Von der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im bundesstaatlichen Finanzausgleich: Unter besonderer Berücksichtigung der »laufenden Einnahmen« des Artikels 106 Absatz 3 Satz 4 GG [1 ed.] 9783428522712, 9783428122714

In einem Bundesstaat wie der Bundesrepublik Deutschland steht die Verteilung der dem Staatswesen insgesamt zur Verfügung

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Von der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im bundesstaatlichen Finanzausgleich: Unter besonderer Berücksichtigung der »laufenden Einnahmen« des Artikels 106 Absatz 3 Satz 4 GG [1 ed.]
 9783428522712, 9783428122714

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1048

Von der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im bundesstaatlichen Finanzausgleich Unter besonderer Berücksichtigung der „laufenden Einnahmen“ des Artikels 106 Absatz 3 Satz 4 GG

Von

Karim Maciejewski

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KARIM MACIEJEWSKI

Von der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im bundesstaatlichen Finanzausgleich

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1048

Von der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im bundesstaatlichen Finanzausgleich Unter besonderer Berücksichtigung der „laufenden Einnahmen“ des Artikels 106 Absatz 3 Satz 4 GG

Von

Karim Maciejewski

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12271-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 2006 als Dissertation an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg angenommen worden. Dank schulde ich meinem verehrten akademischen Lehrer und Doktorvater Professor Dr. Peter Selmer, dessen wissenschaftlicher Mitarbeiter ich von 2002 – 2006 sein durfte. Frau Professor Dr. Felix danke ich für die außerordentlich zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Über allem steht der Dank an meine Mutter. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Hamburg, im Juni 2006

Karim Maciejewski

Inhalt Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

I. Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

1. Die Aufteilung der Finanzhoheiten im Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

2. Der vertikale Steuerertragsausgleich im System der Finanzverfassung . . . . . . . . .

18

a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

b) Die vier Stufen des Finanzausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

aa) Die vertikale Steuerertragsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

(1) Bundes- und Landessteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

(2) Gemeinschaftsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

bb) Horizontale Steuerertragsaufteilung (Art. 107 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . .

21

cc) Länderfinanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

dd) Bundesergänzungszuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

1. Staatsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

a) Gewaltenteilung als Grundprinzip der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

b) Bundesstaatsprinzip als staatsorganisatorische Umsetzung des Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

c) Grundfragen der Finanzierung öffentlicher Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

aa) Begründung einer Staatsfinanzierung durch Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . .

41

bb) Insbesondere: Begründung der Steuerstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

2. Vom Zusammenhang finanzieller Ausstattung und staatlicher „Macht“ . . . . . . . .

52

3. Finanzverfassung und Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

III. „Laufende Einnahme“ als unbestimmter Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

1. Die unbestimmten Rechtsbegriffe im vertikalen Finanzausgleich . . . . . . . . . . . . . .

61

2. Unbestimmte Rechtsbegriffe als Regelungstechnik des Grundgesetzes . . . . . . . . .

61

8

Inhalt 3. Umsatzsteuerverteilung als politischer Kompromiß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

4. Von der Konkretisierungsbedürftigkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

IV. Vom Konzept eines Maßstäbegesetzes zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

2. Das Maßstäbegesetz zum Finanzausgleich (BGBl. I 2001, 2303 ff.) . . . . . . . . . . .

72

a) Der Gesetzgebungsauftrag in BVerfGE 101, 158 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

b) Die Umsetzung des Gesetzgebungsauftrages durch den Gesetzgeber . . . . . .

73

c) Zur Konkretisierungssubstanz des Maßstäbegesetzes zum Finanzausgleich (BGBl. I 2001, S. 2302) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

d) Resümee: Ein fehlgeschlagener Konkretisierungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

3. Maßstäbegesetzgebung als prinzipiell taugliches Konkretisierungskonzept? . . .

76

a) Die rechtsphilosophische Begründung einer Maßstäbebildung: (Frei nach) „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ (J. Rawls) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

aa) Interessenabstraktion als Instrument der Herstellung von „Gerechtigkeit“ in theoretischer Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

bb) Zur Praktikabilität des Rawlschen Ansatzes in Sachen Finanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

cc) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

b) Das Problem der Bindungswirkung für den Finanzausgleichsgesetzgeber . .

83

aa) Im Grundsatz: Keine Bindung des Gesetzgebers an einfache Gesetze . .

83

(1) Der lex-posterior-Grundsatz als Ausdruck des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

(2) Die Bindung des einfachen Gesetzgebers nach Art. 20 Abs. 3 GG

84

bb) Verfassungsrechtliche Begründung einer Bindungswirkung . . . . . . . . . .

84

(1) Das Maßstäbegesetz als „lex superior“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

(2) Parallelität zur Grundsätzegesetzgebung nach Art. 109 Abs. 3 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Bindungswirkung des Haushaltsgrundsätzegesetzes . . . . . (b) Übertragbarkeit auf das Maßstäbegesetz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 86 86 88 89

c) (Verfassungs-) Prozessuale Fragen zu Maßstäbe- und Finanzausgleichsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

4. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Konzept eines Maßstäbegesetzes . . . . . .

90

Inhalt

9

V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

1. Der Einnahmebegriff unter dem Regime des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

2. Rückgriff auf einfachgesetzliche, wirtschafts- und finanzwissenschaftliche Termini? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

a) Einnahme als einfachgesetzlicher Terminus (§ 10 HGrG) . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

b) Im Überblick: Begriffsbildung in der Finanzwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

c) Resümee: Auslegung aus dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

3. Objektiv-teleologische Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

a) Vom Prinzip zur Auslegungsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

b) Die Gewinnung einer Auslegungsmaxime für den Begriff der „laufenden Einnahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Das Verfassungsprinzip und seine Konkretisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Das Bundesstaatsprinzip als Rechtserkenntnisquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Die gegenläufigen Aspekte des bundesstaatlichen Prinzips . . . . . . . . . . . 112 dd) Gewichtungsentscheidungen und „laufende Einnahmen“ . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Die Ziele der Deckungsquotenbestimmung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Insbesondere: Der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz, Art. 104a Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (3) Systematik der Ertragshoheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (4) Selbständige und voneinander unabhängige Haushaltswirtschaft, Art. 109 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4. Resümee: Föderative Verteilungsgerechtigkeit als Auslegungsmaxime für den unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 VI. Bewertung einzelner Parameter des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Zum Modus der Vergleichsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Deckungsquotenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Bedeutung des Berechnungsmodus für die Bestimmung der „laufenden Einnahmen“ (Problem der Quotenverlängerung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Grundsätze und teleologische Restriktionen des Begriffes der „laufenden Einnahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Regel-Ausnahme-Prinzip zugunsten der Deckungsquotenrelevanz . . . . . . . . . 131 b) Zurechnung der staatlichen Einnahme an die jeweilige Körperschaft als eigene Einnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

10

Inhalt c) Periodizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 d) Grundsatz der Bruttoveranschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Nettostellung staatlicher Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 e) Etablierung einer Geringfügigkeitsgrenze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 f) Maßgeblichkeit der Verfassungsmäßigkeit einer staatlichen Einnahme? . . . 139

VII. Bewertung nach Einnahmearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Vorbemerkung: Zur Systematik staatlicher Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Zurechnung der Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 cc) Deckungsquotenrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Im Streit: sog. „einmalige“ Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Ausklammerung wegen Zweckbindung der Erträge? . . . . . . . . . . . . . 146 b) Nichtsteuerliche Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Vorzugslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (1) Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (aa) Verwaltungs- und Benutzungsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (bb) Im Streit: Die Figur der Verleihungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . 152 (b) Ertragszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (c) Deckungsquotenrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (aa) Stellungnahmen in der finanzverfassungsrechtlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (bb) Bewertung im Lichte der Auslegungsmaxime . . . . . . . . . . . 161 (2) Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Sonderabgaben „im engeren Sinne“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (1) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (2) Ein Zwischenresümee: Vierstufiges Prüfungsprogramm für Sonderabgaben „im engeren Sinne“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (3) Der Gegenbegriff der sonstigen nichtsteuerlichen Abgaben . . . . . . 167 (a) Lenkungsintention des Sachgesetzgebers als taugliches Abgrenzungskriterium zur Steuer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (b) Sonstige vorgeblich abgrenzungstaugliche spezielle Sachund Zweckzusammenhänge in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Inhalt

11

(4) Kriterien für die Zulässigkeit von Sonderabgaben im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (5) Zurechnung der Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (6) Deckungsquotenrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (a) Stellungnahmen in der finanzverfassungsrechtlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (b) Bewertung im Lichte der Auslegungsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . 175 cc) Einnahmen aus sonstigen nichtsteuerlichen Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (1) Sozialversicherungsabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . (b) Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . (c) Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Einnahmen der Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

176 177 178 180 180

(2) Verbandslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Einnahmen aus zwischenstaatlichen Finanztransfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Deckungsquotenrelevanz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Einnahmen aus Krediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 d) Staatliche Einnahmen aus der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen und Sachvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Stellungnahmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 bb) Bewertung im Lichte der Auslegungsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 e) Versteigerungsentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Insbesondere: Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen. . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Von der Rechtsnatur der Versteigerungsentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (1) Stellungnahmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (2) Versteigerungserlöse als sonstige staatliche Einnahmen . . . . . . . . . . 198 dd) Ertragszuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 ee) Deckungsquotenrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Schluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Einführung In einem Bundesstaat wie der Bundesrepublik Deutschland ist die Verteilung der dem Staatswesen insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel keine periphere Frage, sondern sie steht vielmehr im Zentrum der bundesstaatlichen Realität und der politischen Auseinandersetzung. Es ist kaum übertrieben zu behaupten, daß nicht weniger als der Bestand eines bündischen Staates davon abhängt, ob es seiner Verfassung gelingt, eine belastbare Konkordanz der widerstreitenden Interessen zwischen den verschiedenen im Bunde vereinten Ebenen verfassungskräftig zu errichten und zu erhalten. Die Verfassung ist hierbei dem Konflikt ausgesetzt, daß sie einerseits Regelungen schaffen muß, die durch ihre Verläßlichkeit alle Teile des Bundesstaates finanzpolitische Planungssicherheit gewinnen läßt. Andererseits muß sie aber ebenso in der Lage sein, den Veränderungen des finanzpolitischen Umfeldes Rechnung zu tragen. Im Staat des Grundgesetzes fokussiert sich dieser Gegensatz bei der Verteilung der Umsatzsteuer. Das Aufkommen der Umsatzsteuer betrug im Jahre 2003 etwa 137 Mrd. Euro1. Sie ist das flexible Element der Aufteilung der Staatsfinanzen. Während die Aufteilung der übrigen Steuern zwischen Bund und Ländern durch das Grundgesetz selbst fixiert ist, wird die Umsatzsteuerverteilung durch einfaches Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt. Das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG lediglich auf gewisse Grundsätze. So haben gemäß Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GG der Bund und die Länder im Rahmen der laufenden Einnahmen gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Der Umfang dieser Ausgaben ist dabei unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln. Nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG schließlich sind die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird. Bei der Analyse der verfassungstextlichen Aussagen zur Umsatzsteuerverteilung ist zunächst nicht zu übersehen, daß denkbar unbestimmte Rechtsbegriffe als Grundsätze für die Bewältigung einer bundesstaatlichen Frage ersten Ranges dienen sollen. Insbesondere soll das Verhältnis der „laufenden Einnahmen“ zu den „notwendigen Ausgaben“ für die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und 1 Davon ca. 34 Mrd. Euro Einfuhrumsatzsteuer, Quelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 284.

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Einführung

Ländern von maßgeblicher Bedeutung sein. Was sind denn „laufende Einnahmen“? Wie kann der Verfassungsanwender erkennen, ob eine beliebige staatliche Einnahme eine „laufende“ im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG ist oder eben nicht? Und ist es überhaupt notwendig, diese unbestimmten Rechtsbegriffe zu konkretisieren? Diesen Fragen nachzugehen ist Gegenstand dieser Arbeit. Hierzu sollen in einem Allgemeinen Teil (1. und 2. Kapitel) der (finanz-)verfassungsrechtliche Hintergrund und das systematische Umfeld der Umsatzsteuerverteilung beleuchtet werden, um anschließend aus deren Sinn und Zweck der Gewinnung einer Auslegungsmaxime den Weg zu ebnen. Der Besondere Teil (3. – 7. Kapitel) eröffnet dann im Anschluß mit einer Auseinandersetzung mit der Regelungstechnik der unbestimmten Rechtsbegriffe, zunächst im allgemeinen und dann auf die bundesstaatliche Finanzverfassung bezogen. In diesem Zusammenhang wird das Konzept eines Maßstäbegesetzes zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe kritisch zu besprechen sein. Im 5. Kapitel folgt dann der dogmatische Kern der Arbeit. Im Wege objektivteleologischer Ableitung soll dem unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ durch Etablierung einer allgemeinen Auslegungmaxime Struktur verliehen werden, die dann im 6. Kapitel in anwendbare Bewertungsparameter umgesetzt werden soll. Abschließend soll dann die praktische Anwendbarkeit der zu findenden Auslegungsmaxime als „Werkzeug“ für die Einordnung der verschiedenen staatlichen Einnahmen nachgewiesen werden.

I. Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen 1. Die Aufteilung der Finanzhoheiten im Bundesstaat Die grundgesetzlichen Regelungen, die Gegenstand dieser Arbeit sind, finden sich im wesentlichen im X. Abschnitt des Grundgesetzes. Unter der Überschrift „Finanzwesen“ werden hier zwei Normenkomplexe behandelt, die voneinander relativ unabhängig1 und unterschiedlichen Zwecken zu dienen bestimmt sind. Eines der beiden Normensysteme der grundgesetzlichen Normen zum Finanzwesen ist das des Haushaltsverfassungsrechts. Adressat ist hier im wesentlichen der Bund. Regelungsgegenstand ist die Verteilung von haushaltsrechtlichen Kompetenzen unter den Organen des Bundes, also von Organkompetenzen. Den zweiten Normenkomplex bilden die Art. 104a bis 108 GG und die Regelungen über die Gemeinschaftsaufgaben in den Art. 91a und b GG. Diese sind gemeint, wenn im folgenden von „Finanzverfassung“ die Rede ist. Die Finanzverfassung befaßt sich mit der Verteilung von Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen sind in erster Linie bundesstaatlich veranlaßt, sie betreffen Verbandskompetenzen 2. Der finanzverfassungsrechtliche Normenkomplex ist nicht lediglich „Folgeverfassung“3 des übrigen Staatsrechts4. Die grundgesetzlichen Kompetenzen der Art. 30 ff., 70 ff., 83 ff. und 92 ff. GG werden durch die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen nicht lediglich nachvollzogen, sondern geradezu realisiert5. Die vertikale und horizontale Verteilung der Steuererträge stellt die Staatlichkeit und damit die Existenz von Bund und Ländern sicher6. Das Funktionieren einer solchen Ertragsverteilung ist somit unabdingbare Voraussetzung der deutschen Bundesstaatlichkeit7. Ebenso: Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Vorbem. zu Art. 104a, Rn. 6. Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 34. 3 So aber: F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, VVDStRL 52 (1993), S. 81; Schoch / Wieland, Finanzierungsverantwortung, S. 92. 4 Ebenso etwa: Heun, Die Zusammenführung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung, DVBl. 1996, S. 1021. 5 Vgl. hierzu: II. 3. 6 Häde, Finanzausgleich, S. 183; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 104a, Rn. 4 ff. 7 Häde, Finanzausgleich, S. 183; Pagenkopf, Finanzausgleich, S. 43. 1 2

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I. Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen

Zudem geben die Regelungen der Finanzverfassung durch die Steuer- und Abgabenkompetenzen dem jeweiligen Staatswesen Instrumente staatlicher Steuerung in die Hand, die neben die Sachgesetzgebungskompetenzen treten können. Zwischen der Staats- und der Finanzverfassung bestehen daher zahlreiche Interdependenzen8, die eine isolierte Betrachtung der Finanzverfassung losgelöst von den übrigen grundgesetzlichen Wertungen als nicht sachgerecht erscheinen lassen. Die in der Finanzverfassung in dem beschriebenen Sinne zwischen Bund und Länder aufzuteilenden Kompetenzen lassen sich unter dem Begriff der Finanzhoheiten9 zusammenfassen. Die Finanzverfassung regelt demnach Fragen der Finanzierungszuständigkeit (Art. 104a GG), der Steuergesetzgebungskompetenz (Art. 105 GG), der Ertragshoheit (Art. 106, 107 GG) und der Steuerverwaltungskompetenz (Art. 108 GG). Die Grundregel der Finanzierungszuständigkeit ist Art. 104a Abs. 1 GG. Demnach tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Die allgemeine Lastenverteilungsregel des Art. 104a Abs. 1 GG enthält nach herrschender Interpretation10 die Aussage, daß die Ausgabenkompetenz im Hinblick auf die Zweckausgaben nur diejenige Ebene innehat, welche nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung die Verwaltungskompetenz besitzt11. Die Ausgabenkompetenz folgt somit der Aufgabenkompetenz. Diese in der Reform der Finanzverfassung 1969 nach anfänglichem Auslegungsstreit12 nahezu unstreitige Regelung13 geht von der Prämisse aus, daß die Höhe der Kosten in erster Linie von der staatlichen Ebene bestimmt wird, welche in bezug auf den Gesetzesvollzug das Ermessen ausübt. 8 So etwa: Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 17; Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 2 ff.; Heun, Die Zusammenführung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung, DVBl. 1996, S. 1021. 9 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115, Rn. 34 GG, 42 ff. 10 Selmer, Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzuführen?, NJW 1996, S. 2063. 11 Vgl.: BVerfGE 26, 338, 390 (zu Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG 1955); BVerfGE 44, 351, 365; 98, 18, 22; vgl.: Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 49; Pieroth in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 104a, Rn. 2; Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band 3, Art. 104a, Rn. 13; Erichsen, Die Konnexität von Aufgabe und Finanzierungskompetenz, 1968, S. 37 ff.; Stern, Staatsrecht II, S. 1138; v. Arnim, Finanzzuständigkeit, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 103, Rn. 30; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 104a, Rn. 3; Trapp, Das Veranlassungsprinzip in der Finanzverfassung, S. 43 ff.; Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 1998, S. 151 f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band III, Art. 104a, Rn. 10. 12 Überblick bei: Stern, Staatsrecht II, S. 1136 f. 13 So: Selmer, Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzuführen?, NJW 1996, S. 2063 („substantiell unangefochten“).

1. Die Aufteilung der Finanzhoheiten im Bundesstaat

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In der Literatur wird diese zugrundeliegende Annahme zunehmend bestritten. Die Kosten würden nicht entscheidend vom Ermessen geprägt, sondern durch die Gesetzgebung. Der Inhaber der Gesetzgebungskompetenz könne durch präzise Tatbestände in den Gesetzen die Höhe der Kosten viel entscheidender beeinflussen als der Verwaltungsträger durch die Ausübung des Ermessens. Im Rahmen des Art 104a Abs. 1 GG sei also ein Übergang von der Vollzugs- zur Gesetzeskausalität zu fordern14. Die allgemeine Lastenverteilungsregel des Art. 104a Abs. 1 GG wird durch eine Reihe von finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen durchbrochen. Es bestehen also Finanzierungskompetenzen des Bundes bei Aufgaben, für die die Länder die Verwaltungskompetenz besitzen. Zum einen sieht das Grundgesetz Ausnahmen von Art. 104a Abs. 1 GG vor, wenn die Unabhängigkeit der Länder bei Wahrnehmung bestimmter Aufgaben ohnehin eingeschränkt ist. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Regelungen für die Auftragsverwaltung (Art. 104a Abs. 2 GG) und bei Geldleistungsgesetzen (Art. 104a Abs. 3 GG). Die Abweichung von der allgemeinen Lastenverteilung des Art. 104a Abs. 1 GG findet hier ihre Rechtfertigung im maßgeblichen Einfluß des Bundes auf die Verwaltungstätigkeit der Länder wegen der Weisungsund Aufsichtsbefugnisse des Bundes nach Art. 85 GG bzw. der hohen Regelungsdichte und der damit verbundenen geringeren Beeinflussung der entstehenden Kosten durch die Länder bei Geldleistungsgesetzen. Zum anderen sind durch das Finanzreformgesetz von 1969 Ausnahmen zur allgemeinen Lastenverteilung in das Grundgesetz aufgenommen worden, um die bereits bestehende Zusammenarbeit von Bund und Ländern auf eine hinreichende normative Grundlage zu stellen. Dies betrifft insbesondere die Finanzierungskompetenz des Bundes bei den Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a, b GG15. Gemäß Art. 91a GG kann sich der Bund nach in Art. 91a Abs. 3 GG festgelegten Quoten an der Finanzierung von Maßnahmen im Bereich Hochschulbau, Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und der Agrarstruktur sowie des Küstenschutzes beteiligen. Art. 91b GG ermöglicht dem Bund eine finanzielle Beteiligung an Bereichen der kulturellen Zuständigkeit der Länder in bezug auf die schulische und universitäre Bildung und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Eine weitere Ausnahme von der allgemeinen Lastenverteilungsregel ist die Finanzhilfekompetenz des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG. Ähnlich wie bei den Gemeinschaftsaufgaben sollte auch hier die vor der Finanzreform vorgefundene Praxis der Bundesfondsverwaltung verfassungskräftig abgesichert und geregelt werden. Sie ermöglicht dem Bund die Mitfinanzierung von besonders bedeutenden Investitionen zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichge14 Schoch, VVDStRL 52 (1993), S. 145 (Aussprache zu: Selmer, Grundsätze der Finanzverfassung, VVDStRL 52 (1993), S. 11 f.); ders., Finanzierungsverantwortung, in: Henneke (Hrsg.), Stärkung der kommunalen Handlungsspielräume, S. 46. 15 Hierzu: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 91a , Rn. 1.

2 Maciejewski

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I. Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen

wichts, zum Ausgleich von unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums. Die Verteilung der materiellen Steuergesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern regelt Art. 105 GG. Demnach steht dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Zölle und Finanzmonopole (Abs. 1) und die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die übrigen Steuern zu, wenn dem Bund das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen (Abs. 2). Art. 105 Abs. 2a GG sichert den Ländern die ausschließliche Gesetzgebung für die Verbrauch- und Aufwandsteuern. Die Art. 106 und 107 GG befassen sich mit der Zuweisung der Steuererträge an die Ebenen des Bundesstaates und die Verteilung der Erträge unter den Ländern. Das in diesen Artikeln niedergelegte Zuweisungs- und Ausgleichssystem soll im folgenden Abschnitt näher beleuchtet werden. Ferner regelt Art. 108 GG die Verteilung der Finanzverwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern (Abs. 1 bis 5, 7) und die Finanzgerichtsbarkeit (Abs. 6).

2. Der vertikale Steuerertragsausgleich im System der Finanzverfassung Sowohl der Gesamtstaat als auch die Gliedstaaten benötigen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Finanzmittel. Aus diesem Grund muß die Ertragshoheit in einem Bundesstaat zwischen diesen Ebenen aufgeteilt werden16. Hierfür hält das Grundgesetz in den Art. 106 und 107 einen komplizierten Ertragszuweisungs- und Ausgleichsmechanismus bereit. a) Vorbemerkung Das Grundgesetz regelt „die Verteilung des Finanzaufkommens in verschiedenen aufeinander aufbauenden und aufeinander bezogenen Stufen, wobei jeder Stufe bestimmte Verteilungs- und Ausgleichsziele zugeordnet sind“17. Für diese einzelnen Stufen des Finanzausgleichs gibt es keine einheitliche Terminologie18. Zur funktionalen Abgrenzung der einzelnen Stufen erscheinen die Gegensatzpaare primär oder sekundär sowie vertikal oder horizontal geeignet. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1077. BVerfGE 72, 330, 383; vgl. hierzu: Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 419 ff.; Friauf, Bundesstaatlicher Finanzausgleich, JA 1984, S. 620 f.; Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 104, Rn. 90. 18 Übersicht bei: Hidien, Die Verteilung der Umsatzsteuer, S. 30 ff. 16 17

2. Der vertikale Steuerertragsausgleich im System der Finanzverfassung

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Vertikal bezeichnet hierbei die ebenenübergreifenden Finanzbeziehungen des Bundes zu der Ländergesamtheit oder zu einzelnen Ländern. Als horizontal werden die Verhältnisse unter den Ländern beschrieben. Als primär werden im folgenden solche Elemente des Finanzausgleichs benannt, die sich mit der Zuweisung der Steuererträge befassen. Als sekundär werden anschließende Ausgleichs- und Umverteilungsmechanismen bezeichnet.

b) Die vier Stufen des Finanzausgleichs aa) Die vertikale Steuerertragsverteilung Die vertikale Steuerertragsaufteilung betrifft das Verhältnis des Bundes zur Gesamtheit der Bundesländer. Zum Zwecke der Aufteilung des gesamten Finanzaufkommens bildet das Grundgesetz aus diesem vier Finanzmassen. Abgesehen von den hier zu vernachlässigenden Gemeindesteuern (Art. 106 Abs. 5 bis 7 GG) finden sich hier Bundessteuern (Art. 106 Abs. 1 GG), Landessteuern (Art. 106 Abs. 2 GG) und Gemeinschaftsteuern (Art. 106 Abs. 3 und 4 GG). Das Grundgesetz enthält demnach eine Mischung aus Trenn- und Verbundsystem.

(1) Bundes- und Landessteuern Bei einer als Trennsystem zu bezeichnenden Aufteilung des Finanzaufkommens werden vorhandene Steuern zur Gänze entweder dem Gesamtstaat oder den Gliedstaaten oder den Gemeinden zugewiesen19. Ein solches System weist Bund und Ländern jeweils die Erträge bestimmter Steuerarten zu und betont auf diese Weise die Eigenständigkeit der Gliedstaaten im Finanzbereich20. Allerdings wurde ein Trennsystem im Grundgesetz zu keiner Zeit uneingeschränkt durchgeführt. Schon bei Verabschiedung des Grundgesetzes war in Art. 106 Abs. 3 GG die Trennung der Ertragshoheiten insoweit durchbrochen, als der Bund durch zustimmungspflichtiges Bundesgesetz Anteile an dem den Ländern grundsätzlich zustehenden Ertrag der Körperschaft- und Einkommensteuer vereinnahmen konnte. Nach dem Trennsystem stehen dem Bund nach Art. 106 Abs. 1 GG die Erträge der Zölle21, der Finanzmonopole22, der meisten Verbrauchsteuern23 sowie weiterer

Tipke, Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1080. Häde, Finanzausgleich, S. 182. 21 Vgl. hierzu in vornehmlich gemeinschaftsrechtlicher Perspektive: Häde, Finanzverfassung der Europäischen Gemeinschaften, EuZW 1993, S. 401 ff. 22 Vgl. hierzu: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 88, Rn. 168; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 106, Rn. 4. 19 20

2*

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I. Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen

fiskalisch relativ unergiebiger Steuern24 zu. Das Aufkommen dieser Bundessteuern betrug im Jahre 2002 zusammen etwa 83 Mrd. Euro, wobei hiervon etwa die Hälfte, ca. 42 Mrd. Euro, auf die wichtigste Bundessteuer, die Mineralölsteuer, entfiel25. Den Ländern ausschließlich stehen die Erträge der in Art. 106 Abs. 2 GG. genannten Steuern zu. Hiervon erfaßt sind die Vermögenssteuer, die Erbschaftssteuer, die Kraftfahrzeugsteuer, die Biersteuer und die Abgabe von Spielbanken sowie die Verbrauchsteuern, soweit sie grundgesetzlich nicht anderweitig zugewiesen sind. Die Ländersteuern hatten 2002 ein Aufkommen von etwa 18,5 Mrd. Euro mit der Kraftfahrzeugsteuer (ca. 7,5 Mrd. Euro) als ergiebigster Steuer26. (2) Gemeinschaftsteuern Demgegenüber liegt bei der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer ein sog. Steuerverbund vor. Hierbei werden die Erträge einzelner Steuerarten nicht in toto einer staatlichen Ebene zugewiesen, sondern eine quotale Aufteilung des Aufkommens vorgenommen. Dieses Modell bietet den aus Gründen der bundesstaatlichen Stabilität wesentlichen Vorteil gegenüber dem Trennsystem, daß Bund und Länder gleichermaßen von den konjunkturbedingten Schwankungen der Erträge betroffen sind. Mehr- bzw. Mindereinnahmen schlagen sich durch die quotale Aufteilung in den Haushalten von Bund und Ländern entsprechend nieder27. Letzteres gilt denn auch für solche Veränderungen der Ertragslage, die durch (bundes-) gesetzgeberische Maßnahmen verursacht werden. Das Verbundsystem ist somit eine Voraussetzung einer bundeseinheitlichen Gesetzgebung. Anderenfalls könnte der Bund das Aufkommen bestimmter Steuerarten kraft seiner Steuergesetzgebungskompetenz zuungunsten der Länder ändern, ohne von den Mindereinnahmen selbst betroffen zu sein28. Nach Art. 106 Abs. 3 GG sind die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer als solche Gemeinschaftsteuern ausgestaltet. An ersteren sind Bund und Länder nach Abzug der Gemeindeanteile nach Art. 106 Abs. 5, 5a GG zwingend je zur Hälfte beteiligt (Abs. 2 Satz 3). Das Grundgesetz legt hier also die entsprechenden Quoten selbst fest. Die Verteilung des Aufkommens der 23 Etwa Mineralölsteuer, Branntweinsteuer, Tabaksteuer, Salz- und Zuckersteuer, Kaffeeund Teesteuer, Leuchtmittelsteuer. 24 Aufzählung bei: Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 423; vgl.: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2004, S. 258 (Tabelle 10). 25 Quelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2004, S. 258 (Tabelle 10). 26 Quelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2004, S. 272 (Tabelle 11). 27 Pagenkopf, Finanzausgleich, S. 62; Kesper, Bundesstaatliche Finanzordnung, S. 238. 28 Kesper, Bundesstaatliche Finanzordnung, S. 237.

2. Der vertikale Steuerertragsausgleich im System der Finanzverfassung

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Umsatzsteuer ist demgegenüber verfassungsrechtlich nicht festgelegt, sondern soll als finanzpolitische Ausgleichsmasse flexibel den jeweiligen Bedarfen von Bund und Ländern angepaßt werden können29. Die Festlegung der Umsatzsteueranteile erfolgt im Gegensatz zu der statischen grundgesetzlichen Quotenfixierung durch einfaches Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates, Art. 106 Abs. 3 Satz 3 GG. bb) Horizontale Steuerertragsaufteilung (Art. 107 Abs. 1 GG) Während Art. 106 GG die Aufteilung der Steuererträge zwischen dem Bund und der Ländergesamtheit regelt, befaßt sich die zweite Stufe des Finanzausgleichs mit der Verteilung unter den Ländern. Hierfür bildet das Grundgesetz zwei Finanzmassen. Das Aufkommen der Landessteuern und der Länderanteil an der Einkommenund Körperschaftsteuer stehen nach Art 107 Abs. 1 Satz 1 GG „den einzelnen Ländern insoweit zu, als die Steuern von den Finanzbehörden in ihrem Gebiet vereinnahmt werden (örtliches Aufkommen)“. Diese Verteilung knüpft demnach nicht am Bedarf der Länder an, sondern durch die Bindung an das örtliche Aufkommen als „natürlichem Beteiligungsmaßstab“ 30 an das Erwirtschaften von Steuern im eigenen Bereich31. Einzelheiten dieser Aufteilung regelt nach Art. 107 Abs. 1 Satz 2 GG ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates, das sog. Zerlegungsgesetz32. Der Länderanteil an der Umsatzsteuer wird dagegen nach Maßgabe der Einwohnerzahl verteilt33. Dieser Modus findet seine Rechtfertigung darin, daß diese Steuer „vielfach nicht dort vereinnahmt wird, wo sie wirtschaftlich (durch den Endverbraucher) erbracht wird“34. Nach diesem Schlüssel sind nach Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG mindestens 75 v. H. der den Ländern insgesamt zustehenden Umsatzsteuermasse zu verteilen. Nach Art. 107 Abs. 1 Satz 4 2. Halbsatz GG hat der Finanzausgleichsgesetzgeber die Möglichkeit, denjenigen Ländern vorweg Ergänzungsanteile an der Um29 Schneider, in: AK-GG, Art. 106, Rn. 10; Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 25. 30 Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 289; Vogel / Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 107 (Zweitbearbeitung), Rn. 92. 31 BVerfGE 72, 330, 384; vgl. hierzu: Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 510 ff.; Kesper, Bundesstaatliche Finanzordnung, S. 108 f. 32 Gesetz über die Steuerberechtigung und Zerlegung bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer vom 25. Februar 1971, BGBl. I, S. 145. 33 Vgl.: BVerfGE 72 330, 384. 34 BVerfGE 72 330, 384; Carl, Finanzausgleich, S. 40; Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 7; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 526 ff.; Kesper, Bundesstaatliche Finanzordnung, S. 109 f.

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I. Die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen

satzsteuer zu gewähren, deren Einnahmen aus den vorangegangenen Stufen des Finanzausgleiches unter dem Durchschnitt der Bundesländer geblieben sind. Hierfür stehen bis zu 25 v. H. des Anteils der Ländergesamtheit an der Umsatzsteuer zur Verfügung. Der Finanzausgleichsgesetzgeber macht hiervon in vollem Umfange Gebrauch, § 2 Abs. 1 Finanzausgleichsgesetz. Durch die Umsatzsteuerergänzungsanteile werden die Einnahmen der steuerschwachen Länder bei den genannten Steuerarten auf 92 v. H. des Länderdurchschnitts angehoben35.

cc) Länderfinanzausgleich Auf dieser dritten Stufe des Finanzausgleiches werden nunmehr die Ergebnisse der Verteilung der Ertragshoheitsrechte im Sinne einer umverteilenden Feinsteuerung korrigiert36. Ziel dieses streitbefangenen Komplexes, auf dessen detaillierte Darstellung hier verzichtet werden muß37, ist es, unter Berücksichtigung der Autonomie der Länder Unterschiede auszugleichen, die im Hinblick auf die bundesstaatliche Solidargemeinschaft als unangemessen gelten müssen38. Durch den Vergleich bestimmter finanzwirtschaftlicher Indikatoren ergeben sich für die „reicheren“ Länder Ausgleichsverpflichtungen gegenüber den „ärmeren“. Letzteren wird durch diese horizontale Umverteilung eine Finanzkraftauffüllung auf 95 v. H.39 des Bundesdurchschnitts zuteil.

dd) Bundesergänzungszuweisungen Dem horizontalen Länderfinanzausgleich schließt sich ein vertikales Element der Angleichung der unterschiedlichen finanziellen Leistungskraft der Bundesländer an. Nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG kann der Bund finanzschwachen Ländern Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 531 ff. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 537 ff., insbesondere S. 542 ff. 37 Vgl. statt vieler: Wieland, Die Rolle der Stadtstaaten im Föderalismus, NordÖR 2001, S. 45 ff.; Wendt / Elicker, Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft, DÖV 2001, S. 762; Bull, Finanzausgleich im „Wettbewerbsstaat“, DÖV 1999, S. 269 ff.; ders. / Welti, Schwachstellen der geltenden Finanzverfassung, NVwZ 1996, S. 838 ff.; Hidien, Länderfinanzausgleich und föderatives Gleichbehandlungsgebot, DStZ 1998, S. 373 ff.; ders., Solidarpflichten als Sonderlasten?, DStZ 1998, S. 711 ff.; ders., Seehäfen im Länderfinanzausgleich, NordÖR 1998, S. 284 ff., ders., Hafenlasten, ZKF 1997, S. 266 ff.; Kröning, Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, ZRP 1997, S. 442 ff.; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 537 ff.; Kesper, Bundesstaatliche Finanzordnung, S. 111 ff.; Selmer, Sonderbedarfe und Bedarfe aus Sonderlasten, in: Wendt / Höfling / Karpen / Oldiges (Hrsg.), Staat – Wirtschaft – Steuern, Festschrift Friauf, 1996, S. 683 ff. 38 BVerfGE 72, 330, 387. 39 Vgl. zu dieser Quote etwa: Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 626 ff. 35 36

2. Der vertikale Steuerertragsausgleich im System der Finanzverfassung

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aus eigenen Mitteln Bundesergänzungszuweisungen gewähren. Diese Zuweisungen sind als Ergänzung der vorangegangenen Ertragsaufteilung und eines angemessenen horizontalen Ausgleichs angelegt und dürfen diese weder ersetzen noch überlagern40.

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BVerfGE 72, 33, 402 f.; 86, 148, 261.

II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext 1. Staatsrechtlicher Hintergrund a) Gewaltenteilung als Grundprinzip der Verfassung Das in seinen dogmatischen Wurzeln auf Montesquieu1 zurückreichende Prinzip der Gewaltenteilung ist ein fundamentaler Verfassungsgrundsatz des Grundgesetzes2. Es steht in engem Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG. Dessen Wirkungen beziehen sich einerseits auf eine subjektive Statusordnung, wie sie durch die Freiheits- und Gleichheitsrechte und die grundrechtsgleichen Rechte ausgestaltet und geschützt wird. Andererseits fordert das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes eine objektive Funktionenordnung, in deren Zentrum der Gedanke der Gewaltenteilung steht3. Neben dieser Verbindung zum Rechtsstaatsprinzip ist der Gedanke der Gewaltenteilung in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit der Gesetzesbindung des Art. 20 Abs. 3 GG verankert. Er stellt sich hier als das notwendige Korrelat zum Gewaltmonopol des modernen Staates dar. Demnach ist „in einem rechtlich geordneten Gemeinwesen die Rechtsdurchsetzung staatlichen Instanzen vorbehalten; sie darf nicht der privaten, die Rechtsordnung durchbrechenden Eigenmacht ausgeliefert werden“4. Allerdings widerspricht es ebenso der Idee der Freiheit, den einzelnen einer einheitlichen unbegrenzten Macht buchstäblich auszuliefern5. Also muß 1 De L‘esprit des lois, insbesondere Livre XI / Chapitre VI (De la constitution d‘Angleterre); hierzu statt vieler: Muhlack, Montesquieu in seiner Zeit, in: Merten (Hrsg.), Gewaltentrennung im Rechtsstaat, 1997, S. 37 ff. 2 Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 2004, § 27, Rn. 1; Ossenbühl, Aktuelle Probleme der Gewaltenteilung, DÖV 1980, S. 545 ff.; Mass, Montesquieu und die Entstehung des Grundgesetzes, in: Merten (Hrsg.), Gewaltentrennung im Rechtsstaat, 1997, S. 47 ff.; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 70 f. 3 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 2004, § 26, Rn. 46; Grabitz, Freiheit als Verfassungsprinzip, Rechtstheorie 8 (1977), S. 1 und 13. 4 BVerwGE 59, 242, 248; vgl. auch: Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 2004, § 26, Rn. 47; Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, 1975, S. 35 ff.; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 500 f.; Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 2004, § 15, Rn. 86.

1. Staatsrechtlicher Hintergrund

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die ein Gewaltmonopol beanspruchende öffentliche Gewalt in sich begrenzt und durch funktionelle Teilung kontrolliert werden. Die Idee der Gewaltenteilung ist somit von dem Gegensatz gekennzeichnet, die Einheit des staatlichen Gewaltmonopols ebenso zur Grundlage zu haben wie die Trennung der staatlichen Machtausübung6. Das Bundesverfassungsgericht hat stets die freiheitssichernde Funktion der Gewaltenteilung durch den Schutz vor Gewaltmonoismus betont. Damit wurde jener Aspekt der Gewaltenteilung prononciert, der sich als Trennungs- und Begrenzungszweck beschreiben läßt7. Nach diesem liegt die Bedeutung der Gewaltenteilung in der „politischen Machtverteilung, dem Ineinandergreifen der drei Gewalten und der daraus resultierenden Mäßigung der Staatsherrschaft“8. Die Organe der Exekutive, Legislative und der Judikative sollen sich gegenseitig kontrollieren und begrenzen9. Allerdings ist nicht absolute Trennung der Gewalten gefordert. Verschränkungen der einzelnen Gewalten sind durchaus zulässig, soweit diese nicht in den „Kernbereich“ einer anderen Gewalt einbrechen10. Diesem „klassischen“ Verständnis der Gewaltenteilung ist in jüngerer Zeit ein weiterer Aspekt hinzugefügt worden, ohne daß damit ein Funktionenwechsel verbunden wäre. Der Gedanke der Funktionentrennung wurde lediglich ergänzt11. Neben dem in erster Linie staatsabwehrenden Trennungsgedanken zielt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der Grundsatz der Gewaltenteilung „auch darauf ab, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen12“. Diesen zweifachen Auftrag hat das Bundesverfassungsgericht seitdem ständig wiederholt und weiter ausgeformt13. 5 Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 2004, § 27, Rn. 2. 6 Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 2004, § 27, Rn. 3. 7 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 2004, § 26, Rn. 48. 8 BVerfGE 3, 225, 247; 7, 183, 188; 9, 268, 279; 34, 52, 59, vgl. auch: Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1981, S. 20 ff.; Papier, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, in: Merten (Hrsg.) Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 95. 9 BVerfGE 7, 183, 188; 9, 268, 279; 12, 180, 186; 22, 106, 111; 34, 52, 59. 10 BVerfGE 9, 268, 280; 22, 106, 111; 34, 52, 59. 11 Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 2004, § 27, Rn. 9. 12 BVerfGE 68, 1, 86. 13 Vgl. etwa: BVerfGE 95, 1, 15; 98, 218, 251 f.; vgl. auch: v. Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), S. 329 ff.; Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 2004, § 26, Rn. 50; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 66; Sommermann, in: v. Mangoldt / Starck / Klein, GG, Band II, Art. 20, Rn. 198 ff.

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II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext

b) Bundesstaatsprinzip als staatsorganisatorische Umsetzung des Föderalismus Nicht zuletzt auf dem Gedanken der Gewaltenteilung baut ein weiterer elementarer Grundgedanke des Grundgesetzes auf, das Bundesstaatsprinzip. Über seine Verankerung im Grundgesetz besteht Einigkeit, jedoch zeigen sich bei seiner Positivierung, also der Bezugnahme auf einzelne grundgesetzliche Normen, erhebliche Unterschiede. In der Staatsrechtslehre wird das Bundesstaatsprinzip zumeist lediglich aus Art. 20 Abs. 1 GG hergeleitet14. Andere Autoren verweisen darüber hinaus auf Art. 50, 79 III, 70 ff., 83 ff., 91, 95, 104a, 106 ff.15 GG. Ebenso wird das Bundesstaatsprinzip als Ausprägung der Präambel sowie Art. 20, 23, 30, 70, 83 GG16 bezeichnet oder auf die Art. 20, 23, 28, 29, 37 GG und die Kompetenzvorschriften nach Art. 30 ff., 70 ff., 83 ff., 92 ff., 104a ff. GG verwiesen17. Ebenso findet sich die Ansicht, das Bundesstaatsprinzip ergäbe sich aus einer Gesamtschau der genannten Normen18. Andere wiederum verzichten gänzlich auf eine präzise normative Zuordnung19 und bezeichnen das Bundesstaatsprinzip etwa als „Kurzbezeichnung für die normativ-politischen Elemente des Verfassungssystems“20. 14 Stern, Staatsrecht, Band I, S. 644 ff.; Maurer, Staatsrecht, § 10, Rn. 12; Badura, Staatsrecht, Teil D, Rn. 70 (S. 338); Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 26, Rn. 36; Vogel, in: Benda / Maihofer / Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, § 22, Rn. 1; Stein, Staatsrecht, § 13 II (S. 111); Schmalz, Staatsrecht, Rn. 177; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 217; Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 524; Henneke, Beistands- und Kooperationspflichten im Bundesstaat, Jura 1993, S. 133; Winkelmann, Die Bundesregierung als Sachwalter von Länderrechten, DÖV 1996, S. 4; Aulehner, Josef, Art. 93 I Nr. 2a GG – abstrakte Normenkontrolle oder föderative Streitigkeit?, DVBl. 1997, S. 986; Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 250; Berg, Staatsrecht, Rn. 167; Philipp, Ein dreistufiger Bundesstaat?, ZRP 1992, S. 433, 437; Weber-Fas, GG, S. 98; Dietlein, Die Grundrechte in den Verfassungen der neuen Bundesländer, S. 10; Ossenbühl, Länderbericht Bundesrepublik Deutschland, in: Ossenbühl (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 152. 15 Schnorr, Zur Lage der Länderverwaltung nach 30 Jahren Grundgesetz, DÖV 1979, S. 355. 16 Degenhard, Staatsrecht, Rn. 82. 17 Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, S. 27 ff. 18 Katz, Staatsrecht, Rn. 242. 19 Brenner, Der unitarische Bundesstaat in der Europäischen Union, DÖV 1992, S. 904; Greulich, Länderneugliederung und Grundgesetz, 1995, S. 171 f.; Badura, Die „Kunst der föderalen Form“ in: Wege und Verfahren des Verfassungslebens, Festschrift für Peter Lerche, 1993, S. 373 ff.; Linck, in: ders. / Jutzi / Hopfe (Hrsg.), Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 44, Rn. 6 ff.; Müller-Brandeck-Bocquet, Perspektiven des deutschen Föderalismus nach der Verfassungsreform, Die Verwaltung 1996, 143 ff.; Maunz-Zippelius, Deutsches Staatsrecht, S. 102 ff.; Kruis, Bündische Sorge für das Grundgesetz, in: Wege und Verfahren des Verfassungslebens, Festschrift für Peter Lerche, 1993, S. 476 ff. 20 Hufen, Gliedstaatliches Verfassungsrecht, BayVBl. 1987, S. 517; ähnlich: Stern, Föderative Besinnungen, in: Recht als Prozeß und Gefüge, Festschrift Huber, 1981, S. 327; Dörr,

1. Staatsrechtlicher Hintergrund

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Im Gegensatz zu einigen Landesverfassungsgerichten, die sich der Ableitung des Bundesstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG, gelegentlich in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 GG angeschlossen haben21, ist das Bundesverfassungsgericht bei einer normativen Verankerung des Bundesstaatsprinzip zurückhaltender. Wurde das Bundesstaatsprinzip in frühen Entscheidungen zunächst aus Art. 20, 28, 30 GG abgeleitet22 und später die Art. 20 Abs. 1, 79, 107, 109 GG in diesem Zusammenhang erwähnt23, verzichtete das Bundesverfassungsgericht im übrigen auf eine ausdrückliche grundgesetzliche Verankerung24. Trotz der unterschiedlichen Auffassungen im Hinblick auf die Positivität des Bundesstaatsprinzips lassen sich Essentialia der Bundesstaatlichkeit herausarbeiten, über die in Rechtsprechung und Staatslehre weitgehend Einigkeit besteht. In erster Linie ist hierbei als prägender Faktor die Staatlichkeit der beteiligten Ebenen zu nennen. Als Kennzeichen der Staatlichkeit25 läßt sich zunächst die Fähigkeit beschreiben, staatliche und staatsorganisatorische Entscheidungen treffen zu können, die bloßen Verwaltungsebenen wie etwa im Einheitsstaat verwehrt sind. Dies wird insbesondere an der Verfassungsautonomie der deutschen Länder deutlich26. Indem sich Staaten eine Verfassung geben, ordnen sie wesentliche Fragen ihrer Staatlichkeit selbst. Die deutschen Länder besitzen demzufolge ebenso wie der Bund „je ihre eigene, von ihnen selbst bestimmte Verfassung“27. Hinzu kommen als „wesentliches Feld demokratisch legitimierter politischer Entscheidung“28 die der jeweiligen staatlichen Ebene zugewiesenen Gesetzgebungskompetenzen. Diese haben sich nicht zuletzt durch die Ausweitung des Gesetzesvorbehaltes zum besonderen Mittel der politischen Gestaltung entwikkelt29. Durch die Fähigkeit, Gesetze zu erlassen, erlangen die einzelnen staatlichen Rundfunkföderalismus auf dem Prüfstand, ZUM 8,9 (1996), S. 621 ff.; Kunig, Die rechtsprechende Gewalt in den Ländern, NJW 1994, S. 688 f. 21 Exempl.: SächsVerfGH, SächsVBl. 1995, S. 260, 261. 22 BVerfGE 1, 14, 34 („Neugliederung“). 23 Vgl. BVerfGE 1, 117, 131; 34, 9, 20; 72, 330, 387. 24 Vgl. exempl.: BVerfGE 11, 77, 85; 12, 36, 41; 22, 299, 306; 99, 1, 11. 25 Bullinger, Die Zuständigkeit der Länder zur Gesetzgebung, Teil I, S. 761; Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 15; Frowein, Gemeinschaftsaufgaben im Bundesstaat, VVDStRL 31 (1973), S. 39 f. 26 Badura, Die „Kunst der föderalen Form“, in: Festschrift Peter Lerche, S. 371; zu den Verfassungen der neuen Länder nach der Wiedervereinigung: Kilian, Föderalistische Verfassungsgebung in den neuen Ländern: Das Beispiel Sachsen-Anhalt, JuS 1993, S. 536 ff. 27 BVerfGE 36, 341, 361. 28 Frowein, Gemeinschaftsaufgaben im Bundesstaat, VVDStRL 31 (1973), S. 17. 29 In diesem Zusammenhang ist gelegenlich von einer Tendenz zur „Politisierung des Gesetzes“ die Rede, vgl. etwa: Schenke, Föderalismus als Form der Gewaltenteilung, JuS 1989, S. 699; vgl. ferner: Zeidler, Maßnahmegesetz und „klassisches“ Gesetz, 1961, passim; Forsthoff, Über Maßnahmegesetze, in: Forschungen und Berichte aus dem Öffenlichen Recht, Gedächtnisschrift Jellinek, 1955, S. 221 ff.

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II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext

Ebenen die Möglichkeiten, die sie zu einer eigenverantwortlichen Gestaltung des sozialen Lebens befähigen30. Daneben bedarf es zur Entfaltung eigener Staatlichkeit einer eigenen staatlichen Organisation, also eines Parlaments, Regierungs- und Verwaltungsorganen und einer Gerichtsbarkeit31. Diese Einrichtungen müssen das Bundesglied befähigen, für seinen Bereich richtungsweisende Entscheidungen selbst zu treffen, um so eine politische Leitungsfunktion32 ausüben zu können. Zusammenfassend läßt sich sagen, Kennzeichen einer Staatlichkeit sind ein bestimmtes „Hausgut rechtsetzender, exekutiver, planerischer und finanzieller Entscheidungskompetenzen sowie gerichtsorganisatorischer Befugnisse“33 sowie ferner die administrativen Fähigkeiten zu deren Realisation. Hervorzuheben ist hierbei etwa das Budgetrecht der Landesparlamente sowie die Fähigkeit der Länder, „als Dienstherrn ( . . . ) das Recht ihrer Beamten selbst zu ordnen“34 Diese Merkmale der Staatlichkeit erlauben es, anhand der Rechtssubjektivität35 der beteiligten Ebenen den äußeren Rahmen der Bundesstaatlichkeit negativ zum Staatenbund und zum Einheitsstaat abzugrenzen. Sowohl ein Bundesstaat als auch ein Staatenbund sind zunächst Zusammenschlüsse von Staaten. Im Gegensatz zum Staatenbund wie etwa dem Deutschen Bund von 1815 bis 1866 besitzt der Bundesstaat wie auch die in ihm verbundenen Gliedstaaten völkerrechtliche Subjektivität36. Beim Einheitsstaat fehlt es hingegen an Gliedstaaten, die eigene Staatlichkeit besitzen37. Beispiel für einen Einheitsstaat ist etwa das Dritte Reich von der Auflösung der Länder durch die Gleichschaltungsgesetze vom 31. März38 und vom 7. April 193339 bis zur Kapitulation am 8. Mai 194540. Äußeres Kennzeichen eines Bundesstaates ist demzufolge das Vorhandensein mehrerer Ebenen mit Staatsqualität41. Das Bundesverfassungsgericht hat dementBVerfGE 38, 281, 309. Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 17 ff.; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 668; Maurer, Staatsrecht, § 10, Rn. 1. 32 Bullinger, Die Zuständigkeit der Länder zur Gesetzgebung, Teil I, DÖV 1970, S. 761; Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 14. 33 Stern, Staatsrecht, Band I, S. 668. 34 BVerfGE 4, 115, 136, vgl.: Stern, Staatsrecht, Band I, S. 669 mit weiteren Beispielen. 35 Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 15. 36 Maurer, Staatsrecht, § 10, Rn. 7; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 2003, S. 412; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20, Rn. 4 ff. 37 Maurer, Staatsrecht, § 10, Rn. 6. 38 RGBl. I, S. 153. 39 RGBl. I, S. 173 40 Hierzu ausführlich: Grawert, Die nationalsozialistische Herrschaft, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 2003, § 6, Rn. 1 ff., insbesondere Fn. 11 f. 30 31

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sprechend die Staatsqualität der deutschen Länder bereits in seinem ersten Urteil42 festgestellt und 1973 bestätigend formuliert, daß es „das Eigentümliche des Bundesstaates ist, daß der Gesamtstaat Staatsqualität und daß die Gliedstaaten Staatsqualität besitzen“43. Dabei ist die heute unstreitige Staatsqualität der Länder44 „nicht vom Bund abgeleitet, sondern nur von ihm anerkannt“45. Dementsprechend wird der Staatscharakter der deutschen Länder in den Landesverfassungen explizit erwähnt46. Umstritten war zunächst die Gestalt des Bundesstaates des Grundgesetzes. Zu Beginn der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts schien dieses von einem dreigliedrigen Aufbau der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen. Insbesondere eine Formulierung im sog. Konkordatsurteil47 wurde in der Literatur als Festlegung in diese Richtung interpretiert48. Die auf Kelsen49 und Nawiasky50 zurückgehende sog. Dreigliedrigkeitsthese, welche auch in der übrigen Literatur nicht ohne Zustimmung blieb51, unterschied die staatlichen Ebenen des Zentralstaates (Bund), der Gliedstaaten (Länder) und des Gesamtsstaates (Bundesrepublik). Hintergrund dieser These war die Überlegung, daß die Interessen des 41 Peters, Deutscher Föderalismus, 1947, S. 22; Maurer, Staatsrecht, § 10, Rn. 1; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20, Rn. 96 f.; Callies, Die Justiziabilität des Art. 72 Abs. 2 GG, DÖV 1997, S. 889; Badura, Staatsrecht, Teil D, Rn. 70 (S. 288); Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 2003, S. 405 f.; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 644 f.; Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, S. 29 ff.; Katz, Staatsrecht, Rn 243; Volkmann, Bundesstaat in der Krise?, DÖV 1998, S. 614; Weber-Fas, GG, S. 94; Degenhard, Staatsrecht I, Rn. 84; Linck, in: ders. / Jutzi / Hopfe (Hrsg.), Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 44, Rn. 6. 42 BVerfGE 1, 14, 34. 43 BVerfGE 36, 342, 360. 44 Stern, Staatsrecht, Band I, S. 667; Rudolf, Die Bundesstaatlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, 1976, Band II, S. 240 ff.; ausführlich: Barschel, Die Staatsqualität der deutschen Länder, 1982. 45 So schon: BVerfGE 1, 14, 34. 46 Vgl.: Baden-Würtemberg: Art. 23 Abs. 1 LV; Bayern: Art. 1 Abs. 1, Art. 2, Abs. 1 LV; Berlin: Art. 1 Abs. 1 LV; Bremen: Art. 64 LV; Hamburg: Art. 3 Abs. 1 LV; Hessen: Präambel LV; Niedersachsen: Art. 1 Abs. 1 LV; Nordrhein-Westfalen: Art. Art. 1 Abs. 1 LV; RheinlandPfalz: Art. 74 Abs. 1 LV; Saarland: Art. 60; Schleswig-Holstein. Art. 1 LV. 47 BVerfGE 6, 309, 340: „Im Geltungsbereich des Grundgesetzes ist als Partner des Reichskonkordats die Bundesrepublik Deutschland – das sind verfassungsrechtlich der Bund und die Länder als ein Ganzes – anzusehen.“ 48 So: Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 5. 49 Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 199 f. 50 Allgemeine Staatslehre, 3. Teil, 1956, S. 151 ff. 51 Etwa: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 GG (Erstkommentierung), Rn. 5 f.; Maunz, Deutsches Staatsrecht, 23. Auflage, 1975, S. 215, Herzog, Bundes- und Landesstaatsgewalt im demokratischen Rechtsstaat, DÖV 1962, S. 82 f., vgl. insbesondere Fn. 1; ablehnend: Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates, DÖV 1962, S. 642 f.

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II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext

Zentralstaates als Partner und Antipode der Ländergesamtheit nicht zwingend mit denen des Gesamtstaates identisch sein müßten52. Das Bundesverfassungsgericht vermied in der Folgezeit zunächst eine deutliche Festlegung53. Einige Formulierungen im sog. Fernsehurteil54 legten die Ansicht nahe, das Bundesverfassungsgericht vertrete die These von Dreigliedrigkeit55. Im sog. Hessen-Urteil56 wurde diese dann allerdings ausdrücklich verworfen. Demnach ist aus dem Konkordatsurteil „nicht ( . . . ) zu folgern, daß zwischen einem Zentralstaat und einem Gesamtstaat als zwei verschiedenen Rechtsträgern und Subjekten gegenseitiger verfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten unterschieden werden kann“57. Über den zweigliedrigen Aufbau des deutschen Bundesstaates besteht seitdem Einigkeit58. Die Staatlichkeit von Bund und Ländern bedingt eine Reihe weiterer Merkmale des Bundesstaates. Vornehmliches Problem einer solchen Ordnung ist die Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen59. Demnach haben die Länder nach Art. 30 GG allgemein die Kompetenz zur Ausübung staatlicher Gewalt, soweit das Grundgesetz keine anderweitige Regelung zugunsten des Bundes enthält. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis wird in Art. 70 GG für die Gesetzgebung, in Art. 83 GG für die Verwaltung und in Art. 92 GG für die Rechtsprechung wiederholt60. Allerdings sind solche Ausnahmen zugunsten des Bundes insbesondere bei der Gesetzgebung indessen so umfangreich, daß die Mehrzahl der Regelungsmaterien vom Bund wahrgenommen wird. Neben einer Aufteilung der Kompetenzen bedarf eine bundesstaatliche Ordnung des Bestrebens ihrer Mitglieder zu bündischer Solidarität und einvernehmlichem Vgl.: Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 5. Kritisch hierzu: Schneider, Zustimmung des Bundesrates, DVBl. 1953, 257 ff. 54 BVerfGE 12, 205, 259. 55 („dreigliedrigkeitsverdächtiger Satz“), so: Rudolf, Die Bundesstaatlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, 1976, Band II, S. 237. 56 BVerfGE 13, 54, 77. 57 BVerfGE 13, 54, 77. 58 Vgl. statt vieler: Badura, Die „Kunst der föderalen Form“, in: Festschrift Peter Lerche, S. 377; Aulehner, Art. 93 I Nr. 2a GG – abstrakte Normenkontrolle oder föderative Streitigkeit?, DVBl. 1997, S. 986; Katz, Staatsrecht, Rn. 240; Linck, in: ders. / Jutzi / Hopfe (Hrsg.), Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 44, Rn. 10. 59 Stern, Staatsrecht, Band I, S. 670 ff.; Volkmann, Bundesstaat in der Krise?, DÖV 1998, S. 614. 60 Vgl. hierzu: Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 100, Rn. 4 ff.; Blümel, Verwaltungszuständigkeit, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 101, Rn. 1 ff.; ders., Rechtsprechungszuständigkeit, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 102, Rn. 3 ff.; Linck, in: ders. / Jutzi / Hopfe (Hrsg.), Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 44, Rn. 13. 52 53

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Zusammenwirken. Diese aus der grundgesetzlichen Entscheidung für eine bundesstaatliche Ordnung zwingend folgende Konsequenz der Rechtspflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, Unterstützung und Achtung wird überwiegend als Bundestreue61 bezeichnet. Bund und Länder als „Mitglieder des Bundes“ haben daher „untereinander und gegenseitig Rücksicht zu nehmen“62. Aus diesem Grundsatz können sowohl dem Bund als auch den Ländern63 konkrete Rechtspflichten erwachsen. Allerdings darf dadurch nicht die Stringenz der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung aufgeweicht werden. Der Grundsatz der Bundestreue dient daher zur Konkretisierung und Ergänzung bestehender Kompetenzen, ist also in diesem Sinne akzessorisch64. Die Bundestreue läßt sich daher als eine Art Feinsteuerung bundesstaatlicher Kompetenzen bezeichnen. Es werden anderweitig begründete Rechtsverhältnisse „moderiert, variiert oder durch Nebenpflichten ergänzt“65. Zum einen wirkt der Grundsatz der Bundestreue dergestalt als Kompetenzausübungsschranke, daß Bund und Länder bei der Ausübung ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen auf das jeweils andere Bundesglied und die übrigen Bundesländer wegen der bündischen Solidarität zur Rücksicht auf die Belange der anderen verpflichtet sind66. Sie dürfen von ihren Kompetenzen nur so Gebrauch machen, daß es die „Belange des Gesamtstaates und die Belange der anderen Länder nicht in unvertretbarer Weise schädigt oder beeinträchtigt“ 67. Diese Aussage der Bundestreue ist nicht unproblematisch. Selbstverständlich kann die Ausübung von verfassungsrechtlichen Kompetenzen nicht per se bundesstaatswidrig sein. Die verfassungsrechtlich festgelegten Kompetenzen sind für ihre Träger unverzichtbar und indisponibel68. Ihnen fehlt in Abgrenzung zum subjektiven Recht jedes Element voluntativer Beliebigkeit69. Weder Bund noch Länder können über ihre grundgesetzlichen Kompetenzen verfügen, auch nicht mit Zustimmung aller Beteiligten70. Dies gilt gerade im bundesstaatlich sensiblen Bereich des Finanzwesens71. 61 Stern, Staatsrecht, Band I, S. 699; Katz, Staatsrecht, Rn. 246; ausführlich: Bauer, Die Bundestreue, 1992. 62 BVerfGE 4, 115, 140;14, 197, 215; 32, 199, 238. 63 BVerfGE 4, 115, 140; 6, 309, 361. 64 Katz, Staatsrecht, Rn. 248. 65 BVerfGE 103, 81, 88. 66 BVerfGE 8, 122, 138. 67 BVerfGE 34, 9, 44. 68 Klein, in: Benda / Klein, Verfassungsprozeßrecht, § 27, Rn. 1058, BVerfGE 1, 14, 35; 41, 291, 311; 63, 1, 39. 69 So zu Recht: Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 71; vgl. auch: Müller / Mayer / Wagner, Wider die Subjektivierung objektiver Rechtspositionen, Verwaltungsarchiv 2003, S. 589. 70 BVerfGE 4, 115, 139; 55, 274, 301. 71 BVerfGE 55, 274, 301 unter Berufung auf BVerfGE 32, 145, 156; 39, 96, 109.

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II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext

Einschlägig sind daher Kompetenzen, die im Hinblick auf das föderative Gefüge im Sinne eines Aufeinander-Angewiesen-Seins angelegt sind. Hieraus ergibt sich der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Bundestreue. Mit jener Kompetenz, die einem Bundesglied „an sich“ verfassungsrechtlich zusteht und gegen die der Grundsatz der Bundestreue als Kompetenzsausübungsschranke in Stellung gebracht werden soll, muß eine Rechtsposition des sich auf die Bundestreue Berufenden dergestalt sachlich vernetzt sein, daß eine „rücksichtslose“ Ausübung der Kompetenz im Hinblick auf die korrespondierende Rechtspflicht unangemessen erscheint72. Es läßt sich von einer doppelten Akzessorietät der Bundestreue zu einer Kompetenz und einer mit dieser verbundenen Rechtsposition bzw. einfacher Akzessorietät zu einem föderalen Verfassungsrechtsverhältnis73 sprechen. Als weiterer unverzichtbarer Bestandteil einer bundesstaatlichen Ordnung ist das Homogenitätsprinzip74 zu nennen. Es begrenzt die Eigenstaatlichkeit der Länder in der Weise, daß diese an gemeinsame leitende Prinzipien gebunden sind, die alle Teilnehmer des bundesstaatlichen Verbandes zu beachten haben75. Dieses „Mindestmaß an Homogenität“76 ist notwendig, um der Tendenz zur Auflösung des Bundesstaats von innen her entgegenzuwirken77; die Fähigkeit der Bundesglieder zum Konsens setzt gewisse gemeinsame Grundlagen voraus. Was zu diesen gehört, bestimmt für die Bundesrepublik Deutschland Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG. Demnach muß die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates entsprechen, wie er für den Bund in Art. 20 Absätze 1 und 3 GG festgelegt ist. Für die Sicherung dieser Homogenität im Interesse einer gesamtstaatlichen Funktionstüchtigkeit trifft den Bund nach Art. 28 Absatz 3 GG eine Gewährleistungspflicht78. Letztlich dient dem Ziel der Sicherung einer gewissen Homogenität auch Art. 31 GG79, indem dieser bei einer Kollision von Bundes- und Landesnormen eine Stufenfolge zugunsten der Bundesregelung vorsieht80. Zur Sicherung einer politischen Einheit des Bundesstaates sind trotz der grundsätzlichen Trennung der Kompetenzen gegenseitige Einwirkungsmöglichkeiten der verschiedenen Ebenen mit eigener Staatlichkeit nötig. 72 Zur Herleitung dieser Rechtspflicht im Rahmen der Antragsbefugnis im Bund-LänderStreit nach Art. 93, Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7 BVerfGG vgl.: BVerfGE 104, S. 238 ff. 73 So: BVerfGE 95, 250, 260; 103, 81, 88; 104, 238, 245. 74 Stern, Staatsrecht, Band I, S. 704; Katz, Staatsrecht, Rn. 244; Linck, in: ders. / Jutzi / Hopfe (Hrsg.), Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 44, Rn. 12. 75 BVerfGE 24, 367, 390; 27, 44, 56; 90, 60, 84. 76 BVerfGE 36, 342, 361. 77 Katz, Staatsrecht, Rn. 244. 78 Vgl. hierzu: BVerfGE 36, 342, 360. 79 Katz, Staatsrecht, Rn. 244. 80 BVerfGE 26, 116, 135; 83, 38, 50; 96, 345, 36 ff.

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Die Mitwirkung der Länder bei der Willensbildung des Bundes nach Art. 50, 76, 77, 79 Abs. 3, 80 Abs. 1, 81, 84 und 85 GG ist hierbei neben einzelnen Kompetenzen zugunsten der Landesregierungen im wesentlichen auf den Bundesrat konzentriert81. Dem stehen vielfältige Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auf die Länder gegenüber82. Hervorzuheben sind hierbei die Materien der ausschließlichen und konkurrierenden Bundesgesetzgebung nach Art. 71, 73 GG bzw. 72, 74, 74a GG sowie der Rahmen- und Grundsätzegesetzgebung nach Art. 75 bzw. Art. 109 Abs. 3 GG. Hinzu kommen ferner spezielle Instrumente wie etwa das der Bundesaufsicht nach Art. 84, 85 GG, ferner des Bundeszwangs nach Art. 37 GG oder der Bundesintervention, Art. 91 Abs. 2 GG. Eng verbunden, aber nicht identisch mit dem Begriff des Bundesstaates ist die Idee des Föderalismus83. Dieser bezeichnet die auf dem freien Entschluß der grundsätzlich gleichberechtigten, differenzierten Gesamtheiten beruhende Einigung zu einem gemeinschaftlichen Zusammenwirken84, also ein Prinzip der Gemeinschaftsbildung durch Konsens85. Der Föderalismus ist demzufolge nicht nur und nicht primär ein zwischenstaatliches Organisationsprinzip, sondern fordert eine institutionelle Form des politischen Prozesses der Konsensbildung unter den Beteiligten86. Dies muß nicht in der Im einzelnen: Stern, Staatsrecht, Band I, S. 726. Im einzelnen: Stern, Staatsrecht, Band I, S. 710. 83 Zum Begriff: Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 10 ff.; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 657 ff.; Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, 1996; passim, Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Art. 20 (Bundesstaat), Rn. 16 ff.; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 55; Kimminich, Historische Grundlagen und Entwicklung des Föderalismus in Deutschland, in: Probleme des Föderalismus, 1985, S. 1 ff.; ders., Der Bundesstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 26, Rn. 23; Frowein, Die Konstruktion des Bundesstaates, in: Probleme des Föderalismus, S. 47 ff.; Ossenbühl, Föderalismus, in: ders. (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, 1990, S. 120 ff.; Isensee, Idee und Gestalt, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 98, Rn. 1; v. Puttkamer, Föderative Elemente, 1955, passim; Schreckenberger, Föderalismus als politischer Handlungsstil, Verwaltungsarchiv 69 (1978), S. 341 ff.; Wiedmann, Föderalismus als europäische Utopie, AöR 117 (1992), S. 46 ff.; Diestelkamp, Verfassungsentwicklung, NJW 1989, S. 1312 ff.; Badura, Staatsrecht, S. 289; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 377 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 219; Maier, Der Föderalismus – Ürsprünge und Wandlungen, AöR 115 (1990) 213 ff.; Lerche, Prinzipien des deutschen Föderalismus, in: P. Kirchhof / Kommers (Hrsg.), Deutschland und sein Grundgesetz, S. 79 ff.; Häberle, Aktuelle Probleme des deutschen Föderalismus, Die Verwaltung 24 (1991), S. 169 ff.; Badura, Die „Kunst der föderalen Form“ in: Wege und Verfahren des Verfassungslebens, Festschrift für Peter Lerche, 1993, S. 371 ff.; Fleiner / Fleiner, Allgemeine Staatslehre, 2004, S. 532 ff. 84 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 219. 85 Rumpler, Föderalismus als Problem der deutschen Verfassungsgeschichte, Der Staat 16 (1977), S. 227. 86 Rumpler, Föderalismus als Problem der deutschen Verfassungsgeschichte, Der Staat 16 (1977), S. 227. 81 82

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Gestalt eines Bundesstaates erfolgen; der Bundesstaat ist keine conditio sine qua non des Föderalismus, oder mit den Worten Hesses87 „der föderalistische Gedanke fordert und rechtfertigt nicht speziell den Bundesstaat als Staatsform“88. Es muß also unterschieden werden zwischen der politischen Kategorie des Föderalismus auf der einen Seite und der staatsrechtlichen und somit stark positivistisch geprägten89 Kategorie des Bundesstaates auf der anderen Seite90. Allerdings darf trotz dieser Kategorisierung nicht vernachlässigt werden, daß die Begründungslinien beider Phänomene parallel verlaufen. Wenn die bundesstaatliche Gestalt einer staatlichen Ordnung eine der denkbaren institutionellen Formen der Idee des Föderalismus ist, sieht sich diese derselben Kritik ausgesetzt wie die politische Idee. Mit anderen Worten: die grundgesetzliche Verankerung eines Bundesstaatsprinzips macht den Föderalismus zur staatsbildenden Kraft91, weshalb die Grundgedanken des Föderalismus zur Rechtfertigung des Bundesstaates dienen müssen. Eine allein historische Erklärung ist hierbei nicht mehr tragfähig angesichts der fehlenden Kontinuität mit den alten Ländern des Reiches. Ein Föderalismus in Deutschland ist also nicht schon aus dem Grunde zwingend, daß regional geschlossene Gesamtheiten zu einer bundesstaatlichen Einheit zusammenzuführen wären92. Zur notwendigen Rechtfertigung des Föderalismus müssen also andere Aspekte gefunden werden, auf die im folgenden eingegangen werden soll93.

Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 3. Ähnlich: Badura, Die „Kunst der föderalen Form“ in: Wege und Verfahren des Verfassungslebens, Festschrift für Peter Lerche, 1993, S. 371 ff.; Linck, in: ders. / Jutzi / Hopfe (Hrsg.), Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 44, Rn. 6 („Bundesstaat ist besondere Ausformung des föderalistischen Prinzips“). 89 Diesen Aspekt betonend: Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 6, in Fn. 2; Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates, DÖV 1962, S. 641 f.; Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 26, Rn. 9. 90 Vgl.: Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 13; Schambeck, Föderalismus und Gewaltenteilung, in: Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung, Festschrift Willi Geiger, 1974, S. 644; Loebenstein, Föderalismus, in: Dimensionen des Rechts, Gedächtnisschrift für Marcic, 1974, S. 826; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 219; Beyerle, Föderalismus, in: Festschrift Porsch, 1923, S. 128 ff.; Peters, Deutscher Föderalismus, 1947, S. 22 ff. und 29 ff.; Badura, Die „Kunst der föderalen Form“, in: FS Lerche, S. 371; Herzog, Föderalismus, in: Evangelisches Staatslexikon, Band I, S. 914 f.; auf diese Differenzierung verzichtend: Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 248 f. 91 Maier, Der Föderalismus – Ürsprünge und Wandlungen, AöR 115 (1990), S. 216. 92 Weber-Fas, GG, S. 96; Liebrecht, Zur Rechtfertigung des Föderalismus, DVBl. 1969, S. 98, ähnlich: Schenke, Föderalismus als Form der Gewaltenteilung, JuS 1989, S. 698. 93 Zum „Legitimationsdruck“ des Bundesstaates: Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 248; Stern, Föderative Besinnungen, Festschrift Huber, 1981, S. 326. 87 88

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Dem Föderalismus, also ebenso dessen institutioneller Umsetzung in Form des Bundesstaates, liegen zwei Grundgedanken zugrunde: ein freiheitsschützender und ein staatsorganisatorischer94. Damit sind lediglich die Hauptrichtungen der Rechtfertigung des Föderalismus angesprochen, in der Literatur werden diese Aspekte häufig in Form von föderalen „Tugendkatalogen“ weiter aufgespalten95. Der freiheitsschützende Aspekt der Bundesstaatlichkeit wird in nahezu allen Abhandlungen zum Föderalismus betont96. Er ist trotz aller Differenzen als „gemeinsamer Nenner“97 der Ansichten zur Funktion und damit zur Rechtfertigung des Föderalismus aufzufassen. Dieser Aspekt des Föderalismus ist eng verbunden mit dem Gedanken der Gewaltenteilung. Er zieht einen Teil seiner Rechtfertigung aus der Schaffung eines Systems gegenseitiger Kontrollen und Hemmungen mit dem Zwecke des Schutzes vor staatlicher Allmacht98. Staatliche Gewalten sollen sich gegenseitig durch einen institutionalisierten Zwang zur Zusammenarbeit zur Mäßigung der staatlichen Einflußnahme auf die Freiheitssphäre des einzelnen zwingen, wie es dem Ideal der Gewaltenteilung entspricht. Vielfach findet sich in diesem Zusammenhang daher die Ansicht, die Bundesstaatlichkeit erfülle in ihrem freiheitsschützenden Aspekt eine gewaltenteilige Komplementärfunktion zu Rechtsstaatsprinzip und Demokratie99. Zur Betonung dieser Funktion der Bundesstaatlichkeit wird auf die Erosion der herkömmlichen „klassischen“ Teilung der Gewalten zwischen Legislative und 94 Stern, Staatsrecht, Band I, S. 658, zustimmend: Kisker, Ideologische und theoretische Grundlagen des Föderalismus, in: Probleme des Föderalismus, S. 25. 95 Vgl. etwa: Kisker, Ideologische und theoretische Grundlagen des Föderalismus, in: Probleme des Föderalismus, S. 24 f. 96 Statt vieler: Weber-Fas, GG, S. 96; Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 8; Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rn. 238; Häberle, Aktuelle Probleme des deutschen Föderalismus, Die Verwaltung 24 (1991), S. 190; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 233; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 658 f.; Kisker, Ideologische und theoretische Grundlagen des Föderalismus, in: Probleme des Föderalismus, S. 25; Kopp, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat, in: Rill (Hrsg.), Freiheitliche Tendenzen, 1989, S. 112 ff.; Liebrecht, Zur Rechtfertigung des Föderalismus, DVBl. 1969, S. 99; Loebenstein, Föderalismus, in: Dimensionen des Rechts, Gedächtnisschrift für Marcic, 1974, S. 828 ff.; Linck, in: ders. / Jutzi / Hopfe (Hrsg.), Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 44, Rn. 7. 97 Zu Recht: Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 8. 98 Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 8; Donner / Berlit, Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Konsequenzen der Wiedervereinigung für die Bundesstaatlichkeit Deutschlands, ZParl 1992, S. 317. 99 Insbesondere: Hesse, Der unitarische Bundesstaat, 1962, S. 29 ff.; ders, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 223 ff.; 228 ff.; ders., Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), S. 12 ff.; Loebenstein, Föderalismus, in: Dimensionen des Rechts, Gedächtnisschrift für Marcic, 1974, S. 827 ff.; ferner: Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 8; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 396; Linck, in: ders. / Jutzi / Hopfe (Hrsg.), Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 44, Rn. 8.

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Exekutive verwiesen100. Demnach bilden die parlamentarische Mehrheit und die Spitze der Exekutive keine in dem Sinne voneinander unabhängigen Organe, daß sie zu einer gegenseitigen Kontrolle in der Lage wären. Diese Kontrollfunktion nimmt in erster Linie die parlamentarische Opposition wahr. Deren Position gegenüber einer Phalanx aus Bundesregierung und Parlamentsmehrheit wäre allerdings denkbar schwach. Deshalb tritt neben diese Form der Gewaltenteilung ergänzend und effektivierend eine vertikale zwischen Bund und Ländern101. Hier sind die Gesetzgebungs-, Vollziehungs- und Rechtsprechungsfunktionen weitgehend so aufgeteilt, daß ihre Wahrnehmung der Mitwirkung des jeweils anderen Teils bedarf102. Der Bundesrat wird somit insbesondere dann zur Gegenkraft von Bundestagsmehrheit und Bundesregierung, wenn in diesem die parlamentarische Opposition die Mehrheit besitzt. Dies führt dazu, daß faktisch die Länderexekutiven die Exekutive des Bundes kontrollieren103. Im Vorgriff auf die in Rede stehende Problematik innerhalb des bundesstaatlichen Finanzausgleiches sei bereits an dieser Stelle erwähnt, daß diese vertikale Gewaltenteilung nur funktionieren kann, wenn die Gewichte von Bund und Ländern sich einigermaßen in Balance befinden104. Dies betrifft nicht nur die Reichweite der Gesetzgebungskompetenzen, sondern ebenso Fragen der finanziellen Ausstattung der beteiligten staatlichen Ebenen. Neben die freiheitsschützende Funktion tritt ein Bündel von Vorteilen einer föderalen Staatsgliederung, die sich als staatsorganisatorischer Aspekt zusammenfassen lassen. 100 Liebrecht, Zur Rechtfertigung des Föderalismus, DVBl. 1969, S. 99, Groß, Kooperativer Föderalismus und Grundgesetz, DVBl. 1969, S. 96 ff.; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 396 ff. 101 Schreckenberger, Föderalismus als politischer Handlungsstil, Verwaltungsarchiv 69 (1978), S. 345 f.; Schambeck, Föderalismus und Gewaltenteilung, in: Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung, Festschrift Geiger, 1974, S. 643 ff.; Loebenstein, Föderalismus, in: Dimensionen des Rechts, Gedächtnisschrift für Marcic, 1974, S. 829 ff.; Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 27 m. w. N.; ders., Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 94; Rudolf, Bund und Länder im aktuellen Verfassungsrecht, 1968, S. 14; Herzog, Zwischenbilanz im Streit um die bundesstaatliche Ordnung, JuS 1967, S. 194 f.; Liebrecht, Zur Rechtfertigung des Föderalismus, DVBL 1969, S. 97 ff.; Böckenförde, Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie, Festschrift Schäfer, 1980, S. 187 ff.; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20, Rn. 74 ff.; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 658 f. und S. 666; Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, , Band I, § 26, Rn. 43 ff.; Czybulka, Die Legitimation der öffentlichen Verwaltung, 1989, S. 163 ff.; Isensee, Idee und Gestalt, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 98, Rn. 241, 246 m. w. N.; kritisch: Lerche, Föderalismus als nationales Ordnungsprinzip, VVDStRL 21 (1964), S. 84; Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, S. 645 ff.; Thieme, Föderalismus im Wandel, 1969, S. 151. 102 Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 8. 103 Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 396 f. 104 Liebrecht, Zur Rechtfertigung des Föderalismus, DVBl. 1969, S. 99; Schenke, Föderalismus als Form der Gewaltenteilung, JuS 1989, S. 699.

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In diesem Zusammenhang findet sich häufig die These, ein bundesstaatlicher Staatsaufbau führe zu einer Stärkung und Sicherung der demokratischen Ordnung105. Eine solche Ordnung verringere das Gefälle zwischen Regierungs- und Oppositionspartei, da die Opposition auf Bundesebene in den Ländern in der Regierungsverantwortung entsprechende Erfahrungen sammeln könne106. Zudem wirke sich dies ebenso auf die Binnenstruktur der Parteien aus. Durch die Regierungsverantwortung in einzelnen Ländern entstünden auf die Länderebene bezogene Machtzentren mit unterschiedlichen politischen Interessen und Prioritäten. Parteien neigten daher weniger zu zentralistisch geprägten Hierarchien107. Die Ausbildung von regionalen Machtzentren biete zudem dem einzelnen Bürger größere Möglichkeiten, sich in das politische Geschehen einzubringen und schaffe durch größere Sachnähe eine wichtige Voraussetzung für die Demokratisierung des staatlichen Lebens108. Mit dieser dem Wesen der Gewaltenteilung entsprechenden Hemmung und Hinderung der politischen Kräfte ist aber die Legitimation des Föderalismus keineswegs gelungen. Die bislang genannten Aspekte ließen sich ebensogut in einem Einheitsstaat mit strikter Gewaltenteilung erreichen. Hinzukommen müssen spezifische Vorteile einer föderalen Ordnung gegenüber einem Einheitsstaat im Sinne eines effizienten Umgangs mit staatlichen Ressourcen. Maßgebliches „Qualitätskriterium“ eines politischen Systems sind seine Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Aufgaben und die Komplexität, mit der der Staat als Gesamtheit die Bedürfnisse und Präferenzen seiner Bürger zu bedienen in der Lage ist. Der staatsorganisatorische Aspekt des Föderalismus ist auf das engste mit dem Gedanken der Subsidiarität verknüpft109. Demnach sollen die Aufgaben des Staa105 Loebenstein, Föderalismus, in: Dimensionen des Rechts, Gedächtnisschrift für Marcic, 1974, S. 839 ff.; Schreckenberger, Föderalismus als politischer Handlungsstil, Verwaltungsarchiv 69 (1978), S. 344 f.; Wipfelder, Föderalismus, VBlBW 1982, S. 354 f.; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 397; Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 26, Rn. 46 ff.; Isensee, Idee und Gestalt, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 98, Rn. 252 ff.; kritisch: Böckenförde, Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie, Festschrift Schäfer, 1980, S. 189 f. 106 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, 1962, S. 30; Isensee, Idee und Gestalt, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 98, Rn. 253; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 397; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20, Rn. 84. 107 So insbesondere: Hesse, Der unitarische Bundesstaat, 1962, S. 32. 108 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 30 f.; Kölble, Föderalismus – warum?, ZRP 1968, S. 8 f.; Scupin, Verfassungswandel im föderativen Bereich des GG, Festschrift Maunz, 1981, S. 265; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 397; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 658 ff.; Kisker, Ideologische und theoretische Grundlagen, in: Probleme des Föderalismus, S. 23 ff.; Zippelius, Modernität des Föderalismus, in: Duso / Krawietz / Wyduckel (Hrsg.), Konsens und Konsoziation, 1997, S. 297. 109 Hierzu: Linck, in: ders. / Jutzi / Hopfe (Hrsg.), Verfassung des Freistaats Thüringen, Art. 44, Rn. 6.

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tes auf einer möglichst kleinen, d. h. möglichst problemnahen Ebene entschieden und bewältigt werden. Negativ gewendet sollen also Materien, die die kleineren oder untergeordneten Gemeinwesen zu leisten imstande sind, nicht durch weitere oder übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch genommen werden110. Kisker111 weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf den parallelen Gedanken bei der kommunalen Selbstverwaltung hin. Auf das Bund-Länder-Verhältnis gemünzt fordert der Grundsatz der Subsidiarität über eigene Entscheidungskompetenzen der Bundesländer hinaus, daß diesen im Zweifel eine Kompetenz für alle zwischen Bund und Ländern zu verteilenden Materien zusteht. Materien, die der Bund wahrnimmt, stehen somit unter dem Begründungszwang der Nichtwahrnehmbarkeit auf niedrigerer Ebene. Das Grundgesetz bietet für den Gedanken der Subsidiarität durchaus normative Anknüpfungspunkte. Hierbei ist neben Art. 23 Absatz 1 Satz 1 GG, der dem Gedanken der Subsidiarität auf europäischer Ebene Geltung verschaffen soll, insbesondere Art. 30 GG zu erwähnen. Demnach ist die Ausübung der staatlichen Gewalt und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben den Ländern zugewiesen, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung enthält. Dennoch kann eine solche normative Verankerung nicht die Auseinandersetzung mit der Frage ersetzen, inwiefern eine solche Subsidiarität zu einer lebensnahen Anpassung der politischen Entscheidungen112 und zur Gewinnung von Flexibilität und Sachnähe113 beitragen kann. Der moderne Staat ist insbesondere durch den fortschreitenden Ausbau seiner sozialstaatlichen Ingerenzen mit einer steigenden Komplexität der wahrzunehmenden Aufgaben konfrontiert. Mit dieser Komplexität steigen die Anforderungen an die Präzision der Kenntnisse der Entscheidungsträger über die individuellen Bedürfnisse der Adressaten staatlichen Handelns. Bei einer zentralistisch gelenkten Organisation entscheiden die Kenntnisse ihrer Leiter und Organisatoren über die Sachgerechtigkeit der staatlichen Leistung114. Je komplexer die Aufgaben der öffentlichen Hand werden, de110 Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 8 f.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 224 ff., 236 ff.; Liebrecht, Zur Rechtfertigung des Föderalismus, DVBl. 1969, S. 98. 111 Ideologische und theoretische Grundlagen des Föderalismus, in: Probleme des Föderalismus, S. 26. 112 Pernthaler, Allgemeine Staatslehre und Verfassungslehre, 1996, S. 290; Kisker, Ideologische und theoretische Grundlagen, in: Probleme des Föderalismus, S. 24; Müller-BrandeckBocquet, Perspektiven des deutschen Föderalismus, Die Verwaltung 1996, S. 143. 113 Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 2003, S. 410; ders. Modernität des Föderalismus, in: Duso, Krawietz, Wyduckel (Hrsg.), Konsens und Konsoziation, S. 304 f.; Würtenberger, Zur Legitimation des Föderalismus, in: Duso, Krawietz, Wyduckel (Hrsg.), Konsens und Konsoziation, S. 364; Kilian, Föderalistische Verfassungsgebung in den neuen Ländern, JuS 1993, S. 536; Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 9.

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sto schwieriger wird es, der zentralen Führung die notwendigen Informationen zu verschaffen. Hierbei ist nicht in erster Linie Fachwissen angesprochen, welches sich über entsprechend aufwendige administrative Strukturen beschaffen ließe, sondern eher Informationen über die Vorstellungen der Interessierten selbst115. Es läßt sich insofern von einem Informationsdefizit der Zentrale sprechen, welches die staatliche Entwicklung bremst und zur ineffektiven Nutzung staatlicher Ressourcen führt. Hier bietet ein föderaler Staatsaufbau einen Vorteil, der sich als informationsökonomischer bezeichnen läßt116. Hierdurch wird der Versuch unternommen, die Effizienzvorteile, die ein durch das Spiel der Marktkräfte sich selbst koordinierendes Wettbewerbssystem gegenüber einer zentralistisch gelenkten Planwirtschaft hat, auf das Verhältnis von zentralstaatlicher Organisation gegenüber einem Staatsund Verwaltungsaufbau mit dezentralisierten Entscheidungs- und Verantwortungsträgern zu übertragen117. Zwar lassen sich makroökonomische Konzepte, insbesondere im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip, nur begrenzt auf staatliche Organisationen übertragen, bei der Bewältigung des Problems der Informationsdefizite der Zentrale lassen sich Parallelen aber nicht übersehen. Übertragbar ist hier, daß in einer Marktsituation niemand präzise genug das Verhalten der einzelnen Marktteilnehmer erkennen und bewerten kann. Durch die Interaktion der verschiedenen Marktteilnehmer entstehen apriorisch nicht festlegbare Preise für Dienstleistungen und Waren und werden Güter dorthin gelenkt, wo sie am effizientesten genutzt werden. Produkte, die nicht nachgefragt werden, verschwinden vom Markt. Solche Wettbewerbssituationen sind also ein Beispiel für eine sich täglich erneuernde Ordnung, wie sie eine Planwirtschaft nicht leisten könnte118. In einer Planwirtschaft wird durch die zentrale Führung den Marktteilnehmern die Entscheidung abgenommen, was für diese am besten ist. Folge davon sind Fehlallokationen knapper Ressourcen, die sich umso effektiver vermeiden ließen, je mehr Eigenaktivität und Entscheidungsspielraum den handelnden Individuen überlassen ist. Den unterschiedlichen individuellen Präferenzen kann besser Rechnung getragen werden, wenn Entscheidungen auf Subsysteme übertragen oder dort belassen werden. Der Föderalismus mit vielfältigen Entscheidungskom114 F. A. v. Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren (1968), in: Freiburger Studien, 1969, S. 255; ebenso: Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 555 ff.; Scholl, Die Produktion von Wissen zur Bewältigung komplexer organisatorischer Strukturen, in: Fisch / Boos, (Hrsg.), Vom Umgang mit Komplexität in Organisationen, 1990, S. 107 ff. 115 Schur, Politische Entscheidungen und räumliche Interessen, Die Verwaltung (3) 1970, S. 257, 259. 116 Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 559. 117 Zeitler, Spontane Ordnung, Freiheit und Recht – Zur politischen Philosophie von Friedrich August von Hayek, 1995, S. 30 ff. und insbesondere S. 123 ff.; Pies, Normative Institutionenökonomik – Zur Rationalisierung des politischen Liberalismus, 1993, S. 260 ff. 118 F. A. v. Hayek, Arten der Ordnung (1963), in: Freiburger Studien, 1969, S. 36 f.

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petenzen von innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen miteinander konkurrierenden Subsystemen bietet also die Chance zu einer „maßgeschneiderten Politik“119. Oeter120 bringt diesen Aspekt der Subsidiarität zu Recht mit dem Gedanken der „spontanen“ oder „polyzentrischen“ Ordnung nach v. Hayek121 in Verbindung. Dieser prägt die Unterscheidung zwischen einer „Organisation“ auf der einen und eben jener „spontanen Ordnung“ auf der anderen Seite. Maßgebliche Differenz zwischen beiden ist das Vorhandensein eines apriorischen Plans: während bei einer „Organisation“ die Teilnehmer eines Systems durch einen solchen in Beziehung zueinander gesetzt werden, setzt die „spontane Ordnung“ auf Handlungsfähigkeit der Teilnehmer. Eine Ordnung durch Organisation werde bewußt hergestellt, bei der spontanen Ordnung resultierte diese aus der Tätigkeit der Individuen ohne deren Absicht122. Durch die Verfolgung ihrer subjektiven Ziele würden diese im Wege einer Selbstkoordination zu einer tragfähigen Gesamtordnung beitragen123. Die „spontane Ordnung“ bietet demnach die Möglichkeit zur Vermeidung der durch das Informationsdefizit der Zentrale eintretenden Fehlentwicklungen. Sie ist in der Lage „das Wissen aller Teilnehmer“ zu nutzen124, sie kann somit mehr Wissen nutzen als jeder einzelne für sich jemals gewinnen könnte125. Die Ziele, die eine solche Ordnung anstrebt, sind „die besonderen Ziele aller ihrer Teilnehmer in aller ihrer Vielfältigkeit und Gegensätzlichkeit“126. Jede einigermaßen komplexe Gesellschaft muß daher von beiden Ordnungsprinzipien Gebrauch machen127, also sowohl auf Organisation als auch auf die Handlungsfähigkeit der Subsysteme setzen. Je komplexer eine Ordnung ist, desto eher ist sie für ihre Herstellung auf spontane Kräfte angewiesen, desto mehr ist die Lenkung im Sinne des vorgefaßten Plans auf abstrakte Züge beschränkt. Hieraus gewinnt die bundesstaatliche Ordnung einen Teil ihrer Rechtfertigung. Diese kann den unterschiedlichen Präferenzen der Bürger besser Rechnung tragen128. Sie kann im Gegensatz zum Einheitsstaat die Effizienzvorteile einer auf 119 Kisker, Ideologische und theoretische Grundlagen des Föderalismus, in: Probleme des Föderalismus, S. 26. 120 Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, 1998. 121 Arten der Ordnung (1963), in: Freiburger Studien, 1969, S. 32 ff. 122 F. A. v. Hayek, Arten der Ordnung (1963), in: Freiburger Studien, 1969, S. 34. 123 F. A. v. Hayek, Arten der Ordnung (1963), in: Freiburger Studien, 1969, S. 32, 34 ff. 124 F. A. v. Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren (1968), in: Freiburger Studien, 1969, S. 255. 125 F. A. v. Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren (1968), in: Freiburger Studien, 1969, S. 255; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 555. 126 F. A. v. Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren (1968), in: Freiburger Studien, 1969, S. 255. 127 F. A. v. Hayek, Arten der Ordnung (1963), in: Freiburger Studien, 1969, S. 43. 128 Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 9.

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bestimmte Materien bezogenen, also in diesem Sinne partiellen polyzentrischen Ordnung nutzbar machen. Möglich wird eine höhere Komplexität der zu errichtenden Systeme sowie eine höhere Präzision der staatlichen Güterverteilung129. Auf diese Weise sichert ein föderaler Staatsaufbau im Gegensatz zum relativ starren Einheitsstaat durch hinreichende Spielräume der Subsysteme die ständige Weiterentwicklung des Gesamtsystems im Sinne einer Anpassung an sich ändernde Gegebenheiten130. Zusammenfassend läßt sich demnach festhalten, daß mit der Festlegung des Grundgesetzes auf die Staatsform des Bundesstaates als institutioneller Umsetzung des Föderalismus der äußere Rahmen des Staatsaufbaus beschrieben ist. Da der Bundesstaat aus mehreren souveränen Staaten besteht, sind neben einer Kompetenzverteilung zwischen den Ebenen Vorkehrungen zum Erhalt des Staatsverbandes zwingend. Hierzu gehört insbesondere der Grundsatz der Homogenität und der Bundestreue.

c) Grundfragen der Finanzierung öffentlicher Aufgaben aa) Begründung einer Staatsfinanzierung durch Abgaben Voraussetzung der Begründung eines Steuerstaates ist zunächst die Festlegung auf einen Staat, der sich im wesentlichen durch Abgaben finanziert. Ein Steuerstaat läßt sich demnach als qualifizierter Abgabenstaat in dem Sinne bezeichnen, daß neben die Entscheidung für einen Abgabenstaat die Präferenz der Steuerfinanzierung staatlicher Aufgaben tritt. Beiden vorausgesetzt ist wiederum die Anerkennung eines staatlichen Finanzbedarfes. In jeder staatlich verfassten Gemeinschaft entstehen zwangsläufig gemeinsame Bedarfe. Dem Grundgesetz läßt sich diese Prämisse ohne weiteres aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG entnehmen. Zudem finden sich in einigen Landesverfassungen explizite Gemeinwohlverpflichtungen131. Ein Staat, der soziale Ziel verfolgen soll, benötigt hierfür entsprechende finanzielle Mittel. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, auf welche Weise diese Mittel in den staatlichen Verfügungsbereich gelangen sollen. Die grundgesetzliche Entscheidung für einen Steuer- und damit für einen Abgabenstaat bedeutet zunächst eine Absage an einen Staat, der seine Ausgaben in erster Linie durch Einnahmen aus eigenem Wirtschaften deckt. Ein Zentralwirtschaftsmodell sozialistischer Prägung, bei dem sich die Produktionsmittel in staatlich verwaltetem „Volkseigentum“ befinden, ist, selbst wenn ein solches System 129 130 131

F. A. v. Hayek, Arten der Ordnung (1963), in: Freiburger Studien, 1969, S. 36. Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, S. 9. Vgl. etwa: Baden-Württemberg: Art. 1 Abs. 2 LV.

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überlebensfähig wäre, schon aus diesem Grunde mit der Steuerstaatlichkeit nicht zu vereinbaren132. Daneben greift der Abgabenstaat zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben in der Regel nicht auf Dienste oder Sachleistungen seiner Bürger zurück133. Abgaben sind Geldleistungen134. Als Ausnahme von der grundsätzlichen Dienstleistung der Bürger für den Staat erscheint in diesem Zusammenhang die Wehrpflicht nach Art. 12a GG. Insofern läßt sich von einer negativen Komponente der grundgesetzlichen Festlegung auf den Steuerstaat sprechen135. Bereits diese Prämisse bedeutet historisch betrachtet einen Zuwachs an bürgerlicher Freiheit: der Bürger ist dem Staat nicht mit seiner ganzen Person verpflichtet. Vielmehr erschöpfen sich die Leistungen des einzelnen in Geldleistungen. Die Pflichtenbindung des einzelnen zum Staat ist demnach unpersönlich und distanziert136. Aus Sicht das Staates eröffnet diese Distanziertheit der Finanzierung durch Abgaben die Möglichkeit der Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben durch „besoldete Spezialisten“, also letztlich eine Effektivitätssteigerung durch Spezialisierung. bb) Insbesondere: Begründung der Steuerstaatlichkeit Neben einer bundesstaatlichen Ordnung ist das Finanzwesen der Bundesrepublik Deutschland zudem geprägt von einem Gedanken, der sich unter dem Begriff des Steuerstaates zusammenfassen läßt. Der Sache nach findet sich dieser Ansatz wohl zuerst im Jahre 1860 in von Steins137 Lehrbuch zur Finanzwissenschaft, ohne daß hier schon der Terminus Steuerstaat zu finden ist138. Dennoch wird ein enger Zusammenhang zwischen einer modernen Staatlichkeit und der Steuerfinanzierung139 und die überragende Bedeutung der steuerlichen Aufgabenfinanzierung erkannt140. Die weitere Ausprägung des Steuerstaatsgedankens ist insbesondere 132 Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 17. 133 Vgl. ausführlich: Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, passim. 134 Drüen, in: Tipke / Kruse, Abgabenordnung (Loseblatt), § 3, Rn. 6; Vogel / Waldhoff, Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art 104a bis 115 GG, Rn. 346. 135 Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 16. 136 Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 415; Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 16. 137 Finanzwissenschaft, 1860 (5. Auflage, 1885; Nachdruck: 1975). 138 Vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen: Vogel, Rechtfertigung der Steuern, Der Staat 25 (1986), S. 485 ff.; ders., Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987; § 27, Rn. 51. 139 v. Stein, Finanzwissenschaft, Theil I, insbesondere S. 119, 123. 140 v. Stein, Finanzwissenschaft, Theil II, Abt. I, insbesondere S. 133, 346 f.

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Schumpeter141 zuzuschreiben. Auf der Basis dieser grundlegenden Analyse wird auch der Staat des Grundgesetzes als Steuerstaat bezeichnet142. Auf eine Kurzformel gebracht, deckt ein als Steuerstaat zu bezeichnendes Staatswesen seinen Finanzbedarf im wesentlichen143 und primär144 durch das Instrument der Steuern145. Eine solche Prämisse setzt eine Reihe bestimmter Staatsstrukturen voraus, 141 Die Krise des Steuerstaats, 1918; vgl. hierzu etwa: Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 32. 142 Vgl. hierzu etwa: Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 409; Wieland, Finanzverfassung, Steuerstaat und föderaler Ausgleich, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 776 ff.; Badura, Verwaltungsrecht im liberalen und im sozialen Rechtsstaat, 1966, S. 25; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 71; Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 230; ders., Arbeitskampf gegen den allmächtigen Steuerstaat, ZBR 1975, S. 73; Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 50; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 115 ff.; Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 31; Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, 1973, S. 3 ff.; Zeidler, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, VVDStRL 19 (1961), S. 214; Wertenbruch, Grundrechtsanwendung im Verwaltungsprivatrecht, JuS 1961, S. 109; Ehlers, Erwerbswirtschaftliche Betätigung, Jura 1999, S. 214; Gawel, Das Steuerstaatsgebot des Grundgesetzes, Der Staat 39 (2000), S. 209; Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10 und 16; Jachmann, Sonderabgaben, StuW 1997, S. 305; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990; § 88, Rn. 45; Maurer, Staatsrecht I, § 21, Rn. 15; Osterloh, „Öko-Steuern“ und Steuerbegriff, NVwZ 1991, S. 826; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 105; Rn. 2; Trzaskalik, Der instrumentelle Einsatz von Abgaben, StuW 1992, S. 141; Vogel, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27 Rn. 69 ff.; ders., Grundzüge des Finanzrechts, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87; Rn. 34, 43; F. Kirchhof, Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, VVDStRL 52 (1993), S. 78 f.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 337 ff.; Piepenbrock / Müller, Rechtsprobleme des UMTS-Versteigerungverfahrens, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 8, 36; in diesem Zusammenhang kritisch zu einer Tendenz zum Abgabenstaat insbesondere: F. Kirchhof, Verfassungsgerechte Besteuerung, StuW 2002, S. 199; Gramm, Vom Steuerstaat zum gebührenfinanzierten Dienstleistungsstaat, Der Staat 36 (1997), 267 ff.; eine Tendenz zum „Gebührenstaat“ beschreiben: insbesondere: Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTSLizenzvergabe, 2001, S. 207, 214 ff.; Hendler, Gebührenstaat statt Steuerstaat?, DÖV 1999, S. 749; Helbig, Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat?, DVBl. 1999, S. 688 ff.; aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl.: BVerfGE 78, 249, 266 f.; 93, 319, 342; i. E. ebenso, aber ohne ausdrückliche Erwähnung des Steuerstaatsprinzips: BVerfGE 82, 159, 178; 101, 141 147. 143 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 4; Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 10; Vogel, Der Finanzund Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27, Rn. 51; F. Kirchhof, Vom Steuerstaat zum Abgabenstaat?, Die Verwaltung 21 (1988), S. 137 ff.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 327. 144 BVerfGE 91, 186, 201; 93, 121, 134.

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die die Entscheidung für den Steuerstaat als komplexere Frage erscheinen lassen als lediglich eine Finanzierungsregel. Die Steuerstaatlichkeit läßt sich nicht allein durch den Finanzbedarf des Staates begründen, da mit dessen Anerkennung nicht gesagt ist, daß der Staat sich in erster Linie gerade durch Steuern finanzieren soll146. Im Gegensatz zu anderen Verfassungsprinzipien und verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen147 findet die Steuerstaatlichkeit keine explizite Verankerung im Grundgesetz. Anders als etwa das Sozialstaatsprinzip und das soeben behandelte Bundesstaatsprinzip ist der Gedanke der Steuerstaatlichkeit in Art. 20 Abs. 1 GG nicht erwähnt. Hieraus resultiert die Uneinigkeit darüber, ob es sich bei dem Gedanken des Steuerstaates lediglich um eine Staatstypusbezeichnung handelt, die rein deskriptive Funktion hat und der keinerlei normative Verbindlichkeit innewohnt148. Demnach wäre die Steuerstaatlichkeit eine Art Sammelbegriff für in anderen Verfassungsnormen begründete Aussagen. Der Steuerstaatsgedanke wäre demnach nicht mehr als die Summe seiner Einzelteile und könnte außerhalb von deren Aussagen keinerlei Wirkungen entfalten. Überzeugender ist die Qualifikation der Steuerstaatlichkeit als Verfassungsprinzip in Gestalt einer verfassungsrechtlichen Grundentscheidung. Die fehlende Positivierung der Steuerstaatlichkeit in Art. 20 Abs. 1 GG ist hierfür unschädlich. Ihr Verfassungsrang ergibt sich aus der Überlegung, daß verfassungskräftig verankerte Einrichtungen des Grundgesetzes die Grundentscheidung für den Steuerstaat voraussetzen149. So findet sich gelegentlich die Ansicht, daß das Steuerstaatsprinzip als conditio sine qua non des Sozialstaatsprinzips zu begreifen sei150. Demnach sei der Sozialstaat insbesondere in seiner Erscheinungsform als Leistungsstaat auf eine hinrei145 Vgl. hierzu: Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck; GG, Band III, Art. 105, Rn. 2 ff.; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vorbem. zu Art. 104a, Rn. 45; Maurer, Staatsrecht, § 21, Rn. 15 („grundsätzlich“); Badura, Staatsrecht, Kapitel I, Rn. 5; Wieland, Finanzverfassung, Steuerstaat und föderaler Ausgleich, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 776 f.; Gawel, Das Steuerstaatsgebot des Grundgesetzes, Der Staat 39 (2000), S. 209. 146 P. Kirchhof, Verfassungsrechtliche Grenze der Steuerlast, in: Schranken gegen Staatsverschuldung und Steuerlast, S. 53. 147 Vgl. hierzu i.e.: V. 3. b) aa). 148 So insbesondere: Hendler, Umweltabgaben und Steuerstaatsdoktrin, AÖR 115 (1990), S. 597 und S. 600 ff.; ders., Gebührenstaat statt Steuerstaat?, DÖV 1999, S. 757; Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, S. 153 ff., zusammenfassend: S. 188. 149 Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 421; andere Autoren sehen die Steuerstaatlichkeit zumindest in der Nähe einer normativ verbindlichen Verfassungsaussage: Zitzelsberger, Umwelt und Besteuerung, BB 1995, S. 1773. 150 Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 432 ff.; Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 31 f.

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chende Finanzmacht angewiesen. Die Steuerstaatlichkeit erscheine in diesem Zusammenhang als Instrument der Verwirklichung der sozialstaatlichen Verpflichtung des Art. 20 Abs. 1 GG151 und als das einnahmeseitige Pendant des Leistungsstaates152. Allerdings ist diese Argumentation keineswegs zwingend, sondern allenfalls indiziell. Daß der Staat zur Verwirklichung seiner sozialstaatlichen Verpflichtung die entsprechenden finanziellen Mittel benötigt, verengt das Instrument zu deren Finanzierung nicht zwingend auf das der Steuer153. Allerdings dürften die hierfür nötigen Volumina gänzlich ohne eine Steuerfinanzierung schwerlich aufzubringen sein. Überzeugender erscheinen in diesem Zusammenhang Verbindungen des Steuerstaatsgedankens zum Rechtsstaatsprinzip, zur Demokratie und zur republikanischen Verfassung, wie sie etwa von Isensee154 unternommen werden. Gemeinsamer Nenner dieser Verfassungsprinzipien im Hinblick auf staatliche Finanzierungslasten ist, daß deren Tragung durch einzelne gesellschaftliche Gruppen nicht dem grundgesetzlichen Gesamtkonzept entspräche155. Dem Gedanken der Steuerstaatlichkeit sind wie den anderen Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes neben deskriptiven Aspekten normative Aussagen zu entnehmen. Strukturell impliziert die verfassungsrechtliche Entscheidung für den Steuerstaat einen Dualismus von Staat und Gesellschaft156, genauer von Staat und Wirtschaft157. Die Dispositionsgewalt über die Steuerobjekte verbleibt in privater Hand. Der Steuerstaatsgedanke stellt die Verwaltung von der Teilnahme am privaten Wettbewerb zur Aufgabenfinanzierung grundsätzlich frei158. Der Staat partizi151 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 338; Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 432. 152 Ebenso: Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 411 unter Hinweis auf; Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, 1931, S. 81; Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 11. 153 Ebenso: Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 19. 154 Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 421 f. 155 Vgl. hierzu: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 46. 156 Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 417. 157 Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 116; Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27, Rn. 52 ff.; ders. / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 331; Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 16 f.; Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 417; 424 f.; Preuß, Rechtsstaat – Steuerstaat – Sozialstaat, in: Abendroth / Blanke / Preuß et. al., Ordnungsmacht?, 1981, S. 48 f.

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piert im Grundsatz lediglich am wirtschaftlichen Erfolg der von ihm unabhängigen Privatwirtschaft159. Schumpeter160 pointierte diese Aussagen der Steuerstaatlichkeit treffend, indem er den Steuerstaat als „Parasiten“ der Privatwirtschaft bezeichnete. Dieser Dualismus von Wirtschaft und Staat läßt sich sowohl ökonomisch als auch staatsrechtlich begründen. Volkswirtschaftlich betrachtet bietet diese prinzipielle Trennung von wirtschaftlicher Betätigung und staatlicher Einflußnahme die Möglichkeiten und Vorteile einer bereits im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Föderalismus beschriebenen polyzentrischen Ordnung161. Er schafft die Voraussetzungen, wirtschaftliche Tätigkeit in erster Linie an wirtschaftlicher Effizienz auszurichten. So erlaubt dieser Dualismus, daß sich die privaten Wirtschaftssubjekte über das Marktgeschehen selbst regulieren und somit ein System schaffen, wie es in seiner Komplexität vom Staat nicht zentral zu organisieren wäre. In makroökonomischer Hinsicht sichert eine Trennung der wirtschaftlichen Dispositionsgewalt von der staatlichen Lenkung die Flexibilität der gesellschaftlichen Ordnung und die Präzision der Güterverteilung. Dieser Dualismus von staatlichem Handeln und wirtschaftlicher Tätigkeit fügt sich zudem ein in die freiheitliche Konzeption des Grundgesetzes. In seiner objektiv-rechtlichen Dimension enthält Art. 14 GG eine Institutsgarantie zugunsten des Privateigentums162. Die Steuerstaatlichkeit bietet in diesem Zusammenhang einem Staatswesen die Möglichkeit, umfangreiche sozialstaatliche Aktivitäten zu entfalten und zu finanzieren und dennoch durch die bloße Partizipation am wirtschaftlichen Erfolg ein Privateigentum zu garantieren. Die Steuerstaatlichkeit entfaltet demnach eine institutionelle Sicherungswirkung im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG, da diese das Privateigentum als Anknüpfungspunkt der Staatsfinanzierung voraussetzt163. 158 Vgl.: Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, S. 586; Henneke, Legitimation kommunalwirtschaftlicher Betätigung, NdsVBl. 1998, S. 282 f. 159 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts (Hrsg.), Band IV, 1990, § 88, Rn. 1. 160 Die Krise des Steuerstaates, 1918, S. 26. 161 Vgl. hierzu: II. 1. b). 162 Papier, in Maunz / Dürig, GG, Art. 14, Rn. 11; aus der Rechtsprechung: BVerfGE 24, 367, 389; 26, 215, 222; 31, 229, 240; 42, 263, 294; 50, 290, 339; 58, 300, 339. 163 Vgl. hierzu: Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 54; ders., Zur Zulässigkeit von Sonderabgaben, JA 1981, S. 263; zur grundrechtsschützenden Funktion von Kompetenznormen im Allgemeinen insbesondere: Ossenbühl, Probleme und Wege der Verfassungsauslegung, DÖV 1965, S. 657; einen „Grundrechts-Kompetenz-Zusammenhang“ anerkennen auch: P. Kirchhof / Walter, Die verfassungsrechtliche Problematik des rückzahlbaren Konjunkturzuschlags, NJW 1970, S. 1580 f., Starck, Überlegungen zum verfassungsrechtlichen Steuerbegriff, in: Tipke / Vogel (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Wacke, S. 194; In diesem Sinne im Speziellen zur Schutzwirkung der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen: Höfling, Verfassungsfra-

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Schon der Regelungsaufwand im X. Abschnitt des Grundgesetzes scheint eine Staatsfinanzierung durch Steuern nahezulegen164. Die Finanzverfassung regelt in den Art. 106, 107 GG in für eine Verfassung überaus umfangreicher Weise lediglich die Verteilung des Steueraufkommens. Über die Verteilung der übrigen Einnahmen schweigt das Grundgesetz. Die Verteilung der staatlichen Einnahmen zwischen den bundesstaatlichen Ebenen ist eine staatsrechtliche Frage ersten Ranges. Hieraus wird der Schluß gezogen, daß die Steuer schon deswegen die vorrangige Finanzierungsquelle des Staates sein müsse, um die im Grundgesetz präzise formulierten Verteilungsregelungen für das Steueraufkommen nicht zu unterlaufen. Selmer äußerte bereits 1972 in diesem Zusammenhang die Befürchtung, durch nichtsteuerliche Abgaben könnte eine apokryphe Finanzverfassung165 entstehen und hieraus Gefahren für die bundesstaatliche Stabilität erwachsen. Das zwischenzeitlich erreichte hohe Aufkommen an nichtsteuerlichen Abgaben zeigt, daß diese Befürchtungen durchaus gerechtfertigt waren. Allerdings ist hier einschränkend auf Art. 106 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GG hinzuweisen. Durch diese Regelung könnten auch sonstige „laufende Einnahmen“ die Verteilung des Steueraufkommens durch die Revisionsklausel des Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG beeinflussen. Ein hohes Aufkommen an nichtsteuerlichen Einnahmen ist infolgedessen von der bundesstaatlichen Finanzverfassung zu bewältigen und verfälscht nicht zwangsläufig die Machtbalance der staatlichen Ebenen. Die Gefahr einer apokryphen Finanzverfassung hängt demnach weniger vom Volumen der nichtsteuerlichen Abgaben im Vergleich zum Steueraufkommen ab, als vielmehr von der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“166. Eine bundesstaatsgerechte Interpretation dieses unbestimmten Rechtsbegriffes böte die Möglichkeit der sachgerechten Einbeziehung der nichtsteuerlichen Abgaben in die bundesstaatliche Finanzverfassung. Der bloße Regelungsaufwand des Grundgesetzes kann demnach allenfalls als Indiz für eine vornehmliche Steuerfinanzierung gewertet werden167. gen einer ökologischen Steuerreform, StuW 1992, S. 243; Stober, Finanzierung der Wirtschaftsverwaltung durch Abgaben, JA 1988, S. 251; Schröder, Lenkungsabgaben im Umweltschutzrecht am Beispiel der Abwasserabgabe, DÖV 1983, S. 668; P. Kirchhof, Die verfassungswidrige Investitionshilfeabgabe im System öffentlicher Abgaben, ZIP 1984, S. 1426 ff.; ähnlich: Osterloh, Zur Zulässigkeit von Sonderabgaben, JuS 1982, S. 424; Hofmann, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Investitionshilfegesetz (InvHG), DVBl. 1986, S. 544 f.; mit Einschränkungen: Hey, Rechtliche Zulässigkeit von Umweltabgaben, StuW 1998, S. 36. 164 Ebenso: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 45; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87; Rn. 43. 165 Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 183 f.; zustimmend: Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 48; Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 21. 166 Vgl. hierzu insbesondere 5. Kapitel.

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II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext

Ähnliche Indizwirkung zugunsten der Steuerfinanzierung hat Art. 110 Abs. 1 GG. Demnach sind grundsätzlich alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Haushalt einzustellen. Die Feststellung dieses Haushaltsplans durch Gesetz ist Ausdruck des parlamentarischen Budgetrechts168. Hierdurch soll die Gewaltenteilung im Finanzwesen etabliert und sichergestellt werden, daß das Parlament die Kontrolle über die staatliche Finanzwirtschaft behält169. Bei Sondervermögen ist nach Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG eine Nettostellung zulässig170, also nur die Zuführungen oder die Ablieferungen einzustellen. Solche Sondervermögen sind insbesondere Gebührenhaushalte und die sozialen Sicherungssysteme. Eine Ausweitung der Finanzierung staatlicher Aufgaben beispielsweise über Gebühren und Sozialbeiträge schwächt durch die Saldierung ihrer Einnahmen und Ausgaben die von Art. 110 Abs. Satz 1 GG intendierte parlamentarische Kontrolle über das staatlichen Finanzgebaren171. Aus Sicht des Staates bietet eine Steuerfinanzierung insbesondere den Vorteil eines kontinuierlichen und im wesentlichen voraussehbaren Finanzaufkommens172. Nicht von ungefähr ging vornehmliche Finanzierung über Steuern einher mit der Aufstellung von stehenden Heeren und der Etablierung einer Beamtenschaft173. Durch die Schaffung eines Berufsbeamtentums, das stetige Personalsausgaben mit sich bringt, benötigt der Staat stetige Einnahmequellen, wofür sich die Steuer als Finanzierungsmittel eignet. Insofern besteht auch bei dem Funktionsvorbehalt zugunsten der hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung durch Beamte nach Art. 33 Abs. 4 GG ein Bezug zum Gedanken der Steuerstaatlichkeit174. Die Steuerschuld ist im Gegensatz zu den nichtsteuerlichen Abgaben zudem nicht von der Gegenleistung abhängig. Die Steuer wird voraussetzungslos erhoben175. Es besteht daher grundsätzlich kein Zusammenhang zwischen der Steuer167 Anders insofern: Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 19, der die Art. 105 ff. GG für „einen unmittelbaren und klaren Anhalt“ der Steuerstaatlichkeit hält. 168 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 384 ff. 169 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 12 ff. 170 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 22. 171 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 19. 172 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88 Rn 45 ff.; aus der Rechtsprechung: BVerfGE 32, 333, 338; 39, 96, 108. 173 Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 415. 174 Mit ebendieser Andeutung auch: Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 422. 175 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 51.

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pflicht und der Verwendung der Mittel aus dem allgemeinen Haushalt176. Durch diese Eigenschaft ermöglicht sie dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber, über die Verwendung dieser Mittel in höchstem Maße selbst zu bestimmen177, während etwa bei der Zwecksteuer, der Gebühr und dem Beitrag die Verwendung des Aufkommens durch deren Erhebung determiniert und der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers insofern eingeschränkt ist. In dieser Hinsicht bedeutet die Steuerstaatlichkeit demnach eine Effektuierung der parlamentarischen und damit mittelbaren Demokratie. Entscheidender Vorteil der Steuer gegenüber den anderen Abgabenarten ist ihre Fähigkeit, eine Lastengleichheit zu vermitteln178. So ist die Steuer das staatliche Finanzierungselement, das durch seine Allgemeinheit konstruktiv die wirtschaftliche Situation des Steuerschuldners zu berücksichtigen in der Lage ist. Über die Stellschrauben der persönlichen Reichweite, der Wahl des Gegenstandes und der Bemessung der Höhe der Steuerschuld ermöglicht die Steuer eine Besteuerung des einzelnen nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Aus diesem Grundsatz, der für das Steuerrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleiten ist, folgt die Vorrangigkeit der Steuerfinanzierung vor der durch andere Abgaben. Denn in dem Maße, in dem der Staat bestimmte öffentliche Aufgaben nicht über Steuern finanziert, hebt er der Sache nach die Lastengleichheit auf179. Neben diesen deskriptiven Elementen, die den Gedanken vom Steuerstaat als Verfassungsprinzip wie das des Bundesstaates oder des Sozialstaates erscheinen lassen, erhellt sich dessen normative Wirkung insbesondere im Verhältnis zu nichtsteuerlichen Abgaben. In diesem Zusammenhang wird aus dem Steuerstaatsgedanken abgeleitet, daß der einfache Gesetzgeber verpflichtet ist, seinen Finanzbedarf „im wesentlichen“ durch Steuern zu decken180. Allerdings ist die Dimension dieser als Finanzierungsvorbehalt oder Steuervorrang bezeichneten normativen Aussage des Steuerstaatsprinzips181 ebenso umstritten wie ihre Verbindlichkeit. 176 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 50. 177 Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 411. 178 Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 48; Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 417; Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, S. 74 ff. 179 Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, in: Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 48. 180 Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27; Rn. 51; ders. / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 327; Zitzelsberger, Umwelt und Besteuerung, BB 1995, S. 1773. 181 Vgl. hierzu: P. Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, 1973, S. 3 ff.; Wieland, Konzessionsabgaben, S. 232; Münch, Abfallabgaben als zulässiges Instrument der Abfallvermeidung, VBIBW 1995, S. 124 f.; Selmer / Brodersen / Nicolaysen, Straßenbenutzungsab-

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II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext

So wird der Steuervorrang einerseits quantitativ verstanden. Demnach müsse nach dem Steuerstaatsprinzip die Steuer die Haupteinnahmequelle des Staates bilden182, also der Schwerpunkt183 der staatlichen Mitteleinnahmen in Form der Steuer ausgestaltet sein. Diese Betrachtungsweise führt allerdings zu erheblichen Schwierigkeit sowohl in ihrer dogmatischen Begründung als auch in ihrer praktischen Umsetzbarkeit. So dürfte zunächst die Fixierung des nach dieser Ansicht maximal zulässigen prozentualen Anteils der nichtsteuerlichen Abgaben am Gesamthaushalt willkürlich und kaum bestimmbar sein184. Allenfalls ist wohl zu konstatieren, daß ein Haushalt, der nur noch zu einem Bruchteil über Steuern finanziert wird, mit dem Steuerstaatsprinzip nicht vereinbar wäre. Weitere Schwierigkeit ist die Bestimmung der Vergleichsgröße, zu welcher der Anteil der nichtsteuerlichen Abgaben in Relation zu setzen wäre. Zöge man hier das gesamte Finanzaufkommen in Betracht, würde die numerische Vorrangwirkung der Steuer auch für Einnahmen gelten, die zu bestimmten Zwecken erhoben wurden. Konsequenterweise müßten nach dieser Ansicht die apriorisch zweckgebundenen Einnahmen getrennt werden von jenen Einnahmen, die in den allgemeinen Haushalt gehen. Bei letzteren ist eine vorrangige Finanzierung über Steuern nicht überzeugend. Außerdem bestünde eine erhebliche Unsicherheit darüber, ob jeder Bundes-, Landes- oder Kommunalhaushalt isoliert zu betrachten wäre oder ob das Verhältnis des Aufkommens an nichtsteuerlichen Abgaben zum gesamten staatlichen Finanzvolumen maßgeblich sein soll. In ersterem Falle wäre eine Vielzahl der kommunalen Haushalte, für die nach einfachem Recht zum Teil eine vorrangige Finanziegaben für den Schwerverkehr, S. 44 ff.; Kloepfer / Follmann, Lizenzentgelt und Verfassungsrecht, DÖV 1988, S. 584; Franke, Umweltabgaben und Finanzverfassung, StuW 1994, S. 32; Jachmann, Die Einführung einer Nahverkehrsabgabe durch Landesgesetz, NVwZ 1992, S. 934; Breuer, Umweltrechtliche und wirtschaftslenkende Abgaben im europäischen Binnenmarkt, DVBl. 1992, S. 488 f.; Stober, Rein gewerbliche Betätigung der öffentlichen Hand und Verfassung, ZHR 145 (1981), S. 587; Höfling, Verfassungsfragen einer ökologischen Steuerreform, StuW 1992, S. 243 f.; Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 117; Krause, Die Nahverkehrsabgabe, S. 92. 182 BVerfGE 78, 249, 266; 82, 159 178; 93, 319, 342; 101, 141 ,147; Birk, Steuerrecht, Rn. 80, 112; Gawel, Das Steuerstaatsgebot des Grundgesetzes, Der Staat 39 (2000), S. 209 ff.; Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 409 ff.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88 Rn. 37, 45, 221, 229, 230; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 332 ff., 337 ff. 183 Aus diesem Grund wählt etwa: Gawel, Das Steuerstaatsgebot des Grundgesetzes, Der Staat 39 (2000), S. 209 für diese quantitative Betrachtungsweise den Terminus „Schwerpunktkonzept“. 184 Gramm, Vom Steuerstaat zum gebührenfinanzierten Dienstleistungsstaat, Der Staat 36 (1997), S. 277; Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 21.

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rung über Gebühren und Beiträge explizit angeordnet ist185, wegen Verstoßes gegen das Steuerstaatsprinzip verfassungswidrig. Bei einer Betrachtung des gesamten staatlichen Finanzaufkommens oder zumindest der verfassungsrechtlich im Lichte der Art. 106 Abs. 9 und 107 Abs. 2 Satz 2 GG wohl gebotenen Inkorporation der Gemeindehaushalte in die Finanzwirtschaft des Landes stellt sich zudem die Frage, welche der staatlichen Ebenen zur Einhaltung einer wie auch immer zu bestimmenden Obergrenze der Finanzierung durch nichtsteuerliche Abgaben auf die Erhebung solcher zu verzichten hätte186. Der Bundes- oder Landesgesetzgeber wäre gezwungen, auf die Finanzierung etwa durch Gebühren zu verzichten, selbst wenn deren formelle und materielle Voraussetzungen erfüllt sind. Vielmehr ist demgegenüber ein qualitatives Verständnis der Steuerstaatlichkeit angezeigt187. Demnach läßt die Grundentscheidung für den Steuerstaat Raum für die Erschließung anderer Einnahmenquellen 188. Nichtsteuerliche Abgaben bedürfen allerdings stets einer besonderen Legitimation189. Hierbei ist zu beachten, daß der zur Zahlung einer nichtsteuerlichen Abgabe verpflichtete Bürger in der Regel bereits durch die Steuerpflicht belastet ist. Es handelt sich somit um die Rechtfertigung für ein neben der Steuerzahlung zusätzlich zu erbringendes Vermögensopfer190. Aus diesem Charakter der nichtsteuerlichen Abgaben als zusätzliches Vermögensopfer über die steuerliche Belastung hinaus folgt zunächst, daß diese Rechtfertigung nicht lediglich in der staatlichen Einnahmeerzielung liegen kann. Instrument hierfür ist die Steuer. Bei den nichtsteuerlichen Abgaben muß dagegen über die Einnahmeerzielung hinaus ein sachlicher Grund vorliegen191.

185 Vgl. etwa: § 3 Abs. 4 NKAG; zum sog. Grundsatz der Subsidiarität der kommunalen Steuererhebung: Lichtenfeld, in: Driehaus, Kommunalabgabengesetz, § 4, Rn. 144; Dahmen, in: Dahmen / Driehaus / Küffmann / Wiese, Kommunalabgabengesetz NRW, § 1 Rn. 43; Rosenzweig, in: Hatopp / Rosenzweig / Freese, Kommunalabgabengesetz, § 3 Rn. 8. 186 Wohl auch: Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 21. 187 Gawel, Das Steuerstaatsgebot des Grundgesetzes, Der Staat 39 (2000), S. 209, spricht in diesem Zusammenhang von einem „Regelkonzept“. 188 Selmer, Wirtschaftliche Betätigung und Unternehmergrundrechte, in: Stober / Vogel (Hrsg.), Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, S. 75, 88. 189 BVerfGE 78, 249, 269; Ebenso: Heun, Die Entwicklung des Steuerstaatskonzepts, in: Sacksofsky / Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 21; Häde, Innere Sicherheit und Abgabenstaat, in: Jachmann / Stober, Finanzierung der inneren Sicherheit, S. 16 f. 190 Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 48 und 50. 191 Vgl hierzu unten: VII. 2. b).

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II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext

2. Vom Zusammenhang finanzieller Ausstattung und staatlicher „Macht“ Das enge Verhältnis von finanzieller Leistungsfähigkeit und politischer Macht ist keineswegs eine Beobachtung unserer Zeit192. Schon 1576 bezeichnete Jean Bodin das Geld als „les nerfs de la République“193. Hegel erkannte die Finanzen als „wesentlichen Teil der Macht“194. Der Zusammenhang zwischen politischer Entscheidungsmacht und der Verwendung der dem jeweiligen Staatswesen zur Verfügung stehenden Finanzmittel fokussiert sich unter dem Regime des Grundgesetzes in der Aufstellung eines Haushaltsplans. Dieser ist nicht lediglich Bilanz bereits anderweitig getroffener politischer Entscheidungen, sondern seinerseits ein verbindlicher Plan über die Verwendung der dem jeweiligen Staatswesen zur Verfügung stehenden Finanzmasse195. Nahezu jede politische Entscheidung erfordert finanzielle Aufwendungen des Staates196, insbesondere etwa bei milliardenschweren Investitions- und Sozialprogrammen197. Schwerpunkt der öffentlichen Diskussion ist dabei in der Regel nicht die Frage, ob derartige Programme insbesondere im sozialstaatlichen Bereich politisch wünschenswert sind oder nicht198. Vielmehr entzündet sich regelmäßig der Streit an deren Finanzierung, also an welcher Stelle die entsprechenden Finanzmittel eingespart werden können oder inwiefern die Geldmittel über eine Kreditaufnahme finanzierbar sind. Somit ist der Haushaltsplan ein Ort politischer Prioritätensetzung und wird somit gelegentlich als „Regierungsprogramm in Gesetzesform“199 bezeichnet. Im Grundgesetz finden sich daher Regelungen, die dem engen Zusammenhang zwischen politischer Entscheidungskompetenz und der Verfügung über den Haushalt Rechnung tragen. So ist nach Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG der Haushaltsplan des Bundes durch das Haushaltsgesetz festzustellen. Dieser Gesetzesvorbehalt ist Ausdruck des sog. Appropriationsrechts, also der hauswirtschaftlichen Bindung 192 Vgl. die historischen Zitate bei: Stolleis, pecunia nervus rerum, S. 63 ff.; vgl. allgemein zum Verhältnis von Finanzen und Macht etwa: Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, 1996, Art. 104a – 109, Rn. 4 ff.; Krüger, Rechtsetzung und technische Entwicklung, NJW 1966, S. 618; Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, Rn. 16; Vogel / Waldhoff, in Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 281 ff.; aus der Rechtsprechung: BVerfGE 55, 274, 301. 193 Six livres de la Republique, L.VI Ch. 2, S. 855, zitiert bei: Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 309. 194 Die Verfassung Deutschlands, in: Hegel, Werke in zwanzig Bänden , Band I, S. 491. 195 Schmölders, Finanzpolitik, S. 60 f.; Heinig, Das Budget, Band I, S. 12. 196 Mußgnug, Haushaltsplan als Gesetz, S. 4; Schmölders, Finanzpolitik, S. 61. 197 Hierzu etwa: Mußgnug, Haushaltsplan als Gesetz, S. 3. 198 Mit ähnlichen Gedanken: BayVGH, BayVbl. 2000, S. 397, 400. 199 BVerfGE 79, 311, 329.

2. Vom Zusammenhang finanzieller Ausstattung und staatlicher „Macht“

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an den Willen des Haushaltsgesetzgebers200. Damit das Parlament, dem – abgesehen von einem „Kern exekutiver Eigenverantwortung“201 – die wesentlichen politischen Entscheidungen vorbehalten bleiben sollen, die Kontrolle über die Einnahmen und Ausgaben des Bundes behält202, sind nach Art. 110 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 iVm. Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Haushaltsplan einzustellen. Dieser ist die Grundlage der Haushaltsführung nach § 2 Satz 2 BHO. In den Verfassungen der Länder finden sich ähnliche Regelungen203. In einem Staatswesen ist demnach gerade die Verfügungsgewalt über den Haushalt eine Machtposition ersten Ranges204. Die Aufstellung eines Haushaltsplanes eröffnet dem Parlament und der von seiner Mehrheit getragenen Regierung, die politische Gestaltung real werden zu lassen205. Macht läßt sich in dem hier anzusprechenden Sinne zumindest definieren als Fähigkeit, Rechtswirkungen auszulösen206. Die Machtausübung stellt sich dabei klassisch als Rechtsbefehl dar, mit dem einem anderen, etwa dem Bürger, ein bestimmter Wille aufgezwungen werden kann. Der jeweils zuständige Gesetzgeber definiert hierbei im Rahmen der grundgesetzlichen Vorgaben die Möglichkeiten der Machtausübung. Zur Umsetzung des gesetzgeberischen Willens reicht die bloße rechtliche Möglichkeit des staatlichen Handels allerdings nicht aus. Hinzukommen muß die durch administrative Kapazitäten zu gewährleistende tatsächliche Möglichkeit der Machtausübung. Demzufolge ist die Grundvoraussetzung einer staatlichen Machtausübung der Aufbau und die Erhaltung eines Staatsapparates, d. h. die Schaffung von entsprechenden staatlichen Handlungseinheiten. Diese werden zwar in aller Regel durch Rechtsakte begründet, die unabhängig von der finanziellen Ausstattung der entsprechenden Einheit sind. Allerdings ist deren Einrichtung ohne Zuweisung von Finanzmitteln regelmäßig sinnlos207. Der staatlichen Handlungseinheit müssen entsprechende finanzielle Grundlagen für Personal und Sachmittel bereitgestellt werden, ersteres etwa in Form von Planstellen für Beamte. Erst der Aufbau von solchen mit Kosten verbundenen Verwaltungsstrukturen erlaubt es einem Staatswesen, seine durch Parlament und Regierung bestimmten Zielvorga200 Vgl. hierzu: Gröpl, in: Bonner Kommentar, Art. 110, Rn. 27, Eichhorn, Kostendenken, in: Festschrift Ule, 1977, S. 33; Mußgnug, Haushaltsplan, S. 50 f. 201 Vgl.: BVerfGE 67, 100, 139. 202 Vgl.: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 110, Rn. 2 ff. 203 Etwa: Baden-Württemberg: Art. 79 Abs. 1 LV; Berlin: Art. 85 Abs. 1 GG, Hamburg: Art. 66 Abs. 1 Satz 1 LV; Hessen: Art. 139 Abs. 2 Satz 1 LV. 204 So schon: Vogel, Finanzverfassung und politisches Ermessen, 1972, S. 5; Krüger, Rechtsetzung und technische Entwicklung, NJW 1966, S. 618. 205 So etwa: BayVGH, BayVBl. 2000, 397, 400. 206 Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27, Rn. 26. 207 Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27, Rn. 28 ff.; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 18.

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ben umzusetzen. In dieser Hinsicht sind die Finanzen Voraussetzung der Ausübung von Staatsgewalt208. Durch diese wird die entsprechende Körperschaft überhaupt erst in die Lage versetzt, ihre politischen Vorstellungen Realität werden zu lassen, indem dem Staat die Instrumente zur Durchsetzung seines Willens an die Hand gegeben werden. Insofern ist mit der Entscheidungsgewalt über finanzielle Mittel eine Machtposition im Sinne einer „Organ-Errichtungs-Gewalt“ des Haushalts verbunden209. Hiermit verbunden ist die Fähigkeit des Haushaltsgesetzgebers zu einer Machtausübung innerhalb der Staatsorganisation. Staatliche Handlungseinheiten erhalten finanzielle Mittel zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, die der Prioritätensetzung durch den jeweiligen Gesetzgeber unterliegen. Durch das Geld entsteht somit ein Mittel zur Lenkung des Staatsapparates, indem durch dessen Verteilung Entscheidungen über Struktur und Gewichtung der Staatsorganisation in ihren Untergliederungen getroffen werden können210. Insofern läßt sich von einer „Organisationsfunktion“211 des Budgets sprechen. Finanzmacht ist heute die wirksamste, umfassendste und beweglichste Form der Staatsgewalt212. Im modernen Leistungsstaat tritt neben die imperative Form der Durchsetzung staatlichen Willens zunehmend eine andere Form staatlicher Einflußnahme auf Wirtschaft und Gesellschaft, die sich als Lenkungshandeln beschreiben läßt. Der Staat befiehlt nicht, er beeinflußt. Macht äußert sich hierbei weniger als Durchsetzung eines Willen, sondern vielmehr als Fähigkeit, den Willen anderer und damit ihr Verhalten im Sinne einer „Steuerung“ beeinflussen zu können213. Die Komplexität staatlichen Handelns erzwingt ein Weniger traditionellen Staatshandelns durch Rechtsbefehl zugunsten einer Form von finanziellen Anreizen214.

208 Vogel, Grundzüge des Finanzrechts, in: (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87; Rn. 1; Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5, Rn. 2; Dittmann, Finanzverfassung und Staatsverfassung, in: Caesar (Hrsg.), Zur Reform der Finanzverfassung und Strukturpolitik der EU, S. 55 f.; Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, S. 1 f.; Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27 Rn. 22 ff..; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 309 ff. Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 17. 209 Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, S. 275. 210 Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, S. 8; Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27, Rn. 28 ff. 211 Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27; Rn. 28 f. 212 Isensee, Föderalismus und Verfassungsstaat, AöR 115 (1990), S. 257. 213 Hierzu: Schuppert, Steuerung des Verwaltungshandelns, VVDStRL 42 (1984), S. 222 ff.; Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, S. 1; ähnlich: v. Mutius, Steuerung des Verwaltungshandelns, VVDStRL 42 (1984), S. 153; Heun, Staatshaushalt und Staatslenkung, S. 276.

2. Vom Zusammenhang finanzieller Ausstattung und staatlicher „Macht“

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Zum einen kann der Staat bei der Beschaffung seiner finanziellen Ressourcen lenkend tätig werden, indem er ein bestimmtes unerwünschtes Verhalten stärker mit Abgaben belastet als ein erwünschtes. Die Einnahmeerzielung als Gegenstand von Staatsgewalt bietet somit die Möglichkeit der Verfolgung von Lenkungszwekken215, etwa im Umweltbereich216. Obgleich eine solche Beeinflussung funktionell an die Stelle eines Ge- oder Verbotes tritt217, ist hier die staatliche Einwirkung vom Handeln des Bürgers abhängig. Dieser kann immerhin noch entscheiden, ob er auch unter den von staatlicher Seite erschwerten Voraussetzungen die unerwünschte Handlung dennoch vornimmt218. Allerdings schafft nicht nur die Vereinnahmung von finanziellen Mitteln Raum für politische Gestaltung, sondern auch und vor allem die Verwendung dieser Mittel. Neben der dargestellten Organisationsmacht nach „innen“ ist die Funktion des Haushaltplans als Grundlage gezielter Wirtschaftssubventionen hervorzuheben219. Der Haushaltswirtschaft wird insgesamt, d. h. einnahme- und ausgabeseitig, durch Art. 109 Abs. 2 GG die Fähigkeit zu wirtschaftspolitischer Globalsteuerung unterstellt220. Durch die Verpflichtung der Finanzpolitik auf die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes221 haben insbesondere die grundlegenden Thesen von Keynes222 Einzug in das Grundgesetz gefunden.

214 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 311; Kesper, Bundesstaatliche Finanzordnung, S. 33; Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27, Rn. 25 ff.; Schuppert, Steuerung des Verwaltungshandelns, VVDStRL 42 (1984), S. 219 ff. 215 Vgl. hierzu umfassend: Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, passim, insbesondere S. 59 ff.; ders. / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts, DVBl. 2000, S. 1153 ff.; Sacksofsky, Verfolgung ökologischer und anderer Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts, NJW 2000, S. 2619 ff.; Trzaskalik, Gutachten E beim 63. DJT; Weber-Grellet, Lenkungssteuern im Rechtssystem, NJW 2001, S. 3657, vgl. auch: BVerfGE 67, 256, 282. 216 Speziell hierzu etwa: Kloepfer, Umweltschutz durch Abgaben, DÖV 1975, 593 ff.; Selmer, Verfassungsrechtliche und finanzrechtliche Rahmenbedingungen, in: Breuer / Klöpfer / Marburger / Schröder (Hrsg.), Umweltschutz durch Abgaben und Steuern, UTR 16 (1992), S. 15 ff.; F. Kirchhof, Leistungsfähigkeit und Wirkungsweisen von Umweltabgaben, DÖV 1992, S. 233 ff.; Höfling, Verfassungsfragen einer ökologischen Steuerreform, StuW 1992, S. 242; Franke, Umweltabgaben und Finanzverfassung, StuW 1994, S. 26. 217 Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27, Rn. 27. 218 Sacksofsky, Verfolgung ökologischer und anderer Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts, NJW 2000, S. 2619, 2624; kritisch: Trzaskalik, Gutachten E beim 63. DJT, S. 21 ff. 219 Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, S. 8. 220 Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1080. 221 Zu dessen Definition durch das sog. „magische Viereck“ vgl. etwa: Vogel / Wiebel, in: Bonner Kommentar (Zweitbearb.), Art. 109, Rn. 70 ff. 222 The general Theory of employment, interest and money, 1936.

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II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext

Ungeachtet der Kritik an der „deutlichen Überschätzung“223 der staatlichen Steuerbarkeit makroökonomischer Zusammenhänge läßt sich ein gewisses Potenzial der Beeinflußbarkeit der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Finanzpolitik und damit durch das Budget nicht leugnen. Allerdings sind, und dieser Gedanke soll hier im Vordergrund stehen, sämtliche Möglichkeiten in diesem Bereich begrenzt durch den finanziellen Spielraum der entsprechenden Körperschaft224. Diese kann Steuer- oder sonstige Vergünstigungen nur gewähren, wenn sie die damit verbundenen Mindereinnahmen anderweitig zu kompensieren imstande ist. Auch die Fähigkeit zur Gewährung von Subventionen als Lenkungsmöglichkeit in bezug auf Wirtschaft und Gesellschaft hängt von der finanziellen Dispositionsmasse des Staatswesens ab. Die Fähigkeit zu einer antizyklischen Konjunkturpolitik, etwa durch verstärkte staatliche Nachfrage oder durch Abgabensenkungen, bleibt weitgehend theoretischer Natur, wenn die Finanzlage des entsprechenden Staatswesens ohnehin angespannt ist. Die Finanzausstattung der Körperschaft ist für deren politische Gestaltungsmacht entscheidend225. Die Summe der „finanziellen Fähigkeiten“226 erscheint somit als „notwendiges Ingredienz“227 der Staatsgewalt. In der staatsrechtlichen Literatur wird für diesen Zusammenhang treffend der Begriff der Staatsrealisation verwendet228. Hier ist dieser Gedanke insbesondere im Zusammenhang mit der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG umfassend behandelt worden229. Hierbei handelt es sich zwar nicht um eine staatliche Ebene, sondern um einen Teil der Länder. Es ist jedoch hier allgemein anerkannt, daß die Selbstverwaltungsgarantie nur materielle Wirkung entfalten kann, wenn den Kommunen hinreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wenn dieser Gedanke im Verhältnis des Bundes bzw. des Landes zu den Gemeinden gilt, muß er auch im Bund-Länder-Verhältnis gelten230. Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1077; ähnlich: Schmölders, Finanzpolitik, S. 471. Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1080. 225 Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, Art. 104a – 109, Rn. 4 ff.; Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5, Rn. 3; Weber-Fas, GG, S. 107; aus der Rechtsprechung etwa: BVerfGE 32, 333, 338; 39, 96, 108. 226 Hensel, Der Finanzausgleich im Bundesstaat, S. 12, 163. 227 Pagenkopf, Der Finanzausgleich im Bundesstaat, S. 42, 234. 228 Isensee, Idee und Gestalt, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 98, Rn. 70; zustimmend: Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 61. 229 Vgl. hierzu: Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, Art. 106, Rn. 32 ff.; Henneke, Gemeindefinanzierungssystem, Jura 1986, S. 570 f.; Mückl, Kommunale Selbstverwaltung und aufgabengerechte Finanzausstattung, DÖV 1999, S. 841 f.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28, Rn. 14; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 28, Rn. 84b f; Schwarz, Verteilung der Finanzmasse zwischen Land und Kommunen, ZKF 2001, S. 268 ff.; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 413; Weiß, Finanzverfassung und kommunale Einnahmen, ZKF 2001, S. 27; aus der Rechtsprechung etwa: BVerwGE 106, S. 280, 287; SachsAnh VerfG, LKV 2002, 328, 329. 223 224

3. Finanzverfassung und Bundesstaat

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3. Finanzverfassung und Bundesstaat Besondere Bedeutung erlangt die Verteilung der zur Erfüllung staatlicher Aufgaben insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel im Bundesstaat. Die einzelnen Glieder des Bundesstaates sind allerdings in ihrer Staatsqualität nicht abhängig von der finanziellen Ausstattung. Hierüber entscheidet allein das Staatsrecht. Geld ist demnach nicht begriffsnotwendig für die Staatsqualität, läßt sich aber als „tatsächliche“ Voraussetzung231 bezeichnen, Die Finanzausstattung der einzelnen Ebenen mit Staatsqualität betrifft durch ihre Machtrelevanz insbesondere deren Stellung zueinander232. Insofern muß mit der staatsrechtlichen Bundesstaatlichkeit ein finanzwirtschaftliches Äquivalent korrespondieren233. Das festgestellte Verhältnis von finanzieller Ausstattung und Machtpotential kann nach alledem nicht ohne Auswirkungen auf den Staatsaufbau bleiben. Die mit der eigenen Staatsqualität verbundene Rechtsetzungsbefugnis ist daher „nur soviel wert, wie Geldmittel zur Verfügung stehen, um die „eigenständigen“ politischen Ziele auch durchsetzen zu können“234. Die Aufbringung des staatlichen Finanzbedarfes widerspiegelt in diesem Sinne den staatlichen Aufbau235. Die Länder wären „ohne eigene Finanzgewalt nur noch hochpotenzierte Selbstverwaltungskörper mit einer weitreichenden Rechtsetzungsbefugnis mit eigenen und übertragenen Verwaltungsaufgaben“236. So sind gerade im Verhältnis von Bund und Ländern politischer und finanzieller Kompetenzzuwachs auf das engste miteinander verbunden237. 230 So etwa: Henneke, Kommunale Erwartungen an ein Maßstäbegesetz, Der Landkreis 2001, S. 443 ff. 231 Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 60; Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 27, Rn. 2; Isensee, AöR 115 (1990), S. 273. 232 Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5, Rn. 2 und 7; vgl. ferner: Dittmann, Finanzverfassung und Staatsverfassung, in: Caesar (Hrsg.), Zur Reform der Finanzverfassung und Strukturpolitik der EU, S. 68; Schmölders, Finanzpolitik, S. 41. 233 Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 61; P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 11. 234 Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5, Rn. 3. 235 Dittmann, Finanzverfassung und Staatsverfassung, in: Caesar (Hrsg.), Zur Reform der Finanzverfassung und Strukturpolitik der EU, S. 70; Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, Art. 104a – 109, Rn. 5; Friauf, Öffentlicher Haushalt und Wirtschaft, VVDStRL 27 (1969), S. 6; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 62; Schmölders, Finanzpolitik, S. 21; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1054 f.; vgl. ferner: Grimm, Braucht Europa eine Verfassung?, JZ 1995, S. 590 f. 236 Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 2 ff. 237 Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5, Rn. 3.

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II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht die Finanzverfassung mehrfach als tragenden Pfeiler der bundesstaatlichen Ordnung bezeichnet238. Demnach müssen Gesamtstaat und Gliedstaaten am Ertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt sein239 und finanziell in die Lage versetzt werden, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Ausgaben wahrnehmen zu können240. Dieser enge Zusammenhang des bundesstaatlichen Aufbaus und der Finanzverfassung wird insbesondere deutlich durch einen Rückblick auf frühere Ungleichgewichte, die maßgeblich zur Instabilität der Finanzordnung und damit des bundesstaatlichen Verbandes führten. Die Regelungen der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 (RV) bedeuteten in finanzrechtlicher Hinsicht eine schwache Stellung des Reiches gegenüber den Ländern. Zum einen waren die finanzverfassungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen im Gegensatz zur heutigen Verfassungslage nicht verzahnt: das Reich hatte keinen Einfluß auf Steuern, die der Ertragshoheit der Länder unterlagen241. In bezug auf Steuern, deren Ertrag dem Reich zustand, gab es neben einer ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 35 RV, die insbesondere die Zölle und die Verbrauchsteuern betraf, eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Theoretisch stand dem Reichsgesetzgeber nach dieser Kompetenz die Möglichkeit offen, seinen steigenden Finanzbedarf durch die Erschließung neuer Steuerquellen letztlich auf Kosten der Länder zu decken242. Entsprechende Versuche des Reiches scheiterten aber, von einigen Ausnahmen abgesehen243, am Widerstand der Länder244. Soweit die Einnahmen des Reiches nicht zur Deckung des Reichshaushaltes ausreichten, waren in Art. 70 Satz 2 der Reichsverfassung zunächst bis zur Schaffung eines dauerhaften Finanzsystems als Provisorium gedachte sog. Matrikularbeiträge vorgesehen, die nach einem bestimmten Schlüssel von den Ländern an den Bund zu überweisen waren. Das Reich war auf diese Weise in finanzpolitischer Hinsicht „Kostgänger der Länder“245. Reichskanzler von Bismarck versuchte Etwa: BVerfGE 55, 274, 300; 72, 330, 388. BVerfGE 32, S. 333, 338; 55, 274, 300; 72, 330, 388; vgl. ferner: BVerfGE 39, 96, 108; 86, 148 213 und 264. 240 Insbesondere: BVerfGE 32, 333, 338; 39, 96, 108; 55, 274, 300; 72, 330, 383; 86, 148, 213 f. 241 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 136. 242 So die damals h.M., vgl. etwa: Haenel, Deutsches Staatsrecht, Band II, 1892; S. 374 ff.; Meyer / Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 1919, S. 909, Laband, Direkte Reichssteuern, S. 6 ff., vgl. hierzu: Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn.. 134. 243 So etwa 1906 bei der Erbschaftsteuer, 1911 bei einer Wertzuwachssteuer und 1913 bei einer Besitzsteuer; vgl. hierzu: Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866 – 1918, Band II, 1992, S. 181. 244 Vgl. hierzu: Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 134 m. w. N. 245 So Reichskanzler von Bismarck vor dem Deutschen Reichstag am 2. Mai 1879 anläßlich der 1. Beratung des „Entwurfes eines Gesetzes betr. den Zolltarif des Dt. Zollgebiets“, 238 239

3. Finanzverfassung und Bundesstaat

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diesem Dilemma neben der Verstaatlichung der Reichsbahn ab 1879 insbesondere durch den Ausbau der dem Reich nach Art. 4 Ziffer 2, 35 RV zustehenden Zölle zu entkommen. Als deren Beträge jedoch in den Folgejahren deutlich anstiegen, wußten die Länder den mit diesen Einnahmen verbundenen Machtzuwachs des Reiches durch die Einführung der sog. Franckensteinschen Klausel246 zu verhindern. Durch diese Klausel wurden die Einnahmen des Reiches zunächst aus den Zöllen und der Tabaksteuer, später auch aus anderen Einnahmen, auf einen bestimmten Höchstbetrag247 plafondiert. Überstiegen die Einnahmen diesen Höchstbetrag, hatte das Reich die überschüssigen Beträge an die Länder nach jenem Schlüssel zu überweisen, wie er zur Berechnung der Matrikularbeiträge diente. Mit diesen wurden die Überweisungen des Reiches verrechnet, ohne allerdings je deren Höhe zu erreichen. Zur Behebung der sich zuspitzenden Finanznot des Reiches war dieses Überweisungssystem jedenfalls nicht geeignet. Es blieb dauerhaft bei einer Schieflage zu Lasten des Reiches. Unter entgegengesetzten Vorzeichen stand die Finanzverfassung der Weimarer Republik248. Trotz nur geringer Unterschiede zum Verfassungstext der Bismarckschen Reichsverfassung brachte die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 im Finanzbereich eine erhebliche Stärkung des Reiches gegenüber den Ländern mit sich. Zwar beschränkte sich die ausschließliche Gesetzgebung nach Art. 6 Nr. 6 WRV nunmehr auf die Zölle, jedoch wurden die Materien der konkurrierenden Gesetzgebung erheblich ausgeweitet. Das Reich hatte nach Art. 8 WRV die Gesetzgebungskompetenz über „die Abgaben und sonstigen Einnahmen, soweit sie ganz oder teilweise für seine Zwecke in Anspruch genommen werden“. Da zudem die verfassungsrechtliche Zuständigkeitsverteilung der einfachen Reichsgesetzgebung unterlag, führte diese konkurrierende Kompetenz in der Folge dazu, daß sämtliche ertragsstarken Steuern vom Reich geregelt wurden249. Für eine Gesetzgebungskompetenz der Ländern im Finanzbereich blieb daneben kaum noch Raum250. Die Länder hatten weitgehend die Fähigkeit verloren, ihren Finanzbedarf vgl. hierzu: Selmer, Franckensteinsche Klausel, in: Erler / Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch Rechtsgeschichte, S. 1187, ferner: Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 65; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 314; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1068; Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 104 Rn. 8. 246 Vgl.: § 8 Zolltarifgesetz, RGBl 1879, S. 207; benannt nach dem Fraktionsführer der Zentrumspartei G. A. Freiherr von und zu Franckenstein; vgl.: Selmer, Franckensteinsche Klausel, in: Erler / Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch Rechtsgeschichte, S. 1187 f. 247 Jährlich 130 Millionen Reichsmark. 248 Vgl. hierzu: Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 73 ff.; Schmölders, Finanzpolitik, S. 41; Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 104 Rn. 14; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 143 ff. 249 Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang das Landessteuergesetz vom 30. März 1920 (RGBl. I, S. 402) und gleichen Inhalts das Reichsfinanzausgleichsgesetz vom 23. Juni 1923 (RGBL. I, S. 494).

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II. Der vertikale Finanzausgleich im grundgesetzlichen Kontext

aus eigenen Erträgen zu decken251. Immerhin sah Art. 8 Satz 2 WRV vor, daß das Reich auf die Erhaltung der Lebensfähigkeit der Länder Rücksicht zu nehmen hat, wenn es Abgaben oder sonstige Einnahmen in Anspruch nimmt, die bisher den Ländern zugestanden hatten. Dies führte zu einer Art Garantenstellung des Reiches für die Finanzausstattung der Länder, das diese durch Zuweisungen sicherzustellen hatte. Dem Reichsgesetzgeber war damit durch die Ertragsabhängigkeit der Länder ein vertikales Gestaltungsmittel an die Hand gegeben, mit dem er auch horizontale Wirkungen erzielen konnte252. Die Länder waren zu Kostgängern des Reiches geworden253. Unter dem Nationalsozialismus wurde die föderative Ordnung schließlich vollständig beseitigt und das gesamte Finanzwesen zentralisiert254. Den Ländern wurde schrittweise jede Eigenständigkeit genommen. Zunächst wurden durch Reichsgesetz vom 31. März 1933255 die bestehenden Volksvertretungen der Länder aufgelöst256 und durch neue Landtage ersetzt, bei denen die Sitze entsprechend dem Ergebnis der Wahlen zum Deutschen Reichstag vom 5. März 1933257 „zugeteilt“ wurden. Den nächsten Schritt der Entmachtung der Länder stellte die Installation von Reichsstatthaltern258 dar, denen zahlreiche Befugnisse der Landesgewalt übertragen wurden259. Nach Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934260 gingen schließlich die „Hoheitsrechte der Länder ( . . . ) auf das Reich über“. Nach Art. 1 desselben Gesetzes wurden die Volksvertretungen der Länder aufgelöst: das Deutsche Reich war zum Einheitsstaat geworden.

250 Zu den wenigen Ausnahmen: Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 146. 251 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 149. 252 Ebenso: Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 149. 253 Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 80; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 143. 254 Hierzu im einzelnen: Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 81 f., Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 163 ff. 255 Vgl.: § 4 Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März 1933, RGBl. I, S. 153. 256 Mit Ausnahme des Preußischen Landtages. 257 Ergebnis: NSDAP 43,9 Prozent / 288 Sitze; DNVP 8,0 / 52; Zentrum / BVP 13,9 / 92; SPD 18,3 / 120; KPD 12,3 / 81; Sonstige 3,6 / 14; der Stimmenanteil der KPD wurde bei der „Neubildung“ der Landesparlamente nicht berücksichtigt. 258 Vgl.: Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 7. April 1933, RGBl. I, S. 173 („Reichsstatthaltergesetz“). 259 Unter anderem nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 die Auflösung des Landtages. 260 RGBl. I, S. 75.

III. „Laufende Einnahme“ als unbestimmter Rechtsbegriff 1. Die unbestimmten Rechtsbegriffe im vertikalen Finanzausgleich Die besondere Problematik der Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern läßt sich auf einen Satz zuspitzen: Für die Beantwortung einer verfassungsrechtlichen Frage von größter Wichtigkeit hält die Finanzverfassung „nur“ eine Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen bereit. Die grundgesetzlichen Formulierungen zu diesem sensiblen Bereich der bundesstaatlichen Stabilität sind „nicht gerade Beispiele außerordentlicher juristischer Präzision“1, die Regelung zur Umsatzsteuerverteilung ist „eher Kompendium denn eine Norm“2. Nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG ist ein „billiger Ausgleich“ der Deckungsbedürfnisse zu erzielen, Bund und Länder haben „gleichmäßig“ Anspruch auf Dekkung ihrer „notwendigen Ausgaben“ im Rahmen ihrer „laufenden Einnahmen“. Art. 106 Abs. 4 GG verpflichtet zur Neufestsetzung der Anteile an der Umsatzsteuer, wenn sich das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder „wesentlich“ anders entwickelt. Angesichts dieses verfassungstextlichen Befundes ergibt sich die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der grundgesetzlichen Regelungstechnik der unbestimmten Rechtsbegriffe im Allgemeinen, um dann Reflexionen auf die Rechtsbegriffe der Finanzverfassung im speziellen folgen zu lassen. Dies soll zu dem Ziel führen, die Möglichkeiten und Grenzen einer Konkretisierung einerseits und deren Notwendigkeiten andererseits aufzuzeigen.

2. Unbestimmte Rechtsbegriffe als Regelungstechnik des Grundgesetzes Allgemein werden die Formulierungen des Art. 106 GG wie die der „laufenden Einnahmen“, der „notwendigen Ausgaben“ und „wesentlich“ anderen Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder als unbestimmte Rechtsbegriffe bezeichnet3. 1 2

Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 40. Wagner, Um ein neues Verfassungsverständnis, DÖV 1968, S. 604.

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III. „Laufende Einnahme“ als unbestimmter Rechtsbegriff

Inhalt und Charakter dieser unbestimmten Rechtsbegriffe bedürfen zunächst einer näheren Betrachtung. So stellt zuvörderst sich die Frage, worin denn die begriffsbildende „Unbestimmtheit“ dieser Verfassungsregelungen besteht. Ebenso sind die Konsequenzen zu hinterfragen, die diese Unbestimmtheit – zumal auf Verfassungsebene – für die Interpretation und Anwendung der Verfassungsnorm zeitigt. Die „Unbestimmtheit“ bedeutet zunächst einmal nicht mehr, als daß der bloße Wortlaut der Verfassungsnorm mehrere Möglichkeiten der Interpretation zuläßt, vorliegend also etwa mehrere Begriffsbestimmungen hinsichtlich der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG. Diese – scheinbare oder tatsächliche – Interpretationsoffenheit der verfassungsrechtlichen Normen kann mehrere Ursache haben. Zum einen kann die Entscheidung des Verfassungsgebers, eine bestimmten Materie in unbestimmten Rechtsbegriffen auszugestalten, von dem Willen getragen sein, die Konkretisierung dieses Rechtsbegriffes anderen Ebenen, also insbesondere dem einfachen Gesetzgeber zu überlassen. Der Verfassungsgeber greift nach dem Mittel des unbestimmten Rechtsbegriffes, gerade weil er damit die Letztentscheidung einem aus seiner Sicht hierzu kompetenteren Organ überlassen will4. Diese Konstellation ähnelt in ihrer Struktur der in Art. 80 Abs. 1 GG eröffneten Möglichkeit des einfachen Gesetzgebers, Entscheidungen, die er kompetenziel auch selbst treffen könnte, der sachnäheren Exekutive im Wege der Verordnungsermächtigung zu überlassen. Eine davon zu unterscheidende Situation ist gegeben, wenn die verfassungsrechtliche Frage ihrer Natur nach nicht im Rahmen einer Verfassung regelbar ist. Eine Verfassung ist konstruktiv auf Stabilität und Dauer angelegt. Diese Forderung nach Allgemeingültigkeit, Grundsätzlichkeit und Beständigkeit bedingt einen hohen Abstraktionsgrad der grundgesetzlichen Formulierungen5. Auch wenn gelegentlich äußerst detaillierte Regelungen Eingang in das Grundgesetz gefunden haben6, ist diese Abstraktheit kennzeichnend für Verfassungsregelungen. Sie sichert die Distanz der Verfassung zu den tagespolitischen Erfordernissen und überläßt die Konkretisierung der politischen Handlungsprogramme sowie die Mittel und die Intensität der Zielverwirklichung dem einfachen Gesetzgeber oder der Exekutive7. Die Verfassung vermittelt daher in der Regel keine Lösungen für konkrete Probleme, sondern eine abstrakte Wertordnung, welche die Richtung bestimmt, in welcher die Lösungen zu suchen sind8. 3 Fischer-Menshausen, Unbestimmte Finanzausgleichs I, S. 135. 4 Fischer-Menshausen, Unbestimmte Finanzausgleichs I, S. 136. 5 Fischer-Menshausen, Unbestimmte Finanzausgleichs I, S. 135. 6 Vgl. etwa Art. 106a GG. 7 Fischer-Menshausen, Unbestimmte Finanzausgleichs I, S. 135.

Rechtsbegriffe, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des Rechtsbegriffe, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des Rechtsbegriffe, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des

Rechtsbegriffe, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des

3. Umsatzsteuerverteilung als politischer Kompromiß

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In dieser gebotenen Kürze ist es dem Verfassungsgeber in der Regel nicht möglich, bestimmte Fragen auf Verfassungsebene präzise zu regeln, selbst wenn dies wegen deren Wichtigkeit wünschenswert wäre. Denn obwohl sich eine Verfassung auf das „Wesentliche“ beschränken muß9, ist der Umkehrschluß nicht zulässig, daß alles nicht explizit geregelte „unwesentlich“ ist. Neben dieser Auslese des „Unwesentlichen“ gibt es eine sozusagen technische Grenze der Regelbarkeit auf Verfassungsebene, wenn das Grundgesetz nicht zu kleiner Münze gemacht und mit Details überfrachtet werden soll. Mit anderen Worten läßt sich also sagen: Daß eine Materie in der Verfassung nur in unbestimmten Rechtsbegriffen geregelt ist, sagt nicht zwingend, daß der Verfassungsgeber diese Materie für „unwesentlich“ hielt und die Konkretisierung ohne weiteres dem einfachen Gesetzgeber überlassen wollte. So verhält es sich bei den unbestimmten Rechtsbegriffen des vertikalen Finanzausgleichs. Allein die präzise Regelung des Begriffes der „laufenden Einnahmen“ hätte den Rahmen verfassungsrechtlicher Regelbarkeit gesprengt. Allerdings ist der Grad der „Unbestimmtheit“ nicht nur vom Wortlaut des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG abzulesen. Vielmehr ist der unbestimmte Rechtsbegriff in sein verfassungsrechtliches Umfeld einzuordnen. Läßt diese Einordnung eine ratio des Umfeldes erkennen, so sind auch die möglichen Interpretationen des unbestimmten Rechtsbegriffes im Sinne dieser ratio auszulegen. Der Terminus unbestimmter Rechtsbegriff wird daher im folgenden im Sinne von formaler Unbestimmtheit, also in bezug auf den bloßen Verfassungstext, verwendet. Der tatsächliche Grad der Unbestimmtheit des Begriffes der „laufenden Einnahmen“ kann nur durch eine umfassende Analyse des verfassungsrechtlichen Umfeldes ermittelt werden.

3. Umsatzsteuerverteilung als politischer Kompromiß Nach Art. 106 Abs. 3 Satz 3 GG ist es innerhalb der dargestellten Stufenfolge des Finanzausgleiches10 Aufgabe des Bundesgesetzgebers, die Anteile des Bundes und der Ländergesamtheit an der Umsatzsteuer in Form eines Finanzausgleichsgesetzes festzulegen. Hierbei ist der Finanzausgleichsgesetzgeber an die Vorgaben von Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG gebunden, wonach die Deckungsbedürfnisse von 8 Fischer-Menshausen, Unbestimmte Rechtsbegriffe, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs I, S. 135; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 11 ff.; Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation – Bestandsaufnahme und Kritik, NJW 1976, S. 2091 ff. für die Zielbestimmungen der Gemeinschaftsverfassungen: Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 557 f. 9 Stern, Staatsrecht I, S. 89. 10 Vgl. hierzu oben: I. 2. b).

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III. „Laufende Einnahme“ als unbestimmter Rechtsbegriff

Bund und Ländern so aufeinander abzustimmen sind, daß zwischen diesen ein billiger Ausgleich erzielt wird. Der Ausgleich der Deckungsbedürfnisse soll demnach das beherrschende Parameter einer gesetzgeberischen Entscheidung sein. Die Verfassungswirklichkeit weicht allerdings hiervon erheblich ab. Zum einen sind diese Richtmaße für die Umsatzsteuerverteilung so unbestimmt, daß sie Leerformeln gleichkommen11. Dies gilt insbesondere für die unbestimmten Rechtsbegriffe der „laufenden Einnahmen“ und der „notwendigen Ausgaben“ und damit der Bestimmung der jeweiligen Deckungsquoten. Bund und Länder berechnen die Deckungsquoten jeweils unabhängig voneinander und gelangen stets zu erheblich voneinander abweichenden Ergebnissen. So lagen etwa im Jahre 1982 die Ergebnisse der Berechnungen des Bundes und der Länder nicht weniger als 18,7 Mrd. DM auseinander12. Angesicht dieser Diskrepanzen in der Deckungsquotenberechnung verwundert es nicht, daß diese Berechnungen bei der Festsetzung der Umsatzsteueranteile eine untergeordnete Rolle spielen. Gleiches gilt für die grundgesetzliche Vorstellung, daß die Festsetzung der Umsatzsteueranteile eine Aufgabe der Legislative ist. Die Beteiligung des Parlamentes an dieser Entscheidungsfindung ist demgegenüber als lediglich formell zu bezeichnen. Die materielle Entscheidung über die Anteile an der Umsatzsteuer treffen die Exekutiven von Bund und Ländern. Diese einigen sich in mitunter langwierigen Verhandlung auf die jeweiligen Quoten13. Die Festlegung dieser Anteile gleicht daher eher Tarifverhandlungen denn einem gesetzgeberischen Verfahren14. Gelegentlich wird diese Entscheidung gar im Rahmen von „Paketlösungen“ mit Fragen verknüpft, die mit der Umsatzsteuerverteilung nichts zu tun haben15. Dem nach Art. 106 Abs. 3 Satz 3 GG zu der – materiellen – Entscheidung über die Festsetzung der Umsatzsteueranteile berufenen Bundesgesetzgeber bleibt hier nur eine Rolle, die sich als die eines „Notars“ beschreiben läßt, der das Verhandlungsergebnis ohne eigenes Zutun in Gesetzesform bringt. Fischer-Menshausen spricht hier von einem „Regierungsabkommen, das vom Gesetzgeber im allgemeinen nur noch rechtsförmlich beurkundet wird“16. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1119. Übersicht bei: Wolf, Zur Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, in: E. Geske, Die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, 1982, S. 297. 13 Häde, Finanzausgleich, S. 199. 14 Tipke, Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1119; Wolf, Zur Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, in: E. Geske, Die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, 1982, S. 273 ff.; Fischer-Menshausen, in: v. Münch (Hrsg.), GG, 1996, Art 106, Rn. 25 – 27; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1158 f. 15 Selmer, Finanzverfassung im Umbruch, in: Ipsen / Rengeling / Mössner / Weber (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, Festschrift Heymanns Verlag, 1995, S. 242; Häde, Finanzausgleich, S. 199. 16 In: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, 1996, Art. 106, Rn. 25; ähnlich: Wolf, Zur Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, in: E. Geske, Die Finanzbeziehungen 11 12

4. Konkretisierungsbedürftigkeit

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4. Von der Konkretisierungsbedürftigkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung Als zwingende Vorfrage einer (konkretisierenden) Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung gilt es zu ermitteln, ob eine solche Konkretisierung verfassungsrechtlich überhaupt intendiert ist. Angesprochen ist damit der Konflikt zwischen dem Gestaltungsspielraum des demokratisch legitimierten Gesetzgebers und verfassungsrechtlicher Determination. Je präziser die verfassungsrechtlichen Vorgaben sind bzw. je enger die Auslegung derselben vorgenommen wird, desto schmaler wird der Bereich politischer Entscheidungen des einfachgesetzlich handelnden Parlaments. Vor diesem Hintergrund könnte man annehmen, daß der Verfassungsgeber durch die Ausgestaltung der Umsatzsteuerverteilung in unbestimmten Rechtsbegriffen gerade die Einsicht zum Ausdruck bringt, daß etwa die Bewertung der finanziellen Bedürfnisse von Bund und Ländern dem politischen Kräftespiel nicht entzogen werden dürfe17. Unter dieser Prämisse wäre eine Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe so überflüssig wie unzulässig. Dann wäre auch das oben geschilderte Verfahren tolerabel, wonach die Umsatzsteueranteile im „Verhandlungswege“ festgelegt und durch den Gesetzgeber lediglich „ratifiziert“ werden18. Ebenso zieht diese Ansicht Konsequenzen nach sich, die unter dem Stichwort „Justiziabilität der Finanzverfassung“ Eingang in das Schrifttum gefunden haben19. Soll dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungsspielraum zustehen, müssen die unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung entsprechend beschränkt justiziabel sein. Eine umfassende Prüfungsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts konterkarierte die Beurteilungszuweisung an den Gesetzgeber. Begründet wird diese Ansicht im wesentlichen mit dem Gedanken der Gewaltenteilung. Deren Aussage ist nicht nur die Trennung der Funktionen zum Schutze der Freiheit des einzelnen vor Gewaltmonoismus, sondern auch die Zuweisung einer staatlichen Aufgabe an das jeweilige zu deren Erfüllung am besten geeignete staatliche Organ20. Insbesondere Ossenbühl21 versucht anhand einer Reihe von fizwischen Bund, Ländern und Gemeinden, 1982, S. 297, Vogel / Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 69. 17 So etwa: Fischer-Menshausen, Unbestimmte Rechtsbegriffe, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs I, S. 139. 18 In diesem Sinne: Tipke, Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1120; Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 252; offenbar auch: Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 104 Rn. 61: „Ein praktikableres Modell . . . ist nicht in Sicht“. 19 Vgl. hierzu ausführlich: Kenntner, Justiziabler Föderalismus, passim. 20 Vgl hierzu oben: II. 1. a). 5 Maciejewski

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III. „Laufende Einnahme“ als unbestimmter Rechtsbegriff

nanzverfassungsrechtlichen Vorschriften nachzuweisen, daß dieses bestgeeignete Organ der Gesetzgeber ist – und eben nicht das Bundesverfassungsgericht –, mit der Konsequenz einer auf eine Willkürkontrolle beschränkten bundesverfassungsgerichtlichen Überprüfung22. Etwa bei Art. 107 Abs. 2 GG sei die Zuständigkeit des Gesetzgebers zur letztverbindlichen inhaltlichen Ausgestaltung aus dessen Satz 2 abzuleiten. Demnach sind die Voraussetzungen für die Ausgleichsansprüche der ausgleichsberechtigten Länder und für die Ausgleichsverbindlichkeiten der ausgleichsverpflichteten Länder sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen in dem Gesetz zu bestimmen23. Für Art. 109 Abs. 2 GG gelte ähnliches24. Für die Regelungen im Rahmen des horizontalen Finanzausgleiches des Art. 107 Abs. 2 GG mag die These von der Bestgeeignetheit des einfachen Gesetzgebers zur Beurteilung der dortigen Voraussetzungen gegeben sein. Bei der Verteilung des Aufkommens der Landessteuern und des Länderanteils am Aufkommen der Körperschaft- und Einkommensteuer unter den Ländern ist der Bund neben seiner sachlichen Nähe zu der zu entscheidenden Materie vor allem eines: unparteiisch. Für die Finanzlage des Bundes ist die Auslegung der im Rahmen des Länderfinanzausgleichs anzutreffenden unbestimmten Rechtsbegriffe gleichgültig. Völlig anders stellt sich dieses bei der im Zentrum dieser Untersuchung stehenden vertikalen Ertragsverteilung dar. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ ist ebenso wie der der „notwendigen Ausgaben“ maßgeblich für die Finanzausstattung des Bundes. Der Bundesgesetzgeber ist in dieser Materie wegen seiner Involvierung zur letztverbindlichen Entscheidung denkbar ungeeignet. Schon aus diesem Grunde ist im Rahmen der vertikalen Steuerertragsverteilung eine Justiziabilität der zu findenden Auslegungen angezeigt. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fanden sich zunächst mehrere Zitate, die im Sinne einer fehlenden Justiziabilität finanzverfassungsrechtlicher Regelungen interpretiert worden sind25. So findet sich in der ersten Entscheidung zum Länderfinanzausgleich26 die Aussage, daß Intensitätsgrad des horizontalen Finanzausgleichs in Richtung auf eine Nivellierung der Finanzkraft der Bundesländer untereinander eine „finanzpolitische und keine verfassungsrechtliche“27 Frage sei. „Sie entzieht sich der Prüfung durch das BundesverfassungsgeZur Justiziabilität der Finanzverfassung, in: Festschrift Carstens, S. 743. Ossenbühl, Zur Justiziabilität der Finanzverfassung, in: Festschrift Carstens, S. 752 f. 23 Hervorhebung wie hier bei: Ossenbühl, Zur Justiziabilität der Finanzverfassung, in: Festschrift Carstens, S. 753. 24 Ossenbühl, Zur Justiziabilität der Finanzverfassung, in: Festschrift Carstens, S. 754. 25 So etwa durch: Ossenbühl, Zur Justiziabilität der Finanzverfassung, in: Festschrift Carstens, S. 745 f. 26 BVerfGE 1, 117 ff. 27 BVerfGE 1, 117, 134. 21 22

4. Konkretisierungsbedürftigkeit

67

richt“28. Diese Entscheidung bezog sich allerdings ausdrücklich auf Fragen des horizontalen Finanzausgleichs, dessen Grundsätze aus den soeben genannten Gründen nicht ohne weiteres auf den vertikalen Finanzausgleich übertragen werden können. Zudem wurde selbst diese Ansicht in den folgenden Entscheidungen eingeschränkt. Sowohl im Urteil zum Städtebauförderungsgesetz29 als auch zum Investitionshilfegesetz30 wurde zwar an einer Begrenzung der verfassungsgerichtlichen Überprüfbarkeit festgehalten, aber zugleich betont, daß die Verfassung eine in sich geschlossene „Rahmen- und Verfahrensordnung“31 bilde. Lediglich „innerhalb dieses Rahmens ist der politische Prozeß frei und vermag sich nach seinen eigenen Regeln und Bedingungen zu entfalten“32. Im zweiten Urteil zum Länderfinanzausgleich33 wurde dieser Rahmen dann weiter verengt. Die „Ordnungsfunktion der Finanzverfassung schließt es aus, ihre Regelungen – sei es insgesamt, sei es in Teilen – als Recht minderer Geltungskraft anzusehen, das etwa bis zur Willkürgrenze abweichenden Kompromissen und Handhabungen zugänglich ist, sofern nur ein vertretbares Ergebnis erreicht wird“34. Nach dieser Rechtsprechung ist kein Unterschied mehr auszumachen zwischen den Regelungen der Finanzverfassung und dem übrigen Staatsrecht. Finanzmacht ist prinzipiell nicht schwächer als sonstige staatliche Macht35. Für die Justiziabilität der unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung kann also nichts anderes gelten als für unbestimmte Rechtsbegriffe im sonstigen Staatsrecht. In diesem Zusammenhang gerät vor allem die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG ins Blickfeld. Diese betrifft die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Während die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes im Rahmen der in Art. 73 GG genannten Materien uneingeschränkt besteht, bildet Art. 72 Abs. 2 GG neben den Grenzen des Art. 74 GG eine zusätzliche Schranke für die Ausübung der Bundeskompetenz. Diese Kompetenz besteht nur, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechtsoder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. In bezug auf den unbestimmten Rechtsbegriff der BVerfGE 1, 117, 134. BVerfGE 39, 96. 30 BVerfGE 67, 256. 31 BVerfGE 67, 256, 288 f. 32 BVerfGE 67, 256, 288 f. 33 BVerfGE 72, 330. 34 BVerfGE 72, 330, 389. 35 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 634; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87, Rn. 123 f. 28 29

5*

68

III. „Laufende Einnahme“ als unbestimmter Rechtsbegriff

„Erforderlichkeit“ einer Bundesregelung führt das Bundesverfassungsgericht aus, daß „ein von verfassungsgerichtlicher Kontrolle freier gesetzgeberischer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG nicht besteht“. „Ihrer Stellung im System des Grundgesetzes, ihrem Sinn und dem Willen des Gesetzgeber kann die Norm nur dann gerecht werden, wenn ihre Voraussetzungen nicht subjektiv von demjenigen bestimmt werden dürfen, dessen Kompetenz beschränkt werden soll“36. Etwas anderes kann für die unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung wie dem der „laufenden Einnahmen“ nicht gelten. Die Parallelität der vertikalen Umsatzsteuerverteilung zu Art. 72 Abs. 2 GG liegt insbesondere in der Selbstbetroffenheit des Bundesgesetzgebers begründet, der seine Finanzlage verbessern bzw. seine Kompetenzen auf Kosten der Länder erweitern könnte. Um dies zu verhindern, unterliegt die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe durch den Gesetzgeber der uneingeschränkten verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Zudem ist die Wahrnehmung dieser Kompetenzen regelmäßig mit der Verfügungsmacht über finanzielle Mittel verknüpft. Sind die Kompetenzen in dem dargestellten Sinne dem Zugriff der Politik entzogen37, so muß dieses auch für die Steuerverteilung gelten. Diese wäre sonst die „offene Flanke“ der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung. Die aus den genannten Gründen erforderliche Justiziabilität der unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung setzt hinreichend konkrete Maßstäbe voraus, anhand derer das Bundesverfassungsgericht die vom einfachen Gesetzgeber getroffene Regelung überprüfen kann. Neben diesen staatsrechtlichen Gründen läßt sich die Forderung nach hinreichend konkreten Maßstäben auch den finanzverfassungsrechtlichen Regelungen selbst entnehmen. Diese lassen erkennen, daß trotz der Ausgestaltung der Materie in unbestimmten Rechtsbegriffen eine Konturenlosigkeit dieser Begriffe nicht beabsichtigt ist. Eine Fixierung der Maßstäbe ist notwendig, um die Forderung nach flexibler Anpassung der Umsatzsteuerverteilung in Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG gerecht zu werden38. Nur durch eine Ermittlung der Deckungsquoten nach den gleichen Kriterien, also einer einheitlichen Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe, kann eine solche „wesentliche“ Veränderung des Verhältnisses der Einnahmen und der Ausgaben von Bund und Ländern festgestellt werden. Demnach läßt sich auch hieraus der Verfassungsauftrag zur Konkretisierung ableiten, wie er vom Bundesverfassungsgericht – in Gestalt des Maßstäbegesetzes – eingefordert wurde39. BVerfGE 106, 62, 135 f. Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 741. 38 Kesper, Bundesstaatliche Finanzordnung, S. 242. 39 Ebenso: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn 713. 36 37

4. Konkretisierungsbedürftigkeit

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Es bleibt daher als Ergebnis festzuhalten, daß die unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung, so auch der hier in Rede stehende der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG, konkretisierungsbedürftig sind, nicht zuletzt um die effektive Überprüfung der gefundenen Ergebnisse der Umsatzsteuerverteilung durch die Verfassungsgerichtsbarkeit zu ermöglichen.

IV. Vom Konzept eines Maßstäbegesetzes zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe 1. Einführung Als praktikable Möglichkeit zur verfassungsrechtlich gebotenen Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung könnte sich die Schaffung eines sog. Maßstäbegesetzes empfehlen. Diese dogmatische Figur ist keine originelle Idee des Bundesverfassungsgerichts. Entwickelt wurde die Idee eines maßstäbesetzenden Gesetzes bereits vor der Geltung des Grundgesetzes1. Auch unter dem Regime des Grundgesetzes finden sich in der Literatur zahlreiche Nachweise2. Dem positiven Recht ist diese Rechtsgestaltung dagegen weitgehend unbekannt. Allerdings wird seit Beginn der 1970er Jahre von verschiedenen Landesverfassungsgerichten die gesetzliche Festschreibung von Maßstäben etwa zum Verhältnis von Gemeindeordnungen und Neugliederungsgesetzen3 oder der Landeshaushaltsordnung zum Haushaltsgesetz4 gefordert. Zur Schaffung eines solchen Maßstäbegesetzes zum Finanzausgleich ist der Gesetzgeber durch BVerfGE 101, 158 ff. aufgefordert worden. Mit diesem Gesetzge1 Vgl. hierzu: Linck, Das Maßstäbegesetz zur Finanzverfassung – ein dogmatischer und politischer Irrweg, DÖV 2000, S. 325. 2 Hierzu etwa: Quaritsch, Das parlamentslose Parlamentsgesetz, S. 23 der allerdings von „Aufbaugesetz“ und „Plangesetz“ spricht; Breuer, Selbstbindung des Gesetzgebers, DVBl. 1970, S. 101 f.; Kisker, Staatshaushalt, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 89, Rn. 11; Maurer, Vollzugs- und Ausführungsgesetze, Festschrift Obermayer, 1986, S. 95 ff.; ders., Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 1988, § 60, Rn. 57 ff.; Ossenbühl, Eingemeindungsverfahren, DÖV 1969, S. 550; Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 164 ff.; Püttner, Unterschiedlicher Rang der Gesetze?, DÖV 1970, S. 322 ff.; Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeiten, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 100, Rn. 295; Tiemann, Grundsatzgesetzgebung, DÖV 1974, S. 234 f.; ders., Grundsatzgesetzgebung des Bundes, BayVBl. 1971, S. 285 ff.; Linck, Das Maßstäbegesetz zur Finanzverfassung – ein dogmatischer und politischer Irrweg, DÖV 2000, S. 325; Berlit / Kesper, Kritische Justiz 2000, 607 m. w. N.; Kämmerer, in: Graf Vitzthum / Winkelmann, Föderalismus als Solidarprinzip, S. 199 – 205; Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 723 f. 3 VerfGH Rheinland-Pfalz, DÖV 1969, S. 560 ff., insbesondere S. 563; 1970, S. 198 f., 1970, S. 601; StGH Bad.-Württ., DÖV 1973, S. 163; NJW 1975, S. 1212 f. 4 VerfGH Saarl. DÖV 1979, S. 40.

1. Einführung

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bungsauftrag durch das Gericht sind mehrere – getrennt voneinander zu betrachtende – generelle Aussagen verbunden. So geht das Bundesverfassungsgericht von der Prämisse aus, daß die „unbestimmten Rechtsbegriffe . . . zu konkretisieren sind“5. Dies bedeutet zunächst, so ist hier vorauszuschicken, daß das Bundesverfassungsgericht explizit der Ansicht ist, es gäbe solche Maßstäbe bislang nicht. Demnach sei die Finanzverfassung „nur in unbestimmten Rechtsbegriffen konkretisiert“6. Diese Aussage steht in einem gewissen Widerspruch zu der mehrfach geäußerten Ansicht, die Verfassung sei als eine Sinneinheit zu verstehen7. Nimmt man diese Aussage als Maß, hätte das Bundesverfassungsgericht zunächst prüfen müssen, ob nicht die unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung durch ihr normatives Umfeld weiter konkretisiert werden, als es durch den bloßen Wortlaut der einschlägigen grundgesetzlichen Vorschriften den Anschein erweckt. Hierauf wird zurückzukommen sein. Der grundsätzlichen Aussage, daß die Finanzverfassung einer Konkretisierung bedarf – wenn auch nicht durch den Gesetzgeber – wurde bereits im vorherigen Kapitel zugestimmt. Über diese prinzipielle Konkretisierungsbedürftigkeit hinaus nennt das Bundesverfassungsgericht das aus seiner Sicht taugliche Instrument einer solchen – verfassungsrechtlich gebotenen – Konkretisierung. Durch die Einforderung eines Maßstäbegesetzes wird festgelegt, wer die Zuständigkeit für die zu leistende Konkretisierung innehaben soll und in welcher Form dies nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zu geschehen habe. Letztere Aspekte sind Gegenstand des folgenden Kapitels. Die grundsätzliche Konkretisierungsbedürftigkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe vorausgesetzt, wirft das Maßstäbegesetz eine Vielzahl von Fragen rechtsphilosophischer, normenhierarchischer und nicht zuletzt (verfassungs-) prozessualer Art auf. Im Zusammenhang mit der Beantwortung dieser Fragen sind zwei Problemkreise zu behandeln. Einerseits soll festgestellt werden, ob die Figur eines Maßstäbegesetzes prinzipiell geeignet ist, zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Grundgesetzes beizutragen. Andererseits wird der konkrete AnwenBVerfGE 101, 158 (1. Leitsatz). BVerfGE 101, 158 (1. Leitsatz). 7 BVerfGE 1, 14, 32; 3, 225, 231; 7, 198, 205; 19, 206, 220; 33, 23, 27; 49, 24, 56; 55, 274, 300;.aus der Literatur hierzu: Stern, Staatsrecht, Band I, S. 131; Ossenbühl, Probleme und Wege der Verfassungsauslegung, DÖV 1965, S. 654; Leibholz-Rinck-Hesselberger, GG, Einf., Rn. 31; Badura, Verfassung, Staat und Gesellschaft, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Band II, 1976, S. 2 ff. unter Hinweis auf BVerfGE 1, 14, 32; 3, 225, 231; Drath, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStL 20 (1963), S. 106; Leibholz, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 119; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 138; Schneider, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 108; Scheuner, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 125; Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 77; Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 233 ff.; für die Weimarer Reichsverfassung: Bilfinger, Verfassungsumgehung, AöR 50, S. 181; ferner: Burckhardt, Methode und System, S. 15. 5 6

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IV. Konzept eines Maßstäbegesetzes

dungsfall dieses Konzepts, namentlich das Maßstäbegesetz zum Finanzausgleich, auf seine Konkretisierungssubstanz hin untersucht.

2. Das Maßstäbegesetz zum Finanzausgleich (BGBl. I 2001, 2303 ff.) a) Der Gesetzgebungsauftrag in BVerfGE 101, 158 ff. Zu den Leitentscheidungen zum Finanzausgleich ist neben BVerfGE 72, 330 ff. und BVerfGE 86, 148 ff. das Urteil des 2. Senates vom 11. November 19998 zu zählen. Hier wurde der Gesetzgeber verpflichtet, „das verfassungsrechtlich nur in unbestimmten Rechtsbegriffen festgelegte Steuerverteilungs- und Ausgleichsystem durch anwendbare, allgemeine, ihn selbst bindende Maßstäbe gesetzlich zu konkretisieren und zu ergänzen“9. Durch die Schaffung von „auf langfristige Geltung angelegten fortschreibungsfähigen Maßstäben“10 soll der Bundesgesetzgeber – mit Zustimmung des Bundesrates – sicherstellen, daß „der Bund und alle Länder die verfassungsrechtlich vorgegebenen Ausgangstatbestände in gleicher Weise interpretieren, ihnen dieselben Indikatoren zugrunde legen, die haushaltswirtschaftliche Planbarkeit und Voraussehbarkeit der finanzwirtschaftlichen Grundlagen gewährleisten und die Mittelverteilung transparent machen“11. Insbesondere in bezug auf jene Rechtsbegriffe, die im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehen, werden durch das Gericht hohe Erwartungen an das Maßstäbegesetz gestellt. Neben einer Definition der „durchschnittlichen Finanzkraft (Art. 107 Abs. 1 Satz 4, 2. Hs., Art. 107 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG) als entwicklungsbestimmenden Tatbestand“12 soll das Maßstäbegesetz „eine Unterscheidung zwischen laufenden und sonstigen Einnahmen sowie zwischen notwendigen und sonstigen Ausgaben“13 ermöglichen. Ebenso wird eine Präzisierung der „nur allgemein vorgezeichneten Ziele der Umsatzsteuerverteilung“14 angemahnt. Diese sollen „durch die Verpflichtung zur Maßstäbebildung und zur Begründung finanzwirtschaftlich handhabbar, nachvollziehbar und überprüfbar“15 gemacht werden. Nach der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts stützt sich das Steuerzuweisungs- und Ausgleichssystem demnach auf drei aufeinander aufbauende Rechtserkenntnisquellen. Das Grundgesetz gebe dabei die allgeBVerfGE 101, 158 ff. BVerfGE 101, 158 (1. Leitsatz). 10 BVerfGE 101, 158 (2. Leitsatz). 11 BVerfGE 101, 158 (2. Leitsatz). 12 BVerfGE 101, 158, 216. 13 BVerfGE 101, 158, 216. 14 BVerfGE 101, 158, 216. 15 BVerfGE 101, 158, 216. 8 9

2. Das Maßstäbegesetz zum Finanzausgleich

73

meinen Prinzipien vor, aus welchen das Maßstäbegesetz die langfristig geltenden Zuteilungs- und Ausgleichsmaßstäbe bilde. In Anwendung dieser Maßstäbe entwickle das Finanzausgleichsgesetz auf dritter Stufe schließlich die kurzfristigen konkreten Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen16.

b) Die Umsetzung des Gesetzgebungsauftrages durch den Gesetzgeber Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1999 waren es zunächst die Länder, die Aktivitäten in Richtung auf eine Umsetzung des verfassungsgerichtlichen Gesetzgebungsauftrages entfalteten. In Abstimmungen auf ministerieller Arbeitsebene wurde bereits in dieser frühen Phase der Maßstäbesetzung deutlich, daß ein Kompromiß nur zu finden sein würde, wenn die finanziellen Auswirkungen für jedes einzelne Land hinreichend berücksichtigt würden. Dementsprechend bildeten sich zwei Gruppen von Ländern, die durch eine ähnliche Interessenlage verbunden waren. Auf der einen Seite bildete sich der sog. „Hannoveraner Kreis“ unter der Federführung des Niedersächsischen Finanzministeriums. Ihm gehörten neben der Hansestadt Hamburg die Nehmerländer im Länderfinanzausgleich an. Demgegenüber standen die Zahlerländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein- Westfalen, die stärkere Wettbewerbselemente im künftigen Finanzausgleich forderten. Eine erste Annäherung dieser beiden Blöcke wurde auf der MinisterpräsidentenKonferenz vom 24. / 25. März 2000 erzielt. In den „Eckpunkten zur Weiterentwicklung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs“ wurde als kleinster gemeinsamer Nenner zunächst eine Ausklammerung der Frage nach der Neugliederung der Länder und der grundsätzlichen Rechtfertigung der Stadtstaatenklausel vereinbart. Am 12. Oktober 2000 wurde durch den Bundestag der Sonderausschuß „Maßstäbegesetz / Finanzausgleichsgesetz“ eingesetzt, ohne daß dieser zunächst selbst Position bezog oder gar einen Gesetzentwurf erarbeitete. Auf der Konferenz der Ministerpräsidenten vom 27. / 28. Januar 2001 wurden die gemeinsamen Positionen der Länder weiter präzisiert. Hier wurde das Ziel formuliert, den künftigen Finanzausgleich zugunsten der Zahlerländer mit stärkeren Anreizwirkungen, verbunden mit einem höheren Selbstbehalt, auszugestalten. Durch einen weiteren Beschluß zeichnete sich bereits zu diesem Zeitpunkt das Scheitern des Maßstäbekonzepts ab: Die Länder vereinbarten einen sog. „12-DMKorridor“. Damit sollte sichergestellt werden, daß keines der Länder durch die Maßstäbebildung Mehr- oder Mindereinnahmen erzielt, die „12 DM je Einwohner“ im Vergleich zu den Jahren 1999 und 2000 übersteigen.

16

Vgl. BVerfGE 101, 158, 216 ff.

74

IV. Konzept eines Maßstäbegesetzes

Mit Beschluß vom 15. Februar 2001 legte die Bundesregierung einen vom Bundesministerium der Finanzen zum Januar 2001 fertiggestellten Entwurf eines Maßstäbegesetz (MaßStG-E) vor17, welcher am 23. Februar dem Bundesrat zugeleitet wurde18. Dieser Entwurf ist vor allem durch zwei bemerkenswerte Eigenschaften gekennzeichnet. Zum einen zeigt der Entwurf, den Konkretisierungsgrad betreffend, insbesondere bei der vertikalen Umsatzsteuerverteilung weit größere Zurückhaltung als beim Länderfinanzausgleich19. Eine Definition der unbestimmten Rechtsbegriffe der „laufenden Einnahmen“ und der „notwendigen Ausgaben“ fehlte zwar nicht völlig20. Als „einheitlicher Maßstab“ hierfür wurden unter Rückgriff auf die sog. Finanzausgleichsfunktion der Haushaltspläne21 in § 4 MaßStG-E von einigen Ausnahmen abgesehen die „in den Haushalts- und Finanzplänen von Bund und Ländern . . . veranschlagten Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben“ benannt. Dieser Vorschlag sollte während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens noch der konkreteste bleiben. Er ist dennoch, wie noch aufgezeigt wird, aus teleologischer Sicht völlig unzureichend22. Zum anderen zeigte sich der Bund weitgehend unbeeindruckt von den unter den Ländern bereits gefundenen Kompromissen. Es war zum Zeitpunkt des Beschlusses der Bundesregierung absehbar, daß zentrale Forderungen des Entwurfs die Zustimmung der Länderkammer nicht finden würden, ein zumindest partielles Scheitern der Vorlage war offenbar einkalkuliert. Etwa die in § 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 des Entwurfes festgelegte vollständige23 Einbeziehung der kommunalen Steuereinnahmen in die Finanzkraft der Länder war von den finanzstarken Ländern bereits während der Konsultationen der Länder abgelehnt worden. Erwartungsgemäß lehnte daher der Bundesrat am 27. April 2001 den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab. Nunmehr fanden vom 11. Mai bis 29. Juni 2001 intensive Beratungen des Sonderausschusses „Maßstäbegesetz / Finanzausgleichs17 Zu diesem Entwurf: Geske, Wenn gesetzliche Konkretisierungen zu allgemeinen Maßstäben führen sollen, Wirtschaftsdienst 2001, S. 214 ff. 18 BR-Drucks. 161 / 01. 19 Ebenso: Korioth, Maßstäbegebung im bundesstaatlichen Finanzausgleich, ZG 2002, S. 342. 20 So aber: Korioth, Maßstäbegebung im bundesstaatlichen Finanzausgleich, ZG 2002, S. 342. Kritisch auch: Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1309, der allerdings immerhin den Definitionscharakter des § 4 MaßStG – unkommentiert – anerkennt; ferner: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 261. 21 Hierzu: Gröpl, in: Bonner Kommentar, Art. 110, Rn. 46. 22 Vgl. hierzu im folgenden: V. 3. 23 Nach der bisherigen Rechtslage waren nach § 8 Abs. 5 Finanzausgleichsgesetz (1993) die kommunalen Einnahmen hälftig einbezogen worden. 24 BT.-Drucks. 14 / 6533.

2. Das Maßstäbegesetz zum Finanzausgleich

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gesetz“ des Bundestages ausdrücklich auf Grundlage des Regierungsentwurfes statt. Durch diese Ausrichtung der Beratung unter Zugzwang gesetzt, präzisierten die Länder auf einer Konferenz der Ministerpräsidenten vom 21. / 22. Juni 2001 ihre Forderungen und erzielten auf Grundlage dessen am 23. Juni 2001 Einigung mit dem Bundeskanzler. Erst im Anschluß an diese Einigung folgten der Bericht und die Stellungnahmen des Sonderausschusses „Maßstäbegesetz / Finanzausgleichsgesetz“24. Das „Gesetz über verfassungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern sowie die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen“25 wurde schließlich am 5. Juli 2001 vom Bundestag beschlossen, der Bundesrat stimmte am 13. Juli 2001 zu.

c) Zur Konkretisierungssubstanz des Maßstäbegesetzes zum Finanzausgleich (BGBl. I 2001, S. 2302) Unbefangen sollte man erwarten dürfen, diesem Gesetz umfassend Antwort auf Auslegungsfragen im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs entnehmen zu können. Die für die Umsatzsteuerverteilung maßgeblichen Regelungen des Maßstäbegesetzes finden sich in den §§ 1 bis 4 MaßStG. § 1 enthält laut Überschrift die „Grundsätze“ des Maßstäbegesetzes. Diese stellen bei näherer Betrachtung in § 1 Abs. 1 nichts anderes dar als eine Wiederholung des bereits vom Bundesverfassungsgericht26 definierten Anwendungsbereichs des Maßstäbegesetzes. § 1 Abs. 2 MaßStG repetiert die im selben Urteil27 mit dem Gesetzgebungsauftrag einer Maßstäbegesetzgebung verfolgten Ziele. § 2 MaßStG firmiert zwar unter der Überschrift „Bindungswirkung“, sagt hierüber jedoch nichts. Statt dessen wird in § 2 Abs. 1 festgelegt, daß das Finanzausgleichsgesetz der Ableitung der jährlichen Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen dient. Auch dieses ergibt sich bereits aus der vom Bundesverfassungsgericht einer Maßstäbegesetzgebung unterlegten Funktion. Die in § 2 Abs. 2 festgelegte Sicherstellung einer Anpassungsfähigkeit des Finanzausgleichsgesetzes an „finanzwirtschaftliche Veränderungen“ findet sich ebenfalls im Urteilstext28. Ebenso überflüssig wie nichtssagend ist die in Abs. 3 folgende Verpflichtung des Finanzausgleichsgesetzgebers auf „Normenklarheit“ und Normenverständlichkeit“.

25 26 27 28

BGBl. I, S. 2302. BVerfGE 101, 158, 214 f. BVerfGE 101, 158, (2. Leitsatz). BVerfGE 101, 158, 226.

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IV. Konzept eines Maßstäbegesetzes

§ 3 befaßt sich mit dem sog. „Eigenbehalt“. Hierdurch soll für die Länder eine stärkere Anreizwirkung erreicht werden, indem finanzwirtschaftlich erfolgreiche Länder stärker als bislang von der eigenen Ertragsstärke profitieren. Von Konkretisierung kann auch hier nicht die Rede sein. Die Sicherung des „Eigenbehalts“ wird nicht weiter präzisiert. § 3 bleibt somit programmatischer Natur. Im übrigen ist die Sicherung des „Eigenbehalts“ auch in systematischer Hinsicht mißglückt. Dieses grundsätzliche Anliegen betrifft den Länderfinanzausgleich und wäre demnach in diesem Regelungskomplex besser aufgehoben. § 4 MaßStG befaßt sich mit der vertikalen Umsatzsteuerverteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 1 GG. Dessen Abs. 1 legt als Grundlage der Umsatzsteuerverteilung das in der Praxis ohnehin bevorzugte Deckungsquotenverfahren fest. Definitionen der unbestimmten Rechtsbegriffe der „laufenden Einnahmen“ und der „notwendigen Ausgaben“ finden sich hier indessen nicht. Die noch im Entwurf der Bundesregierung29 enthaltende Definition ist durch den Sonderausschuß „Maßstäbegesetz / Finanzausgleichsgesetz“ ohne Ersatz gestrichen worden.

d) Resümee: Ein fehlgeschlagener Konkretisierungsversuch Die eingangs erwähnte Hoffnung, im Maßstäbegesetz zumindest Richtlinien zur Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe zu finden, sieht sich angesichts des Gesetzeswortlauts enttäuscht. Es kann nach alledem nur festgestellt werden, daß das Maßstäbegesetz in der verabschiedeten Form zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung keinen nennenswerten Beitrag leistet. Das Maßstäbegesetz stellt insbesondere in dem hier untersuchten Teil zur Verteilung der Umsatzsteuer im wesentlichen eine – zum Teil wortgenaue – Abschrift der bundesverfassungsgerichtlichen Ausführungen dar. Es bleibt ohne wirkliche Konkretisierungssubstanz30.

3. Maßstäbegesetzgebung als prinzipiell taugliches Konkretisierungskonzept? Ungeachtet des vorläufigen Scheiterns einer Maßstäbegesetzgebung zum Finanzausgleich durch die Weigerung des Gesetzgebers, durch hinreichend oder wenigstens nennenswert konkrete Maßstäbe dem Gesetzgebungsauftrag des Bundes29 § 4 Maßstäbegesetz-E lautete: „Einheitlicher Maßstab für die laufenden Einnahmen und die notwendigen Ausgaben sind die in den Haushalts- und Finanzplänen von Bund und Ländern . . . veranschlagten Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben ohne besondere Finanzierungsvorgänge, . . .“, vgl.: BR-Drucks. 161 / 01. 30 Im Ergebnis ebenso: Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1309.

3. Maßstäbegesetzgebung als prinzipiell taugliches Konkretisierungskonzept?

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verfassungsgerichts Folge zu leisten, bleibt die Frage zu klären, ob das Maßstäbekonzept prinzipiell eine tragfähige Lösung bildet, die unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung zu konkretisieren.

a) Die rechtsphilosophische Begründung einer Maßstäbebildung: (Frei nach) „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ (J. Rawls) Durch die Forderung nach einer vorgängigen Maßstäbebildung ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1999 eine ganz bestimmte Vorstellung unterlegt, wie der Finanzausgleich zukünftig zu sachgerechten Lösungen zu führen sei. Es wird ausdrücklich J. Rawls’ „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ zitiert31. Dieses Zitat findet sich im Zusammenhang mit dem Hinweis, daß sich „kein allgemeiner „Schleier des Nichtwissens“ über die Entscheidungen der Abgeordneten breiten läßt“32. Dieser Passus verwundert in zweierlei Hinsicht: Zum einen sind es nicht die Abgeordneten, über die bei dem momentanen procedere ein „Schleier des Nichtwissens“ zu legen wäre, sondern vielmehr die Finanzminister und -senatoren der am „Aushandeln“ der Finanzausgleichsgesetze beteiligten Exekutiven33. In der bundesstaatlichen Realität werden die Finanzausgleichsgesetze als lediglich einigen Experten vertraute Spezialmaterie vom Parlament geradezu „blind“ beschlossen. Stets haben die in Expertenrunden ausgehandelten Verteilungsergebnisse Parlament und Länderkammer ohne wesentliche Änderungen passiert. Vorgängig müßten demnach Überlegungen sein, wie der Finanzausgleichsgesetzgeber aus seiner bloßen „Notarrolle“ befreit werden könnte. Zum anderen würde sich in dem genannten Urteil wohl kaum ein – in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eher untypischer – expliziter Rückgriff auf ein philosophisches Werk finden, wenn das Gericht nicht von dessen Verwertbarkeit in der zu behandelnden Materie überzeugt wäre. So findet sich bereits im selben Satz der Entscheidung der Gedanke, daß ein Maßstab zu entwickeln sei, „ohne dabei den konkreten Anwendungsfall schon voraussehen zu können“34. Demnach ist an dieser Stelle trotz der abwehrenden Behauptung des Bundesverfassungsgerichts eine Auseinandersetzung mit der Tragfähigkeit der theoretischen Konstruktion und der praktischen Umsetzbarkeit des Gerechtigkeitsbildes von J. Rawls angezeigt.

31 32 33 34

BVerfGE 101, 158, 218. BVerfGE 101, 158, 218. Vgl. hierzu oben: III. 3. BVerfGE 101, 158, 218.

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IV. Konzept eines Maßstäbegesetzes

aa) Interessenabstraktion als Instrument der Herstellung von „Gerechtigkeit“ in theoretischer Konstruktion Die erklärte Grundlage von Rawls Gerechtigkeitsvorstellung mit ausdrücklichem Hinweis auf die Werke von Locke, Rousseau und Kant35 ist die Theorie des Gesellschaftsvertrages36. Diese besagt in nuce, daß sich die Individuen einer Gesellschaft deren Regeln unterwerfen, weil sie diese Grundlagen ihres Zusammenlebens im Sinne einer Vereinbarung billigen. Die einzelnen Subjekte der Gesellschaft haben sich nach dieser Vorstellung im Vorwege auf bestimmte Grundsätze geeinigt, die von allen zu befolgen sind und sozusagen die Geschäftsgrundlage der Gemeinsamkeit darstellen. Dabei geht Rawls davon aus, daß eine Gesellschaft als „Unternehmen zur Förderung des gegenseitigen Vorteils“37 zu begreifen sei. Für diese sei aber charakteristisch, daß sie „nicht nur von Interessenharmonie, sondern von Konflikt“38 geprägt ist. Diese Konflikte ergäben sich daraus, daß es den „Menschen nicht gleichgültig ist, wie die durch ihre Zusammenarbeit erzeugten Güter verteilt werden, denn jeder möchte lieber mehr als weniger haben“39. Rawls Ziel ist nun, die Gesellschaft so auszugestalten, daß diese Interessengegensätze nicht zu einer ungerechten Verteilung der Güter führen. Die Aufstellung dieser gemeinsamen Grundsätze wird von Rawls als „Übereinkunft“ im „Urzustand“ begriffen40. Rawls „Theorie der Gerechtigkeit“ ist in diesem Zusammenhang der Versuch, diese ursprüngliche Vereinbarung gerecht zu gestalten. Im Kern ist Rawls Medium der Herstellung einer gerechten Gesellschaft im Rahmen eines solchen Vertrages das der Interessenabstraktion. Rawls selbst prägt hierfür den vom Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung41 zitierten Begriff vom „Schleier des Nichtwissens“42. Damit ist indessen wenig gesagt. Vorgestellt sind damit nämlich keineswegs – auch nicht idealiter – an der Maßstäbebildung Beteiligte, die sich sämtlichen Wissens entledigen. Vielmehr sollen diese die gesellschaftlichen Umstände kennen. Auch die verschiedenen Interessen der Beteiligten sollen bekannt sein. Die Forderung nach einem „Schleier des Nichtwissens“ bezieht sich lediglich auf die Frage, welches die jeweils eigenen Interessen sind. Zum Zeitpunkt der Übereinkunft, also der Maßstäbesetzung, soll also nur von der Subjektivität der – allen wohl bekannten – Interessen abstrahiert werden. Die von Rawls vorgestellte Situation, die nach seiner Ansicht zu einer gerechten Über35 Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 27, erwähnt hier Second Treatise of Government (Locke), Contrat social (Rousseau) und Metaphysik der Sitten (Kant). 36 Rawls, ebd., S. 27. 37 Rawls, ebd., S. 20. 38 Rawls, ebd., S. 20. 39 Rawls, ebd., S. 20. 40 Rawls, ebd., S. 159 f. 41 BVerfGE 101, 158, 218. 42 Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 159.

3. Maßstäbegesetzgebung als prinzipiell taugliches Konkretisierungskonzept?

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einkunft führt, ist demnach gerade dadurch qualifiziert, daß „niemand seine Stellung in der Gesellschaft kennt“43. Auf diese Weise könne sich „niemand Grundsätze ausdenken . . . , die ihn aufgrund seiner besonderen Verhältnisse bevorzugen“44. Schon dieser theoretische Ansatz begegnet einigen dogmatischen Bedenken, von denen hier nur die meines Erachtens wichtigsten vorgetragen werden sollen. So setzt die Rawlssche „Theorie der Gerechtigkeit“ voraus, daß die maßgeblichen Informationen über die entsprechenden – potentiellen und tatsächlichen – Interessen bei der Maßstäbebildung erlangbar sind. Es müssen nach der Theorie sämtliche später auftretenden Ausgangspositionen definiert werden, ohne daß schon jemand weiß, welche die seine ist. Ein solches Definitionsvorhaben muß an einem Informationsdefizit leiden. Niemand kann, selbst wenn er unparteiisch ist, sämtliche Interessenlagen so präzise durchschauen, wie dies ein jeweils Betroffener für seine eigenen Interessen könnte. Ein Unternehmer am Markt kennt beispielsweise seine eigenen Voraussetzungen etwa hinsichtlich des Einkaufs und der Weiterverarbeitung seines Produktes. Mit den Voraussetzungen der Konkurrenz kommt er nur über den Marktpreis in Kontakt. Seine Kenntnisse über die Situation der Konkurrenz bleiben stets auf viel geringerem Niveau als über seine eigene. Die Ausblendung der Subjektivität eines Interesses ist somit regelmäßig auch ein gewisser Verlust an der Präzision der Erfüllung dieses Interesses. Darüber hinaus wäre die Zahl der in apriorischer Maßstäbebildung festgelegten Positionen notwendig begrenzt. Man könnte hier von einem Typenzwang der abstrakten Positionen sprechen. Der Rawlsschen „Theorie der Gerechtigkeit“ haftet somit etwas Totalitäres an. Es ist nicht vorhersehbar, welche Entwicklung einzelne Teile der Gesellschaft in Zukunft nehmen werden, zumal sich die Entwicklung von komplexen Systemen mitunter dem Willen der einzelnen Teilnehmer entzieht45. Somit sind diese künftigen Entwicklungen auch nicht a priori zu definieren. Daneben ist einzuwenden, daß Rawls von der Möglichkeit auszugehen scheint, mit seiner Methode – zumindest in der Theorie – in allen Fällen zwangsläufig zu einer bestimmten gerechten Lösung zu gelangen. Es soll mit den einmal festgelegten Grundsätzen weiter verfahren werden, bis eine eindeutige Lösung vorliegt.46 So findet sich die Forderung, die „Prinzipien müssen so bestimmt sein, daß sie eine eindeutige Lösung liefern“47. 43 44 45 46 47

Rawls, ebd., S. 29 (Hervorhebung nur hier). Rawls, ebd., S. 29. Vgl. zur sog. Theorie der spontanen Ordnung (v. Hayek) oben: II. 1. a). Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 223 ff. Rawls, ebd., S. 86.

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IV. Konzept eines Maßstäbegesetzes

Unabhängig von dem von Rawls zugrundegelegten Prinzipienbegriff, über den in „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ im übrigen praktisch nicht reflektiert wird48, erscheint schon dieser scheinbar zwangsläufige Schluß von Prinzipien auf anwendbare Regeln problematisch. Denn geforderte vorgängige Festsetzung der mit Hilfe der beschriebenen Interessenabstraktion gewonnenen Vereinbarungen vermögen nur Regeln zu setzen, die sich gerade in dieser Eigenschaft von den Prinzipien unterscheiden49. Meint Rawls, wenn er von Prinzipien spricht, tatsächlich solche nach der genannten Differenzierung, dann besteht schon die Schwierigkeit, daß Prinzipien, deren Dimension die des Gewichts ist, eine solche Verknüpfung eines Tatbestandes mit einer Rechtsfolge nicht zu leisten im Stande sind. Die Schaffung einer Regel bedeutet vielmehr eine Abwägungsentscheidung zugunsten des einen oder des anderen Prinzips, so daß es hierbei keine absoluten Ergebnisse geben kann. Es spricht allerdings einiges dafür, daß Rawls den Begriff des Prinzips im Sinne einer Rechtsregel versteht50. Hierbei besteht allerdings die Schwierigkeit, daß geschaffene Regeln für ihren Anwendungsbereich im Gegensatz zu den Prinzipien Geltung beanspruchen. Sie sind abwägungsfest. Allerdings bleibt trotz der Definition von Rechtsregeln ein breiter Bereich dessen, was der Mensch vernünftigerweise in bestimmten Situationen tun würde. Ein System, daß alle Fälle im voraus so weit wie möglich zu regeln sucht, ist nicht in der Lage, Zufälliges und Unvorhersehbares zu erfassen51. Gerade das Vernachlässigen des Aspekts der Einzelfallgerechtigkeit – auch in Abweichung zu den geschaffenen Regeln – kann zu offenkundiger Ungerechtigkeit führen. Dem könnte entgegengesetzt werden, daß der jeweiligen Regel nur die entsprechenden Ausnahmetatbestände hinzugefügt werden müßten und damit der Anwendungsbereich der Regel von vornherein beschränkt werden könnte. Allerdings muß es auch hier Fälle geben, in denen nicht eindeutig ist, ob eine – noch so detaillierte – Regel anwendbar ist oder nicht52. Statt um die materielle Entscheidung in einer bestimmten Situation stritten sich die Beteiligten trotz weitgehend festgelegter gemeinsamer Maßstäbe um die Anwendbarkeit der gefundenen Regelung. Selbst wenn es gelänge, bei der Maßstäbebildung Egoismen auszublenden, blieben Interpretationsspielräume schon durch die keineswegs absolute Definitionsgewalt der Sprache. Eine Methode, die Sachgerechtigkeit in dieser letztlich entscheidenden Phase der Anwendung der geschaffenen Regeln zu gewährleisten, bleibt Rawls schuldig. 48 Mit ebendieser Beobachtung auch: Novell-Smith, Eine Theorie der Gerechtigkeit? in: Höffe (Hrsg.), Über J. Rawls, S. 88 f. 49 Zur Abgrenzung von Regeln und Prinzipien vgl. unten: V. 3. a). 50 Mit dieser Vermutung auch: Novell-Smith, Eine Theorie der Gerechtigkeit? in: Höffe (Hrsg.), Über J. Rawls, S. 89. 51 Novell-Smith, Eine Theorie der Gerechtigkeit? in: Höffe (Hrsg.), Über J. Rawls, S. 97. 52 Ebenso: Novell-Smith, Eine Theorie der Gerechtigkeit? in: Höffe (Hrsg.), Über J. Rawls, S. 94.

3. Maßstäbegesetzgebung als prinzipiell taugliches Konkretisierungskonzept?

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Es läßt sich daher wie folgt resümieren: Gegen den Rawlsschen Ansatz lassen sich schon in dessen theoretischer Begründung nach alledem gewichtige Einwände erheben. Zum einen operiert Rawls mit nicht erlangbarem Wissen, indem er davon ausgeht, daß sämtliche Interessen einer Gesellschaft definierbar und damit apriorisch erkennbar sind. Zum anderen bleiben bei dieser Konstruktion notwendigerweise Interpretationsspielräume, die die scheinbare Zwangsläufigkeit der Schaffung von Regeln vereiteln. bb) Zur Praktikabilität des Rawlschen Ansatzes in Sachen Finanzausgleich Neben der Tragfähigkeit der theoretischen Konstruktion stellt sich darüber hinaus die Frage, ob die dem Maßstäbegesetz unterlegte Gerechtigkeitsvorstellung auf die Materie des Finanzausgleichs übertragbar ist. Das Maßstäbegesetz ist nach der oben beschriebenen dreistufigen Ausgestaltung der Rechtsquellen des Finanzausgleichs konkreter als die Regelungen des Grundgesetzes, aber abstrakter als die des Finanzausgleichsgesetzes 53. Die auf diese Weise zu schaffende mittlere Abstraktionsebene des Maßstäbegesetzes erscheint im Hinblick auf den verbleibenden Regelungsgehalt des Finanzausgleichsgesetzes in seinem Charakter als Parlamentsgesetz einerseits und dem Zweck des Maßstäbegesetzes andererseits problematisch. In Art. 106 Abs. 3 Satz 3 GG ist verfassungskräftig angeordnet, daß die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen dem Bund und der Gesamtheit der Länder durch ein einfaches Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln ist. Hiermit ist das Finanzausgleichsgesetz gemeint. Es wäre mit der Qualifikation dieses Gesetzes als einfaches Gesetz nicht zu vereinbaren, wenn die Vorgaben des Maßstäbegesetzes so ausgestaltet wären, daß die konkreten Rechtsfolgen ohne weiteres Zutun des Finanzausgleichsgesetzgebers ableitbar sind. Die Verabschiedung des Finanzausgleichsgesetzes darf nicht zum bloßen logischen oder juristischen Nachvollzug der bereits im Maßstäbegesetz getroffenen Entscheidungen verkürzt werden54. Gesetzgebung bleibt auch in diesem Zusammenhang Gestaltung nach dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers55. Diesem obliegt es, verfassungsrechtliche Bestimmungen auszugestalten56. Bei der Verabschiedung des Finanzausgleichsgesetzes muß dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber demnach ein Kritisch bereits hierzu: Rupp, Länderfinanzausgleich, JZ 2000, S. 269, 270. Ebenso zu Recht: Korioth, Maßstäbegesetzgebung im bundesstaatlichen Finanzausgleich, ZG 2002, S. 339. 55 Ebenso, allerdings zum Verhältnis von Verfassungsrecht zum einfachen Gesetz: Ossenbühl, Gesetz und Recht, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 1988, § 61, Rn. 28. 56 Isensee, Verfassungsrecht als „politisches Recht“, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 1992, § 162, Rn. 50. 53 54

6 Maciejewski

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IV. Konzept eines Maßstäbegesetzes

Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum verbleiben57. Sonst läge ein Formenmißbrauch vor. Andererseits stellt gerade dieser dem Finanzausgleichsgesetzgeber verbleibende Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum den friedensstiftenden Zweck des Maßstäbekonzeptes in Frage. Da diese Spielräume durch wertende Betrachtungen auszufüllen sind, gelänge es auch mit dem Maßstäbegesetz nicht, die gegenläufigen Interesse der Beteiligten ohne politische Konfrontation in Einklang zu bringen. Zweifel bezüglich der praktischen Umsetzbarkeit des Maßstäbekonzeptes in Sachen Finanzausgleich müssen darüber hinaus insbesondere im Hinblick auf die – zumindest partiell – vorausgesetzte Unbefangenheit der an der Schaffung dieser Maßstäbe Beteiligten angemeldet werden58. Dies sind unmittelbar der Bundestag und der Bundesrat, mittelbar die Bundesregierung und die Exekutiven der Länder mit ihren gegenläufigen Interessen. Letztere werden nicht willens sein, von ihren eigenen Interessen zu abstrahieren und bei der – zeitlich vorgängigen – Verabschiedung des Maßstäbegesetzes die konkreten Konsequenzen für ihren jeweiligen Haushalt antizipieren. Das Bundesverfassungsgericht kann während der Beratungen nicht den „Gebrauch von Taschenrechnern verbieten“59. Wegen der relativ überschaubaren Zahl der Beteiligten wird bei jedem Versuch, abstrakt zu definieren, erkennbar sein, welcher Seite die jeweilige Auslegung Mehreinnahmen beschert und welcher sie im Sinne von Mindereinnahmen schadet. Das Bundesverfassungsgericht verlangt von den Beteiligten nicht weniger als einen finanzpolitischen „Blindflug“. Bund und Länder sollen sich „überraschen“ lassen, was denn die geschaffenen langfristigen Maßstäbe konkret für ihren jeweiligen Haushalt bedeuten. Gerade im Hinblick auf § 6 Abs. 1 und 2 Haushaltsgrundsätzegesetz60 und § 7 Abs. 1 und 2 Bundeshaushaltsordnung61 könnte sich die Frage stellen, ob – abgesehen vom fehlenden Willen – die Verantwortlichen des Bundes und der Länder ihre Haushalte solchen unkalkulierbaren Risiken überhaupt aussetzen dürften. Daß diese Bedenken stichhaltig sind, zeigt der bei der praktischen Umsetzung des verfassungsrechtlichen Gesetzgebungsauftrages vereinbarte sog. „12-DM-Korridor“62, der mit der ursprünglichen Vorstellung des Bundesverfassungsgerichts kaum vereinbar ist. Linck63 stellt unter Hinweis auf Trzaskalik64 zudem zutreffend die Frage, ob ein Gesetz, dessen Auswirkungen für einen so zentralen Bereich staatlichen Handelns 57 Ebenso: Korioth, Maßstäbegesetzgebung im bundesstaatlichen Finanzausgleich, ZG 2002, S. 339. 58 So auch: Wieland, Das Konzept eines Maßstäbegesetzes, DVBl. 2000, S. 1312; Bull / Mehde, Der rationale Finanzausgleich, DÖV 2000, S. 309. 59 Wieland, Das Konzept eines Maßstäbegesetzes, DVBl. 2000, S. 1310, 1312. 60 BGBl. I 1969, S. 1273. 61 BGBl. I 1969, S. 1284. 62 Vgl. hierzu oben. IV. 2. b). 63 Das „Maßstäbegesetz“ zum Finanzausgleich, DÖV 2000, S. 329. 64 DIE WELT, 12. November 1999, S. 13.

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niemand absehen kann, mit dem rechtstaatlichen Gebot der Bestimmtheit in Einklang zu bringen ist. cc) Resümee Die Rawlssche Gerechtigkeitsvorstellung läßt schon in theoretischer Hinsicht einige Fragen offen. Selbst wenn diese Bedenken ausgeblendet werden, erscheint die – praktisch wirksame – Umsetzbarkeit des Maßstäbekonzepts im Rahmen der bundesstaatlich sensiblen und politisch umkämpften Verteilung der staatlichen Einnahmen zweifelhaft. Insbesondere der Gedanke vom „Schleier des Nichtwissens“ ist schlichtweg utopisch65. b) Das Problem der Bindungswirkung für den Finanzausgleichsgesetzgeber Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit sich eine Bindung des Finanzausgleichsgesetzgebers an das Maßstäbegesetz verfassungsrechtlich begründen läßt. Denn ließe sich eine solche Bindung bei einer Verfassungsanalyse nicht begründen, wäre die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Maßstäbebildung allenfalls programmatischer Natur. aa) Im Grundsatz: Keine Bindung des Gesetzgebers an einfache Gesetze (1) Der lex-posterior-Grundsatz als Ausdruck des Demokratieprinzips In Art. 20 Abs. 1 GG ist als eines der tragenden Strukturprinzipien des Grundgesetzes das der Demokratie, der Herrschaft des Volkes, verankert. Dieses Prinzip besagt in seinem Kern, daß das Volk Träger der Staatsgewalt ist66. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG wiederholt und betont diese Grundforderung: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“. Die Ausübung staatlicher Gewalt bedarf somit zu ihrer Legitimität einer Rückführbarkeit auf das Volk. Diese Legitimierung durch das Volk geschieht in erster Linie durch Wahlen und Abstimmungen, was durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG sowie Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG zum Ausdruck gebracht wird. Das demokratische Prinzip fordert demnach zunächst die Existenz einer durch Wahlen legitimierten Volksvertretung, eines Parlaments. Damit die seine Existenz rechtfertigende Legitimität des Parlaments nicht verloren geht, gilt der Grundsatz der Periodizität der politischen Wahlen67. Die Volksvertretung muß nach dem demokrati65 66

6*

Linck, Das „Maßstäbegesetz“ zum Finanzausgleich, DÖV 2000, S. 329. Stern, Staatsrecht, Band I, S. 450; Sachs, in. Sachs (Hrsg.), GG, Art. 20, Rn. 10.

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schen Prinzip „in regelmäßigen, im voraus bestimmten Abständen durch Wahlen abgelöst und neu legitimiert werden“68. Die Periodizität des Parlaments muß sich auch auf dessen typische Handlungsform, das Parlamentsgesetz, auswirken. Dem trägt der Grundsatz Rechnung, wonach das zeitlich ältere Gesetz einem zeitlich jüngeren Gesetz weicht, da anzunehmen ist, daß der demokratisch legitimierte Gesetzgeber durch die Verabschiedung des jüngeren Gesetzes die ältere Regelung hat aufheben wollen69. Der Rechtsgrundsatz lex posterior derogat legi priori stellt die Fähigkeit des zeitlich später demokratisch legitimierten Gesetzgebers sicher, sich mit seinen Entscheidungen gegenüber denen seiner Vorgänger durchzusetzen. Eine Bindungswirkung einfacher Gesetze für den Gesetzgeber bedeutet in diesem Zusammenhang nicht weniger als eine sukzessive Beschränkung der Entscheidungsbreite des nachfolgenden Gesetzgebers. (2) Die Bindung des einfachen Gesetzgebers nach Art. 20 Abs. 3 GG Der lex-posterior-Gundsatz ist nicht nur eine Rechtsanwendungsregel, sondern darüber hinaus von staatsrechtlicher Bedeutung. Verfassungskräftig ist er daher in Art. 20 Abs. 3 GG angelegt. Demnach sind Exekutive und Rechtsprechung an „Recht und Gesetz“ gebunden, die Gesetzgebung hingegen an die „verfassungsmäßige Ordnung“. Unter Gesetz und Recht sind jedenfalls neben der Verfassung die förmlichen Gesetze zu verstehen70. Von dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtung sind alle staatlichen Aktivitäten mit Ausnahme der des förmlichen Gesetzgebers erfaßt71. Die Bindungen des Gesetzgebers sind insoweit enger, da der Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung“ den gesamten Normbestand des Grundgesetzes bezeichnet72, nicht aber einfache Gesetze. Eine Bindung des Gesetzgebers an solche Gesetze stellte demnach eine Ausnahme zu Art. 20 Abs. 3 GG dar und bedarf auch daher einer verfassungsrechtlichen Begründung. bb) Verfassungsrechtliche Begründung einer Bindungswirkung (1) Das Maßstäbegesetz als „lex superior“? Eine Bindungswirkung des Maßstäbegesetzes für den Finanzausgleichsgesetzgeber wäre dann anzunehmen, wenn sich eine materielle Höherwertigkeit des Maß67 68 69 70 71 72

Hierzu: Stern, Staatsrecht, Band I, S. 456. BVerfGE 18, 151, 154; Ferner: Knies, Diskontinuität des Parlaments, JuS 1975, S. 423. Hierzu etwa: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 250 ff. Jarass, in Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 38. Jarass, in Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 37. Jarass, in Jarass / Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 32, m. w. N.

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stäbegesetzes gegenüber den übrigen einfachen Gesetzen aus dem Grundgesetz ableiten ließe. Degenhart versucht, dieses Rangverhältnis zu den einfachen Gesetzen mit dem spezifischen Verfassungsbezug des Maßstäbegesetzes zu begründen. Die besondere Konkretisierungsfunktion des Maßstäbegesetzes rechtfertige eine materielle Höherwertigkeit73. Dies vermag nicht zu überzeugen, da letztlich jedes einfache Gesetz in gewisser Weise die Normen des Grundgesetzes konkretisiert, so daß das Maßstäbegesetz auch aus der Perspektive seiner besonderen Eigenart ohne weiteres in die Kategorie des einfachen Gesetzes einzuordnen ist. Daneben findet eine materielle Höherwertigkeit „konkretisierender“ Gesetze im Grundgesetz keine Grundlage. Eine erhöhte Bestandskraft für eine bestimmte Gruppe von einfachen Gesetzen läßt sich verfassungsrechtlich nicht begründen74. Ein solches Rangverhältnis zwischen einfachen Gesetzen stellte einen schweren Eingriff in die als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips zu begreifende Normenhierarchie des Grundgesetzes dar. Der Gesetzgeber ist bei der Verabschiedung einfacher Gesetze nur an die Verfassung gebunden. Ausnahmen hiervon sind verfassungsrechtlich in Art. 25 GG für die allgemeinen Regeln des Völkerrechts75, das Recht der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 23 GG76 und gemäß Art. 79 Abs. 3 GG für verfassungsändernde Gesetze77 vorgesehen. Alle anderen einfachen Gesetze haben im Hinblick auf ihre Bestandskraft den gleichen Rang78. (2) Parallelität zur Grundsätzegesetzgebung nach Art. 109 Abs. 3 GG? Nach Art. 109 Abs. 3 GG steht dem Bund die Kompetenz zu, für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und eine mehrjährige Finanzplanung durch Bundesgesetz aufzustellen. Diese Vorschrift modifiziert insoweit die in Art. 109 Abs. 1 GG kodifizierte Grundregel der Trennung der Haushaltswirtschaften des Bundes einerseits und der Länder andererseits79. In dem vorliegenden Zusammenhang interessiert dabei die Frage, ob sich der Bundesgesetzgeber durch die Haushaltsgrundsätzegesetzgebung selbst normativ zu binden vermag80 und ob diese Überlegungen auf das Maßstäbegesetz übertragbar sind. Degenhart, Maßstabsbildung und Selbstbindung, ZG 2000, S. 88. Linck, Das „Maßstäbegesetz“ zum Finanzausgleich, DÖV 2000, S. 329. 75 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 25, Rn. 5 ff. 76 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 23, Rn. 18 ff. 77 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79, Rn. 6. 78 Hierzu: Tiemann, Grundsatzgesetzgebung, DÖV 1974, S. 233. 79 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 109, Rn. 9 ff. 80 Hierzu: Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig, GG, Band III, 1996, Art. 109, Rn. 16 ff.; Kisker, Staatshaushalt, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 89, Rn. 11; Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeiten, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 100, Rn. 295; Siekmann, in: Sachs 73 74

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(a) Die Bindungswirkung des Haushaltsgrundsätzegesetzes Sowohl das Haushaltsgrundsätzegesetz als auch die Bundeshaushaltsordnung81 und das Stabilitätsgesetz 82 sind einfache Gesetze83. Wie bereits dargelegt ist eine Bindung des Gesetzgebers an einfache Gesetze mit der Normenhierarchie des Grundgesetzes nicht vereinbar84. Die vom Haushaltsgrundsätzegesetz ausgehenden Bindungswirkungen für den einfachen Gesetzgeber sind daher in erster Linie formeller Natur. Diese Wirkung wird – ohne daß dabei eine materielle Höherwertigkeit des Haushaltsgrundsätzegesetzes begründet würde85 – durch unterschiedliche Verfahrensanordnungen an Haushalts- und Haushaltsgrundsätzegesetzgebung geschaffen86. Während das Bundeshaushaltsgesetz nach Art. 110 Abs. 2 GG lediglich als Einspruchsgesetz ausgestaltet ist, bedarf es zur Verabschiedung und Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes nach Art. 109 Abs. 3 GG der Zustimmung des Bundesrates. Diese Divergenz in den grundgesetzlich vorgeschriebenen Verfahren ist der Ansatzpunkt für eine Bindungswirkung. Um die Verfahrensanforderungen des Art. 109 Abs. 3 GG nicht zu unterlaufen, kann der Bundesgesetzgeber weder durch sein Haushaltsrecht noch durch die Bundeshaushaltsordnung vom Haushaltsgrundsätzegesetz ohne dessen vorheriger Änderung abweichen87. Es gilt gewissermaßen ein normativer Typenzwang88: Modifizierungen der Grundsätze sind als solche explizit zu benennen und im entsprechenden Verfahren durchzuführen. Nur die grundgesetzliche Festlegung des Grundsätzegesetzgebers auf dieses gegenüber der Haushaltsgesetzgebung qualifizierte Verfahren verhindert, daß der Haushaltsgesetzgeber mit der Modifikation seines Haushaltsrechts zugleich die Grundsätze dafür ändert. Weiter reicht die Bindungswirkung des Haushaltsgrundsätzegesetzes indessen nicht. Insbesondere ist der Bundesgesetzgeber grundsätzlich nicht gehindert, das Haushaltsgrundsätzegesetz – im durch Art. 109 Abs. 3 GG angeordneten Verfahren – zu ändern. (b) Übertragbarkeit auf das Maßstäbegesetz? Fraglich ist nunmehr, ob sich das für die Grundsätzegesetzgebung geltende Verhältnis zum übrigen einfachen Recht auf die Maßstäbe- und Finanzausgleichsge(Hrsg.), GG, Art. 109 Rn. 38; Tiemann, Grundsatzgesetzgebung, DÖV 1974, S. 234; Vogel / Wiebel, in: Bonner Kommentar, Art. 109, Rn. 171. 81 Gesetz vom 19. August 1969, BGBl. I, S. 1284. 82 Gesetz vom 8. Juni 1967, BGBl. I, S. 582. 83 Ebenso: Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 109, Rn. 38. 84 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 109, Rn. 38. 85 Tiemann, Grundsatzgesetzgebung, DÖV 1974, S. 233. 86 Ebenso: Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 109, Rn. 40. 87 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 109, Rn. 52. 88 Ähnlich: Pieroth, Missachtung gesetzter Maßstäbe, NJW 2000, S. 1086, 1087, mit dem Terminus „Rechtsformgebot“.

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setzgebung übertragen läßt. Zwischen der Grundsätzegesetzgebung nach Art. 109 Abs. 3 GG und der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Maßstäbegesetzgebung im Rahmen der Art. 106 und 107 GG müßten dafür so enge Parallelen bestehen, daß diese zur Begründung einer Bindungswirkung des Maßstäbegesetzes für den Finanzausgleichsgesetzgeber gereichen könnten. Dies erscheint jedoch schon im Hinblick auf unterschiedliche Zielsetzungen von Grundsätze- und Maßstäbegesetzgebung zweifelhaft89. Die Grundsätzegesetzgebung nach Art. 109 Abs. 3 GG wird als interföderale Vereinbarung bezeichnet90. Die durch das Haushaltsgrundsätzegesetz aufgestellten Grundsätze betreffen nicht in erster Linie materielle Entscheidungen über die Haushaltsführung von Bund und Ländern, sondern flankieren diese. Zweck dieser Grundsätze ist vielmehr die Schaffung einer Vergleichbarkeit sowohl der Ausgangslage im Vorfeld als auch der Ergebnisse finanzpolitischer Entscheidungen im Nachhinein. Dies geschieht vor dem Hintergrund, den beteiligten Körperschaften eine konjunkturgerechte Finanzplanung- und -koordinierung zu ermöglichen91. Die Grundsätzegesetzgebung weist eher Parallelen zur Rahmengesetzgebung nach Art. 75 GG auf92 und ist konstruktiv keine Vorwegnahme haushaltspolitischer Entscheidungen in abstrakter Form93. Letzteres ist nach der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts aber gerade die Funktion eines Maßstäbegesetzes. Es soll materielle Entscheidungen vorwegnehmen, um diese dem freien Spiel der politischen Kräfte zu entziehen und eine „rein interessenbestimmte Verständigung über Geldsummen“94 zu unterbinden. Wegen dieses funktionalen Unterschieds kann nicht ohne weiteres behauptet werden, daß die normativen Wirkungen der Grundsätzegesetzgebung auch für die Maßstäbegesetzgebung gelten müssen. Hiergegen sprich schon der Verfassungstext. Während in Art. 109 Abs. 3 GG die Kompetenz des Bundes zur Grundsätzegesetzgebung explizit verankert ist, findet sich in den Art. 106 und 107 GG nur die ausdrückliche Forderung nach einem „Bundesgesetz“, also dem Finanzausgleichsgesetz. Die Kompetenz zur Aufstellung eines dem Finanzausgleichsgesetz vorgeschalteten weiteren Gesetzes findet sich hier gerade nicht95. 89 Tiemann, Grundsatzgesetzgebung, DÖV 1974, S. 232; a.A.: Bull / Mehde, Der rationale Finanzausgleich, DÖV 2000, S. 309, die die Übertragbarkeit vom Haushaltsgesetzgeber auf den Finanzausgleichsgesetzgeber schlicht für „unbestreitbar“ halten. 90 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 109, Rn. 51; Tiemann, Grundsatzgesetzgebung, DÖV 1974, S. 233. 91 Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 109, Rn. 10 ff. 92 Pieroth, Missachtung gesetzter Maßstäbe, NJW 2000, S. 1086, 1087; Tiemann, Grundsatzgesetzgebung, DÖV 1974, S. 233. 93 Ähnlich zur Funktion der Grundsätzegesetzgebung: Tiemann, Grundsatzgesetzgebung, DÖV 1974, S. 232. 94 BVerfGE 101, 158, 217.

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IV. Konzept eines Maßstäbegesetzes

Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, daß der Bundesgesetzgeber nicht zur Aufstellung eines Haushaltsgrundsätzegesetzes verpflichtet ist. Art. 109 Abs. 3 GG formuliert keinen Gesetzgebungsauftrag, sondern ist eine bloße Kompetenzzuweisung96. Die Bindung des Gesetzgebers an ein einfaches Gesetz, zu dessen Aufstellung er verpflichtet ist, ist mit der Situation des Haushaltsgesetzgebers nicht vergleichbar. Erläßt der Bund solche Haushaltsgrundsätze, so basiert deren Schaffung auf einer Freiwilligkeit, die die geschilderten Bindungswirkungen – zumindest innerhalb einer Legislaturperiode – gerechtfertigt erscheinen lassen. Auch insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zum Maßstäbegesetz, da hier ein Gesetzgebungsauftrag erteilt wurde, dem sich der Bundesgesetzgeber nicht entziehen kann. Selbst bei einer – mit dem Bundesverfassungsgericht unterstellten – impliziten grundgesetzlichen Forderung nach einem Maßstäbegesetz fehlt es an einem den Regelungen des Art. 109 Abs. 3 GG vergleichbaren Ansatzpunkt für die Bindungswirkung in dem beschriebenen Sinne: Die grundgesetzlich vorgeschriebenen bzw. bundesverfassungsgerichtlich geforderten Verfahren für die Verabschiedung und Änderung von Maßstäbegesetz und Finanzausgleichsgesetz divergieren nicht. Das Finanzausgleichsgesetz bedarf nach Art. 106 Abs. 3 Satz 3 GG der Zustimmung des Bundesrates. Dieses Verfahrenserfordernis hat das Bundesverfassungsgericht auf das geforderte Maßstäbegesetz begründungslos übertragen97. Eine Bindungswirkung, die mit der des Art. 109 Abs. 3 GG vergleichbar wäre, entstünde nur, wenn für das Maßstäbegesetz gegenüber dem Finanzausgleichsgesetz ein anderes Verfahren gefordert wäre. Der Schutz dieser Verfahrensanordnung hätte durch den beschriebenen Typenzwang eine gewisse Bindungswirkung zumindest in faktischer Hinsicht erzeugt. (c) Resümee Nach alledem erweist sich ein Vergleich des Maßstäbegesetzkonzepts de constitione lata mit der Grundsätzegesetzgebung als unergiebig. Es fehlt dem Maßstäbegesetz – selbst bei mit dem Bundesverfassungsgericht unterstellter Implementierung eines dem Finanzausgleichsgesetz vorgeschalteten Gesetzes – am verfahrens95 Ebenso: Pieroth, Missachtung gesetzter Maßstäbe, NJW 2000, S. 1087; vgl. auch: Kämmerer, Maßstäbe für den Finanzausgleich? – Dramaturgie einer verhinderten Reform, JuS 2003, S. 215; Helbig, Maßstäbe als Grundsätze?, KJ 2000, S. 445 f.; Linck, „Maßstäbegesetz“ zur Finanzverfassung, DÖV 2000, S. 327; Schneider / Berlit, Die bundesstaatliche Finanzverteilung, NVwZ 2000, S. 843 f.; Wieland, Das Konzept eines Maßstäbegesetz zum Finanzausgleich, DVBl. 2000, S. 1313; a.A.: Degenhart, Maßstabsbildung und Selbstbindung des Gesetzgebers als Postulat der Finanzverfassung des Grundgesetzes, ZG 2000, 79, 89; Ossenbühl, Maßstäbegesetz, in: P. Kirchhof / Lehner / Raupach / Rodi (Hrsg.), Staaten und Steuern, Festschrift Klaus Vogel, 2000, S. 229 ff.; differenzierend: Sydow, Mehrstufige Gesetzgebung als Verfassungspostulat?, Sächs. VerwBl. 2001, S. 2 ff. 96 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 109, Rn. 51. 97 Vgl.: BVerfGE 101, 158, 219.

3. Maßstäbegesetzgebung als prinzipiell taugliches Konkretisierungskonzept?

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rechtlichen Anknüpfungspunkt einer Bindungswirkung, da die Verfahren von Maßstäbe- und Finanzausgleichsgesetz nicht divergieren. (d) Ausblick Vor dem Hintergrund des soeben Gesagten könnte dem Maßstäbegesetz im Wege der Verfassungsänderung Bindungswirkung gegenüber dem Finanzausgleichsgesetz verschafft werden. Für die Modifikation des Maßstäbegesetzes müßte im Vergleich zu der des Finanzausgleichsgesetzes ein politisch anspruchsvolleres Verfahren gelten, um ersterem gewissermaßen eine höhere demokratische Legitimation zu verleihen. So könnte zukünftig das Finanzausgleichsgesetz als Einspruchsgesetz ausgestaltet werden. Für das Maßstäbegesetz wäre dann wie bei der Grundsätzegesetzgebung in Art. 109 Abs. 3 GG die Zustimmung des Bundesrates notwendig. Insbesondere bei unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat könnte auf diese Weise der Finanzausgleichsgesetzgeber gezwungen sein, an seiner Maßstäbegesetzgebung festzuhalten. Um diesen Bindungseffekt noch zu verstärken, könnte etwa Art. 79 Abs. 1 GG de constitutione ferenda so gefaßt sein, daß die Vorschrift auch für einfache (!) Gesetze gilt, die mit dem Zweck aufgestellt werden, unbestimmte Rechtsbegriffe der Verfassung unmittelbar zu konkretisieren. In diesem Falle gälte das qualifizierte Verfahren nach Art. 79 Abs. 2 GG, wonach Bundestag und Bundesrat jeweils mit einer Mehrheit von zwei Dritteln zustimmen müssten. Das Finanzausgleichsgesetz könnte dann sowohl als Einspruchs- als auch als Zustimmungsgesetz ausgestaltet werden. Durch die hohen Verfahrensanforderungen an die Änderung des Maßstäbegesetzes entstünde auf diese Weise ein faktischer Bindungseffekt des einfachen Gesetzgebers an diese Maßstäbegesetzgebung. c) (Verfassungs-) Prozessuale Fragen zu Maßstäbe- und Finanzausgleichsgesetz Die dargestellten offenen Fragen nach dem normenhierarchischen Verhältnis von Maßstäbegesetz und Finanzausgleichsgesetz finden ihre Fortsetzung in prozessualen Problemen. Gelangt ein Bundesglied nach der Verabschiedung des Finanzausgleichsgesetzes zu der Ansicht, dieses benachteilige es in verfassungs- oder maßstäbegesetzwidriger Weise, stellt sich die Frage nach einem Rechtsweg zur Geltendmachung dieser möglichen Verletzung. Diese Frage stellt sich zwar formell beim Rechtsweg, materiell steht jedoch das damit verbundene Problem des Prüfungsmaßstabs im Vordergrund, also die Frage, an welcher Normenebene die Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes zu messen sind. Bislang wurden Streitigkeiten über Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes im Wege der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6

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IV. Konzept eines Maßstäbegesetzes

BVerfGG vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen98. Maßstab für die Prüfung von Bundesrecht ist hier allein das Grundgesetz99. Die Existenz des Maßstäbegesetzes müßte sich hier so auswirken, daß – nimmt man die vorgestellte Dreistufigkeit der Rechtsquellen ernst – die Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes zunächst am Maßstäbegesetz gemessen werden. Das Maßstäbegesetz ist aber nichts anderes als ein einfaches Gesetz100. Wie bereits dargestellt, ändert auch die spezifische verfassungskonkretisierende und -ergänzende Funktion des Maßstäbegesetzes an dieser Kategorisierung nichts. Die Überprüfung eines einfachen Gesetzes an den Vorgaben übrigen ebenfalls einfachen Rechts ist zwar keineswegs undenkbar. Eine solche wäre aber nicht Gegenstand der Verfassungsgerichtsbarkeit. Vielmehr läge hier de lege lata wohl eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO vor. Diese erstreckt sich auf öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern101. Eine solche Streitigkeit ist anzunehmen, wenn und soweit es sich um Auslegungsfragen in bezug auf das Maßstäbegesetz handelt.

4. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Konzept eines Maßstäbegesetzes Läßt das Konzept eines Maßstäbegesetzes schon in seiner theoretischen Konstruktion Fragen offen, hat sich seine – tatsächlich wirksame – Umsetzung als unrealistisch erwiesen. Das Maßstäbegesetz mußte nach dieser Konzeption die Gestalt finden, die es letztlich gefunden hat. Der Gesetzgeber als „Erstinterpret der Verfassung“ hat die geforderte Selbstbindung verweigert. Er hat zwar formell durch die Schaffung eines Maßstäbegesetzes zum Finanzausgleich den bundesverfassungsgerichtlichen Auftrag erfüllt. Die unbestimmten Rechtsbegriffe wie die der „laufenden Einnahmen“ und der „notwendigen Ausgaben“ in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG wurden dabei allerdings so wenig wie nur möglich konkretisiert. Die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe muß daher ohne Rückhalt im Maßstäbegesetz erfolgen102. Vgl. etwa: BVerfGE 101, 158 ff. Heun, Normenkontrolle, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band I, S. 615 f.; Ossenbühl, Maßstäbegesetz, in: P. Kirchhof / Lehner / Raupach / Rodi (Hrsg.), Staaten und Steuern, Festschrift Klaus Vogel, 2000, S. 238. 100 Ebenso: Ossenbühl, Maßstäbegesetz, in: P. Kirchhof / Lehner / Raupach / Rodi (Hrsg.), Staaten und Steuern, Festschrift Klaus Vogel, 2000, S. 234. 101 Vgl. hierzu: v. Oertzen, in: Redeker / v. Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, § 50, Rn. 2; Kopp / Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, § 50, Rn. 3. 102 Ebenso für den Begriff der „laufenden Einnahmen“: Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1309. 98 99

4. Zusammenfassung

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Wäre der Gesetzgeber zukünftig willens, hinreichend konkrete Maßstäbe aufzustellen, käme diesen nur Bindungswirkung zu, wenn ihre Änderung ein anderes Gesetzgebungsverfahren erforderte als die Modifizierung des Finanzausgleichsgesetzes.

V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“ Im folgenden Kapitel soll vor dem Hintergrund der im Allgemeinen Teil dargestellten systematischen Einbettung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ und angesichts des Scheiterns einer substantiellen Maßstäbegesetzgebung eine Auslegungsmaxime entwickelt werden. Zu diesem Zwecke werden zunächst die Entwicklungslinien des grundgesetzlichen Einnahmebegriffes im Rahmen der Steuerverteilung aufgezeigt. Anschließend wird der Versuch unternommen, auf einfachgesetzliche sowie finanz- und wirtschaftswissenschaftliche Termini als Auslegunghilfe zu rekurrieren. Abschließend soll aus dem Grundgesetz selbst die Auslegungsmaxime für den unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG extrahiert werden.

1. Der Einnahmebegriff unter dem Regime des Grundgesetzes Die Erstfassung des Grundgesetzes legte die Verteilung jener Steuern, die der konkurrierenden Gesetzgebung unterfallen, zunächst nicht fest. Sie enthielt lediglich in Art. 107 GG (Erstfassung) den Verfassungsauftrag, die Verteilung dieser Steuern bis zum 31. Dezember 1952 zu regeln. Dieser Auftrag wurde nicht fristgerecht erfüllt, sondern die Frist zunächst bis zum 31. Dezember 19541 und dann bis zum 31. Dezember 19552 verlängert. Die Umsetzung des Verfassungsauftrages folgte dann durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung vom 23. Dezember 19553. Dieses enthielt in Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG (1955) die vollständige Zuweisung der Erträge aus der Umsatzsteuer an den Bund. Als flexibles Element, wie es heute die Umsatzsteuer ist, sah die damalige Verfassung nach Art. 106 Abs. 3 und 4 GG (1955) die Einkommen- und Körperschaftsteuer vor. Für das Aufkommen dieser Steuern legte zwar Art. 106 Abs. 3 GG (1955) für bestimmte Zeiträume das Beteiligungsverhältnis von Bund und Ländern fest. So erhielt der Bund bis zum 31. März 1958 33 1 / 3 v. H., die Länder 66 2 / 3 v. H. des Aufkommens der Einkommen- und der 1 2 3

Durch Gesetz vom 20. 4. 1953, BGBl. I, S. 130. Durch Gesetz vom 25. 2. 1954, BGBl. I, S. 517. BGBl. I, S. 817.

1. Der Einnahmebegriff unter dem Regime des Grundgesetzes

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Körperschaftsteuer. Ab dem 1. April 1958 sollte dann das Verhältnis 35 v. H. (Bund) zu 65 v. H. (Länder) gelten. Diese Quoten konnten aber nach Art. 106 Abs. 4 GG (1955) durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedurfte, geändert werden. Hiervon wurde zuerst zum 1. Januar 1963 zugunsten des Bundes Gebrauch gemacht4. Für die einfachgesetzliche Aufteilung dieser Steuererträge legte Art. 106 Abs. 4 Satz 4 GG (1955) Grundsätze fest. In Nr. 2 dieser Grundsätze war geregelt, daß der Bund und die Länder im Rahmen ihrer ordentlichen Einnahmen Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben haben. Welche Einnahmen unter diesen Begriff fallen sollten, blieb weitgehend im verborgenen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, daß im Rahmen der Revisionsklausel nach Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG (1955) lediglich von „den Einnahmen“ des Bundes und der Länder die Rede war. Durch die Finanzreform von 19695 wurden die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen im Bereich der Ertragsaufteilung umfassend reformiert. Im wesentlichen hat die bundesstaatliche Finanzverfassung durch diese Reform ihre heutige Form gefunden. Im Bereich der Einkommen- und der Körperschaftsteuer wurde dem Gesetzgeber die Möglichkeit genommen, deren Ertragsaufteilung durch einfaches Gesetz zu regeln. Art. 106 Abs. 3 Nr. 2 GG legt nunmehr das Beteiligungsverhältnis fest. Bund und Länder erhalten danach je die Hälfte des Gesamtaufkommens. Für die Umsatzsteuer wurde die alleinige Ertragszuweisung an den Bund beseitigt. Die Umsatzsteuer wurde als das flexible Element ausgestaltet, dessen Aufteilung durch einfaches Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geregelt werden soll. Bei den „Grundsätzen“ dieser Verteilung wurde lediglich der Begriff der ordentlichen Einnahmen in Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 GG (1955) durch den der laufenden Einnahmen in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GG (n.F.) ersetzt6. Diese Änderung war in erster Linie dem Umstand geschuldet, daß nach einer parallelen Reform des Haushaltsrechts die Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Einnahmen obsolet geworden war7. Offenbar sollte über diese Angleichung an das neue Haushaltsrecht hinaus keine inhaltliche Neubestimmung erfolgen8.

4 Die Zuteilung der Erträge der Einkommen- und Körperschaftsteuer entwickelte sich bis 1969 wie folgt (in v. H. Bund / Länder): 1. Januar 1963 bis 31. Dezember 1963: 38 / 62; 1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1966: 39 / 61; 1. Januar 1967 bis 31. Dezember 1968: 37 / 63 und 1. Januar 1969 bis 31. Dezember 1969: 35 / 65. 5 Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969, BGBl. I, S. 359. 6 Vgl. hierzu: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 858, Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 243 ff. 7 Ebenso: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 44. 8 Ebenso: Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 231; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 44; Lerche / Pestalozza, Die bergrechtliche Förderabgabe, S. 99.

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

2. Rückgriff auf einfachgesetzliche, wirtschafts- und finanzwissenschaftliche Termini? Versucht man, den durch die Finanzreform von 1969 in das Grundgesetz aufgenommenen unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ näher zu bestimmen, liegt es nahe, Anhaltspunkte für dessen Konkretisierung im einfachen Recht und darüber hinaus gar in anderen Disziplinen jenseits der Rechtswissenschaft zu suchen. Hierfür scheinen insbesondere neben der Haushaltsgrundsätzegesetzgebung finanzwissenschaftliche Termini in Betracht zu kommen. a) Einnahme als einfachgesetzlicher Terminus (§ 10 HGrG) Das Haushaltsgrundsätzegesetz etwa enthält in § 10 Abs. 3 Nr. 3 Hinweise darauf, welche Einnahmearten im Rahmen des Haushaltsrechts zum Einnahmebegriff zählen. In § 10 Abs. 3 HGrG wird festgelegt, welche Einnahmen in den Gruppierungsplänen darzustellen sind. Unter anderem sind hier die Einnahmen aus Krediten aufgezählt, die nach allgemeiner Ansicht nicht in die Vergleichsrechnung eingestellt werden9. Zudem ist der haushaltsrechtliche Einnahmebegriff nicht zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG geeignet, weil dieser im Rahmen der Berechnung des Finanzierungssaldos nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 GG gerade nicht zwischen einmaligen und laufenden Einnahmen unterscheidet10. b) Im Überblick: Begriffsbildung in der Finanzwissenschaft Ein ähnlicher Befund wie bei den einfachgesetzlichen Begriffen kann für einen Rückgriff auf finanzwissenschaftliche Termini der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gewonnen werden. Hier werden die sog. Einnahmen der laufenden Rechnung von den Einnahmen aus der Kapitalrechnung unterschieden. Für erstere wird der Begriff „laufende Einnahmen“ verwendet11. Diese Begriffsbestimmung aber ist auf den ersten Blick für eine Übertragung in die Systematik der Verteilung der Umsatzsteuer als zu restriktiv zu erkennen12, wenn alle Einnahmen und Ausgaben aus der Kapitalrechnung a priori aus der Deckungsquotenberechnung ausgeschlossen würden. So wären etwa sämtliche Ausgaben für Investitionen nicht deckungsquotenrelevant13. Vgl. hierzu unten: VII. 3. b). Ebenso zur früheren Rechtslage: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 44, vgl. auch: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 851; ders, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 231; ferner: Vialon, Haushaltsrecht, S. 165. 11 Statt Vieler: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 24. 12 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 44. 13 Mit diesem Beispiel: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 44. 9

10

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Zudem wird im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung etwa zwischen der Erbschaftsteuer auf der einen und den übrigen Steuern auf der anderen Seite differenziert. Die Erbschaftsteuer wird in diesem Zusammenhang unter dem Terminus des Vermögenstransfers zur Kapitalrechnung gezählt14 und wäre somit im Hinblick auf die Umsatzsteuerverteilung per se nicht deckungsquotenrelevant. Zu dieser Differenzierung besteht indessen hier kein Anlaß15. Eine Übertragung des Begriffes der Einnahme aus der allgemeinen Finanzwissenschaft scheitert schon daran, daß es dort keine klar umrissenen Definition gibt16. c) Resümee: Auslegung aus dem Grundgesetz Es läßt sich demnach zusammenfassen, daß die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ ohne Rückgriffsmöglichkeiten auf einfachgesetzliche Begriffsbildungen vorgenommen werden muß. Ebenso wie bei den finanzwissenschaftlichen Termini ist dieser Befund der von der Finanzverfassung grundsätzlich verschiedenen Zweckbestimmungen dieser Materien geschuldet17. Eine Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung wie etwa dem der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG hat demnach aus dem Grundgesetz selbst zu erfolgen, wie dies in den folgenden Abschnitten der vorliegenden Arbeit unternommen wird.

3. Objektiv-teleologische Ableitungen a) Vom Prinzip zur Auslegungsmaxime Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten sieht sich wegen des verfassungsgerichtlichen Regelungsauftrages18 insbesondere der Finanzausgleichsgesetzgeber der Aufgabe gegenüber, in Ermangelung bundesverfassungsgerichtlicher Vorgaben und einfachgesetzlicher Präzisierung im Maßstäbegesetz den Begriff der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG aus dem Grundgesetz selbst zu interpretieren. Die Schwierigkeit hierbei besteht darin, dem Grundgesetz geeignete und hinreichend stringente Auslegungsmaximen zu entnehmen. Hierfür bedürfen 14 Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 24 ff.; ders. / Lützel, Lexikon der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, S. 252. 15 Vgl. hierzu unten: VII. 2. a). 16 Hierzu: Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 492. 17 I.E. ebenso: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 851; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 44; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 492 f. 18 BVerfGE 101, 58, 215.

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

vor allem die teleologische Einbettung des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG als Verfassungsnorm des vertikalen Finanzausgleiches, insbesondere im Lichte des Lastenverteilungsgrundsatzes des Art. 104a Abs. 1 GG, und sein Verhältnis zur Bundesstaatlichkeit als Verfassungsprinzip einer näheren Betrachtung. In der Gesamtschau dieser Normen sind die Auslegungsmaximen für die unbestimmten Rechtsbegriffe der laufenden Einnahmen zu ermitteln. Hintergrund dieses Vorgehens ist die Einsicht, daß die Verfassung bei der Interpretation einzelner Verfassungsnormen als Ganzes zu betrachten ist19. In diesem Sinne stellt die Verfassung eine Einheit20 dar. Die Gesamtheit der einzelnen Normen der Verfassung ist demnach keine lose Zusammenstellung, sondern ein durch zahlreiche Interdependenzen verbundener Zusammenhang. Hieraus folgt zunächst nur, daß Verfassungsnormen demnach nicht isoliert zu betrachten sind, sondern in einem Sinnzusammenhang von verfassungsrechtlichen Einzelregelungen vor dem Hintergrund der tragenden Verfassungsprinzipien21. Voraussetzung, diesen Sinnzusammenhang zu erkennen, ist zunächst in abstracto eine begriffliche Abgrenzung des „Prinzips“ von der „Regel“. Diese betrifft den hier in Rede stehenden Fragekreis maßgeblich in der unterschiedlichen Qualität der Ableitbarkeit dieser Rechtsquellen, also der Frage, ob und inwiefern sich Verfassungsprinzipien und Verfassungsregeln zu konkreten Schlußfolgerungen verdichten lassen. Obgleich diese rechtstheoretische Kategorisierung zum gängigen Repertoire der Normtheorie gehört22 und auch im Öffentlichen Recht anerkannt ist23, bereitet die 19 Ebenso: Stern, Staatsrecht, Band I, S. 131; Ossenbühl, Probleme und Wege der Verfassungsauslegung, DÖV 1965, S. 654; Leibholz-Rinck-Hesselberger, GG, Einf., Rn. 31; Badura, Verfassung, Staat und Gesellschaft, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Band II, 1976, S. 2 ff. unter Hinweis auf BVerfGE 1, 14, 32; 3, 225, 231. 20 Ossenbühl, Probleme und Wege der Verfassungsauslegung, DÖV 1965, S. 654; Drath, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStL 20 (1963), S. 106; Leibholz, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 119; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 138; Schneider, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 108; Scheuner, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 125; Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 77; Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 233 ff.; für die Weimarer Reichsverfassung: Bilfinger, Verfassungsumgehung, AöR 50, S. 181; ferner: Burckhardt, Methode und System, S. 15. 21 BVerfGE 1, 14, 32; vgl. hierzu: Stern, Staatsrecht, Band I, S. 131. 22 Grabitz, Freiheit als Verfassungsprinzip, Rechtstheorie 8 (1977), S. 1, 13 f. 23 Göldner, Verfassungsprinzipien, S. 23 ff.; Wolff, Rechtsgrundsätze und verfassungsgestaltende Grundentscheidungen als Rechtsquellen, in: Gedächtnisschrift Jellinek, S. 33 ff.; Abendroth, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 12 (1954), S. 85 f.; Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, AöR 98 (1973), S. 568, (581 ff.); ders., Freiheit und Verfassungsrecht, S. 240 f.; Hain, Grundsätze des Grundgesetzes, S. 98; Grabitz, Freiheit als Verfassungsprinzip, Rechtstheorie 8 (1977), S. 13 f.; Hirschberg, Verhältnismäßigkeit, S. 216; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 25, Rn. 6.

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Unterscheidung nicht zuletzt wegen einer Fülle unterschiedlicher Begrifflichkeiten erhebliche Schwierigkeiten24. Vorliegend soll unterschieden werden zwischen dem Verfassungsprinzip im weiteren Sinne und der Rechtsregel, insbesondere in der Gestalt der Verfassungseinzelnorm. In der rechtsphilosophischen Literatur wird der Begriff des Verfassungsprinzips häufig mit dem Terminus „Rechtsgrundsatz“ synonym verwendet25. Zu der Kategorie der Verfassungsprinzipien im weiteren Sinne soll nach der hier gewählten Begrifflichkeit neben dem Verfassungsprinzip im engeren Sinne die verfassungsrechtliche26 Grundentscheidung zählen27. Die Unterscheidung zwischen beiden läßt sich als genetisch bezeichnen: Während Prinzipien im engeren Sinne in ethischen Vorstellungen und Idealen, insbesondere der Gerechtigkeit wurzeln, sind verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen bereits staatspolitische Prämissen zur Erreichung dieser Ziele unterlegt28. Als Illustration dieses Gedankens mögen hier die Menschenwürde und die Gleichheit als Verfassungsprinzipien im engeren Sinne auf der einen Seite und Demokratie und Bundesstaatsprinzip als verfassungsrechtliche Grundentscheidungen auf der anderen Seite dienen29. In bezug auf die Abgrenzung zur Rechtsregel ist diese Unterscheidung jedoch unergiebig. Zum einen ist die Grenze zwischen politischen und ethischen Prämissen durchaus fließend und dürfte kaum zu einer trennscharfen Begriffsbildung führen. Zum anderen stimmen das Verfassungsprinzip im engeren Sinne und die verfassungsrechtliche Grundentscheidung im maßgeblichen Kriterium, nämlich ihrer mangelnden Subsumtionsfähigkeit, überein30. Auf letzteres wird noch zurückzukommen sein. Vgl. hierzu: Rengeling, Rechtsgrundsätze, S. 90 f. Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S. 47; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungrecht I, § 25, Rn. 6; Abendroth, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 12 (1954), S. 85; Rengeling, Rechtsgrundsätze, S. 90 ff.; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 453; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 312, Leitsatz 9; Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, AöR 98 (1973), S. 583; Hirschberg, Verhältnismäßigkeit, S. 213; Badura, Verfassung, Staat und Gesellschaft, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Band II, 1976, S. 3. 26 Gelegentlich auch als verfassungsgestaltende Grundentscheidung bezeichnet, vgl. etwa: Degenhard, Staatsrecht I, Rn. 82. 27 Anders: Rengeling, Rechtsgrundsätze, S. 94. 28 Mit dieser Differenzierung: Grabitz, Freiheit als Verfassungsprinzip, Rechtstheorie 8 (1977), S. 14; Rengeling, Rechtsgrundsätze, S. 96; ähnlich: Isensee, Idee und Gestalt, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 98, Rn. 2 (Bundesstaatsprinzip als „radizierte Staatsidee“). 29 Mit dieser Unterscheidung: Hain, Grundsätze des Grundgesetzes, S. 162 f. 30 I.E. ebenso: Grabitz, Freiheit als Verfassungsprinzip, Rechtstheorie 8 (1977), S. 1, 14; unter Hinweis auf: Wolff, Rechtsgrundsätze und verfassungsgestaltende Grundentscheidungen als Rechtsquellen, in: Gedächtnisschrift Jellinek, S. 33 ff. 24 25

7 Maciejewski

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

Sowohl die Verfassungsprinzipien im engeren Sinne als auch die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen lassen sich als tragende Leitgedanken31 der deutschen Staatlichkeit charakterisieren. Sie stellen von der Rechtsordnung anerkannte Höchstwerte32 dar, die überpositive Geltung besitzen33. Als Gegenbegriff zu den (Verfassungs-) Prinzipien im weiteren Sinne muß die Kategorie der Rechtsregel34 in Stellung gebracht werden, welche ungeachtet definitorischer Unterschiede auch als Rechtsnorm35 oder Rechtssatz36 bezeichnet wird. Diese läßt sich umschreiben als Bestand subsumtionsfähiger Rechtssätze, wie es dem Ideal positivistischer Kodifikation und Rechtsanwendung entspricht37. Solche sind nicht nur Normen des einfachen Rechts, sondern auch solche mit Verfassungskraft, die Verfassungseinzelnorm38. Das Bemühen um begriffliche Abgrenzung der Kategorien von Regel und Prinzip hat sich insbesondere im Rahmen der rechtstheoretischen Debatte um den Rechtspositivismus entwickelt. Obwohl Definition und Wirkung von Prinzipien im angelsächsischen „case law“ eine weitaus praktischere Frage darstellen, betrifft die Fragestellung auch das deutsche, auf Kodifikation angelegte Recht, etwa bei richterlicher Rechtsfortbildung oder, wie vorliegend, bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe. Dworkin39 versucht hierbei insbesondere in Auseinandersetzung mit Hart40, durch Präzisierung der Kategorie des Prinzips diese gegen den Positivismus in Stellung zu bringen. Hiernach besteht der logische Unterschied zwischen beiden im Alles-oder-Nichts-Charakter41 der Regel. Diesem Ansatz liegt der Gedanke zugrunde, daß die komplette Formulierung einer Regel bereits deren sämtliche Ausnahmen enthält42. Innerhalb ihrer tatbestandlichen Reichweite beansprucht die Larenz, Grundformen wertorientierten Denkens, in: Festschrift Wilburg, S. 223. Larenz, Grundformen wertorientierten Denkens, in: Festschrift Wilburg, S. 222. 33 Badura, Verfassung, Staat und Gesellschaft, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Band II, 1976, S. 3; Grabitz, Freiheit als Verfassungsprinzip, Rechtstheorie 8 (1977), S. 13, unter Hinweis auf: Esser, Grundsatz und Norm, S. 51. 34 Di Fabio, Gefahr, Vorsorge, Risiko, JURA 1996, S. 566, 571. 35 Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: AöR 98 (1973), S. 569, 582; Esser, Grundsatz und Norm, passim; Canaris, Systemdenken, S. 26; krit. hierzu: Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, S. 92 ff. 36 Larenz,, Grundformen wertorientierten Denkens, in: Festschrift Wilburg, S. 222. 37 Grabitz, Freiheit als Verfassungsprinzip, Rechtstheorie 8 (1977), S. 1, 13. 38 Zur Terminologie: Reimers, Verfassungsprinzipien, passim. 39 Dworkin, Model of Rules I, in: ders., Taking Rights seriously, 1977, S. 14 ff. 40 H. L. A. Hart, The Concept of Law, 1961. 41 „All or nothing fashion“: Dworkin, Model of Rules I, in: ders., Taking Rights seriously, S. 24, (deutsche Übersetzung: S. 58). 31 32

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Regel die Akzeptanz ihrer Rechtsfolgen. Allerdings werde diese a priori durch ihre Ausnahmen begrenzt. Das Vorliegen einer Ausnahme macht somit die Regel nicht ungültig, sondern lediglich im konkreten Falle unanwendbar. Anders bei Prinzipien: Selbst wenn ihnen, was dogmatisch zweifelhaft ist, ein „Tatbestand“ und eine „Rechtsfolge“ entnommen werden können, sei deren Anwendung nicht zwingend im konditionalen Sinne. Bei diesem Ansatz wird letztlich die Frage nach der Definition von Prinzip und Regel verlagert auf die Abgrenzung von Ausnahme zur Regel und Gegenprinzip. Unterschied hierbei soll die Möglichkeit sein, zumindest theoretisch sämtliche Ausnahmen zu benennen, während dies bei Prinzipien schon konstruktiv nicht möglich sei43. Alexy44 hat in diesem Zusammenhang aufgezeigt, daß eben diese Unterscheidung an einer argumentativen Schwäche leidet. Demnach sind die modernen Rechtssysteme, die keineswegs ausschließlich aus ausnahmelosen Regeln bestehen, so gestaltet, daß niemals sicher ist, ob nicht noch weitere bislang unbenannte Ausnahmen den Anwendungsbereich der Regel einschränken. Insbesondere durch Verfassungsprinzipien können der Rechtsregel weitere Ausnahmen hinzugefügt werden, ohne daß diese dadurch ihre Gültigkeit verlöre. Das Nichtgelingen einer vorgreiflichen und präzisen Enumeration scheitert letztlich an der Existenz von hinter der Rechtsregel stehenden Prinzipien, da gerade aufgrund derer in atypischen Situationen45 vom Normbefehl der Rechtsregel abgewichen werden könne46. Der Versuch der Abgrenzung von Rechtsregel und Rechtsprinzip nach der zumindest theoretischen Aufzählbarkeit von Ausnahmen zur Regel erweist sich somit als zirkulär. Wenn die Gegenbeispiele zu Prinzipien nicht aufzählbar sind, aufgrund derer aber Ausnahmen zu Regeln zugelassen werden, so lassen sich letztere ebenfalls nicht abschließend definieren47. Dieses logische Dilemma läßt sich auch durch die Einführung allgemeiner Vorbehaltsklauseln nicht beheben48. Die Alles-oder-Nichts-These erweist sich daher zur Abgrenzung als ungeeignet49.

42 Dworkin, Model of Rules I, in: ders., Taking Rights seriously, S. 25, (deutsche Übersetzung: S. 59). 43 Dworkin, Model of Rules I, in: ders., Taking Rights seriously, S. 25, (deutsche Übersetzung: S. 60). 44 Alexy, Zum Begriff des Rechtsprinzips, Rechtstheorie, Beiheft 1 (1979), S. 68 ff. 45 So auch: Dworkin, Model of Rules I, in: ders., Taking Rights seriously, S. 37, (deutsche Übersetzung: S. 73). 46 Alexy, Zum Begriff des Rechtsprinzips, Rechtstheorie, Beiheft 1 (1979), S. 69. 47 Ebenso: Alexy, Zum Begriff des Rechtsprinzips, Rechtstheorie, Beiheft 1 (1979), S. 71. 48 Zu diesem „Rettungsversuch“ zugunsten der Alles-oder-nichts-These: Alexy, Zum Begriff des Rechtsprinzips, Rechtstheorie, Beiheft 1 (1979), S. 70 f. 49 Hain, Grundsätze des Grundgesetzes, S. 108.

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

Gleiches gilt für die inhaltliche Generalität als Begriffsmerkmal des Prinzips50. Demzufolge seien Rechtsgrundsätze durch die Allgemeinheit ihres normativen Gehaltes gekennzeichnet, Rechtsregeln dagegen enthielten konkrete Rechtsaussagen51. Allgemeinheit wird hierbei als Bestimmbarkeit der Anwendungsfälle verstanden52. Dieses Kriterium vermag jedoch keine Unterscheidung zwischen Verfassungsprinzipien und allgemein formulierten Rechtsregeln zu leisten. Ein Prinzip „gilt“ zwar auch für eine Vielzahl von Anwendungsfällen und ist insofern allgemein, dies aber in einem völlig anderen Sinne als eine allgemeine Rechtsregel wie etwa eine Generalklausel. Das Prinzip ist nämlich keine mehr oder weniger generelle Weisung im konditionalen Sinne, sondern in bezug auf eine Ableitbarkeit konkreter Rechtsfolgen überhaupt keine. Es ist vielmehr „Grund, Kriterium und Rechtfertigung der Weisung“53. Ein Prinzip gilt somit als Hintergrund für die Formulierung einer Vielzahl von Rechtsregeln, eine Rechtsregel als Generalklausel hingegen für eine Vielzahl von konkreten Anwendungsfällen. Die hieraus resultierende Generalität läßt sich also nicht vergleichen. Zudem könnte eine Abgrenzung zwischen Prinzip und Regel bestenfalls graduell gelingen54. Die Gefahr einer Gleichsetzung von allgemein formulierter Rechtsregel und Verfassungsprinzipien ist größer als der Wert dieser Abgrenzung für eine trennscharfe Kategorisierung55. Die gleichen Einwände gelten gegen ein Abstellen auf die besondere Abstraktionshöhe als Kennzeichen von Prinzipien56. Ebenso wie die Generalität läßt dieses Merkmal keine begriffliche Abgrenzung der Regel vom Prinzip zu. Eine solche Kategorisierung muß vielmehr über die Qualität der Rechtsquellen erfolgen57. Die unterschiedliche Qualität erschließt sich durch die Entstehungsweise und insbesondere die Wirkung der verschiedenen Rechtsquellen, wenn anhand der hier gewählten Begrifflichkeit der Weg hin zu einer konkreten Entscheidung im konditionalen Sinne erläutert wird. 50 Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 172; wohl auch: Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 58 („besondere Größe, eine umfassende Bedeutung“); Canaris, Feststellung von Lücken, S. 99; Wache, Begriff des Rechtsprinzips, S. 29; ähnlich: Göldner, Verfassungsprinzip, S. 175 („inhaltliche Universalität“ als Kennzeichen). 51 So: Penski, Rechtsgrundsätze und Rechtsregeln, JZ 1989, S. 105; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 25, Rn. 2. 52 Rengeling, Rechtsgrundsätze, S. 105; Penski, Rechtsgrundsätze und Rechtsregeln, JZ 1989, S. 105 mit zweifelhaftem Verweis auf: Esser, Grundsatz und Norm S. 51. 53 Esser, Grundsatz und Norm, S. 51 f. 54 Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 172. 55 Ebenso: Esser, Grundsatz und Norm, S. 95 f.; Rengeling, Rechtsgrundsätze, S. 105; Hain, Grundsätze des Grundgesetzes, S. 98. 56 Di Fabio, Gefahr, Vorsorge, Risiko, JURA 1996, S. 566, 571; a.A.: Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 172, der die besondere Abstraktionshöhe lediglich für eine Folge der Generalität hält. 57 Esser, Grundsatz und Norm, S. 95.

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Ausgangspunkt sind hierbei die Verfassungsprinzipien. Diese bilden die tragenden Strukturen, die Statik58 der Rechtsordnung. Bildlich gesprochen bilden sie die rechtstheoretische Kulisse, vor der sämtliche staatlichen Entscheidungen getroffen werden, sind aber kein unmittelbar anwendbares Recht im konditionalen Sinne59. Um eine solche Konditionalität zu erzielen, also konkrete Entscheidung zu ermöglichen, bedürfen Prinzipien einer Positivierung. Dies geschieht durch eine Umsetzung in Rechtsätze oder Entscheidungsmaximen 60. Diese Konkretisierung ist, abgesehen von der richterlichen Rechtsfortbildung und der Ermessensausübung der Exekutive, insbesondere Aufgabe des Gesetzgebers61. Die tatbestandliche Verfestigung62, also der Weg vom Prinzip zum konditionalen Recht, läßt sich demnach als Gewichtungsentscheidung63 bezeichnen. Dieser Terminologie liegt die Vorstellung zugrunde, daß Prinzipien nicht bis zur letzten Konsequenz ohne Rücksicht auf andere Gesichtspunkte verwirklicht werden64, sondern geradezu darauf angelegt sind, mit anderen Prinzipien in Konflikt zu geraten. Sie entfalten ihren eigentlichen Sinngehalt erst im Zusammenspiel wechselseitiger Ergänzung und Beschränkung65. Aufgabe einer von Alexy66 als Abwägungsgesetz bezeichneten Norm ist es nunmehr, die sich mitunter diametral gegenüber stehenden Verfassungsprinzipien für eine über den Tatbestand bestimmte Gruppe von Anwendungsfällen abstrakt zu gewichten, um die widerstrebenden Interessen gerecht abzuwägen67. Eine solche Norm bestimmt für den Fall des Vorliegens der Tatbestandesmerkmale, welchen Erfüllungsgrad68 die einschlägigen Prinzipien in den tatbestandlich umschriebenen Fällen erlangen sollen. Sie kann also festlegen, daß dem einem Verfassungsprinzip gegenüber dem anderen in bezug auf die typisierten Anwendungsfälle Vorrang eingeräumt wird, oder daß beide als gleichgewichtig angesehen werden69. Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 453. Di Fabio, Gefahr, Vorsorge, Risiko, JURA 1996, S. 566, 571; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 25, Rn. 6. 60 Esser, Grundsatz und Norm, S. 51 f.; Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 98 (1973), S. 582; ders., Freiheit und Verfassungsrecht, S. 241; Larenz, FS Wilburg, S. 217, 222; Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 71; Di Fabio, Gefahr, Vorsorge, Risiko, JURA 1996, S. 566, 572. 61 Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 161. 62 Larenz, Grundformen wertorientierten Denkens, in: Festschrift Wilburg, S. 222. 63 Mit dem Terminus „Präferenzrelation“ ebenso: Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 92. 64 Larenz, Grundformen wertorientierten Denkens, in: Festschrift Wilburg, S. 223. 65 Canaris, Systemdenken, S. 53. 66 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 146. 67 Hierzu: Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 18. 68 Mit dem Terminus „Erfüllung“ daher auch zu Recht: Brenner, Der unitarische Bundesstaat in der Europäischen Union, DÖV 1992, S. 904. 69 Hierzu ausführlich: Sieckmann, Regel- und Prinzipienmodelle, S. 229 ff. 58 59

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

Die Positivierung einer Gewichtungsentscheidung ist die Festsetzung einer Regel70. Im Geltungsbereich der Rechtsregel wird ein bestimmtes Verhältnis der einschlägigen Prinzipien fixiert, ohne daß diese Relativierung zur Unwirksamkeit der Prinzipien führen würde. Regelungen beruhen meist nicht auf einem Prinzip, sondern auf dem im Wege der Typisierung gesetzgeberisch abgewogenen Zusammenspiel mehrerer71. Esser72 hat dieses Verhältnis von Prinzip und konkretem Normbefehl treffend beschrieben, indem er ausführte, daß „das Prinzip ( . . . ) nicht selbst Weisung, sondern Grund, Kriterium und Rechtfertigung der Weisung“ ist. Beispielhaft für eine solche gesetzgeberische Gewichtungsentscheidung läßt sich § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes anführen. Der Gesetzgeber hatte hier zwischen dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem schutzwürdigen Vertrauen des Adressaten in die Beständigkeit der durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt geschaffenen Rechtslage als Element der Rechtsstaatlichkeit abzuwägen. Die beiden Positionen legen hierbei gegenläufige Regelungen nahe: Während der Aspekt der Gesetzmäßigkeit die Möglichkeit oder gar die Pflicht zur Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte durch die erlassende Behörde fordert, verlangt der Vertrauensschutzgesichtpunkt den Bestand der Verwaltungsakte trotz ihrer Rechtswidrigkeit. Während vor der Einführung des § 48 VwVfG in Rechtsprechung73 und Literatur74 die Ansicht vorherrschte, daß rechtswidrige Verwaltungsakte regelmäßig frei widerrufbar sind, entschied sich der Gesetzgeber für eine differenzierte Lösung, die den Ausgleich zwischen beiden Erwägungen sucht75. Maßgebliches Kriterium einer kategorialen Unterscheidung der Verfassungsprinzipien von den Rechtsregeln ist mithin die Konkretisierungsbedürftigkeit76. Bei dieser Konkretisierung, die sich in dem beschriebenen Sinne als Begründung einer Konditionalität im Wege der Gewichtungsentscheidung durch das nach der Rechtsordnung dazu berufene Organ bezeichnen läßt, wirken die Verfassungsprinzipien direktiv, nicht determinativ77.

I.E. ebenso: Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 92. Ähnlich: Larenz, Grundformen wertorientierten Denkens, in: Festschrift Wilburg, S. 223. 72 Esser, Grundsatz und Norm, S. 51 f., zitiert bei: Grabitz,, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, AöR 98 (1973), S. 582. 73 Vgl.: BVerfGE 2, 380, 393 f. 74 Nachweise bei: Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 51, Rn. 2. 75 Hierzu im einzelnen: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, § 17; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 51, Rn. 5 ff.; zur Reformdiskussion: Kimminich, Rücknahme und Widerruf begünstigender Verwaltungsakte, JuS 1965, S. 257 ff. 76 Ebenso: Zuck, 40 Jahre Grundgesetz, MDR 1989, S. 419; Canaris, Systemdenken, S. 53; Rengeling, Rechtsgrundsätze, S. 106; Larenz, Grundformen wertorientierten Denkens, in: Festschrift Wilburg, S. 223 f., mit zivilrechtlichen Illustrationen; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 25, Rn. 6; a.A.: Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 173, der die Konkretisierungsbedürftigkeit lediglich für eine Folge der Generalität hält. 70 71

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Anzumerken ist aber, daß dieses Kriterium nicht zur trennscharfen Abgrenzung zwischen Prinzip und Rechtsregel taugt, soweit es sich um die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen handelt. Auch diesen sind in gewisser Weise bereits Präferenzen unterlegt. So läßt sich beispielsweise die Verankerung einer Gewaltenteilung als Sicherungsinstrument für den dahinter stehenden Gedanken der Freiheit des einzelnen vor der Allmacht des Staates werten. Dies führt aber keineswegs zu einem kategorischen Unterschied zwischen etwa dem Freiheitsgedanken auf der einen Seite und dem Bundesstaatsprinzip als vertikaler Gewaltenteilung auf der anderen Seite in dem dargestellten Zusammenhang78. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß Verfassungsprinzipien sich von den Rechtsregeln dergestalt unterscheiden, daß erstere keine Rechtssätze sind, da ihnen die Verbindung eines Tatbestandes mit einer Rechtsfolge fehlt79. Zwischen Prinzip und Rechtsregel steht also die Ableitung von Rechtssätzen aus dem Prinzip in Form rechtssatzmäßiger Spezialisierung80. Hierin besteht ein nicht nur gradueller, sondern ein qualitativer Unterschied81. Zur Illustration des dogmatischen Unterschiedes der Kategorien von Prinzip und Regel zeigt sich deren Verschiedenheit insbesondere bei einer Kollision innerhalb der Kategorie, also einem Regelkonflikt oder einer Prinzipienkollision82. So ist zunächst anzunehmen, daß ein konkreter Lebenssachverhalt oder eine Rechtsfrage unter den Tatbestand zweier Rechtsregeln subsumiert werden kann. Der Regelkonflikt ergibt sich daraus, daß beide Regeln für denselben Sachverhalt gegensätzliche Normbefehle enthalten83. Dieser Regelwiderspruch läßt sich in erster Linie durch die Einfügung von Ausnahmen beheben. Hierbei wird eine Rechtsregel in die andere als deren Ausnahme eingepaßt und damit deren Anwendungsbereich um den Anwendungsbereich der Ausnahme verkürzt. 77 Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 258; Brugger, Staatszwecke im Verfassungsstaat, NJW 1989, S. 2431. 78 Hain, Grundsätze des Grundgesetzes, S. 162 f. 79 Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 25, Rn. 6; Di Fabio, Gefahr, Vorsorge, Risiko, JURA 1996, S. 566, 572; Larenz,, Grundformen wertorientierten Denkens, in: Festschrift Wilburg, S. 222, ders., Richtiges Recht, S. 23; Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, AöR 98 (1973), S. 568, 582. 80 Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 25, Rn. 6. 81 Sog. Strenge Trennungsthese; hierzu: Alexy, Begriff des Rechtsprinzips, Rechtstheorie, Beiheft 1 (1979), S. 64 und 78 f.; ders., Theorie der Grundrechte, S. 75 ff.; Sieckmann, Regelund Prinzipienmodelle, S. 53 f.; Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 62 ff., 98. 82 Sog. Kollisionstheorem, hierzu: Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 77 ff.; Hain, Grundsätze des Grundgesetzes, S. 108 f. 83 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 78, mit dem Beispiel des Verbotes des Verlassens des Klassenzimmers vor dem Klingelton im Verhältnis zum Gebot des sofortigen Verlassens des Klassenraumes bei Feueralarm.

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

Hierzu ein finanzverfassungsrechtliches Beispiel, betreffend die Rechtsfrage, ob der Bund Ausgaben tragen darf, die den Ländern aus der Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 83 ff. GG entstehen. Die Finanzverfassung hält hierfür auf den ersten Blick zwei gegensätzliche Antworten bereit. Art. 104a Abs. 1 GG enthält die Anordnung, daß Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben84. Da nach Art. 83 GG die Länder die Bundesgesetze regelmäßig als eigene Angelegenheiten ausführen, ergäbe sich aus Art. 104a Abs. 1 GG, daß der Bund diese Aufgabe der Länder nicht finanzieren darf. Die gegenteilige Regelung trifft Art. 104a Abs. 2 GG. Einen Konflikt zwischen beiden verhindert der letzte Halbsatz des Art. 104a Abs. 1 GG, indem er klarstellt, daß im Bereich der Bundesauftragsverwaltung der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz nicht eingreift. In bezug auf die eingangs gestellte Rechtsfrage gilt also nur eine Norm, nämlich die des Art. 104a Abs. 2 GG. Läßt sich hingegen der Normenkonflikt nicht durch Formulierung einer Ausnahmeklausel zur Regel lösen, ist bei sich widersprechenden Rechtsregeln mindestens eine ungültig. Die Auflösung des Widerspruches zwischen den Rechtsfolgen, deren Befolgung beide Rechtsregeln beanspruchen85, läßt sich nur durch eine Bewertung lösen, die über den Inhalt der Rechtsregeln hinausgeht. In solchen Fällen geht es in erster Linie um Fragen nach der Normenhierarchie, etwa nach den Grundsätzen des „lex posterior derogat legi priori“, „lex superior derogat legi inferiori“ oder „lex specialis derogat legi generali“. Die Kollision von Rechtsregeln ist somit in einer Dimension der Geltung86 zu lösen, da nur eine von beiden das Sollensurteil87 für den konkreten Sachverhalt aufstellen kann. Anders bei der Kollision von Verfassungsprinzipien. Diese erheben in bezug auf eine Konkretisierung nicht den Anspruch auf Ausschließlichkeit ihrer Aussage, wohl aber ihrer Geltung88. Legen sie unterschiedliche Wertungen nahe, ist nicht etwa eines von ihnen ungültig. Vielmehr entfalten die Verfassungsprinzipien in bezug auf jeweils bestimmte Sachverhalte ein unterschiedliches Gewicht im Sinne einer fallbezogenen Bedeutung. Ist in einer bestimmten Konstellation dem Verfas84 Zum sog. Konnexitätsgrundsatz: Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig, GG, Band III, 1996, Art. 104a, Rn. 3; Vogel / Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 19 ff.; Starck, Die Bundesstaatlichkeit im Spiegel der Finanzverfassung, StuW 1974, S. 272 f.; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87, Rn. 22. 85 Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 71. 86 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 78 f. 87 Zum Begriff ausführlich: Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 1963, S. 3 ff. 88 Ebenso: Hirschberg, Verhältnismäßigkeit, S. 214 („ein Grundsatz gilt, sonst wär’s keiner“).

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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sungsprinzip A der Vorrang gegenüber dem Verfassungsprinzip B eingeräumt, so kann in anderen Situationen die Gewichtung zugunsten des Prinzips B ausfallen. Die Verfassungsprinzipien wirken also im Gegensatz zu Rechtsregeln in der Dimension des Gewichtes89. Diese Dimension der Verfassungsprinzipien wird in der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere deutlich, wenn zwischen kollidierenden Interessen Güterabwägungen90 für eine konkrete Konstellation angestellt werden oder trotz terminologischer Abweichungen insbesondere Grundrechte als Optimierungsgebote91 formuliert werden. So soll beispielweise die „Berufswahl ( . . . ) möglichst unberührt“92 bleiben und dem einzelnen eine „möglichst weitgehende Entfaltung seiner Persönlichkeit gesichert“93 sein. Hierdurch wird die Abwägungsfähigkeit von Prinzipien deutlich, Regeln dagegen sind abwägungsfest94. Vor diesem Hintergrund erhellt sich die unterschiedliche Wirkungsweise von Prinzipien und Rechtsregeln für das übrige positive Recht, im hier behandelten Kontext mit besonderem Augenmerk auf Verfassungseinzelnormen der bundesstaatlichen Finanzverfassung. Die Verfassungsprinzipien bilden nicht nur im Hinblick auf einfach-gesetzliche Regelungen, sondern auch innerhalb der Verfassung die Leitgedanken, die der entsprechenden Rechtsmaterie ihren spezifischen Sinn verleihen95. Sie bilden das gedankliche Rückrat der Verfassungseinzelnormen96 und der Gesetze. Diese ihrerseits mediatisieren die durch sie zur Abwägung gelangten Verfassungsprinzipien und leisten somit deren Konkretisierung97. Diese Konkretisierung kann ohne weiteres in mehreren Abstraktionshöhen geschehen. Eine Gewichtungsentscheidung der beschriebenen Art kann der Verfassungsgeber bereits selbst geleistet haben, indem er bereichsspezifische Gewichtungen von sonst gleichgewichtigen Verfassungsprinzipien unmittelbar im Grundgesetz durch Verfassungseinzelnormen vorgenommen hat. Diese Konkretisierungsmöglichkeit wird materiell lediglich durch Art. 79 Abs. 3 GG begrenzt. Man könnte daher jede Verfassungsänderung nach Art. 79 GG als Neugewichtung von Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 78 f. So: Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 78 f. anhand von BVerfGE 51, 325 (Verhandlungsunfähigkeit bei gesundheitlichen Gefahren für den Beschuldigten) und BVerfGE 35, 202 („Lebach-Urteil“); ausf. am Beispiel der Grundrechtskollision: Schneider, Güterabwägung, 1978. 91 Hierzu: Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 79 in Fn. 32. 92 BVerfGE 7, 377, 403 („Apotheken-Urteil“), Hervorhebung des Verf. 93 BVerfGE 5, 85, 204 („KPD-Urteil“), Hervorhebung des Verf. 94 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff.; Sieckmann, Regel- und Prinzipienmodelle, S. 52 ff.; teilweise diff.: Schilling, Rang und Geltung, S. 85 ff. 95 Larenz, Grundformen wertorientierten Denkens, in: Festschrift Wilburg, S. 223. 96 Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 304. 97 Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 303. 89 90

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

Verfassungsprinzipien begreifen. Allerdings unterliegt diese Konkretisierungsmöglichkeit durch den verfassungsändernden Gesetzgeber einer freilich schwer zu bestimmenden faktischen Grenze. Die in der Verfassung selbst getroffenen Regelungen müssen in ihrer Regelungsdichte abstrakter sein als einfach-gesetzliche Regelungen, um die Verfassung nicht mit Detailregelungen zu überfrachten98. Die Verfassungseinzelnormen nehmen daher in bezug auf ihren Abstraktionsgrad eine Mittelstellung ein. Sie präjudizieren die weitere Konkretisierung hin zum einfachen Recht bereichspezifisch durch die teilweise Vorwegnahme der beschriebenen Gewichtungsentscheidung. Der Verfassungsgeber bringt hiermit zum Ausdruck, daß er in bestimmten Rechtsmaterien, etwa der Finanzverfassung, eine bestimmte Gewichtung von Verfassungsprinzipien bzw. Interpretation von deren Aussagen bevorzugt. Für den einfachen Gesetzgeber ist dann diese Präferenz verbindliche Grundlage der weiteren Konkretisierung. Nach dieser hier vertretenen Auffassung lassen sich etwa die Freiheitsrechte als Konkretisierungen des hinter ihnen stehenden Verfassungsprinzips der Freiheit interpretieren. Die Freiheitsrechte erscheinen hier gewissermaßen als „Durchgangsstation“ vom allgemeinen Prinzip hin zum anwendbaren Recht99. Hieraus ergeben sich zwei wesentliche Funktionen der Verfassungsprinzipien. Neben der Funktion der Lückenfüllung100, die hier außer Betracht bleiben soll, sind die Verfassungsprinzipien daher gerade in komplizierten, mehrschichtig positivierten Rechtsmassen notwendiger Kompaß, um das Fachrecht in seinem Sinnzusammenhang zu verstehen101. In diesem Zusammenhang ist der Charakter der Verfassung als ein logisch-teleologisches Sinngebilde zu betonen102. Dies gilt auch im Verhältnis von Verfassungsprinzip und Verfassungseinzelnorm. Ersteres hat daher zumindest die Aufgabe, die seiner Konkretisierung dienenden Verfassungseinzelnormen normativ zu lenken und zu bewerten. Diese Funktion gewinnt besondere Bedeutung, wenn eine der Konkretisierungsebenen unbestimmte Rechtsgriffe enthält, die durch Auslegung zu konkretisieren sind. Macht der Verfassungsgeber von dieser Regelungstechnik Gebrauch, entfaltet der Gedanke der Einheit der Verfassung seine Wirkung als „vornehmstes Interpretationsprinzip“103. Allerdings bereitet die „Anwendung“ der Verfassungsprinzipien als Interpretationsmaxime für unbestimmte Rechtsbegriffe erhebliche, nicht zuletzt dogmatisch vorbestimmte Schwierigkeiten. Zunächst ist die Annahme der Einheit der Verfassung nicht im Sinne einer widerspruchsfreien Kohärenz der einzelnen Normen zu 98 Stern, Staatsrecht, Band I, S. 83 ff.; Steinberg, Verfassungspolitik und offene Verfassung, JZ 1980, S. 387. 99 Grabitz, Freiheit als Verfassungsprinzip, Rechtstheorie 8 (1977), S. 18. 100 Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 315 ff. 101 Di Fabio, Gefahr, Vorsorge, Risiko, JURA 1996, S. 571. 102 BVerfGE 19, 206, 220. 103 BVerfGE 19, 206, 220.

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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verstehen. Die Verfassung ist vielmehr eine spannungsreiche Zusammenfügung104 von gegenläufigen Interessen, in welcher sich Spannungslagen, Widersprüche und Gegensätzlichkeiten widerspiegeln105. Ein Verfassungsprinzip ist aber nach der hier vertretenen Begrifflichkeit isoliert betrachtet per definitionem nicht ableitbar im Sinne einer Folgerung vom Abstrakten auf das Konkrete. Die Qualifikation als Prinzip im obengenannten Sinne bedingt gerade die potentielle Rechtsfolgenvielfalt der Norm106. Eine bloße Berufung auf eine bestimmte Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes „im Sinne“ eines Verfassungsprinzips birgt die Gefahr einer politischen Aufladung scheinbar zwangsläufiger Folgerungen aus übergeordneten Prinzipien. Die Forderung der Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffes „im Lichte“ eines bestimmten Verfassungsprinzips impliziert bereits das Zurücktreten gegenläufiger Aspekte im Sinne der beschriebenen Gewichtungsentscheidung und kann deswegen schon konstruktiv nicht zwingend sein. Die Verfassung selbst kann aber das Potential der möglichen Rechtsfolgen begrenzen, insbesondere mittels bereichsspezifischer Konkretisierung durch Verfassungseinzelnormen. Hierdurch werden die vorgetragenen Gedanken der Gewichtungsentscheidung und der Einheit der Verfassung zusammengeführt. Die Verfassungseinzelnorm, insbesondere dann, wenn eine solche auszulegende unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, ist den Verfassungsprinzipien und verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen untergeordnet107. Diese innere Gliederung der Verfassung bedeutet, daß jede Verfassungseinzelnorm so ausgelegt werden muß, daß sie mit den Verfassungsprinzipien und verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen vereinbar ist108. Hieraus kann zunächst der Schluß gezogen werden, daß die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffes nicht zur völligen Irrelevanz eines einschlägigen Verfassungsprinzips führen darf109. Die Vereinbarkeit der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes mit den Verfassungsprinzipien ist jedoch gesichert, wenn diese im Lichte der bereichsspezifischen Gewichtungsentscheidung vorgenommen wird, da diese bereits zu einer näheren Konkretisierung der Verfassungsprinzipien beigetragen haben. Geschieht die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes unter Berücksichtigung der bereits materienspezifisch vorgenommenen Präferenz, ist auch dem Gedanken der Einheit der Verfassung Rechnung getragen. So bleibt festzuhalten, daß die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe unmittelbar anhand der für sie relevanten Verfassungsprinzipien nur dort möglich ist, Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 303. Stern, Staatsrechts, Band I, S. 131 ff. 106 Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 259. 107 Vgl.: BVerfGE 14, 32 f. 108 Badura, Verfassung, Staat und Gesellschaft, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Band II, 1976, S. 3. 109 Ossenbühl, Probleme und Wege der Verfassungsauslegung, DÖV 1965, S. 656. 104 105

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

wo die Verfassung durch weitere Aussagen zu einer Konkretisierung Hilfe leistet. Die Verfassung selbst muß also anhand der Struktur der betreffenden Regelungsmaterie erkennen lassen, in welcher Weise respektive in welcher Gewichtung die verschiedenen Aspekte des ambivalenten Prinzips im konkreten Zusammenhang zur Geltung gelangen sollen. So soll im folgenden Kapitel die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ als Teil einer Verfassungseinzelnorm, nämlich des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG, im Sinne der für den Bereich des vertikalen Finanzausgleichs vorgenommenen Gewichtungsentscheidung des Art. 104a Abs. 1 GG vorgenommen werden.

b) Die Gewinnung einer Auslegungsmaxime für den Begriff der „laufenden Einnahmen“ In den beschriebenen Kategorien sind nunmehr das Bundesstaatsprinzip und die seiner Konkretisierung dienenden Verfassungseinzelnormen zu systematisieren, um auf diese Weise geeignete Auslegungshinweise für den Begriff der „laufenden Einnahmen“ zu gewinnen. aa) Das Verfassungsprinzip und seine Konkretisierungen Als grundlegende Rechtserkenntnisquelle für den Begriff der laufenden Einnahmen erscheint zunächst das Bundesstaatsprinzip. Dieses ist nicht nur wegen seiner allgemein gebräuchlichen Bezeichnung als Prinzip im weiteren Sinne zu qualifizieren110, sondern auch wegen seiner Eigenschaften und Wirkungen. Daß es sich hierbei um eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung handelt, der also schon eine politische Entscheidung mit dem primären Ziel der Freiheitssicherung zugrunde liegt, soll aus den obengenannten Gründen außer Betracht bleiben. Wegen eben der Unbestimmtheit, die einem Prinzip schon konstruktiv innewohnt, ist der bloße Hinweis auf eine Auslegung der Verfassungseinzelnormen „im Lichte“ dieses Prinzips von äußerst geringem Wert111. Das Bundesstaatsprinzip ist eben keine subsumtionsfertige Norm, kein anwendungsfertiger Grundsatz112. Ihm können keine problementscheidenden Gedanken entnommen werden113. Seine Wirkung ist die Abwägungsrelevanz, nicht die Subsumtion. 110 Ebenso: Isensee, Föderalismus und Verfassungsstaat, AöR 115 (1990), S. 248 f.; Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 53. 111 Ebenso: Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 215. 112 Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 215. 113 Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 215.

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Das Bundesstaatsprinzip ist im Hinblick auf die Schwierigkeiten, welche die vielfältigen Aspekte eines Prinzips bei der Gewinnung von Auslegungsrichtlinien bereiten, geradezu exemplarisch. Es beschränkt sich in seiner unmittelbaren normativen Aussage wie bereits dargestellt auf das Vorhandensein mehrerer Ebenen mit Staatsqualität114. Diese Prämisse ist für die Gewinnung von Leitlinien der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe denkbar ungeeignet. Auf nähere Fragen nach der Ausgestaltung des Verhältnisses der Gliedstaaten untereinander und zum Gesamtstaat ist damit nicht geantwortet. Mit der verfassungsrechtlichen Festlegung auf die Staatsform des Bundesstaates ist lediglich der äußerste Rahmen der staatlichen Ordnung vorgegeben115. Als unmittelbar und deduktiv lassen sich daher aus dem Bundesstaatsprinzip nur konkrete Aussagen ableiten, wenn es hierbei um diesen äußeren Rahmen geht, also um Essentialia der Bundesstaatlichkeit. So ist beispielsweise aus der grundgesetzlichen Festlegung auf einen Bundesstaat ein Verbot der Abschaffung sämtlicher Länder, selbst bei Zustimmung aller Beteiligten zwingend zu folgern. Unverrückbar vorgegeben im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes, als daß diese Prämissen der Entscheidungskompetenz selbst des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen sind. Es bleibt also hier kein Raum für die Vornahme von Gewichtungsentscheidungen im beschriebenen Sinne und gerade deshalb werden deduktive Ableitungen unmittelbar aus dem Verfassungsprinzip möglich. Hiervon zu unterscheiden sind die Wirkungen eines Verfassungsprinzips bei Fragen nach der konkreten Ausgestaltung des Bundesstaates innerhalb des vorgegebenen Rahmens. Bei dieser sind vielfältige Varianten möglich, also eine Vielzahl von Gewichtungen, Betonungen, eben Präferenzen denkbar. Das Bundesstaatsprinzip stellt sich hier bildlich gesprochen als offener Fächer dar, ohne Antworten darauf zu geben, ob etwa ein starkes Übergewicht der Länder bei der Gesetzgebung oder vielfältige Verwaltungskompetenzen des Bundes zur näheren Konkretisierung des äußeren Rahmens der Bundesstaatlichkeit dienen sollen. Diese Ausformung der konkreten Gestalt des Bundesstaates geschieht durch Gewichtungsentscheidungen, die jeweils in der entsprechenden verfahrensmäßigen Form vorgenommen werden müssen und zwischen denen ein Stufenverhältnis vom Prinzip hin zur anwendungsfertigen Norm besteht. Eine solche Konkretisierung ist nicht nur ein Akt des Verstehens, sondern des Entscheidens, nicht nur „Nachvollzug, sondern auch eigene Zutat“116. Hierdurch gewinnt die Frage Bedeutung, welVgl. oben: II. 1. b). Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 724. 116 Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 724; ausführlich zur Konkretisierung im Hinblick auf einfache Gesetze: Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 141 ff., S. 155 f. 114 115

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

che Instanz zur Vornahme der Gewichtungsentscheidung berufen ist. So kann zuvörderst der Verfassungsgeber selbst innerhalb der Verfassung weiter konkretisieren. Der für diese verfassungsimmanente Konkretisierung zugängliche Bereich ist einerseits normativ begrenzt durch die Unantastbarkeit der Essentialia der Bundesstaatlichkeit, andererseits faktisch durch die notwendige Abstraktionshöhe einer Verfassung. Dennoch lassen sich etwa sämtliche Kompetenzvorschriften der bundesstaatlichen Finanzverfassung des Grundgesetzes als Konkretisierungen des Bundesstaatsprinzips auffassen117. Der Verfassungsgesetzgeber kann durch Verfassungseinzelnormen verschiedene Prinzipien oder gegenläufige Gesichtspunkte eines Prinzips abwägen und somit normative Aussagen darüber treffen, welcher Aspekt in der konkreten Rechtsmaterie als besonders gewichtig erscheint. Insbesondere im Bereich des Finanzwesens finden sich im X. Abschnitt des Grundgesetzes sowie etwa in Art. 91 a, b GG zahlreiche konkretisierende Verfassungseinzelnormen. Alle späteren Interpreten der Verfassungseinzelnormen, den einfachen Gesetzgeber eingeschlossen, sind zunächst an die Gewichtungsentscheidungen gebunden, die das Grundgesetz in Form von Konkretisierungen selbst enthält. Eine Ableitung „unmittelbar“ aus dem Bundesstaatsprinzip vorzunehmen hieße, eine bereits verfassungskräftig vorgegebene Gewichtungsentscheidung zu unterlaufen. Erst im Rahmen grundgesetzlich vorgegebener konkretisierender Normen ist der Verfassungsanwender, etwa der einfache Gesetzgeber, berufen, eigene Wertungen im Sinne einer Gewichtungsentscheidung vorzunehmen. Sind dem Grundgesetz solche Intentionen zu entnehmen, ist der Spielraum der nachfolgend zur weiteren Konkretisierung berufenen Organe insoweit beschränkt. Es läßt sich also parallel zur Normenhierarchie von einer Hierarchie der Gewichtungsentscheidungen sprechen. Der Verfassungsgeber ist deshalb gezwungen, bei der Interpretation der Verfassung vorrangige Gewichtungsentscheidungen zu ermitteln. bb) Das Bundesstaatsprinzip als Rechtserkenntnisquelle Wesentliche Vorfragen für die normative Wirkung eines Verfassungsprinzips sind die Dichte und die Aussagen seiner Konkretisierungen. Durch die Existenz von Konkretisierungen ändert sich die normative Kraft der Verfassungsprinzipien. Eine wesentliche Funktion des Bundesstaatsprinzips ist damit bereits angesprochen. Bei der Konkretisierung der Prinzipien durch die Vornahme von Gewichtungsentscheidungen sind diese im Sinne von Optimierungsgeboten zu berücksichtigen118. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber hat hierbei die Aufgabe, die widerstreitenden Prinzipien möglichst schonend zum Ausgleich zu bringen. 117 118

V. 3. a). Hierzu: V. 3. a).

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Mit dieser sozusagen genetischen Funktion der Verfassungsprinzipien, so auch des Bundesstaatsprinzips, ist deren Wirkung aber nicht erschöpft. Die Verfassungsprinzipien entfalten ihre Wirkungen nicht nur bei der Verabschiedung von verfassungsändernden und einfachen Gesetzen, sondern auch bei der Verfassungsinterpretation, wenn der Verfassungstext hierfür Spielräume bietet. Damit ist das Verhältnis des Bundesstaatsprinzips zu den es konkretisierenden Normen angesprochen, also die Situation, daß das Verfassungsprinzip innerhalb der Verfassung durch weitere Normen ausgeführt ist. Hierbei sind zwei Konstellationen denkbar. Die Wirkung des Bundesstaatsprinzips läßt sich als lenkende und als verklammernde Funktion beschreiben. So entfaltet das Bundesstaatsprinzip im Hinblick auf die es konkretisierenden Normen in dem Sinne eine lenkende Wirkung, daß es bestehende positive Kompetenzen im Sinne des Bundesstaatsprinzips zu lenken vermag. Allerdings ist hierbei zu beachten, daß die konkretisierenden Normen einen Anwendungsvorrang in dem Sinne genießen, daß durch eine „unmittelbare“ Anwendung des Bundesstaatsprinzips die normative Aussage der Konkretisierung nicht unterlaufen wird. Besonders deutlich wird diese Funktion eines Verfassungsprinzips am Beispiel der sog. Bundestreue119 als Aspekt des Bundesstaatsprinzips. Dessen Wirkung läßt sich dergestalt beschreiben, daß der ungeschriebene, aber verfassungsimmanente Grundsatz der Bundestreue jene Wirkungen umfaßt, mit welchen das Verfassungsprinzip des Bundesstaates auf die Anwendung der es konkretisierenden Normen innerhalb der Verfassung einwirkt. Das Verfassungsprinzip dirigiert die seiner Konkretisierung dienenden Normen, ohne deren normative Aussagen zu verwischen. Um zu Aussagen über unbestimmte Rechtsbegriffe wie dem der „laufenden Einnahmen“ zu gelangen, muß eine weitere Funktion der Verfassungsprinzipien hinzukommen. Dabei handelt es sich um die Funktion der Verklammerung. Dem liegt die Ansicht zugrunde, daß das „Verfassungsrecht nicht nur aus den einzelnen Sätzen der geschriebenen Verfassung besteht, sondern auch aus gewissen sie verbindenden, innerlich zusammenhaltenden Grundsätzen und Leitideen“ 120. Es muß also „bei der Auslegung des Grundgesetzes von der inneren Harmonie des Verfassungswerkes ausgegangen werden“121 Das Bundesstaatsprinzip entfaltet hierbei seine spezifische Wirkung. Es verbindet die seiner Konkretisierung dienenden Normen zu einer Sinneinheit. Diese Verklammerung der Verfassungseinzelnormen macht es möglich und für die weitere Konkretisierung zwingend, in einer Gesamtschau zu ermitteln, welche Präferenzen das Grundgesetz selbst für eine bestimmte Rechtsmaterie getroffen hat. Die gegebenenfalls im Normenumfeld vorgefundene Präferenz lässt sich dann auf Verfas119 120 121

Hierzu ausführlich: Bauer, Die Bundestreue, 1992, passim. BVerfGE 2, 380, 403. BVerfGE 6, 309, 361 am Beispiel der Bundestreue.

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

sungsnormen übertragen, die zwar dem gleichen Regelungsbereich angehören, jedoch aufgrund der Unbestimmtheit ihrer Rechtsbegriffe die bereichsspezifische Gewichtungsentscheidung nicht isoliert erkennen lassen. So verhält es sich bei den „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG. Ihre Interpretation ist anhand ihrer ratio innerhalb des Systems der Regelungen über Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern vorzunehmen. cc) Die gegenläufigen Aspekte des bundesstaatlichen Prinzips Da das Bundesstaatsprinzip nur den äußeren Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung beschreibt, lassen sich innerhalb dieses Rahmens vielfache Ausgestaltungsmöglichkeiten finden. Dies wird insbesondere deutlich, wenn man sich anhand der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat die verschiedenen Gewichtungen der unterschiedlichen Aspekte in der bundesstaatlichen Realität vergegenwärtigt122. So finden sich in der staatsrechtlichen Literatur Schlagworte, die wirkliche oder vermeintliche Tendenzen innerhalb des bundesstaatlichen Aufbaus zu beschreiben suchen. So ist vom separativen123, operativen, unitarischen124, kompetitiven125, kooperativen126, exekutiven, fiduziarischen127 Bundesstaat128 die Rede. Andere 122 Periodisierung durch: Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaat, 1998, insbesondere S. 96 ff., 143 ff., 403 ff., 461 ff., 507 ff. 123 Hierzu: Kisker, Ideologische und theoretische Grundlagen, in: Probleme des Föderalismus, S. 34. 124 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 5; ferner: Frowein, Die Konstruktion des Bundesstaates, S. 54 f. Schnorr, Zur Lage der Länderverwaltung nach 30 Jahren Grundgesetz, DÖV 1979, S. 356. 125 Vgl. hierzu: Schmidt-Jortzig, Herausforderung für den Föderalismus in Deutschland, DÖV 1998, S. 749; Callies, Die Justiziabilität des Art. 72 Abs. 2 GG, DÖV 1997, S. 891; Stamm / Merkl, Kompetitiver Föderalismus, ZRP 1998, S. 467 ff.; Münch, Entwicklung und Perspektiven des deutschen Föderalismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 13 / 99, S. 3, 4; Blumenwitz, Föderalismus zwischen Konsens und Konkurrenz, 1998, S. 49 f.; Bull, Finanzausgleich im „Wettbewerbsstaat“, DÖV 1999, S. 269 ff.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 70; Scholz, Zehn Jahre Verfassungseinheit, DVBl. 2000, S. 1383. 126 Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 1 ff., 134 ff., 281 ff.; Frowein, Die Konstruktion des Bundesstaates, S. 55 f.; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 748 ff.; Thieme, Kooperativer Föderalismus, BayVBl. 1978, S. 353; Callies, Die Justiziabilität des Art. 72 Abs. 2 GG, DÖV 1997, S. 889 ff.; Gramm, Gewaltenverschiebungen im Bundesstaat, AöR 124 (1999), S. 213 ff.; Henle, Finanzreform zwischen Föderalismus und Fiskalpolitik, DÖV 1966, S. 608 ff.; Konow, Kooperativer Föderalismus und Gemeinschaftsaufgaben, DÖV 1966, S. 368, Patzig, Kooperativer Föderalismus, DVBl. 1966, S. 389 ff.; ders., Gegenwartsfragen des Finanzverfassungsrechts, AöR 92 (1967), S. 297 ff.; Herzog, Zwischenbilanz im Streit um die bundesstaatliche Ordnung, JuS 1967, S. 193; Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 266 ff.; zur Diskussion vor der Finanzreform von 1969 vgl.: Kewenig, Kooperativer Föderalismus und bundesstaatliche Ordnung, AöR 93 (1968), S. 433 ff.; Lerche, Föderalismus als nationales Ordnungsprinzip, VVDStRL 21 (1964),

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Autoren beobachten einen Kompetenz-, Vollzugs-, Beteiligungs-129 oder Exekutivföderalismus130. Die Unterschiedlichkeit der Ansichten zur konkreten Gestalt des Bundesstaates sind Ausdruck des Spannungsverhältnisses, welches einem Bundesstaate innewohnt. So stehen sich die Eigenständigkeit der Länder auf der einen und der Integrationsbedarf des Bundes auf der anderen Seite gegenüber131. Dieser Konflikt kann auch beschrieben werden als ein solcher zwischen Einheit und Vielfalt132 oder zwischen Subsidiarität und Integration133: Um dem Grundgesetz Wertungen in bezug auf die bereichsspezifisch intendierte Ausprägung des Bundesstaatsbegriffes zu entnehmen, sollen zunächst die gegenläufigen Aspekte, die einen Bundesstaat ausgestalten können, beschrieben werden. Hierfür soll mit der Gegenüberstellung der gegenläufigen Aspekte herausgestellt werden, welche unterschiedliche Interpretation der unbestimmten Rechtsbegriffe ihre Betonung jeweils nahelegt. So stellt sich zunächst die Frage, welches Verhältnis im Bundesstaat zwischen der eigenständigen Entwicklung der Bundesländer und dem Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet vorzugswürdig sein soll. Es sind hier also zumindest faktische Entscheidungen darüber gefragt, welches Maß an Differenz der Bundesglieder für akzeptabel gehalten wird. Das Bundesstaatsprinzip als solches gibt hier, abgesehen von einem Mindestmaß an Homogenität, keine Antwort. Für die Neigung eines Bundesstaates zur Vereinheitlichung ist der Begriff der Unitarisierung gebräuchlich134. Als Symptome einer solchen Unitarisierungstendenz lassen sich anführen, daß das Schwergewicht der staatlichen Aufgaben sich S. 66 ff.; Scheuner, Bildungsplanung und ihre Rechtsgrundlagen, DÖV 1965, S. 545; ders., Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, S. 647. 127 Häberle, Kulturhoheit im Bundesstaat, AöR 124 (1999), S. 553. 128 Hierzu umfassend: Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, S. 266 ff.; Gramm, Gewaltenverschiebungen im Bundesstaat, AöR 124 (1999), S. 215 ff.; Häberle, Die Entwicklung des Föderalismus, in: Kramer (Hrsg.), Föderalismus zwischen Integration und Sezession, 1993, S. 211. 129 Böckenförde, Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie, in: Politik als gelebte Verfassung, Festschrift Schäfer, 1980, S. 188; Münch, Entwicklung und Perspektiven des deutschen Föderalismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 13 / 99, S. 3, 7. 130 Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 719, 724. 131 Aulehner, Art. 93 I Nr. 2a GG – abstrakte Normenkontrolle oder föderative Streitigkeit?, DVBl. 1997, S. 986. 132 So etwa: Weber-Fas, GG, S. 94; Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, S. 30; m. w. N. 133 So mit treffender Terminologie: Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaat, 1998, passim. 134 Staat vieler vgl.: Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 14; vgl. ferner: Scholz, Zehn Jahre Verfassungseinheit, DVBl. 2000, S. 1383. 8 Maciejewski

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auf den Bund verlagert135 und die Materien des Aufgabenverbundes sich erheblich ausdehnen136. Parallel zu dieser Entwicklung verlagert sich die politische Wirksamkeit der Länder auf ein Organ des Bundes, nämlich den Bundesrat. Zudem wirkt sich der Egalisierungsdruck auch auf die verbliebenen Länderaufgaben aus, indem bei diesen eine fortschreitende Selbstkoordinierung der Länder zu beobachten ist137. Zu einer solchen Unitarisierung neigt der deutsche Bundesstaat durchgehend seit 1949138. Die Gründe hierfür werden zum Teil im Grundgesetz selbst verortet. So wird darauf verwiesen, daß insbesondere vom Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG unitarisierende Impulse ausgehen, wenn diesem die Forderung nach annähernd gleichen Lebensverhältnissen im gesamten Bundesgebiet unterlegt wird139. Diese Egalisierungswirkung werde verstärkt durch die fortschreitende europäische Zusammenarbeit 140, die deutsche Wiedervereinigung141 und durch die Dominanz von bundesweit operierenden politischen Parteien142, die ihrerseits einem Unitarisierungsdruck ausgesetzt sind143. Finanzwissenschaftlich verbindet sich zudem mit dem unitarischen Sog das Phänomen der Anziehungskraft des größeren Etats144. 135 Schreckenberger, Föderalismus als politischer Handlungsstil, Verwaltungsarchiv 69 (1978), S. 347 f.; Bullinger, Die Zuständigkeit der Länder bei der Gesetzgebung, Teil I, DÖV 1970, S. 764; Kisker, Neuordnung des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges, Der Staat 14 (1975), S. 175; Voigt, Einfluß und Wirkungsmöglichkeiten der Landesparlamente, BayVBl. 1977, S. 97 ff. 136 Schreckenberger, Föderalismus als politischer Handlungsstil, Verwaltungsarchiv 69 (1978), S. 347 f. 137 Etwa Beispiel: KMK, Finanzplanungsrat etc. 138 Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 725, ders., Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 250; Donner / Berlit, Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Konsequenzen der Wiedervereinigung für die Bundesstaatlichkeit Deutschlands, Zparl 1992, S. 316 ff. 139 Isensee, Föderalismus und Verfassungsstaat, AöR 115 (1990), S. 248; hierzu: Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, 1987, § 25, Rn. 82; Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 13; Schenke, Föderalismus als Form der Gewaltenteilung, JuS 1989, S. 698; Badura, Die „Kunst der föderalen Form“, in: Festschrift Lerche, S. 373; Köttgen, Der soziale Bundesstaat, in: Achinger / Ohl / Prestel / Schmerbeck / Pense (Hrsg.), Neue Wege der Fürsorge, Festschrift Hans Muthesius, 1960, S. 19. 140 Badura, Die „Kunst der föderalen Form“, in: Festschrift Lerche, S. 373. 141 Vgl. hierzu: Donner / Berlit, Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Konsequenzen der Wiedervereinigung für die Bundesstaatlichkeit Deutschlands, ZParl 1992, S. 316 ff. 142 So ist gelegentlich vom „Parteienbundesstaat“ die Rede: Badura, Die „Kunst der föderalen Form“, in: Festschrift Lerche, S. 373; Kilian, Föderalistische Verfassungsgebung in den neuen Ländern, JuS 1993, S. 537. 143 Hierzu: Schreckenberger, Föderalismus als politischer Handlungsstil, Verwaltungsarchiv 69 (1978), S. 345 f.

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Unter dem Begriff der Unitarisierung lassen sich demnach jene Aspekte fassen, die zentripetale, also auf den Zentralstaat hin ausgerichtete Betonungen innerhalb der bundesstaatlichen Ordnung darstellen. Dieser betont die Einheit des Bundes auf Kosten der Eigenständigkeit der Länder. Weniger eindeutig als bei der Unitarisierung ist die Begrifflichkeit bei dessen Gegenpol, also der Betonung der Differenziertheit der einzelnen Bundesglieder. Im Gegensatz zu einer unitarischen Gewichtung der bundesstaatlichen Realität wird hierbei die Eigenständigkeit der Länder betont und eine mitunter stark differenzierte Entwicklung der einzelnen Bundesglieder in Kauf genommen. Der Aspekt der Einheit tritt gegenüber dem der Vielfalt in den Hintergrund. Für diesen Aspekt soll der Begriff föderalistisch im engeren Sinne verwendet werden. Diese Begriffsbildung dient der Absetzung zum Begriff des Föderalismus als solchem. Dieser ist umfassender. Der Begriff des Föderalismus wird in Literatur und Rechtsprechung in zweierlei Bedeutung verwendet. So wird einerseits der Begriff des Föderalismus in dem soeben geschilderten Sinne verstanden, nämlich als politische Idee, welche den gesamten Komplex der damit verbundenen Gegensätze bezeichnet. Demnach entbindet der Föderalismus nicht nur zentrifugale, sondern auch zentripetale Kräfte145. Der Begriff des Föderalismus erscheint nach dieser Terminologie „nicht bloß Gegensatz zum Unitarismus, sondern Ausdrucksform partnerschaftlicher Politik“146. Andererseits wird der Föderalismus als Gegenbegriff zum Unitarismus verwendet und erscheint somit als Gewichtung innerhalb der politischen Idee. Hesse bemerkt hierzu, wegen der fortschreitenden Unitarisierung habe der „Föderalismus an seiner geschichtswirksamen Kraft verloren“147 und bezeichnet die Unitarisierungstendenzen als „antiföderalistisch“ 148. Bei Rumpler findet sich die Formulie144 Grundlegend: Popitz, Der Finanzausgleich, in: Gerloff (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Band II, 1927, S. 348 f.; ders., Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, 1932; vgl. hierzu: Hensel, Das Popitz-Gutachten über den Finanzausgleich, StuW 1932, S. 593 ff.; Terhalle, Der künftige Finanzausgleich, FR 1954, S. 521 ff.; Dieckmann, Johannes Popitz, Entwicklung und Wirksamkeit in der Zeit der Weimarer Republik, 1960, S. 113 ff.; Albers, Das Popitzsche Gesetz der Anziehungskraft des übergeordneten Haushalts, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 30 (1964), S. 835 ff.; Hansmeyer, Das Popitzsche Gesetz der Anziehungskraft des zentralen Etats, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 47 (1967), S. 197 ff.; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87, Rn. 26; Pauker, Wirtschaftssubventionen des Bundes, DÖV 1988, S. 64 ff.; Vogel, Die bundesstaatliche Finanzverfassung des GG, JA 1980, S. 577, 578; Isensee, Föderalismus und Verfassungsstaat, AöR 115 (1990), S. 257. 145 Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 719, 724. 146 Rumpler, Föderalismus als Problem der deutschen Verfassungsgeschichte, Der Staat 16 (1977), S. 227. 147 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 31 f. 148 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 14.

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rung, man habe eine „unitarische gegen föderalistische Lösung“149 abwägen müssen. Auch bei Badura finden sich „föderativ“ und „unitarisch“ als im Bundesstaate zu gewichtender Gegensatz150. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts legt die Verwendung des Begriffes als Gewichtung nahe. So ist vom „betont föderativ gestalteten Bundesstaat des Grundgesetzes“151 oder einem „betont föderativ gestalteten Staat wie der Bundesrepublik Deutschland“152 die Rede. Diese sei ein „Bundesstaat mit betont föderalistischem Aufbau“153. In der Literatur finden sich ähnliche Formulierungen154. Allerdings ist auch die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts nicht eindeutig. Gelegentlich wird lediglich vom „föderativen Charakter der Bundesrepublik“155 gesprochen. Nach der hier zu verwendenden Terminologie sollen die Aspekte föderalistisch im engeren Sinne und unitarisch als Gewichtungen des Föderalismus und damit des Bundesstaates gelten. Sowohl der Föderalismus als politische Idee als auch der Bundesstaat als staatsrechtliches Architekturprinzip fordern Antworten auf die Gewichtung der gegenläufigen Aspekte, die sich als föderalistisch im engeren Sinne und unitarisch beschreiben lassen. Ähnlich gelagert, aber nicht identisch ist die Frage, ob der Bundesstaatsbegriff des Grundgesetzes den gewaltenteiligen Aspekt zwischen Bund und Ländern betont oder eher eine Tendenz zur Kooperation der staatlichen Ebenen anordnet. Dieses Gegensatzpaar könnte man zu der Frage zusammenfassen, ob der Föderalismus des Grundgesetzes für bestimmte Materien unabhängig von ökonomischen Erwägungen und politischen Zielen ein „kooperativer“ oder ein „kompetitiver“ ist.156 So könnte ein Bundesstaat auf umfangreiche Kooperation der beteiligten Glieder angelegt sein. In einem solchen Bundesstaat finden sich zahlreiche ebenenübergreifende Projekte. Beispiel für das hier in erster Linie zu betrachtende Verhältnis von Bund und Ländern sind die Mischfinanzierungen157. 149 Rumpler, Föderalismus als Problem der deutschen Verfassungsgeschichte, Der Staat 16 (1977), S. 226 (im Zusammenhang mit Österreichs Einbindung in den deutschen Staatenbund, 1866). 150 Badura, Staatsrecht, Teil D, Rn. 69 (S. 336); ebenso: Brenner, Der unitarische Bundesstaat in der Europäischen Union, DÖV 1992, S. 903. 151 BVerfGE 60, 175, 209 (Volksbegehren „Keine Startbahn West“); 64, 301, 317 (Abgeordnetengesetz von Baden-Württemberg); Hervorhebung des Verf. 152 BVerfGE 4, 179, 189 (Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit von Baden-Württemberg); ebenso: BVerfGE 6, 176, 282; 22, 267, 270. 153 BVerfGE 3, 58, 158 (Regelung der Rechtsverhältnisse nach Art. 131 GG). 154 Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungsmaßstab, 1992, S. 28; Badura, Die „Kunst der föderalen Form“, in: Festschrift Lerche, S. 369 ff.; Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus, 1998, S. 5. 155 BVerfGE 6, 84, 99. 156 Statt Vieler: Scholz, Zehn Jahre Verfassungseinheit, DVBl. 2000, S. 1383; Callies, Die Justiziabilität des Art. 72 Abs. 2 GG, DÖV 1997, S. 889 ff.

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Als Alternative bietet sich in einem Bundesstaate die Betonung des gewaltenteiligen Aspektes an. Dieser sieht eine klare Trennung der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten vor. Das Verhältnis der beteiligten Ebenen ist weniger auf Zusammenarbeit, sondern vielmehr auf gegenseitige Kontrolle angelegt. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß der äußere Rahmen der Bundesstaatlichkeit für seine nähere Ausgestaltung nach Gewichtungen der gegenläufigen Aspekte des Föderalismus verlangt. Gesucht ist also ein Maß auf der Skala zwischen der unitarischen Tendenz und ihrem föderalistischen Gegengewicht sowie zwischen Kooperation und Gewaltenteilung. dd) Gewichtungsentscheidungen und „laufende Einnahmen“ Die Gewichtung der obengenannten Aspekte für eine bestimmte Rechtsmaterie ist von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der unbestimmten Rechtsbegriffe. In bezug auf die „laufenden Einnahmen“ wird dies besonders deutlich. Es ist also zu ermitteln, welche Tendenz das Grundgesetz für den Bereich der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländergesamtheit bereithält. Diese Tendenz prägt die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in eben diesem Bereich. Je nach Gewichtung der gegenläufigen Aspekte ergeben sich in bezug auf die „laufenden Einnahmen“ völlig unterschiedliche Funktionen der Deckungsquotenrechnung und damit unterschiedliche Anforderungen an die Bestimmung der einzustellenden Einnahmen. Unterstellte man der bundesstaatlichen Finanzverfassung eine unitarische Tendenz, wäre die Verteilung der Umsatzsteuer eine mehr oder weniger technische Frage. Ihre Beantwortung verlöre durch das dann von der Verfassung zugelassene Übergewicht des Bundes ihre Schärfe. Der gewaltenteilige Aspekt wäre schwach ausgebildet, Fragen der Umsatzsteuerverteilung könnten dann ebenso im Kompromiß gelöst werden wie Finanzierungsfragen etwa bei Mischfinanzierungen. Bei der Bestimmung der laufenden Einnahmen könnten dann Fragen der Verwaltungseffektivität im Vordergrund stehen, eine präzise Definition mit dem Ziel der vergleichbaren Handhabung auf beiden Ebenen wäre zu vernachlässigen. Wäre dem bundesstaatlichen Finanzausgleich eine solche Tendenz unterlegt, könnte in der Tat, wie vom Bundesministerium der Finanzen offenbar favorisiert, auf die veranschlagten Einnahmen als maßgebliches Kriterium abgestellt werden158. Anders bei einer Präferenz des Grundgesetzes für eine gewaltenteilig betonte bundesstaatliche Finanzverfassung. Dann wäre die Verteilung der Umsatzsteuer eine zentrale Frage der bundesstaatlichen Ordnung. Hier entscheidet sich wegen 157 Hierzu etwa: Kösters, Die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, insbesondere S. 65 ff. 158 Vgl. § 4 des Entwurfes zum Maßstäbegesetz, vgl. hierzu oben: IV. 2. b).

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

des dargestellten Zusammenhangs von finanzieller Ausstattung und politischer Macht die Stabilität des bundesstaatlichen Verbandes. Die Verteilung dieser Mittel wäre geradezu die „Gretchenfrage“ der deutschen Finanzpolitik und der bundesstaatlichen Stabilität. Diese Präferenz hätte Konsequenzen sowohl für die Anforderungen an die Stringenz der Kriterien als auch an die Auslegung der „laufenden Einnahmen“. Entscheidend wäre die Frage der Machtrelevanz der entsprechenden Einnahmen, und nicht deren verwaltungsmäßige Erfaßbarkeit. Die Frage nach der Auslegungsmaxime für die laufenden Einnahmen ist also auf das engste verknüpft mit der Präferenz des Grundgesetzes in bezug auf die bundesstaatlichen Finanzbeziehungen. Diese gilt es nunmehr zu ermitteln. Eine im Grundgesetz angelegte Präferenz könnte es darstellen, wenn diesem bereits eine allgemeine Bundesstaatstheorie zugrunde läge. Dann wäre dem deutschen Bundesstaat eine theoretische Vorstellung von einem Bundesstaat unterlegt, der „gewissermaßen über der Rechtsordnung steht“159 und unabhängig von der grundgesetzlichen Systematik als überpositive Gewichtungsentscheidung aufzufassen wäre. Indes besteht Einigkeit darüber, daß es eine solche allgemeine Bundesstaatstheorie im deutschen Staatsrecht nicht gibt160. In diese Ansicht fügt sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein. Das Gericht vermied stets die Konstruktion eines abstrakten, vom Grundgesetz unabhängigen Bundesstaatsbegriffes161. Demnach lassen sich, abgesehen von den dargestellten Essentialia, keine allgemeingültigen und theoretisch greifbaren Merkmale der Bundesstaatlichkeit herauspräparieren162. Der Begriff des Föderalismus wie auch des Bundesstaats sind zunächst nicht mehr als abstrakte Begriffe, die ihre Konkretisierung ausschließlich über das Verfassungsrecht gewinnen163. Diese Substanz innerhalb des Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 7. Statt vieler: Ossenbühl, Landesbericht Bundesrepublik Deutschland, in: Ossenbühl (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 160; Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 4 f.; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 92 f.; Oeter, Integration und Subsidiarität, S. 3; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Art. 20 (Bundesstaat), Rn. 20; v. Mangoldt, Bundesaufsicht, 1966, S. 60 f.; Rudolf, Die Bundesstaatlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Band II, S. 235; ders., Bund und Länder im aktuellen deutschen Verfassungsrecht, 1968, S. 8 ff.; Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, S. 28; Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 26, Rn. 8 f.; Isensee, Idee und Gestalt, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 98, Rn. 5; Bethge, Verfassungsgerichtsbarkeit im Bundesstaat, BayVBl. 1985, S. 257. 161 Vgl. BVerfGE 2, 380, 403; 6, 309, 361; 49, 184, 163;52, 131, 144. 162 Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 7. 163 Induktive Methode, grundlegend: Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20, Abschnitt IV, Rn. 29; ferner: Isensee, Idee und Gestalt, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 98, Rn. 8; Stern, StaatsR, Band I, S. 660. 159 160

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Rahmens der bundesstaatlichen Ordnung muß daher „auslegungstechnisch aus den Normen des Grundgesetzes herausdestilliert werden“164. (1) Die Ziele der Deckungsquotenbestimmung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG Wenig Aufschluß über die in der bundesstaatlichen Finanzverfassung angelegten Präferenzen bieten zunächst die in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG formulierten Ziele der Deckungsquotenbestimmung. Demnach sollen die Deckungsbedürfnisse von Bund und Ländern so aufeinander abgestimmt werden, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überlastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird. Diese Parameter sind so unbestimmt, daß sich hieraus kaum Aussagen für die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe ableiten lassen. Allenfalls könnte man die Ziele des billigen Ausgleichs und der Vermeidung der Überbelastung der Steuerpflichtigen als Auslegungskriterien heranziehen. Der Rückgriff auf das Ziel des billigen Ausgleiches erweist sich hierbei allerdings als zirkulär. Billig ist in diesem Zusammenhang wohl als interessengerecht im Sinne einer funktionsgerechten vertikalen Aufteilung des Umsatzsteueraufkommens zu verstehen. Unbeantwortet bleibt aber die Frage, was denn die Funktion der entsprechenden Normen ist. Erst wenn diese ermittelt ist, läßt sich beurteilen, ob die Verteilung der Umsatzsteuer im Wege des Deckungsquotenverfahrens zu einem im Hinblick auf deren Funktion „billigen“ Ergebnis geführt hat. Als ebenso unergiebig für die Gewinnung von geeigneten Auslegungsmaximen für den Begriff der laufenden Einnahmen erweist sich die grundgesetzliche Zielvorgabe, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen zu vermeiden. Allenfalls könnte dies als schwaches Indiz für eine gewaltenteilig betonte Interpretation der Regelungen der Finanzverfassung dienen. Dem Grundgesetz ist der Gedanke unterlegt, daß in erster Linie eine funktionierende Gewaltenteilung geeignet ist, die Freiheitssphäre des einzelnen wirkungsvoll und dauerhaft zu schützen165. Freiheitsrechte sind demnach nicht die einzige Vorkehrung zum Schutze der Freiheit des einzelnen, sondern auch eine horizontale und vertikale Gewaltenteilung166. Auf die Finanzverfassung übertragen ließe sich demzufolge durch eine effektive Gewaltenteilung zwischen den staatlichen Ebenen eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermeiden. Völlig deplaziert wirkt im Zusammenhang mit der vertikalen Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländergesamtheit das Ziel der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Die Festlegung eines Anteiles 164 165 166

So zu Recht: Šarcevic´, Bundesstaatsprinzip, S. 16. Vgl. oben: II. 1. a). Grabitz, Freiheit als Verfassungsprinzip, Rechtstheorie 8 (1977), S. 1, 13.

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

aller Länder an dem Aufkommen der Umsatzsteuer kann dem Ziel der Bewahrung einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet weder zuwiderlaufen noch zu dessen Förderung beitragen. Zusammenfassend kann bezüglich der Gewinnung von Auslegungskriterien für den unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ hier nur die weitgehende Nichteignung der in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG vorgegebenen Zielvorgaben konstatiert werden. Diese betreffen eher die Forderung nach der Aufstellung von ableitungsfähigen Maßstäben167 als daß sie Rückschlüsse auf deren Auslegung zuließen. (2) Insbesondere: Der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz, Art. 104a Abs. 1 GG Als einschlägige Gewichtungsentscheidung gerät vielmehr der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG ins Blickfeld. Dessen Aussagen lassen Folgerungen über das von der Finanzverfassung vorgesehene Verhältnis der verschiedenen staatlichen Ebenen des Bundesstaates zu. Die allgemeine Lastenverteilungsregel des Art. 104a Abs. 1 GG steht nicht von ungefähr an der Spitze des X. Abschnittes des Grundgesetzes. Durch dessen exponierte Stellung soll offenbar die Bedeutung dieses Grundsatzes für den gesamten Abschnitt betont werden168. Nach Art. 104a Abs. 1 GG tragen Bund und Länder gesondert die Kosten, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Die Finanzierungslast hat also der Aufgabenzuständigkeit zu folgen169. Es läßt sich daher von einem Primat der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung vor der Ausgabenverteilung sprechen170. Die Schwäche dieser scheinbar klaren Regelung liegt darin, daß das Grundgesetz dazu schweigt, was denn „Aufgabe“ bedeutet171. Nach allgemeiner Ansicht ist hierbei an die Verwaltungskompetenz anzuknüpfen172, die Ausgabenkompetenz folgt daher regelmäßig der Verwaltungszuständigkeit, die sich – abgesehen von Spezialregelungen wie etwa die der Art. 87 bis 90 GG – aus den Generalklauseln der Art. 83 und 30 GG ergibt173. Dieser Zusammenhang zwiVgl. oben: III. 4. Ebenso: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 104a, Abschnitt II, Rn. 9; Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 15. 169 Ebenso: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 104a, Abschnitt II, Rn. 9; Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 73 ff.; Heun, Die Zusammenführung von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung, DVBl. 1996, S. 1021. 170 Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 32; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1130; Korioth, Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 31 ff. 171 Hierzu ausführlich: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 104a, Abschnitt II, Rn. 10 ff.; Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 73 ff. 172 BVerfGE 26, 338, 390; 44, 151, 365; Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 104a, Rn. 9; Wieland, Einen und Teilen, DVBl. 1992, S. 1185; Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 85. 167 168

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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schen Finanzierungslast und Verwaltungskompetenz wird als Konnexität, die allgemeine Lastenverteilungsregel als Konnexitätsgrundsatz bezeichnet174. Mit der Festlegung auf die Konnexität von Finanzierungslast und Verwaltungskompetenz durch Art. 104a Abs. 1 GG sind zwei wesentliche Aussagen dieser Regel verbunden. Zum einen weist diese jener Ebene des bundesstaatlichen Aufbaus die Finanzierungslast zu, die nach der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung die Verwaltungskompetenz innehat. Gleichzeitig begrenzt sie die Finanzierungsmöglichkeiten der beteiligten Ebenen175. Es läßt sich demnach von einer Zuweisungs- und einer Begrenzungsfunktion der allgemeinen Lastenverteilungsregel sprechen. Letztere Funktion soll hier im Vordergrund stehen. Ihr Zweck ist nicht weniger als die Sicherstellung der föderativen Struktur der Bundesrepublik Deutschland176, indem sie die Verlagerung bundesstaatlicher Kompetenzen auf das finanzstärkere Bundesglied verhindert177. Dieser Funktion liegt das finanzwissenschaftliche Theorem der Anziehungskraft des größeren Etats178 zu Grunde. Dieser maßgeblich 173 Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig, GG, Band III, 1996, Art. 104a, Rn. 4; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 104a, Rn. 3; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 104a, Rn. 10 ff.; Stern, Staatsrecht II, S. 1138; Vogel / Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 54 ff.; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87, Rn. 21. 174 Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1138; Badura, Staatsrecht, 1986, S. 505; Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, 1996, Art. 104a, Rn. 4 ff.; v. Arnim, Finanzzuständigkeit, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 103, Rn. 26 ff.; Klein, in: Benda / Maihofer / Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, § 23, Rn. 11; Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 28; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 87, 1990, Rn. 22; Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz, AöR 101 (1976), S. 242 ff.; Starck, Die Bundesstaatlichkeit im Spiegel der Finanzverfassung, StuW 1974, S. 272, der allerdings die Bezeichnung als „Konnexität“ kritisiert und statt dessen „Annexität“ vorschlägt. 175 Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 42. 176 Sokolish, Investitionshilfekompetenz des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG und Finanzausgleich, DVBl. 1977, 850. 177 Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 42. 178 Popitz, Der Finanzausgleich, in: Gerloff (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Band II, 1927, S. 348 f.; ders., Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, 1932; vgl. hierzu: Hensel, Das Popitz-Gutachten über den Finanzausgleich, StuW 1932, S. 593 ff.; Terhalle, Der künftige Finanzausgleich, FR 1954, S. 521 ff.; Dieckmann, Johannes Popitz, Entwicklung und Wirksamkeit in der Zeit der Weimarer Republik, 1960, S. 113 ff.; Albers, Das Popitzsche Gesetz der Anziehungskraft des übergeordneten Haushalts, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 30 (1964), S. 835 ff.; Hansmeyer, Das Popitzsche Gesetz der Anziehungskraft des zentralen Etats, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 47 (1967), S. 197 ff.; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87, Rn. 26; Pauker, Wirtschaftssubventionen des Bundes, DÖV 1988, S. 64 ff.; Vogel, Die bundesstaatliche Finanzverfassung des GG, JA 1980, S. 577, 578; Isensee, Föderalismus und Verfassungsstaat, AöR 115 (1990), S. 257.

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

von Johannes Popitz in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts geprägte Gedanke sieht es als zwingend an, daß einem Staatswesen mit mehreren autonomen Entscheidungsträgern eine Tendenz der kompetenziellen Gewichte hin zur Körperschaft mit der größten Finanzkraft wesensmäßig immanent ist. Damals wie heute ist der Zentralstaat, also das Reich bzw. der Bund, die finanzstärkste Körperschaft179. Die Anziehungskraft des größeren Etats ist also im wesentlichen eine zentralistische Tendenz und somit eine Gefahr für die Autonomie der Provinzen des Reiches bzw. die Staatlichkeit der Länder der Bundesrepublik Deutschland. Die Verfassung eines Bundesstaates muß demnach Schutzmechanismen bereithalten, die die finanzschwächeren Körperschaften vor der Aushöhlung ihrer Kompetenzen durch den übergeordneten Etat bewahren. Ohne die Festlegung eines Primats der Aufgabenverteilung vor der Ausgabenverteilung wäre die bundesstaatliche Kompetenzverteilung letztlich von der Finanzkraft der Bundesglieder abhängig. Die Zuteilung der Lasten erscheint somit als wesentliche Voraussetzung für ein stabiles bundesstaatliches System180. In der Finanzverfassung des Grundgesetzes erfüllt diese Funktion der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG. Dieser wurde allerdings erst im Rahmen der Finanzverfassungsreform von 1969 eingefügt. Zuvor hatte insbesondere Fischer-Menshausen als Gutachter beim Herrenchiemseer Konvent immer wieder Forderungen im Sinne der grundgesetzlichen Verankerung einer Konnexitätsregelung aufgestellt und deren Bedeutung für die bundesstaatliche Stabilität betont181. Demnach sollten zwischen Bund und Ländern von vornherein klare Verantwortungsverhältnisse gelten182. Es müsse als „Leitsatz gelten, daß der Bund nur Bundesaufgaben und die Länder nur Landesaufgaben finanzieren dürfen“183. Immerhin wurde durch das Finanzverfassungsgesetz von 1955 im Rahmen der Regelungen zur Revision des Beteiligungsverhältnisses der damaligen Gemeinschaftsteuern in Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG a. F. eine Regelung in das Grundgesetz eingefügt, welche im Wortlaut der heutigen Konnexitätsregelung entspricht184.

Vogel, Die bundesstaatliche Finanzverfassung des GG, JA 1980, S. 577. Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 25. 181 Fischer-Menshausen, Die Länder im künftigen Finanzausgleich, DÖV 1948, S. 13; ders., Die Abgrenzung der Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern, DÖV 1952, S. 678; ders., Die staatswirtschaftliche Bedeutung des neuen Finanzausgleichs, DÖV 1955, S. 263 f. 182 Fischer-Menshausen, Die Länder im künftigen Finanzausgleich, DÖV 1948, S. 13. 183 Fischer-Menshausen, Die Länder im künftigen Finanzausgleich, DÖV 1948, S. 13. 184 BGBl. I 1955, S. 817; vgl. hierzu: Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 18; kritisch: Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 27. 179 180

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Das Bundesverfassungsgericht dehnte den Anwendungsbereich dieser Norm über die Revisionsklausel hinaus auf die gesamte Finanzverfassung aus185 und bezeichnete diesen schon vor der Verankerung des Art. 104a Abs. 1 GG n.F. als geltendes Verfassungsrecht186. Die Einführung des Art. 104a Abs. 1 GG durch die Finanzreform 1969 war insofern nur eine Klarstellung187. Aus der Funktion ergibt sich die rechtliche Qualität der allgemeinen Lastenverteilungsregel. Sie ist die allgemein formulierte Rechtsregel, zu deren Gunsten ein Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht188. Ausnahmen zur Regel der Konnexität finden sich insbesondere in den Absätzen 3 und 4 des Art. 104a GG sowie in Art. 91a, 91b GG189. Eine solche positive Fixierung der grundgesetzlich zulässigen Durchbrechungen der allgemeinen Lastenverteilungsregel ist notwendig, um den Schutz der Autonomie der Bundesländer zu gewährleisten. Kompetenzblindes Finanzgebaren führt zur Schmälerung des Schutzes der Finanzverfassung vor der Anziehungskraft des größeren Etats190. Die damit verbundenen Gefahren für die bundesstaatliche Stabilität lassen sich mit dem Stichwort der Angebotsdiktatur zusammenfassen191. Demnach wirkt das Angebot der Mitfinanzierung von Länderaufgaben als politisch-psychologisches Druckmittel. Das entsprechende Bundesland steht vor der Wahl, die angebotenen Finanzmittel zu den vom Bund vorgegebenen Konditionen anzunehmen oder auf die Förderung zu verzichten. Zudem sind solche Finanzierungswege der verfassungsrichterlichen Nachprüfung in der Regel entzogen: wo kein Kläger, da kein Richter. Der geschilderte politische Druck wirkt sich hier dergestalt aus, daß die Länder auf verfassungsgerichtliche Schritte verzichten, um die entsprechende Förderung aus den Mitteln des Bundes nicht zu verlieren192. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG. An deren Beispiel ist der Charakter der Modifikatio185 BVerfGE 26, 338, 389 f.; unter Hinweis auf: BVerfGE 9, 305, 328; 14, 221, 233; vgl. hierzu: Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz, AöR 101 (1976), S. 242; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 104a, Abschnitt II, Rn. 9 f. 186 BVerfGE 26, 338, 389. 187 BVerfGE 26, 338, 390; Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 200; vgl.: BT-Drucks. V / 2861, Tz. 60 und 113. 188 Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 55. 189 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 104a, Rn. 28; Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rn. 56. 190 Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 728. 191 Hierzu i. e.: Vogel, Die bundesstaatliche Finanzverfassung des GG, JA 1980, S. 578; Hofmann, Notwendigkeit und Perspektiven einer Föderalismusreform, ZRP 1999, S. 466. 192 Isensee, Der Bundesstaat – Bestand und Entwicklung, in: Badura / Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, S. 729; Müller-Volbehr, Anmerkung zu BVerfGE 39, 69, NJW 1975, S. 1115 f.

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

nen der allgemeinen Lastenverteilungsregel des Art. 104a Abs. 1 GG vom Bundesverfassungsgericht näher ausgeformt worden193. Demnach muß „eine bundesstaatliche Ordnung ( . . . ) prinzipiell sicherstellen, daß Finanzhilfen aus dem Bundeshaushalt an die Länder die Ausnahme bleiben“194. Im staatsrechtlichen Schrifttum werden die Kompetenzen des Art. 104a Abs. 4 GG nicht nur als Ausnahmen zu Art. 104a Abs. 1 GG angesehen, sondern darüber hinaus gar nur als subsidiäre und zeitlich begrenzte Notkompetenzen195. Jedenfalls wird wegen der bundesstaatlichen Gefahren tendenziell eine einschränkende Anwendung der Finanzhilfen angestrebt196 mit dem Argument, der Einsatz von Bundesinvestitionshilfe führe auf Dauer zu einer Erosion und schließlich zur Zerrüttung der Bundesstaatlichkeit197. Ähnlich auch die Kritik an dem Verfassungsinstitut der Gemeinschaftsaufgaben198. Diese stellten eine grundgesetzlich verbotene Mischverwaltung199 dar. Zudem binde das Angebot der entsprechenden Mittel solche der Länderhaushalte und entfalte einen faktischen Zwang für die Länder, da kein Land es sich politisch leisten könne, die Mitfinanzierung des Bundes abzulehnen200. Auch die Gewährung von Gemeinschaftsaufgaben produziere eine zentralistische Tendenz201. Insbesondere: BVerfGE 39, 96, 107. BVerfGE 39, 96, 1. Leitsatz und S. 107; zustimmend: Starck, Finanzausgleich und Finanzhilfen im Bundesstaat, JZ 1975, S. 363; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 104a, Rn. 55. 195 Starck, Die Bundesstaatlichkeit im Spiegel der Finanzverfassung, StuW 1974, S. 274; ders., Finanzausgleich und Finanzhilfen des Bundes, JZ 1975, S. 364; Sokolish, Investitionshilfekompetenz des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG und Finanzausgleich, DVBl. 1977, S. 848 ff. 196 In der Tendenz ebenso: Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz, AöR 101 (1976), S. 246; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 104a; Rn. 3; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 104a, Rn. 51 ff.; Sokolish, Investitionshilfekompetenz des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG und Finanzausgleich, DVBl. 1977, S. 849. 197 Starck, Die Bundesstaatlichkeit im Spiegel der Finanzverfassung, StuW 1974, S. 275; ders., Finanzausgleich und Finanzhilfen des Bundes, JZ 1975, S. 363 ff.; Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz, AöR 101 (1976), S. 246; undeutlich: Müller-Volbehr, Anmerkung zu BVerfGE 39, 69, NJW 1975, S. 1115 f. 198 Kisker, Kooperation im Bundesstaat, 1971, S. 289 und 293; Frowein, Gemeinschaftsaufgaben im Bundesstaat,. VVDStRL 31 (1973), S. 51 ff.; Heinze, Kooperativer Föderalismus, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift Ernst Forsthoff, 1972, S. 135 f.; Schnorr, Zur Lage der Länderverwaltung nach 30 Jahren Grundgesetz, DÖV 1979, S. 356. 199 Vgl. hierzu ausführlich: Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, passim, insbesondere S. 102 ff. 200 Barbarino, Planerische und finanzielle Aspekte des Bund-Länder-Verhältnisses, DÖV 1973, S. 20; Janson, Möglichkeiten einer kooperativen Gesamtfinanzplanung, DÖV 1978, S. 158; Schnoor, Zur Lage der Länderverwaltung nach 30 Jahren Grundgesetz, DÖV 1979, S. 356; Zitzelsberger, Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, DÖV 1990, S. 725 f.; v. Münch, Staatsrecht, Band I, S. 243; Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 177 ff.; Lemke, Grundgesetz – eine Verfassung der siebziger Jahre?, DÖV 1972, S. 625. 193 194

3. Objektiv-teleologische Ableitungen

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Ungeachtet der Kritik an den einzelnen Verfassungsinstituten läßt sich jedenfalls feststellen, daß in der geltenden Finanzverfassung ein grundsätzliches Verbot von Mischfinanzierungen angelegt ist. Dieses Verbot ist vor dem Hintergrund seines Zwecks, nämlich der Sicherung der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland, zu betrachten. Aus diesem Grunde ist eine möglichst präzise tatbestandliche Definition der verfassungsrechtlich zulässigen Ausnahmen durch den Verfassungsgeber nötig. Dies ist durch das Finanzreformgesetz von 1969 und zahlreiche Präzisierungen durch das Bundesverfassungsgericht geschehen. Diese Ausnahmen ändern aber nichts an der Grundtendenz. Sie gelten für präzise umrissene Sonderfälle, bei denen zugunsten besonderer Umstände von der strikten Trennung der Kompetenzbereiche abgewichen wurde. Art. 104a Abs. 1 GG ist somit die prägende Norm der Finanzverfassung. Die hier enthaltene allgemeine Lastenverteilungsregel gewichtet die Wirkungen des Bundesstaatsprinzips in bezug auf vertikale Finanzbeziehungen. An Art. 104a Abs. 1 GG wird besonders deutlich, daß der Bundesstaat des Grundgesetzes in der Frage der Finanzbeziehungen nicht auf Kooperation, sondern auf streitbares Miteinander angelegt ist. Eine deutliche Betonung, eine Präferenz wird hierbei in Richtung des gewaltenteiligen Aspektes der Trennung der Kompetenzbereiche gelegt202. (3) Systematik der Ertragshoheiten Daneben gibt die Systematik der Aufteilung der Ertragshoheiten Aufschluß über das grundgesetzlich intendierte Verhältnis der staatlichen Ebenen zueinander. Im Grundsatz strebt das Grundgesetz eine verfassungskräftige Zuteilung der zur Erfüllung staatlicher Aufgaben insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel an. Während Art. 106 GG in den Absätzen 1 und 2 Bund und Ländern das Aufkommen einzelner Steuerarten zuweist, wird bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer als Gemeinschaftsteuern eine quotale Aufteilung der Erträge zwischen den bundesstaatlichen Ebenen verfassungskräftig fixiert. Insofern ist die Verteilung der Umsatzsteuer hier eine Ausnahme, da bei dieser die Aufteilung der Erträge einer einfachgesetzlichen Regelung überlassen bleibt. Diese Durchbrechung der grundgesetzlichen Fixierung der Ertragshoheit geschieht im Interesse einer Flexibilisierung der finanziellen Ausstattung der Ebenen des Bundesstaates, zu welcher eine Regelung im Grundgesetz selbst weder fähig noch geeignet wäre. Die strikte Trennung der Ertragshoheiten auf verfassungsrechtlicher Ebene wird also nur zugunsten der Flexibilisierung durchbrochen, ansonsten ist auch diesem Teil der Finanzverfassung eine deutlich gewaltenteilige Präferenz unterlegt. 201 Hesse, Aspekte des kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik, in: Ritterspach / Geiger (Hrsg.), Festschrift Gebhard Müller, 1970, S. 151 f. 202 Besonders deutlich: Pauker, Wirtschaftssubventionen des Bundes, DÖV 1988, S. 64; Frowein, Konstruktion des Bundesstaates, in: Probleme des Föderalismus, S. 57; Franke, Verfassungsprobleme der Investitionshilfekompetenz des Bundes, FinArchiv n. F. 36 (1977), S. 102 ff.

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V. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“

(4) Selbständige und voneinander unabhängige Haushaltswirtschaft, Art. 109 Abs. 1 GG Die insbesondere durch den allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG angelegte Tendenz wird flankiert von der Aussage des Art. 109 GG. Nach dessen Abs. 1 sind Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig. Unter den Begriff der Haushaltswirtschaft fallen sämtliche Vorgänge, die staatliche Einnahmen und Ausgaben betreffen203. Die grundgesetzliche Garantie der getrennten Haushaltswirtschaften dient wie der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz dazu, die politische Autonomie von Bund und Ländern zu sichern204. Parallel zu Art. 104a Abs. 1 GG ist auch hier ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der grundsätzlichen Trennung der staatlichen Bereiche angelegt205. Durchbrechungen sind nur zulässig, wenn sie im Grundgesetz eine entsprechende Grundlage finden, also etwa zugunsten der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, Art. 109 Abs. 2 GG206.

4. Resümee: Föderative Verteilungsgerechtigkeit als Auslegungsmaxime für den unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ Die bundesstaatliche Finanzverfassung ist im Grundsatz so angelegt, daß eine möglichst weitgehende und trennscharfe Abgrenzung der staatlichen Kompetenzen als Leitmotiv sichtbar wird. Kooperationen zwischen Bund und Ländern sind als Gefahr für die Stabilität der bundesstaatlichen Ordnung erkannt und daher lediglich in Form von vergleichsweise präzise formulierten Ausnahmen zugelassen. Durch die gesamte Rechtsmaterie zieht sich wie ein roter Faden der Gedanke der vertikalen Gewaltenteilung, was insbesondere die Schutzfunktion der Art. 104a und 109 GG verdeutlicht. Eine Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe, so auch der „laufenden Einnahmen“, muß im Lichte der durch die Finanzverfassung angelegten Präferenz erfolgen. Die Bestimmung der in die Deckungsquote einzustellenden Einnahmen muß also den vom Gesamtsystem Finanzverfassung vorgezeichneten Leitlinien folgen. Wie gezeigt steht hier der gewaltenteilige Aspekt des Föderalismus im Vordergrund. Eine solche vertikale Gewaltenteilung kann nur funktionieren, wenn sich die Gewichte der Bundesglieder zueinander insbesondere in finanzieller Hinsicht in etwa die Waage halten. Daraus folgt für den Begriff der 203 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 109, Rn. 3; Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig, GG, Band III, 1996, Art. 109, Rn. 3; Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 109, Rn. 1; mit engerer Definition: Vogel / Wiebel, Bonner Kommentar, Art. 109, Rn. 29; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 109, Rn. 4. 204 Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 109, Rn. 3. 205 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 109, Rn. 3. 206 Vgl. hierzu: Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 109, Rn. 22 ff.

4. Resümee

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„laufenden Einnahmen“, daß solche Einnahmen in die Deckungsquote einzustellen sind, die das Machtverhältnis zwischen Bund und Ländergesamtheit aus der Balance zu bringen geeignet sind. Prägendes Merkmal der „laufenden Einnahmen“ ist daher deren Machtrelevanz in bezug auf die bundesstaatliche Stabilität. Bei der Entscheidung, ob eine bestimmte Einnahme in die Deckungsquote des Bundes oder der Länder einzustellen ist, ist maßgeblich, ob und inwiefern diese die ertragsberechtigte Körperschaft durch finanzielle Spielräume zu politischer Gestaltung befähigt und damit das Balanceverhältnis zum bündischen Partner verändert. Das Ziel der Umsatzsteuerverteilung läßt sich als die Schaffung einer föderativen Verteilungsgerechtigkeit zusammenfassen. Die Verteilung der Umsatzsteuer nach dem Deckungsquotenverfahren ist funktionsgerecht, wenn sie dauerhaft sicherstellt, daß trotz sich ändernder äußerer Umstände ein im Sinne einer vertikalen Gewaltenteilung stabiles Verhältnis zwischen Bund und Ländern gesichert bleibt.

VI. Bewertung einzelner Parameter des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ Die gefundene Auslegungsmaxime der föderalen Verteilungsgerechtigkeit gilt es nun in anwendbare Parameter umzusetzen, die es erlauben, staatliche Einnahmen im Hinblick auf ihre Deckungsquotenrelevanz anhand verläßlicher Kriterien einzuordnen. Das Abstellen auf die Machtrelevanz einer Einnahme im bundesstaatlichen Vergleich bedeutet zugleich, daß es bei der Beurteilung dieser Frage nicht auf formale Kriterien ankommen kann. Der gelegentlich geäußerte Vorschlag, im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung formal auf die in den Haushaltsplänen von Bund und Ländern veranschlagten Einnahmen abzustellen1, kann daher schon hier als inadäquater Maßstab abgelehnt werden. Es ist vielmehr eine materielle Betrachtung der staatlichen Einnahmen vor dem Hintergrund der Auslegungsmaxime angezeigt. Der Aspekt der Machtrelevanz muß demnach unter Berücksichtigung des Verteilungsmodus weiter aufgeschlüsselt werden.

1. Zum Modus der Vergleichsrechnung a) Deckungsquotenverfahren Als Grundlage des in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG geforderten Vergleiches der Belastungssituation von Bund und Ländern dient das sog. Deckungsquotenverfahren. Bei diesem Verfahren wird nicht auf die absolute Höhe der Einnahmen und Ausgaben von Bund und Ländern abgestellt. Maßgeblich ist vielmehr der Anteil der „laufenden Einnahmen“ an der Finanzierung des Haushalts insgesamt. Hierbei handelt es sich um kein verfassungsrechtlich zwingend vorgegebenes Verfahren, sondern lediglich um eine der durch das Grundgesetz zugelassenen Möglichkeiten der Berechnung. Verfassungsrechtlich zulässige Alternative ist etwa das sog. Deckungslückenverfahren2. Hierbei wird die durch Berücksichtigung der 1 So etwa der später im Gesetzgebungsverfahren ersatzlos gestrichene § 4 des Entwurfes des Bundesministeriums der Finanzen zum Maßstäbegesetz. 2 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 63 ff.

1. Zum Modus der Vergleichsrechnung

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absoluten Höhe der Einnahmen und Ausgaben zu berechnende Deckungslücke bei Bund und Ländern durch die Umsatzsteuerverteilung prozentual in gleicher Weise ausgeglichen. Das Deckungslückenverfahren führt gegenüber einer quotalen Berechnung zu völlig anderen Ergebnissen3. Die Berechnung der Umsatzsteueranteile nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG nach dem Deckungsquotenverfahren ist traditionell in der Staatspraxis gebräuchlich4. Dieses Verfahren bietet gegenüber dem Deckungslückenverfahren insbesondere den Vorteil, daß es den Vergleich größerer Etats mit kleineren Haushalten erlaubt, ohne daß dabei der größere Haushalt schon konstruktiv begünstigt würde. Das Deckungslückenverfahren kann dem Umstand nicht hinreichend Rechnung tragen, daß die Bedeutung eines rechnerischen Defizits vom Volumen des entsprechenden Haushalts abhängig ist. Je kleiner der Gesamtetat, desto mehr fällt ein in absoluten Zahlen ausgedrücktes Defizit ins Gewicht5. Der Berechnungsmodus nach der Dekkungsquote kann – trotz des sogleich zu behandelnden Problems der „Quotenverlängerung“ – als geeignet und als allgemeiner Konsens unter den beteiligten staatlichen Organen gelten6. Dementsprechend legt § 4 Abs. 1 des Maßstäbegesetzes zum Finanzausgleich7 denn auch das Deckungsquotenverfahren als Berechnungsgrundlage der Umsatzsteuerverteilung einfachgesetzlich fest.

b) Bedeutung des Berechnungsmodus für die Bestimmung der „laufenden Einnahmen“ (Problem der Quotenverlängerung) Obgleich sich das Deckungsquotenverfahren bei der Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG als geeignetes Verfahren bezeichnen läßt, weist es dennoch eine gewisse logische Schwäche auf8. Diese zeigt sich bei der Behandlung sog. „durchlaufender Einnahmen“. Mit diesem Terminus werden staatliche Einnahmen bezeichnet, denen konkrete Ausgaben gegenüberstehen. Fragen dieser Art stellen sich insbesondere bei der Behandlung von Gebührenhaushalten und Sondervermögen. Werden diese Einnahmen und Ausgaben nun in die Vergleichsrechnung einbezogen, so verschlechtert sich wegen des nunmehr höheren Gesamtvolumens des Haushaltes die Deckungsquote, obwohl 3 Mit Berechnungsbeispiel: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 62. 4 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 69. 5 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 64. 6 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 67; vgl. aber die Abweichende Stellungnahme des Kommissionsmitgliedes Pommer, S. 27 f.; Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 25. 7 BGBl. I 2001, S. 2301. 8 Vgl. hierzu: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 854.

9 Maciejewski

130

VI. Bewertung einzelner Parameter

das Defizit in absoluten Zahlen gleich geblieben ist und die finanzielle Leistungsfähigkeit der entsprechenden Körperschaft nicht verändert wurde9. In der Praxis führte dieser „Quotenverlängerungseffekt“ zum Bestreben der betreffenden Organe von Bund und Ländern, sich durch die Behauptung eines hinreichenden Zusammenhangs zwischen einer bestimmten Einnahme und eines Ausgabenblocks „ärmer zu rechnen“10. Das Deckungsquotenverfahren provoziert in diesem Sinne ein strategisches Verhalten der bundesstaatlichen Ebenen. An dieser Strategie des „Ärmer-Rechnens“ – die sich im übrigen bei einer gesamtstaatlichen Überschußsituation umkehren müßte11 – wird erkennbar, daß es sich letztlich bei dem Problem der „Bilanzverlängerung“ nicht unmittelbar um ein Problem des Deckungsquotenverfahrens handelt, sondern um eines der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“. In diesem Rahmen muß geklärt werden, welche Einnahmen wegen ihres „durchlaufenden“ Charakters aus der Vergleichsrechnung auszuklammern sind. Eine präzise Definition eines solche Tatbestandes beseitigte die scheinbare Schwäche des Deckungsquotenverfahrens. Bei Einnahmen, die einer solchen im folgenden zu behandelnden Definition nicht genügen, ist die Einstellung in die Deckungsquote kein „Problem, sondern verfassungsrechtlich geboten“12.

2. Grundsätze und teleologische Restriktionen des Begriffes der „laufenden Einnahmen“ Maßgebliches Auslegungskriterium für den unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG ist der Gedanke einer föderativen Verteilungsgerechtigkeit. Dies bedeutet, daß im Rahmen der Vergleichsrechnung solche Einnahmen zu berücksichtigen sind, die das Gleichgewicht der bundesstaatlichen Partner zu beeinflussen in der Lage sind und somit bei „ungerechter“ Verteilung zu einer Erosion der vertikalen Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern führen können. Solche Einnahmen vermitteln ihrem jeweiligen Empfänger im Sinne einer Blankettbefähigung die Möglichkeit zur Ausübung von staatlicher Macht und politischer Gestaltung. Nicht alle staatlichen Einnahmen vermitteln dieses Machtpotential in gleichem Maße. Die Etablierung eines speziellen 9 Ein Beispiel: Ein fiktiver Haushalt mit Einnahmen in Höhe von 40 Mrd. Euro und Ausgaben in Höhe von 80 Mrd. Euro weist eine Deckungsquote von 50 v. H. auf. Die Einbeziehung eines 20-Mrd.-Euro-Postens „durchlaufender“ Einnahmen führt zu einer weit besseren Deckungsquote von 60 v. H., obgleich das absolute Defizit (40 Mrd. Euro) gleich geblieben ist. 10 Maunz,, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 43; Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 27 ff. 11 Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 27 in Fn. 77. 12 Ebenso für die Sondervermögen: Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 35.

2. Grundsätze und teleologische Restriktionen

131

Begriffes der staatlichen „Einnahme“ anhand des teleologischen Hintergrundes impliziert die Existenz von Einnahmearten, welche die entsprechenden Voraussetzungen nicht aufweisen. Im folgenden sollen daher zunächst anhand von abstrakten Merkmalen die Konsequenzen der gefundenen Auslegungsmaxime für den unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden“ Einnahmen nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG aufgezeigt werden.

a) Regel-Ausnahme-Prinzip zugunsten der Deckungsquotenrelevanz Aufgabe der Deckungsquotenrechnung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG ist es, die Verteilung der Umsatzsteuer so zu gestalten, daß Bund und Länder eine aufgabenangemessene Finanzausstattung erzielen. Dies bedeutet insbesondere, daß ein gesamtstaatliches Defizit von den staatlichen Ebenen im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit gleichmäßig zu tragen ist. Die Vergleichsrechnung muß daher auf einer möglichst realitätsgerechten Abbildung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der entsprechenden Körperschaften basieren, da sie nur dann zu einer sachgerechten Verteilung der Erträge führen kann. Demnach kann die Aussagekraft der Vergleichsrechnung schon durch die zweckwidrige Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ vermindert werden. Um strategisches Verhalten der einen Ebene auf Kosten der anderen Ebene zu verhindern, ist daher der Kreis der zu berücksichtigenden Einnahmen weit zu ziehen13. Staatliche Einnahmen vermitteln regelmäßig staatliches Machtpotential und sind daher in der Regel deckungsquotenrelevant. Die Aufstellung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses ist in diesem Zusammenhang allerdings von zweifelhaftem Wert. Daß eine staatliche Einnahme „regelmäßig“ in die Vergleichsrechnung einbezogen wird, entbindet freilich nicht von der Aufgabe zu ermitteln, ob diese den Anforderungen in bezug auf ihre Machtrelevanz genügt oder ob ein Fall der – restriktiv auszulegenden – Ausnahmen vorliegt.

b) Zurechnung der staatlichen Einnahme an die jeweilige Körperschaft als eigene Einnahme Wertungsschwierigkeiten bei der Aufstellung der Deckungsquotenrechnung bestehen nicht nur bei der Frage, ob eine bestimmte staatliche Einnahme in die Vergleichsrechnung einzubeziehen ist. Darüber hinaus ist die Zuordnung der staatlichen Einnahme von ebenso großer Relevanz für die Aussagekraft der Vergleichsrechnung. Es ist demnach für die einzelne staatliche Einnahme vorrangig zu ermitteln, welcher staatlichen Ebene diese zuzurechnen ist, wenn sie denn als „laufende Einnahme“ im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG zu qualifizieren ist. 13 Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 492; ebenso: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 45.

9*

132

VI. Bewertung einzelner Parameter

Staatliche Einnahmen im finanzverfassungsrechtlichen Sinne sind nach dem sog. Zuflußprinzip14 zu bestimmen. Es handelt sich demnach um tatsächliche, einer staatlichen Ebene zufließende Geldleistungen15. Welcher Ebene eine staatliche Einnahme zufließt, entscheidet die – grundgesetzlich festgelegte oder durch ergänzende Auslegung zu ermittelnde – Ertragshoheit, wie sie etwa für die Steuern aus den Art. 106, 107 GG folgt. Der Frage nach der Ertragshoheit für die einzelnen Einnahmearten soll nach deren Kategorisierung im folgenden Kapitel nachgegangen werden. An dieser Stelle sei lediglich problematisiert, ob über die Frage nach der Ertragshoheit hinaus ein abstraktes Dispositionskriterium notwendig ist und zu einer brauchbaren Abgrenzung führen kann. Gegenüber der hier vertretenen Definition der staatlichen Einnahme nach dem Zuflußprinzip geht etwa der Sachverständigenrat beim Bundesministerium der Finanzen von einer engeren Begrifflichkeit aus. Demnach sei eine staatliche Einnahme jeder Zugang finanzieller Mittel, der die Finanzkraft des empfangenden Gemeinwesens in dem Sinne stärkt, daß dieses über die Beträge disponieren kann oder bereits vorwegnehmend disponiert hat“16. Die Einfügung eines solchen Kriteriums der Dispositionsbefugnis, wie es auch im Rahmen des Länderfinanzausgleichs vertreten wird17, erweist sich allerdings bei näherer Betrachtung als unpraktikabel. Zum einen eröffnete die Anerkennung eines solchen abstrakten Kriteriums schwer überschaubare Manipulationsmöglichkeiten des jeweiligen Sach- und Haushaltsgesetzgebers18. Zum anderen ist bei jeder staatlichen Einnahme zu irgendeinem Zeitpunkt disponiert worden, so daß eine trennscharfe Abgrenzung hier nicht möglich sein dürfte. Darüber hinaus besteht kein Bedarf für solches abstraktes Kriterium zur Einschränkung des finanzverfassungsrechtlichen Einnahmebegriffes, da die notwendige Abgrenzung und Zuordnung der staatlichen Einnahmen an die bundesstaatlichen Ebenen durch die vorhanden Verteilungskriterien hinreichend gewährleistet ist19. c) Periodizität Obgleich die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften wenig explizite Auslegungshinweise vermitteln, findet sich im Zusammenhang mit den in die Ver14 Vgl. hierzu: Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, 1996, Art. 110, Rn. 16; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 110, Rn. 29; Hidien; Verteilung der Umsatzsteuer, S. 237 ff. 15 Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 857. 16 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 127; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 492. 17 Vgl. hierzu: Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S. 98 m. w. N. 18 Ebenso: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 860. 19 Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 860.

2. Grundsätze und teleologische Restriktionen

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gleichsrechnung einzubeziehenden staatlichen Einnahmen immerhin der Terminus „laufend“. Hieraus läßt sich zumindest entnehmen, daß dem Einnahmevorgang eine gewisse Periodizität, Kontinuität und Planbarkeit zueigen sein muß20. Neben dem bloßen Wortlaut des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG ergibt sich diese grundsätzliche Forderung an die Beschaffenheit deckungsquotenrelevanter Einnahmen aus der Revisionsklausel nach Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG. Diese Ableitung ist zwar keineswegs zwingend, da sich die Revisionsklausel mit dem Verhältnis der Einnahmen und Ausgaben insgesamt beschäftigt und nicht mit den Anteilen der einzelnen Einnahmearten an diesem Gesamtbestand21. Mit anderen Worten wird die Pflicht zur Revision der Umsatzsteueranteile auch dann nicht ausgelöst, wenn in mehreren Bemessungszeiträumen jeweils „einmalige“ Einnahmen anfallen, soweit sich das Verhältnis der Einnahmen und Ausgaben von Bund und Ländern insgesamt dadurch nicht wesentlich ändert. Staatliche Einnahmen, die eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen, ermöglichen der ertragsberechtigten Körperschaft politische Gestaltung und langfristige Planung. Durch ihre Periodizität ermöglichen sie solche Aktivitäten schon bevor die Einnahme dieser staatlichen Ebene unmittelbar zufließt. Bereits im Vorfeld der Vereinnahmung lassen sich politische Vorstellungen in langfristige Vorhaben umsetzen. Regelmäßig anfallende Einnahmen beziehen daher ihre besondere Machtrelevanz durch ihre Planbarkeit als Ausdruck politischer Handlungsfähigkeit. Das Kriterium der Periodizität wäre allerdings überspannt, hielte man es für schlechthin konstitutiv für die Einordnung von staatlichen Einnahmen als deckungsquotenrelevant im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG22. Auch regelmäßig anfallende und planbare Einnahmen können wegen fehlender Machtrelevanz etwa aus Gründen der beschriebenen Bilanzverlängerung aus der Vergleichsrechnung auszuklammern sein. Andererseits sind in diesem Sinne „einmalige“ Einnahme nicht per se aus der Deckungsquotenrechnung auszuschließen. Unter dem Gesichtspunkt der Machtrelevanz eröffnen auch sie der empfangenden staatlichen Ebene Möglichkeiten politischer Gestaltung. Daneben ist zu bedenken, daß eine einmalige Einnahme relativ problemlos etwa durch die Verwendung zur Schuldentilgung in langfristige Einnahmen bzw. Minderausgaben umgemünzt werden kann23. Zustimmung verdient daher die Auffassung etwa von Hidien, der betont, daß Einnahmen im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG Geldleistungen sind, die „grundsätzlich mit einer ge20 Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 858, Hettlage, Die Revisionsklausel, Festschrift Maunz, 1981, S. 128. 21 So zu Recht etwa: Kleinschmidt, Versteigerung von Telekommunikationslizenzen, S. 246. 22 So aber: Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 493. 23 Dies zeigt etwa die Verwendung der UMTS-Versteigerungserlöse; vgl. hierzu unten: VII. 3. e).

134

VI. Bewertung einzelner Parameter

wissen Regelmäßigkeit anfallen“24. In die gleiche Richtung geht der Hinweis von Selmer, es dürfe bei der Einordnung als „laufende Einnahme“ nicht „pauschal auf die „Regelmäßigkeit“ der Vereinnahmung abgestellt“ werden25. Nach alledem ist die Regelmäßigkeit einer staatlichen Einnahme ein zwar gewichtiges Indiz einer bundesstaatlichen Verteilungsrelevanz, aber kein absolutes Kriterium der Bestimmung der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG.

d) Grundsatz der Bruttoveranschlagung aa) Grundsätzliches Aufgabe der Deckungsquotenrechnung ist es, den jeweiligen Finanzstatus von Bund und Ländern möglichst realitätsgetreu, verläßlich und umfassend abzubilden26. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, daß es diesem Ziel dienlich ist, möglichst alle relevanten Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird die Aussagekraft der Vergleichsrechnung erhöht, wenn möglichst alle Einnahmen und Ausgaben in voller Höhe, also unsaldiert einbezogen werden. Demnach steht neben dem beschriebenen Vollständigkeitsgrundsatz der mit diesem zwar eng verbundene, aber keineswegs identische Grundsatz der Bruttoveranschlagung27. Beide Grundsätze dienen der Abbildung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der jeweiligen staatlichen Ebene. Daher ist ebenso wie die Ausklammerung von bestimmten staatlichen Einnahmen aus dem Begriff der laufenden Einnahmen die Nettostellung bei der Vergleichsrechnung eine eng begrenzte Ausnahme und als solche begründungsbedürftig. bb) Nettostellung staatlicher Einnahmen Von erheblicher Bedeutung für die Bestimmung der Deckungsquoten von Bund und Ländern ist die Frage, ob und inwieweit es zulässig und geboten ist, einzelne Einnahmearten durch eine Nettostellung aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG auszuklammern. Bei einer solchen Ausnahme zum Grundsatz der Bruttoveranschlagung wird eine Einnahme mit einem entsprechenden Ausgabeblock quasi verrechnet und lediglich saldiert in die Quotenberechnung eingestellt. Ihre Relevanz gewinnt diese Frage im Hinblick auf das Problem der sog. Bilanzverlängerung: Steht einer bestimmten Einnahme ein Ausgabeposten in gleicher Höhe gegenüber, wird die Deckungsquote der entsprechenden Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 859 (Hervorhebungen nur hier). Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1309, in Fn. 70. 26 Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 873. 27 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 110, Rn. 33; hierzu: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 19 ff. 24 25

2. Grundsätze und teleologische Restriktionen

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Körperschaft ungünstiger, obwohl das Defizit in absoluten Zahlen unverändert bleibt. Die Frage der Zulässigkeit einer Nettostellung stellt sich daher bei den Erträgen sämtlicher Nebenhaushalte, Sondervermögen und ähnlicher staatlicher Einrichtungen, die eine gewisse Distanz zum Haushalt der jeweiligen Körperschaft aufweisen. Handelt die mit der Wahrnehmung der staatlichen Aufgabe betraute Einrichtung hinreichend selbständig, so ist die Machtrelevanz ihrer Erträge für die staatliche Ebene eingeschränkt28. Mit anderen Worten: Je selbständiger, je haushaltsferner eine staatliche Aufgabe organisiert und vor allem finanziert wird, desto geringer ist die Notwendigkeit ihrer Berücksichtigung im Rahmen der Vergleichsrechnung. Wegen der variantenreichen Ausgestaltung der rechtlichen Grundlagen und der Finanzierung dieser Nebenhaushalte bereitet es allerdings einige Schwierigkeit, einen Grad an Verselbständigung zu bestimmen, von welchem an eine Nettostellung der Einnahmen und Ausgaben geboten ist. Entsprechend uneinheitlich ist die derzeit praktizierte Behandlung der entsprechenden Erträge durch Bund und Länder. Der Bund verfolgt hierbei einen formalen Ansatz und betont damit die Ausgliederung dieser Sondervermögen aus den jeweiligen Haushalten. In die Vergleichsrechnung einzustellen sind demnach lediglich die Zu- und Abführungen der Sonderhaushalte, da nur diese die allgemeinen Deckungsmittel der jeweiligen Gebietskörperschaft berührten und nur in diesem Umfang die Finanzkraft des Gemeinwesens gestärkt würde29. Im Rahmen der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG seien somit nur die Ablieferungen dieser Sondervermögen zu berücksichtigen. Die Länder dagegen lehnen diese Nettostellung der Nebenhaushalte weitgehend ab. Die Nebenhaushalte, Sonderrechnungen und Sondervermögen könnten demnach je nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung eine – rechtliche oder faktische – Nähe zum Haushalt der jeweiligen Körperschaft aufweisen. Dann sei eine Einbeziehung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben und nicht der Zu- oder Abführungen in die Vergleichsrechnung angezeigt30. 28 Mit ähnlichem Ansatz: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 254, der allerdings von einer zu bewertenden „Entscheidungsmacht des Bundesoder Landesgesetzgebers“ spricht. 29 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 144. 30 Stellungnahme der Konferenz der Landesfinanzminister vor dem Sonderausschuß des Bundestages Maßstäbegesetz / Finanzausgleichsgesetz, Ausschußdrucksache 0027a, BR.Drucks. 161 / 01, S. 2; zustimmend: Carl, Bund-Länder Finanzausgleich, 1995, S. 32. f.; vgl. auch: Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 31 f.

136

VI. Bewertung einzelner Parameter

Beide Extrempositionen werden der Aufgabe der Deckungsquotenrechnung nicht gerecht. Es verbieten sich pauschale Lösungen. Eine undifferenzierte Nettostellung der Sondervermögen schmälert die Aussagekraft der Deckungsquotenrechnung. Umfangreiche finanzielle Mittel könnten auf diese Weise durch die jeweilige Körperschaft der Vergleichsrechnung entzogen werden. Die Einrichtung von finanzstarken Fonds und anderen Trägern öffentlicher Aufgaben eröffnet dem Bund und den Ländern umfassende Möglichkeiten politischer Gestaltung. Durch präzise Zweckbestimmungen kann die staatliche Ebene die Aktivitäten des Verwaltungsträgers des Sondervermögens bis ins Detail nach ihren jeweiligen politischen Vorstellungen steuern Als Argument kann hierbei nicht die verfassungsrechtlich zulässige Nettostellung von Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsplan des Bundes für Sondervermögen und Bundesbetriebe nach Art. 110 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG dienen. Eine haushaltsrechtlich zulässige Nettostellung läßt keine Rückschlüsse auf die Deckungsquotenrelevanz zu und ist in erster Linie dem Umstand geschuldet, daß für die Sondervermögen in der Regel Sonderhaushaltspläne aufgestellt werden31. Gleichfalls verbietet sich eine pauschale Bruttostellung der Einnahmen und Ausgaben der Sondervermögen. Hierdurch würde die verfassungsrechtlich abgesicherte außerbudgetäre Möglichkeit der Aufgabenwahrnehmung verkannt. Art. 110 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG erkennt eine solche ausdrücklich an, wenn die jeweilige staatliche Aufgabe durch eine dem unmittelbaren Zugriff des Haushaltsgesetzgebers entzogene Organisation effektiver wahrgenommen werden kann32. Nach der im Rahmen der Deckungsquotenbestimmung maßgeblichen Auslegungsmaxime der föderativen Verteilungsgerechtigkeit muß die rechtliche oder tatsächliche Unabhängigkeit eines Sondervermögens ihren Niederschlag in der Vergleichsrechnung finden. Je höher der Grad an Autonomie des Sondervermögens, desto geringer ist das politische Machtpotenzial, das durch dessen finanzielle Ressourcen der entsprechenden Körperschaft vermittelt wird. Zwischen den beiden Extrempositionen einer vollständigen Nettostellung einerseits und einer Bruttoerfassung andererseits ist eine praktikable und vor allem justiziable Lösung zu finden33. Nicht ausreichen kann dabei das Abstellen auf die bloße rechtliche Unabhängigkeit des Nebenhaushaltes, etwa im Hinblick auf dessen Rechtsfähigkeit. Diese besagt wenig über die tatsächliche Unabhängigkeit des Nebenhaushaltes vom Kernetat. Zudem bestehen relativ weite Grenzen für die Zulässigkeit solcher – rechtlich verselbständigten – Nebenhaushalte. Bund und Länder könnten die Deckungsquotenrechnung durch die bloße rechtliche Ausgliederung der Wahrnehmung staatli31 32 33

Vgl. hierzu: Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 110, Rn. 34. Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 110, Rn. 34 ff. Mit dieser Forderung auch: Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 236 f.

2. Grundsätze und teleologische Restriktionen

137

cher Aufgaben, die nicht zum Kernbereich hoheitlichen Handels gehören, bis zur Willkürgrenze zu ihren Gunsten beeinflussen. Es bedarf daher einer weitergehenden Unabhängigkeit des Nebenhaushaltes. Das politische Machtpotential bei der Errichtung eines Nebenhaushaltes spiegelt sich vor allem in der gesetzlichen Zweckbestimmung desselben wieder. Im Grunde müsste daher bei der Bestimmung der Deckungsquotenrelevanz die Dichte dieser Zweckbestimmungen analysiert werden: Je enger die vom jeweiligen Gesetzgeber vorgegebenen Zweckbestimmungen, desto geringer die Autonomie des Sondervermögens. Eine solche Analyse könnte allerdings wegen erheblicher Wertungsspielräume nicht zu einer trennscharfen Abgrenzung führen. Der politische Einfluß der staatlichen Ebene auf den Nebenhaushalt findet sein zuverlässiges Maß in der Ausgestaltung der Finanzierungsregeln. Ist etwa der Bund auf der einen Seite gesetzlich zur Tragung möglicher Fehlbeträge verpflichtet, läßt dieses auf der anderen Seite auf umfassende Möglichkeiten politischer Einflußnahme schließen. Dies entspricht dem Gedanken der Konnexität, wie er in Art. 104a Abs. 1 GG Eingang in die Verfassung gefunden hat. Diesem ist die Prämisse unterlegt, daß diejenige Stelle die Wahrnehmung der staatlichen Aufgabe nach ihren Vorstellungen ausgestaltet, die für deren Finanzierung zu sorgen hat. Die politische Macht ist demnach dort zu verorten, wo letzten Endes die Finanzierungslast liegt. Für die Rechtfertigung einer Nettostellung im Lichte der ratio der Vergleichsrechnung muß daher zur rechtlichen Unabhängigkeit eine Unabhängigkeit des Nebenhaushaltes in Finanzierungsfragen hinzutreten. Die Deckungsquotenrelevanz von Einnahmen und Ausgaben solcher Nebenhaushalte sollte danach zuverlässig zu bestimmen sein, ob dieser seine eventuell auftretenden Defizite aus eigener Kraft zu decken verpflichtet ist, oder ob die hinter ihm stehende staatliche Ebene letzten Endes als eine Art Ausfallbürge für das Defizit mit ihren Mittel geradezustehen hat. Eine solche trennscharfe Abgrenzungsmöglichkeit stellt daher das Abstellen auf die jeweilige Haftungssituation des Sondervermögens dar34. Demnach muß die Einbeziehung von Sondervermögen in die Vergleichsrechnung und damit einnahmeseitig die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ von der Intensität des Haftungsverbundes abhängen35. Eine Defizithaftung der jeweiligen Körperschaft beseitigt die Abgeschlossenheit des Sondervermögens, die seine Nichtberücksichtigung bei der Vergleichsrechnung rechtfertigen könnte. Nach diesem Schema lassen sich nunmehr die Sondervermögen dahingehend untersuchen, ob sie entsprechend ihrer Haftungssituation eine hinreichende rechtliche und tatsächliche Distanz zum Kernetat aufweisen.

34 35

Ebenso: Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 36. Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 36.

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VI. Bewertung einzelner Parameter

Beispielhaft für eine nicht hinreichende Verselbständigung sei etwa das sog. ERP-Sondervermögen36 angeführt. Dieses Sondervermögen dient ausschließlich dem Wiederaufbau und der Förderung der deutschen Wirtschaft (§ 2) und ist nicht rechtsfähig (§ 3). Es ist zwar nach § 4 Abs. 1 von dem übrigen Vermögen des Bundes, seinen Rechten und Verbindlichkeiten getrennt. Nach § 4 Abs. 2 haftet jedoch der Bund für die Verbindlichkeiten des Sondervermögens. Das ERP-Sondervermögen ist demnach nach der obengenannten Systematik netto in die Dekkungsquotenrechnung einzustellen37. Gleiches38 gilt für den Erblastentilgungsfonds39. Hier regelt § 4 Abs. 1 die Haftung des Bundes. Ähnliche Regelungen40 finden sich etwa bei dem Bundeseisenbahnvermögen41, dem Lastenausgleichsfonds42 und dem Fonds „Deutsche Einheit“43. e) Etablierung einer Geringfügigkeitsgrenze? In der Literatur wird gelegentlich der Versuch unternommen, als weitere Ausnahme zur grundsätzlichen Deckungsquotenrelevanz sämtlicher staatlicher Einnahmen eine Geringfügigkeitsgrenze zu definieren44. Dies geschieht zumeist unter Rückgriff auf den allgemeinen Rechtsgedanken minima non curat praetor, wie er 36 Vgl.: ERP-Verwaltungsgesetz vom 31. August 1953 Bundesgesetzblatt I, S. 1312, zuletzt geändert am 11. Dezember 2001 (BGBl. I, S. 3519); hierzu: Höfling / Rixen, in: Bonner Kommentar, Art. 115, Rn. 398. 37 Ebenso: Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 39. 38 Ebenso: Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 39. 39 Vgl.: Erblastentilgungsfonds-Gesetz vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944, 984), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Eingliederung der Schulden von Sondervermögen in die Bundesschuld vom 21. Juni 1999, BGBl. I, S. 1384]. 40 Vgl. zu weiteren Fonds des Bundes: Höfling / Rixen, in: Bonner Kommentar, Art. 115, Rn. 396 bis 426; zu deren Deckungsquotenrelevanz: Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 39 f. 41 § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (Bundeseisenbahnneugliederungsgesetz – BEZNG) vom 27. Dezember 1993 als Artikel 1 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes; BGBl. I S. 2378: „Für die Verbindlichkeiten des Bundeseisenbahnvermögens haftet der Bund nur mit diesem Vermögen“. 42 § 5 Abs. 3 des Gesetzes über den Lastenausgleich (Lastenausgleichsgesetz – LAG) vom 14. August 1952 BGBl. I, 446, neugefaßt durch Bekanntgabe vom 2. Juni 1993, BGBl. I, 845: „Für die Verbindlichkeiten des Sondervermögens Ausgleichsfonds haftet der Bund nur mit dem Sondervermögen“. 43 § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds „Deutsche Einheit“, BGBl. II 1990, S. 533, als Artikel 31 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, BGBl. II 1990, S. 518: „Für die Verbindlichkeiten des Fonds haftet der Bund.“ 44 Vgl. hierzu: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 879 und Rn. 889 (für die bergrechtlichen Abgaben).

2. Grundsätze und teleologische Restriktionen

139

etwa im polizei- und ordnungsrechtlichen Opportunitätsprinzip oder in § 153 StPO seinen Niederschlag gefunden hat. In der Tat kann es in abstracto Einnahmen geben, die aufgrund ihres geringen Volumens keine Verteilungsrelevanz im bundesstaatlichen Vergleich haben. Allerdings bestünde bei Anerkennung einer solchen Geringfügigkeitsausnahme zum einen die Schwierigkeit, diese Schwelle präzise und überprüfbar zu definieren45. Zum anderen läge es auf der Hand, daß Bund und Länder versuchen könnten, größere Einnahmeposten durch Aufspaltung unter die Geringfügigkeitsgrenze zu führen. Eine Geringfügigkeitsgrenze könnte des weiteren dann angenommen werden, wenn der zur Ermittlung der Einnahmenhöhe zu leistende Verwaltungsaufwand ähnliche Größenordnungen erreicht wie die Einnahme selbst. Hier dürften allerdings regelmäßig Schätzungen möglich sein46, so daß für die Etablierung einer Geringfügigkeitsgrenze kaum ein praktisches Bedürfnis besteht.

f) Maßgeblichkeit der Verfassungsmäßigkeit einer staatlichen Einnahme? Unabhängig von Rechtsnatur und dogmatischer Einordnung staatlicher Einnahmen stellt sich die Frage, ob deren Verfassungsmäßigkeit Voraussetzung ihrer Berücksichtigung im Rahmen der Deckungsquotenrechnung ist. Vor dem Hintergrund der Auslegungsmaxime ist die Berücksichtigung auch von verfassungswidrigen Einnahmen geboten, wenn sich diese im Hinblick auf ihre Machtrelevanz im bundesstaatlichen Vergleich nicht unterscheiden. Dies ist der Fall, wenn und soweit die verfassungsmäßigen Einnahmen in gleicher Weise wie die verfassungswidrigen der jeweiligen Körperschaft zum endgültigen Verbleib zufließen und somit deren finanzielle Leistungsfähigkeit auf Dauer stärken47. Mit den finanzpolitischen Konsequenzen eines Verfassungsverstoßes eines Gesetzes, durch welches dem Staat Einnahmen zufließen, befaßt sich § 79 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG). Nach § 79 Abs. 1 BVerfGG ist lediglich gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. Im übrigen, also auch für die hier in 45 Ebenso: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 879; vgl. ferner: ders., Verteilung der Umsatzsteuer, S. 290. 46 Ebenso: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 879. 47 In diesem Sinne auch: Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 249; Müller / Mayer / Wagner, Wider die Subjektivierung objektiver Rechtspositionen, Verwaltungsarchiv 2003, S. 297; Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1308; Schwarz, UMTS-Versteigerungserlöse und Finanzverfassung, RTkom 2001, S. 145.

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VI. Bewertung einzelner Parameter

Rede stehenden Gesetze, bleiben § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 BVerfGG oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Hierbei handelt es sich zwar lediglich um eine einfachgesetzliche Wertung, die allenfalls indiziell die Auslegung eines unbestimmten Verfassungsbegriffes beeinflussen kann. Das Bundesverfassungsgericht erkennt in diesem Zusammenhang allerdings an, daß der Rückabwicklung verfassungswidrig erzielter staatlicher Einnahmen Gesichtspunkte einer verläßlichen Finanz-, Ausgaben- und Haushaltspolitik sowie einer entsprechenden Finanz-, Ausgaben- und Haushaltswirtschaft entgegenstehen. Eine solche Rückabwicklung bedeute einen praktisch kaum zu leistenden Eingriff in bereits abgeschlossene Perioden der Haushalts- und Ausgabenwirtschaft und des Haushaltsvollzugs48. Hinzu tritt ein weiterer Aspekt. Die Nichtberücksichtigung verfassungswidriger Einnahmen im Rahmen der Deckungsquotenrechnung würde die verfassungswidrig handelnde Körperschaft im Vergleich zu der jeweils anderen auch noch begünstigen49. Nach alledem kann es bei der Bestimmung der „laufenden Einnahmen“ im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG auf die Verfassungswidrigkeit der staatlichen Mittelzuflüsse nicht ankommen.

BVerfGE 72, 330, 422. Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer S. 248 f.; ferner: Schwarz, UMTS-Versteigerungserlöse und Finanzverfassung, RTkom 2001, S. 145; Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1308. 48 49

VII. Bewertung nach Einnahmearten Im folgenden sollen die aus der Auslegungsmaxime der föderalen Verteilungsgerechtigkeit abgeleiteten Grundsätze auf die maßgeblichen staatlichen Einnahmearten bezogen werden. Diese sollen hierfür zunächst begrifflich voneinander abgegrenzt und den staatlichen Ebenen zugeordnet werden, soweit dies für die hier in Rede stehende Problematik notwendig ist. Anschließend sollen die kategorisierten staatlichen Einnahmen im Lichte der Auslegungsmaxime auf ihre Machtrelevanz hin bewertet werden.

1. Vorbemerkung: Zur Systematik staatlicher Einnahmen Hinter seiner Qualifikation als Steuerstaat zurückbleibend ist der Staat des Grundgesetzes zunächst als ein solcher angelegt, der sich durch öffentliche Abgaben finanziert. Innerhalb der öffentlichen Abgaben besteht dann die Präferenz für die Finanzierung aus Steuererträgen1. Die Betonung des Abgabenstaatscharakters impliziert, daß es auch Einnahmen gibt, die dem Staat zwar zufließen, aber nicht als öffentliche Abgaben zu qualifizieren sind. Diese sollen im folgenden als sonstige staatliche Einnahmen bezeichnet werden. Hierzu gehören etwa neben den erwerbswirtschaftlichen Einnahmen der öffentlichen Hand auch die in ihrer Einordnung streitigen sog. Versteigerungserlöse. Öffentliche Abgaben sind in erster Linie gekennzeichnet durch das Merkmal der Tatbestandsmäßigkeit2. Die Geldleistungspflicht im Rahmen der öffentlichen Abgaben findet ihren Grund in der Erfüllung eines bereits vorher bestimmten Tatbestandes durch den Abgabenschuldner. Öffentliche Abgaben sind demnach hoheitlich auferlegte Geldleistungen3. Vgl. hierzu oben: II. 1. c). Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Band I, 1991, S. 54; Vogel / Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105, Rn. 132; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, § 3, Rn. 7; Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1308; ferner: Vogel, Grundzüge des Finanzrechts, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87, Rn. 257; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Band III, Art. 105, Rn. 35. 3 So etwa: Vogel, Das ungeschriebene Finanzrecht des Grundgesetzes, in: Selmer / v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift Martens, S. 266. 1 2

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

Diese Voraussetzung gilt zunächst für die Steuer. Bei dieser hat das Merkmal der Tatbestandsmäßigkeit Eingang in die einfachgesetzliche und verfassungsrechtliche Definition gefunden4. Darüber hinaus gilt dieses Merkmal nach allgemeiner Ansicht in Literatur5 und Rechtssprechung6 trotz fehlender verfassungsrechtlicher oder einfachgesetzlicher Festlegung auch für jene öffentlichen Abgaben, die nicht als Steuer zu qualifizieren sind. Das Merkmal der Tatbestandsmäßigkeit läßt sich daher als übergreifendes abgabenspezifisches Begriffsmerkmal bezeichnen7. Die Einnahmen aus solchen öffentlichen Abgaben werden im folgenden im Vordergrund stehen. Im Anschluß daran werden die sonstigen staatlichen Einnahmen ohne Abgabencharakter Gegenstand der Betrachtung sein.

2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben Im Rahmen des Begriffes der öffentlichen Abgaben lassen sich die Kategorien der Steuern einerseits und der nichtsteuerlichen Abgaben andererseits unterscheiden. Bei den nichtsteuerlichen Abgaben wiederum soll, wie gemeinhin üblich, in Vorzugslasten, Sonderabgaben und sonstige Abgaben unterteilt werden. a) Steuern aa) Begriff Im Grundgesetz selbst findet sich keine explizite Definition des Begriffes der Steuer. Es ist allerdings ständige Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß der Steuerbegriff des Grundgesetzes an den überkommenen Steuerbegriff des Abgabenrechts anknüpft8. Dieser sog. Rezeptionsthese ist das staats- und steuerrechtliche Schrifttum ganz überwiegend gefolgt9. Maßgeblich ist demnach der Steuerbegriff des § 1 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung10. Steuern sind danach Vgl. etwa für die Gebühr: BVerfG NVwZ 2003, 715 („gesetzlich auferlegt“). Vogel, Das ungeschriebene Finanzrecht des Grundgesetzes, in: Selmer / v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift Martens, S. 267. 6 VGH München, NVwZ 1987, 63, 64; OVG Münster, DVBl. 1993, 563; VGH Kassel, ZfW 1997, 109 m. w. N., VG Bremen, NordÖR 2001, 504 f. 7 Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1308. 8 BVerfGE 3, 407, 435; 29, 402, 408 f.; 38, 61, 79 f.; 42, 223, 227; 49, 343, 353; 67, 256, 282. 9 Vgl. statt vieler: Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 104, Rn. 18; Vogel, Das ungeschriebene Finanzrecht des Grundgesetzes, in: Selmer / v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift Martens, S. 267; Vogel / Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105, Rn. 24 ff.; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, § 3, Rn. 4; Häde, Finanzausgleich, S. 141; Kruse , Lehrbuch des Steuerrechts, Band I, 1991, S. 30. 10 RGBl. I 1931, S. 161. 4 5

2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben

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„Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Diese Definition findet sich heute in § 3 Abs. 1 der Abgabenordnung (1977)11. Über diese Definition hinaus gilt es nach kontrovers geführter Steuerzweckdebatte12 als anerkannt, daß eine Abgabe auch dann der Kategorie der Steuer zurechenbar ist, wenn sie neben fiskalischen auch und sogar vorrangig außerfiskalische Zwecke verfolgt13. bb) Zurechnung der Erträge Die Zurechnung der Steuererträge folgt den grundgesetzlichen Steuerertragshoheiten, wie sie in Art. 106, 107 GG geregelt ist14. Bezüglich der Gemeinschaftsteuern werden deren Erträge den Ebenen des Bundesstaates nur in Höhe ihres jeweiligen Ertragsanteils zugerechnet. Außer Betracht bleiben bei dieser primären Ertragszuweisung die zwischenstaatlichen Finanztransfers, wie insbesondere die des Art. 107 GG, welche die zugewiesenen Erträge korrigierend umverteilen15. cc) Deckungsquotenrelevanz In die Vergleichsrechnung einzustellen sind grundsätzlich alle Steuern16. Sie bilden den Prototyp der „laufenden Einnahmen“17. Allerdings ist das zur Verteilung anstehende Umsatzsteueraufkommen, obwohl ohne weiteres als „laufende Einnahme“ im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG zu qualifizieren, nicht in die Vergleichsrechnung einzubeziehen 18, da es bei der Deckungsquotenrechnung gerade BGBl. I 1976, S. 613. Vgl. hierzu: Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, passim, insbesondere S. 73 ff., Bodenheim, Der Zweck der Steuer, insbesondere S. 95 ff. 13 Statt vieler: Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 104, Rn. 19. 14 Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 886. 15 Vgl. hierzu oben: I. 2. b). 16 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 45; Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30 , Tz. 134; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 615; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 250; ders., in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 884; Schwarz, UMTS-Versteigerungserlöse und Finanzverfassung des Grundgesetzes, RTKom 2001, S. 144. 17 Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 45; Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 882; Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30 , Tz. 134. 18 Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 886. 11 12

144

VII. Bewertung nach Einnahmearten

darauf ankommt, die finanzielle Leistungsfähigkeit der beteiligten Ebenen vor der Korrektur durch die Umsatzsteuerzuteilung abzubilden. (1) Im Streit: sog. „einmalige“ Steuern Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Behandlung kurzfristiger und einmalig anfallender Steuern19. Solche Steuern sind vom verfassungsrechtlichen Steuerbegriff erfaßt20. Die Qualifikation als Steuer wird in der Literatur gelegentlich als hinreichend angesehen, die Deckungsquotenrelevanz zu bejahen oder diese gar nicht zu problematisieren21. Daneben findet sich der Hinweis, eine Nichteinstellung der Erträge der einmaligen Vermögensabgaben trüge die Gefahr in sich, daß der im Bereich der Steuergesetzgebung bevorrechtete Bund sich finanzkrafterhöhende Einnahmen verschafft, ohne daß diese in den bundesstaatlichen Ausgleichsmechanismus einbezogen werden. Um dies zu vermeiden müßten Steuern auch dann in die Vergleichsrechnung einbezogen werden, wenn sie nur einmalig erhoben werden22. Demgegenüber vertritt der Sachverständigenrat beim Bundesministerium der Finanzen begründungsarm und unter Hinweis auf das grundgesetzliche Merkmal „laufend“ die Ansicht, daß einmalige Vermögensabgaben stets aus der Deckungsquotenrechnung auszuschließen seien23. Einmalig erhobene Steuern finden sich in der Staatspraxis im Zusammenhang mit der Regelung des Lastenausgleiches. Nach dem Lastenausgleichsgesetz 24 wurden bis 1979 eine einmalige Vermögensabgabe25 und eine Hypothekengewinnabgabe sowie bis 1974 eine Kreditgewinnabgabe erhoben. Die mit der Aufgabenzuweisung nach Art. 120 GG korrespondierende Regelung des Art. 106 Abs. 1 Nummer 5 GG weist den Ertrag der „einmaligen Vermögensabgaben und der zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben“ dem Bund zu. Die Deckungsquotenrelevanz dieser einmaligen Vermögensabgaben hängt von deren verfassungsrechtlich zulässiger Anwendungsbreite ab. Diese Frage wird uneinheitlich beurteilt. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 493 in Fn. 274. Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 104, Rn. 18; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 87, Rn. 54; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 250; ders., in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 883, Vogel / Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105, Rn. 36. 21 So etwa: Hettlage, Die Revisionsklausel, Festschrift Maunz, 1981, S. 128. 22 Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 250. 23 Vgl.: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 134. 24 Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. August 1952; BGBl. I, S. 446. 25 Vgl. hierzu: BVerfGE 12, 151, 152. 19 20

2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben

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Nach einer Ansicht sollte durch die Vorschrift lediglich ein kriegsfolgebedingter Abgabentatbestand geschaffenen werden, der auf diesen Aufgabenbereich beschränkt ist und demnach zukünftige einmalige Vermögensabgaben grundsätzlich ausschließt26. Diese Interpretation entgegen dem Wortlaut der Vorschrift wird insbesondere mit dem historisch-genetischen Argument begründet, der Verfassungsgesetzgeber habe nur die zum Zeitpunkt der Fassung des Art. 106 Abs. 1 Nummer 5 GG noch nicht abgeschlossene weitere Ausgestaltung des Lastenausgleichs im Auge gehabt27. Herrschend dürfte demgegenüber die Ansicht sein, welche die einmaligen Vermögensabgaben für einen von den Lastenausgleichsabgaben unabhängigen Abgabentypus hält28. Dies hat die Konsequenz, daß solche einmaligen Vermögensabgaben auch zur Deckung eines sonstigen einmaligen Bedarfes erhoben werden dürfen. Diese Interpretation wird durch den Wortlaut des Art. 106 Abs. 1 Nummer 5 GG nahegelegt, da hier die einmaligen Vermögensabgaben neben den Lastenausgleichsabgaben aufgeführt sind29. Eine weitergehende Ansicht hält die Erhebung einmaliger Vermögensabgaben auch dann für zulässig, wenn diese keinen speziellen Bedarf abdecken. Die Zulässigkeit solcher Abgaben sei „unabhängig davon, zu welchem Zweck ( . . . ) sie erhoben werden“30. Die Einbeziehung einmaliger Steuern in die Vergleichsrechnung ist je nach Interpretation des Art. 106 Abs. 1 Nummer 5 GG differenziert zu betrachten. Es ergibt sich hierbei ein prinzipieller Widerspruch zwischen dem Gedanken der föderativen Verteilungsgerechtigkeit und der Zulässigkeit der Finanzierung durch einmalige Vermögensabgaben. Während erstgenannter Gedanke die vollständige und ausnahmslose Einbeziehung in die Deckungsquote nahelegt, läuft diese Einbeziehung dem Zweck der Erhebung entgegen. Erkennt man die Zulässigkeit der Erhebung von einmaligen Steuern zur Deckung spezieller einmaliger Bedarfe an, so wäre eine vollständige Einbeziehung in die Deckungsquotenrechnung widersinnig. Der Bund würde durch die Erhebung der einmaligen Steuer durch eine „schlechtere“ Deckungsquote bei der Umsatzsteuerverteilung „bestraft“ und somit um den Ertrag der vom ihm politisch zu verantwortenden einmaligen Abgabe gebracht31.

Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 1427. Vgl. hierzu ausführlich: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 1427. 28 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 106, Rn. 4; Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, 1996, Art. 106, Rn. 18, Maunz, in. Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 27. 29 Maunz, in. Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 27. 30 Maunz, in. Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 27. 31 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 134. 26 27

10 Maciejewski

146

VII. Bewertung nach Einnahmearten

Die Auflösung dieses Konfliktes ist spiegelbildlich die Frage nach der Zweckbindung solcher einmaligen Einnahmen. Soll aus dem Ertrag der einmaligen Vermögensabgabe ein einmaliger unwiederholter außerordentlicher Bedarf finanziert werden, besteht die beschriebene Gefahr der Bevorrechtung des Bundes und damit für die föderative Verteilungsgerechtigkeit in weitaus geringerem Maß als bei der Erhebung zu einem unspezifizierten Zweck. Einerseits vermindert demnach die Koppelung der Zulässigkeit der einmaligen Steuern an einen speziellen Bedarf die Manipulationsgefahr durch den Bundesgesetzgeber. Andererseits ist die verteilungsrechtliche Relevanz der einmaligen Abgabe um so höher zu veranschlagen, je größer ihr Volumen ist. Jedenfalls im Bereich mehrerer Milliarden Euro überwiegt demnach der Gedanke der föderativen Verteilungsgerechtigkeit, so daß bei solchen Volumina unter dem Gesichtspunkt der föderativen Verteilungsgerechtigkeit eine Einstellung dieser Erträge in die Deckungsquote angezeigt ist. Anders fällt diese Wertung aus, wenn man nach der oben dargestellten extensiven Auslegung einmalige Abgaben auch ohne die beschriebene Akzessorietät zu einem einmaligen Bedarf oder gar losgelöst von jeglicher Zweckbindung zuließe. Diese volumenmäßige Grenze der Nichteinbeziehung in die Deckungsquotenrechnung ist in diesem Falle wegen der größeren Gefahren für die bundesstaatliche Stabilität noch enger zu ziehen. (2) Ausklammerung wegen Zweckbindung der Erträge? Neben der Einstellung der einmalig anfallenden Steuern könnten sich im Hinblick auf die Deckungsrelevanz Bedenken in bezug auf Steuern ergeben, deren Aufkommen ganz oder teilweise zur Finanzierung bestimmter Zwecke vorgesehen ist. Solche einfachgesetzlichen Zweckbindungen bestehen etwa für die Mineralölsteuer32, die Totalisatorsteuer33, die Spielbankenabgabe34 oder bis 1979 für die Feuerschutzsteuer35. Diese Einnahmen dienen nicht oder nur zum Teil der allgemeinen Deckung staatlicher Aufgaben. Wegen dieser Zweckbindung könnte man unter dem Gesichtspunkt der Bilanzverlängerung eine Nichteinstellung dieser Einnahmen in die Deckungsquote befürworten. Denn durch die Zweckbindung der Einnahmen wird in gewisser Weise eine Verbindung der Einnahme zu einem Ausgabeposten hergestellt, so daß sich diese als „durchlaufende“ Einnahme darstellt. Diese Verbindung ist allerdings nicht hinreichend. Zu diesem Ergebnis führt zum einen die Überlegung, daß der Bundesgesetzgeber nicht daran gehindert ist, Nach § 10 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz vom 28. Januar 1988, BGBl. I, S. 100. Nach § 16 Rennwett- und Lotteriesteuergesetz vom 8. April 1922, RGBl. I 1922, S. 393, zuletzt geändert durch Gestz vom 24. August 2002, BGBl. I, S. 3412. 34 Etwa: § 9, 10 SpielbankenG NRW. 35 Vgl hierzu: BGBl. I 1979, S. 2353. 32 33

2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben

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die einmal gesetzlich formulierte Zweckbindung jederzeit aufzuheben und die erlangten Mittel anderweitig zu verwenden oder in den allgemeinen Haushalt einzubeziehen. Zweckbindung ist daher nichts anderes als eine gesetzgeberische Disposition über bestimmte Einnahmen bereits vor deren Vereinnahmung. Eine solche vorzeitige Disposition kann für die Bestimmung der Deckungsquote nicht relevant sein, da der Bund anderenfalls die Vergleichsrechnung bis zur Willkürgrenze durch einfachgesetzliche Zweckbindungen manipulieren und unterlaufen könnte36. b) Nichtsteuerliche Abgaben Neben den Steuern werden zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfes sog. nichtsteuerliche Abgaben erhoben. Im Gegensatz zu den Steuern, die zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfes der staatlichen Haushalte erhoben werden, dienen die nichtsteuerlichen Abgaben in erster Linie dem Zweck, spezielle Ausgaben zu decken. Da sie keine Steuern sind, folgt die Kompetenz zu ihrer Erhebung nicht aus den Steuergesetzgebungskompetenzen nach Art. 105 GG. Es darf heute als gesichert gelten, daß die Sachgesetzgebungskompetenzen der Art. 73 GG ff. potentiell die Auferlegung von Geldleistungspflichten und damit die Normierung öffentlicher Abgaben einschließen37. Die Ableitbarkeit der Kompetenzen zur Erhebung dieser Geldleistungspflichten sind allerdings in den grundgesetzlichen Regelungen in unterschiedlicher Qualität angelegt. Nach dem „Grad der Verankerungstiefe“38 der Abgabenkompetenz in der Sachgesetzgebungskompetenz lassen sich sachkompetenzenexplizite, -implizite und -annexe öffentliche Abgaben unterscheiden39. Sachkompetenzenexplizit sind solche öffentlichen Abgaben, die in der jeweiligen Sachkompetenz ausdrücklich angelegt sind. Dieser vergleichsweise seltene Spezialfall findet sich bei den Straßenbenutzungsgebühren nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG40. 36 Ebenso: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 134; Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 884; ders., Verteilung der Umsatzsteuer, S. 251. 37 BVerfGE 4, 7, 13; 8, 274, 317; 18, 315, 328 f.; 29, 402, 409; 37, 1, 16 f.; 67, 256, 274; Selmer / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke, DVBl. 2000, S. 1161. 38 Selmer / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke, DVBl. 2000, S. 1161. 39 Zu dieser Systematisierung: Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 232 ff.; Selmer / Brodersen / Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, S. 37 ff.; Selmer, Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht; S. 26 ff.; ders., Verfassungsrechtliche und finanzrechtliche Rahmenbedingungen, in: Breuer / Kloepfer / Marburger / Schröder (Hrsg.), Umweltschutz durch Abgaben und Steuern, UTR 16 (1992), S. 40 ff.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

Demgegenüber sind sachkompetenzenimplizite öffentliche Abgaben jene Abgaben, bei welchen die Sachkompetenz zwar nicht ausdrücklich, aber gewissermaßen materiell auf die Erhebung von Abgaben gerichtet ist41. In der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts finden sich für diesen Grad der Verankerung Formulierungen wie etwa die, daß die Sachgesetzgebungskompetenz „ihrer Art nach“42, „bereits aus sich heraus“43 oder „ihrem unmittelbaren Sachgehalt“44 nach die Gebührenerhebung impliziert. Hierzu zählen etwa die Sozialversicherungsbeiträge nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG45. Den schwächsten Verankerungsgrad weisen die sachkompetenzenannexen öffentlichen Abgaben auf. Diesen fehlt es an den genannten Voraussetzungen. Es läßt sich hier die Abgabenerhebung nur als Annex der jeweiligen Sachgesetzgebungsmaterie begründen46. Zur Annahme einer solchen Sachkompetenzannexität muß ein enger, unlösbarer Zusammmenhang der Abgabenerhebung zu der geregelten Sachmaterie bestehen47. Schon aus der geschilderten kompetentiellen Verschiedenartigkeit ergibt sich das Bedürfnis nach einer trennscharfen Abgrenzung der Steuern von den nichtsteuerlichen Abgaben48. Ebensolche Begriffsklarheit fordert daneben die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung des Grundgesetzes. Diese verteilt mit erheblichem Regelungsaufwand die Kompetenzen zur Gesetzgebung (Art. 105 GG), zur Ertragszuweisung (Art. 106 GG) und zur Verwaltungshoheit (Art. 108 GG) zwischen Bund und Ländern im wesentlichen nur für das als vorrangig angesehene staatliche Finanzierungsinstrument der Steuer. Die Finanzverfassung mit ihren komplizierten Steuerertragszuweisungs- und -ausgleichsmechanismen hat – wie vom Bundesverfassungsgericht ständig betont49 – den Zweck, eine Finanzordnung sicherzustellen, 40 Hierzu: Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 232 ff.; Selmer / Brodersen / Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, S. 37 ff. 41 Vgl. etwa: Selmer / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke, DVBl. 2000, S. 1161 f. 42 Vgl.: BVerfGE 75, 108, 147; 81, 156, 187. 43 Vgl.: BVerfGE 75, 108, 148. 44 Vgl.: BVerfGE 78, 249, 267. 45 Vgl. hierzu unten: IV. 2. c). 46 Selmer / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke, DVBl. 2000, S. 1162. 47 Selmer, Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht, S. 33 f. 48 Vgl. grdl.: BVerfGE 7, 244, 251 f.; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 184; ders., Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht, S. 24; Brodersen, Nichtfiskalische Abgaben und Finanzverfassung, in: Tipke / Vogel (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Wacke, S. 107; Isensee, Nichtsteuerliche Abgaben, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, 1983, S. 438. 49 Etwa: BVerfGE 55, 274, 300; 78, 249, 266; 93, 319, 342; 105, 185, 194; jüngst: BVerfGE 108, 186, 214 f.

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die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt. Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, daß sie die Ausgaben leisten können, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Diese grundgesetzliche Finanzverfassung, so das Gericht weiter, verlöre ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern daneben, d. h. neben den Steuern, beliebig Abgaben unter Umgehung der bundesstaatlichen Verteilung der Gesetzgebungs- und Ertragskompetenz für das Steuerwesen erhoben werden könnten50. Neben dieser gewissermaßen bundesstaatlichen Komponente der Schutzfunktion dient die auf das Finanzierungsinstrument der Steuer zugeschnittene Finanzverfassung des Grundgesetzes dem Ziel, auf eine Belastungsgleichheit unter den Abgabenschuldnern hinzuwirken. Demnach muß auch die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung tragen und dies insbesondere deshalb, weil der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe regelmäßig zugleich Steuerpflichtiger ist und als solcher schon zur Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten herangezogen wird51. Die Finanzverfassung entfaltet insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts52 auch eine Schutzwirkung zugunsten des Bürgers. Ferner ist bei der Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans berührt, wenn der Gesetzgeber Einnahmeund Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert. Dieser Grundsatz zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen. Dadurch soll gewährleistet werden, daß das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält. Nur so können Einnahmen und Ausgaben vollständig den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren unterworfen werden53. Durch die parlamentarische Kontrollfunktion wird der Schutz des einzelnen vor übermäßiger Abgabenbelastung verstärkt. Diese – in dem beschriebenen Sinne mehrdimensionale – Schutzfunktion der Finanzverfassung des Grundgesetzes formt und begrenzt die Möglichkeiten der Gesetzgeber, die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch die Erhebung von nichtsteuerlichen Abgaben zu finanzieren. So folgt aus dieser Funktion zum einen, daß es grundsätzlich54 unerheblich sein muß, wie der jeweilige Gesetzgeber eine Abgabe bezeichnet. Eine explizite einVgl. etwa: BVerfGE 55, 274, 300 ff.; 108, 186, 215. Vgl. BVerfGE 55, 274, 302, ebenso: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 229 ff. 52 Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa: BVerfGE 108, 186, 215. 53 Vgl. BVerfGE 82, 159, 179 f.; 91, 186, 202; 108, 186, 216. 54 Vgl. aber: BVerfGE 7, 244, 251 f. 50 51

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

fachgesetzliche Benennung einer Abgabe etwa als „Gebühr“ oder als „Beitrag“ kann unbesehen zur Annahme einer bestimmten Abgabe nicht ausreichen. Der Gesetzgeber hätte es sonst weitgehend in der Hand, durch die bloße Wahl der Finanzierungsform Kompetenzgrenzen und grundrechtliche Bindungen zu unterlaufen55. Um der Schutzfunktion der Finanzverfassung gerecht zu werden, muß der materielle Gehalt der Abgabe entscheidend sein für deren Qualifikation im Sinne einer Einordnung in den Kanon der Abgabenarten56. Dem Gesetzgeber steht demnach keine formal-begriffliche Qualifikationskompetenz im Hinblick auf die öffentlichen Abgaben zu. Zum anderen folgt aus der Schutzfunktion der Finanzverfassung, daß die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben einer besonderen Rechtfertigungslast ausgesetzt werden muß. Die Erhebung von nichtsteuerlichen Abgaben bedarf daher im Lichte des Steuerstaatsgedankens – über die Einnahmeerzielung oder an deren Stelle – einer besonderen Rechtfertigung aus Sachgründen57. aa) Vorzugslasten Den Gegenbegriff zu den Steuern als Gemeinlasten bilden neben anderen nichtsteuerlichen Abgaben die sog. Vorzugslasten. Während die Steuer voraussetzungslos, d. h. unabhängig von der Verwendung ihrer Erträge erhoben wird, ist die Zweckbindung maßgebliches Merkmal der Vorzugslasten. Bei diesen wird üblicherweise zwischen Gebühren und Beiträgen unterschieden. (1) Gebühren (a) Begriff Neben den Steuern anerkennt das deutsche Abgabenrecht traditionell die Finanzierung staatlicher Aufgaben durch Gebühren58. Das gesamtstaatliche Gebührenaufkommen lag etwa im Jahre 2002 bei 23,2 Mrd. Euro59. Im Grundgesetz findet sich keine ausdrückliche Definition des Gebührenbegriffes60. Die grundsätzliche Zulässigkeit dieser Form der Staatsfinanzierung läßt sich 55 Ebenso etwa: Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 774. 56 BVerfGE 7, 244, 252; 49, 343, 353; 55, 274, 304; 67, 256, 276; vgl.: hierzu: Selmer, Finanzordnung und Grundgesetz, AöR 101 (1976), S. 260; ders. / Brodersen / Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, S. 49; Selmer / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke, DVBl. 2000, S. 1153 f.; Osterloh / Brodersen, Eine neue Steuer auf Getränkeverpackungen?, JuS 1986, S. 53 f. 57 BVerfGE 78, 249, 266 f.; 108, 186, 215 f. 58 Zuletzt: BVerfGE 108, 186, 210; ferner: BVerfGE 34, 52, 61; 92, 91, 113. 59 Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2003, S. 505. 60 BVerfGE 50, 217, 225 f.

2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben

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jedoch aus der Erwähnung der Gebührenerhebung im Zusammenhang mit der Straßenbenutzung (Art. 74 Nummer 22 GG) und der Benutzung von Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation (Art. 80 Abs. 2 GG) schließen. In Rechtsprechung und Literatur hat sich eine Begriffsbestimmung etabliert, wonach eine Gebühr eine öffentlich-rechtliche Geldleistung ist, die einen individuell zurechenbaren, von der öffentlichen Hand vermittelten tatsächlichen und aktuellen Vorteil ganz oder teilweise ausgleicht61. Die Kompetenz zur Erhebung von Gebühren als nichtsteuerlicher Abgabe folgt, abgesehen von der Regelung des Art. 74 Abs. 1 Nummer 22 GG, aus der allgemeinen Kompetenzordnung der Art. 70 ff. und 83 ff. GG. Die Gebührengesetzgebungskompetenz ist demnach in der Regel eine Annexkompetenz zu der Sachgesetzgebungskompetenz62. Diese Kompentenz zur Erhebung von Gebühren – und auch von Beiträgen – kann als unproblematisch gelten. Zur Kompetenz des Sachgesetzgebers, ein bestimmtes Leistungsangebot normativ auszugestalten, gehört ohne weiteres auch das Recht zu der Entscheidung, dieses dem Bürger entgeltlich zur Verfügung zu stellen63. (aa) Verwaltungs- und Benutzungsgebühren Traditionell werden zwei Arten von Gebühren unterschieden, nämlich die Verwaltungs- und die Benutzungsgebühren64. Während erstere der Verwaltung für eine individuell gewidmete Amtshandlung zu entrichten sind65, besteht bei den Be61 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 185 ff.; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 16 f.; Hidien, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 106, 568; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 407 ff.; aus der Rechtsprechung: BVerfGE 7, 244, 254; 18, 392, 396; 20, 257, 269; 28, 66, 86 ff.; 50, 217, 226; BVerwGE 5, 136, 141; 12, 162, 165; 22, 299, 305. 62 BVerfGE 95, 189, 193; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 425 ff.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 210; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 161 f.; F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 37 ff. 63 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 220 ff.; Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 104, Rn. 46; Selmer / Brodersen / Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, S. 57 f., 75; Selmer, Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht; S. 29; ders., Finanzierung des Umweltschutzes, in: Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht, 1988, S. 25 ff., insbesondere S. 37 f.; Osterloh, „Öko-Steuern“ und Steuerbegriff, NVwZ 1991, S. 827. 64 Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vorbem. zu Art. 104a, Rn. 71; Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 774. Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTSLizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 207, 236.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

nutzungsgebühren die besondere Leistung in der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung66. Bei diesen Gebühren läßt sich ohne weiteres ein kostenbezogener Gegenleistungsbegriff erkennen. Es wird in erster Linie die Tragung von Kosten der Amtshandlung bzw. der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung im Wege der Gebühr vom Gebührenschuldner verlangt. Das Bundesverfassungsgericht definiert im Sinne dieses kostenbezogenen Verständnisses die Gebühren als „öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten, die aus Anlaß individuell zurechenbarer Leistung dem Gebührenschuldner . . . auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu dekken“67. Nach späterer ausdrücklicher Betonung68 handelt es sich hierbei allerdings um eine auf den zu entscheidenden Fall einer Verwaltungsgebühr zugeschnittene Definition und keine abschließende Abgrenzung. (bb) Im Streit: Die Figur der Verleihungsgebühr Nach dem beschriebenen herkömmlichen Begriff der Gebühr im finanzverfassungsrechtlichen Sinne ergibt sich die Legitimation der Gebührenfinanzierung aus einer Gegenleistung des Staates, welche dem Gebührenschuldner durch staatliches Handel zuteil würde. Maßgebliches Kriterium einer Gebühr ist wie gezeigt ihre Gegenleistungsbezogenheit. Über diesen Begriff der Gebühr hinaus ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines dritten Gebührentyps unter dem Stichwort der Verleihungsgebühr streitig. Ihre Zulässigkeit und Anwendungsbreite wird insbesondere im Zusammenhang mit Umweltabgaben diskutiert. Zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen wird das klassische staatliche Instrumentarium der Verbots- und Zulassungsordnung wie etwa in § 2 ff. WHG als zunehmend unzureichend empfunden69. Abge65 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 422, Siekmann, in: (Hrsg.), GG, Vorbem. zu Art. 104a, Rn. 71; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 186; Birk, Steuerrecht, Rn. 109. 66 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 186; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 422, Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vorbem. zu Art. 104a, Rn. 71; Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 775; Birk, Steuerrecht, Rn. 109. 67 BVerfGE 50, 217, 266 unter Hinweis auf die früheren Entscheidungen BVerfGE 7, 244, 254; 18, 392, 396; 20, 257, 269; 28, 66, 86 ff. (Hervorhebungen nur hier) 68 BVerfGE 93. 319, 345. 69 Vgl. hierzu: Kluth, Rahmenbedingungen der Ressourcenbewirtschaftung, NuR 1997, S. 109 f.; v. Arnim, Alternativen wirtschaftspolitischer Steuerung: Anreize und Gebote, in: Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, S. 731 f., zusammenfassend S. 742; Franke, Ökonomische und politische Beurteilung von Ökosteuern, StuW 1990, S. 218 f.; Gosch, Juristische Beurteilung von Ökosteuern, StuW 1990, S. 202 f.; Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 13 ff.; Ossenbühl, Verkehr, Ökonomie und Ökologie im verfassungsrechtlichen Spannungsfeld, NuR 1996, S. 58 f.; Meßerschmidt, Umweltabgaben als

2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben

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sehen von sog. Kooperationsmodellen 70 findet sich vor allem in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur die Forderung nach dem Einsatz ökonomischer Mittel als umweltpolitische Steuerungsinstrumente71. Neben dem Einsatz von handelbaren Zertifikaten72 wurde hierbei vor allem die Einführung von Umweltabgaben favorisiert73. Durch die Belastung des Verbrauchers von bislang „kostenlosen“ Rohstoffen wie etwa dem Wasser soll eine Einpreisung der gesamtökologischen Kosten in die Kalkulationen derjenigen Unternehmen erzwungen werden, die in besonderer Weise von der Ausbeutung dieser Ressourcen profitieren74. Durch die staatlich veranlaßte künstliche Verteuerung dieser Güter sollen die Unternehmen zum sparsamen Umgang mit diesen Ressourcen angehalten werden. Anders als die wirtschaftswissenschaftliche steht die juristische Literatur solchen Umweltabgaben eher reserviert gegenüber75. Dieser Zurückhaltung hat sich auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen. Von den zahlreichen insbesondere auf Landesebene initiierten Umweltabgaben hielt nur der sog. „Wasserpfennig“ der verfassungsgerichtlichen Prüfung stand76. Eine Reihe von anderen umweltschutzpolitisch motivierten Abgaben sind – freilich aus unterschiedlichen

Rechtsproblem, S. 42 f. und S. 61 f.; kritisch zur Vorzugswürdigkeit abgabenrechtlicher Finanzierungsinstrumente: P. Kirchhof, Rechtsmaßstäbe finanzstaatlichen Handelns, JZ 1979, S. 157, ders., Die Sonderabgaben, in: Wendt / Höfling / Karpen / Oldiges (Hrsg.), Festschrift Friauf, S. 678 ff.; Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 35; Hey, Rechtliche Zulässigkeit von Umweltabgaben, StuW 1998, S. 34 f.; Bothe, Zulässigkeit landesrechtlicher Abfallabgaben, NJW 1998, S. 2333 f.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115, Rn. 470. 70 Hierzu statt vieler: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, passim. 71 Vgl. etwa: Endres, Umwelt- und Ressourcenökonomie, 1985, passim; Wicke, Umweltökonomie, 1993; passim; Cansier, Umweltökonomie, 1993; passim, ders., Gefahrenabwehr und Risikovorsorge, NVwZ 1994, S. 642 ff. 72 Hierzu: Endres / Rehbinder / Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, 1994; Bothe, Voraussetzungen für den Einsatz von Emissionszertifikaten, NVwZ 1995, S. 937 ff. 73 Kluth, Voraussetzungen und Grenzen der Belastung mit Umweltabgaben, WiB 1995, S. 318 ff. 74 Zu den ökonischen Grundlagen vgl. etwa: Cansier, Gefahrenabwehr und Risikovorsorge, NVwZ, 1994, S. 642 ff.; Wicke, Umweltökonomie, 1993, passim. 75 Mit ebendieser Feststellung: Cansier, Gefahrenabwehr und Risikovorsorge NVwZ, 1994, S. 642; Koch, Umweltabgaben, in: Osterloh / Schmidt / Weber (Hrsg.), Staat, Wirtschaft, Finanzverfassung, Festschrift für Selmer, S. 769 f.; Trzaskalik, Der instrumentelle Einsatz von Abgaben, StuW 1992, S. 135 ff.; Selmer, Finanzierung des Umweltschutzes, in: Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht, 1988, S. 25 ff.; ders., Verfassungsrechtliche und finanzrechtliche Rahmenbedingungen, in: Breuer / Kloepfer / Marburger / Schröder (Hrsg.), Umweltschutz durch Abgaben und Steuern, UTR 16 (1992), S. 15 ff.; ders. Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht, 1996, passim; ders. / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts, DVBl. 200, DVBl. 2000, S. 1153; F. Kirchhof, Tauglichkeit von Abgaben zur Lenkung des Verhaltens, DVBl. 2000, 1166 ff. 76 Vgl. BVerfGE 93, 319 ff.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

Gründen – für verfassungswidrig erklärt worden. Beispiele77 hierfür sind etwa die kommunale Verpackungssteuer78 ebenso wie das Lizenzentgelt für Sonderabfallbeseitigung79 und mehrere Sonderabfallabgaben80. Die mit der Erhebung von Umweltabgaben verbundene (finanz-)verfassungsrechtliche Fragestellung wird insbesondere im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer sog. Verleihungsgebühr diskutiert81, besitzt aber über diese Problematik hinaus Relevanz für sämtliche nichtsteuerlichen Abgaben. Eine Verleihungsgebühr wird, wie die Bezeichnung bereits nahelegt, für die Verleihung eines Rechts durch den Staat gezahlt82. Offenbar ohne inhaltlichen Unterschied werden statt des Terminus der „Verleihung“83 auch Bezeichnungen wie „Einräumung“84, „Gewährung“85, „Übertragung“86 und „Verschaffung“87 eines 77 Weitere Beispiele etwa bei: Koch, Umweltabgaben in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Osterloh / Schmidt / Weber (Hrsg.), Staat, Wirtschaft, Finanzverfassung, Festschrift für Selmer, S. 769. 78 BVerfGE 98, 106. 79 BVerfGE 102, 99. 80 Etwa: BVerfGE 98, 83 ff. 81 Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, passim. 82 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 187; Vogel / Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 GG, Rn. 40; Heimlich, Verleihungsgebühr, DÖV 1997, S. 996; Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 777. 83 Heimlich, Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe, S. 222 ff., insbesondere S. 228; Trzaskalik, Der instrumentelle Einsatz von Abgaben, StuW 1992, S. 144. 84 So etwa: Arndt, Entwurf eines Bundesabfallabgabengesetzes und das Grundgesetz, BB 1992, S. 3 f.; Heun, Die Sonderabgaben als verfassungsrechtlicher Abgabetypus, DVBl. 1990, S. 673; ders., Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 79; Jarass, Verfassungsrechtliche Grenzen für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben, DÖV 1989, S. 1016; Nicolaysen, Bewilligung und Förderabgabe nach dem BBergG, S. 35, Pietzcker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 777; Hansjürgens, Umweltabgaben im Steuersystem, S. 103; Raber, Wassernutzungsentgelte und das Grundgesetz, NVwZ 1997, S. 221; Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, S. 382; Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, S. 198; Birk, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, Abgabenordnung, § 3, Rn. 148; Schollmeier, Zur Bemessung von Sondernutzungsgebühren, WUR 1991, S. 2; Henneke, Finanzierungsformen im Abgabenstaat, Jura 1990, S. 114; Stober, Finanzierung der Wirtschaftsverwaltung durch Abgaben, JA 1988, S. 254; F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 29 f.; ders., Der Baden-Württembergische „Wasserpfennig“, NVwZ 1987, S. 1034; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 105, Rn. 15. 85 Hendler, Umweltabgaben und Steuerstaatsdoktrin, AÖR 115 (1990), S. 602 f.; ders., Zur rechtlichen Beurteilung von Umweltabgaben, NuR 1989, S. 24; Scholz / Aulehner, Verfassungsfragen zur Lenkungsabgabe am Beispiel der Automatenbesteuerung, BB 1991, S. 74. 86 F. Kirchhof, Umweltabgaben im Abfallwesen, DVBl. 1994, S. 1104; ders., Die Verleihungsgebühr als dritter Gebührentyp, DVBl. 1987, S. 555. 87 So etwa: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 187; ders., Die verfassungswidrige Investitions-

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subjektiv-öffentlichen88 Rechts verwendet. Die Problematik des Instituts der Verleihungsgebühr liegt im allgemeinen in der Frage, welcher Qualität die begrifflich vorausgesetzte staatliche Gegenleistung sein muß und im speziellen, ob die (bloße) Verleihung eines Rechts dafür ausreichend ist. Die Befürworter89 einer solchen Verleihungsgebühr sehen die notwendige Abgrenzung zur Steuer schon dann als hinreichend gesichert an, wenn der Gebühr überhaupt irgendeine Gegenleistung gegenübersteht. Welcher Art diese Gegenleistung ist, sei im Hinblick auf die Abgrenzungsfrage irrelevant90. Hieraus ergäbe sich eine doppelte Möglichkeit zur Rechtfertigung der Erhebung von Gebühren91. Zum einen nach dem herkömmlichen Gebührenbegriff die Provokation von Kosten der staatlichen Leistung, die nicht von der Verwaltung selbst, sondern von dem durch diese bevorteilten Bürger getragen werden sollen. Zum anderen gäbe es daneben und unabhängig davon auch die Möglichkeit, die Erhebung von Gebühren damit zu rechtfertigen, daß der Staat dem Abgabenschuldner Vorteile zugewandt hat92. Bei der Verleihung eines subjektiven Rechts an den Gebührenschuldner ist der staatliche (Verleihungs-) Aufwand regelmäßig als vernachlässigbare Größe einzustufen93. Der Gedanke der Kostendeckung kann in diesem Zusammenhang also kaum die Gebührenerhebung rechtfertigen. Im Vordergrund stehe vielmehr der durch die Verleihung des Rechts geschaffene wirtschaftliche Wert, der mittels der Gebühr abgeschöpft werden solle94. Das Bundesverfassungsgericht befaßte sich mit dieser Frage insbesondere im sog. „Wasserpfennig“-Beschluß95 vom 7. November 1995. Das Gericht hatte über hilfeabgabe im System öffentlicher Abgaben, ZIP 1984, S. 1427; ders., Die Finanzierung des Leistungsstaates, Jura 1983, S. 511; Meßerschmidt, Sonderabgaben und Bundesverwaltungsgericht, DVBl. 1987, S. 932; Reinhard, Die Zulässigkeit der Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der Erhebung kommunaler Benutzungsgebühren, S. 20. 88 Den subjektiv-öffentlichen Charakter des Rechts betonen: P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 79; ders., Die Finanzierung des Leistungsstaates, Jura 1983, S. 511; F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 29 f.; ders., Der Baden-Württembergische „Wasserpfennig“, NVwZ 1987, S. 1034; Henneke, Finanzierungsformen im Abgabenstaat, Jura 1990, S. 114. 89 Kloepfer, Umweltrecht, 2004, § 5, Rn. 248 f.; Meßerschmidt, Sonderabgaben und Bundesverwaltungsgericht, DVBl. 1987, S. 932; Wieland, Konzessionsabgaben, S. 305; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 42, Rn. 35; Heimlich, Verleihungsgebühr, DÖV 1997, S. 996; F. Kirchhof, Die Verleihungsgebühr als dritter Gebührentyp, DVBl. 1987, S. 554 f.; Stober, Finanzierung der Wirtschaftsverwaltung durch Abgaben, JA 1988, S. 254 f. 90 Heimlich, Verleihungsgebühr, DÖV 1997, S. 997. 91 Vgl.: Heimlich, Verleihungsgebühr, DÖV 1997, S. 997, unter Hinweis auf: Vogel, Vorteil und Verantwortlichkeit, in: Faller / P. Kirchhof / Träger (Hrsg.), Verantwortlichkeit und Freiheit, Festschrift Willi Geiger, 1989, S. 518 ff. 92 Heimlich, Verleihungsgebühr, DÖV 1997, S. 997. 93 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 422. 94 Vgl.: Kluth, Rahmenbedingungen der Ressourcenbewirtschaftung, NuR 1997, S. 109 f. 95 BVerfGE 93, 319 ff.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

Verfassungsmäßigkeit von Wasserentnahmeentgelten zu entscheiden, die Hessen seit 199296 und Baden-Württemberg seit 198897 erhoben hatten. Als individuell zurechenbare öffentliche Leistung läßt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hierbei die Möglichkeit zur Wasserentnahme ausreichen98. Diese öffentliche Leistung verursacht dem Staat keinerlei Kosten. Das hiermit verbundene Abgrenzungsproblem wurde vom Bundesverfassungsgericht lediglich angesprochen, aber nicht systematisiert. Dementsprechend ist auch die Wertung überzogen, das Bundesverfassungsgericht habe mit der „Wasserpfennig“-Entscheidung das Institut der Verleihungsgebühr „anerkannt“99. Das Gericht unterläßt, was man bedauern mag, eine genaue dogmatische Einordnung der „Wasserentnahmeabgabe“ und stellt lediglich fest, daß deren Erhebung „den finanzverfassungsrechtlichen Anforderung an eine nicht-steuerliche Abgabe“ genüge100. Die Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage ist nur zu berechtigt. Entgegen der andernorts voreilig verkündeten Anerkennung des Instituts einer Verleihungsgebühr werden denn auch in der Literatur eine Reihe von gewichtigen Bedenken rechtsstaatlicher und grundrechtlicher Art angemeldet101. Um das Gewicht dieser grund- und insbesondere gleichheitsrechtlichen Bedenken zu verdeutlichen, ist vorauszuschicken, daß bei der Erhebung einer Verleihungsgebühr eben jener wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft werden soll, der später – nach seiner Realisierung – Gegenstand der Steuererhebung ist102.

Vgl.: Hessisches Grundwasserabgabengesetz, GVBl. I 1992, S. 209. Vgl.: Änderung des Wassergesetzes für Baden-Württemberg, GVBl. I 1987, S. 224. 98 BVerfGE 93, 319, 346. 99 So aber: Heimlich, Verleihungsgebühr, DÖV 1997, S. 996 ff. schon im Titel; wie hier: Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 207, 244. 100 BVerfGE 93, 319, 345. 101 So etwa mit im einzelnen unterschiedlicher Argumentation: Friauf, „Verleihungsgebühren“ als Finanzierungsinstrument für staatliche Aufgaben?, in: Festschrift Rechtswissenschaftliche Fakultät Universität Köln, S. 696 ff.; Heun, Die Sonderabgaben als verfassungsrechtlicher Abgabetypus, DVBl. 1990, S. 673 ff.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 187 ff.; Manssen, Finanzverfassungsrechtliche Aspekte einer Nahverkehrsabgabe, DÖV 1996, S. 12 ff.; Murswiek, Die Ressourcennutzungsgebühr, NuR 1994, S. 172; v. Mutius / Lünenbürger, Öffentliche Abgaben für Wasserentnahmen, DVBl. 1995, S. 1205; Jarass, Verfassungsrechtliche Grenzen für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben, DÖV 1989, S. 1021 f.; Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 779; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vorbem. zu Art. 104a, Rn. 72; Jachmann, in: v. Mangoldt / Starck / Klein, GG, Band III, Art. 105, Rn. 9. 102 Ebenso: Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 778. 96 97

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Eine Vielzahl der Kritiker in der Literatur vertritt schon die Ansicht, daß sich die Figur einer Verleihungsgebühr mit dem etablierten Gebührenbegriff nicht vereinbaren lasse103. Vor dem Hintergrund eines nahezu unbegrenzten Feldes ordnungs- und planungsrechtlicher Erlaubnisse104 ist eine wirksame Begrenzung der Gebührenerhebung für die bloße Rechtsverleihung erforderlich. Diese Begrenzung der Gebührenerhebung erfolgt insbesondere sozusagen negativ durch die Abgrenzung zur Steuer. Nach dem herkömmlichen Gebührenverständnis wird diese Abgrenzung insbesondere durch die kostenverursachende Gegenleistung gewährleistet. Die „vorzuglastenimmanente Gegenleistungsfunktion“ wirkt hier als „Hemmschuh“105. Eine dogmatisch befriedigende Abgrenzung der Gebühr von der Steuer ist demnach nur denkbar, wenn dem Begriff der Gegenleistung scharfe Konturen beigemessen werden. Die Ausweitung des Gegenleistungsbegriffes auf die bloße Rechtsverleihung dürfte mit dieser Zielvorgabe nur schwerlich zu vereinbaren sein. Die mit der Anerkennung einer Verleihungsgebühr implizierte Aufgabe der Kostenorientierung bei dem den Gebührenbegriff maßgeblich bestimmenden Gegenleistungspostulat verwischt nicht nur die tatbestandliche Einordnung unter den Terminus der Gebühr insbesondere in Abgrenzung zur Steuer. Sie führt auch bei der Bestimmung der Gebührenhöhe, also sozusagen auf der Rechtsfolgenseite, zu erheblichen Unsicherheiten. Angesprochen sind damit Fragen der Gebührenbemessung. Wenn auch die Kosten der staatlichen Gegenleistung nicht die Höhe der Gebühr verfassungsrechtlich begrenzen106, stellen diese doch ein sicheres Fundament dar, auf welchem die Ge103 Selmer, Verfassungsrechtliche und finanzrechtliche Rahmenbedingungen, in: Breuer / Kloepfer / Marburger / Schröder (Hrsg.), Umweltschutz durch Abgaben und Steuern, UTR 16 (1992), S. 43 f.; Piepenbrock / Müller, Rechtsprobleme des UMTS-Vertseigerungverfahrens, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 8, 44; v. Mutius / Lünenbürger, Öffentliche Abgaben für Wasserentnahmen, DVBl. 1995, S. 1207 f.; dies., Verfassungsrechtliche Aspekte einer umfassenden ökologischen Ressourcenwirtschaft, NVwZ 1996, S. 1063; Kluth, Voraussetzung und Grenzen der Belastung mit Umweltabgaben, WiB 1995, S. 322 f.; Raber, Wassernutzungsentgelte und das Grundgesetz, NVwZ 1997, S. 221 f. aus finanzwissenschaftlicher Perspektive: Hansjürgens, Sonderabgaben, StuW 1993, S. 32 f.; Schulte, Bundesberggesetz, NJW 1981, S. 91; Stabreit, Die Erhebung von Wassernutzungsentgelt in den neuen Bundesländern, LKV 1994, S. 354; Pencereci, Das Brandenburgische Wassergesetz, LKV 1995, S. 420. 104 Beispiele bei: Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 283 ff.; Wendt, Gebühr als Lenkungsmittel, 1975, S. 54 f.; Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 777; Korte, Erhebung einer Abgabe auf die Luftverunreinigung durch Kfz-Abgase, 1980, S. 111 ff. und S. 125 ff.; ausführlich auch: Bohley, Gebühren und Beiträge, 1977, S. 96 ff. 105 Ebenso, allerdings zu den Sonderabgaben: Selmer, Verfassungsrechtliche und finanzrechtliche Rahmenbedingungen, in: Breuer / Kloepfer / Marburger / Schröder (Hrsg.), Umweltschutz durch Abgaben und Steuern, UTR 16 (1992), S. 44. 106 BVerfGE 50, 217, 226; vgl. zur Gebührenbemessung: F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, passim, insbesondere S. 77 ff.; Wendt, Gebühr als Lenkungsmittel, 1975, S. 54.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

bührenhöhe – auch durch andere Faktoren wie etwa dem wirtschaftlichen Vorteil beeinflußt – bemessen werden kann. Bei Verleihungsgebühren fehlt diese objektive Grundierung107. Die zur Verleihung anstehenden subjektiven Rechte haben vor der staatlichen Aktivität keinen wirtschaftlichen Preis. Das Bundesverfassungsgericht überspielt im „Wasserpfennig“-Beschluß diese Gedanken recht lapidar mit der Bemerkung, daß es „nicht ersichtlich“ sei, daß die Höhe der Wasserentnahmeentgelte den Wert der öffentlichen Leistung übersteige108. In dieser „Wertermittlungs-Falle“ liegt aber gerade die Gefahr für die bundesstaatliche Finanzverfassung: Das Gegenleistungspostulat für die Gebühren kann seine Wirksamkeit nur entfalten, wenn dieser Gegenleistungswert nach zumindest einigermaßen objektivierten Kriterien ermittelbar ist. Trennte man den Wert der staatlichen Leistung von den dem Staatswesen entstehenden Kosten, so dürfte sich jede Bestimmung dieses Wertes als letztlich willkürlich gegriffen erweisen109. Gelingt eine Begrenzung der Erhebung von Gebühren für die bloße Rechtsverleihung nicht, droht eine weitere rechtstaatliche Gefahr, die von den Kritikern der Verleihungsgebühr mit dem Schlagwort „Kommerzialisierung“ der öffentlichen Verwaltung pointiert zu werden pflegt110. Diese Problematik besteht freilich nicht nur bei der Verleihungsgebühr, sondern letztlich bei allen nichtsteuerlichen Abgaben111. Auch ist in diesem Zusammenhang von einem „Preis für die Freiheit“112, von einem „Verkauf von Hoheitsakten“113 die Rede. 107 Ebenso für den „Wasserpfennig“: Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 778. 108 BVerfGE 93, 319, 347. 109 In diesem Sinne auch: Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 779 („Festsetzung des Preises . . . muß praktisch frei entschieden werden“). 110 Zuerst wohl: Krüger, Die Auflage als Instrument der Wirtschaftsverwaltung, DVBl. 1955, S. 520; v. Mutius / Lünenbürger, Öffentliche Abgaben für Wasserentnahmen, DVBl. 1995, S. 1207 f.; P. Kirchhof, Die Finanzierung des Leistungsstaates, Jura 1983, S. 512; ders., Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, S. 115; ders., Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 79; ders., Die verfassungswidrige Investitionshilfeabgabe im System öffentlicher Abgaben, ZIP 1984, S. 1427; Breuer, Umweltrechtliche und wirtschaftslenkende Abgaben im europäischen Binnenmarkt, DVBl. 1992, S. 491. 111 In diesem Sinne genereller als die soeben Genannten: Kloepfer, Neue umweltrechtliche Handlungsformen des Staates, JZ 1991, S. 741; P. Kirchhof, Verkehrspolitik im Lichte des deutschen Verfassungsrechts, DRiZ 1995, S. 256; Höfling, Verfassungsfragen einer ökologischen Steuerreform, StuW 1992, S. 251. 112 Friauf, „Verleihungsgebühren“ als Finanzierungsinstrument für staatliche Aufgaben?, in: Festschrift Rechtswissenschaftliche Fakultät Universität Köln, S. 683; Birk, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, Abgabenordnung, § 3, Rn. 150; Siekmann, in Sachs (Hrsg.), GG, Vorbem. zu Art. 104a, Rn. 72. 113 P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, S. 115 f.; Donner / Fischer, Umweltschutz durch Abgaben, in: Donner / Magoulas / Simon / Wolf (Hrsg.), Umweltschutz zwischen Staat und Markt, S. 372; Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 778.

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Befürchtet wird hierbei eine „Verquickung hoheitlicher und fiskalischer Interessen“114, welche mit dem Gedanken des Steuerstaates unvereinbar ist. Diesem immanent ist eine prinzipielle Trennung von rechtsstaatlicher Rechtseinräumung einerseits und der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfes andererseits115. Durch diese Interessenseparation soll gewährleistet sein, daß die Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung nach den gesetzlich definierten Zielen der jeweiligen Verwaltungsmaterie getroffen werden und eben nicht nach finanziellen Interessen. „Statt rechtsstaatlicher Qualität gerät ertragswirtschaftliche Quantität zur Maxime staatlichen Handelns“116. Die Figur der Verleihungsgebühr ist aus staatlicher Sicht betrachtet letztlich eine „Prämie“ für eine bestimmte Tendenz von Verwaltungsentscheidungen. Diese werden somit fiskalischen Interessen ausgesetzt, gegen die sie der Steuerstaatsgedanke gerade abschirmen sollte. Zudem droht eine Ungleichbehandlung der Bürger. Die Leistungsfähigeren könnten zwischen der Befolgung des gesetzlichen Befehls und der Leistung der Gebühr wählen, während die Mittellosen ohne jede Wahlmöglichkeit die Verhaltenspflicht zu erfüllen hätten117. Nach alledem erweist sich die Figur der Verleihungsgebühr als eine Konstruktion ohne legitimierenden Grund und deshalb ohne Konturen118. (b) Ertragszurechnung Schon aus dem Begriff der Gebühr folgt, daß grundsätzlich diejenige Körperschaft ertragsberechtigt ist, die den gebührenfinanzierten Aufwand zu tragen hat119. Dies ist regelmäßig der Inhaber der entsprechenden Gesetzgebungskompetenz. Die Ertragshoheit für das Gebührenaufkommen folgt demnach in der Regel der Gebührenerhebungskompetenz120. 114 Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 778; ebenso: Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vorbem. zu Art. 104a, Rn. 72; P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, S. 115 f. 115 P. Kirchhof, Verfassungsrechtliche Beurteilung der Abwasserabgabe des Bundes, 1983, S. 17 f.; wenn auch eingeschränkt zustimmend: Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 778. 116 Treffend: P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, S. 115. 117 P.Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, S. 116. 118 So: Pietzker, Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl. 1987, S. 779. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vorbem. zu Art. 104a, Rn. 72. 119 Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 425; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 40 und 212; Hidien, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 106, 569; Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 104, Rn. 71; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.). GG, Vorbem. zu Art. 104a GG, Rn. 36; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 106, Rn. 2.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

(c) Deckungsquotenrelevanz (aa) Stellungnahmen in der finanzverfassungsrechtlichen Literatur Die Deckungsquotenrelevanz von Gebührenaufkommen wird uneinheitlich beurteilt. Teilweise wird die Ansicht vertreten, daß das Aufkommen der Gebühren trotz ihres Kostendeckungscharakters in voller Höhe in die Deckungsquote einzustellen ist. Die Gebühreneinnahmen und -ausgaben wären danach in der Vergleichsrechnung brutto zu veranschlagen121. Zur Begründung wird hier angeführt, daß der Grad der Kostendeckung in einem Gebührenhaushalt immer auch eine politische Entscheidung sei. Gleiches gelte für die Einrichtung eines Gebührenhaushaltes bzw. für den Verzicht auf die Gebührenerhebung122. Demnach sei unter dem Gesichtspunkt der Manipulierbarkeit eine Bruttostellung geboten123. Zudem läßt sich für diese Ansicht anführen, daß die finanziellen Mittel aus der Gebührenerhebung in aller Regel nicht zu den speziellen Deckungsmitteln zählen, sondern im finanzpolitischen Sinne – vorausgesetzt man hielte die Zweckbindung von Einnahmen überhaupt für relevant – frei disponibel sind124. Eine solche Bruttostellung wird von einer Gegenansicht abgelehnt125. Nach dieser sollen die Einnahmen aus Gebühren aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG ebenso augeklammert werden wie auf der Ausgabenseite die mit ihnen korrespondierenden Aufwendungen des Gebührenhaushaltes. Zur Begründung führt etwa Hidien aus, daß „ein die finanzielle Leistungsfähigkeit vermehrender Wertzuwachs beim Ertragsberechtigten auszuschließen“ sei, da diesem Geldzufluß „eine ähnlich oder zumindest gleich hohe geldwerte Ausgabe vorangeht oder gegenübersteht126. 120 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 212; vgl. aber die gelegentliche vertretene abweichende Ertragshoheit bei den UMTS-Einnahmen, wenn man diese als Gebühren begreift; so: Korioth, Verfassungsrechtliche und verfassungsprozessuale Aspekte einer Beteiligung der Länder an den Erlösen aus der Versteigerung der UMTS / IMT-2000-Lizenzen, Gutachten 2001, S. 60 ff.; ferner: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 570. 121 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 143; vgl. aber die Einschränkungen im letzten Satz von Tz. 143 und in Tz. 150 f.; FischerMenshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, 1996, Art. 106, Rn. 26 b; anders noch: ders., in: Unbestimmte Rechtsbegriffe, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs I, S. 140; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 46, 61; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 725. 122 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 143. 123 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 143. 124 Vgl. hierzu: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 892; Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 143. 125 Gaddum, Die Verteilung der Steuern nach Art. 106 GG, BayVBl. 1977, S. 587; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 273 ff.; ders., in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 893; Kisker, Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, S. 39; differenzierend: Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein; GG, Art. 106, Rn. 14e.

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Zwischen diesen beiden Positionen findet sich in der Literatur eine weitere, gleichsam vermittelnde Ansicht, nach welcher das Gebührenaufkommen teils netto, teils brutto in die Vergleichsrechnung einzustellen ist. Die in diesem Zusammenhang notwendige Differenzierung wird allerding nur angedeutet und nicht praktikabel ausgeformt. Fischer-Menshausen127 etwa ist der Ansicht, daß „alle zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfes mitherangezogenen nichtsteuerlichen Einkünfte (Gebühren, Leistungsentgelte, Verwaltungseinnahmen u.dgl.) in die Deckungsquote einzubeziehen sind“. (bb) Bewertung im Lichte der Auslegungsmaxime Bei den Gebührenhaushalten ist grundsätzlich eine Einbeziehung in die Vergleichsrechnung geboten. Dieses erklärt sich zunächst neben dem grundsätzlichen Postulat der Einstellung sämtlicher staatlicher Einnahmen in die Vergleichsrechnung128 aus dem Gedanken des Steuerstaates. Eine pauschale Nichteinbeziehung von Gebührenhaushalten stellte für die betreffende Körperschaft einen steuerstaatswidrigen Anreiz zur Gebührenfinanzierung dar. Da steuerliche Erträge wie gezeigt stets in die Deckungsquote einzurechnen sind, würde eine unbesehene Ausklammerung der Gebührenaufkommen zu einer finanzausgleichsrechtlichen Begünstigung der staatlichen Ebene führen. Bund oder Land würden für die Einrichtung eines Gebührenhaushaltes im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG mit einer günstigeren Quote „belohnt“ und damit das grundgesetzliche Primat der Steuerfinanzierung geradezu umgekehrt. Ausnahmen von der grundsätzlichen Deckungsquotenrelevanz der Gebührenaufkommen können daher nur unter restriktiven Voraussetzungen zugelassen werden. Die Prüfung dieser Voraussetzungen muß in zwei Stufen erfolgen. Zum einen muß ermittelt werden, ob und inwieweit das Gebührenaufkommen tatsächlich zur Deckung eines speziellen Bedarfes genutzt wird129. Nur wenn bestimmten Einnahmen aus Gebühren ein korrespondierender Ausgabeposten zuzuordnen ist, ist eine Ausklammerung derselben aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG unter dem Gesichtspunkt der Nettostellung überhaupt denkbar. Soweit die Einnahmen aus Gebühren aber der Deckung des allgemeinen Haushaltes dienen, besteht zu dieser Ausklammerung kein sachlicher Grund: Es bleibt bei der Bruttostellung dieser Einnahmen und Ausgaben. Um eine Nettostellung von Einnahmen, denen ein konkreter Ausgabenposten zuzuordnen ist, zu rechtfertigen, muß allerdings ein weiterer Aspekt hinzutreten. In: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 893. Fischer-Menshausen, Unbestimmte Rechtsbegriffe, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs I, S. 140 (Hervorhebung nur hier). 128 Siehe oben: VI. 2. a). 129 So wohl im Umkehrschluß auch: Fischer-Menshausen, Unbestimmte Rechtsbegriffe, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs I, S. 140. 126 127

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

Hier gilt das bezüglich der allgemeinen Ableitungen aus der Auslegungsmaxime der föderalen Verteilungsgerechtigkeit zu den Nebenhaushalten Gesagte entsprechend130. Die bloße, vom jeweiligen Gesetzgeber nahezu beliebig beeinflußbare Zweckbestimmung von Einnahmen kann die Begünstigung im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung nicht rechtfertigen. Eine diese begründende Situation tritt erst ein, wenn die Ausgestaltung der Finanzierung einer bestimmten staatlichen Aufgabe mit einem gewissen Verlust an politischer Gestaltungsmacht einhergeht. Dies ist bei Gebührenhaushalten erst dann der Fall, wenn und soweit diese rechtlich und tatsächlich hinreichend verselbständigt sind. Ausnahmen im Sinne einer Ausklammerung bestimmter Gebühreneinnahmen aus dem unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG sind daher regelmäßig nur bei den Benutzungsgebühren zulässig. Hier steht der staatlichen Einnahme in aller Regel eine zuordnungsfähige konkrete Ausgabe gegenüber. Zudem eignen sich Haushalte, die ihre Ausgaben aus Benutzungsgebühren finanzieren, für eine hinreichende Verselbständigung in finanzierungsrechtlicher Hinsicht. Anders bei dem zweiten etablierten Gebührentyp, den Verwaltungsgebühren. Zwar ist hier der Gebühreneinnahme in der Regel eine bestimmte kostenverursachende Amtshandlung und damit eine konkrete Ausgabe zuzuordnen, jedoch eignen sich Verwaltungsgebührenhaushalte regelmäßig nicht für eine hinreichende rechtliche und tatsächliche Verselbständigung. Die Einnahmen aus den im Streit befindlichen Verleihungs- oder Ressourcennutzungsgebühren werden in aller Regel in die Deckungsquote einzustellen sein. Bei diesen fallen keine oder zu vernachlässigende Kosten an, so daß hier ohnehin regelmäßig keine Nettostellung der Erträge mit einem mit diesen Einnahmen unmittelbar verknüpften Kostenblock in Betracht kommt. (2) Beiträge Eine weitere Vorzugslast ist der Beitrag131. Als Beitrag wird nach der üblichen, auch in § 1 Abs. 1 AO verwendeten Begriffsbestimmung die Beteiligung der Interessenten an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung („Veranstaltung“) bezeichnet132. Maßgebend ist wie auch bei der Gebühr der Gesichtspunkt der Gegenleistung. Das Gemeinwesen stellt eine besondere Einrichtung zur Verfügung; wer davon besonderen wirtschaftlichen Nutzen hat, soll zu den Kosten ihrer Errichtung und Unterhaltung beitragen133. Die Abgrenzung zur Gebühr bereitet allerdings Vgl. hierzu oben: VI. 2. d). Vgl. hierzu ausführlich: Ubber, Der Beitrag als Institut der Finanzverfassung, 1993, passim. 132 BVerfGE 7, 244, 254 f. 133 BVerfGE 9, 291, 297. 130 131

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praktische Schwierigkeiten. Idealiter ist davon auszugehen, daß die Beiträge einen insofern weiteren Anwendungsbereich haben, als sie einem Pflichtigen auch auferlegt werden können, wenn dieser potentiell aus der Einrichtung wirtschaftlichen Nutzen ziehen kann, während die Gebühr einen aktuellen, konkreten Vorteil voraussetzt. Es läßt sich von einer Anknüpfung der Beiträge an ein bevorzugendes staatliches Leistungsangebot sprechen, während die Gebühr an die staatliche Leistung angebunden ist134. Im Hinblick auf die Deckungsquotenrelevanz von Beitragseinnahmen kann auf die Ausführungen zu den Gebühren verwiesen werden. Die dort aufgestellten Prämissen gelten für die Beiträge entsprechend. Wie bei diesen kommt bei den Beitragseinnahmen eine Ausklammerung der Erträge aus der Vergleichsrechnung nur in Betracht, wenn der beitragsfinanzierte Haushalt eine hinreichende rechtliche und tatsächliche Verselbständigung vom Kern-Etat aufweist. bb) Sonderabgaben „im engeren Sinne“ (1) Grundsätzliches Neben den Steuern und den Vorzugslasten erzielen der Staat und von diesem rechtlich separierte öffentlich-rechtliche Körperschaften in beträchtlicher Höhe Einnahmen aus Geldleistungen seiner Bürger, die gemeinhin unter dem reichlich unscharfen Begriff der „Sonderabgaben“ zusammengefaßt werden. Bereits in den Anfängen der Bundesrepublik Deutschland zeigte sich, daß der herkömmliche Kanon der staatlichen Einnahmen, nämlich Steuern, Gebühren und Beiträge, den zahl- und variantenreichen Lenkungs- und Finanzierungsinteressen des modernen Finanz- und Leistungsstaates nicht gerecht werden konnte. Die Folge war alsbald ein „Sammelsurium von diversen Abgabeformen, die sich einer Verortung im klassisch dreigeteilten Abgabensystem ( . . . ) entziehen“135. Unter dem globalen Begriff der „Sonderabgaben“ traten diese zu den genannten Finanzierungsformen hinzu. Ihre legitimierende Grundlage ist der Idee nach eine besondere Finanzierungsverantwortung der Abgabenschuldner für eine bestimmte Finanzierungsaufgabe136. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der grundsätzliche Unterschied der Sonderabgabe zur Steuer. Im Gegensatz zu dieser erfaßt die Sonderabgabe nicht die indivi134 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 213; Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 571; Birk, Steuerrecht, Rn. 109; vgl. auch die einfachgesetzliche Definition in § 8 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz NRW („Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen . . . dienen“). 135 So: Henseler, Begriffsmerkmale und Legitimation von Sonderabgaben, S. 16. 136 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 221.

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duelle Leistungsfähigkeit des Abgabenschuldners, sondern belastet eine Gruppe wegen ihrer speziellen Verantwortlichkeit für eine Aufgabe. In der Theorie gelingt die Abgrenzung zu den Vorzugslasten, also den Gebühren und den Beiträgen, ebenso problemlos. Im Gegensatz zu den Vorzugslasten ist die Sonderabgabe von Leistungen oder Leistungsangeboten der öffentlichen Hand unabhängig. Sie neutralisiert keinen durch eine Staatsleistung zugewendeten Vermögenswert137. Die Kompetenz zur Erhebung dieser Sonderabgaben ist wie die der übrigen nichtsteuerlichen Abgaben aus den allgemeinen Regelungen des Grundgesetzes über die Verteilung der Sachgesetzgebungskompetenzen der Art. 73 ff. GG abzuleiten138. Die damit dem Gesetzgeber scheinbar eröffnete unbegrenzte Regelungsbefugnis setzte eine Reihe von Begrenzungs- und Legitimationsversuchen in Gang. Dem auf das Finanzierungsinstrument der Steuer fixierten Ertragszuteilungs- und Ausgleichssystem der Regelungen der Art. 104a ff. GG drohte anderenfalls die Aushöhlung und Störung durch eine „apokryphe Finanzverfassung“139. Das Bundesverfassungsgericht versuchte angesichts dieser Gefahr zunächst, diesen Abgaben durch Einordnung in die nunmehr anerkannten Abgabekategorien – also neben der Steuer die nichtsteuerlichen Abgaben Gebühr, Beitrag oder eben der Sonderabgabe – Struktur zu verleihen. Neben der Prüfung anhand der Finanzverfassung140 wurde der begrifflichen Zuordnung der Abgaben erhebliche Aufmerksamkeit zuteil141. Aus dem Bemühen des Gerichts läßt sich folgern, daß dieses zunächst davon ausging, daß es einen geschlossenen Katalog der Abgabeformen gäbe142. Von dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverfassungsgericht in der Folge allmählich entfernt. Dies geschah wohl vor dem Hintergrund, daß sich die Kategorie der Sonderabgaben als ungeeignet erwies143. Die Begriffsbestimmung des Bundesverfassungsgerichts kann nur als kasuistisch und wenig systematisch bezeichnet werden. Neben den „parafiskalischen“144 Sonderabgaben war der Begriff der Sonderabgabe um den Typus der „Ausgleichs-Finanzierungsabgaben“145 erweitert 137 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 221. 138 Vgl.: BVerfGE 4, 7, 13; 8, 274, 317; 18, 315, 328 f.; 20, 257, 269; 29, 402, 409; 37, 1, 16 f.; vgl. hierzu: Hidien, Bundesstaatlicher Finanzausgleich, DÖV 1997, S. 990. 139 Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 183. 140 Hierzu sogleich. 141 BVerfGE 7, 244, 251 ff.; ferner: BVerfGE 49, 343, 352 ff.; 55, 274, 297. 142 So auch: Selmer / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke, DVBl. 2000, S. 1154. 143 Ebenso: Selmer / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke, DVBl. 2000, S. 1154. 144 Vgl. BVerfGE 55, 274, 300; 67, 256, 276. 145 Vgl. BVerfGE 67, 256, 277.

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worden. Hinzu traten „Ausgleichsabgaben eigener Art, die keinen Finanzierungszweck haben“146. Im Jahre 1988 stand die Verfassungsmäßigkeit der sog. Fehlbelegungsabgabe vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts zur Frage147. Diese diente der Rückabwicklung staatlich gewährter Vorteile in Form einer Abschöpfungsabgabe und sei als solche keine Sonderabgabe148. Damit wurde neben den Sonderabgaben eine Abgabe sui generis zugelassen. Folgerichtig wurde im Jahre 1990 vom Bundesverfassungsgericht die These vom abgeschlossenen Katalog der Abgabearten – und damit der Versuch begrifflicher Zuordnung – aufgegeben. Die Sonderabgaben bildeten nunmehr keinen Ausschlußtatbestand, der jede weitere Abgabe neben den Steuern und den aufwandabhängigen Gebühren und Beiträgen schlechthin unzulässig mache149. Diese Aussage wurde im bereits erwähnten „Wasserpfennig“-Urteil150 des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1995 bestätigt. Hier wurde ausdrücklich klargestellt, daß es nach Ansicht des Gerichts für die „kompetenzrechtliche Zulässigkeit“ einer nichtsteuerlichen Abgabe nicht auf „deren begriffliche Zuordnung ankomme“151. „Allein“ entscheidend seien hierfür vielmehr die Anforderungen, die sich aus der „Wahrung der bundesstaatlichen Finanzverfassung“152 ergeben153. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist erst seit relativ kurzer Zeit von den Sonderabgaben im engeren Sinne einerseits und den sonstigen nichtsteuerlichen Abgaben andererseits die Rede154. Diese im Vergleich zur früheren Rechtsprechung modifizierte Begrifflichkeit ist vor dem Hintergrund einer gewandelten Prioritätssetzung bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben zu erklären. Das Bundesverfassungsgericht grenzte die Sonderabgaben zunächst in erster Linie nach ihrer Gestaltungswirkung ab155. BVerfGE 67, 256, 277 f. Vgl. BVerfGE 78, 249 ff. 148 BVerfGE 78, 249, 266. 149 BVerfGE 82, 159, 181. 150 BVerfGE 93, 319 ff. 151 BVerfGE 93, 319, 345. 152 BVerfGE 93, 319, 345. 153 Zustimmend: Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, 2000, S. 124; Selmer / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke, DVBl. 2000, S. 1154. 154 BVerfGE 101, 141, 150 f.; 108, 186, 217. 155 So auch: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 242 ff.; Richter, Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, S. 54; Puwalla, Qualifikation von Abgaben, S. 70 ff.; Arndt, Steuern, Sonderabgaben und Zwangsanleihen, S. 38 ff.; Patzig, Steuern-Gebühren-Beiträge und „Sonderab146 147

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

Jede Sonderabgabe verfolgt zumindest neben ihrem Finanzierungszweck für einen speziellen Bedarf eine bestimmte außerfiskalische Intention. Die von den Sachgesetzgebern im Laufe der Zeit eingeführten Sonderabgaben lassen sich nach dem mit ihrer Erhebung verfolgten Zweck mehr oder weniger systematisieren. P. Kirchhof etwa unterscheidet hier – keineswegs abschließend – Sonderabgaben zur Lenkung156, zum Ausgleich157, zur Förderung von Sachaufgaben158 und sog. Verursacherabgaben159. Das Bundesverfassungsgericht folgte dieser Kategorienbildung wie oben gezeigt zunächst. Die vielfältigen Ausgestaltungen solcher Sonderabgaben zwischen der Finanzierungsaufgabe und der Verfolgung sonstiger außerfiskalischer Zwecke läßt allerdings eine treffsichere apriorische Definition anhand der Gestaltungswirkung als unmöglich erscheinen, soll nicht bei jeder „neuen“ Sonderabgabe der Anwendungsbereich der Kategorie erweitert werden. Infolgedessen geriet mit der Abkehr von der begrifflichen Abgrenzung der Sonderabgaben hin zu einer Betonung des Aspekts der „Wahrung der bundesstaatlichen Finanzverfassung“160 ein anderes Differenzierungskriterium in den Vordergrund. Das Bundesverfassungsgericht scheint nunmehr die Sonderabgaben nach ihrem steuerstaatlichen Gefährdungsgrad zu systematisieren. Vor diesem Hintergrund wird der Begriff der Sonderabgaben im engeren Sinne gegen den der sonstigen (sachkompetenzannexen) nichtsteuerlichen Abgaben in Stellung gebracht. Sonderabgaben im engeren Sinne zeichnen nach dieser Rechtssprechung sich dadurch aus, daß der Gesetzgeber Kompetenzen außerhalb der Finanzverfassung in Anspruch nimmt, obwohl weder ein Gegenleistungsverhältnis noch ähnlich unterscheidungskräftige besondere Belastungsgründe eine Konkurrenz der Abgabe zur Steuer ausschließen161. Gerade diese Sonderabgaben gefährden durch ihre Steuerähnlichkeit die bundessstaatliche Kompetenzverteilung, die Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen und das Budgetrecht des Parlaments. Den Gegenbegriff hierzu bilden die sonstigen nichtsteuerlichen Abgaben. Hierbei handelt es sich nach der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts keineswegs um eine Art Auffangtatbestand, sondern vielmehr um den sozusagen steuergaben“, DÖV 1981, S. 738 f.; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 105, Rn. 16 f.; Henseler, Begriffsmerkmale und Legitimation von Sonderabgaben, passim. 156 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 245 ff. 157 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 242 ff. 158 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 248 ff. 159 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 251. 160 BVerfGE 93, 319, 345. 161 BVerfGE 108, 186, 217.

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verfassungsrechtlich „ungefährlicheren“ Teil der Sonderabgaben. Diese Abgaben sind nicht Gebühr, nicht Beitrag und lassen trotzdem durch spezielle Sach- und Zweckzusammenhänge eine Konkurrenz zur Steuer nicht befürchten162. Auf die Stichhaltigkeit und Eignung der vom Bundesverfassungsgericht erörterten speziellen Sach- und Zweckzusammenhänge zur Abgrenzung zur Kategorie der Steuer wird noch zurückzukommen sein163. (2) Ein Zwischenresümee: Vierstufiges Prüfungsprogramm für Sonderabgaben „im engeren Sinne“ Für das Vorliegen einer Sonderabgabe im engeren Sinne ergibt sich aus der dargestellten Systematik ein Prüfungsprogramm in vier Stufen. Erstens ist bei einer in Frage stehenden Abgabe zu ermitteln, ob es sich bei dieser um eine Steuer im Sinne der Art. 105 ff. GG handelt. Kann dieses anhand der dargestellten Merkmale der Steuer verneint werden, bleibt die Frage, ob – zweitens – eine Vorzugslast vorliegt oder ob – drittens – spezielle Sach- und Zweckzusammenhänge im Sinne der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Konkurrenz zur Steuer a priori ausschließen. Das Substrat dieser dreifachen negativen Abgrenzung sind die Sonderabgaben im engeren Sinne, deren Gemeinsamkeit ihre besondere Gefährlichkeit für die bundesstaatliche Kompetenzordnung der Art. 105 ff. GG ist. Für diese gelten daher die noch zu vertiefenden strengen Zulässigkeitskriterien. (3) Der Gegenbegriff der sonstigen nichtsteuerlichen Abgaben Verdient das Konzept einer apriorischen Ausgrenzung kompetenzrechtlich „ungefährlicher“ nichtsteuerlicher Abgaben aus dem Begriff der Sonderabgaben im engeren Sinne auch grundsätzlich Zustimmung, ist davon die Frage zu trennen, welche speziellen Sach- und Zweckzusammenhänge eine Sonderabgabe nach dieser Konzeption denn aufweisen muß, um nicht in Konkurrenz zur Steuer zu geraten. Solche besonderen Differenzierungsmerkmale bei den verfassungsgerichtlicher Prüfung anheimfallenden Abgaben zu etablieren, ist im Grunde der „rote Faden“ der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den nichtsteuerlichen Abgaben. Freilich wirken die hier konstruierten Sach- und Zweckzusammenhänge gelegentlich kasuistisch, sind aber keineswegs ohne System. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finden sich einige mehr oder weniger präzise umrissene Arten von Abgaben, bei denen nach der früheren Terminologie „die für Sonderabgaben geltenden Voraussetzungen nicht uneinge162 163

BVerfGE 108, 186, 217; 92, 91, 117. Vgl.: unten; VII. 2 b).

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

schränkt gelten können“164 und die nach dem neueren Verständnis wohl nicht zu den Sonderabgaben im engeren Sinne zu zählen sind. Abgaben, die aufgrund spezieller Sach- und Zweckzusammenhänge eben nicht in Konkurrenz zur Steuer geraten können, sind demnach insbesondere die sog. Ausgleichsabgaben eigener Art165, Abschöpfungsabgaben166 und Abgaben mit sozialversicherungsrechtlichem Bezug167. Die Fundierung ihrer angeblich von vornherein ausschließbaren Konkurrenz zur Steuer ist freilich nicht durchgehend schlüssig. (a) Lenkungsintention des Sachgesetzgebers als taugliches Abgrenzungskriterium zur Steuer? Aus dem Begriff der Sonderabgaben im engeren Sinne klammert das Bundesverfassungsgericht die sog. Ausgleichsabgaben eigener Art aus, die es „in engen Grenzen“ für zulässig hält168. Diese Ausgleichsabgaben sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, daß ihr Zweck nicht in der Finanzierung einer besonderen Aufgabe liegt169, sondern im Ausgleich einer Belastung, die sich aus einer primär zu erfüllenden öffentlichrechtlichen Pflicht ergibt170. Sie wird denjenigen auferlegt, die diese Pflicht – aus welchen Gründen auch immer – nicht erfüllen und soll damit auch zur Erfüllung der Pflicht anhalten171. In diesem Zusammenhang darf zunächst bezweifelt werden, ob es in Zeiten knapper öffentlicher Kassen in der staatlichen Praxis überhaupt Sonderabgaben geben wird, die nicht zumindest als Nebenzweck die Erzielung von Einnahmen zum Gegenstand haben. Eine solche Abgabe müßte dann nach der Idealvorstellung des entsprechenden Sachgesetzgebers planmäßig auf ein Null-Aufkommen programmiert sein172. Des weiteren verwundert, daß eine öffentliche Abgabe von den materiell zu bestimmenden Voraussetzungen an die Erhebung einer Sonderabgabe zumindest partiell suspendiert sein soll, nur weil eine vom Gesetzgeber innerhalb weiter Grenzen „machbare“ öffentlich-rechtliche Pflichtenbindung vorliegt. BVerfGE 57, 139, 167. Hierzu: BVerfGE 57, 139, 167 f.; 67, 256, 277; 92, 91, 117; 108, 186, 217. 166 BVerfGE 78, 249, 267 („Fehlbelegungsabgabe“). 167 Vgl. hierzu: BVerfGE 75, 108 ff. („Künstlersozialversicherungsabgabe). 168 Vgl.: BVerfGE 57, 139, 167 f.; 67, 256, 277; 92, 91, 117; 108, 186, 217. 169 Dieses Merkmal der Ausgleichsabgaben eigener Art findet sich besonders deutlich betont in: BVerfGE 101, 141, 150 f. 170 BVerfGE 57, 139, 167; 92 91, 117. 171 BVerfGE 57, 139, 167 f.; 67, 256, 277; 92, 91, 117. 172 Das Beispiel der sog. Öko-Steuer illustriert diese Zweifel: Der Ertrag dieser im Grunde auf einen Vermeidungsanreiz gerichteten Abgabe ist auf Jahre hinaus zur Finanzierung der Rentenversicherung fest eingeplant. 164 165

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Die gewichtigsten Bedenken in diesem Bereich sind jedoch gegen die These vorzubringen, daß gerade der Lenkungscharakter diese Ausgleichsabgaben eigener Art vor der steuerstaatsgefährdenden Konkurenz zu dem Finanzierungsinstrument der Steuer bewahre. Die Zulässigkeit der Verfolgung außerfiskalischer Zwecke im Sinne einer unmittelbaren oder mittelbaren Verhaltenslenkung ist auch bei der Steuer längst allgemein anerkannt173. Das Kriterium der Lenkung kann demnach kein taugliches und schon gar kein a priori sicheres Unterscheidungsmerkmal nichtsteuerlicher Abgaben zur Steuer sein. (b) Sonstige vorgeblich abgrenzungstaugliche spezielle Sach- und Zweckzusammenhänge in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ohne weiteres zuzustimmen ist demgegenüber der Ausgrenzung aus dem Begriff der Sonderabgaben im engeren Sinne, soweit sie das Bundesverfassungsgericht für die Abgaben mit sozialversicherungsrechtlichem Bezug anerkennt174. Die Kompetenz zur Erhebung solcher Abgaben folgt aus Art. 74 Nr. 12 GG. Der nach dem bundesverfassungsgerichtlichen Konzept geforderte spezielle Sach- und Zweckzusammenhang ist hier die besondere Verankerungstiefe der Sozialversicherungsbeiträge als sachkompetenzenimplizite öffentliche Abgabe. Die Erhebung der hier in Rede stehenden Beiträge ist demnach verfassungsrechtlich auf die Materie der Sozialversicherung begrenzt. Die Finanzmasse der Sozialversicherung ist von den durch das Steueraufkommen geprägten allgemeinen Staatsfinanzen hinreichend unterscheidbar und im Grundsatz von diesen tatsächlich und rechtlich getrennt175. Es kann aus diesen Gründen nicht zu dem bei der Erhebung von Sonderabgaben typischerweise drohenden Konflikt mit den Regelungen der Finanzverfassung kommen176. Eine weitergehende Begrenzung solcher Sozialversicherungsbeiträge, die die Subsumtion unter den Begriff der Sonderabgaben im engeren Sinne mit sich bringen würde, ist daher aus Gründen der Verankerungs173 Aus der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 3, 407, 436; 4, 7, 13 f.; 6, 55, 81; 13, 331, 345 f.; 19, 101, 114; 19, 119, 125; 29, 327, 331; 30, 250, 264; 31, 8, 23; 36, 66, 70 f.; 38, 61, 80; aus der Literatur statt vieler: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn 54 ff.; Bodenheim, Der Zweck der Steuer, passim, insbesondere S. 253 ff.; Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 10 ff.; Vogel, Lenkungssteuern und Eigentumsgarantie, BayVBl. 1980, S. 523 ff.; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, passim; ders., Zum Steuerbegriff im Entwurf einer Abgabenordnung, BB 1972, S. 400 ff.; Starck, Überlegungen zum verfassungsrechtlichen Steuerbegriff, in: Tipke / Vogel (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Wacke, S. 193 ff.; Vogel / Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rn. 390; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 105, Rn. 24. 174 Vgl. hierzu: BVerfGE 75, 108 ff. („Künstlersozialversicherungsabgabe“). 175 BVerfGE 75, 108 ff., 148; diese Aussage ist allerdings im Hinblick auf die Arbeitslosenversicherung fragwürdig, vgl. hierzu unten: VII. 2. cc). 176 BVerfGE 75, 108 ff., 148.

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tiefe dieser sachkompetenzenimpliziten Abgaben weder erforderlich noch angezeigt177. Neben den nichtsteuerlichen Abgaben mit sozialversicherungsrechtlichem Bezug klammert das Bundesverfassungsgericht solche öffentlichen Abgaben aus dem Begriff der Sonderabgaben im engeren Sinne aus, die der Rückabwicklung von der öffentlichen Hand gewährter Subventionsvorteile dienen und mit diesen in unlösbarem Zusammenhang stehen178. Beispiel für eine solche Abschöpfungsabgabe ist insbesondere die sog. Fehlbelegungsabgabe179. Diese korrespondiere mit von der öffentlichen Hand gewährten Subventionsvorteilen180 und sei demnach bloßes Instrument der Subventionsregulierung181. Wegen dieser unlösbaren Verknüpfung sei die Fehlbelegungsabgabe keine Sonderabgabe. Sie sei vielmehr als instrumentelle Abschöpfungsabgabe zu qualifizieren182, in der weder eine Gefährdung der bundesstaatlichen Finanzverfassung noch eine Umgehung ihrer Verteilungsregeln gesehen werden könne183. Einen weiteren speziellen Sach- und Zweckzusammenhang sieht das Bundesverfassungsgericht in einer Art der nichtsteuerlichen Abgaben begründet, die sich als Gegenleistungssabgaben bezeichnen lassen. Problematisch dürfte bei diesen allerdings die Abgrenzung zu dem Gebührenbegriff sein, der gleichfalls eine Gegenleistung der öffentlichen Hand voraussetzt. Im Zusammenhang mit solchen Abgaben betont das Bundesverfassungsgericht, daß es das wesentliche Merkmal der Sonderabgaben sei, daß sie eine Geldleistungspflicht begründen, der keine Gegenleistung der öffentlichen Hand entspricht184. Die Sonderabgabe gleicht also im Gegensatz zur Gebühr keinen staatlichen Aufwand aus185. Demnach seien Abgaben, mit welchen eine Gegenleistung verbunden ist, ohne weiteres von der Steuer zu unterscheiden und bedeuteten von daher keine Gefahr für die bundesstaatliche Kompetenzverteilung.

(4) Kriterien für die Zulässigkeit von Sonderabgaben im engeren Sinne Ungeachtet der terminologischen Enthaltsamkeit des Bundesverfassungsgerichts hat dieses den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Erhebung von SonderBVerfGE 75, 108 ff., 148. BVerfGE 78, 249, 267. 179 Vgl.: BVerfGE 78, 249 ff. 180 BVerfGE 78, 249, 268. 181 BVerfGE 78, 249, 269. 182 BVerfGE 78, 249, 268. 183 BVerfGE 78, 249, 269. 184 BVerfGE 81, 156, 186. 185 BVerfG 2 BvR 2374 / 99 vom 18. Mai 2004 („Klärschlamm-Entschädigungsfonds“), Rn. 93. 177 178

2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben

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abgaben größte Aufmerksamkeit gewidmet. Hierbei ging es in ständiger Rechtssprechung von der Prämisse aus, daß „die Zusammenschau der für die Einführung einer Sonderabgabe erforderlichen Rechtfertigungsgründe ergibt, daß die Sonderabgabe ein spezielles gesetzgeberisches Instrument ist, das gegenüber der Steuer die seltene Ausnahme zu sein hat“. Aus diesem Ausnahmecharakter der Sonderabgabe folgt, daß die „Zulässigkeitskriterien strikt auszulegen und anzuwenden sind“186. In der Entscheidung zum Klärschlammentschädigungsfonds187 hat das Bundesverfassungsgericht jüngst noch einmal diese in ständiger Rechtssprechung aufgestellten und weiter ausgeformten Voraussetzungen188 zusammengefaßt, die an die Erhebung einer Sonderabgabe zu stellen sind189. Sie gelten für den Bund und die Länder gleichermaßen190. Zunächst darf sich der Gesetzgeber des Mittels der Abgabe nur zur Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht Er muß gestaltend auf den jeweils geregelten Sachbereich Einfluss nehmen191. Daneben kann ein bestimmter Teil der Gesellschaft nur dann mit einer Sonderabgabe in Anspruch genommen werden, wenn sich dieser als homogene Gruppe von der Gesamtheit der Steuerzahler abgrenzen läßt192. Die Sonderabgabepflichtigen müssen demnach durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen separierbar sein. Hierfür kann es freilich nicht ausreichen, daß der Gesetzgeber normativ Gruppen bildet. Es muß auch hier auf eine materielle Sonderstellung des belasteten Ausschnitts aus der Gesamtheit der Steuerzahler abgestellt werden193.

186 So schon: BVerfGE 55, 274, 305 unter Hinweis auf: Friauf, Zulässigkeit von außersteuerlichen Abgaben, in: Schmölders / Wöhe / Buchholz (Hrsg.), Der Bürger als Objekt der staatlichen Finanzpolitik, Festschrift für Haubrichs, 1976, S. 118; vgl. ferner: BVerfGE 55, 274, 308; 82, 159, 181; 91, 186, 203 f.; 92, 91, 113; 98, 83, 100; 101, 141, 147; 108, 186, 217. 187 BVerfG 2 BvR 2374 / 99 vom 18. Mai 2004. 188 Vgl.: BVerfGE 4, 7, 13; 8, 274, 317; 18, 315, 328 f.; 20, 257, 269; 29, 402, 409; 37, 1, 16 f. 189 Vgl. hierzu: Birk, Steuerrecht, Rn. 113. 190 BVerfGE 67, 256, 285 f.; 92, 91, 115 f.; 101, 141, 148; 108, 186, 217. 191 Vgl.: BVerfGE 67, 256, 275; 82, 159, 179; 108, 186, 217 f.; vgl. hierzu: Selmer / Brodersen, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke, DVBl. 2000, S. 1162. 192 Vgl.: BVerfGE 23, 12, 23 f.; 37, 1, 16; 55, 274, 305 ff. unter Hinweis auf: Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 18; Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 55 f.; ebenso: BVerfGE 67, 256, 276; 82, 159, 180; 92, 91,120. 193 Vgl.: BVerfGE 55, 274, 306.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

Diese nach materiellen Gesichtspunkten abgrenzbare homogene Gruppe muß zu der zu finanzierenden Aufgabe eine besondere Sachnähe aufweisen. Die Erhebung einer Sonderabgabe setzt demnach eine spezifische Beziehung zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen einerseits und dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck andererseits voraus194. Dieses spezifische Verhältnis ist nur gegeben, wenn die mit der Abgabe belastete Gruppe dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näher steht als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler195. Dies erfordert schon der allgemeine Gleichheitsgrundsatz, mit welchem anderenfalls eine solche Belastung nicht vereinbar wäre. Demnach, so das Gericht weiter, muß aus dieser zu fordernden Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Abgabezweck eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Die Aufgabe, die mit Hilfe des Abgabeaufkommens erfüllt werden soll, muß also ganz überwiegend in die Sachverantwortung der belasteten Gruppe, nicht in die der staatlichen Gesamtverantwortung fallen. Andernfalls würde es sich bei der Verfolgung des Zwecks um eine öffentliche Angelegenheit handeln, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen und die deshalb nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, das heißt im wesentlichen mit Steuermitteln, finanziert werden darf196. Angesichts der Bedeutsamkeit der geforderten Sachnähe für die Zulässigkeit der Erhebung einer Sonderabgabe darf die Sachnähe nicht als formales und damit „machbares“ Kriterium aufgefaßt werden197. Der Gesetzgeber könnte anderenfalls die finanzverfassungsrechtlichen Grundentscheidungen des Grundgesetzes ohne weiteres unterlaufen198. Auch der Begriff der Sachnähe ist daher nach materiellen Gesichtspunkten zu bestimmen, die sich einer gezielten Normierung des Gesetzgebers aus Anlaß der Einführung der Abgabe entziehen199. 194 Vgl.: BVerfGE 11, 105, 116; 18, 315, 328; 37, 1, 16; 55, 274, 306 unter Hinweis auf: Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 53 ff.; ders., Verfassungsrechtliche Probleme einer Reform des Systems zur Finanzierung der beruflichen Bildung, 1974, S. 37 ff.; ders., Zulässigkeit von außersteuerlichen Abgaben, in: Schmölders / Wöhe / Buchholz (Hrsg.), Der Bürger als Objekt der staatlichen Finanzpolitik, Festschrift für Haubrichs, 1976, S. 116 ff., ebenso: BVerfGE 67, 256, 276; 82, 159, 180. 195 BVerfGE 55, 274, 306. 196 Vgl.: BVerfGE 23, 12, 23; insbesondere BVerfGE 55, 274, 306 unter Hinweis auf: Friauf, Zulässigkeit von außersteuerlichen Abgaben, in: Schmölders / Wöhe / Buchholz (Hrsg.), Der Bürger als Objekt der staatlichen Finanzpolitik, Festschrift für Haubrichs, 1976, S. 118. 197 Vgl.: BVerfGE 55, 274, 306 unter Hinweis auf: Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 54 f. 198 vgl. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 184 und 198 f. 199 BVerfGE 55, 274, 307.

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Die nichtsteuerliche Belastung von Angehörigen einer Gruppe setzt weiterhin voraus, daß zwischen den von der Sonderabgabe bewirkten Belastungen und den mit ihr finanzierten Begünstigungen eine sachgerechte Verknüpfung besteht. Diese Verknüpfung wird hergestellt, wenn das Abgabenaufkommen überwiegend im Interesse der Abgabepflichtigen, also in diesem Sinne „gruppennützig“200, verwendet wird201. Hierbei ist eine mittelbare Verwendung des Abgabenaufkommens im Interesse der Abgabenpflichtigen grundsätzlich ausreichend202. Im Hinblick auf die genannten Merkmale einer nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zulässigen Erhebung von Sonderabgaben ist jedoch anzumerken, daß diese Kriterien mangels präziser Abgrenzbarkeit von unterschiedlicher Definitionskraft sind und sich daher das entsprechende Prüfungsprogramm auf einige dieser Merkmale verengt. Dieses zeigt sich besonders deutlich am Merkmal der „Gruppennützigkeit“. Hierfür soll es genügen, daß die „Gesamtgruppe der Abgabenschuldner von einer ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnenden Aufgabe entlastet“203 wird. Mit dieser Definition beendet das Bundesverfassungsgericht die seit der Leitentscheidung zur Berufsbildungsabgabe204 im Jahre 1980 herrschende Unsicherheit über die Anforderungen an dieses Kriterium. Allerdings wird durch die nun mehr vertretene Interpretation, die sich bereits im Urteil zum Klärschlamm-Entschädigungsfonds205 angekündigt hatte, das Gruppennützigkeits-Erfordernis im Grunde bedeutungslos. Auf eine simple Formel gebracht, impliziert die Sachnähe zum Zweck der Abgabe und der daraus resultierenden Finanzierungsverantwortung bei zweckentsprechender Verwendung des Aufkommens bereits die Gruppennutzigkeit, ohne das aus dieser eine weitere Hürde für die Erhebung der Sonderabgabe erwüchse. Es läßt sich daher feststellen, daß bei der Frage nach der Zulässigkeit von Sonderabgaben der Schwerpunkt bei den Voraussetzungen der Sachnähe und der Finanzierungsverantwortung zu setzen ist. Als weiteren Gegensatz zur Steuererhebung sieht das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen, ob seine Entscheidung für die Sonderabgabenfinanzierung ei200 Vgl.: BVerfGE 18, 315, 327 f.; 37, 1, 16 f.; Mußgnug, Die zweckgebundene öffentliche Abgabe, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift Ernst Forsthoff, 1972, S. 288 ff.; Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 53 f. 201 Vgl.: BVerfGE 18, 315, 327 f.; 37, 1, 16 f.; 55, 274, 302 unter Hinweis auf: Mußgnug, Die zweckgebundene öffentliche Abgabe, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift Ernst Forsthoff, 1972, S. 288 ff.; Friauf, Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, Festschrift Jahrreiß, 1974, S. 53 f.; ebenso: BVerfGE 67, 256, 276 f.; 82, 159, 180; 93, 319, 344. 202 Vgl.: BVerfGE 55, 274, 316; 82, 159, 180; 108, 186, 229. 203 BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2005 – 2 BvR 2335 / 95 und 2 BvR 2391 / 95, Rn. 126. 204 Vgl.: BVerfGE 274, 307 f. 205 BVerfGE 110, 370, 391 f.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

ner staatlichen Aufgabe noch gerechtfertigt ist206. Dieser ist bei einer auf längere Zeit angelegten Finanzierung einer in die spezifische Verantwortung einer Gruppe fallenden Aufgabe durch Erhebung einer Sonderabgabe von Verfassungs wegen gehalten, stets zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des gesetzgeberischen Mittels „Sonderabgabe“ aufrechtzuerhalten oder ob sie wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Wegfalls des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung, zu ändern oder aufzuheben ist. Denn die Sonderabgabe bedarf – im Gegensatz zur Steuer – als Ausnahmeinstrument der fortdauernden Legitimation durch hinreichende Rechtfertigungsgründe207. Ferner sind bei der Erhebung von Sonderabgaben die vom Bundesverfassungsgericht jüngst geforderten und nach dem 31. Dezember 2003 zu erfüllenden haushaltsrechtlichen Informationspflichten zu beachten. Sonderabgaben sind entsprechend den einfachgesetzlich vorhandenen Modellen haushaltsrechtlicher Berichtspflichten in einer dem Haushaltsplan beigefügten Anlage zu dokumentieren208. (5) Zurechnung der Erträge Aus dem beschriebenen Abgrenzungsbedürfnis der nichtsteuerlichen Abgaben zu der Kategorie der Steuer folgt, daß die Ertragshoheit für das Aufkommen der Sonderabgaben nicht aus den für die Steuer geltenden Regelungen folgen kann. Die Art. 106 und 107 GG sind für die Sonderabgaben daher weder direkt noch analog anwendbar. Ertragsberechtigt ist vielmehr die bundesstaatliche Ebene, die für die gesetzliche Regelung zuständig ist209. (6) Deckungsquotenrelevanz (a) Stellungnahmen in der finanzverfassungsrechtlichen Literatur In der finanzverfassungsrechtlichen Literatur wird ganz überwiegend die Einstellung des Aufkommens der Sonderabgaben in die Deckungsquote befürwortet210. Insbesondere unter Hinweis auf die Mißbrauchsgefahr wird dieses auch bei formalrechtlich verselbständigten Fondslösungen gefordert211. Vgl.: BVerfGE 55, 274, 308; 82, 159, 181. Vgl.: BVerfGE 49, 89, 130. 208 Vgl.: BVerfGE 108, 186, 218. 209 Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 242 ff.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 40; Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 574. 210 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 242 ff.; Hidien, Bundesstaatlicher Finanzausgleich, DÖV 1997, S. 991 f.; ders., Verteilung der Umsatzsteuer, S. 255 f.; ders., in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 887; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 45; Henneke, Öffentliches 206 207

2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben

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Diese prinzipielle Aussage wird allerdings etwa für die Fehlbelegungsabgabe relativiert. Nach Hidien seien deren Erträge aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ auszuklammern, da es sich bei diesen um „Abgaben parafiskalischer, vom eigentlichen Staatsverband ausgegliederter und verselbständigter Träger offentlicher Finanzwirtschaft“ handele. Ihre Treuhandvermögen seien für den Bund oder Länder auf der Einnahmeseite „nicht verfügbar“212. Gelegentlich werden daneben auch Ausnahmen bei solchen Sonderabgaben zugelassen, deren Ertrag sich als geringes Aufkommen ohne Verteilungsrelevanz qualifizieren läßt213. (b) Bewertung im Lichte der Auslegungsmaxime Der überwiegend vertretenen Auffassung, wonach die Einstellung der Erträge aus Sonderabgaben in die Deckungsquote geboten ist, ist im Grundsatz zuzustimmen. Die Erträge aus den Sonderabgaben verbessern in aller Regel die finanzielle Leistungsfähigkeit der jeweils ertragsberechtigten Körperschaft oder des dieser zugeordneten Nebenhaushaltes. Zudem drohte bei einer von objektiven Kriterien losgelösten Ausklammerung von Erträgen aus der Erhebung von Sonderabgaben für den jeweiligen Sachgesetzgeber ein der Gebührenerhebung vergleichbarer Anreiz, die Finanzierung öffentlicher Aufgaben als Sonderabgaben-Etat auszugestalten. Hierdurch könnte der Gesetzgeber seine Position in der Vergleichsrechnung und damit bei der Verteilung der Umsatzsteuer im Vergleich zur Steuerfinanzierung verbessern, zumal es aus den genannten Gründen auf die Verfassungsmäßigkeit der erhobenen Sonderabgaben nicht ankommen kann214. Eine faktische finanzpolitische Begünstigung der Finanzierung durch Sonderabgaben widerspräche dem Steuerstaatsgedanken. Demgegenüber gibt es aber auch Erträge aus Sonderabgaben, deren Behandlung im Lichte der gefundenen Auslegungsmaxime der föderativen Verteilungsgerechtigkeit differenziert betrachtet werden muß. Nicht alle nichtsteuerlichen Abgaben haben vor diesem Hintergrund die gleiche Machtrelevanz im Hinblick auf die bundesstaatliche Balance. Ausnahmen sind daher gegebenenfalls auch bei solchen nichtsteuerlichen Abgaben angezeigt, die hier mit dem Bundesverfassungsgericht als Sonderabgaben im engeren Sinne oder als sonstige nichtsteuerliche Abgaben bezeichnet werden. Finanzwesen, Rn. 725; Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 135, 145, 152. 211 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 135, 145, 152; zustimmend: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 887. 212 Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 902. 213 Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 887. 214 Vgl. hierzu: VI. 2. f).

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

In Betracht kommt hierbei insbesondere eine Ausklammerung von solchen Erträgen im Wege der Nettostellung mit korrespondieren Ausgaben. Damit ist zunächst gesagt, daß allenfalls Sonderabgaben im Rahmen der Vergleichsrechnung unberücksichtigt bleiben können, wenn und soweit diese der Finanzierung einer bestimmten Aufgabe dienen, da nur bei solchen das zu fordernde Korrespondenzverhältnis von Erträgen aus Sonderabgaben zu einer Ausgabe denkbar ist. Eine einfachgesetzliche Zweckbindung der Erträge aus Sonderabgaben ist aber auch in diesem Zusammenhang nicht ausreichend, um eine Ausklammerung aus der Deckungsquote zu rechtfertigen. Zu einer solchen Zweckbindung der Erträge für die Finanzierung einer bestimmten Aufgabe hinzutreten muß auch bei den Sonderabgaben die tatsächliche und rechtliche Trennung der ertragsberechtigten Stelle von dem Kernetat der jeweiligen bundesstaatlichen Ebene. Diese Vorausetzungen an die Rechtfertigung einer Ausklammerung von Erträgen aus Sonderabgaben lassen sich etwa anhand der sog. Fehlbelegungsabgabe darstellen. Die Erträge dieser nichtsteuerlichen Abgabe sollen nach § 10 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zum Abbau von Fehlsubventionen im Wohnungswesen215 und zur Förderung des Baues von Sozialwohnungen verwendet werden. Die Erträge der Fehlbelegungsabgabe waren aber nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum Abbau von Fehlsubventionen im Wohnungswesen an den allgemeinen Haushalt des jeweiligen Landes abzuführen und weisen somit keine hinreichende Verselbständigung durch Distanz vom Landeshaushalt auf. Aus diesem Grunde sind diese Erträge in die Deckungsquote einzustellen216. cc) Einnahmen aus sonstigen nichtsteuerlichen Abgaben (1) Sozialversicherungsabgaben Die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme erfolgt in Deutschland traditionell in erster Linie über Sozialversicherungsbeiträge. Während die Finanzverfassung des Grundgesetzes sich detailliert mit der Erhebung und Verteilung der Einnahmekategorie der Steuer befaßt, finden sich die Sozialversicherungsbeiträge hier nicht erwähnt. Diese Fixierung „in eigentümlicher Weise“217 auf die Steuer vermag angesichts des Volumens dieser Mittel verwundern. Immerhin erreichten die Einnahmen aus Sozialbeiträgen etwa im Jahre 2000 mit 401,8 Mrd. Euro218 nahezu 215 BGBl. 1981 I, S. 1542 als Unterartikel 1 des Gesetzes zur Gesetzes zum Abbau von Fehlsubventionen und der Mietverzerrung im Wohnungswesen. Dieses wiederum als Art. 27 des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22. Dezember 1981, BGBl. I, S. 1523. 216 A. A. für die Behandlung der Erträge der Fehlbelegungsabgabe: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 887. 217 Heun, Sozialversicherung und Finanzverfassung, in: Osterloh / Schmidt / Weber (Hrsg.), Staat, Wirtschaft, Finanzverfassung, Festschrift für Selmer, S. 657. 218 Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2003, S. 470.

2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben

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das Volumen der gesamtstaatlichen Steuereinnahmen von 502,4 Mrd. Euro im gleichen Jahr. Damit sind die Einnahmen der Sozialversicherungssysteme höher als der gesamte Haushalt des Bundes mit ca. 244 Mrd. Euro im selben Zeitraum219. Die Einbeziehung bzw. Nichteinbeziehung dieser Beträge in die Deckungsquotenrechnung ist demnach von höchster Relevanz. In Betracht kommt hierbei eine Nettostellung der Einnahmen und Ausgaben der Sozialversicherungsträger mit der Konsequenz, daß die in aller Regel defizitären Sozialversicherungssysteme im Rahmen der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG keine Rolle spielen. Voraussetzung einer solchen – im wesentlichen den Bund begünstigenden – Nettostellung ist aus den dargestellten Gründen die hinreichende rechtliche und tatsächliche Verselbständigung des einzeln zu betrachtenden Sozialversicherungssystems, insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung der wahrzunehmenden Aufgaben. (a) Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung Die gesetzliche Krankenversicherung ist im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches geregelt220. Sie hat nach § 1 Satz 1 SGB V „als Solidargemeinschaft die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern“. Das Beitragsvolumen dieses sozialen Sicherungssystems betrug im Jahre 2001 etwa 131,9 Mrd. Euro221. § 5 SGB V begründet die Versicherungspflicht. Die Gesetzliche Krankenversicherung finanziert sich durch Beiträge. Die Finanzierungsregel des § 220 SGB V legt eine Beitragsdeckung der Ausgaben des Versicherungssystems fest222. In diesem Zusammenhang findet sich auch die Verpflichtung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, eigene Defizite letztlich durch die Erhöhung von Beiträgen zu decken. Hierdurch wird die in bezug auf die Deckungsquotenrelevanz dieser Einnahmen interessierende finanzrechtliche Unabhängigkeit dieses Sozialversicherungssystems gegenüber dem Bund deutlich223. Dieser haftet nicht für das Defizit der gesetzlichen KrankenverQuelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 236. BGBl. I 1988, S. 2477. 221 Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2003, S. 472. 222 In § 220 SGB V wird als „Grundsatz“ formuliert: (1) Die Mittel für die Krankenversicherung werden durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht. Die Beiträge sind so zu bemessen, daß sie zusammen mit den sonstigen Einnahmen die im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben und die vorgeschriebene Auffüllung der Rücklage decken. Für die Bemessung sind der Betrag der vorgesehenen Einnahmen um den zu Beginn des Haushaltsjahres vorhandenen Betriebsmittelüberschuß und der Betrag der vorgesehenen Ausgaben um die erforderliche Auffüllung des Betriebsmittelbestands zu erhöhen. (2) Ergibt sich während des Haushaltsjahres, daß die Betriebsmittel der Krankenkasse einschließlich der Zuführung aus der Rücklage und der Inanspruchnahme eines Darlehens aus der Gesamtrücklage zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichen, sind die Beiträge zu erhöhen. 223 Im Ergebnis ebenso: Heun, Sozialversicherung und Finanzverfassung, in: Osterloh / Schmidt / Weber (Hrsg.), Staat, Wirtschaft, Finanzverfassung, Festschrift für Selmer, S. 660, 219 220

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

sicherung224. Aus diesem Grunde ist eine Nettostellung der Einnahmen und Ausgaben dieses Sozialversicherungszweiges ausnahmsweise zulässig. Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung können aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG ausgegrenzt werden. (b) Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung Ähnlich verhält es sich bei den Versicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Dieses soziale Sicherungssystem erreicht im Jahre 2001 ein Beitragsvolumen von 164,7 Mrd. Euro225. Die Regelungen hierzu finden sich im Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches226. In § 1 SGB VI wird die Beitragspflicht festgelegt, so daß auch diese Sozialversicherungsbeiträge hoheitlich auferlegt werden. Wie auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung leistet der Bund zur Finanzierung der Rentenversicherung lediglich Zuschüsse nach § 213 SGB VI227. unter Hinweis auf: BVerfGE 75, 108, 148; pauschal für alle Sozialversicherungsträger: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 253 f. 224 Hieran ändert auch die „Bundesbeteiligung an den Aufwendungen“ nach § 221 SGB V nichts. Diese sind eine Abgeltung für versicherungsfremde Leistungen und betreffen demnach nicht die gesetzliche Krankenversicherung als solche. § 221 Abs. 1 SGB V lautet wie folgt: „Der Bund leistet zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen für das Jahr 2004 1 Milliarde Euro, für das Jahr 2005 2,5 Milliarden Euro und ab dem Jahr 2006 4,2 Milliarden Euro jeweils am 1. Mai und 1. November zur Hälfte über das Bundesversicherungsamt an die Krankenkassen.“ 225 Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2003, S. 479. 226 In der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002; (BGBl. I, S. 754). 227 § 213 SGB VI: (1) Der Bund leistet zu den Ausgaben der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten Zuschüsse. (2) Der Bundeszuschuss zu den Ausgaben der Rentenversicherung der Arbeiter und der Bundeszuschuss zu den Ausgaben der Rentenversicherung der Angestellten ändern sich im jeweils folgenden Kalenderjahr in dem Verhältnis, in dem die Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer im vergangenen Kalenderjahr zur entsprechenden Bruttolohn- und -gehaltssumme im vorvergangenen Kalenderjahr steht. Bei Veränderungen des Beitragssatzes ändert sich der Bundeszuschuss zusätzlich in dem Verhältnis, in dem der Beitragssatz des Jahres, für das er bestimmt wird, zum Beitragssatz des Vorjahres steht. Bei Anwendung von Satz 2 ist jeweils der Beitragssatz zugrunde zu legen, der sich ohne Berücksichtigung des zusätzlichen Bundeszuschusses nach Absatz 3 und des Erhöhungsbetrags nach Absatz 4 ergeben würde. (3) Der Bund zahlt zur pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen an die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten in jedem Kalenderjahr einen zusätzlichen Bundeszuschuss. Der zusätzliche Bundeszuschuss beträgt für die Monate April bis Dezember des Jahres 1998 9,6 Milliarden Deutsche Mark und für das Jahr 1999 15,6 Milliarden Deutsche Mark. Für die Kalenderjahre ab 2000 verändert sich der zusätzliche Bundeszuschuss jährlich entsprechend der Veränderungsrate der Steuern vom Umsatz; hierbei bleiben Änderungen der Steuersätze im Jahr ihres Wirksamwerdens unberücksichtigt. Der sich nach Satz 3 ergebende Betrag des zusätzlichen Bundeszuschusses wird für das Jahr 2000 um 1,1 Milliarden Deutsche Mark, für das Jahr 2001 um 1,1 Milliarden Deutsche Mark, für das Jahr 2002 um 664,679 Millionen Euro und für das Jahr 2003 um 102,258 Millionen Euro gekürzt.

2. Einnahmen aus öffentlichen Abgaben

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Trotz der immensen Höhe dieser Zuschüsse sind auch diese nicht als Haftung des Bundes in dem beschriebenen Sinne zu sehen. Der Bund leistet zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit der Sozialversicherungsträger daneben lediglich eine Liquiditätshilfe nach § 214 SGB VI. Diese Mittel sind durch den Sozialversicherungsträger an den Bund allerdings zurückzuzahlen228. Es ist bei diesen Beträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung eine Ausklammerung aus der Deckungsquote des Bundes angezeigt229. Die Qualität des Verhältnisses der gesetzlichen Rentenversicherung zum Haushalt des Bundes wird besonders deutlich bei einer Analyse der Regelung zur Finanzierung der knappschaftlichen Rentenversicherung. Hier hat der Bund nach § 215 SGB VI für ein Defizit des Sicherungssystems einzustehen230. Dessen Einnahmen und Ausgaben sind wegen dieser engen Verbindung zum Haushalt des Bundes in dessen Deckungsquote einzubeziehen.

Auf den zusätzlichen Bundeszuschuss werden die Erstattungen nach § 291b angerechnet. Für die Zahlung, Aufteilung und Abrechnung des zusätzlichen Bundeszuschusses sind die Vorschriften über den Bundeszuschuss anzuwenden. (4) Der zusätzliche Bundeszuschuss nach Absatz 3 wird um die Einnahmen des Bundes aus dem Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform abzüglich eines Betrages von 2,5 Milliarden Deutsche Mark im Jahr 2000 sowie eines Betrages von 1,9 Milliarden Deutsche Mark ab dem Jahr 2001 erhöht (Erhöhungsbetrag). Als Erhöhungsbetrag nach Satz 1 werden für das Jahr 2000 2,6 Milliarden Deutsche Mark, für das Jahr 2001 8,14 Milliarden Deutsche Mark, für das Jahr 2002 6,81040 Milliarden Euro und für das Jahr 2003 9,51002 Milliarden Euro festgesetzt. Für die Kalenderjahre nach 2003 verändern sich die Erhöhungsbeträge in dem Verhältnis, in dem die Bruttolohn- und -gehaltssumme im vergangenen Kalenderjahr zur entsprechenden Bruttolohn- und -gehaltssumme im vorvergangenen Kalenderjahr steht. Für die Zahlung, Aufteilung und Abrechnung des Erhöhungsbetrags sind die Vorschriften über den Bundeszuschuss anzuwenden. (5) Ab dem Jahr 2003 verringert sich der Erhöhungsbetrag um 409 Millionen Euro. Bei der Feststellung der Veränderung der Erhöhungsbeträge nach Absatz 4 Satz 3 ist der Abzugsbetrag nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen. 228 § 214 SBG VI: „(1) Reichen in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten die liquiden Mittel der Nachhaltigkeitsrücklage nicht aus, die Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, leistet der Bund den Trägern der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten eine Liquiditätshilfe in Höhe der fehlenden Mittel (Bundesgarantie). (2) Die vom Bund als Liquiditätshilfe zur Verfügung gestellten Mittel sind zurückzuzahlen, sobald und soweit sie im laufenden Kalenderjahr zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen nicht mehr benötigt werden, spätestens bis zum 31. Dezember des auf die Vergabe folgenden Jahres; Zinsen sind nicht zu zahlen.“ 229 Ebenso: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 254. 230 „In der knappschaftlichen Rentenversicherung trägt der Bund den Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen und den Ausgaben eines Kalenderjahres; er stellt hiermit zugleich deren dauernde Leistungsfähigkeit sicher.“ 12*

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

(c) Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung Die gesetzliche Unfallversicherung mit einem Beitragsvolumen von 12,5 Mrd. Euro231 im Jahre 2001 ist Gegenstand des Siebenten Buches des Sozialgesetzbuches232. § 2 SGB VII ff. regeln hier die Versicherungspflicht, die in diesem Falle von der Beitragspflicht getrennt ist. Diese trifft nach § 150 SGB VII die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die Finanzierung der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt über die Umlage nach § 152 SGB VII233. An diesem Finanzierungsmodell wird deutlich, daß auch die rechtliche Verselbständigung dieses sozialen Sicherungssystems so weit geht, daß der Bedarf durch die Beiträge gedeckt werden muß und der Bund nicht für eventuelle Defizite haftet. Auch diese Sozialversicherungsbeiträge müssen demnach bei der Deckungsquotenrechnung außer Betracht bleiben234. (d) Einnahmen der Bundesagentur für Arbeit Anders verhält es sich bei der Arbeitsförderung, also dem Etat der Bundesagentur für Arbeit. Diese erzielte im Jahre 2002 Beitragseinnahmen in Höhe von 47,4 Mrd. Euro235. Die die Arbeitsförderung betreffenden Regelungen finden sich im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches. Wie schon bei der gesetzlichen Rentenversicherung werden auch hier zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit durch den Bund nach § 364 SGB III Liquiditätshilfen geleistet236. Allerdings verwandeln sich diese Liquiditätshilfen nach § 365 SGB III in Zuschüsse des Bundes, wenn der Sozialversicherungsträger seinen Finanzbedarf nicht aus eigenen Einnahmen und der Rücklage decken kann237. Hieraus ergibt sich letzten Endes eine Haftung des Bundes für die Defizite der Bundesagentur für Arbeit. Die finanzierungsrechtQuelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2003, S. 474. BGBl. I 1996, S. 1254. 233 „Die Beiträge werden nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsansprüche dem Grunde nach entstanden sind, im Wege der Umlage festgesetzt. Die Umlage muß den Bedarf des abgelaufenen Kalenderjahres einschließlich der zur Ansammlung der Rücklage nötigen Beträge decken. Darüber hinaus dürfen Beiträge nur zur Zuführung zu den Betriebsmitteln erhoben werden.“ 234 Ebenso: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 254. 235 Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2003, S. 482. 236 „(1) Der Bund leistet die zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft notwendigen Liquiditätshilfen als zinslose Darlehen, wenn die Mittel der Bundesagentur zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen nicht ausreichen.“ „(2) Die Darlehen sind zurückzuzahlen, sobald und soweit am Ende eines Tages die Einnahmen die Ausgaben übersteigen.“ (ab 1. 1. 2005). 237 „Können Darlehen des Bundes zum Schluss des Haushaltsjahres aus den Einnahmen und der Rücklage der Bundesagentur nicht zurückgezahlt werden, wird aus den die Rücklage übersteigenden Darlehen ein Zuschuss.“ 231 232

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter

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liche Verselbständigung der Bundesagentur für Arbeit ist demnach nicht umfassend genug, um die Ausklammerung ihrer Einnahmen aus dem Begriff der laufenden Einnahmen zu rechtfertigen238. (2) Verbandslasten In der staatlichen Praxis der Bundesrepublik findet sich eine Vielzahl von Zwangsverbänden. Diesen werden bestimmte Personengruppen als Mitglieder zugeordnet und dann regelmäßig zur Finanzierung der sog. Verbandslasten herangezogen239. Diese Verbandslasten sind der Sonderabgabe insoweit vergleichbar, als auch hier eine besondere Verantwortlichkeit der Abgabenschuldner zu der zu finanzierenden Aufgabe vorausgesetzt ist. Den Unterschied zu dieser bildet allerdings die mitgliedschaftlich autonome Entscheidung über die Abgabenbelastung und die Verwendung des Abgabeaufkommens240. Dieses Merkmal ist im Hinblick auf die Deckungsquotenrelevanz der Einnahmen aus Verbandslasten entscheidend. Diese sind nach allgemeiner Ansicht nicht in die Vergleichsrechnung im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung einzustellen, da sie der entsprechenden Körperschaft nicht die Möglichkeit zu politischer Gestaltung vermitteln. Es fehlt den Verbandslasten das maßgebliche Kriterium der Machtrelevanz im bundesstaatlichen Vergleich, da „ihre Treuhandvermögen für den Bund oder die Länder auf der Einnahmeseite nicht verfügbar“241 sind.

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter Den hier zu behandelnden staatlichen Einnahmen ist gemein, daß sie nicht unter den Begriff der öffentlichen Abgaben zu fassen sind. Hierzu zählen neben den Einnahmen aus zwischenstaatlichen Finanztransfers solche aus der Aufnahme von Krediten am Kapitalmarkt zur Deckung der staatlichen Haushalte. Des weiteren erzielen staatliche Ebenen Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen oder Erlöse aus deren Veräußerung. Zudem werden Einnahmen aus Versteigerungen wie etwa der der UMTS-Lizenzen Gegenstand der Betrachtung sein.

238 A.A.: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 254; wie hier: Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 40. 239 Vgl hierzu etwa: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 277 ff. 240 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 88, Rn. 280. 241 Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 902.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

a) Einnahmen aus zwischenstaatlichen Finanztransfers aa) Begriff Der Bund gewährt in erheblichem Umfange einzelnen oder mehreren Bundesländern finanzielle Zuschüsse. Für diese Durchbrechungen der allgemeinen Lastenverteilungsregel des Art. 104a Abs. 1 GG bedarf es jeweils einer verfassungskräftigen Kompetenz. Diese Zuschüsse aus Mitteln des Bundes werden etwa im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und 91b GG an die Länder geleistet. Sie betreffen nach Art. 91a Abs. 1 GG die Materien des Aus- und Neubaus von Hochschulen (Nr. 1), der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (Nr. 2) sowie der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (Nr. 3). Die Regelungen der Kosten für diese Aufgaben der Länder finden sich in Art. 91a Abs. 4 GG. Danach trägt der Bund bei den Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a Abs. 1 Sätze 1 und 2 nach grundgesetzlicher Festsetzung die Hälfte der Kosten, während diese Quote bei der Gemeinschaftsaufgabe nach Art. 91a Abs. 1 Satz 3 GG mindestens die Hälfte beträgt, im übrigen aber der Regelung durch einfaches Gesetz vorbehalten bleibt. Für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau nach Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG sind etwa für die Jahre 2004 und 2005 jeweils 925 Millionen Euro vorgesehen242. Für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ nach Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG standen 2004 Barmittel in Höhe von 885,5 Millionen Euro und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 700 Millionen Euro zur Verfügung243. Für „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ waren aus Mitteln des Bundes 729 Millionen Euro vorgesehen244. Daneben gestattet Art. 104a Abs. 4 GG dem Bund, den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden zu gewähren, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. Schwerpunkte dieser Mittel liegen insbesondere im Bereich der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden, der Stadtsanierung und -entwicklung sowie des Wohnungsbaues245. Schließlich werden Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG als nachrangiges Finanzausgleichsinstrument in vielfältiger Weise eingesetzt. Quelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 152. Quelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 152. 244 Quelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 152. 245 Zum Umfang dieser Mittel vgl. i.e.: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 153 f. 242 243

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter

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So gewährte der Bund beispielweise246 seit 1995 an finanzschwache Länder sog. Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 3,1 Mrd. Euro im Jahre 2004247. Hinzu kommen Bundesergänzungszuweisungen zum Abbau teilungsbedingter Sonderlasten sowie zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft, die ein Volumen von jährlich 10,5 Mrd. Euro erreichen248. Zudem erhalten kleinere Länder Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von jährlich rund 800 Millionen Euro im Hinblick auf ihre überproportionalen „Kosten politischer Führung“249. Ferner stützen sich innerstaatliche Transferleistungen auf Art. 106a GG, der den Ländern einen Anteil am Steueraufkommen des Bundes für den öffentlichen Personennahverkehr sichert, sowie auf den Mehrbelastungsausgleich nach Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG. bb) Deckungsquotenrelevanz? Bezüglich der genannten Einnahmen kommt eine Einbeziehung in die Deckungsquote der Länder in Betracht. Da sie für diese staatliche Ebene einen Mittelzufluß darstellen, sind sie ohne weiteres als Einnahmen der Länder zu qualifizieren. Damit ist aber die Frage nach ihrer Einbeziehung in die Vergleichsrechnung im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG noch nicht beantwortet. Um zu klären, ob solche binnenstaatlichen Finanztransfers zu den „laufenden Einnahmen“ im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG zählen, bietet sich eine getrennte Betrachtung der Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG und des Mehrbelastungsausgleiches nach Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG einerseits sowie der übrigen genannten Zahlungen des Bundes an die Länder andererseits an. Die Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG und der Mehrbelastungsausgleich nach Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG sind schon aus teleologisch-systematischen Gründen aus der Vergleichsrechnung auszuklammern250. Die Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG sind das abschließende, dem horizontalen Finanzausgleich und den übrigen Stufen des Ertragszuweisungs- und -verteilungssystems der Finanzverfassung nachgeschaltete Ausgleichselement251. 246 Zu weiteren Bundesergänzungszuweisungen vgl.: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 159 f. 247 Quelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 159 f. 248 Quelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 160. 249 Quelle: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 160. 250 Ähnlich: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 896. 251 Vgl. etwa: BVerfGE 72, 330, 402; 86, 148, 260; 101, 158, 223 f.; hierzu: Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Art. 107, Rn. 33; Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, Art. 107, Rn. 33; Häde, Finanzausgleich, S. 241 f.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

Eine ähnliche Korrekturfunktion erfüllt der Mehrbelastungsausgleich nach Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG252. Diese Vorschrift betrifft den Fall, daß den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen werden. Dann kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, sofern der entsprechende Korrekturbedarf auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. Diese Einnahmen bilden wegen ihrer Funktion innerhalb der bundesstaatlichen Finanzverfassung keine Vergleichsgrundlage für die Verteilung der Umsatzsteuer, sondern sind korrigierende Folge dieser Verteilung253. Demnach verbietet die Verteilungs- und Ausgleichssystematik die Einstellung dieser Einnahmen in die Dekkungsquote254. Die vorgetragene Argumentation nach dem Sinn und Zweck kann auf die übrigen genannten Einnahmen der Länder nicht übertragen werden. Ihnen gemein ist allerdings eine mehr oder weniger strenge Zweckbindung der Zuschüsse des Bundes. Die empfangenden Länder dürfen also diese Zuweisungen des Bundes nur für ganz bestimmte Ausschnitte ihres Aufgabenspektrums verwenden. Aus der Prämisse der apriorischen Zweckbindung wird in der Literatur eine Rechtfertigung für die Nichtberücksichtigung dieser Einnahmen der Länder im Rahmen der Vergleichsrechnung konstruiert. Insbesondere die Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG werden in der Literatur als „durchlaufende Posten“ in den jeweiligen Länderhaushalten angesehen und deshalb aus der Deckungsquotenrechnung ausgeklammert255. Gleiches müsse demnach für die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a, b GG gelten. Diese seien keine „laufenden Einnahmen“, da sie die Finanzkraft der Länder nicht stärken, sondern als eine Art Tribut für die Mitwirkung des Bundes ebenfalls als „durchlaufende Posten“ zu gelten hätten256. Es bestünde demnach bereits beim Zufluß dieser Mittel eine Festlegung im Hinblick auf deren spätere Verwendung. Vgl. hierzu: Häde, Finanzausgleich, S. 204. Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 282 ff.; ders.; in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 896; P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich, S. 107 f. 254 Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 896; a.A. zumindest für die Finanzhilfen nach Art. 104 a Abs. 4 GG: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 256. 255 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 149; Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig, GG, Band III, 1996, Art. 106, Rn. 26 b; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 47, Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 282 ff.; ders., in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 890; Carl, Bund-Länder-Finanzausgleich, S. 29 f.; Klein, Die Finanzverfassung bei gerichtlichen Auseinandersetzungen, in: Knobbe-Keuk / Klein / Moxter (Hrsg.), Handelsrecht und Steuerrecht, Festschrift Georg Döllerer, 1988, S. 294 f. 256 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 139. 252 253

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter

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Gegen diese Ansicht lassen sich allerdings Zweifel anmelden. Immerhin entscheidet das Land etwa im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben sehr wohl über die Verwendung dieser Mittel, indem es den Landesbeitrag haushaltsrechtlich bereitstellt und die entsprechenden Zuschüsse des Bundes beantragt. Hierin könnte eine vorweggenommene Disposition gesehen werden. Nach der Gegenansicht sind denn auch diese Einnahmen in die Deckungsquote einzustellen, da diese die Finanzkraft des empfangenden Landes trotz der Zweckbindung endgültig stärkten257. Demgegenüber ist die Nichteinbeziehung solcher Einnahmen in die Vergleichsrechnung vor dem Hintergrund der gefundenen Auslegungsmaxime für den unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ aus anderem Grunde zu rechtfertigen. Zweck der Vergleichsrechnung ist die Abbildung der finanzwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Bund und Ländergesamtheit, um über die sachgerechte Verteilung der Umsatzsteuererträge für eine Stabilität des bundesstaatlichen Kräftegleichgewichts zu sorgen. Demnach sind wie gezeigt als „laufende Einnahmen“ im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG solche Mittelzuflüsse in die Dekkungsquotenrechnung einzustellen, die potentiell geeignet sind, dieses Gleichgewicht zugunsten der einen oder anderen Ebene zu beeinflussen. Gerade hieran fehlt es insbesondere den Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG und den Zuweisungen des Bundes im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und 91b GG. Die besondere Qualität dieser Einnahmen der Länder ergibt sich daraus, daß es der Bund in den Händen hält, ob er den Ländern diese Einnahmen gewährt oder nicht. Diese Konstellation ist nur bei diesen binnenstaatlichen Finanztransfers anzutreffen. Es unterliegt bei diesen Einnahmen der Länder maßgeblich der Entscheidung des „Gegners“ im bundesstaatlichen Kräftespiel, ob solche Einnnahmen auf Länderseite erzielt werden oder nicht. Daraus folgt die Irrelevanz der genannten Einnahmen für das bundesstaatliche Kräftegleichgewicht. Der Bund würde solche Zahlungen einschränken bzw. einstellen, lange bevor die bundesstaatliche Machtbalance zu seinen Ungunsten in Gefahr ist. Deshalb rechtfertigt gerade die Freiwilligkeit ihrer Gewährung die Ausklammerung dieser Beträge aus der Deckungsquotenrechnung im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn das Bundesverfassungsgericht zukünftig zu der Ansicht gelangen sollte, daß einzelnen Ländern etwa wegen des Vorliegens einer extremen Haushaltsnotlage Ansprüche gegen den Bund auf Gewährung solcher Finanztransfers zustehen258.

257 Vgl.: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 256 f.; Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 142. 258 Vgl. hierzu: BVerfGE 72, 330, 405 f.; 86, 148, 260 ff., 263 ff.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

b) Einnahmen aus Krediten Nach allgemeiner Ansicht sind staatliche Einnahmen aus Krediten aus der Dekkungsquotenrechnung auszuklammern259. Dabei erscheinen die Einnahmen aus Krediten auf den ersten Blick durchaus Merkmale aufzuweisen, die eine Qualifikation als „laufende Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG nahelegen. Es handelt sich zumindest um wiederkehrende staatliche Einnahmen, die zu einem wesentlichen Bestandteil der Staatsfinanzierung geworden sind260. Demgegenüber ergibt sich die Ausklammerung der Einnahmen aus Krediten aus dem Sinn und Zweck der Vergleichsrechnung im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung insgesamt. Hierzu ist zunächst anzuführen, daß die Krediteinnahmen der empfangenden Körperschaft nicht in gleichem Maße endgültig zufließen, wie dies etwa bei den Steuern der Fall ist261. Bezogen auf die maßgebliche Auslegungsmaxime könnte man von einer im Wortsinne „geliehenen“ finanzpolitischen Verfügungsmasse sprechen. Krediteinnahmen sind in diesem Sinne kein Ausdruck von finanzieller Leistungsfähigkeit, sondern gewissermaßen Indikator des Gegenteils. Daneben verfolgt die Verteilungsregelung den Zweck, aus den geschilderten Gründen das gesamtstaatliche Defizit auf die beteiligten Ebenen sachgerecht zu verteilen. Keine Seite der bundesstaatlichen Gemeinschaft soll gezwungen sein, ihren Finanzbedarf zu einem höheren Teil aus Krediten finanzieren zu müssen. Deshalb werden die Einnahmen den Ausgaben gerade ohne die Krediteinnahmen gegenübergestellt, die dieses Defizit zu decken bestimmt sind. Wegen der grundsätzlichen Verpflichtung zur Aufstellung eines ausgeglichenen Haushalts nach Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG ergäbe anderenfalls die Vergleichsrechnung im verfassungsrechtlich implizierten Normalfall stets die Deckungsquote 1262. 259 Häde, Finanzausgleich, S. 198; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 106, Rn. 14 a; Fischer-Menshausen, Unbestimmte Rechtsbegriffe, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs I, S. 139; ders., in: v. Münch / Kunig, GG, Band III, 1996, Art. 106, Rn. 26 b; Hettlage, Die Revisionsklausel, Festschrift Maunz, 1981, S. 128; Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 26 ff., 129; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 45; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 725; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 247 ff.; ders., in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 861; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 494; Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 260. 260 Vgl. allgemein zur staatlichen Kreditfinanzierung: Jahndorf, Staatsfinanzierung durch Kredite, 2004, passim; Häde, Finanzausgleich, S. 139 ff. 261 Kritisch zu diesem Aspekt: Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 861. 262 In der Sache wohl ebenso: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 260; obwohl hier für den Fall der Einbeziehung von Krediteinnahmen im Rahmen des Deckungsquotenverfahrens vom Nichtvorhandensein von „Deckungslücken“ die Rede ist.

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter

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Es läßt sich demnach resümieren, daß die Krediteinnahmen vor dem Hintergrund der ratio der Vergleichsrechnung jedenfalls und in voller Höhe aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG auszuklammern sind.

c) Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen Im folgenden sollen jene staatlichen Einnahmen Gegenstand der Untersuchung sein, die Bund und Länder im Rahmen von Beteiligungen an privatrechtlich organisierten Unternehmen erzielen. Für diese Formen staatlicher Tätigkeit sind die Begriffe der Eigengesellschaften und der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen etabliert263. Von einer Eigengesellschaft ist die Rede, wenn sich die Anteile an der juristischen Person des Privatrechts vollständig in der Hand des Staates befinden. Bei einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen ist die öffentliche Hand unterhalb dieser Schwelle lediglich prozentual beteiligt264. Im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Einnahmen aus Staatsbeteiligungen sind zwei Finanzmassen getrennt voneinander auf ihre Deckungsquotenrelevanz zu untersuchen. Von den Gesamteinnahmen des – vollständig oder anteilig – in staatlicher Hand befindlichen Unternehmens einerseits ist zu diesem Zwecke der Gewinn der Gesellschaft andererseits zu unterscheiden. Bezüglich der Gewinnabführungen der Unternehmen wird in der Literatur überwiegend die Einstellung dieser Erträge in die Vergleichsrechnung im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung befürwortet265. Zu begründen ist diese zustimmungswürdige Ansicht mit dem durch den Zufluß dieser Mittel vermittelten Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit. Gegen die Einstellumg der Gewinnabführungen in die Deckungsquote werden gelegentlich Bedenken dergestalt geäußert, diese wiesen keine hinreichende Kontinuität auf266. Dieser Einwand kann jedoch nicht überzeugen, da hier an das – indizielle – Merkmal der Periodizität keine höheren Anforderungen gestellt werden 263 Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 1988, § 84, Rn. 24 ff. 264 Hierzu i.e.: Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 1988, § 84, Rn. 28 ff. 265 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 144 f.; Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, 1996, Art. 106, Rn. 26 b; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 45; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 725; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 263 ff.; ders., in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 890; Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 67. 266 So wohl: Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 493, wenn einschränkend von „regelmäßig wiederkehrenden Einkünften“ die Rede ist.; vgl. auch: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Die Einnahmenverteilung zwischen Bund und Ländern, Heft 56, S. 25.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

dürfen als etwa bei den Steuern. Bei diesen wird von einer hinreichenden Kontinuität ausgegangen, obgleich deren Höhe konjunkturellen Schwankungen ausgesetzt ist. Es genügt demnach ein periodisches Anfallen solcher Einnahmen dem Grunde nach. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen zählt denn auch folgerichtig Gewinnabführungen zu den „laufenden Einnahmen“ im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG, da es bei diesen – wenn auch bei schwankendem Niveau – fast immer zu derartigen Einnahmen kommt267. Über die Deckungsquotenrelevanz der Gewinnabführungen hinaus stellt sich die Frage, ob es gerechtfertigt ist, die Gesamteinnahmen der privatwirtschaftlichen Unternehmen mit staatlicher Beteiligung mit deren Ausgaben zu saldieren. Die Gesamteinnahmen dieser Unternehmen werden in der Literatur zumeist ohne jede Begründung im Rahmen der Vergleichsrechnung netto veranschlagt, indem eine Berücksichtigung der „erfolgswirksamen“ Einnahmen propagiert wird268. Eine solche Nettostellung bedarf demgegenüber als Ausnahme zu dem beschriebenen Grundsatz der Bruttoveranschlagung einer Rechtfertigung im Lichte der Auslegungsmaxime. Voraussetzung einer Nettostellung von Einnahmen ist eine hinreichende rechtliche und tatsächliche Selbständigkeit der Unternehmen. Während die rechtlich-formale Unabhängigkeit bei den hier insbesondere zu betrachtenden Kapitalgesellschaften der Aktiengesellschaft (AG) und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) wegen deren Rechtsfähigkeit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG bzw. § 13 Abs. 1 GmbHG ohne weiteres angenommen werden kann, bereitet die Feststellung einer tatsächlichen Unabhängigkeit Schwierigkeiten. Bei den Nebenhaushalten, Sondervermögen und Sonderrechnungen, die auf Grundlage öffentlichen Rechts gebildet werden, läßt sich der notwendige Grad an Verselbständigung wie oben gezeigt anhand der gesetzlichen Finanzierungs- und Haftungsregelungen ablesen269. Bei den privatrechtlich organisierten Unternehmen mit staatlicher Beteiligung ist ein solches Abstellen auf die Finanzierungsregeln dagegen nicht notwendig. Hier geben die Normen des Gesellschaftsrechts hinreichend Auskunft über die Rechte des Staates als Gesellschafter einer AG oder einer GmbH. Die Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführung des Unternehmens entscheidet über die Deckungsquotenrelevanz der Gesamteinnahmen des Unternehmens, da sich hieran die Machtrelevanz dieser Einnahmen im Hinblick auf das bundesstaatliche Gleichge267 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Die Einnahmenverteilung zwischen Bund und Ländern, Heft 56, S. 25. 268 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 144 f.; Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, 1996, Art. 106, Rn. 26 b; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 106, Rn. 45; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 725; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 263 ff.; ders., in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 890. 269 Vgl. hierzu oben: VI. 2.

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter

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wicht zeigt. Stehen dem Staat als Gesellschafter umfassende Weisungsrechte in bezug auf die Geschäftsführung des Unternehmens zu, kann die staatliche Ebene das Unternehmen zu politischer Gestaltung in seinem Sinne nutzen. Die Machtrelevanz ist gegenüber der Wahrnehmung der Aufgabe innerhalb der staatlichen Verwaltungsorganisation nur unwesentlich eingeschränkt. Aus diesen Gründen ist je nach gesellschaftsrechtlicher Ausgestaltung des Unternehmens mit staatlicher Beteiligung zu differenzieren. Die AG auf der einen und die GmbH auf der anderen Seiten sind durch ein unterschiedliches Verhältnis der Gesellschafter zur Geschäftsführung gekennzeichnet. Bei einer AG leitet nach § 76 Abs. 1 AktG der Vorstand die Gesellschaft in eigener Verantwortung. Nach den Regelungen des Gesellschaftsrechts ist also die Geschäftsführung einer AG gegen tagespolitische Prioritätssetzungen des Staates als möglichem Gesellschafter weitgehend abgeschirmt. Die formal-rechtliche Betrachtung kann hier ausreichen, da sie die hinreichende „Gesellschafterferne“ der Geschäftsführung dokumentiert270. Soweit staatliche Organisationen an Aktiengesellschaften beteiligt sind, ist unabhängig von den Beteiligungsverhältnissen wegen der hinreichenden rechtlichen und tatsächlichen Selbständigkeit der Geschäftsführung eine Nettostellung der Gesamteinnahmen ausnahmsweise zulässig. Anders verhält es sich bei einer GmbH mit staatlicher Beteiligung. Die Besonderheit der Gesellschaftsform besteht in der Weisungsabhängigkeit des Geschäftsführers271. Nach § 46 Nr. 6 GmbHG obliegt den Gesellschaftern einer GmbH die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung. Tritt eine staatliche Ebene als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter der GmbH auf, kann diese „ihre unsichtbare Hand ständig über dem GmbH-Management halten“272. Bei der Gesellschaftsform der GmbH ist somit im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Nettostellung der Gesamteinnahmen auf die Beteiligungsverhältnisse an den Unternehmen abzustellen. Eine Nettostellung ist hierbei abzulehnen, wenn der Staat die satzungsmäßige Mehrheit der Gesellschafter stellt. Im Zweifel ist dies nach § 47 Abs. 1 GmbHG bei einfacher Mehrheit der Geschäftsanteile der Fall. Unterhalb dieser Grenze ist dem Staat als Gesellschafter verwehrt, die Geschicke der Gesellschaft nach seinen Vorstellungen zu lenken. Bei der staatlichen Minderheitsbeteiligung an einer GmbH ist demnach eine Nettostellung der Gesamteinnahmen zulässig.

270 Ähnlich: Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 1988, § 84, Rn. 25. 271 Vgl. hierzu: Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 33 V, S. 995; Konzen, Geschäftsführung, Weisungsrecht und Verantwortlichkeit in der GmbH, NJW 1989, S. 2977 ff. 272 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 I 1a), S. 1068 f.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

d) Staatliche Einnahmen aus der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen und Sachvermögen Die Privatisierung von Staatsvermögen trägt zu einem maßgeblichen Anteil zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben bei273. Der Staat veräußert beispielsweise in seinem Eigentum befindliche Grundstücke oder Unternehmensbeteiligungen, etwa in Form von Aktien. Problematisch ist die Behandlung der hierbei erzielten Veräußerungserlöse im Hinblick auf ihre Deckungsquotenrelevanz im Rahmen der Vergleichsrechnung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG. aa) Stellungnahmen in der Literatur Bei diesen staatlichen Einnahmen ist es nahezu einhellige Ansicht, daß diese der Kategorie der „laufenden Einnahmen“ nicht zuzurechnen sind274. Diese Ansicht wird zum einen mit dem fehlenden Einnahmecharakter dieser Erlöse begründet. Dem der jeweiligen staatlichen Ebene zufließenden Betrag stünde unmittelbar die Aufgabe eines Vermögenswertes gegenüber, so daß durch den Veräußerungsvorgang die finanzielle Leistungsfähigkeit des Zahlungsempfängers insgesamt unverändert bleibe275. Anders äußert sich in diesem Zusammenhang der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen276. Dieser hält entgegen seiner früheren Ansicht277 eine Einbeziehung der Veräußerungserlöse in den Begriff der „laufenden Einnahmen“ für angemessen. Diese Einordnung erfolgt allerdings, ohne sich mit dem Einnahmecharakter der Veräußerungserlöse auseinanderzusetzen 278. Wenn auch zu bedenken sei, daß diese Einnahmen aus konjunkturellen und sonstigen Gründen in ihrer Höhe schwankten, seien sie dennoch in den Deckungsquoten einzustellen, da es „andererseits fast immer zu solchen Einnahmen käme“279. Vgl. hierzu: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2005, S. 72 ff. Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 59; Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 608. 275 Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, 1996, Art. 106, Rn. 26 b; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 286 f.; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, S. 267; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 493; Hettlage, Die Revisionsklausel, Festschrift Maunz, 1981, S. 128; Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 60. 276 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Die Einnahmenverteilung zwischen Bund und Ländern, Heft 56, S. 25. 277 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Verteilung der Umsatzsteuer, Heft 30, Tz. 136. 278 Mit dieser Kritik zu Recht: Wendt, Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern, S. 60 in Fn. 245. 279 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Die Einnahmeverteilung zwischen Bund und Ländern, Heft 56, S. 25. 273 274

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bb) Bewertung im Lichte der Auslegungsmaxime Zunächst kann festgestellt werden, daß die Erlöse aus der Veräußerung von Sachvermögen und Unternehmensbeteiligungen der ertragsberechtigten Körperschaft als staatliche Einnahmen zufließen. Auf diese Weise stärken sie die finanzielle Leistungfähigkeit der staatlichen Ebene durch die in ihnen verkörperte Blankettbefähigung zum staatlichen Handeln. Nach der grundsätzlichen Gesamterfassung wären sie demnach in die Deckungsquotenrechnung einzustellen. Gegen diese grundsätzliche Einordnung könnten jedoch im Lichte der Auslegungsmaxime Gründe sprechen, die auf eine verminderte Machtrelevanz im bundesstaatlichen Vergleich schließen lassen. Die wohl herrschende Ansicht erblickt diese Abschwächung im Hinblick auf die Verteilungsratio in dem „bloß vermögensumschichtenden“ 280 Charakter der Veräußerungserlöse. Es wird demnach darauf abgestellt, daß die ertragsberechtigte Körperschaft sich von ihrem Vermögen trennen muß, um solche Erträge zu erzielen. Die Vermögensaufgabe neutralisiere gewissermaßen den Zuwachs an finanziellen Mitteln. Dem ist zunächst zu entgegnen, daß die verteilungsrechtliche Relevanz der Unternehmensbeteiligungen unabhängig von der der Erlöse zu betrachten ist. Zudem ist die bloße Innehabung des Vermögens – abgesehen von den Gewinnabführungen und bei einer GmbH-Mehrheitsbeteiligung 281 – verteilungsrechtlich neutral. Die staatliche Ebene gewinnt durch die bloße Innehabung keine finanzielle Leistungsfähigkeit im bundesstaatlichen Vergleich. Diese entsteht vielmehr mit der Umwandlung des Vermögenswertes in finanzielle Dispositionmasse. Das Land gewinnt demnach durch die Privatisierung zusätzliche Finanzmittel, ohne daß es im Gegenzug die zur Erfüllung seiner Aufgaben insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel schmälern müßte282. Einer staatlichen Einnahme aus der Veräußerung von Staatsvermögen steht somit keine im Lichte der Verteilungsratio relevante Gegenleistung gegenüber. Nach anderer Ansicht liegt die Rechtfertigung einer Ausklammerung der Veräußerungserlöse in deren Unregelmäßigkeit begründet283. Auch dieser Einwand kann nicht gänzlich überzeugen. Zwar ist in den Einnahmen aus Veräußerungserlösen eine gewisse Unregelmäßigkeit angelegt, die deren Machtrelevanz durch ihre geringere Planbarkeit in einem gewissen Maße abschwächt. Andererseits werden Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106, Rn. 904. Vgl. oben: VII. 3. c). 282 So etwa für den in dieser Hinsicht ähnlich gelagerten Fall der bergrechtlichen Förderabgabe: Friauf, Bundesstaatlicher Finanzausgleich, JA 1984, S. 627. 283 So etwa: Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Band III, 1996, Art. 106, Rn. 26 b; mit Einschränkungen ebenso: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 259 f. 280 281

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

durch die öffentliche Hand Jahr für Jahr zumindest vergleichbare hohe Einnahmen erzielt und von der ertragsberechtigten Körperschaft eingeplant. Vor diesem Hintergrund müßte zumindest ein über eine gewisse Zeitspanne konstanter Sockel an Veräußerungserlösen in die Deckungsquotenrechnung eingestellt werden. Stichhaltiger könnte demgegenüber die zumindest partielle Ausklammerung der Einnahmen aus Veräußerungen staatlicher Vermögens aus teleologischer Sicht sein. Der Vergleichsrechnung liegt die Prämisse zugrunde, daß ein Mehr an finanziellen Mitteln zugleich Ausdruck finanzieller Leistungsfähigkeit ist, die es im bundesstaatlichen Vergleich eben zu ermitteln gilt. Bei den hier in Rede stehenden Einnahmen könnte diese Indikatorfunktion des Einnahmenzuflusses korrekturbedürftig sein. Es ist in diesem Zusammenhang durchaus denkbar, daß einer durch ein hohes Defizit des staatlichen Gesamthaushaltes bedrängten Landes- oder Bundesregierung lediglich die Wahl bleibt zwischen einer (noch) höheren Kreditaufnahme und dem Verkauf von Sachvermögen und Unternehmensbeteiligungen 284. In dieser Situation stellen sich die Veräußerungserlöse – untechnisch – als „Ersatz“ der Krediteinnahmen dar285. Von diesem Blickwinkel her gesehen liegt es auf der Hand, daß hohe Erträge aus der Veräußerung von Sachvermögen und Unternehmensbeteiligungen nicht ohne weiteres geeignet sind, auf eine hohe Leistungsfähigkeit der entsprechenden staatlichen Ebene zu schließen. Allerdings liegt bei der Veräußerung von Vermögen durch öffentliche Stellen regelmäßig eine Gemengelage aus betriebswirtschaftlicher und finanzpolitischer Motivation einerseits und staatlicher Finanznot andererseits vor. Es dürfte daher schwierig sein, anhand objektivierbarer Kriterien festzustellen, ob ein Vermögensposten in dem beschriebenen Sinne anstelle einer höheren Kreditaufnahme veräußert wurde. Nur dann könnte jedoch die Nichtberücksichtigung solcher Erträge im Rahmen der Deckungsquotenrechnung aus teleologischen Gründen geboten sein. Eine solche finanzpolitische Motivation einer Veräußerung läßt sich allenfalls indiziell bestimmen. Für eine Veräußerung staatlichen Vermögens aus „Not“ spricht etwa eine nach den jeweiligen (landes-)verfassungsrechtlichen Grenzen ausgeschöpfte Neuverschuldung, ein erheblicher Anstieg derselben im Vergleich 284 In diesem Zusammenhang ist gelegentlich plastisch von einem Verkauf des „Tafelsilbers“ die Rede; so etwa: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13. November 2004, S. 4; dies. vom 22. Dezember 2004, S. 13; dies. vom 29. Dezember 2004, S. 12; Die Welt vom 1. Dezember 2004, S. 1; Süddeutsche Zeitung vom 30. Dezember 2004, S. 33; Financial Times Deutschland vom 12. November 2004, S. 31. 285 Dieser Gedanke findet sich auch bei: Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 260 f. („. . . es ist wenig einleuchtend, daß sie [Bund, Länder und Gemeinden] gewissermaßen ,bestraft‘ werden, falls sie sich zur Veräußerung entschließen und damit Einnahmen erzielen“).

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter

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zu den Vorjahren und ein für den Verkauf aus ökonomischer Sicht ungünstiger Zeitpunkt. Festzuhalten bleibt aber, daß auch diese Ausklammerung der Erträge aus Veräußerungserlösen eine begründungsbedürftige Ausnahme bleiben muß, die an der grundsätzlichen Deckungsquotenrelevanz derartiger Einnahmen nichts ändert.

e) Versteigerungsentgelte aa) Einführung Die staatlich organisierte Versteigerung von knappen Gütern kann im deutschen Verwaltungrecht auf eine lange Tradition nicht zurückblicken. Dieses Instrument wurde insbesondere für den Telekommunikationssektor geschaffen. Hier wurden bereits vor der Versteigerung der UMTS-Lizenzen durch die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegPT) bzw. das Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT)286 mehrere Versteigerungsverfahren durchgeführt, die allerdings wegen ihrer weitaus bescheideneren Erträge kaum Beachtung fanden. Im September 1996 hatte die Versteigerung der Lizenzen für den Funkrufdienst ERMES Einnahmen in Höhe von 3,86 Millionen DM erbracht, die der GSM-1800-Frequenzen im Oktober 1999 erzielte immerhin 416 Millionen Euro287. In eine andere Dimension stießen derartige Erträge vor, als im August 2000 bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen nahe 100 Milliarden DM erzielt wurden. Obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits unmittelbar vor der UMTS-Versteigerung in anderem Zusammenhang auf die prinzipielle Möglichkeit der staatlichen Ressourcenallokation durch Versteigerung hingewiesen hatte288, wirft derartiges staatliches Handeln eine Reihe von Fragen verfassungs-, gemeinschafts- und telekommunikationsrechtlicher Art auf289. Fragen, die an dieser Stelle weitgehend ausgeblendet werden müssen. Im folgenden soll demgegenüber die Bewältigung solcher Erträge durch die bundesstaatliche Finanzverfassung im Vordergrund stehen, insbesondere im Hinblick auf die Deckungsquotenrelevanz derartiger Erträge im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG. 286

Die RegPT nahm zum 1. Januar 1998 die Arbeit auf. Bis dahin war das BMPT zustän-

dig. 287 Vgl. hierzu: Beese / Naumann, Versteigerungerlöse auf dem TK-Sektor und deren Verwendung, MMR 2000, S. 148 f.; Koenig / Neumann, Optimierung künftiger Lizenzversteigerungen, ZRP 2001, S. 252 f. 288 Vgl. BVerfGE 102, 197, 218 im Zusammmenhang mit der Vergabe von Konzessionen zum Betreiben von Spielbanken. 289 Vgl. hierzu die ausführliche Monographie von: Kleinschmidt, Die Versteigerung von Telekommunikationslizenzen, 2004; ferner: Müller / Mayer / Wagner, Wider die Subjektivierung objektiver Rechtspositionen, Verwaltungsarchiv 2003, S. 297 m. w. N.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

bb) Insbesondere: Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen Vom 31. Juli bis zum 18. August 2000 sind die sog. UMTS-Lizenzen durch die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegPT) öffentlich versteigert worden. UMTS steht hierbei für Universal Mobile Telecommunications System und stellt die 3. Generation der Mobilfunktechnik dar. Bei den beteiligten Unternehmen und in der Öffentlichkeit herrschte die Ansicht vor, daß Aufbau und Betrieb eines solchen Mobilfunknetzes der Markt der Zukunft schlechthin ist, der neben positiven Impulsen für Konjunktur und Beschäftigung290 auch satte Unternehmensgewinne verspräche. Diese „Goldgräberstimmung“ fand ihren Niederschlag im Ergebnis der Versteigerung: Sechs Unternehmen der Telekommunikationsbranche ersteigerten bereits im ersten Versteigerungsabschnitt je 2 gepaarte Frequenzblöcke à 2  5 MHz für die die kühnsten Erwartungen291 übersteigende Summe von 98,8 Milliarden Deutsche Mark, die der Bundesminister der Finanzen alsbald vereinnahmte und komplett zur Tilgung der Bundesschuld verwendete. Der Ausgangsfall einer telekommunikationsrechtlichen Lizenzerteilung292 ist in § 8 Abs. 1 TKG geregelt, wonach eine solche Lizenz auf schriftlichen Antrag zu erteilen ist, soweit die geplante Tätigkeit nach § 6 Abs. 1 TKG lizenzpflichtig ist und keine Versagungsgründe nach § 6 Abs. 3 TKG vorliegen. „Lizenz“ ist in § 3 Nr. 7 TKG als „Erlaubnis zum Angebot bestimmter Telekommunikationsdienstleistungen an die Öffentlichkeit“ legaldefiniert. Sind die positiven und negativen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 TKG erfüllt, haben die Antragsteller einen Anspruch auf Lizenzerteilung293. Hierzu zwingen die Grundrechte der betroffenen Unternehmen, insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG294. Eine andere Situation behandeln die §§ 11, 12 TKG. Diese sind einschlägig, wenn die Anzahl der zu vergebenden Lizenzen beschränkt ist. Formal geschieht die Feststellung der Ressourcenknappheit durch eine Entscheidung der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation nach § 10 TKG in pflichtgemäßem Ermessen, wenn dies zur Sicherung eines chancengleichen Marktes erforderlich ist oder sich bereits aus technischen Gründen ergibt. Letzteres liegt bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen vor, da im Bereich der bundesweiten Mobilfunknetze 290 Vgl.: Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin beim BM der Finanzen auf eine Anfrage der BT-Abg. Reichard (CDU / CSU): BT-Drucks. 14 / 4213, S. 20. 291 Diese lagen bei „bis zu 5 Mrd. DM“; vgl. etwa: Beese / Naumann, Versteigerungserlöse auf dem TK-Sektor und deren Verwendung, MMR 2000, S. 145. 292 Ausführlich: Nolte, Lizenzierung von Telekommunikationsunternehmen, CR 1996, S. 459 ff. 293 Beese / Naumann, Versteigerungerlöse auf dem TK-Sektor und deren Verwendung, MMR 2000, S. 145; Gramlich, Versteigerung von Telekommunikations-Lizenzen, CR 2000, 101 f., Varadinek, Rechtmäßigkeit des UMTS-Lizenzvergabeverfahrens, CR 2001, S. 22. 294 Ebenso: Scherer, Das neue Telekommunikationsgesetz, NJW 1996, S. 2958, Beese / Naumann, Versteigerungerlöse auf dem TK-Sektor und deren Verwendung, MMR 2000, S. 145.

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter

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nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung stehen. Liegt eine solche formal festgestellte Frequenzknappheit vor, eröffnet § 11 TKG der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation ein Versteigerungs- und ein Ausschreibungsverfahren. Das in § 11 Abs. 4 TKG geregelte Versteigerungsverfahren ermöglicht es der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation, die beschränkt zur Verfügung stehenden Frequenzen meistbietend unter mehreren Bietern zu versteigern. Diese müssen nach § 11 Abs. 4 Nr. 1 TKG bestimmte sachliche und fachliche Mindestvoraussetzungen erfüllen, um als Bieter zugelassen zu werden. Als Vorteil des Versteigerungsverfahrens wird angeführt, daß dieses im Vergleich zum Ausschreibungsverfahren transparenter und wertungsfreier sei. Dies würde allen Beteiligten langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen ersparen295. Zudem sei dieses Verfahren zügiger abzuwickeln und von staatlicher Seite mit wesentlich geringerem Personalaufwand zu bewältigen, da sich die Behörde im Ausschreibungsverfahren zunächst eine Reihe von Informationen verschaffen müsste296. Außerdem böte das Versteigerungsverfahren die bessere Möglichkeit, den Wert der knappen Ressource zu ermitteln. Im Ausschreibungsverfahren müsste dies durch behördliche Schätzung geschehen297. Unbestritten ist allerdings, daß eine Versteigerung in der Regel eine finanzielle Mehrbelastung der beteiligten Unternehmen bedeutet, welche diese Kosten an den Verbraucher weiterreichen298. In dem nach § 11 Abs. 6 TKG eröffneten Ausschreibungsverfahren soll die Behörde unter den Bewerbern, deren Zahl die der zu vergebenden Lizenzen übersteigt, nach einem im voraus festzulegenden Verfahren diejenigen ermitteln, die nach Fähigkeiten und Leistung am besten geeignet sind, die Nachfrage der Öffentlichkeit zu befriedigen. Entscheidender Vorteil dieses Verfahrens ist der Umstand, daß hierbei nicht lediglich das finanzielle Höchstgebot als Entscheidungskriterium zum Zuge kommt299. Vielmehr müssen die Bewerber statt über möglichst hohe Investitionssummen über ein überzeugendes Konzept verfügen, nach dem sie zur Sicherstellung der Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG geeignet sind. Anhand der Wertungskriterien300 des § 11 Abs. 6 TKG entscheidet dann die RegPT über den Zuschlag. In §§ 11 Abs. 2 und 5 TKG wird deutlich, daß das Versteigerungsverfahren als gesetzlicher Regelfall301 bei der Veräußerung staatlich verwalteter knapper Ressourcen im Telekommunikationsbereich vorgesehen ist. Dieses Verfahren genießt den Vorrang gegenüber dem Ausschreibungsverfahren, solange es „zur Lizenzver295 296 297 298 299 300 301

13*

Grünwald, Fernsehen unter dem Hammer, MMR 2001, S. 722. Schuster / Müller, Grundlagen der Frequenzzuteilung, MMR 2000, S. 29. Gramlich, Versteigerung von Telekommunikationslizenzen, CR 2000, S. 103. Grünwald, Fernsehen unter dem Hammer, MMR 2001, S. 722. Ebenso: Grünwald, Fernsehen unter dem Hammer, MMR 2001, S. 722. Hierzu i.e.: Schuster / Müller, Grundlagen der Frequenzzuteilung, MMR 2000, S. 30 ff. Vgl.: BT-Drucks. 13 / 3609, S. 39.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

gabe (. . .) geeignet (ist), die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 sicherzustellen“. Der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation steht somit bei der Wahl des Verfahrens, also letztlich der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes „geeignet“ ein – bedenklich weiter302 – Beurteilungsspielraum zu. Im Mai 1999 entschied die Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation, die Vergabe der UMTS-Lizenzen als ein Versteigerungsverfahren nach § 11 Abs. 4 TKG auszugestalten303. Für die Durchführung der Versteigerung der UMTS-Lizenzen legte sich die Behörde im Februar 2000 auf ein simultanes und mehrstufiges Verfahren fest304. Hierbei bieten die beteiligten sieben Unternehmen gleichzeitig und voneinander unabhängig in mehreren Versteigerungsrunden für einzelne Frequenzblöcke und bekommen nach jeder Runde nur das für den entsprechenden Block abgegebene Höchstgebot sowie den Namen des Höchstbieters genannt. Nunmehr bestand die Möglichkeit, das eigene Gebot zu erhöhen. Nach 173 solcher Auktionsrunden ergab sich folgendes Ergebnis für jeweils 2 gepaarte Blöcke à 2 x 5 MHz: Mannesmann Group 3G MobilCom Viag Interkom T-Mobil E-Plus Hutchinson Gesamt:

16.473.800.000 16.446.000.000 16.370.000.000 16.517.000.000 16.582.200.000 16.418.200.000 98.807.200.000

DM DM DM DM DM DM DM

Anschließend wurden 5 ungepaarte Frequenzblöcke, welche insbesondere asymetrischen Übertragungen dienen sollen, für Preise zwischen 73 Millionen und 122 Millionen DM an fünf der sechs erfolgreichen Unternehmen versteigert. Der Präsident der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation stellte am 18. August 2000 das endgültige Versteigerungsergebnis fest, das sich nunmehr auf insgesamt 99, 4 Milliarden DM summiert hatte305. cc) Von der Rechtsnatur der Versteigerungsentgelte (1) Stellungnahmen in der Literatur Mit erheblichem Aufwand wird in der finanzverfassungsrechtlichen Literatur insbesondere seit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen im August 2000 der Ver302 303 304 305

Statt Vieler: Scherer, Das neue Telekommunikationsgesetz, NJW 1996, S. 2958. Amtsblatt RegPT 1999, S. 1519. Amtsblatt RegPT 2000, S. 516. Vgl. Mitteilung der RegTP Nr. 597 / 2000, Amtsblatt RegTP 2000, S. 3435.

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter

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such unternommen, derartige Erlöse in den Kanon der öffentlichen Abgaben einzuordnen306. Weitgehend Einigkeit besteht zunächst darüber, daß es sich bei den Versteigerungserlösen nicht um Steuern im Sinne der Art. 105 ff. GG handelt307. Gegen die Qualifikation als Steuer spricht, daß eine solche „voraussetzungslos“ erhoben wird. Es fehlt der Steuer also jede synallagmatische Verknüpfung der Abgabenerhebung mit einer staatlichen Gegenleistung. Bei den hier in Rede stehenden Versteigerungserlösen dürfte demgegenüber von einer staatlichen Gegenleistung in Form der Lizenzerteilung, wie etwa nach § 8 TKG, auszugehen sein308. Ebenso wird die Qualifikation der Versteigerungserlöse als Sonderabgabe oder als Beitrag abzulehnen sein309. Im übrigen ist die Qualifikation der Einnahmen aus Versteigerungerlösen denkbar uneinheitlich. Mehrheitlich werden diese staatlichen Einnahmen unter den Begriff der Gebühr oder zumindest als dieser ähnliche öffentliche Abgaben eingeordnet310. Innerhalb der Gebührenarten wird die ohnehin umstrittene und verfassungs306 Vgl. etwa: Faber, Die Verteilung knapper öffentlicher Güter durch Höchstgebot, Gewerbearchiv 2002, S. 267; Storr, Die Versteigerung von Telekommunikationslizenzen, K & R 2002, S. 74; Breuer, Verfassungsrecht und Versteigerungsverfahren nach § 11 TKG, in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Staat – Kirche – Verwaltung, Festschrift Hartmut Maurer, 2001, S. 42 ff.; Piepenbrock / Müller, Rechtsprobleme des UMTS-Versteigerungverfahrens, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 45; Becker, Die Versteigerung des UMTSLizenzen, Die Verwaltung 2002, S. 13 ff., insbesondere S. 19 f.; Hufeld, Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen, JZ 2002, S. 876 ff.; Grzeszick, Versteigerung knapper Telekommunikationslizenzen, DVBl. 1997, S. 883; Schumacher, Versteigerungserlöse nach § 11 TKG als Verleihungsgebühr?, NJW 2000, S. 3098 ff.; Korioth, UMTS-Gutachten, passim; Kötter, Wettlauf der Abgabepflichtigen?, DVBl. 2001, S. 1560 ff.; Kämmerer, Die Versteigerung von Lizenzen für die Nutzung knapper Ressourcen, NVwZ 2002, S. 162 f.; Hidien, Mehrwertsteuerpflicht der öffentlichen Hand, UR 2002, S. 167; Leist, Keine Beteiligung der Länder an den UMTSVersteigerungserlösen, DVBl. 2002, S. 903 f.; Ritgen, Versteigerung von Funkfrequenzen, AöR 127 (2002), S. 384; Kloepfer, Informationsrecht, § 11, Rn 102; Becker, Stattliche staatliche Versteigerungserlöse, DÖV 2003, 177, 178; Robert, Die Vergabe der UMTS-Lizenzen durch Auktion, S. 197; Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 245. 307 Piepenbrock / Müller, Rechtsprobleme des UMTS-Versteigerungverfahrens, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 8, 38; Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 207, 213, 225, insbesondere S. 231; Degenhart, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Rechtsfragen der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 259, 282. 308 Zum Gegenleistungscharakter der UMTS-Erlöse i.e.: Piepenbrock / Müller, Rechtsprobleme des UMTS-Vertseigerungverfahrens, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 40. 309 Hierzu: Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTSLizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 223 ff.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

rechtlich zweifelhafte Figur der Verleihungsgebühr favorisiert311. Andere Autoren verzichten auf eine terminologische Festlegung und sprechen allgemeiner lediglich von nichtsteuerlichen öffentlichen Abgaben312 oder öffentlichen Abgaben sui generis313. Gelegentlich wird die Rechtsnatur der Versteigerungsentgelte völlig offen gelassen314 oder diese Frage gar für unerheblich erklärt315. (2) Versteigerungserlöse als sonstige staatliche Einnahmen Kaum problematisiert wird in der Literatur indessen die Frage, ob es sich bei den Versteigerungserlösen überhaupt um öffentliche Abgaben handelt316. Meist wird ohne weiteres von der Qualifikation der Versteigerungsentgelte als öffentliche Abgabe ausgegangen317. Demgegenüber muß diese Frage beantwortet sein, bevor

310 Piepenbrock / Müller, Rechtsprobleme des UMTS-Versteigerungverfahrens, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 44; Grzeszick, Versteigerung knapper Telekommunikationslizenzen, DVBl. 1997, S. 883; Schumacher, Versteigerungserlöse nach § 11 TKG als Verleihungsgebühr?, NJW 2000, S. 3098 ff.; Kötter, Wettlauf der Abgabepflichtigen?, DVBl. 2001, S. 1560 ff.; Degenhart, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Rechtsfragen der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 258, 283 ff.; Kämmerer, Die Versteigerung von Lizenzen für die Nutzung knapper Ressourcen, NVwZ 2002, S. 162 f.; Hidien, Mehrwertsteuerpflicht der öffentlichen Hand, UR 2002, S. 167; Leist, Keine Beteiligung der Länder an den UMTS-Versteigerungserlösen, DVBl. 2002, S. 904; Becker, Stattliche staatliche Versteigerungserlöse, DÖV 2003, S. 178; ebenso, allerdings nur „hilfsweise“, da von einer „Unerheblichkeit der terminologischen Einordnung“ ausgegangen wird: Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 207, 245, 253; Ritgen, Versteigerung von Funkfrequenzen, AöR 127 (2002), S. 384 ff.; Kloepfer, Informationsrecht, § 11, Rn 102; Robert, Die Vergabe der UMTS-Lizenzen durch Auktion, S. 197. 311 Vgl. hierzu. VII. 2. b). 312 Breuer, Verfassungsrecht und Versteigerungsverfahren nach § 11 TKG, in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Staat – Kirche – Verwaltung, Festschrift Hartmut Maurer, 2001, S. 42 ff.; Piepenbrock / Müller, Rechtsprobleme des UMTS-Versteigerungverfahrens, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 45; Becker, Die Versteigerung des UMTSLizenzen, Die Verwaltung 2002, S. 19; Hufeld, Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen, JZ 2002, S. 876 ff. 313 Schwarz, UMTS-Versteigerungserlöse und Finanzverfassung, RTkom 2001, S. 145; Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 213. 314 Varadinek, Rechtmäßigkeit des UMTS-Lizenzvergabeverfahrens, CR 2001, S. 17 ff.; Faber, Die Verteilung knapper öffentlicher Güter durch Höchstgebot, Gewerbearchiv 2002, S. 267. 315 Storr, Die Versteigerung von Telekommunikationslizenzen, K & R 2002, S. 74. 316 Soweit ersichtlich – freilich mit unterschiedlichem Ergebnis – umfassend behandelt nur von: Degenhart, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Rechtsfragen der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 259, 283; Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1309.

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter

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man sich im Falle ihrer Bejahung der Einordnung der Versteigerungserlöse in die verschiedenen Arten der öffentlichen Abgaben zuwenden kann. Tatbestandliche Voraussetzung für die Annahme einer öffentlichen Abgabe ist die Auferlegung der entsprechenden Zahlungspflicht des Bürgers nach einem allgemeinen Maßstab318. Diese Voraussetzung, die zwar nur für die Steuer in § 1 Abs. 1 RAO und § 3 Abs. 1 AO (1977) ausdrücklich geregelt ist, ist jedoch als übergreifendes abgabenspezifisches Begriffsmerkmal zu verstehen319. Demnach sind unter öffentlichen Abgaben öffentlich-rechtliche Geldleistungen zu verstehen, die bei Erfüllung eines gesetzlichen Tatbestandes von allen erhoben werden, bei denen dieser Tatbestand zutrifft320. Diese Voraussetzung erfüllen die Versteigerungserlöse nicht. Bei diesen wird die Zahlungspflicht eben nicht an einen allgemeinen Tatbestand als Rechtsfolge geknüpft, sondern allein durch den einer Versteigerung immanenten Marktmechanismus bestimmt. An diesem Befund ändert auch die Tatsache nichts, daß die Zahlungspflicht in concreto durch einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG festgesetzt wird. Es fehlt eine abstrakt-generelle Regelung dieser Pflicht. 317 Vgl. etwa: Kloepfer, Informationsrecht, § 11, Rn 102 ff.; Piepenbrock / Müller, Rechtsprobleme des UMTS-Versteigerungverfahrens, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 8, 38; Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 207 ff.; Grzeszick, Versteigerung knapper Telekommunikationslizenzen, DVBl. 1997, S. 883 ff.; Schumacher, Versteigerungserlöse nach § 11 TKG als Verleihungsgebühr?, NJW 2000, S. 3098 ff.; Kötter, Wettlauf der Abgabepflichtigen?, DVBl. 2001, S. 1560 ff.; Kämmerer, Die Versteigerung von Lizenzen für die Nutzung knapper Ressourcen, NVwZ 2002, S. 162 f.; Hidien, Mehrwertsteuerpflicht der öffentlichen Hand, UR 2002, S. 167; Leist, Keine Beteiligung der Länder an den UMTS-Versteigerungserlösen, DVBl. 2002, S. 904; Becker, Stattliche staatliche Versteigerungserlöse, DÖV 2003, S. 178; ebenso, allerdings nur „hilfsweise“, da von einer „Unerheblichkeit der terminologischen Einordnung“ ausgegangen wird: Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 207, 245, 253; Ritgen, Versteigerung von Funkfrequenzen, AöR 127 (2002), S. 384 ff.; Robert, Die Vergabe der UMTS-Lizenzen durch Auktion, passim. 318 Vgl. hierzu: Vogel / Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 GG, Rdnr. 132; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, § 3, Rn. 7; Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1304, 1308; .gelegentlich wird demgegenüber diese begriffliche Voraussetzung unzutreffend als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung aufgefaßt: Birk, Steuerrecht, Rn. 107; wie hier auch: Dölfel / Bilsdörfer / Weimann, Steuerrecht, S. 39, vgl.: BVerfGE 84 239 270 f. 319 Vgl. etwa für die Gebühr: BVerfGE 108, 1 = NVwZ 2003, 715 („gesetzlich auferlegt“); ferner: Vogel, Das ungeschriebene Finanzrecht des Grundgesetzes, in: Selmer / v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift Martens, S. 267; VGH München, NVwZ 1987, 63, 64; OVG Münster, DVBl. 1993, 563; VGH Kassel, ZfW 1997, 109 m. w. N., VG Bremen, NordÖR 2001, 504 f.; Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1304, 1308. 320 So oder ähnlich: VGH München, NVwZ 1987, 63, 64; OVG Münster, DVBl. 1993, 563; VGH Kassel, ZfW 1997, 109, jew. m. w. Nachw.; VG Bremen, NordÖR 2001, 504 f.

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VII. Bewertung nach Einnahmearten

Es handelt sich somit bei den Versteigerungserlösen zwar um öffentlich-rechtlich vermittelte Geldleistungspflichten, nicht aber um öffentliche Abgaben321. Aus diesem Grunde wurden die Versteigerungserlöse hier in die Kategorie der sonstigen staatlichen Einnahmen eingeordnet. dd) Ertragszuweisung Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit der Frage der Ertragshoheit der Versteigerungserlöse im Falle der UMTS-Lizenzen zu befassen322. Die antragstellenden Regierungen der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen hatten versucht, die Versteigerungserlöse dem Steuerbegriff des Art. 106 Abs. 3 GG als vergleichbar anzunähern oder sie gar den dort behandelten Steuerarten unmittelbar zuzurechnen, um auf diese Weise an deren Erträgen – hälftig – zu partizipieren. Einer solchen Analogie hat das Bundesverfassungsgericht eine Absage erteilt. Art. 106 Abs. 3 GG verteile Einnahmen, deren Rechtsqualität feststeht. Nichtsteuerliche Einnahmen könnten sich auch durch außergewöhnlich hohe Erträge, wie sie herkömmlich nur bei Steuern anfallen, nicht in steuergleiche Einnahmen verwandeln323. Demnach folgt die Ertragshoheit wie bei den übrigen nichtsteuerlichen Abgaben der Verwaltungskompetenz324. Diese steht etwa bei den UMTS-Einnahmen nach Art. 87 f. Abs. 2 Satz 2 GG dem Bund zu325. Sollte noch während der Gesetzesberatungen nach Ansicht des Bundesrates unter Mitwirkung der Länder ein Fonds zur flächendeckenden Verfügbarkeit von Telekommunikationsdiensten in öffentlichen Einrichtungen geschaffen werden326, wurden die Erlöse aber letztlich nahezu vollständig zur Tilgung der Bundesschuld verwandt327. 321 Ebenso: Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1308; wohl auch: Becker, Die Versteigerung des UMTS-Lizenzen, Die Verwaltung 2002, S. 21; a.A.: Degenhart, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Rechtsfragen der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001, S. 259, 282 f. („ . . . es handelt sich jedenfalls um eine hoheitlich auferlegte Abgabe“). 322 BVerfGE 105, 185 ff. = DStZ 2002, 415 f. 323 Vgl.: BVerfGE 105, 185, 194. 324 Becker, Stattliche staatliche Versteigerungserlöse, DÖV 2003, 177, 179. 325 Ebenso: Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1309. 326 Vgl.: BR.-Drucks. 80 / 96, S. 11. 327 Ein Umstand, der Breuer, Verfassungsrecht und Versteigerungsverfahren nach § 11 TKG, in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Staat – Kirche – Verwaltung, Festschrift Hartmut Maurer, 2001, S. 25 zu der Bemerkung veranlaßte, die Abkürzung UMTS bedeute wohl „Unerwartete Mehreinnnahmen zur Tilgung von Schulden“; vgl. ferner: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Finanzbericht 2002, S. 53, 340; Kloepfer, Informationsrecht, § 11, Rn. 102; Korioth, UMTS-Gutachten, S. 73; Kötter, Wettlauf der Abgabenpflichtigen?, DVBl. 2001, S. 1556.

3. Staatliche Einnahmen ohne Abgabencharakter

201

ee) Deckungsquotenrelevanz Fraglich ist nunmehr, ob die aus den genannten Gründen als sonstige staatliche Einnahmen zu bezeichnenden Versteigerungserlöse in die Vergleichsrechnung im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung einzustellen sind. Ihre besondere finanzverfassungsrechtliche Brisanz bezieht diese Frage schon aus der Höhe der Erträge, wie sie bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen erzielt wurden. Allein diese machten etwa ein Fünftel des Bundeshaltes aus328. Auf bundesverfassungsgerichtliche Festlegungen zur Deckungsquotenrelevanz derartiger Erträge kann in diesem Zusammenhang nicht rekurriert werden. Das Gericht hat nämlich im sog. UMTS-Urteil diese Frage entgegen einiger Äußerungen in der Literatur329 nicht negativ beantwortet, sondern aus gutem Grund ausdrücklich offengelassen330. Zunächst stellen die Versteigerungserlöse ohne weiteres staatliche Einnahmen dar, die der ertragsberechtigten Körperschaft zufließen und ihre finanzielle Leistungsfähigkeit absolut und in Relation zu der jeweils anderen bundesstaatlichen Ebene stärken. Daneben scheidet eine Nichtberücksichtigung solcher Erlöse bei der Vergleichsrechnung wegen der Gebotenheit der Nettostellung mit korrespondierenden Ausgabenblöcken aus, wie sie sich etwa unter bestimmten Vorausetzungen bei Gebührenhaushalten anbietet331. Im Unterschied zu diesen wird bei den Versteigerungserlösen der schwache Kostenausgleichscharakter von deren Ertragswirksamkeit dominiert332. Literaturstimmen, die insbesondere im Zusammenhang mit den UMTS-Lizenzerlösen eine Ausklammerung solcher Erträge aus der Deckungsquotenrechnung befürworten, stützen diese Ansicht im Ergebnis auf die beschriebene und in abstracto durchaus begründete Ausnahme der Diskontinuität333. Demnach könnten Einnahmen, die keinerlei Kontinuität aufweisen, unter keinen Umständen als laufende Einnahmen bezeichnet werden. Planbarkeit und Vorhersehbarkeit werden hier als zentrale Voraussetzung der Qualifikation als laufende Einnahmen angesehen334. 328 Diese Feststellung findet sich denn auch bei: Arndt, Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen durch die RegTP, in: Piepenbrock / Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizentvergabe, S. 229; Robert, Die Vergabe der UMTS-Lizenzen durch Auktion, S. 184. 329 Vgl. etwa: Becker, Stattliche staatliche Versteigerungserlöse, DÖV 2003, S. 182. 330 BVerfG DStZ 2002, 418: „Ob . . . die . . . Versteigerungserlöse als laufende Einnahmen für eine Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile zu berücksichtigen sein werden, hat der Senat nicht zu entscheiden“. 331 Vgl hierzu oben: VII. 2. 332 Selmer, Die UMTS-Versteigerung vor dem BVerfG, NVwZ 2003, S. 1308. 333 Vgl. hierzu oben: VI. 2. c).

202

VII. Bewertung nach Einnahmearten

Maßgebliches Auslegungskriterium ist demgegenüber auch hier der Gedanke der föderalen Verteilungsgerechtigkeit und damit die Machtrelevanz der staatlichen Einnahme im bundesstaatlichen Vergleich. Für diese Relevanz ist die Periodizität zwar ein – gewichtiges – Indiz, aber keineswegs ein absoluter Nachweis. Dementsprechend gibt es, wie bereits ausgeführt, Einnahmen, die zwar regelmäßig anfallen und in diesem Sinne „laufend“ sind, aber dennoch aus Gründen etwa der Zulässigkeit einer Nettostellung mit korrespondierenden Ausgaben für die bundesstaatliche Machtbalance von minderer Bedeutung sind. Ebenso ist vor dem Hintergrund der Auslegungsmaxime der Umkehrschluß unzulässig, daß in diesem Sinne unregelmäßig oder einmalig anfallende Einnahmen per se nicht berücksichtigungsfähig im Rahmen der Deckungsquotenrechnung sind. Es gibt demnach auch staatliche Einnahmen, die zu einer tiefgreifenden Verschiebung innerhalb der vertikalen Gewaltenteilung führen, ohne regelmäßig anzufallen. Zu letzterer Kategorie sind die Einnahmen aus Versteigerungen zu zählen. Bei diesen kann lediglich bei vergleichsweise geringen Beträgen von einer Einstellung in die Deckungsquote abgesehen werden. Jedenfalls bei Erträgen im MilliardenEuro-Bereich folgt ihre Machtrelevanz schon aus der Größenordnung der durch sie vermittelten finanziellen Zuflüsse. Zusammenfassend läßt sich daher wie folgt resümieren: Versteigerungsentgelte können bis zu einer Höhe weit oberhalb der sonst geltenden Geringfügigkeitsgrenze außer Betracht bleiben, da hier ihre Machtrelevanz durch die fehlende Periodizität abgeschwächt ist. Oberhalb dieser Grenze überwiegt demgegenüber der Aspekt der Gefährdung der Aussagekraft der Vergleichsrechnung und damit der Funktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung durch Erträge, wie sie in dieser Höhe sonst nur in Form von Steuern anfallen. Eine Einstellung der UMTS-Einnahmen in Höhe von nahezu 50 Milliarden Euro ist nach diesem Maßstab jedenfalls geboten.

334 So etwa: Becker, Stattliche staatliche Versteigerungserlöse, DÖV 2003, S. 182; Trzaskalik, Marginalien zum Einnahmebegriff im Sinne von Art. 106 GG, in: Adam (Hrsg.), Instrumente der Finanzpolitik, Festschrift für Peffekoven, 2003, S. 260.

Schluß Der im Fokus dieser Arbeit stehende Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ erweist sich nach und gerade durch Analyse seines normativen Umfeldes und dessen ratio als weitaus bestimmter und aussagekräftiger, als es prima facie den Anschein hat. Die angestellte teleologische Betrachtung führte zu einer allgemeinen Auslegungsmaxime, für die der Begriff der föderalen Verteilungsgerechtigkeit gewählt sein soll. Unter diesem Terminus wurden jene Aspekte gefaßt, die in finanzwirtschaftlicher Hinsicht die politische Handlungsfähigkeit einer staatlichen Ebene im bundesstaatlichen Vergleich – positiv oder negativ – zu beeinflussen geeignet sind. Diese Auslegungsmaxime liefert einen strengen Maßstab für die Bewertung der Deckungsquotenrelevanz staatlicher Einnahmen anhand der aus ihr zu folgernden Parameter. Die bundesstaatliche Praxis ist durch eine in ihrem Variantenreichtum kaum noch überschaubare Zahl von sonstigen Finanzierungsinstrumenten neben der verfassungsrechtlich präferierten Steuer gekennzeichnet. Die konsequente Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe im Lichte der gefundenen Auslegungsmaxime bietet hier die Möglichkeit, die vielfältigen Finanzierungsformen staatlicher Aufgaben im Rahmen der bundesstaatlichen Finanzverfassung zu bewältigen und so einer Erosion der bundesstaatlichen Ordnung wirksam zu begegnen.

Zusammenfassende Thesen I. 1. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der finanzverfassungsrechtlichen Normen des Grundgesetzes sind angesichts der Ordnungsfunktion dieser Vorschriften konkretisierungsbedürftig. Dies gilt insbesondere für die unbestimmten Rechtsbegriffe des vertikalen Finanzausgleiches und so auch für den der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GG. 2. Die Etablierung konkreter Begriffsmerkmale ist vor dem Hintergrund geboten, daß nur auf diese Weise die bundesverfassungsgerichtliche Justiziabilität der im politischen Kräftespiel gefundenen Ergebnisse der Umsatzsteuerverteilung ermöglicht und gesichert werden kann. Die Notwendigkeit einer solchen Konkretisierung zeigt sich ebenso an der Revisionsklausel des Art. 106 Abs. 4 GG und wird gestützt von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte bei Art. 72 Abs. 2 GG. II. 3. Das Maßstäbegesetz zum Finanzausgleich stellt insbesondere in seinen Normierungen zum vertikalen Finanzausgleich im wesentlichen eine – zum Teil wortgenaue – Abschrift der bundesverfassungsgerichtlichen Ausführungen dar. Es bleibt im Hinblick auf die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern ohne jede Konkretisierungssubstanz. Läßt das Konzept eines Maßstäbegesetzes schon in seiner theoretischen Konstruktion Fragen offen, hat sich seine – tatsächlich wirksame – Umsetzung als unrealistisch erwiesen. Der Gesetzgeber als „Erstinterpret der Verfassung“ hat die geforderte Selbstbindung verweigert. Die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe muß daher ohne Rückhalt im Maßstäbegesetz erfolgen. 4. Vor dem Hintergrund des vorläufigen Scheiterns einer Maßstäbegesetzgebung für den Finanzausgleich müßte einem zukünftigen Maßstäbegesetz im Wege der Verfassungsänderung Bindungswirkung gegenüber dem Finanzausgleichsgesetz verschafft werden. Für die Modifikation des Maßstäbegesetzes müßte im Vergleich zu derjenigen des Finanzausgleichsgesetzes ein politisch anspruchsvolleres Verfahren gelten, um ersterem gewissermaßen eine höhere demokratische Legitimation zu verleihen. 5. So könnte zukünftig das Finanzausgleichsgesetz als Einspruchsgesetz ausgestaltet werden. Für das Maßstäbegesetz wäre dann wie bei der Grundsätzegesetz-

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gebung in Art. 109 Abs. 3 GG die Zustimmung des Bundesrates notwendig. Insbesondere bei unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat könnte auf diese Weise der Finanzausgleichsgesetzgeber gezwungen sein, an seiner Maßstäbegesetzgebung festzuhalten. 6. Dieser Bindungseffekt könnte noch verstärkt werden, indem Art. 79 Abs. 1 GG de constitutione ferenda so gefaßt wird, daß die Vorschrift auch für einfache (!) Gesetze gilt, soweit diese mit dem Zweck aufgestellt werden, unbestimmte Rechtsbegriffe der Verfassung unmittelbar zu konkretisieren. In diesem Falle gälte das qualifizierte Verfahren nach Art. 79 Abs. 2 GG, wonach Bundestag und Bundesrat jeweils mit einer Mehrheit von zwei Dritteln zustimmen müßten. Das Finanzausgleichsgesetz könnte in diesem Falle sowohl als Einspruchs- als auch als Zustimmungsgesetz ausgestaltet werden. Durch die hohen Verfahrensanforderungen an die Änderung des Maßstäbegesetzes entstünde auf diese Weise ein faktischer Bindungseffekt des einfachen Gesetzgebers an diese Maßstäbegesetzgebung. 7. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GG muß ohne Rückgriffsmöglichkeiten auf einfachgesetzliche Begriffsbildungen vorgenommen werden. Ebenso wie bei den finanzwissenschaftlichen Termini ist dieser Befund der von der Finanzverfassung grundsätzlich verschiedenen Zweckbestimmungen dieser Materien geschuldet.

III. 8. Eine Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Finanzverfassung, wie etwa dem der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GG, hat aus dem Grundgesetz selbst zu erfolgen. 9. Der Begriff der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GG ist aus seiner teleologischen und systematischen Einbettung in die bundesstaatliche Finanzverfassung und das Grundgesetz zu präzisieren. Vor dem Hintergrund des Bundesstaatsprinzips als tragender, aber ergebnisoffener Strukturvorgabe lassen sich finanzverfassungsrechtliche Regelungen als Gewichtungsentscheidungen des verfassungsgebenden Gesetzgebers begreifen, die den Schluß auf eine allgemeine Auslegungsmaxime erlauben. 10. Eine Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe, so auch der „laufenden Einnahmen“, muß im Lichte der durch die Finanzverfassung angelegten Präferenz erfolgen. Die Bestimmung der in die Deckungsquote einzustellenden Einnahmen muß also den vom Gesamtsystem Finanzverfassung vorgezeichneten Leitlinien folgen. 11. Die bundesstaatliche Finanzverfassung ist im Grundsatz so angelegt, daß eine möglichst weitgehende und trennscharfe Abgrenzung der staatlichen Kompe-

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tenzen als Leitmotiv sichtbar wird. Kooperationen zwischen Bund und Ländern sind als Gefahr für die Stabilität der bundesstaatlichen Ordnung erkannt und daher lediglich in Form von vergleichsweise präzise formulierten Ausnahmen zugelassen. Durch die gesamte Rechtsmaterie zieht sich wie ein roter Faden der Gedanke der vertikalen Gewaltenteilung, was insbesondere die Schutzfunktion der Art. 104a und 109 GG verdeutlicht. 12. Das Ziel der Umsatzsteuerverteilung läßt sich als die Schaffung einer föderativen Verteilungsgerechtigkeit zusammenfassen. Die Verteilung der Umsatzsteuer ist funktionsgerecht, wenn sie dauerhaft sicherstellt, daß trotz sich ändernder äußerer Umstände ein im Sinne einer vertikalen Gewaltenteilung stabiles Verhältnis zwischen Bund und Ländern gesichert bleibt. 13. Eine vertikale Gewaltenteilung kann nur funktionieren, wenn sich die Gewichte der Bundesglieder zueinander insbesondere in finanzieller Hinsicht in etwa die Waage halten. Daraus folgt für den Begriff der „laufenden Einnahmen“, daß solche Einnahmen in die Deckungsquote einzustellen sind, die das Machtverhältnis zwischen Bund und Ländergesamtheit aus der Balance zu bringen geeignet sind. 14. Prägendes Merkmal des unbestimmten Rechtsbegriffes der „laufenden Einnahmen“ in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 ist deren Machtrelevanz in bezug auf die bundesstaatliche Stabilität. Bei der Entscheidung, ob eine bestimmte Einnahme in die Deckungsquote des Bundes oder der Länder einzustellen ist, ist maßgeblich, ob und inwiefern diese die ertragsberechtigte Körperschaft durch finanzielle Spielräume zu politischer Gestaltung befähigt und damit das Balanceverhältnis zum bündischen Partner verändert. IV. 15. Der Berechnungsmodus nach der Deckungsquote kann – trotz des diesem immanten Problems der „Quotenverlängerung“ – als geeignet und als allgemeiner Konsens unter den beteiligten staatlichen Organen gelten. 16. Staatliche Einnahmen vermitteln regelmäßig staatliches Machtpotential und sind daher in der Regel deckungsquotenrelevant. Trotz dieses Regel-AusnahmeVerhältnisses zugunsten der Deckungsquotenrelevanz ist bei einer staatlichen Einnahme zu prüfen, ob diese den Anforderungen in bezug auf ihre Machtrelevanz genügt oder ob ein Fall der – restriktiv auszulegenden – Ausnahmen vorliegt. 17. Es besteht kein Bedarf für die Aufstellung eines abstrakten Dispositionskriteriums zur Einschränkung des finanzverfassungsrechtlichen Einnahmebegriffes, da die notwendige Abgrenzung und Zuordnung der staatlichen Einnahmen an die bundesstaatlichen Ebenen durch die vorhanden Verteilungskriterien hinreichend gewährleistet ist. 18. Die Regelmäßigkeit im Sinne eines kontinuierlichen Anfalls der staatlichen Einnahme ist ein zwar gewichtiges Indiz einer bundesstaatlichen Verteilungsrelevanz,

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aber kein absolutes Kriterium der Bestimmung der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG. 19. Die Ausklammerung aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ mittels einer Nettostellung von bestimmten staatlichen Einnahmen bei der Vergleichsrechnung ist eine eng begrenzte Ausnahme und als solche begründungsbedürftig. 20. Für die Rechtfertigung einer Nettostellung im Lichte der ratio der Vergleichsrechnung muß zur rechtlichen Unabhängigkeit eine Unabhängigkeit des Nebenhaushaltes in Finanzierungsfragen hinzutreten. Die Deckungsquotenrelevanz von Einnahmen und Ausgaben solcher Nebenhaushalte ist ausnahmsweise zu verneinen, soweit diese ihre eventuell auftretenden Defizite aus eigener Kraft zu dekken verpflichtet sind. 21. Für die Etablierung einer Geringfügigkeitsgrenze besteht kaum ein praktisches Bedürfnis. 22. Auf die Verfassungswidrigkeit der staatlichen Mittelzuflüsse kommt es bei der Bestimmung der „laufenden Einnahmen“ im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG nicht an.

V. 23. In die Vergleichsrechnung einzustellen sind grundsätzlich alle Steuern. Sie bilden den Prototyp der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG. Auszuklammern ist lediglich das zur Verteilung anstehende Umsatzsteueraufkommen. 24. Die Deckungsquotenrelevanz der sog. einmaligen Vermögensabgaben hängt von deren uneinheitlich beurteilten verfassungsrechtlich zulässigen Anwendungsbreite ab, insbesondere von der Frage der Koppelung solcher Einnahmen an einen speziellen Bedarf. 25. Geht man mit der herrschenden Ansicht von der verfassungskräftigen Koppelung solcher Erträge an einen speziellen Bedarf aus, verringert einerseits diese Akzessorietät die Manipulationsgefahr durch den im Bereich der Steuergesetzgebung bevorrechteten Bund. Andererseits ist die verteilungsrechtliche Relevanz solcher Einnahmen umso höher zu veranschlagen, je größer deren Volumen ist. Jedenfalls im Bereich mehrerer Milliarden Euro überwiegt hier der Gedanke der föderativen Verteilungsgerechtigkeit, so daß unter diesem Gesichtspunkt bei solchen Volumina die Einstellung dieser Erträge in die Deckungsquote angezeigt ist. 26. Die volumenmäßige Grenze der Nichteinbeziehung in die Deckungsquotenrechnung ist wegen der größeren Gefahren für die bundesstaatliche Stabilität noch enger zu ziehen, wenn man nach der extensiven Auslegung einmalige Abgaben auch ohne die beschriebene Akzessorietät zu einem einmaligen Bedarf oder gar losgelöst von jeglicher Zweckbindung zuließe.

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27. Die einfachgesetzliche Zweckbindung ist nichts anderes als eine gesetzgeberische Disposition über bestimmte Einnahmen bereits vor deren Vereinnahmung. Eine solche vorzeitige Disposition kann für die Bestimmung der Deckungsquote nicht relevant sein, da der Bund anderenfalls die Vergleichsrechnung bis zur Willkürgrenze durch einfachgesetzliche Zweckbindungen manipulieren und unterlaufen könnte. 28. Ausklammerung bestimmter Gebühreneinnahmen aus dem unbestimmten Rechtsbegriff der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG ist regelmäßig nur bei den Benutzungsgebühren zulässig, da bei diesen der staatlichen Einnahme in aller Regel eine zuordnungsfähige konkrete Ausgabe gegenübersteht. Zudem eignen sich Haushalte, die ihre Ausgaben aus Benutzungsgebühren finanzieren, für eine hinreichende Verselbständigung in finanzierungsrechtlicher Hinsicht. 29. Bei den Verwaltungsgebühren kommt eine Ausklammerung aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG regelmäßig nicht in Betracht. Der Gebühreneinnahme ist zwar in der Regel eine bestimmte kostenverursachende Amtshandlung und damit eine konkrete Ausgabe zuzuordnen, jedoch eignen sich Verwaltungsgebührenhaushalte regelmäßig nicht für eine hinreichende rechtliche und tatsächliche Verselbständigung. 30. Die Einnahmen aus den im Streit befindlichen Verleihungs- oder Ressourcennutzungsgebühren werden in aller Regel in die Deckungsquote einzustellen sein. Bei diesen fallen keine oder zu vernachlässigende Kosten an, so daß hier ohnehin regelmäßig keine Nettostellung der Erträge mit einem mit diesen Einnahmen unmittelbar verknüpften Kostenblock in Betracht kommt. 31. Die für die Deckungsquotenrelevanz von Gebühreneinnahmen aufgestellten Prämissen gelten für die Beiträge entsprechend. 32. Die Erträge aus Sonderabgaben sind grundsätzlich „laufende Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG. 33. Bei den Erträgen aus Sonderabgaben kommt ausnahmsweise eine Ausklammerung aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG im Wege der Nettostellung mit korrespondierenden Ausgaben in Betracht. Erforderlich ist hierfür neben einer Zweckbindung der Erträge für die Finanzierung einer bestimmten Aufgabe auch bei den Sonderabgaben die tatsächliche und rechtliche Trennung der ertragsberechtigten Stelle von dem Kernetat der jeweiligen bundesstaatlichen Ebene. 34. Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung können im Wege einer Nettostellung der Einnahmen und der Ausgaben aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG ausgegrenzt werden. 35. Gleiches gilt für die Einnahmen aus Beiträgen für die gesetzliche Rentenversicherung nach dem SGB VI und die gesetzliche Unfallversicherung nach SGB VII.

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36. Die Einnahmen der Bundesagentur für Arbeit sind dagegen in die Vergleichsrechnung einzustellen. Die finanzierungsrechtliche Verselbständigung der Bundesagentur für Arbeit ist nicht umfassend genug, um die Ausklammerung ihrer Einnahmen aus dem Begriff der laufenden Einnahmen zu rechtfertigen. 37. Die sog. Verbandslasten sind aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG auszugrenzen, da sie der entsprechenden Körperschaft mangels Verfügbarkeit des Treuhandvermögens keine Möglichkeit zu politischer Gestaltung vermitteln. Es fehlt den Verbandslasten das maßgebliche Kriterium der Machtrelevanz im bundesstaatlichen Vergleich. 38. Die sog. binnenstaatlichen Finanztransfers, also etwa die Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG, der Mehrbelastungsausgleich nach Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG, die Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG und die Zuweisungen des Bundes im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und 91b GG, zählen nicht zu den „laufenden Einnahmen“ im Sinne des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG. 39. Die Ausklammerung aus der Vergleichsrechnung ist bei den Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG und den Zuweisungen im Rahmen des Mehrbelastungsausgleiches nach Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG ihrer Funktion innerhalb der bundesstaatlichen Finanzverfassung nach geboten. Diese Einnahmen bilden keine Vergleichsgrundlage für die Verteilung der Umsatzsteuer, sondern sind korrigierende nachgängige Folge dieser Verteilung. 40. Bei den Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG und den Zuweisungen des Bundes im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und 91b GG rechtfertigt die Freiwilligkeit ihrer Gewährung die Ausklammerung dieser Beträge aus der Deckungsquotenrechnung im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG. 41. Einnahmen aus Krediten sind vor dem Hintergrund der ratio der Vergleichsrechnung jedenfalls und in voller Höhe aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG auszuklammern. 42. Einnahmen aus Gewinnabführungen von staatlich ganz oder zum Teil kontrollierten privatwirtschaftlichen Unternehmen sind in die Deckungsquote einzustellen. Einer gelegentlich vertretenen Ausklammerung solcher Erlöse aus dem Begriff der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG wegen ihrer angeblich mangelnden Kontinutät kann nicht zugestimmt werden, da regelmäßig ein bestimmter Sockel solcher Einnahmen erzielt wird. 43. Soweit staatliche Organisationen an privatwirtschaftlichen Unternehmen in Form einer Aktiengesellschaften beteiligt sind, ist unabhängig von den Beteiligungsverhältnissen wegen der hinreichenden rechtlichen und tatsächlichen Selbständigkeit der Geschäftsführung eine Nettostellung der Gesamteinnahmen mit den Gesamtausgaben ausnahmsweise zulässig. 14 Maciejewski

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44. Bei der Gesellschaftsform der GmbH ist somit im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Nettostellung der Gesamteinnahmen auf die Beteiligungsverhältnisse an den Unternehmen abzustellen. 45. Eine Nettostellung ist bei der Gesellschaftsform der GmbH abzulehnen, wenn der Staat die satzungsmäßige Mehrheit der Gesellschafter stellt. Im Zweifel ist dies nach § 47 Abs. 1 GmbHG bei einfacher Mehrheit der Geschäftsanteile der Fall. Unterhalb dieser Grenze ist dem Staat als Gesellschafter verwehrt, die Geschicke der Gesellschaft nach seinen Vorstellungen zu lenken. Bei der staatlichen Minderheitsbeteiligung an einer GmbH ist demnach eine Nettostellung der Gesamteinnahmen zulässig. 46. Erträge aus der Veräußerung von staatlichem Vermögen sind grundsätzlich vom Begriff der „laufenden Einnahmen“ des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG erfaßt. 47. Bei den Erträgen aus der Veräußerung von staatlichem Vermögen kann eine Ausklammerung solcher Einnahmen aus der Vergleichsrechnung als enge Ausnahme zulässig sein, wenn sich die Veräußerung als „Notverkauf“ darstellt und den Rückschluß auf vorhandene finanzielle Leistungsfähigkeit ausschließt. Eine solche finanzpolitische Motivation einer Veräußerung läßt sich allenfalls indiziell bestimmen. Als Indizien für eine Veräußerung staatlichen Vermögens aus „Not“ lassen sich etwa eine nach den jeweiligen (landes-) verfassungsrechtlichen Grenzen ausgeschöpfte Neuverschuldung, ein erheblicher Anstieg derselben im Vergleich zu den Vorjahren und ein für den Verkauf aus ökonomischer Sicht ungünstiger Zeitpunkt auffassen. 48. Versteigerungsentgelte können bis zu einer Höhe weit oberhalb der sonst geltenden Geringfügigkeitsgrenze außer Betracht bleiben, da hier ihre Machtrelevanz durch die fehlende Periodizität abgeschwächt ist. Oberhalb dieser Grenze überwiegt demgegenüber der Aspekt der Gefährdung der Aussagekraft der Vergleichsrechnung und damit der Funktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung durch Erträge, wie sie in dieser Höhe sonst nur in Form von Steuern anfallen. Eine Einstellung der UMTS-Einnahmen in Höhe von nahezu 50 Milliarden Euro ist nach diesem Maßstab jedenfalls geboten.

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