairischen ist selbstverständlich kein Anzeiger für [•••geschlossen], sondern legt die Komplementiererfunktion des v-Ausdrucks f e s t ) . Ob ein «r-Verb-Letzt-Satz interrogativisch (d.h. [-geschlossen]) oder exklamativisch (d.h. [-(-geschlossen]) zu interpretieren ist, läßt sich am w-Ausdruck allein im allgemeinen kaum festmachen, wenn auch bestimmte nr-Ausdrücke nur interrogativisch (z.B. warua) und andere mindestens stark bevorzugt exklamativisch verwendet werden (z.B. Kombinationen aus vie und wertendem Adjektiv: wie schön, trie toll; vereindeutigend wirken hier bestimmte Modifikatoren: nie unglaublich schön, nie wahnsinnig toll). Entscheidend ist vielmehr, was für ein einbettender Ausdruck verwendet wird: (2-174) Max fragt, warum er so lange warten muß/*wie unglaublich lange er warten muß. (2-175) Max ist sauer, *warum er so lange warten muß/wie unglaublich lange er warten muß. In seltenen Fällen ist auch die Art des einbettenden Ausdrucks noch kein eindeutiger Indikator: (2-176) Rip van Winkle erzählt den Leuten, wie lange er geschlafen bat. Bei interrogativischer Interpretation gibt Rip nur den Zeitraum 20 Jahre an, bei exklamativischer Interpretation läßt sich unglaublich oder ein ähnliches inten39 Dieses Merkmal kann seinerseits aus der Bedeutung von daß abgeleitet werden; daß zeigt nämlich eine in ihrem Wahrheitswert festgelegte 'geschlossene' Proposition an. Bezüglich des w-Merkmals sind lexikalische Ausdrücke per Default negativ spezifiziert; d.h. nur bei den wenigen «r-Wörtern ist im Lexikon eigens die positive Merkmalsspezifikation [+w] aufgeführt (die sich durch geeignete Regeln auf eine komplexe prPhrase vererbt, s . u . ) .

194

sivierendes Adadjektiv einfügen und der Zeitraum wird als ein bemerkenswert langer gekennzeichnet. Bei v-Ausdrücken ist also zu beachten, daß sie im allgemeinen mit beiden Spezifikationen des Merkmals [geschlossen] verträglich sind, dieses aber nicht mehr durch einen zusätzlichen Ausdruck (nur eine COMP-Position steht zur Verfügung) angezeigt werden kann. Bis auf diese teilweise Unterbestimmtheit von p-Sätzen sind alle Verb-Letzt-Strukturen durch die Verwendung spezifischer Satzeinleiter charakterisiert, die die Statusmerkmale anzeigen. Es gilt also die Regel, daß der Ausdruck, der vom COMP-Knoten mit der entsprechenden Merkmalskombination dominiert wird, diese Merkmale auch tatsächlich realisiert, d.h. selbst für diese spezifiziert ist. Durch eine solche Regel der offenen Realisierung grammatisch relevanter Merkmale wird der Forderung Rechnung getragen, daß die Merkmale 'entdeckbar' sein müssen. Diese Regel 'Realisiere die statusrelevanten CP-Merkmale offen!' wird erfüllt durch die Besetzung der COMP-Position mit Ausdrücken, die lexikalisch für die entsprechenden Merkmale ([geschlossen], [w], [Rel], [kausal],...) spezifiziert sind. 40 Die Merkmale können als Kopf-Merkmale nicht in eine andere Satzposition wandern und dort realisiert werden: Sie werden zum einen durch Subjunktionen (daß, ob und adverbielle Subjunktionen wie veil) hör- und sichtbar gemacht, also durch Ausdrücke, die im Verb-Letzt-Satz selbst keine Satzgliedfunktion haben. 2.2.1.4 Strukturen mit w- oder Relativmerkmal Andererseits müssen auch Verb-Letzt-Sätze mit den Merkmalsspezifikationen [+Rel] oder [+w] in der Komplementierer-Position Relativausdrücke oder «^-Ausdrücke enthalten, die einerseits diese Merkmale realisieren, aber gleichzeitig auch bestimmte syntaktische Funktionen im Verb-Letzt-Satz übernehmen. Die entsprechenden Satzeinleiter sind - abgesehen von ihrer w- oder Relativcharakteristik normale, zu V*AX gehörende Phrasen. Ein Unterschied zwischen «r-Verb-Letzt-Sätzen und dem Rest der Verb-LetztSätze besteht darin, daß in den ersteren mehrere verschiedene Positionen mit v~ Ausdrücken besetzt werden können, wenn nur die Satzeinleiter-Position auch durch einen «r-Ausdruck gefüllt ist. 41 40 Daneben können aber auch, wie in 2.1.3.3 besprochen, in bestimmten Fällen Verb-Erst-Strukturen als Adverbialsätze mit einer [-»-konditional]-Merkmalsspezifikation oder Verb-Zweit-Strukturen als Ergänzungssätze zu Argumentstellen mit einer [-«-geschlossen,-w]-Merkmalsspezifikation auftreten. 41 Mehrfach-nr-Sätze (mit Verb-Zweit- oder Verb-Letzt-Stellung) sind typischer-

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(2-177)

Der Boss will rissen, mit wem du wann über die Revierstreitigkeiten mit Nostracosa gesprochen hast. Kennzeichen der satzinternen interrogativisch interpretierten »«-Ausdrücke ist ihre akzentuelle Hervorhebung; dadurch sind sie von den häufig formgleichen Indefinitpronomina geschieden: (2-178) Ich kann mich nicht mehr erinnern, wer iha was gegeben hat. Bei Betonung des was kann sich der Sprecher nicht mehr an die Paare aus spezifischem Geber und spezifischer Gabe erinnern; bei fehlender Betonung bezieht sich die Erinnerungslücke auf die einzelnen Personen, die irgendetwas gegeben haben. Das [+w]-Merkmal der COMP-Position ist in den betreffenden Fällen bereits durch einen der »r-Ausdrücke offen realisiert; andererseits haben Phrasen mit wCharakteristik immer auch eine Funktion im Verb-Letzt-Satz selbst, so daß zusätzliche «r-Ausdrücke auch V M A X -intern verwendet werden können, wenn die COMPPosition bereits mit dem [+w]-Merkmal gekennzeichnet ist. Eine Funktion im Verb-Letzt-Satz haben zwar auch die Relativausdrücke; insofern sollten im Prinzip auch Mehrfach-Relativsätze möglich sein. Im Unterschied zu ir-Ausdrücken stehen Relativausdrücke jedoch in einem anaphorischen Verhältnis zu einem Bezugsausdruck (mit Ausnahme der Freien Relativsätze; vgl. unten 3.1.4). Diese anaphorische 'Abhängigkeit' von genau einem (wenn auch möglicherweise pluralischen oder koordinierten) Bezugsausdruck verhindert Mehrfach-Relativierung durch referenzverschiedene Relativausdrücke: (2-179) Ein König hatte eine Tochter, die er sehr liebte/??die der sehr liebte/*der die sehr liebte. Selbst wenn V*1**-intern eine Proform verwendet werden könnte, die einem Relativum in der Form gleicht, so können doch nicht beide Pro-Ausdrucke beliebig die COMP-Position besetzen (der ist in (2-179) ausgeschlossen), wie das z.B. bei wAusdrücken prinzipiell zulässig ist; vgl. mit (2-177): weise interrogativisch zu interpretieren. Exklamativische Versionen scheinen demgegenüber kaum akzeptabel; eine satzinterne 'Exklamativphrase* hat stattdessen üblicherweise die Form einer so-Phrase: (i) Es wundert mich, welche unglaublichen Massen er ??mit wie wenigen Broten/ttit so verdammt wenigen Broten gespeist hat. (ii) Einfach unglaublich, mit wie wenig Geld er ??wie lange/so lange auskomat! Ganz ausgeschlossen sind Exklamativsätze, die lediglich mittelfeldinterne frAusdrucke enthalten, also gewissermaßen 'Echo-r-Exklamativsätze' darstellen: (iii) *Du hast mich doch wie verdammt lange warten lassen! (Als mögliche Verwendung ließe sich an die exklamativische Korrektur einer Vorgängeräu&erung des Gegenübers denken; eine solche Verwendung entspricht jedoch nicht der primären Funktion der Exklamativsätze, nur die Erstauntheit des Sprecher auszudrücken, so daß auch die Version mit Spitzenstellung nicht zur Korrektur einer VorgängeräuSerung gebraucht werden kann.) Satzinterne «^Ausdrücke müssen also interrogativisch interpretiert werden.

196

(2-180)

Der Boss will wissen, wann du mit wem ...

Innerhalb des Relativsatzes werden die üblichen Koreferenzstrategien angewendet; d.h. wenn zwei anaphorisch an den Bezugsausdruck gebundene Ausdrücke vorhanden sind, wird der eine von beiden nach den üblichen Regeln (vgl. oben 1.5.3.6) als Reflexivum realisiert, während das Antezedens als Relativpronomen erscheint: (2-181)

Eia König hatte eine Tochter, die sich jeden Tag in Eselsmilch badete.

Daß zwar Mehrfach-»r-Verb-Letzt-Sätze, aber keine Mehrfach-Relativsätze

auftre-

ten, erklärt sich also durch den notwendigen anaphorischen Anschluß des Relativums an seinen Bezugsausdruck.

2.2.1.5

Zur Rattenfängerstrategie

Die Realisierung des [+w]- oder des [Rel]-Merkmals durch einen passend spezifizierten Ausdruck in der COMP-Position macht bekanntlich in einer Sprache wie dem Deutschen (und in vielen anderen Sprachen) Schwierigkeiten, wenn es sich bei dem Ausdruck nicht um ein »r-Wort oder ein Relativum mit Satzgliedfunktion

im ent-

sprechenden Verb-Letzt-Satz handelt, sondern wenn dieses Wort tiefer eingebettet ist. Die einfachste Lösung, nämlich das entsprechende sr-Wort oder Relativum aus seiner Konstruktion (NP, PP, 4 2 Gliedteilsatz) herauszulösen und in die COMP-Position zu stellen, ist verwehrt, da die Extraktion im allgemeinen nicht möglich ist

(vgl. die Extraktionsbeschränkungen,

die seit Ross (1967) in der Generativen

Transformationgrammatik und ihren Nachfolgemodellen formuliert wurden). Bezüglich der Realisierung des [+w]- und des [Rel]-Merkmals in der Satzeinleiter-Position befindet man sich also bei eingebetteten Ar-Wörtern und Relativa tatsächlich zwischen Skylla (die die entsprechenden Wörter nicht aus den komplexen Phrasen herausreißen darf) und Charybdis (die die entsprechenden Wörter nicht in der V MAX -internen Position 'festsaugen' d a r f ) . Der Ausweg, der allerdings auch nur bedingt nutzbar ist, besteht in der Verwendung einer 'Rattenfänger'-Konstruktion, bei der ein v-Wort oder Relativum seine syntaktische Umgebung in die Satzeinleiter-Position mitnimmt. Eine durch welch- oder was für eingeleitete NP (welches Buch, was für ein Rennrad) kann als komplexer «r-Ausdruck verwendet werden: 42

Zum sogenannten 'preposition stranding', bei dem die Objekte von Präpositionen aus der PP herausbewegt zu sein scheinen, vgl. Oppenrieder (i.Ersch.a) und die darin angegebene Literatur: (i) Wo hat er von geträumt.

(ii)

Das ist das Rennrad, wo er schon immer von geträumt hat.

197

(2-182)

Frau Klezenbeck überlegte lange, welches Buch/was für ein Renarad sie kaufen sollte. Ebenso machen possessive »r-Ausdrücke eine NP zu einem »r-Ausdruck (wessen Angebot bzw. das nicht-standardsprachliche vent sein Angebot) bzw. possessive Relativa eine NP zu einem Relativausdruck (dessen Angebot und eventuell das nicht-standardsprachliche ?dem sein Angebot) : (2-183) Forst Kropatzky überlegte lange, wessen Angebot /wem sein Angebot er annehmen sollte. (2-184) Der Verein, dessen Angebot/?dea sein Angebot der Fürst schließlich annahm, will unbedingt in die Bayernliga aufsteigen. Nicht zulässig sind dagegen komplexe v-Ausdrücke oder Relativausdrücke, die eine possessive ron-PP mit w- oder Relativcharakteristik enthalten: (2-185) Er weiß noch nicht, *das Angebot von wem er annehmen soll. (2-186) Max vermittelte dem Fürsten den Verein, *das Angebot von dem dieser schließlich annahm. Generell können PP-Attribute keine Quelle des [+w]- oder des Relativmerkmals sein: (2-18*7) Ich weiß nicht, *das Nachdenken über wen Christa zu ihrem Buch inspiriert bat. (2-188) Max kennt eine Frau, *der Streit mit der ihn immer stark mitnimmt. Das [+w]- oder Relativmerkmal ist bei komplexen NPn kein Kopfmerkmal, d.h. die übliche Regel der Merkmalübereinstimmung von Kopf und Phrase gilt nicht (vgl. auch Stechow/Sternefeld 1988: 117££.). Stattdessen gilt als Ersatzregel, die bestimmte Rattenfänger-Konstruktionen erlaubt, eine abfolgebezogene Regel. Eine komplexe NP, die mit einem «r^Wort bzw. mit einem Relativum beginnt, wird selbst als p-Ausdruck bzw. als Relativausdruck interpretiert, d.h. das Merkmal vererbt sich vom ersten Teilausdruck auf die gesamte Phrase (vgl. wes Geistes Kind vs. *das Kind wessen Geistes). Die Regel wird allerdings dadurch etwas aufgeweicht, daß der bestimmte und unbestimmte Artikel 'übersprungen' werden können (die wievielte Auflage, ein wie schönes Gesicht). Der Artikel mag deshalb irrelevant sein, weil es sich um einen Ausdruck aus einer eng umgrenzten Klasse von Funktionswörtern handelt, der zumindest i· prototypischen Fall am Beginn der NP steht, dessen Auftreten also erwartbar ist; da er nur den Definitheitsstatus der NP anzeigt, wird er möglicherweise auch anders als die 'Inhaltswörter' behandelt. Komplexe NPn mit w-Charakteristik genügen also der folgenden Strukturierung: [ NP (Art) X ... ], wobei X für eine lexikalische Einheit stehe. Die Struktur für Relativausdrücke ist analog zu formulieren, nur daft in diesem Fall keine 'störenden 1 Artikel auftreten können. Die entsprechende NP kann dann

198

als ganze in die COMP-Position gestellt werden, wo sie das [+w]- bzw. [Rel]Merkmal offen realisiert. In PPn ist aufgrund des Oberwiegens von Präpositionen im Deutschen die erste Position im allgemeinen bereits durch die Adposition besetzt. Aber auch hier ist noch das Durchsickern eines [+w]- oder [Rel] -Merkmals auf die PP zulässig, wenn das Objekt der Adposition die entsprechenden Merkmale hat, wenn also zumindest direkt auf die Präposition (die selbst komplex sein kann: im Hinblick auf) ein aufgrund lexikalischer Eigenschaften mit den entsprechenden Merkmalen versehener Ausdruck folgt. Für Prä-Positionalphrasen gilt also zwar nicht die einfachste linearitätsbezogene Regel, daß nämlich die Merkmalscharakteristik des ersten Worts die der gesamten Phrase bestimmt; die Prä-Position kann aber als ein spezifischer Ausdruckstyp anscheinend genauso 'übersprungen' werden wie ein Artikel in NPn, wenn es um die Verteilung der w- bzw- Relativmerkmale geht: [PP P NP ] Wiederum gilt für Relativausdrücke eine analoge Strukturierung. (2-189) Dr. Kabuse trollte herausfinden, über welche Eigenschaften die Substanz verfügt. (2-190) Sie sind also der Herr, von dessen bestechenden alchimistischen Kenntnissen air Professor Laudanum so viel erzählt bat l In Adjektivphrasen stammt das [+w] -Merkmal ebenfalls nicht vom Kopf adjektiv, sondern von einem Ausdruck am Beginn, nämlich dem Adadjektiv vie (vie lange, wie schön) : [AP wie Adj ] Für Rattenfänger-Konstruktionen im Deutschen ist also offensichtlich die lineare Abfolge ganz zentral. Nur Phrasen, die mit einem v-Wort oder einem Relativum beginnen (wobei ein Artikel oder eine Präposition als Elemente einer bestimmten Ausdrucksklasse 'übersprungen' werden können), zählen selbst als - Ausdrücke oder Relativausdrücke und können in der COMP-Position erscheinen (zu Rattenfänger-Konstruktionen mit Infinitivphrasen vgl. unten 3.2.2.4). 2.2.1.6 V"A* -Lücken Dem or- Ausdruck bzw. Relativausdruck in der COMP-Position korrespondiert V NAX intern eine in Kategorie und Funktion passende 'Lücke' (vgl. das Slash-Merkmal in der 6PSG) : V MAX als Schwester von COMP ist insgesamt durch die entsprechenden Lückenmerkmale gekennzeichnet (in (2-189) z.B. hat V"*" als mögliches Lückenmerkmal [püber]). Wenn COMP der Kopf der CP ist, dann steht die Schwesterkonsti-

199

tuente V MAX in einer Art Objektbeziehung zu COUP; Objekte werden vom regierenden Kopf häufig in bestimmten Formmerkmalen bestimmt - typische Fälle sind z.B. die Kasusaerkmale der NP-Objekte von Verben und Präpositionen. Genau derselbe Fall scheint auch bei ir-Verb-Letzt- und Relativsätzen vorzuliegen. Der Komplementierer bestimmt, welche Lückenmerkmale die Schwesterkonstituente V NAX aufweisen muß. Kategoriale und Kasusmerkmale bzw. die spezifische Präposition des Ausdrucks in der COMP-Position müssen als Lückenmerkmale erscheinen; es handelt sich um diejenigen Merkmale ('Statusmerkmale') des Ausdrucks in der Komplementiererposition, die ihn syntaktisch als bestimmten Teil einer komplexen Konstruktion kennzeichnen. Neben den 'Funktionsmerkmalen 1 (bei subkategorisierten Ausdrücken sind das typischerweise Formmerkmale wie Kasus und Präposition, die Kategorieninformation ist daraus ableitbar) gehört auch das [+w]- bzw. [Rel]-Merkmal zu dem Komplex der Lückenmerkmale, der V MAX kennzeichnet; z.B. enthält ein r-Verb-Letzt-Satz mit einem Akkusativobjekt in Komplementiererfunktion ein V M A X mit dem Merkmalskomplex l [ + w ] , [ a k k ] , . . l . Aufgrund des 'Funktionsmerkmals' besetzt der Merkmalskomplex eine Stelle in V M A X . Dazu muß angenommen werden, daß eine Merkmalspezifikation wie [akk] zumindest formal für die Sättigung einer Argumentstelle ausreicht, die mit der akkusativischen Markierung als Funktionsanzeiger verbunden ist; der Unterschied zur Normalbesetzung liegt in den Fällen mit einem 'Akkusativobjekt-Komplementierer' lediglich darin, daß dieses Merkmal innerhalb von VMAX nicht an einen bestimmten Ausdruck gebunden ist. Das [+w]- bzw. [Rel]-Merkmal andererseits erfüllt keine Subkategorisierungsforderungen in Bezug auf Ausdrücke in V MAX selbst, sondern erst in Bezug auf den nächsten COMP-Knoten, den Schwesterknoten von V MA *. Aufgrund der Subkategorisierungsforderungen des COMP-Knotens muS der Komplex der Lückenmerkmale an V MAX selbst erscheinen; die Merkmale, die die Lücke in VMAX kennzeichnen, sind auch Merkmale aller dominierenden Knoten, bis sie als Merkmale des Komplements eines die Lücke subkategorisierenden (d.h. 'motivierenden') Ausdrucks erscheinen. Die entsprechenden w- und Relativ-Lücken ergeben sich also durch spezifische Komplementiererbesetzungen. Lückenmerkmale sind im Deutschen normalerweise nur an Verbprojektionen zulässig, d.h. Extraktionen z.B. aus NPn sind inakzeptabel. Eine Ausnahme im Bereich der Verb-Letzt-Sätze stellt nur die Aufspaltung von «ras fui^Phrasen dar (vgl. oben 1.5.3.4.2), bei der »ras als Fragemarkierer allein die Komplementierer-Position besetzen kann, während der indefinite rhematische Kern im Mittelfeld zurückbleibt. Die Ausweichstrategie der Rattenfänger-Konstruktion wurde weiter oben bereits angesprochen.

200

Wenn im Standardfall nur Verbprojektionen ein Lückenmerkmal tragen können, dann blockieren auch CPn die Weitergabe, so daß die Merkmalsweitergabe nur bis zum nächsten V MAX -Knoten möglich ist, der die Lücke dominiert - und Schwester eines passenden Satzeinleiters ist. Die Extraktionsbeschränkungen lassen sich dabei folgendermaßen erklären: Wie oben ausgeführt wurde, sind nr-Verb-LetztSätze insgesamt mit dem [+w]-Merkmal gekennzeichnet, Relativsätze entsprechend mit dem [Rel]-Merkmal. Diese Merkmale kennzeichnen aber auch den COMP-Kopf der CP. Im Deutschen ist es nicht nur zulässig, sondern sogar obligatorisch, daß sie wie andere COMP-Merkmale auch tatsächlich in COMP realisiert werden. Zu diesem Zweck muß das Extraktionsverbot von «r- und Relativwörtern aus Phrasen, d.h. maximalen Projektionen (bzw. die Lückenbildung mit anschließender Weitergabe der Lückenmerkmale an dominierende Knoten) an genau einer Stelle aufgehoben werden VMAX ais Schwester von COMP darf eine Lücke enthalten. Wenn man annimmt, daß das für die Verwendung als Komplementierer relevante LOckenmerkmal, d.h. [+w] (oder [Rel]), als Merkmal auch auf V MAX übergeht bzw. im Komplex der LÜckenmerkmale enthalten ist, dann läßt sich auch erklären, wieso -interne if-Ausdrücke im allgemeinen (bis auf sehr markierte ' «r-Echofragen') nur in Verb-Letzt-Sätzen mit w-Charakteristik auftreten können, nicht aber in den anderen Typen der Verb-Letzt-Sätze, z.B. in Kausalsätzen: (2-191) ?Er trinkt Jägermeister, veil er welche Konstruktioa analysiert hat? Wie an den Rattenfänger-Konstruktionen deutlich wurde, kann das [+w]-Merkmal unter bestimmten Bedingungen ohne Rücksicht auf die normalen Wege der Merkmalsvererbung, d.h. über die Projektionslinie, bis zur nächsten Phrasenebene höher wandern. Wenn nun auch für V M A X -Konstituenten mit w-Charakteristik gilt, daß sie ihr [+w]-Merkmal an V MAX selbst weitergeben (allerdings unabhängig von Linearitätsbedingungen wie bei den anderen Rattenfänger-Konstruktionen 4 3 ), dann führt das nur dann zu keinen Problemen, wenn V MAX das entsprechende Merkmal bereits selbst trägt. In allen anderen Fällen hat V MAX als Objekt des [-w]-Komplementierer s eine unpassende Merkmalscharakteristik, so daß es zur speziellen Echo-Interpretation kommt. Ein Beispiel wie (2-22) in 2.1.2.2.1 oben zeigt, daß adverbielle Ausdrücke mit w-Charakteristik koordinativ verknüpft werden können, selbst wenn dies an43

Dies könnte daran liegen, daß im Bereich der NP oder PP die Konstituentenfolge strikter geregelt ist als im Mittelfeld, wo eine Abfolgebedingung kaum einschränkend wirkt, weil ihr durch Umgruppierungen der Konstituenten Genüge getan werden kann. Zudem tragen V H A X -interne «r-Ausdrücke im Gegensatz zu den v-Ausdrücken mit Komplementierer-Funktion stets einen Akzent; die akzentuelle Auszeichnung könnte eine ähnliche Funktion haben wie die Auszeichnung durch die Spitzenposition in einer Phrase.

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sonsten nicht möglich ist, da sie verschiedenen Adverbialklassen angehören; vgl.: (2-192) Ich möchte gern von Ihnen wissen, warum, wann und mit wem Sie Brände gelegt haben. (2-193) ??Aus Spaß, jeden verkaufsoffenen Samstag und mit meinem lieben Kollesen Dr. Brösele habe ich Brände gelegt. Anscheinend sind die einzelnen p-Ausdrücke nur ganz global als adverbial gekennzeichnet, so daß sie koordinativ verbunden werden können.** 44

Für (2-192) und ähnliche Beispiele sind im Prinzip zwei Analysen denkbar: Bei der ersten Analyse werden vollständige Verb-Letzt-Sätze verknüpft; von den V M A X -Konstituenten werden jedoch entweder alle bis auf die nicht-letzten getilgt oder aber es handelt sich um eine 'right node raising'-Konstruktion (vgl. den entsprechenden Strukturbaum in Abschnitt 2.1.3.1), bei der alle VMAX aus den koordinierten CPn getilgt werden und eine Kopie der V M A X an den Koordinations-CP-Knoten adjungiert wird; die jeweiligen V MAX haben allerdings nur dann eine identische Merkmalscharakteristik, wenn man sie ganz global als Ausdrücke mit einer 'Adverbiallücke' kennzeichnet. Bei der zweiten Analyse werden die ^Phrasen zu einer komplexen v-Phrase verknüpft und mit V MAX als Schwesterkonstituente verbunden. Wenn jedoch wKomplementierer mit daß oder ob koordinativ verknüpft werden (vgl. die Beispiele (2-27) und (2-27a) in 2.1.2.2.1), dann ergeben sich für beide Analysen Schwierigkeiten: (i) Alle Leute wundern sich, daß und trie oft du sie besuchst. Für die COMP-Verknüpfungsanalyse ergeben sich Schwierigkeiten, weil die Merkmalscharakteristik des komplexen Komplementierers nicht konsistent ist: Von daß (bzw. ob) stammt das Merkmal [-w], vom ^-Ausdruck das Merkmal [ + w ] ) . Für die Tilgungsanalyse ist problematisch, daß nur die V M A X -Schwester eines if-Ausdrucks ein t+w]-Merkmal aufweist, so daß keine Tilgung unter vollständiger Identität vorliegt. Die Tilgungsbedingung muß aber auch gar nicht so eng formuliert werden: Offenbar ist für Tilgbarkeit in koordinierten Strukturen zwar Formgleichheit, aber nicht unbedingt Merkmalsgleichheit erforderlich; vgl. den folgenden Beleg: (ii) ?Ich vertraue und verwende Korall. vs. (iii) *Ich vertraue und liebe meine Eltern/meinen Eltern. In beiden Fällen wird im ersten Konjunkt ein Objektsausdruck getilgt, der in seiner syntaktischen Funktion bzw. seinem Kasus nicht mit dem Objektsausdruck im zweiten Konjunkt übereinstimmt. In (ii) liegt jedoch zumindest Formübereinstimmung vor, so daß die Tilgung des ersten Objektsausdrucks toleriert wird. In Sätzen wie (i) weist zwar nur der eine V M A X -Ausdruck ein [+w]-Merkmal auf; ein Unterschied in der hör- und sichtbaren Form besteht jedoch nicht, so daß Tilgung zulässig ist. Geht allerdings in die Koordination ein obligatorischer nr-Ausdruck ein, dann ergeben sich ungrammatische Strukturen: (iv) *Alle Leute wundern sich, daß und yen du besuchst. Die Ausgangsstruktur bei Tilgung unter Formidentität ist hier: (v) Alle Leute wundern sich, *daß du besuchst und wen du besuchst. Bei der Rekonstruktion ergibt sich aufgrund des Fehlens eines obligatorischen Akkusativobjekts ein ungrammatischer Teilsatz. Strukturen mit koordinativ verknüpften Satzeinleitern lassen sich demnach als Resultat von V M A X Tilgung analysieren. Zugrunde liegt die koordinative Verknüpfung von vollständigen Verb-Letzt-Sätzen, von denen jeder in seiner Merkmalscharakteristik mit dem einbettenden Ausdruck verträglich ist.

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2.2.1.7 Zusammenfassung Eine erste strukturelle Verzweigung teilt Verb-Letzt-Sätze also in eine einleitende COHP-Position und in einen 'Rest', der nach den Ergebnissen des ersten Teils als maximale Verbprojektion, V M A X , aufzufassen ist. Die gesamte CP muß in ihren syntaktisch-semantischen Eigenschaften mit dem einbettenden syntaktischen Kontext verträglich sein. Dies gilt insbesondere für subkategorisierte Verb-Letzt-Sätze. Es wurde angenommen, daß die Einbettbarkeit der CPn durch bestimmte Statusmerkmale bestimmt wird. Als solche Merkmale wurden [•••/-geschlossen], [+/-w] für die vier Typen der nicht-adverbiellen und nicht-relativischen Verb-Letzt-Sätze (daÄ-Sätze, ob-Sitze und die interrogativischen bzw. exklamativischen w-Verb-Letzt-Sätze) angenommen, [Rel] als Merkmal für Relativsätze und Merkmale wie [kausal], [temporal] als charakteristische Merkmale für die verschiedenen Typen von Adverbialsätzen. Die Statusmerkmale für die gesamte CP sind auch Merkmale des jeweiligen COMP als Kopfs der Konstruktion, wo sie durch geeignete Ausdrücke offen realisiert werden müssen. Neben Subjunktionen, deren Vorkommen auf die COMP-Position beschränkt ist, fungieren als Komplementierer auch Relativ- und ^-Ausdrücke, die aber zudem in der V*1AX -Schwester des COMP-Knotens eine syntaktische Funktion haben. Die V KAX -Konstituente enthält in diesem Fall eine in Kategorie und Funktion zum Komplementierer passende 'Lücke': Der Komplementierer fordert als Kopf der CP ein V MAX -Objekt mit einer spezifischen Merkmalscharakteristik. Als «r-Ausdruck mit interrogativischer oder exklamativischer Funktion bzw. als Relativausdruck verwendbar sind Einzelwörter mit Satzgliedfunktion in V M A X , daneben aber auch komplexe NPn mit einem Relativum oder ir-Wort am Beginn (wobei das p-Wort auch nach einem Artikel stehen kann), PPn, die einen Relativ- oder v-Ausdruck als Objekt der Adposition enthalten, sowie Adjektivphrasen, die das Adadjektiv vie mit seinem lexikalischen [-»-w]-Merkmal in Erstposition enthalten. 2.2.2

Die Rolle der Finitheitsmerkmale: finite und infinite Koeplementiererphrasen

Wie in 2.1.2.3.2 gezeigt wurde, kann die satzeinleitende Position im Deutschen aber nicht nur Ausdrücke enthalten, die statusanzeigende Merkmale realisieren, sondern sie ist auch eine (potentiell) finite Position: Zum einen lassen sich in bestimmten süddeutschen Varietäten an komplexen und einfachen Satzeinleitern einige beschränkte Flexionsphänomene beobachten, zum anderen rückt ein finites Verb in die einzige verfügbare COMP-Position, wenn diese nicht durch einen Komplementierer gefüllt ist.

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2.2.2.1 Finitheitsmerkmale als CP-Merkmale Da es sich bei diesen Finitheitsmerkmalen um Kopfmerkmale handelt, sollten sie auch für die gesamte COMP-Phrase kennzeichnend sein. Zu dem Komplex der verbalen Flexionsmerkmale zählen neben den Kongruenzmerkmalen auch Tempus-, Verbgenus- und Modusmerkmale. Diese Merkmale werden jedoch zum Teil nicht durch das Finitum allein realisiert, sondern durch einen Komplex aus Finitum und Hilfsverb. Betrachtet man lediglich das Finitum, dann fällt die Verbgenus-Unterscheidung weg; ebenso gibt es nur eine präsentische und eine präteritale Verbform. Passiv auf der einen Seite und die relativen Tempora (sowie das Futur) auf der anderen Seite sind das Ergebnis des Zusammenspiels von Hilfsverb (bzw. Modalverb, wenn man das futurische werden so analysieren will) und infiniter Verbform. Die verschiedenen Ausprägungen der Verbmodus-Kategorie werden dagegen fast ausschließlich am Finitum selbst kenntlich gemacht (Ausnahme: die vörde-Umschreibung des Konjunktiv II). Zumindest die Verbmodus-Merkmale sind tatsächlich für den Status der gesamten COMP-Phrase relevant. Das ist bei selbständigen Sätzen offensichtlich. Bei den verschiedenen Spielarten der Imperativsätze ist die Modusmarkierung des Verbs entscheidend für die Einschätzung des Status des Satzes (wenn auch die Verbmodus-Kennzeichnung allein in den meisten Fällen nicht eindeutig ist und erst im Zusaaaenspiel mit anderen Markierungsmitteln für eine Identifizierung des Formtyps - der Satzart - ausreicht; vgl. Altmann (1987: 3 5 f f . ) ) : (2-194) Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist! (2-195) Seien Sie bitte höflich, wenn Sie dent Kaiser gegenüber treten! (2-196) Man nähere sich des Kaiser auf dem Bauch kriechend. Ebenso sind die Verb-Erst-Wunschsätze notwendigerweise durch den konjunktivischen Verbmodus gekennzeichnet (vgl. Scholz 1987: 237): (2-197) Ware doch nur mein Kaiser nicht gefangen! Auch die Konjunktivmarkierung bei indirekter Rede ist ein Merkmal, das die gesamte abhängige Struktur kennzeichnet und zum einbettenden Ausdruck passen muft. In diesem Bereich sind auch Verb-Letzt-Sätze betroffen: (2-198) Die beiden Grenadiere sagen/*sind traurig, daß ihr Kaiser gefangen sei. In Konditionalgefügen müssen die Modusmerkmale von Antezedens- und Konsequenzsatz verträglich sein: (2-199) Wenn ich ein Vöglein wäre, flöge ich zu dir. (2-200) Wenn ich ein Vöglein *bin, flöge ich zu dir. (2-201) Wenn ich ein Vöglein wäre, *fliege ich zu dir. (2-202) Wenn ich (mal wieder) ein Vöglein bin, fliege ich zu dir.

204 Zumindest Teile aus dem Komplex der verbalen Flexionsmerkmale, nämlich die Verbmodusmerkmale, sind auch für den gesamten Verb-Letzt-Satz relevant. Insofern scheint es sich bei ihnen um Kopfmerkmale der CP zu handeln. Zunächst sind es aber Merkmale, die am Finitum realisiert werden, das sich bei Verb-Letzt-Sätzen jedoch nicht in der Kopfposition der CP, der COMP-Position, befindet, von der aus die Weitergabe des entsprechenden Merkmals an die CP selbst problemlos möglich wäre. Der Komplex der verbalen Flexionsmerkmale enthält als weitere zentrale Elemente Kongruenzmerkmale. Diese Merkmale sind allerdings für den Status eines Teilsatzes bzw. für seine Einbettbarkeit in größere syntaktische Einheiten nicht relevant. Es gibt keine Einbettungsbeschränkung für Sätze, die darauf Bezug nimmt, daß das finite Verb des eingebetteten Satzes mit einem Subjektspronomen einer bestimmten Person oder eines bestimmten Numerus kongruiert. 4 9 Die mögliche Flexion der Satzeinleiter zeigt aber, daß diese Merkmale an der COMP-Position als Kopf der CP verfügbar sind. Bei der Beschreibung der n^Verb-Letzt- und der Relativsätze wurde angenommen, daß zwischen einem Satzeinleiter und seiner V MAX -Schwester eine Subkategorisierungsbeziehung bestehen kann: Der spezifische Satzeinleiter bestimmt zu einem Teil die Merkmale und damit auch die Form von V M A X . Dieselbe Erscheinung läßt sich auch bei der Verteilung der Finitheitsmerkmale beobachten. Satzeinleiter sind für kongruierende oder nicht-kongruierende, infinite maximale Verbprojektionen subkategorisiert.

2.2.2.2

Infinite Strukturen

Allen bisher betrachteten satzeinleitenden Ausdrücken ist die Eigenschaft gemeinsam, daß sie für V M A X -Schwestern mit finitem Verb subkategorisiert sind. Daß die Finitheit vom Komplementierer selbst abhängt und nicht etwa von einem Ausdruck in einer einbettenden syntaktischen Konstruktion, zeigt sich daran, daß sie auch für die nicht subkategorisierten adverbiellen Verb-Letzt-Sätze (z.B. für Kausalsätze mit veil als Satzeinleiter) gilt. 45 Relativsätze, die durch ein rollendeiktisch modifiziertes Relativum eingeleitet werden, bilden keine Ausnahme, (i) du, der du nur an deine Radtouren denkst (ii) wir, die wir unsere Dissertationen schon lange fertig haben Die Relativa werden hier aufgrund der 'anaphorischen Kongruenz' mit dem Bezugsausdruck gewählt; die Regelung der Verbkongruenz andererseits erfolgt strikt V M A X -intern.

205

Als Komplementierer, die für nicht kongruierende, infinite Schwesterkonstituenten subkategorisiert sind, lassen sich möglicherweise die einleitenden Ausdrücke in 'adverbiellen Infinitivphrasen' analysieren - um, ohne, (an)statt: (2-203) Karl trinkt Jägermeister, um/ohne/(an)statt sich für seine Dissertation in Stinuaunff zu bringen. Als Alternative bietet sich an, diese Ausdrücke nicht als Komplementierer zu analysieren, sondern als Präpositionen, die allerdings die unübliche Eigenschaft aufweisen, nicht nur NPn, sondern auch zu-Infinitivphrasen (um) bzw. zu-Infinitivphrasen oder daß-Sätze (ohne, (an)statt) einzubetten. 4 6 2.2.2.2.1 Zu-Infinitivphrasen als Komplementiererphrasen 2u-Infinitivphrasen sind nicht nur als Objekte der beiden Präpositionen ohne und (an)statt durch