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German Pages 328 Year 1988
HELMUT FISCHER
Finanzzuweisungen
Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h.c. J. Broermann
Heft 379
Finanzzuweisungen Theoretische Grundlegung und praktische Ausgestaltung im bundesstaatlichen Finanzausgleich Australiens und der Bundesrepublik Deutschland
Von Helmut Fischer
Duncker & Humblot / Berlin
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Fischer, Helmut: Finanzzuweisungen : theoret. Grundlegung u. prakt. Ausgestaltung im bundesstaatl. Finanzausgleich Australiens u.d. Bundesrepublik Deutschland / von Helmut Fischer. — Berlin : Duncker u. Humblot, 1988 (Volkswirtschaftliche Schriften ; H. 379) Zugl.: Mainz, Univ., Habil.-Schr., 1986 ISBN 3-428-06415-1 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Hagedornsatz, Berlin 46 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06415-1
Für Birgitt
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist während meiner Tätigkeit als Hochschulassistent, zunächst an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und anschließend an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, entstanden. Sie wurde im Frühjahr 1986 abgeschlossen und ist im Sommersemester 1986 vom Fachbereich Rechtsund Wirtschaftswissenschaften der Universität in Mainz als Habilitationsschrift angenommen worden. Da sich in der Zwischenzeit keine wichtigen Neuerungen in bezug auf die Theorie und die Praxis der Finanzzuweisungen ergeben haben, konnte das Manuskript im wesentlichen unverändert übernommen werden. Die einzige Ausnahme hiervon stellt das im Juni 1986 ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland dar, auf dessen Grundlage mittlerweile ein Vorschlag der Bundesregierung zur Neuordnung des Finanzausgleichs unterbreitet wurde. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils und der sich daran anschließenden Diskussion wird hierzu in einem nachträglich eingearbeiteten Kapitel (2. Teil, 3.3.1.4.) Stellung genommen. Mein besonderer Dank gilt meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Rolf Peffekoven, der mit zahlreichen kritischen Hinweisen und Verbesserungsvorschlägen wesentlich zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen hat. Seine konstruktive Kritik war mir die wertvollste Hilfe. Ebenso danke ich Herrn Professor Dr. Kurt Schmidt für wichtige Anregungen und kritische Hinweise. Frau Sigrun Engel hat das Manuskript mit größter Sorgfalt und Umsicht geschrieben. Auch ihr bin ich zu Dank verpflichtet. Schließlich hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Drucklegung der Arbeit mit einem Zuschuß gefördert, wofür ich ihr ebenfalls danke. Mainz, im August 1987
Helmut Fischer
Gliederung Verzeichnis der Abbildungen
13
Verzeichnis der Übersichten
14
Abkürzungsverzeichnis
15
Symbolverzeichnis
16
Einleitung
19
L Teil Theoretische Grundlegung 1.
Ausgestaltungsformen der Finanzzuweisungen
24
2.
Wirkungsanalyse
31
2.1.
Vorbemerkungen
31
2.2.
Variable Steuereinnahmen
34
2.3.
Konstante Steuereinnahmen
37
2.3.1.
Finanzzuweisung Typ 1 (ohne Auflagen)
37
2.3.2.
Finanzzuweisung Typ 2 (mit Empfangsauflage)
39
2.3.3.
Finanzzuweisung Typ 3 (mit Verwendungsauflage)
40
2.3.4.
Finanzzuweisung Typ 4 (mit Empfangs- und Verwendungsauflagen)
43
2.3.5. 2.4.
Betragsmäßig beschränkte versus offene Finanzzuweisung Zwischenergebnis
47 48
3.
Ziele der Finanzzuweisungen
51
3.1.
Ökonomische Ziele
52
3.1.1.
Allokation
52
3.1.1.1.
Kompensation von Spillover-Effekten
54
3.1.1.1.1.
Begriffsabgrenzungen
54
3.1.1.1.2.
Alternative Lösungsansätze
57
10
Gliederung
3.1.1.1.3.
Kompensation über Finanzzuweisungen
63
3.1.1.2.
Förderung von meritorischen Leistungen
71
3.1.1.3.
Beeinflussung der regionalen Wirtschaflsstruktur
73
3.1.1.4.
Zwischenergebnis
77
3.1.2.
Distribution
78
3.1.2.1.
Interpretationen der fiskalischen Gleichheit
79
3.1.2.1.1.
Buchanans Konzept des Ausgleichs der fiskalischen Restwerte
79
3.1.2.1.2.
Fiskalische Gleichheit zwischen Körperschaften
83
3.1.2.1.2.1. Musgraves Konzepte
84
3.1.2.1.2.2. Weiterführungen von Thurow, Le Grand und Mathews
93
3.1.2.2.
Indikatoren für Finanzkraft und Finanzbedarf
97
3.1.2.2.1.
Messung der Finanzkraft
97
3.1.2.2.1.1. Steuereinnahmen
97
3.1.2.2.1.2. Sonstige Einnahmen
105
3.1.2.2.2.
Messung des Finanzbedarfs
112
3.1.2.3.
Ausmaß des Ausgleichs
117
3.1.3.
Stabilisation
119
3.1.3.1.
Stabilisationspolitik im föderativen Staat
120
3.1.3.2.
Finanzzuweisungen als konjunkturpolitisches Instrument
123
3.1.3.2.1.
Verstetigung der Kommunalfinanzen
124
3.1.3.2.2.
Investitionsforderung
131
3.1.3.3.
Finanzzuweisungen als wachstumspolitisches Instrument
137
3.2.
Außerökonomische Ziele
141
3.2.1.
Politische Aspekte
142
3.2.2.
Technische Aspekte
147
2. Teil Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen im bundesstaatlichen Finanzausgleich Australiens und der Bundesrepublik Deutschland 1.
Vorbemerkungen
152
1.1.
Nutzen und Probleme eines internationalen Vergleiches
152
1.2.
Begründung der Auswahl des Vergleichslandes
154
Gliederung 2.
Australien
155
2.1.
Charakterisierung des Landes
155
2.2.
Föderative Organisation
157
2.3.
Finanzzuweisungen im bundesstaatlichen Finanzausgleich
165
2.3.1.
Allgemeine Finanzzuweisungen
165
2.3.1.1.
Vertikale Umverteilung
165
2.3.1.2.
Horizontale Umverteilung
174
2.3.1.2.1.
Methode
176
2.3.1.2.2.
Finanzkraft-Komponente (revenue need)
183
2.3.1.2.3.
Finanzbedarf-Komponente (expenditure need)
186
2.3.1.2.4.
Zeitliche Entwicklung, Beurteilung und Ausblick
194
2.3.2.
Zweckgebundene Finanzzuweisungen
199
2.3.3.
Zwischenergebnis
204
3.
Bundesrepublik Deutschland
206
3.1.
Charakterisierung des Landes
206
3.2.
Föderative Organisation
210
3.3.
Finanzzuweisungen im bundesstaatlichen Finanzausgleich
218
3.3.1.
Allgemeine Finanzzuweisungen
218
3.3.1.1.
Vertikale Umverteilung
218
3.3.1.2.
Horizontale Umverteilung
225
3.3.1.2.1.
Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer
225
3.3.1.2.2.
Länderfinanzausgleich i.e.S
231
3.3.1.2.2.1. Methode
231
3.3.1.2.2.2. Komponenten der Finanzkraft und des Finanzbedarfs
240
3.3.1.2.2.3. Zeitliche Entwicklung und Beurteilung
250
3.3.1.3.
Vertikale Umverteilung mit horizontaler Wirkung: Die Ergänzungszuweisungen
255
3.3.1.4.
Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und Reformvorschlag
261
3.3.2.
Zweckgebundene Finanzzuweisungen
268
3.3.2.1.
Bereiche und Ausgestaltungen der Mischfinanzierungen
271
3.3.2.1.1.
Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und 91b GG
271
12
Gliederung
3.3.2.1.2.
Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG
280
3.3.2.2.
Quantitative Entwicklung und Umverteilungswirkungen zwischen den Ländern
287
3.3.2.3.
Kritische Würdigung und Reformansätze
295
3.3.3.
Zwischenergebnis
300
Zusammenfassung
304
Literaturverzeichnis
310
Verzeichnis der Abbildungen
Abbildung 1 :
FZ Typ 1 bei variablen Steuereinnahmen
34
Abbildung 2:
FZ Typ 1 bei konstanten Steuereinnahmen
37
Abbildung 3a:
FZ Typ 2 ohne Lenkungseffekte
39
Abbildung 3b:
FZ Typ 2 mit Lenkungseffekten
40
Abbildung 4:
FZ Typ 3 ohne und mit Lenkungseffekten
41
Abbildung 5:
FZ Typ 4 am Beispiel einer Eigenbeteiligungsquote von 50 v.H.
44
Abbildung 6:
Vergleich einer FZ Typ 4 mit einer FZ Typ 1
46
Abbildung 7:
Betragsmäßig beschränkte FZ Typ 4
47
Abbildung 8:
Vergleich der unterschiedlichen Arten von FZ
49
Abbildung 9:
P/gow-Subvention für Leistungen mit externen Nutzen
64
Verzeichnis der Übersichten Übersicht
1 : Entwicklung der vertikalen Umverteilung in Australien
167
Übersicht 2 : Berechnung der Finanzkraft-Komponente für das Northern Territory im Jahr 1981/82
187
Übersicht 3 : Berechnung der Finanzbedarf-Komponente für das Northern Territory im Jahr 1981/82
192
Übersicht 4: Zusammenfassung der Berechnung der special grants für das Northern Territory 1981/82
195
Übersicht 5: Entwicklung der special grants
195
Übersicht 6: Zweckgebundene Finanzzuweisungen des Bundes an die Staaten, das Northern Territory und die Kommunen
201
Übersicht 7: Verteilung der Zweckzuweisungen auf die Staaten 1977/78
203
Übersicht 8: Entwicklung der Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern
222
Übersicht 9: Berechnung der vertikalen Umverteilung zwischen Bund und Ländern infolge der Änderungen des Beteiligungssatzes an der Umsatzsteuer
224
Übersicht 10: Entwicklung des Umsatzsteuerausgleichs zwischen den Ländern infolge der Ergänzungsanteile
229
Übersicht 11 : Entwicklung der Berücksichtigung von Überschüssen bzw. Defiziten der Steuerkraftmeßzahl im Vergleich zur Ausgleichsmeßzahl
235
Übersicht 12: Entwicklung des Länderfinanzausgleichs i.e.S. in ausgewählten Jahren
251
Übersicht 13: Entwicklung und Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen 1967-1986
258
Übersicht 14: Kostenverteilungsregeln bei den Finanzhilfeprogrammen Art. 104a Abs. 4 GG
286
nach
Übersicht 15: Entwicklung der Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen 19701983
288
Übersicht 16: Verteilung der Bundesausgaben nach Art. 91a und 104a Abs. 4 GG auf die Länder im Jahr 1981
293
Abkürzungsverzeichnis ACIR A-$
BA BGBl. BER BR BuBaG BW CDU CGC CSU D.C. EKL FAG FAZ F.D.P. FN FZ GG GV HA HE MonBerBuBa N.F. NS NW ö. G. p. G. PKL PPER RP RTS SA See. SH SPD StWG US-$ VIFI ZIP
Advisory Commission on Intergovernmental Relations Australischer Dollar Bayern Bundesgesetzblatt Benefit-Effort Ratio Bremen Bundesbankgesetz Baden-Württemberg Christlich Demokratische Union Commonwealth Grants Commission Christlich Soziale Union District of Columbia Einkommens-Konsum-Linie Finanzausgleichsgesetz Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei Fußnote Finanzzuweisung(en) Grundgesetz Gemeindeverbände Hamburg Hessen Monatsberichte der Deutschen Bundesbank Neue Folge Niedersachsen Nordrhein-Westfalen öffentliche Güter private Güter Preis-Konsum-Linie Purchasing Power-Effort Ratio Rheinland-Pfalz Representative Tax System Saarland Section Schleswig-Holstein Sozialdemokratische Partei Deutschlands Stabilitäts- und Wachstumsgesetz US-amerikanischer Dollar Vertical Intergovernmental Fiscal Imbalance Zukunftsinvestitionsprogramm
Symbolverzeichnis χ y I MSB MPB Ρ Α Af Ti ti *s
te Bi Β Si Ni Ν Vi Vf m Zi Ά ZS Ci Li j er Sr
"r Pr
Gc GR GE GN
Menge eines bestimmten (unterstützten) öffentlichen Gutes Menge aller anderen (nicht unterstützten) öffentlichen Güter Indifferenzkurve Marginal Social Benefit (sozialer Grenznutzen) Marginal Private Benefit (privater Grenznutzen) Preis des öffentlichen Gutes (pro Stück) (Pro Kopf-)Ausgaben einer Körperschaft / ( / = 1 . . . ή) angestrebte durchschnittliche (Pro Kopf-)Ausgaben aller η Körperschaften Steuereinnahmen einer Körperschaft i Steuersatz, der in Körperschaft i erhoben wird standardisierter Steuersatz Steuersatz, der für den infolge der Finanzzuweisung notwendigen Budgetausgleich erhoben wird Bemessungsgrundlage der Steuern in Körperschaft i durchschnittliche Bemessungsgrundlage Finanzzuweisung, die von einer Körperschaft i empfangen wird (S t > 0) bzw. zu zahlen ist (5 f < 0) Bedarfsindex für die Körperschaft i durchschnittlicher Bedarfsindex Versorgungsniveau mit öffentlichen Leistungen in Körperschaft i angestrebtes durchschnittliches Versorgungsniveau mit öffentlichen Leistungen vom Durchschnitt abweichendes angestrebtes Versorgungsniveau mit öffentlichen Leistungen Benefit-Effort Ratio der Körperschaft i Purchasing Power-Effort Ratio der Körperschaft i standardisierte Benefit-Effort Ratio Kosten pro Einheit der öffentlichen Leistungen in Körperschaft i Pro Kopf-Realleistungen in Körperschaft i zusätzliche prozentuale Kosten der öffentlichen Leistungserstellung im Vergleich zu den Standard-Kosten Kostenfaktor für Umweltbedingungen bei Ausgabenart r Kostenfaktor für Größenvor- bzw. -nachteile bei Ausgabenart r Kostenfaktor für anzubietende Stückzahlen bei Ausgabenart r Kostenfaktor für Besonderheiten in der Bevölkerungsstruktur bei Ausgabenart r special grant für einen claimant state Finanzkraft-Komponente der special grant Finanzbedarfs-Komponente der special grant aus Finanzkraft- und -bedarfskomponente berechneter Gesamtbedarf des claimant state
Symbolverzeichnis GG P{ Pc Ps YC YS Rs ES
17
Teil des Gesamtbedarfs, der aus anderen Finanzzuweisungen des Bundes gedeckt ist Einwohnerzahl der Körperschaft i Einwohnerzahl des claimant state Einwohnerzahl des standard state Bemessungsgrundlage für öffentliche Einnahmen im claimant state Bemessungsgrundlage für öffentliche Einnahmen im standard state (Gesamt-)Einnahmen des standard state (Gesamt-)Ausgaben des standard state
Einleitung I m Vergleich zu den übrigen öffentlichen Einnahmen, vor allem den Steuern, kann die finanzwissenschaftliche Beschäftigung mit den Finanzzuweisungen (im folgenden kurz: FZ), also den Transferzahlungen zwischen Körperschaften, 1 nur auf eine relativ kurze Tradition zurückblicken. Während die Arten und Wirkungen der Besteuerung bereits seit der Zeit der Klassiker umfassend diskutiert wurden 2 und auch im Zentrum der finanzwissenschaftlichen Lehrbücher des 19. Jahrhunderts standen,3 dauerte es immerhin bis zu den 20er Jahren dieses Jahrhunderts, bis die ersten grundlegenden Studien über den Finanzausgleich, also die Verteilung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen zwischen den Körperschaften in einem mehrstufigen und mehrgliedrigen Staatsaufbau, vorgelegt wurden. 4 Aber auch hierbei wurden die FZ in erster Linie nur deskriptiv behandelt, d. h. ihre unterschiedlichen Ausgestaltungsformen und die mit ihnen zu verfolgenden Zielsetzungen lediglich beschrieben. Wirkungsanalysen für die FZ, die sich einerseits auf die Beeinflussung des Ausgabeverhaltens der unterstützten Körperschaften und andererseits auf die von ihnen ausgehenden Umverteilungseffekte beziehen, liegen erst seit etwa 30 Jahren vor. Für diese lange Abstinenz der finanzwissenschaftlichen Forschung von den Problemen der FZ sprechen vor allem zwei Gründe: Einmal ist auf den früher deutlich geringeren Finanzbedarf sämtlicher Körperschaften hinzuweisen, der die Frage nach der Verteilung der öffentlichen Mittel auf die einzelnen Glieder im Staatsaufbau als nicht so dringlich erscheinen ließ. 5 Zum anderen drückte sich hierin aber auch aus, daß die FZ — wie im übrigen der gesamte Finanzausgleich—im Spannungsfeld von ökonomischen, juristischen, politologischen und soziologischen Überlegungen stehen, was eine Wirkungsanalyse mit den traditionellen Instrumenten erschwerte. Mittlerweile haben sich aber in bezug auf beide Gründe deutliche Veränderungen ergeben. Durch das Übertragen von immer mehr Aufgaben an den Staat ist sein Finanzbedarf im Laufe der Zeit gestiegen, so daß auch die Frage nach der Abgrenzung der (vor allem: Finanzierungs-)Zuständigkeiten für die unterschiedlichen Aufgaben zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Ganz aktuell 1
Für eine genauere Begriffsabgrenzung vgl.: 1. Teil, Kap. 1. Exemplarisch sei auf die beiden bekanntesten Werke hingewiesen: Smith, Α., 1776,5. Buch, 2. Kap.; Ricardo, D., 1821, Kap. V i l i - X V I I . 3 Vgl. z.B.: von Eheberg, K.-T., 18./19. Aufl., 1922; Wagner, Α., 1877-1889. 4 Vgl.: Hensel, Α., 1922; Popitz, J., 1925; ders., 1927; ders., 1932. 5 So auch: Bickel, W., 1956, S. 730f. 2
2*
Einleitung
20
zeigt sich das an der Diskussion um die Konsolidierung der Staatsfinanzen, die in den letzten Jahren in praktisch allen westlichen Industrieländern geführt wurde; denn einige Körperschaften haben ihre Haushaltsschwierigkeiten dadurch zu verringern versucht, daß sie Teile der von ihnen bisher (mit-) finanzierten Ausgaben auf andere Körperschaften abwälzten.6 Sodann ist es mit der ökonomischen Theorie des Föderalismus 7 gelungen, ein Instrumentarium zu entwickeln, mit dem auch nichtökonomische Aspekte des Finanzausgleichs im Rahmen einer (erweiterten) Nutzen-Kosten-Analyse erfaßt werden können. Beide Entwicklungen haben dazu beigetragen, daß seit Anfang der 70er Jahre die Zahl der Untersuchungen zu den FZ sprunghaft angestiegen ist. 8 Ein Blick in die vorhandene Literatur zeigt, wie vielschichtig die Problematik der Gestaltung der FZ und der von ihnen ausgehenden Wirkungen ist. Allein bei den hier ausschließlich betrachteten /«verstaatlichen Transferströmen ergibt sich eine ganze Palette unterschiedlicher Ausgestaltungsformen, je nachdem zwischen welchen Körperschaften die FZ fließen, welche Ziele mit ihnen verfolgt werden und ob und mit welchen Auflagen sie ausgestattet sind. 9 Darüber hinaus sind aber grundsätzlich die gleichen Probleme zu lösen, wenn sich mehrere souveräne Staaten für die Erfüllung bestimmter Aufgaben zusammenschließen und die dabei entstehenden Kosten auf die Mitgliedsländer verteilt werden müssen. Beredtes Zeugnis für die sich hierdurch ergebenden Schwierigkeiten ist die gegenwärtige Diskussion um die Finanzierung der Europäischen Gemeinschaften, 10 die bemerkenswerte Parallelen zu den im folgenden zu behandelnden Zusammenhängen aufweist. Die bisher vorgelegten Untersuchungen der FZ sind — sicher nicht zuletzt wegen der Komplexität des Studienobjekts — durchweg durch eine gewisse Enge der jeweils angewendeten Forschungskonzeption gekennzeichnet.11 Entweder werden die möglichen Ausgestaltungsformen der FZ nur theoretisch abgehandelt, ohne daß auf ihre Umsetzung in die Praxis eingegangen wird. Oder aber es werden lediglich (Teile der) existierende(n) Systeme von FZ auf bestimmte Wirkungen hin untersucht, wobei häufig entweder die theoretischen Grundlagen zu kurz kommen oder der Gesamtzusammenhang verloren geht. Demgegenüber ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit, beiden Aspekten gleichermaßen Rechnung zu tragen, nämlich zum einen die theoretische Grundlegung der FZ zu schaffen und zum anderen die praktische Ausgestaltung 6
Hierauf wird weiter unten (1. Teil, Kap. 3.1.3.2.1.) noch einzugehen sein. Zu einem Überblick vgl.: Kirsch, G., 1977. 8 Eine lesenswerte Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse bietet: Grämlich, E. M , 1977, S. 219ff. 7
9
Vgl. dazu im einzelnen: 1. Teil, Kap. 1. Vgl. hierzu: Peffekoven, R., 1983, S. 250ff. 11 Als bemerkenswerte Ausnahme ist die Arbeit von M. Gläser (1981) zu nennen, der erstmalig sämtliche FZ an die Gemeinden und Gemeindeverbände in der Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe eines umfassenden theoretischen Kriterienkatalogs analysiert hat. 10
Einleitung
der innerstaatlichen Transferströme anhand der gewonnenen theoretischen Erkenntnisse zu beurteilen. Dabei wird noch unter zwei weiteren Gesichtspunkten über den bisher vorliegenden Kenntnisstand hinausgegangen: Erstens stehen im Zentrum der vorhandenen Analysen der praktizierten Systeme von FZ die Transferströme an die kommunale Ebene. Sämtliche in den letzten Jahren im deutschen Sprachraum erschienenen Studien zu den FZ beziehen sich auf den Komplex der Gemeindefinanzen. 12 Im Vergleich dazu ist die ökonomische Analyse der FZ im bundesstaatlichen Finanzausgleich, also im Verhältnis zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern, zu kurz gekommen. Zwar sind gerade in jüngster Zeit einige Gutachten zu den Fragen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs in der Bundesrepublik erschienen, die sich aber in erster Linie mit verfassungsrechtlichen Problemen beschäftigen und auf ökonomische Argumente allenfalls am Rande eingehen.13 Anstatt den Kreis der Studien zu den FZ an die Gemeinden (und Gemeindeverbände) um eine weitere zu vergrößern, die im übrigen wahrscheinlich keine wesentlichen Neuigkeiten hätte erbringen können, wird in dieser Untersuchung deswegen der Frage nachgegangen, inwieweit die Praxis der FZ im bundesstaatlichen Finanzausgleich mit den theoretischen Anforderungen übereinstimmt oder an sie angepaßt ist. Zweitens beschränken sich die folgenden Betrachtungen nicht nur auf den bundesstaatlichen Finanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland. Vielmehr soll versucht werden, durch einen Blick über die Grenzen unseres Landes hinaus weitere Erkenntnisse über die Qualität des bestehenden Systems von FZ zu gewinnen. Obwohl eine ganze Reihe von Ländern für einen solchen Vergleich hätte herangezogen werden können, 14 wurde als Referenzgröße das in Australien praktizierte FZ-System gewählt. Maßgeblich für diese Entscheidung war einmal, daß die föderative Organisation der beiden Staaten sehr ähnlich ist, 1 5 und vor allem, daß bei der Gestaltung der FZ in Australien den theoretischen Anforderungen — ζ. T. jedenfalls — stärker Rechnung getragen wird als in der Bundesrepublik. Insoweit können durch diesen Vergleich Anhaltspunkte dafür gefunden werden, wie die These zu beurteilen ist, daß die praktizierten Systeme von FZ von einem Teil der mit ihnen verbundenen Mängel befreit werden könnten, wenn bei ihrer Ausgestaltung die theoretischen Erkenntnisse stärker berücksichtigt würden. Die Anregung, die praktizierten Ausgestaltungen von FZ im Rahmen eines internationalen Vergleiches zu analysieren, verdankt der Verf. einigen zu Beginn der 80er Jahre im Ausland erschienenen Studien, die sich unter der Bezeichnung „comparative government studies" mit den gesamten Finanzausgleichsregelun12
Vgl.: Petri, W., 1977; Wahl, H., 1980; Gläser, M., 1981; Weber, M., 1981; Massat, D.,
1984. 13 14 15
Vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2.3. Vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 1.2. Zu den Einzelheiten vgl.: 2. Teil, Kap. 2.2. und 3.2.
22
Einleitung
gen mehrerer föderativ organisierter Länder beschäftigten. 16 Obwohl solche internationalen Vergleiche nicht unproblematisch sind, insbesondere wenn daraus konkrete Vorschläge zur Änderung bestehender Systeme abgeleitet werden, 17 wird hier dennoch dieser Untersuchungsmethode gefolgt. Dahinter steht die — vom Verf. geteilte — Auffassung, daß in bezug auf ähnlich strukturierte Probleme auch unter Berücksichtigung der Eigenheiten eines jeden Landes gilt, „that each country can learn something from the experience of the others". 18 Die folgenden Ausführungen werden zeigen, daß dies auch für die Gestaltung der FZsysteme in beiden Staaten der Fall ist. Die Entscheidung, Australien als Vergleichsland heranzuziehen, spricht ebenfalls dafür, im Rahmen dieser Arbeit die Probleme des kommunalen Finanzausgleichs auszuklammern. Wie bei der Vorstellung der föderativen Organisationen der beiden Staaten noch kurz dargelegt wird, 1 9 kommt den Gemeinden im australischen Staatsaufbau ein deutlich geringeres Gewicht als in den meisten anderen föderativen Staaten zu. Weil sich dies auch auf den Umfang der an die Kommunen fließenden Transferströme auswirkt, eignen sich diese nicht für einen Vergleich mit dem deutschen System, in dem immerhin etwa 30 v.H. der kommunalen Einnahmen aus FZ bestehen.20 Entsprechend der hier verfolgten Zielsetzung und der gewählten Untersuchungsmethode gliedern sich die folgenden Ausführungen in zwei Teile. Der erste Teil ist der theoretischen Grundlegung gewidmet. Nach den notwendigen Abgrenzungen der Begriffe und vor allem der möglichen Ausgestaltungsformen werden die Wirkungen der verschiedenen Arten von FZ anhand einer modelltheoretischen Analyse abgeleitet. Dabei wird sich zeigen, daß die hierzu seit knapp 30 Jahren verwendete Indifferenzkurvenanalyse immer noch nicht fehlerfrei ist, so daß ihre (erneute) Behandlung unumgänglich ist. Hieran schließt sich die Diskussion der mit den FZ zu verfolgenden Ziele und den daraus abzuleitenden Konsequenzen für ihre Ausgestaltung an, wobei die ökonomischen Ziele zwar im Vordergrund stehen, aber auch die außerökonomischen Aspekte beleuchtet werden, denen bei der Gestaltung des Finanzausgleichs eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt. Der zweite Teil hat die praktische Ausgestaltung der FZ im bundesstaatlichen Finanzausgleich in Australien und in der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand. Für beide Länder werden jeweils die Grundzüge ihrer ökonomischen und außerökonomischen Rahmenbedingungen sowie ihre föderative Organisation abgehandelt. Im Zentrum der Betrachtungen stehen dann die FZsysteme, wobei zwischen allgemeinen und zweckgebundenen FZ unterschie16 17 18 19 20
Vgl. vor allem: ACIR, 1981; Mathews, R. L., 1980; ders., 1982. Auf die Probleme wird noch im einzelnen einzugehen sein; vgl.: 2. Teil, Kap. 1.1. ACIR, 1981, S. 1. Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.2. Vgl. z.B.: Finanzbericht 1985, S. 112,
Einleitung
den wird. Über die Darstellung der historischen Entwicklung hinaus werden die Fragen geprüft, nach welchen methodischen Ansätzen die FZ gestaltet sind, welche quantitativen Umverteilungseffekte sie haben und was kritisch zu den praktizierten Regelungen zu sagen ist. Den Abschluß bilden einige Überlegungen zu den Konsequenzen, die aus diesem internationalen Vergleich gezogen werden können.
Erster Teil
Theoretische Grundlegung 1. Ausgestaltungsformen der Finanzzuweisungen Die einleitenden Bemerkungen haben deutlich werden lassen, daß das Spektrum der praktizierten Zuweisungsarten außerordentlich weit gefächert ist. Dies ist vor allem damit zu erklären, daß mit den FZ sehr unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Bevor daher geprüft wird, inwieweit sich die alternativen Zuweisungsarten für die Erreichung bestimmter Ziele 1 eignen, muß geklärt werden, wie FZ überhaupt ausgestaltet werden können. Die folgenden Überlegungen beschränken sich dabei auf die direkten monetären Transfers zwischen Gebietskörperschaften in der Definition von Smekal 2. Demnach werden sowohl die indirekten monetären (ζ. B.: Übernahme einer an Dritte in Geld geschuldeten Leistung) als auch die direkten bzw. indirekten realen Transfers (z.B.: unentgeltliche Übertragung oder Erstellung von Gütern und Dienstleistungen) nicht berücksichtigt. 3 Wegen dieser weiteren Interpretationsmöglichkeiten des Begriffs der „Transfers zwischen Gebietskörperschaften (TG)" wird im folgenden dieser Terminologie nicht gefolgt. Vielmehr wird im Rahmen dieser Arbeit nur von „Finanzzuweisungen" gesprochen, wodurch auch unmittelbar deutlich wird, daß nur direkte monetäre Transfers, also Geldleistungen zwischen Körperschaften ohne Anspruch auf eine direkte Gegenleistung,4 gemeint sind. Zur Klassifikation der verschiedenen Arten von FZ können folgende Kriterien herangezogen werden: (1) Je nachdem, ob die FZ zwischen verschiedenen Ebenen oder innerhalb einer Ebene eines föderativen Staatsaufbaus gezahlt werden, kann zwischen vertikalen und horizontalen FZ unterschieden werden. I m letztgenannten Fall stehen Geber und Empfanger der FZ auf der gleichen staatlichen Ebene. Als Beispiele seien FZ zwischen den Ländern innerhalb der Bundesrepublik bzw. zwischen den Gemeinden eines Landes genannt. 1
Nach H. Zimmermann (1977, S. 172ff.) kann in diesem Zusammenhang auch kurz von der „Instrumentenqualität der Finanzzuweisungen" gesprochen werden. 2 Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 155ff. 3 Eine ausführliche Beschreibung dieser alternativen Arten von Transfers findet sich: ebenda. 4 Der Zusatz der „direkten" Gegenleistung ist erforderlich, da sich gerade die FZ durch eine Vielzahl unterschiedlicher Verhaltensauflagen auszeichnen können und insoweit eine indirekte Gegenleistung gefordert sein kann.
1. Ausgestaltungsformen der Finanzzuweisungen
25
Meist wird bei der Analyse von FZ der Fall vertikaler FZ betrachtet, bei dem Zuweisungsgeber und -empfanger auf unterschiedlichen politischen Souveränitätsstufen angesiedelt sind. Hierbei zahlt z.B. ein Oberverband an die untergeordneten Gebietskörperschaften (Bund an Länder; Land an Gemeinden). Allerdings ist auch der umgekehrte Mittelfluß denkbar, wie es ζ. B. durch die Gewerbesteuerumlage in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert wird. Hierbei überweisen die Gemeinden einen Teil des ihnen zufließenden Gewerbesteueraufkommens an Bund und Länder. Wegen des im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten internationalen Vergleichs werden sowohl die horizontalen als auch die vertikalen FZ in die Analyse einbezogen,5 da in den beiden betrachteten Ländern gleiche Ziele mit unterschiedlich ausgestalteten FZ verfolgt werden (ζ. B.: Ausgleich von Finanzkraftund -bedarfsunterschieden durch horizontale „Ausgleichszuweisungen" im Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik und durch vertikale „special grants" in Australien). 6 (2) Für die Wirkungsanalyse entscheidend ist die Frage, ob die Zahlung einer FZ an Auflagen geknüpft ist, die vom Empfanger zu erfüllen sind. 7 In diesem Fall wird häufig zwischen allgemeinen und speziellen FZ unterschieden, obwohl hiermit nur eine Art von Auflagen, nämlich Verwendungsauflagen, abgedeckt wird. Damit soll erreicht werden, daß die FZ nur für bestimmte, vom Zuweisungsgeber festgelegte Zwecke eingesetzt werden. Synonym zu speziellen FZ wird daher auch von zweckgebundenen FZ oder kurz: Zweckzuweisungen gesprochen. 8 Diese Gliederung findet sich auch in den jährlich erstellten Übersichten zu den staatlichen Zuweisungen in den „Finanzberichten" des Bundesministeriums der Finanzen in der Bundesrepublik. 9 Allerdings müssen sich die Auflagen nicht notwendigerweise auf die Verwendung der FZ beziehen. Vielmehr kann die Gewährung von FZ auch davon abhängig gemacht werden, daß der Empfangerhaushalt — unabhängig vom Einsatz der zugewiesenen Mittel — bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Demzufolge muß bei der Unterscheidung, ob eine FZ mit oder ohne Auflagen gezahlt wird, noch zwischen Empfangs- und Verwendungsauflagen differenziert werden. Es ergibt sich folgende Matrix möglicher Ausgestaltungsformen: 10 5
Damit wird hier einem weiteren Ansatz gefolgt, als er üblicherweise betrieben wird; vgl. z.B.: Smekal, C , 1980, S. 168; Gläser, M., 1981, S. 6ff. 6 Vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2. und 3.3.1.2.2. 7 A u f die Möglichkeit, daß auch der Geber der FZ Auflagen erbringen kann (z.B.: gesetzliche Verpflichtung zur regelmäßigen Zahlung), wird hier nicht näher eingegangen; vgl. dazu: Smekal, C., 1980, S. 175f. 8
Vgl. z.B.: Gläser, M., 1981, S. 36ff. Vgl. z.B.: Finanzbericht 1985, S. 114. 10 Die Zuordnung der englischen Begriffe, die ebenfalls in der Literatur nicht einheitlich erfolgt (so spricht ζ. B. Oates im Fall einer Zweckbindung von „conditional grants"; Oates, W. E., 1972, S. 76), wird hier in Anlehnung an Waldauer vorgenommen; 9
1. Teil: Theoretische Grundlegung
26
Verwendungsauflage Empfangsauflage
ohne Verwendungsauflage (general purpose grants)
mit Verwendungsauflage (special purpose grants)
ohne Empfangsauflage (unconditional grants)
FZ Typ 1
FZ Typ 3
mit Empfangsauflage (conditional grants)
FZ Typ 2
FZ Typ 4
M i t den FZ Typ 1 (unconditional, general purpose grants) ist der einfachste Fall allgemeiner FZ angesprochen. Ihre Vergabe ist weder an bestimmte Kriterien des Empfangerhaushalts noch an den Einsatz der übertragenen Mittel in bestimmte Projekte gebunden. Als Beispiel kann auf die Beteiligung der untergeordneten Gebietskörperschaften an Bundessteuern (sog. tax sharing) verwiesen werden. 11 I m Rahmen eines solchen Steuerverbundes fließen z.B. in der Bundesrepublik Deutschland den Ländern und Gemeinden bestimmte Anteile an den Gemeinschaftsteuern (Einkommen-, Körperschaft-, Umsatzsteuer) zu. Allerdings betrifft diese Zuordnung zu Typ 1 nur die vertikale Verteilung der Steuereinnahmen auf die drei staatlichen Ebenen. Wird darüber hinaus noch gefragt, welcher Anteil dem einzelnen Land bzw. der einzelnen Kommune zufließt, könnte man —jedenfalls in einer weiten Interpretation des Begriffs 12 — auch von Empfangsauflagen sprechen, da diese Mittel horizontal nach Maßgabe des (korrigierten) örtlichen Aufkommens bzw. der Einwohnerzahl verteilt werden und insoweit auf Eigenschaften der empfangenden Gebietskörperschaft abgestellt wird. Schon der soeben angedeutete Fall der horizontalen Verteilung der aus dem Steuerverbund zur Verfügung stehenden Mittel macht den Zweck von Empvgl.: Waldauer, C., 1973, S. 213. Eine ähnliche Unterteilung findet sich bei: Musgrave, R. A./Musgrave, P. B./Kullmer, L., Bd. 4, 1978, S. 158. 11 So auch: Maxwell, J. A./Aronson, J. R., 1977, S. 71. Damit wird von einer sehr weiten Interpretation des FZ-Begriffes ausgegangen, weil in diesem Fall im Grunde kein FZ-Geber existiert, sondern lediglich eine gemeinsame Finanzmasse aufgeteilt werden muß. Dabei sind allerdings prinzipiell die gleichen Probleme zu lösen wie bei der Vergabe der FZ. Außerdem zeigt ein Blick in die praktizierten Regelungen, daß als Ersatz der Zahlung von FZ häufig Steuerverbundregelungen eingeführt wurden, so daß auch deswegen darauf einzugehen ist; vgl. z.B.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.1. 12 In einer engen Interpretation könnten unter Empfangsauflagen nur solche verstanden werden, die bestimmte Gebietskörperschaften vom Empfang der Zuweisungen ausschließen. Dann würde auch die horizontale Verteilung der Anteile an den Gemeinschaftsteuern zum Typ 1 gerechnet werden, da bei dieser Verteilung (nach dem örtlichen Aufkommen bzw. nach der Einwohnerzahl) prinzipiell gewährleistet ist, daß alle Gebietskörperschaften daran partizipieren.
1. Ausgestaltungsformen der Finanzzuweisungen
27
fangsauflagen deutlich. Denn mit diesen Verteilungsschlüsseln, den „allocation formulas", 13 wird darüber entschieden, ob und inwieweit die einzelne Körperschaft an dieser Finanzmasse partizipiert. Demnach führen FZ Typ 2 ( conditional, general purpose grants) zu einer Eingrenzung des Empfangerkreises. Als Beispiel sei auf die Ergänzungszuweisungen des Bundes nach Art. 107 Abs. 2 GG verwiesen, die nur an bestimmte leistungsschwache Länder gezahlt werden. Auf den Einsatz der übertragenen Mittel wird bei den FZ Typ 2 kein Einfluß genommen, so daß grundsätzlich — wie auch schon im ersten Fall — von einer „Kaufkraftzuführung ohne Verhaltensbeeinflussung" 14 gesprochen werden kann. Allerdings ist für diese Interpretation die gewählte Art der Empfangsauflage näher zu betrachten. So können sich diese Auflagen auf geographische (z.B.: Küstenländer), demographische (ζ. B.: Altersstruktur der Bevölkerung), ökonomische (ζ. B.: Finanzbedarf-/-kraftrelationen) oder funktionale Kriterien (ζ. B.: Angebot bestimmter Leistungen) beziehen.15 Während sich die ersten beiden Möglichkeiten einer Beeinflussung durch den Zuweisungsempfänger — jedenfalls weitgehend 16 — entziehen, kann die Berücksichtigung von ökonomischen oder funktionalen Merkmalen zu Reaktionen der unterstützten Gebietskörperschaft führen. Ist die Vergabe der FZ an eine mangelnde eigene Finanzkraft gebunden, besteht die Gefahr, daß der Empfanger seine Steueranspannung (tax effort) verringert, um vermehrt Zuweisungen zu erhalten. 17 Wird die Zuweisung an die Auflage geknüpft, daß eine bestimmte öffentliche Leistung (z.B.: weiterführende Schule) überhaupt oder in einem bestimmten (Mindest-) Umfang zur Verfügung gestellt wird, werden die Reaktionsmöglichkeiten des Empfangers — wie im einzelnen noch gezeigt wird 1 8 — in ähnlicher Weise eingeschränkt wie durch Verwendungsauflagen. 19 Insoweit ist auch der Übergang von FZ Typ 2 zu FZ Typ 3 fließend. M i t Hilfe der FZ Typ 3 ( unconditional, special purpose grants) wird erreicht, daß die übertragenen Mittel nur für bestimmte, vom Zuweisungsgeber festgelegte Zwecke eingesetzt werden. 20 Dabei bleiben dem Empfanger Entscheidungs13
Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 625. Smekal, C., 1980, S. 172. 15 So auch: Hansmeyer, K.-H., 1970, S.435. Des weiteren weist W. E. Oates (1972, S. 77 F N 15) auf die Möglichkeit hin, daß mit Empfangsauflagen bestimmte gewünschte Verfahren des Finanzmanagements erreicht werden können. 16 Eine Veränderung der Altersstruktur könnte ζ. B. durch Gemeindezusammenlegungen erreicht werden. Wegen der vielfaltigen anderen Gesichtspunkte, die bei einer solchen Überlegung zu berücksichtigen sind, wird diesem Gedanken nicht weiter nachgegangen. 17 Wie dieser Gefahr begegnet werden kann, ist später noch näher zu untersuchen; vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.2.1.1. 18 Vgl.: 1. Teil, Kap. 2.3.3. 19 Je nach Restriktionsgrad der Empfangsauflagen ist daher auch der Ansicht Smekals (1980, S. 172) zuzustimmen, daß „der Lenkungseffekt von Empfangsauflagen ähnlich dem von Verwendungsauflagen (sein kann)". 14
28
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Spielräume, je nachdem wie weit bzw. eng die Verwendungsauflagen determiniert sind. Handelt es sich um relativ weit gefaßte, zielbezogene Zweckbindungen (z.B.: Investitionsförderung zur Konjunkturstabilisierung), können vergleichbare Wirkungen auch durch spezielle Empfangsauflagen (z.B.: festgelegter Anteil der Investitionsausgaben an den Gesamtausgaben) erreicht werden. Hierdurch wird erneut der fließende Übergang zwischen FZ Typ 2 und FZ Typ 3 deutlich. Wird demgegenüber das zu unterstützende Projekt bis in die kleinsten Details vorgeschrieben (ζ. B.: Schulbau mit festgelegter Raumhöhe und Anzahl der Fenster), verliert der Empfanger jeden Entscheidungsspielraum und wird „zu einem Verwaltungsagenten des Transfergebers denaturiert" 21 . Hinter der zweckgebundenen Vergabe von FZ steht der Grundgedanke, die geförderte öffentliche Leistung vermehrt zur Verfügung zu stellen bzw. ein Absinken des Ausbringungsniveaus zu verhindern. Da aber durch die Zweckbindung der Einsatz von eigenen Mitteln für das unterstützte Projekt nicht beeinflußt werden kann, ist nicht auszuschließen, daß nach Zahlung der Zweckzuweisung eigene Mittel, die bisher für diesen Zweck ausgegeben wurden, in eine andere Verwendung fließen (Leakage-Effekt). 22 U m das zu verhindern, kann man auf die bekannteste Form der FZ, den Typ 4 zurückgreifen. Allgemein können die FZ Typ 4 ( conditional , special purpose grants) so charakterisiert werden, daß nicht nur vorgeschrieben wird, für welche Zwecke die übertragenen Mittel eingesetzt werden müssen, sondern daß darüber hinaus diese Mittel nur an einen bestimmten Empfangerkreis gezahlt werden. Während durch jede Verwendungsauflage der Empfängerkreis ohnehin eingegrenzt wird (nämlich auf die Gebietskörperschaften, die die geförderte Leistung zur Verfügung stellen), können durch zusätzliche Empfangsauflagen solche Körperschaften vom Empfang der FZ ausgeschlossen werden, die zwar für ein Angebot an diesen öffentlichen Leistungen sorgen, die aber andere Kriterien nicht erfüllen (z.B.: geringe eigene Finanzkraft). In den weitaus meisten Fällen der Vergabe von Zweckzuweisungen findet sich eine Kombination mit Empfangsauflagen, 23 da auch der Geber von Zweckzuweisungen Kriterien benötigt, nach denen die vorhandene Finanzmasse auf die potentiellen Empfanger verteilt wird. Die hierbei am häufigsten angewendete Kombination und somit die bekannteste Form 2 4 der FZ Typ 4 besteht in der Vergabe einer zweckgebundenen FZ, die an eine finanzielle Eigenbeteiligung der unterstützten Gebietskörperschaft geknüpft ist (matching grant) 25 . Die Zweckzuweisung wird nur dann gezahlt, 20
Reine Kostenerstattungen oder durchlaufende Gelder werden hier nicht zu den zweckgebundenen FZ gerechnet; zur Abgrenzung vgl. z.B.: Hansmeyer, K.-H., 1970, S. 432. 21 Smekal, C., 1980, S. 173. So auch: Maxwell, J. A./Aronson, J. R., 1977, S. 65. 22 Vgl. z.B.: Wilde, J. Α., 1968, S. 341; Oates, W. E., 1972, S. 77. 23 So auch: Scott, A. D., 1952, S. 379. 24 So auch: Thurow, L., 1966, S. 374.
1. Ausgestaltungsformen der Finanzzuweisungen
29
wenn sich der Empfanger in einem festgelegten Umfang an den Kosten des geförderten Projekts beteiligt, wobei sich die Festlegung üblicherweise auf eine prozentuale Übernahme der Gesamtkosten bezieht (matching ratio). 26 Beispielsweise beteiligt sich im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a GG der Bund mit 50% (oder mehr) an den Sachausgaben der Länder für den Hochschulbau und die regionale Wirtschaftsförderung (sowie für die Agrarstruktur und den Küstenschutz). Wie die anschließende theoretische Analyse der FZ zeigen wird, kommt unter allokationspolitischem Aspekt dieser Ausgestaltungsform von FZ eine besondere Bedeutung zu. 2 7 (3) Das letzte zu betrachtende Kriterium stellt darauf ab, ob die FZ betragsmäßig begrenzt oder offen gewährt werden. Im ersten Fall (closed-end grants) 28 legt der Zuweisungsgeber einen bestimmten Betrag fest, der mit Hilfe unterschiedlicher Verteilungsverfahren auf die einzelnen Empfanger verteilt wird. 2 9 In Anlehnung an K.-H. Hansmeyer kann hierbei von „Repartitionstransfers" gesprochen werden. 30 Der Vorteil für den Zuweisungsgeber besteht darin, daß er ex ante beurteilen kann, welche finanziellen Lasten er durch das Zuweisungsprogramm zu tragen hat. Als Nachteil können bei diesem Verfahren aber — u. U. erhebliche — unerwünschte Verteilungswirkungen entstehen, je nachdem wie die Repartitionsregeln gestaltet sind. 31 Im anderen Fall (open-end grants) ergibt sich die Gesamtsumme der zu zahlenden FZ erst ex post. Hierbei kann noch danach unterschieden werden, ob ein bestimmter Zuweisungsbetrag für einzelne Bemessungsgrundlagen festgelegt wird und sich der Endbetrag durch die Addition aller geleisteten FZ ergibt (Quotitätstransfers). 32 Bei diesem System hängt die finanzielle Belastung des Gebers — sieht man von der Entscheidung über den Zuweisungsbetrag pro Stück ab — alleine von der Anzahl der realisierten Bemessungsgrundlagen ab und entzieht sich insoweit einer Steuerung durch den Zuweisungsgeber. Demzufolge kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Zuweisungen „ein Eigenleben beginnen" 33 , indem die Empfanger exzessiv Gebrauch von ihnen machen 34 und dadurch gegebenenfalls Überkapazitäten an den unterstützten 25
Vgl. z.B.: Wilde, J. Α., 1968, S. 340; Bradford, D. F./Oates, W. E., 1971, S. 441. Denkbar wäre auch eine Festlegung eines absoluten Betrages, der von der betroffenen Gebietskörperschaft für den unterstützten Zweck zur Verfügung gestellt werden muß. 27 Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.1.1.3. 28 Vgl. z.B.: Waldauer, C., 1973, S. 213; Scott, A. D., 1952, S. 385. 29 Hierzu kann auf die Ausführungen zu den Empfangsauflagen verwiesen werden; vgl.: dieses Kap. 30 Vgl.: Hansmeyer, K.-H., 1977, S. 974. 26
31 32 33 34
Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 175. Vgl.: Hansmeyer, K.-H., 1977, S. 974. Ebenda. Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 624.
30
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Projekten geschaffen werden. 35 Dem kann dadurch begegnet werden, daß zwar grundsätzlich dem Quotitätsprinzip gefolgt, aber zusätzlich ein Höchstbetrag festgelegt wird, der nicht überschritten werden darf. Alternativ könnte der Zuweisungsbetrag an die Entwicklung des Aufkommens einer bestimmten Steuer oder eines Steuerverbundes geknüpft werden. Als Beispiel kann in der Bundesrepublik auf die Ergänzungszuweisungen des Bundes an finanzschwache Länder in Höhe von 1,5 v.H. des gesamten Umsatzsteueraufkommens verwiesen werden. 36 Auch in diesem Fall wird nicht vom Zuweisungsgeber ex ante festgelegt, welchen Betrag an FZ er zahlen will. Vielmehr ergibt sich der insgesamt transferierte Betrag aus der Entwicklung der jeweiligen Bezugsgröße. Hierdurch kann zwar einerseits die übermäßige Ausdehnung der Zuweisungsprogramme verhindert werden. Andererseits bleibt für den FZgeber der Nachteil, daß er seine Belastung im vorhinein nicht genau abschätzen kann. I m Grunde werden dadurch die Chancen und Risiken der finanziellen Entwicklung — wie bei allen Verbundsteuern — zwischen den Körperschaften verteilt. Technisch handelt es sich wiederum um eine Kombination von Quotitäts- und Repartitionstransfers. Im Hinblick auf die anschließende theoretische Analyse der FZ können die Überlegungen zu den möglichen Ausgestaltungsformen wie folgt zusammengefaßt werden. Entscheidend ist, ob die FZ ohne oder mit Auflagen vergeben wird, die vom Empfänger zu erfüllen sind. Hierbei muß noch zwischen Empfangs- und Verwendungsauflagen unterschieden werden, wobei der Übergang zwischen ihnen fließend ist. Bei der folgenden Indifferenzkurvenanalyse werden im einzelnen betrachtet: — FZ Typ 1 — FZ Typ 2 am Beispiel einer funktionalen Empfangsauflage — FZ Typ 3 am Beispiel einer konkreten Projektförderung — FZ Typ 4 am Beispiel einer an eine Eigenbeteiligung gebundenen Zweckzuweisung Dabei wird in einem gesonderten Kapitel untersucht, welche Wirkungen die Vergabe als Repartitions- bzw. Quotitätstransfer hat. Auf die Frage, ob es sich um horizontale oder vertikale Zahlungen handelt, braucht für die theoretische Untersuchung des Ausgabeverhaltens der empfangenden Gebietskörperschaft nicht eingegangen zu werden. Diese Unterscheidung wird erst wieder bei der Analyse der praktizierten FZsysteme relevant.
35 36
Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 175. Vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 3.3.1.3.
2. Wirkungsanalyse
31
2. Wirkungsanalyse 2.1. Vorbemerkungen U m die Wirkungen alternativer Arten von FZ auf das Ausgabenverhalten der unterstützten Gebietskörperschaft zu beurteilen, bedient sich die Literatur seit gut dreißig Jahren der Indifferenzkurvenanalyse. Hierbei wird das bekannte Modell der Haushaltstheorie — ein Haushaltseinkommen wird in Abhängigkeit vom Preisverhältnis und den Präferenzen des Haushalts so auf die Ausgaben für zwei Güter(bündel) verteilt, daß der Nutzen des Haushalts maximiert wird 1 — auf den öffentlichen Sektor übertragen und gefragt, welche Reaktionen einer Gebietskörperschaft auf eine Einkommenserhöhung durch eine FZ theoretisch möglich sind und wovon diese abhängen. Die grundlegenden Studien stammen von Scott 2 und Wilde 3, auf die sich auch die meisten späteren Veröffentlichungen beziehen.4 Daneben sind aber auch die Untersuchungen von Haskell 5 und Waldauer 6 zu erwähnen, wobei die letztgenannte Quelle vor allem den Unterschied zwischen Empfangs- und Verwendungsauflagen deutlich gemacht hat. In jüngster Zeit haben sich SmekaP und sehr ausführlich auch King 8 erneut der Indifferenzkurvenanalyse bedient, um die speziellen Wirkungen alternativer FZarten zu verdeutlichen. Demnach liegt schon eine beträchtliche Anzahl solcher Analysen für FZ vor, und es stellt sich die Frage, warum die Indifferenzkurvenanalyse hier wiederum so eingehend behandelt wird. Das hat mehrere Gründe: Zum einen kann die Eignung der FZ für die Erreichung bestimmter Ziele nur beurteilt werden, wenn man weiß, welche Möglichkeiten eine Gebietskörperschaft grundsätzlich hat, auf eine FZ zu reagieren, und wovon diese Reaktionen abhängen. Hierzu bildet die Indifferenzkurvenanalyse — trotz aller (auch grundlegenden) Einwände, die gegen sie vorgebracht werden können 9 — eine geeignete Basis. 1 Eine ausführliche Beschreibung dieses Ansatzes findet sich praktisch in jedem Lehrbuch der MikroÖkonomie. Im deutschen Sprachraum hat sich besonders Luckenbach mit der Theorie des Haushalts beschäftigt, wobei sie insbesondere auch den Übergang von der Nutzenmaximierungsannahme in den älteren Ansätzen zur Konsistenzhypothese in den neueren Modellen deutlich werden läßt; vgl.: Luckenbach, H., 1975, insbes. S. 17ff.; dies., 1980, S. 300ff. 2 Vgl.: Scott, A. D., 1952, S. 377ff. 3 Vgl.: Wilde, J. Α., 1968, S. 340ff.; ders., 1971, S. 143ff. 4 Vgl. z.B.: Oates, W. E., 1972, S. 75; Grämlich, Ε. M., 1977, S. 222. 5 Vgl.: Haskeil, Μ . Α., 1964, S. 585ff. 6 Vgl.: Waldauer, C., 1973, S.212ff. 7 Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 176ff. 8 Vgl.: King, D. N., 1984, S. 88 ff. 9 Vgl. hierzu: Little, I. M. D., 1957, S. 84ff.; Külp, Β., 1982, S. 469ff.
32
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Zum anderen können die vorhandenen Analysen nicht in allen Punkten überzeugen. Das ist teilweise darauf zurückzuführen, daß nicht genau genug zwischen den verschiedenen Arten von FZ differenziert wird. So verbindet ζ. B. Waldauer 10 eine zweckgebundene Zuweisung zwangsläufig mit einer Eigenbeteiligung. Deswegen wird aus seiner Analyse nicht deutlich, ob es zu der ermittelten Drehung der Budgetgeraden durch die Verwendungsauflage oder durch die Eigenbeteiligung der unterstützten Körperschaft kommt. Teilweise sind aber auch die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen falsch oder zumindest ungenau. Z.B. sprechen Bradford IOates 11 einer „lumpsum grant" ( = FZ Typ 1) eine größere Anreizwirkung in bezug auf eine spezielle öffentliche Leistung zu als einer „matching grant" ( = FZ Typ 4), obwohl genau das Gegenteil der Fall ist. Auch die Quelle von Smekal enthält Ungenauigkeiten, 12 und in einer — sich auf Smekal berufenden — Studie des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen werden die entscheidenden theoretischen Unterschiede verkannt. 13 Außerdem weisen einzelne Untersuchungen so grobe Fehler in der modelltheoretischen Analyse auf, 1 4 daß es unumgänglich ist, hierauf erneut einzugehen und die Konsequenzen der unterschiedlichen Ausgestaltungsformen im Detail herauszuarbeiten. Bevor mit der Analyse begonnen werden kann, muß noch auf einige Probleme hingewiesen werden, die sich aus der Übertragung dieses Ansatzes auf den öffentlichen Sektor ergeben. Denn anstelle des in der Theorie des Haushalts meistens unterstellten unipersonellen Haushaltes bzw. Haushaltsvorstandes, der über die nutzenmaximale Güterkombination entscheidet,15 stellt eine Gebietskörperschaft ein multipersonelles Gremium dar, durch dessen Entscheidung über die Aufteilung des insgesamt zur Verfügung stehenden Einkommens auf private und öffentliche Güter der sog. „aggregate community welfare" 16 maximiert werden soll. U m hierfür die Indifferenzkurvenanalyse anwenden zu können, müßte gewährleistet sein, daß sowohl innerhalb der Gruppe der politischen Entscheidungsträger als auch zwischen diesen und den Bürgern der Gebietskörperschaft identische Nutzenvorstellungen bestehen.17 Auf das Problem, ob überhaupt und mit welchen Wahl- und Abstimmungsmechanismen diese Bedingung gewährleistet werden kann, wird hier nicht eingegangen.18 Im 10
Vgl.: Waldauer, C., 1973, S. 217f. Vgl.: Bradford, D. F./Oates, W. E., 1971, S.442. 12 Vgl.:l. Teil, Kap. 2.3.3. 13 Vgl.: Kops, M., 1983, S. 27. 14 Vgl.: Wahl, H., 1980, S. 82. 15 Allerdings wird in neueren Ansätzen der Haushaltstheorie auch auf die Möglichkeit eingegangen, daß die Präferenzen der in einem Haushalt zusammenlebenden Personen unterschiedlich sein können und insoweit auch dort Abstimmungsprobleme entstehen, wie sie im folgenden beschrieben werden; vgl. dazu z.B.: Luckenbach, H., 1980, S. 309ff. 16 Grämlich, E. M., 1977, S. 225. 17 So auch: Smekal, C., 1980, S. 178; Benkert, W., 1984, S. 45. 11
2. Wirkungsanalyse
33
folgenden wird davon ausgegangen, daß ein gemeinsames Indifferenzkurvensystem für die Bürger und politischen Entscheidungsträger der betrachteten Körperschaft konstruiert werden kann. 1 9 Daneben muß beachtet werden, daß im Rahmen der Theorie des Haushalts das Nutzenmaximum durch die Kombination zweier Güter(bündel) festgelegt wird, die über den Markt angeboten und nachgefragt werden {private Güter). Insofern handelt es sich bei den zu berücksichtigenden Preisen um Marktpreise. Durch den Übergang zu einem öffentlichen Haushalt sind jetzt aber auch — wie schon angedeutet— öffentliche Güter in die Betrachtung einzubeziehen, deren Preise nicht durch den Marktmechanismus bestimmt werden. Aufgrund des nicht funktionierenden Marktausschlußprinzips werden die öffentlichen Güter zu den Kosten bewertet, die für ihre Erstellung aufgewendet werden müssen.20 Allerdings sind für die folgende Analyse nur die jeweiligen Preisrelationen entscheidend, so daß auf das Problem, wie die absoluten Preise bestimmt werden (können), nicht weiter eingegangen wird. Ebenso wird vernachlässigt, daß zwischen den Präferenzen der Individuen in bezug auf private und öffentliche Güter qualitative Unterschiede bestehen können, die sich vor allem aufgrund der weitgehend unentgeltlichen Bereitstellung, des passiven Konsums und der präventiven Natur der öffentlichen Güter sowie des unzureichenden Informationsstandes der Bürger ergeben. 21 Schließlich stellt sich noch eine weitere Besonderheit dadurch, daß die Entscheidung nicht — wie in der Haushaltstheorie — zwischen zwei, sondern zwischen drei Alternativen getroffen werden muß. Denn neben der Überlegung, ob infolge einer FZ mehr an privaten oder mehr an öffentlichen Gütern realisiert wird, muß außerdem der Frage nachgegangen werden, ob sich die FZ auf die Gesamtheit aller oder nur auf bestimmte öffentliche Güter auswirkt. 22 Deswegen wird im folgenden so vorgegangen, daß zuerst nur die Alternative „private Güter versus öffentliche Güter" betrachtet und daran anschließend die Untersuchung auf den Fall reduziert wird, daß das Angebot an privaten Gütern konstant bleibt und sich die FZ ausschließlich innerhalb des Angebots an öffentlichen Gütern niederschlägt. 23 Wie die folgenden Ausführungen zeigen 18
Hierzu kann auf die finanzwissenschaftliche Lehrbuchliteratur verwiesen werden; z.B.: Andel, N., 1983, S. 49ff.; Wittmann, W., 1975, S. 39ff. 19 Schon Scott hat auf dieses Problem aufmerksam gemacht und als Ausweg die Berücksichtigung von „majority preferences" vorgeschlagen; vgl.: Scott, A. D., 1952, S. 381 f. 20
Eine genauere Beschreibung der Besonderheiten öffentlicher Güter findet sich in jedem finanzwissenschaftlichen Lehrbuch; siehe z.B.: Peffekoven, R., 1986a, S. 35ff. 21 Vgl. dazu: Schmidt, K., 1970, S. 25f.; ders., 1980, S. 138. 22 So auch: Scott, A. D., 1952, S. 382; Smekal, C., 1980, S. 177ff. 23 Dieses Problem wird in der Literatur mitunter dadurch umgangen, daß in der Indifferenzkurvenanalyse auf der Abszisse ein (unterstütztes) öffentliches Gut und auf der Ordinate alle anderen öffentlichen und die privaten Güter abgetragen werden; vgl. z.B.: Wilde, J., 1968, S.341. 3 Fischer
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
werden, ist für diese Unterscheidung eine Annahme relevant, die sich auf die (mögliche) Veränderung der Steuereinnahmen der unterstützten Gebietskörperschaften bezieht. 2.2. Variable Steuereinnahmen
In Abb. 1, in der auf der Abszisse (Ordinate) die Mengen an öffentlichen Gütern „ö.G." (privaten Gütern „p.G.") abgetragen sind, stellt AB die ursprüngliche Budgetgerade dar, die sich aus den der Gebietskörperschaft insgesamt zur Verfügung stehenden Einkommen und dem unterstellten Preisverhältnis zwischen öffentlichen und privaten Gütern ergibt. Das Nutzenmaximum ist in P 0 erreicht, da die Budgetgerade an dieser Stelle die höchstmöglich erreichbare Indifferenzkurve tangiert. 24 Demnach wird das vorhandene Einkommen so auf die Ausgaben für ö. G. und p. G. verteilt, daß OC an p. G. und OD an ö. G. realisiert werden. Damit den Bürgern der Gebietskörperschaft OD an ö.G. zur Verfügung gestellt werden kann, müssen sie auf AC an p.G. verzichten. M i t anderen Worten: Zur Finanzierung der öffentlichen Güter wird eine Steuer im Ausmaß ( Steuerbetrag \ AC von AC erhoben; der Steuersatz I = I beträgt — , 2 5 \ Einkommen / QA Erhält die Gebietskörperschaft nun eine FZ vom Typ 1, so vergrößert sich das insgesamt zur Verfügung stehende Einkommen um den Betrag der FZ. Da diese weder mit einer Empfangs- noch mit einer Verwendungsauflage versehen ist, 24
Auf die algebraische Ableitung der Bedingung für das Optimum wird hier verzichtet; vgl. dazu z.B.: Luckenbach, H., 1975, S. 32ff. 25 Genau genommen müßte der Zähler jeweils mit 100 multipliziert werden, damit es sich um einen Steuersatz handelt. Hierauf wird aus Vereinfachungsgründen verzichtet.
2. Wirkungsanalyse
35
kommt es zu einer bedingungslosen Erhöhung der Budgetsumme, die sich formal in einer Parallelverschiebung der Budgetgeraden nach A'B' auswirkt. 26 Der neue Optimalpunkt ( P ^ ist—wie man aus Abb. 1 unmittelbar ablesen kann — sowohl durch eine größere Menge an p. G. (OC ) als auch eine größere Menge an ö. G. (OD') gekennzeichnet. Bei dem hier unterstellten Verlauf der Indifferenzkurven hat die FZ also nicht nur das Angebot an ö. G., sondern auch das an p. G. vergrößert. Das Anwachsen der p. G. ist gleichbedeutend mit einer Steuersenkung; denn jetzt brauchen die Bürger der Gebietskörperschaft nur noch auf AC an p. G. zu verzichten, damit AC ÂC das Angebot an ö. G. realisiert werden kann. Der Steuersatz ist von = auf OA OA gesunken.27 Insoweit hat die FZ zu einem Einnahmen-Substitutions-Effekt geführt, 28 da ein Teil (nämlich ED) der bisher mit eigenen (Steuer-)Einnahmen finanzierten öffentlichen Güter jetzt aus Mitteln der FZ zur Verfügung gestellt werden. Welcher Zuwachs an ö. G. und p. G. und damit welche Kombination dieser Güterarten im neuen Optimalpunkt realisiert werden, hängt von den jeweiligen Einkommenselastizitäten der Nachfrage nach ö. G. und p. G. ab, die im Verlauf der Indifferenzkurven zum Ausdruck kommen. Geht man davon aus, daß die ö. G. im allgemeinen eine überdurchschnittliche Einkommenselastizität aufweisen, 29 so wird ihre Ausdehnung größer ausfallen als die der p.G. Da später auf die Bedeutung der Elastizitäten noch näher eingegangen wird, 3 0 sollen diese knappen Hinweise hier genügen. Allerdings ist noch die Frage aufzuwerfen, wie realistisch die modelltheoretisch aufgezeigte Möglichkeit der Steuer(satz)senkung und damit der Vergrößerung des Umfangs der p. G. infolge der Zahlung einer FZ ist. Hierzu muß auf zwei Aspekte hingewiesen werden. Zum einen wird es als wahrscheinlich angesehen, daß das Interesse der unterstützten Gebietskörperschaften größer ist, aufgrund der FZ ihr Angebot an öffentlichen Gütern auszudehnen, als eine zusätzliche Produktion von privaten Gütern zuzulassen. Deswegen soll ein überproportionaler Teil der zusätzlichen Mittel im öffentlichen Sektor „kleben" bleiben und nicht als Steuersenkung an die Privaten weitergegeben werden. Hierfür hat sich der Begriff „Fliegenpapier-Effekt" eingebürgert, 31 dessen 26 Das Ausmaß der FZ beträgt AÄ — gemessen in Einheiten der p. G. — bzw. BB' — gemessen in Einheiten der ö. G. 27 Es ist daraufhinzuweisen, daß bei der Berechnung des Steuersatzes als Bezugsgröße nur die „eigenen Einnahmen" herangezogen werden. Das Transfereinkommen bleibt hierbei unberücksichtigt; vgl.: Musgrave, R. A./Musgrave, P. B./Kullmer, L., 1978, Bd. 4, S. 161. 28 29 30
3*
Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 623. Vgl.: Benkert, W., 1984, S. 96. Vgl.: 1. Teil, Kap. 2.3.1.
36
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Ausmaß im wesentlichen von der Art der politischen Willensbildung abhängt. Ohne auf die Einzelheiten dieser im politologischen und finanzpsychologischen Bereich anzusiedelnden Probleme eingehen zu können, 32 bleibt festzuhalten, daß empirische Untersuchungen für die Existenz solcher „flypaper-effects" sprechen. 33 Daneben muß aber auch beachtet werden, inwieweit die unterstützten und damit i. d. R. die nachgeordneten Körperschaften überhaupt juristisch in der Lage sind, die Steuersätze zu variieren. Damit ist eine der zentralen Fragen der Autonomie der nachgeordneten Körperschaften angesprochen, die in den verschiedenen föderativen Staaten durchaus unterschiedlich ausgestaltet ist. So haben ζ. B. in der Bundesrepublik Deutschland die Länder und Gemeinden kaum Gesetzgebungskompetenzen für die Steuern. Wie noch im einzelnen dargestellt wird, 3 4 hat der Bund die weitaus meisten Steuern mit bundeseinheitlichen Steuergesetzen und damit auch einheitlichen Steuertarifen ausgestaltet. Lediglich bei den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern und den Realsteuern haben die nachgeordneten Körperschaften — z.T. allerdings nur beschränkte — Autonomie. Außerdem schlägt das Aufkommen dieser Steuern nicht so stark zu Buche, so daß die Möglichkeiten von Ländern und Gemeinden, auf den Erhalt einer FZ mit einer Änderung der Steueranspannung zu reagieren, als relativ gering einzuschätzen sind. Ähnliches gilt auch für Australien. 35 Ganz anders stellt sich z.B. die Situation in den USA dar, weil dort das Hauptgewicht der Steuergesetzgebung bei den einzelnen Bundesstaaten liegt. 36 Deswegen ist es auch verständlich, daß die amerikanischen Untersuchungen meistens von der Alternative p.G. und ö.G. ausgehen und insoweit die Auswirkungen auf die Besteuerung mit berücksichtigen, 37 auch wenn das häufig nicht explizit angesprochen wird. Im Hinblick auf die beiden hier untersuchten Länder und aus Vereinfachungsgründen wird für die weitere Analyse unterstellt, daß die unterstützten Körperschaften keine Möglichkeit haben, den Steuersatz zu ändern. Dann schlagen sich die FZ ausschließlich in einer Erhöhung des Angebotes an ö. G. nieder, 38 und es bleibt zu untersuchen, wie sich die transferierten Mittel auf die verschiedenen öffentlichen Leistungen aufteilen. 31 Vgl.: Grämlich, Ε. M., 1977, S. 234; Benkert, W., 1984, S. 48; King, D. N., 1984, S. 102. 32 Vgl. dazu die ausführlichen Beiträge in: Mieszkowski, P./Oakland, W., 1979; vor allem: Oates, W. E., 1979, S. 23 ff. 33 Vgl.: Grämlich, E. M., 1977, S. 327ff. 34 Vgl.: 2. Teil, Kap. 3.2. 35 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.2. 36 Vgl.: Herber, B. P., 1983, S. 804ff.; Head, J. G., 1983, S. 207f. 37 Vgl. z.B.: Waldauer, C., 1973, S. 214ff.; Musgrave, R. A./Musgrave, P. B./ Kullmer, L., 1978, Bd. 4, S. 159ff. 38 Formal gesprochen wird als neuer Optimalpunkt P 2 in Abb. 1 realisiert.
2. Wirkungsanalyse
37
2.3. Konstante Steuereinnahmen Im Zentrum der folgenden Analyse steht die Frage, ob durch die Vergabe von FZ mit Auflagen ein höherer Lenkungsgrad in bezug auf ein bestimmtes, präferiertes öffentliches Leistungsangebot erreicht werden kann. Deswegen wird im folgenden die gesamte Gruppe der öffentlichen Güter in ein (unterstütztes) Gut (x) und alle anderen von der unterstützten Körperschaft angebotenen öffentlichen Güter (y) aufgeteilt. I m folgenden werden in diesem Modell zuerst die verschiedenen Arten von FZ (Typ 1 bis Typ 4) analysiert, und anschließend wird der Unterschied zwischen betragsmäßig offenen und beschränkten FZ diskutiert. 2.3.1. Finanzzuweisung Typ 1 (ohne Auflagen) Erhält die unterstützte Gebietskörperschaft eine FZ Typ 1, so ergibt sich für sie — entsprechend der Darstellung in Abb. 1 — nur ein Einkommenseffekt, d.h. die Budgetgerade verschiebt sich parallel nach außen. Hierdurch verändert sich weder das Preisverhältnis zwischen den Gütern χ und y noch die Präferenzstruktur der Entscheidungsträger, so daß die Lage des neuen Optimalpunktes allein durch die Einkommenselastizitäten der Nachfrage nach den beiden Gütern bestimmt wird. Sind die Elastizitäten positiv — das bedeutet zwangsläufig, daß sie jeweils zwischen 0 und 1 liegen —, wird infolge der FZ von beiden Gütern mehr realisiert. Die Einkommens-Konsum-Linie ( E K L ) 3 9 hat ζ. B. den in Abb. 2 dargestellten Verlauf. Hierbei wird die Steigung der E K L vom Verhältnis der beiden Elastizitäten zueinander bestimmt, und zwar verläuft die E K L um so steiler, je größer die Elastizität in bezug auf y im Vergleich zu der Elastizität in bezug auf χ ist.
39 Eine genaue Ableitung der E K L , die auch als Engeische Kurve bezeichnet wird, findet sich in praktisch jedem Lehrbuch der MikroÖkonomie; vgl. ζ. B.: Ott, Α. E., 1979, S. 94 f.
38
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Würde sich aufgrund des Verlaufs der Indifferenzkurven als neuer Optimalpunkt P 2 ergeben, 40 dann würde sich die gesamte FZ nur in einer Erhöhung des Gutes y auswirken. Das Gut χ könnte als „Sättigungsgut" bezeichnet werden, 41 weil die unterstützte Körperschaft an einer weiteren Ausdehnung dieses Gutes nicht interessiert ist. Die Einkommenselastizitäten betragen in diesem Fall für y Eins und für Λ: Null. Denkbar wäre auch, daß auf A'B' ein Punkt links von P 2 oder rechts von P 3 realisiert würde. In diesem Fall käme es zu einer besonders großen Ausdehnung des einen Gutes, die durch einen Verzicht auf das andere Gut im Vergleich zur Ausgangssituation erkauft werden müßte. Würden ζ. B. Mittel, die bisher für χ eingesetzt wurden, abgezogen und für ein zusätzliches Angebot an y verwendet, dann stellt χ den bekannten Lehrbuchfall eines „inferioren Gutes" dar. y wäre entsprechend als „superiores Gut" zu bezeichnen. Die Einkommenselastizität in bezug auf χ ist kleiner als 0 und die in bezug auf y größer als 1, und die E K L biegt sich zur >>-Achse zurück. 42 Fragt man sich, inwieweit diese Unterscheidung auf die Realität des öffentlichen Leistungsangebotes übertragen werden kann, so ist es relativ leicht, bestimmte Staatsleistungen als superior zu charakterisieren. Die typischen Beispiele sind Ausgaben für das Bildungs- und Gesundheitswesen.43 Allerdings werden hierbei üblicherweise die Ausgaben für private Güter als Bezugsgröße herangezogen. Versucht man innerhalb des öffentlichen Sektors zwischen inferioren und superioren Leistungen zu unterscheiden, so sind hierzu die Beispiele nicht so unmittelbar einsichtig. Die üblichen Lehrbuchbeispiele im privaten Sektor (ζ. B.: Butter — Margarine; Restaurantessen — Mensaessen)44 beziehen sich auf Güter mit gleichem Verwendungszweck, aber unterschiedlicher Qualität der Bedürfnisbefriedigung. I m öffentlichen Sektor könnte man analog an den Ersatz von unbefestigten Wegen ( = inferiores Gut) durch gepflasterte oder asphaltierte Straßen (=superiores Gut) denken. Interessanter wäre es allerdings, eine Umschichtung zwischen Gütern mit verschiedenen Verwendungszwecken feststellen zu können. Hierzu bieten sich aber kaum Ansatzpunkte in der Realität; denn daß in einer Gebietskörperschaft angesichts steigender Einkommen der Bedarf an einer bestimmten Leistungsart absolut abnehmen soll, erscheint nicht zuletzt aufgrund des Einflusses von Interessengruppen eher unwahrscheinlich zu sein. Die realistischen Fälle im Bereich der öffentlichen Güter werden bei einer Einkommenselastizität zwischen 0 und 1 liegen. 45 Deswegen wird im folgenden von dieser Prämisse ausgegangen. 40 Die gleiche Argumentation gilt auch für P 3, nur daß hierbei die Bezeichnung der Güter vertauscht werden muß. 41 Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 181. 42 Für eine genauere Analyse sei wiederum auf das Lehrbuch von Α. E. Ott (1979, S. 94ff.) verwiesen. 43 44
Vgl. z.B.: Timm, H., 1961, S. 231; Recktenwald, H. C., 1977, S. 746. Vgl.: Ott, Α. E., 1979, S. 95.
2. Wirkungsanalyse
39
2.3.2. Finanzzuweisung Typ 2 (mit Empfangsauflage)
Die FZ Typ 2 soll am Beispiel einer FZ erläutert werden, deren Zahlung an die Auflage gebunden ist, daß die empfangende Gebietskörperschaft eine bestimmte öffentliche Leistung (x) in einem festgelegten Mindestumfang (*') anbietet. 46 Wird dieser Umfang aus den eigenen Mitteln zur Verfügung gestellt, dann soll die Körperschaft die FZ ohne jede weitere Auflage erhalten. Die neue Budgetgerade" lautet AA'Ä'B'. Für die Beurteilung der FZ ist dann die Lage des Ausgangsgleichgewichtes entscheidend. Hat P 0 einen größeren Abszissenwert, als der geforderte Mindestumfang von Λ: beträgt (vgl. Abb. 3 a), so kann das Ergebnis identisch mit dem einer FZ Typ 1 sein. Schneidet nämlich die E K L die neue Budgetgerade im Segment A"B', so ergibt sich kein Unterschied zu einer FZ Typ 1. Die Empfangsauflage ist im Grunde überflüssig und führt nur zu einem unnötigen Kontrollaufwand. Ist aber die Nachfrage nach y so einkommenselastisch, daß die E K L die Budgetgerade zwischen Ä und A" schneidet, wird nicht mehr ein Punkt auf der E K L , sondern immer A" realisiert. Da auf diesen Fall unter 2.3.3. noch näher einzugehen ist, mag dieser Hinweis hier genügen. Bei dieser Lage des ursprünglichen Optimalpunktes muß A" immer auf einer höheren Indifferenzkurve als P 0 liegen, so daß die Gebietskörperschaft durch die FZ ihre Wohlfahrtssituation verbessern kann und hiervon auch Gebrauch machen wird. Dieses Ergebnis muß sich aber nicht einstellen, wenn der 45 Dies wird auch durch Ergebnisse empirischer Untersuchungen unterstützt, die die Einkommenselastizitäten für verschiedene Arten der öffentlichen Leistungen überwiegend zwischen 0 und 1 berechnet haben; vgl. dazu: Grämlich, Ε. M., 1977, S. 229. 46 Auf praktische Beispiele solcher Ausgestaltungen von FZ in Kanada und den USA weist schon A. D. Scott (1952, S. 383 f.) hin.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Abszissenwert des Ausgangsgleichgewichts geringer als der geforderte Mindestumfang x' ist. Dann ist nämlich nicht auszuschließen, daß nach der Zahlung der FZ lediglich eine niedrigere Indifferenzkurve erreicht werden kann als im Ausgangszustand. Einen solchen Fall stellt Abb. 3 b dar.
Die unterstützte Körperschaft würde durch die Inanspruchnahme der FZ einen Wohlfahrtsverlust hinnehmen müssen und wird deswegen auf die FZ verzichten. Als Begründung hierfür ist darauf hinzuweisen, daß auf einen (zu) großen Teil an y verzichtet werden muß, um den geforderten Mindestumfang an χ realisieren zu können. Dies kann als ein theoretischer Beleg für ein bekanntes Phänomen der Konjunkturpolitik angesehen werden: Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen, aber trinken müssen sie selbst.47 Diese Überlegungen zeigen bereits, welche Bedeutung die jeweilige Ausgestaltung der FZ haben kann. Je höher nämlich der geforderte Mindestumfang, für den auf andere Leistungen verzichtet werden muß, in Relation zum Gesamtbudget der unterstützten Körperschaft ist, desto unwahrscheinlicher ist die Inanspruchnahme der FZ. Allerdings spielt bei dieser Entscheidung verständlicherweise auch das Volumen der FZ eine wichtige Rolle. 2.3.3. Finanzzuweisung Typ 3 (mit Verwendungsauflage) Während sich der gerade betrachtete Fall der Empfangsauflage darauf bezieht, daß die unterstützte Gebietskörperschaft aus ihren eigenen Mitteln ein Mindestangebot an χ zur Verfügung stellt und insofern auch von einer 47
So auch: Waldauer, C., 1973, S. 217.
2. Wirkungsanalyse
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Zweckbindung für eigene Mittel gesprochen werden könnte, stellt die FZ Typ 3 eine Zweckbindung (nur) für die Verausgabung der transferierten Mittel dar. Denn um diese FZ zu erhalten, muß die unterstützte Körperschaft gewährleisten, daß sie den Gesamtbetrag der FZ in das Angebot an χ einsetzt. Demnach würde ihr die FZ auch dann zufließen, wenn sämtliche eigenen Einnahmen zur Finanzierung des nicht-unterstützten Güterbündels y herangezogen würden. Da sich wiederum an der Preisrelation zwischen χ und y nichts ändert, lautet die neue Budget„gerade" AA'B' (vgl. Abb. 4).
Diese formale Darstellung macht erneut den fließenden Übergang zwischen FZ Typ 2 und Typ 3 deutlich. Denn je niedriger der erforderliche Mindestumfang von χ festgelegt wird, desto weniger bindet die Empfangsauflage den Einsatz der eigenen Mittel. Dient die Auflage nur dem Zweck zu verhindern, daß nach Erhalt der FZ mehr als die eigenen Mittel für y ausgegeben wird, so würde die entsprechende Empfangsauflage lauten: „Nicht mehr als OA für y". Das bedeutet in dieser Situation aber nichts anderes, als daß die gesamte FZ für χ eingesetzt werden muß, so daß in diesem Fall das Ziel „Nicht mehr als die eigenen Einnahmen für y" sowohl durch eine Empfangs- als auch durch eine Verwendungsauflage erreicht werden kann. Wodurch unterscheidet sich nun die FZ Typ 3 vom allgemeinen Fall einer FZ Typ 1? Die Vergabe der FZ mit einer Verwendungsauflage erweist sich (erneut)
42
1. Teil: Theoretische Grundlegung
als überflüssige Determinierung, wenn die Nachfrage nach dem subventionierten Gut relativ elastisch ist. Schneidet die E K L die neue Budgetgerade nämlich im Segment A'B„verpufft" die Verwendungsauflage, da auch die Gewährung einer allgemeinen FZ Typ 1 genau zum gleichen Optimalpunkt in Abb. 4) führen würde. Erneut wäre es nur zu einem unnötigen Verwaltungs- und Kontrollaufwand gekommen. 48 Da sich die Verwendungsauflage lediglich auf den Einsatz der transferierten Mittel für das unterstützte Gut bezieht, kann der Abfluß von eigenen Einnahmen, die bisher für diesen Zweck ausgegeben wurden, in das nichtunterstützte Gut nicht verhindert werden. 49 Ob es bei einer Erhöhung der FZ zu weiteren Leakage-Effekten kommt, hängt von der Steigung der E K L und dem Ausmaß der FZ ab. Denn je steiler die E K L verläuft — d. h. je einkommenselastischer die Nachfrage nach y ist —, desto eher wird bei einer Erhöhung des Zuweisungsprogramms der kritische Punkt P' (vgl. Abb. 4) erreicht. U m den kritischen Punkt handelt es sich deswegen, weil die Wirkungen einer FZ Typ 1 oder Typ 3 nicht mehr identisch sind, wenn die FZ das Ausmaß AP' — in Einheiten des Gutes x gemessen — übersteigt. Insoweit muß auch der häufig aufgestellten Behauptung widersprochen werden, wonach das Ausmaß der FZ im Verhältnis zum ursprünglich realisierten Umfang von χ (in Abb. 4: x 0) gesehen werden muß, wenn auf Lenkungseffekte geschlossen werden soll 5 0 . Wie man sich in der Graphik unmittelbar klarmachen kann, führt eine FZ Typ 3, die „nur" größer als das ursprüngliche Niveau von x ist, nicht zwangsläufig zu einem größeren Ausbringungsniveau von χ als eine FZ Typ 1, da die E K L in diesem Fall die Budgetgerade durchaus im Segment A'B' schneiden kann. Würde ζ. B. eine FZ in Höhe von — wiederum in Einheiten von x gemessen — AA" gewährt, so würde bei einer vollkommen freien Vergabe der Optimalpunkt P 3 auf der Indifferenzkurve / 3 realisiert. Wird die im gleichen Umfang gezahlte FZ aber für den Einsatz in χ zweckgebunden, können nicht mehr als OA an eigenen Mitteln für y eingesetzt werden, so daß in diesem Fall A" immer der Punkt ist, der auf der höchsten zu erreichenden Indifferenzkurve liegt. Demnach werden für das unterstützte Projekt nur noch übertragene Mittel ausgegeben. I m Vergleich zur Ausgangssituation fließen gleichwohl auch hier eigene Einnahmen in die andere Verwendung, so daß durch die Zweckbindung der Leakage-Effekt nicht verhindert werden kann. 5 1 Allerdings geht er bei einem weiter steigenden 48 Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 181 f. Nach seiner Terminologie könnte in diesem Fall auch von „Zweckzuweisungen ohne Lenkungseffekte" gesprochen werden. 49 Insofern kommt es auch durch eine Verwendungsauflage nicht — wie jüngst M. Kops (1983, S. 27) behauptet hat — zu einer Veränderung der relativen Preise und demnach auch nicht zwingend zu Lenkungseffekten. 50 Vgl.: Wilde, J. Α., 1968, S. 342; Smekal, C., 1980, S. 182; Benkert, W., 1984, S. 46. 51 Die einzige Ausnahme hiervon besteht darin, daß im Ausgangszustand sämtliche eigenen Mittel für y ausgegeben werden, d.h. vom Oberverband eine Leistung unterstützt wird, die bisher vom Empfanger nicht angeboten wurde.
2. Wirkungsanalyse
43
FZ-Betrag nicht über das erreichte Niveau hinaus. Nach Überschreiten der kritischen Grenze bleibt der Leakage-Effekt konstant. Vergleicht man die Punkte P 3 und A" miteinander, so erkennt man, daß infolge der Zweckbindung ein höheres Ausbringungsniveau des unterstützten Gutes Λ: im Vergleich zur freien Vergabe der FZ erreicht wird (Ox 2 > Ox 3). Gleichzeitig stellt man aber fest, daß der Punkt P 3 auf einer höheren Indifferenzkurve als A" liegt, so daß die größere Ausbringung von χ durch eine im Vergleich zur FZ Typ 1 geringeren Wohlfahrtssteigerung erkauft werden muß. In diesem Fall führt eine FZ Typ 3 also zu einer „excess burden", die sich in der Differenz zwischen den Nutzenniveaus der Indifferenzkurven I 3 und / 2 ausdrückt. 52 Dieses Ergebnis braucht nicht zu überraschen, da bei dieser Konstellation die FZ Typ 3 zu einem Substitutionseffekt führt, während die FZ Typ 1 lediglich einen Einkommenseffekt hat. Insoweit sind die Ergebnisse den in der Theorie der Besteuerung gewonnenen analog. 53 A n dieser Stelle können die ersten wichtigen Ergebnisse festgehalten werden: 1. FZ Typ 1 und FZ Typ 3 unterscheiden sich in ihren Konsequenzen erst ab einer bestimmten Größenordnung der überwiesenen Mittel. 2. Auch die Vergabe einer FZ Typ 3 kann den Abfluß eigener Einnahmen, die bisher für den präferierten Zweck ausgegeben wurden, in eine andere Verwendung nicht verhindern. 3. Zwar wird durch eine FZ Typ 3 ab einer bestimmten Größenordnung ein größeres Angebot des unterstützten Gutes realisiert. Aber dieses Mehr an Gut χ muß durch einen Wohlfahrts„verlust" im Vergleich zu einer betragsmäßig gleichen FZ Typ 1 erkauft werden. Für die praktische Ausgestaltung der FZ ergibt sich demnach: Will der jeweilige Oberverband die Wohlfahrt der unterstützten Gebietskörperschaft erhöhen, so empfiehlt sich die Vergabe der FZ ohne jede Auflage. Ist der Oberverband demgegenüber besonders an einer Ausdehnung einer bestimmten Leistung interessiert, so kann die Vergabe als FZ Typ 3 zu einem größeren Angebot an χ führen. Allerdings müßte der Oberverband Informationen über den kritischen Wert der FZ haben, wovon in der Praxis in der Regel nicht ausgegangen werden kann. 5 4 U m die zu erwartenden Leakage-Effekte gering zu halten, kann der Oberverband die FZ mit einer Kombination von Empfangsund Verwendungsauflagen ausgestalten. 2.3.4. Finanzzuweisung Typ 4 (mit Empfangs- und Verwendungsauflagen) Der typische Fall einer Kombination von Empfangs- und Verwendungsauflagen besteht aus einer an eine Eigenbeteiligung der untergeordneten Gebietskör52
Vgl. dazu z.B.: Schmidt, K., 1980, S. 152ff. Vgl.: ebenda. 54 So zeigen auch empirische Untersuchungen, daß zweckgebundene Zuweisungen häufig keine größeren Ausgaben-Anreiz-Effekte zur Folge haben als allgemeine FZ; vgl. z.B.: Follain, J. R., 1979, S. 498. 53
44
1. Teil: Theoretische Grundlegung
perschaft (Empfangsauflage) gebundenen Vergabe einer FZ, die nur für ein bestimmtes Projekt (Verwendungsauflage) eingesetzt werden darf (specific matching grant). Der Empfanger erhält die FZ nur, wenn er sich in einem festgelegten Umfang an der Finanzierung des jeweiligen Projektes beteiligt. Üblicherweise wird die Finanzierungsbeteiligung in v.H. der Gesamtausgaben für das Projekt festgelegt. 55 Übernimmt der Oberverband somit einen bestimmten Teil der Kosten, die für die Erstellung der öffentlichen Leistung aufgewendet werden müssen, wird das Gut χ für die untergeordnete Gebietskörperschaft relativ billiger. I m Unterschied zu allen bisher betrachteten Fällen kommt es demnach zu einer Veränderung der Preisrelation und damit zu einer Drehung der Budgetgeraden. Py Da das Preisverhältnis — steigt, dreht sich die Budgetgerade im Punkt A vom Px Ursprung weg. 56 Bei einer Kostenübernahme von z.B. 50 v.H. durch den Oberverband ergibt sich der in Abb. 5 dargestellte Verlauf der neuen Budgetgeraden AR (ÖB = BR).
Die Lage des neuen Optimalpunktes wird jetzt durch die Prewelastizitäten der Nachfrage nach den beiden Gütern bestimmt, wobei sich die Bewegung von P 0 nach P t in einen Einkommens- und einen Substitutionseffekt zerlegen läßt. Der Einkommenseffekt stellt den Übergang von einer niedrigeren zu einer höheren Indifferenzkurve dar, zu dem es aufgrund der Einkommenssteigerung der Körperschaft kommt. Den Substitutionseffekt kann man sich als eine Bewegung 55 Denkbar ist allerdings auch, daß von der unterstützten Körperschaft als Eigenleistung ein festgelegter Pauschalbetrag für den geförderten Zweck erbracht werden muß. Da dies auf den oben besprochenen Fall hinausläuft, daß von der Körperschaft ein Mindestumfang des Gutes χ selbst finanziert werden muß, braucht darauf nicht weiter eingegangen zu werden. 56 Für die genaue Ableitung der Reaktion der Budgetgeraden auf eine Veränderung des Preisverhältnisses vgl. z.B.: Ott, Α. E., 1979, S. 97ff.
2. Wirkungsanalyse
45
auf einer Indifferenzkurve aufgrund der geänderten Preisrelationen verdeutlichen. Ohne hier auf die Einzelheiten zu diesen Effekten eingehen zu können, 57 ist unmittelbar einsichtig, daß die FZ Typ 4 zu einer um so größeren Ausdehnung des Gutes χ führt, je preiselastischer die Nachfrage nach diesem Gut ist. Ist die Preiselastizität des Gutes χ beispielsweise größer als 1, dann würde der neue Optimalpunkt zwischen P 2 und B' liegen, d. h. infolge der FZ würden mehr eigene Mittel als bisher für χ ausgegeben.58 Ist die Elastizität gerade gleich 1, würde die gesamte FZ im Ausmaß von P 0P 2 für χ eingesetzt. Im „Normalfair einer Preiselastizität zwischen 0 und 1 würde auch in diesem Fall ein Teil der bisher für χ eingesetzten Mittel in die Verwendung für y abfließen. 59 Demnach kommt es auch hier zu einem Leakage-Effekt, der aber— wie noch gezeigt wird — geringer als im Fall einer gleich hohen FZ ohne Eigenbeteiligung ist. Die Verbindung der sich durch immer weitere Preissenkungen von χ ergebenden Optimalpunkte wird als Prew-Konsum-Linie (PKL) bezeichnet, aus deren Verlauf die jeweiligen Elastizitätsbereiche unmittelbar deutlich werden. Die P K L nähert sich asymptotisch der Parallelen zur Abszisse durch den Punkt A an, da bei einer noch so großen Preissenkung von x, d.h. noch so geringen Eigenbeteiligung der unterstützten Gebietskörperschaft, nicht mehr als die gesamten eigenen Mittel für das andere Gut y eingesetzt werden können. Hieraus ist ersichtlich, daß bei sehr großen Zweckzuweisungen (im Vergleich zum Umfang der eigenen Mittel) die Forderung einer Eigenbeteiligung überflüssig sein kann, da sich die Wirkungen einer FZ mit oder ohne Eigenbeteiligung in diesem Bereich kaum unterscheiden. 60 Nicht zuletzt hierauf können die z.T. konträren Ergebnisse von Thurow, Nichols und Cotton / Ο 'Brien zurückgeführt werden. 61 Verfügt der Oberverband über die Kenntnis der relevanten Preiselastizitäten, so kann er hieraus Schlüsse für die Gestaltung der FZ ziehen. Will er nämlich eine bestimmte Ausbringungsmenge von χ erreichen, z.B.: x i in Abb. 5, dann kann er bei einer hohen Preiselastizität der Nachfrage nach x (flacher Verlauf der PKL) eine relativ große Eigenbeteiligung der unterstützten Körperschaft verlangen. Denn bei einer hohen Preiselastizität reicht eine geringe Preissenkung, d. h. eine geringe Kostenübernahme durch den Oberverband, aus, um die 57
Vgl. dazu: ebenda. Wilde (1968, S. 342) spricht in diesem Fall — zur Abgrenzung gegenüber den Leakage-Effekten—von einem „Seepage"-Effekt, also einem Ausgaben-^iwez'z-Effekt; so auch: Peffekoven, R., 1980, S. 624. 59 Auch Ε. M. Grämlich (1977, S. 234) kommt nach der Sichtung der empirischen Untersuchungen des US-amerikanischen FZsystems zu dem Ergebnis, „that the price elasticity of demand for most services is probably somewhat less than unity". 60 So auch: Grämlich, Ε. M., 1977, S. 244; Wilde, J. Α., 1968, S. 343 und 347. 61 Vgl.: Thurow, L. C., 1966, S. 373ff.; ders., 1967, S. 346; Nichols, Α., 1967, S. 344f.; Cotton, J./O'Brien, T., 1968, S. 103f. 58
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
gewünschte Steigerung der Menge zu erzielen. Da im umgekehrten Fall (geringe Preiselastizität) nur eine geringe Eigenbeteiligung gefordert werden darf, müßte die Höhe der Eigenbeteiligung mit dem Ausmaß der Preiselastizität positiv korreliert sein. Das entscheidende Problem dürfte aber in der Quantifizierung der jeweiligen Preiselastizitäten liegen.
denen einer FZ Typ 1 verglichen werden. In Abb. 6 erhöht sich durch die FZ Typ 4 die Ausbringung des unterstützten Gutes von x 0 auf x x. Die Unterstützung durch den Oberverband beträgt — gemessen in Einheiten von x — P / P 1 . Wird in diesem Umfang eine FZ Typ 1 — die in diesem Bereich die gleiche Wirkung wie eine FZ Typ 2 oder FZ Typ 3 hat — gezahlt, so wäre P 2 der neue Optimalpunkt, der im Vergleich zu P 1 durch ein Weniger an x, aber ein Mehr an y gekennzeichnet ist. Hier bestätigt sich, daß durch eine FZ Typ 4 zwar die Leakage-Effekte nicht verhindert werden können, daß sie aber geringer sind als bei FZ Typ 1 bis Typ 3. Das ist darauf zurückzuführen, daß durch die Kombination von Empfangs- und Verwendungsauflage der Oberverband nicht nur den Einsatz der übertragenen, sondern auch von eigenen Mitteln steuert. Hierdurch wird ein höherer Lenkungsgrad in das geförderte Projekt als mit jeder der anderen betrachteten Ausgestaltungsformen der FZ erreicht. Allerdings ist auch dabei zu berücksichtigen, daß P l auf einer niedrigeren Indifferenzkurve als P 2 liegt, so daß der höhere Lenkungsgrad wiederum durch eine geringere Wohlfahrtssteigerung erkauft werden muß. 6 2 Außerdem sei nochmals betont, daß solche Vergleiche entscheidend von den Annahmen 62 R. H. Silkman/D. R. Young (1983, S. 199) sprechen sogar davon, daß die „grant structure induces overall inefficiency".
2. Wirkungsanalyse
47
bezüglich der E K L und der P K L und damit den zugrundegelegten Nachfrageelastizitäten abhängen. 2.3.5. Betragsmäßig beschränkte versus offene Finanzzuweisung Bei den FZarten Typ 1 bis Typ 3 bringt die Unterscheidung zwischen betraglich offenen oder beschränkten FZ keine neuen Erkenntnisse. Denn in allen drei Fällen wurde die Zahlung eines festgelegten (Pauschal-)Betrages analysiert, die sich in einer Parallelverschiebung der Budgetgeraden auswirkt. Ob dieser Betrag vom Oberverband im vorhinein festgelegt wird (closed-end grant) oder ob er sich erst im nachhinein in Abhängigkeit von einer bestimmten Bemessungsgrundlage ergibt (open-end grant), spielt für die Wirkungsanalyse keine Rolle. Eine (weitere) Erhöhung der FZ würde sich in einer erneuten Parallelverschiebung der Budgetgeraden vom Ursprung weg auswirken, auf die sich die gewonnenen Erkenntnisse unmittelbar übertragen lassen. Anders ist die Situation im Fall der FZ Typ 4. Hier zeigt ein Blick in Abb. 5, 6 3 daß sich das Ausmaß der FZ mit dem Ausbringungsniveau von χ ändert. Der Oberverband erfährt erst nach der Entscheidung über die optimale Aufteilung des Gesamtbudgets auf JC und y, wieviel er an FZ zu zahlen hat. Insoweit handelt es sich bei den FZ Typ 4 grundsätzlich um eine open-end grant, da der FZgeber ex ante nicht weiß, welchen Betrag er zuschießen muß. 6 4 Ist der Oberverband nicht bereit, mehr als einen bestimmten Betrag für das zu fördernde Projekt zur Verfügung zu stellen, so muß er die FZ Typ 4 mit einer Höchstbetragsregelung ausgestalten. Ein solcher Fall, der in den USA auf Bundesebene die häufigste Form der Vergabe von FZ darstellt, 65 ist in Abb. 7 festgehalten. 66
63
Vgl.: 1. Teil, Kap. 2.3.4. Eine letztendliche Obergrenze wird allerdings durch die Beteiligungsquote und den Umfang der eigenen Mittel festgelegt. Beträgt die matching ratio ζ. B. 50 v. H., so kann die FZ das Ausmaß der eigenen Mittel nicht überschreiten. 65 Vgl.: Grämlich, Ε. M , 1977, S. 231. 64
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Wiederum wird von einer FZ Typ 4 mit einer Eigenbeteiligung von 50 v.H. ausgegangen, wobei der Oberverband jetzt zusätzlich bestimmt, daß er nicht mehr als A"A' für das unterstützte Gut χ zur Verfügung stellt. Dann ergibt sich als neue Budget„gerade" AA'B'. Denn die Höchstbetragsregelung läuft praktisch darauf hinaus, daß der Oberverband nur bis zu einer Ausbringung von x" bereit ist, 50 v. H. der Kosten zu tragen. Steigt die Ausbringung über χ", so wird „nur" der festgelegte Höchstbetrag als FZ gezahlt. Das bedeutet aber, daß es jenseits von x" nicht zu einer weiteren Preissenkung für das Gut x kommt. In diesem Bereich gilt demnach auch nach Zahlung der FZ das ursprüngliche Preisverhältnis und damit die ursprüngliche Steigung der Budgetgeraden, wodurch deutlich wird, daß es sich in diesem Fall im Grunde um eine Kombination der FZ Typ 1 und Typ 4 handelt. Würde — in Abhängigkeit von der Preiselastizität der Nachfrage nach χ — der neue Optimalpunkt im Bereich AA' liegen, gelten uneingeschränkt die Ergebnisse von 2.3.4., da die Höchstbetragsregelung nicht relevant ist. Wenn der neue Optimalpunkt rechts unterhalb von Ä liegt, führt die Höchstbetragsregelung zu einem abweichenden Ergebnis. Denn die Ausbringung von χ wird nicht mehr so stark ausgedehnt wie bei einer betraglich offenen FZ. Außerdem hängt in diesem Bereich die Lage des neuen Optimalpunktes von der Einkommenselastizität und nicht mehr von der Preiselastizität der Nachfrage nach χ ab. 6 7 Solche Höchstbetragsregelungen werden vor allem aus fiskalischen Erwägungen praktiziert. 68 Daneben kann aber auch ausschlaggebend sein, daß man hierdurch Überkapazitäten und/oder eine ungleiche Versorgung mit öffentlichen Leistungen verhindern will. 6 9 2.4. Zwischenergebnis Die bisher gewonnenen Erkenntnisse können in einer weiteren Graphik so zusammengefaßt werden, daß die unterschiedlichen Wirkungen der verschiedenen Zuweisungsarten besser miteinander verglichen werden können. Dazu werden in einem Koordinatensystem auf der Abszisse die Höhe der FZ und auf der Ordinate die Ausgaben für das (unterstützte) Gut χ abgetragen (vgl. Abb. 8). 7 0 Bei diesem Vergleich beschränken wir uns auf die FZ Typ 1, Typ 3 und Typ 4, um erstens die Graphik nicht zu überlasten und weil zweitens die Wirkungen einer FZ Typ 2 denen des Typs 3 ähnlich sind und deswegen ihre Darstellung in Abb. 8 keine neuen Erkenntnisse bringen würde. 66 So auch: Wilde, J. Α., 1971, S. 144f.; Waldauer, C., 1973, S. 220f.; Smekal, C., 1980, S. 184 f. 67 Vgl.: Wilde, J. Α., 1971, S. 144; King, D. Ν., 1984, S. 94ff. 68 So auch: Grämlich, Ε. M., 1977, S. 222. 69 So auch: Smekal, C., 1980, S. 184f. 70 Vgl.: Wilde, J. Α., 1968, S. 342f.
2. Wirkungsanalyse
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In Abb. 8 stellt OZ die in der Ausgangssituation — also ohne FZ — getätigten Ausgaben für das Gut χ dar, das — entsprechend den Abb. 2 bis 6 — in einem Umfang von Ox 0 realisiert wird. Unter der Annahme, daß die Zahlung einer FZ zu einer gleich großen Ausdehnung der Ausgaben für χ führen würde, dokumentiert Z Z ' die Ausgabenentwicklung in Abhängigkeit von der Höhe der FZ. In diesem Fall käme es weder zu Leakage- noch zu Anreiz-Effekten; die relevante Elastizität der Nachfrage beträgt 1. Sämtliche Punkte unterhalb ZZ' sind dadurch gekennzeichnet, daß die Ausgaben für χ um weniger als den Zuweisungsbetrag erhöht wërden. In diesem Bereich kommt es zu LeakageEffekten, deren Größe aus dem vertikalen Abstand des jeweiligen Punktes von der ZZ'-Linie abgelesen werden kann. Unterhalb von ZZ" würden die Ausgaben für χ infolge der FZ sogar sinken. Hier sind die oben beschriebenen Fälle der inferioren Güter anzusiedeln. Steigen die Ausgaben für χ um mehr als den FZ-Betrag, werden Punkte oberhalb von Z Z ' erreicht. Bisher für andere Zwecke eingesetzte Mittel werden aus ihrer ursprünglichen Verwendung abgezogen und zusätzlich für χ ausgegeben; die Elastizität ist größer als 1. Z Z i stellt in Abb. 8 dann den Fall einer FZ Typ 1 dar, von der — bei einer unterstellten Einkommenselastizität zwischen 0 und 1 — nur ein Teil für ein vergrößertes Angebot von χ eingesetzt wird. Zieht man zum Vergleich eine FZ Typ 3 heran, so hat die Analyse gezeigt, daß die beiden FZarten bis zu einem bestimmten Umfang identische Wirkungen haben. Deswegen sind auch die Linienzüge für FZ Typ 1 und Typ 3 zuerst deckungsgleich. Erst wenn die Unterstützung eine bestimmte Größenordnung überschreitet (hier: OF*), weist die FZ Typ 3 einen höheren Lenkungseffekt in das Angebot von χ auf. Bei einer 4 Fischer
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
weiteren Ausdehnung der FZ müssen die gesamten übertragenen Mittel für das Gut χ eingesetzt werden, weil die eigenen Einnahmen in toto für y ausgegeben werden. Jenseits der kritischen Grenze fallt deswegen der Linienzug einer FZ Typ 3 mit der 45°-Linie zusammen, wie es ζ. B. durch ZPZ 2 dokumentiert wird. Auch in dieser Darstellung zeigt sich, daß der Leakage-Effekt nach Überschreiten der kritischen Grenze konstant bleibt. 71 Im Gegensatz zu FZ Typ 1 kommt es bei FZ Typ 3 ab einer bestimmten Größenordnung zu keinen weiteren Leakages. Eine FZ Typ 4 kann sich in dem mit Z Z 3 gekennzeichneten Verlauf niederschlagen, wobei angenommen wird, daß die Preiselastizität der Nachfrage zuerst größer als 1 ist (fallender Teil der P K L in Abb. 5) und im weiteren Verlauf von Z Z 3 unter 1 sinkt (steigender Teil der PKL). In jedem Fall nähert sich Z Z 3 mit größer werdenden FZ der Kurve ZPZ 2 asymptotisch an, da ja bei quantitativ großen FZ die Wirkungen mit und ohne Eigenbeteiligung kaum auseinanderfallen. Diese Zusammenfassung der Ergebnisse der Indifferenzkurvenanalyse macht deutlich, daß neben den Nachfrageelastizitäten auch die Höhe der FZ einen entscheidenden Einfluß auf die Beurteilung der jeweiligen Instrumentenqualität hat. Handelt es sich um vergleichsweise geringe Zuweisungen, ist es vollkommen unerheblich, ob sie mit einer Verwendungsauflage ausgestaltet sind oder nicht. Bei relativ großen Zuweisungen kann die Forderung nach einer Eigenbeteiligung überflüssig sein, da nur geringfügig geringere Lenkungseffekte auch ohne diese erreicht würden. Allerdings bleibt als entscheidendes Problem die Quantifizierung der kritischen Werte, bis zu denen bzw. von denen ab sich die Wirkungen nicht oder nur kaum unterscheiden. Hierfür müßten genaue Kenntnisse der Nachfrageelastizitäten vorliegen. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ergebnisse der empirischen Untersuchungen 72 scheinen allgemein akzeptierte Aussagen kaum möglich zu sein. Berücksichtigt man außerdem die restriktiven Prämissen, unter denen die Ergebnisse abgeleitet wurden, können die Resultate nur mit großer Vorsicht auf die praktische Gestaltung von FZsystemen übertragen werden. Gleichwohl bietet die Indifferenzkurvenanalyse eine erste Grundlage zur Beurteilung der praktizierten FZ, da — auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Einschränkungen — folgende Ergebnisse festgehalten werden können: 1. Je elastischer die Nachfrage nach einem öffentlichen Gut auf Einkommenserhöhungen oder Preissenkungen reagiert, desto größer ist die mit einer FZ erreichbare Ausgabensteigerung. 2. Keine der behandelten FZarten kann verhindern, daß bisher für den geförderten Zweck eingesetzte Mittel in eine andere Verwendung abfließen. Allerdings fallen diese Leakage-Effekte bei der Vergabe der FZ Typ 4 71 72
Vgl.: 1. Teil, Kap. 2.3.3. V g l : Grämlich, Ε. M., 1977, S. 277ff.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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(vergleichsweise) am geringsten aus, so daß von dieser Art der FZ die größten Lenkungseffekte in eine spezielle Verwendung erwartet werden können. 73 Auf einen wichtigen Aspekt sei an dieser Stelle noch hingewiesen: Da ein solcher Abfluß eigener Mittel in eine andere Verwendung ex definitione nicht eintreten kann, wenn der Oberverband eine öffentliche Leistung subventioniert, die die untergeordnete Gebietskörperschaft bisher nicht angeboten hat, sind unter diesem Aspekt solche „Initiativ-FZ" besonders zu empfehlen. 74 3. Ob eine geforderte Auflage bei der Vergabe einer FZ wirklich notwendig ist oder ob es sich vielmehr um eine überflüssige Determinierung handelt, die nur zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich bringt, kann nur bei Kenntnis der relevanten Elastizitäten und in Abhängigkeit vom Ausmaß der FZ entschieden werden. 4. Neben den Lenkungseffekten in bezug auf x ist im Zusammenhang mit der Indifferenzkurvenanalyse auch zu berücksichtigen, wie durch die FZ die Wohlfahrtssituation der Gebietskörperschaft beeinflußt wird. In dieser Beziehung schneidet die FZ Typ 1 am besten ab, weil die durch Auflagen erreichbaren größeren Lenkungseffekte immer nur auf Kosten einer geringeren Wohlfahrtssteigerung realisiert werden können. Hierin zeigt sich erneut die Analogie zur Diskussion der excess burden im Rahmen der Theorie der Besteuerung. Gerade der letzte Punkt macht deutlich, daß die (relative) Effizienz der unterschiedlichen Zuweisungsarten nur unter Beachtung der mit den FZ verfolgten Zielsetzungen beurteilt werden kann. Aus diesem Grund ist jetzt auf die Ziele näher einzugehen.
3. Ziele der Finanzzuweisungen Die zur Vergabe von FZ vorgebrachten Gründe und damit die mit ihnen verfolgten Ziele sind so vielfältig und — wenn auch z.T. nur in Nuancen abweichend — vielschichtig, daß hier kein vollständiger Überblick gegeben werden kann. So wird in den (zu) zahlreichen Zielsetzungen ein entscheidendes Problem der mangelnden Effizienz 1 der praktizierten Systeme von FZ gesehen, daß nämlich mit ihnen versucht wird, „to realize too many goals with too few instruments of policy" 2 . Glücklicherweise läßt sich die Vielfalt der — vor allem im politischen Raum vorgebrachten — Motive für FZ auf einige Grundtypen zurückführen, die hier diskutiert werden sollen. 73
So auch: Musgrave, R. A./Musgrave, P. B./Kullmer, L., Bd. 4, 1978, S. 165. Eine der Abb. 8 entsprechende graphische Darstellung dieses Falls findet sich bei: Wilde, J. Α., 1968, S. 344. 1 Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.2.2. 2 Oates, W. E., 1972, S. 90. 74
4*
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Versucht man diese zu systematisieren, so können in einem ersten Schritt die ökonomischen von den außerökonomischen Rechtfertigungen getrennt werden. Wegen der hier durchgeführten finanzwissenschaftlichen Analyse stehen die ökonomischen Aspekte im Vordergrund. Allerdings werden als Grundlage für die Beurteilung der praktizierten FZsysteme in den betrachteten Ländern auch einige außerökonomische Ziele — wenn auch kürzer — behandelt, wobei der Schwerpunkt auf politischen und technischen Überlegungen liegt. Dabei wird sich zeigen, daß zwischen den ökonomischen und außerökonomischen Aspekten durchaus Verbindungen bestehen.3 3.1. Ökonomische Ziele Im Anschluß an R. A. Musgrave können die ökonomischen Ziele in die Bereiche Allokation, Distribution und Stabilisation eingeteilt werden. 4 Obwohl diese Einteilung zum einen nicht vollkommen trennscharf ist — so kann ζ. B. die regionalpolitische Zielsetzung sowohl unter dem Allokations- als auch unter dem Distributionsaspekt behandelt werden — und zum anderen vielfaltige Verbindungen zwischen den Zielen bestehen, wird aus didaktischen Gründen gleichwohl dieser Einteilung gefolgt und an den entsprechenden Stellen jeweils auf mögliche Zusammenhänge oder Schwierigkeiten hingewiesen. 3.Î.Ï. Allokation Das Ziel der optimalen Allokation der Produktionsfaktoren in einer Volkswirtschaft ist erreicht, wenn (1) mit dem gegebenen Bestand an Ressourcen ein Maximum an Gütern und Dienstleistungen hergestellt wird und (2) die Produktion bestmöglich an den Präferenzen der Wirtschaftssubjekte ausgerichtet ist. 5 Die hiermit angestrebte Wohlfahrtsmaximierung wird unter bestimmten Voraussetzungen (z.B.: vollkommene Konkurrenz; Fehlen externer Effekte; Funktionieren des Marktausschlußprinzips) durch den Preismechanismus érreicht. In einem prinzipiell marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystem kann dann der allokationspolitische Eingriff des Staates mit dem Fehlen dieser Voraussetzungen begründet werden, was insbesondere die von P. A. Samuelson wieder aufgegriffene und von R. A. Musgrave weiterentwickelte Theorie der öffentlichen Güter deutlich gemacht hat, 6 die hier so weit verstanden wird, daß auch die Musgraveschen „Marktunvollkommenheiten" berücksichtigt sind. 3
Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.2. Vgl.: Musgrave, R. Α., 1969a, S. 5ff. 5 Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 611. 6 Vgl.: Samuelson, P.A., 1954, S. 387ff.; Musgrave, R. Α., 1969a, S. 6ff. Einen lesenswerten Überblick über die Theorie der öffentlichen Güter gibt: Krause-Junk, G., 1977, S. 687 ff. Grundsätzliche Kritik an dieser Theorie übt ζ. B.: Schmidt, K., 1970, S. 3 ff. 4
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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Fragt man nach den allokationspolitischen Rechtfertigungen von FZ, kann auf die Ergebnisse der ökonomischen Theorie des Föderalismus 7 zurückgegriffen werden, die eine Weiterführung der Theorie der öffentlichen Güter in dem Sinne darstellt, daß nicht mehr nur gefragt wird, welche Eingriffe des Staates in den marktwirtschaftlichen Prozeß gerechtfertigt sind und welche Güter vom Staat angeboten werden sollen, sondern auch von welcher Ebene in einem mehrstufigen Staatsaufbau die jeweils in Rede stehende Aktivität durchgeführt werden soll. Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu können, 8 werden die wichtigsten Ergebnisse dieser Theorie kurz vorgestellt, da sie das Verständnis der allokativen Begründungen von FZ erleichtern. Für eine dezentrale Aufgabenzuständigkeit 9 spricht unter Allokationsgesichtspunkten vor allem die möglicherweise bessere Berücksichtigung der Präferenzen der Wirtschaftssubjekte. Obwohl auch Gegenargumente vorgetragen werden, 10 erscheint es plausibel, daß infolge der größeren Bürgernähe der politischen Entscheidungsträger und wegen der geringeren Anzahl der Mitglieder der anbietenden Körperschaft die Bedürfnisse der Bürger genauer erfaßt und die öffentlichen Leistungen dementsprechend besser darauf abgestimmt werden können als bei einer zentralen Kompetenz. Verstärkend kommt hinzu, daß bei dezentral unterschiedlichem Leistungsangebot die Wirtschaftssubjekte von der Möglichkeit der „Abstimmung mit den Füßen" 1 1 Gebrauch machen und sich demnach via räumliche Mobilität die Gebietskörperschaft aussuchen können, deren Leistungsangebot (und steuerliche Belastung) ihren Präferenzen am besten entspricht. 12 Unter allokationspolitischen Aspekten spricht für eine Kompetenz der Zentralmslanz — sieht man von den Argumenten der Unteilbarkeit bestimmter öffentlicher Leistungen, die zur Vermeidung von Überkapazitäten eine gewisse Größenordnung der anbietenden Körperschaft erfordert, sowie den möglicherweise auftretenden „economies of scale" ab 1 3 — vor allem das Auftreten von räumlichen externen Effekten, den sog. Spillover-Effekten. Eine Zentralisierung kann außerdem geboten sein, wenn der Oberverband das an den Präferenzen in 7
Zu einem Überblick vgl.: Oates, W. E., 1972; Kirsch, G., 1977; ders., 1984, S. 118ff. Vgl. dazu z.B.: Peffekoven, R., 1980, S. 61 Iff. 9 Es ist noch darauf hinzuweisen, daß bei der Betrachtung des föderativen Staatsaufbaus die Kompetenzverteilung entscheidend ist. Eine andere Frage ist, wer die Aufgabe in praxi durchführt. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung können Aufgabenverantwortung und -durchführung mitunter auseinanderfallen; vgl.: ebenda, S. 609f. 8
10
Vgl.: ebenda, S. 612. Vgl.: Tiebout, C. M., 1961, S. 79ff. 12 Inwieweit in der Realität-mit solchen Wanderungen allein aus fiskalischen Überlegungen gerechnet werden kann, ist in der Literatur eingehend diskutiert worden; vgl.: Buchanan, J. M./Goetz, C. J., 1972, S. 25 ff.; Forte, F , 1977, S. 90ff.; Oates, W. E., 1972, S. 163 ff. 11
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Diese Argumente spielen für die Vergabe der FZ — wenn überhaupt — nur eine untergeordnete Rolle und werden deswegen hier nicht näher betrachtet; vgl. dazu: Peffekoven, R., 1980, S. 613 f.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
den untergeordneten Körperschaften ausgerichtete Angebot aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen als zu gering ansieht 14 und deswegen ein Angebot auch gegen die Präferenzen dieser Bürger realisiert haben möchte. Man spricht in diesem Fall von meritorischen öffentlichen Leistungen, die in die Kompetenz des Oberverbandes gestellt werden sollen. 15 Die beiden letztgenannten Argumente für eine Zentralisierung stellen nahtlos den Übergang zu den Zielen der FZ her. Denn anstelle der an sich gebotenen, aus anderen Überlegungen u.U. aber nicht gewollten Verschiebung der Kompetenz auf eine höhere Ebene — vor allem ist hierbei auf die grundsätzliche staatspolitische Entscheidung für ein dezentralisiertes System hinzuweisen — kann die jeweilige Leistung in die Kompetenz der unteren Ebene gestellt bleiben und das Ziel der optimalen Allokation der Produktionsfaktoren über entsprechend ausgestaltete FZ des Oberverbandes angestrebt werden. Die wichtigsten allokationspolitischen Motive für FZ sind demnach die Kompensation von Spillover-Effekten (3.1.1.1.) sowie die Meritorisierung bestimmter öffentlicher Leistungen (3.1.1.2.). Neben der bisher ausschließlich angesprochenen Allokation der Prodüktionsfaktoren im öffentlichen Sektor geht von den FZ auch ein Einfluß auf den Einsatz der Ressourcen im privaten Bereich aus. So kann mit ihrer Hilfe insbesondere die Verteilung der Produktionsfaktoren im Raum gesteuert werden, da für die Standortentscheidungen von Unternehmen sowohl das Leistungsangebot von Gemeinden, vor allem die zur Verfügung gestellte Infrastruktur, als auch die auferlegte Steuerbelastung relevant sind. Beide Komponenten gemeindlicher Gewerbe(attrahierungs)politik werden durch die FZ beeinflußt, so daß von ihnen Standortwirkungen ausgehen können, 16 die unter 3.1.1.3. behandelt werden. 3.1.1.1. Kompensation von Spillover-Effekten 3.1.1.1.1. Begriffsabgrenzungen Allgemein können externe Effekte definiert werden als „unmittelbare Auswirkungen der ökonomischen Aktivitäten eines Wirtschaftssubjekts auf die Produktions- oder Konsummöglichkeiten anderer Wirtschaftssubjekte, die vom ,Verursacher' nicht berücksichtigt werden und — im Gegensatz zu anderen ökonomischen Transaktionen — zwischen den Beteiligten keine Rechte auf 14 Die üblichen Argumente lauten, daß entweder die Präferenzen der Bürger, z.B. durch Reklame, verzerrt sein können oder daß der — demokratisch legitimierte — Oberverband über „bessere", d. h. vor allem gesamtwirtschaftlich relevante Informationen verfügt und deswegen berechtigt ist, in die Präferenzstruktur korrigierend einzugreifen; vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 467 f. Zu diesen Argumenten kritisch: Schmidt, K., 1970, S. 14 ff. 15 16
So auch: Peffekoven, R., 1980, S. 612. Vgl. dazu grundlegend: Albers, W , 1964, S. 271 ff.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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Entgelt oder Kompensation begründen" 17 . In der Literatur werden eine ganze Reihe verschiedener Arten von externen Effekten gegeneinander abgegrenzt und diskutiert, auf die hier nicht im einzelnen eingegangen werden kann. 1 8 Obwohl auch das Angebot an privaten Gütern durchaus mit externen Effekten verbunden sein kann, 1 9 geht es im Zusammenhang mit den FZ um räumlich externe Effekte bestimmter öffentlicher Leistungen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß „die in einer Region angebotenen (öffentlichen) Leistungen . . . nicht nur die Wohlfahrt der eigenen Bürger, sondern auch die der Einwohner anderer Regionen (beeinflussen)" 20. Allerdings sind auch nach dieser Einschränkung des Problemkreises weitere Unterfalle zu beachten. So kann die Wohlfahrtsbeeinflussung sowohl positiv (externe Nutzen wie ζ. B. im Bildungs- und Gesundheitswesen) wie auch negativ (externe Kosten wie ζ. B. Umweltbelastung durch eine Mülldeponie) sein. Diese Unterscheidung wirft aber kaum methodische Probleme auf, da die eine Art jeweils als negative Ausgestaltung der anderen betrachtet werden kann und insoweit die Korrekturmaßnahmen nur „mit umgekehrtem Vorzeichen" eingesetzt werden müssen. Für die Analyse der FZ wird im folgenden lediglich der Fall externer Nutzen betrachtet. In der Literatur wird außerdem noch danach differenziert, ob die externen Nutzen direkt oder indirekt grenzüberschreitend sind. 21 Im ersten Fall kommt es aufgrund der technologischen Eigenschaften der Güter zwangsläufig zu Spillover-Effekten. Das typische Lehrbuchbeispiel für diesen Fall ist Musgraves Moskitospray, dessen Nutzen nicht schlagartig an einer Gemeinde- oder Staatsgrenze aussetzt, sondern — je nach Windrichtung — auch den Bürgern der umliegenden Regionen zugute kommt, ohne daß diese aktiv werden müssen.22 Indirekte räumliche Nutzenstreuung liegt vor, wenn für den Spillover-Effekt die kurz- oder langfristige Mobilität der Wirtschaftssubjekte entscheidend ist. Die Leistungen einer Gemeinde A können von Bürgern einer Gemeinde Β kurzfristig in Form eines Pendelverkehrs genutzt werden (z.B.: Theater, 17
Bössmann, E., 1979, S. 95 (Hervorhebung im Original). Zu einem Überblick vgl.: Schlieper, U., 1980, S. 524f. 19 So wird in der Literatur diskutiert, ob nicht überhaupt die Existenz externer Effekte das einzig trennscharfe Kriterium zur Abgrenzung der privaten von den öffentlichen Gütern ist. Nach diesem Konzept ist ein öffentliches Angebot immer dann zu rechtfertigen, wenn eine Leistung umfangreiche externe Effekte verursacht, aber nicht genügend interne, die ein privates Angebot rentabel erscheinen lassen. Damit werden die Probleme öffentlicher Güter zu einem Sonderfall der externen Effekte; vgl. dazu: Head, J. G., 1962, S. 197ff.; Peffekoven, R , 1984, S. 465. 20 Peffekoven, R., 1980, S. 612. 21 Vgl.: ebenda. Allerdings werden diese Begriffe nicht einheitlich abgegrenzt. Abweichend von der hier verwendeten Terminologie stellt z.B. E. Bössmann (1979, S. 96) die „direkten externen Effekte" den sog. „pekuniären externen Effekten" gegenüber, wobei unter den letztgenannten die — marktmäßig bedingten — Änderungen von Preisrelationen verstanden werden, für die ebenfalls keine Kompensation geleistet wird. 22 Vgl.: Musgrave, R. Α., 1969b, S. 524. 18
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Schule, Schwimmbad). Längerfristig kommen vor allem die Bildungs- und Gesundheitsleistungen von A einer anderen Körperschaft zugute, wenn die ausgebildeten und mit der notwendigen gesundheitlichen Vorsorge versehenen Bürger von A in eine andere Region „auswandern". Obwohl mit Hilfe von FZ durchaus dem letztgenannten Aspekt Rechnung getragen werden könnte, 23 dienen als Begründungen für die praktizierten Systeme von FZ in erster Linie die direkten und die kurzfristig indirekten Nutzenstreuungen. Zusammenfassend können die für den Einsatz von FZ vorgebrachten Spillover-Effekte so charakterisiert werden, daß der Kreis der Nutznießer bestimmter öffentlicher Leistungen nicht mit den Mitgliedern der diese Leistung anbietenden Körperschaft übereinstimmt. Zur Finanzierung ihres Angebotes kann die Körperschaft aber üblicherweise nur die ihr angehörigen Wirtschaftssubjekte über die Besteuerung heranziehen, sieht man von einer äquivalenzmäßigen Finanzierung über Gebühren und Beiträge ab, die bei einem großen Teil der öffentlichen Leistungen wegen des nicht funktionierenden Marktausschlußprinzips oder aus distributionspolitischen Gründen als nicht möglich bzw. nicht geboten erscheint. 24 Wieso verhindern nun diese räumlich externen Effekte eine optimale Allokation der Produktionsfaktoren? U m das Allokationsoptimum zu erreichen, muß — wie schon gesagt — mit den vorhandenen Produktionsfaktoren ein Maximum an Gütern und Leistungen so erstellt werden, daß die Bedürfnisse der Wirtschaftssubjekte bestmöglich befriedigt werden. Gesamtwirtschaftlich setzt das voraus, daß die Präferenzen aller Nutznießer dieses Angebotes berücksichtigt werden und daß nur die Nutznießer, aber auch genau diese, entsprechend ihrer Inanspruchnahme an den Kosten beteiligt werden. 25 Eine Körperschaft, die 23 Solche Überlegungen könnten unter ökonomischen Aspekten der rumänischen Regierung Pate gestanden haben, als sie sich 1982/83 entschloß, von den an einer Auswanderung interessierten Bürgern eine Rückerstattung der „ i n sie investierten" Kosten der Erziehung und Ausbildung zu verlangen, bevor sie auswandern dürfen. Allerdings können solche ökonomischen Überlegungen nicht verschleiern, daß mit dieser Entscheidung in die Menschenrechte 'der rumänischen Bürger eingegriffen wurde. Maßgeblich für diesen Entschluß dürften dementsprechend auch eher die politischen Gegebenheiten und die prekäre Haushaltslage des Landes als allokationstheoretische Gedankengänge gewesen sein. 24
Vgl. dazu z.B.: Bohley, P., 1980, S.932IÎ. Diese Voraussetzung wird vor allem deutlich, wenn man sich die einzelwirtschaftliche Bedingung für ein pareto-optimales Gleichgewicht ansieht, nach der die Grenzrate der Substitution ( = Grenznutzen Verhältnis als Steigung der Indifferenzkurve) gleich der Grenzrate der Transformation ( = Grenzproduktivitätsverhältnis als Steigung der Transformationskurve) gleich dem (umgekehrten) Preisverhältnis sein muß. Überträgt man diesen Ansatz auf die Gesamtwirtschaft und argumentiert man anstelle der Produktivitäten mit den entsprechenden Kostenbegriffen, dann geht es im Falle externer Effekte nicht mehr um den Ausgleich der einzelwirtschaftlichen, d.h. privaten Grenznutzen- und -kostenverhältnisse; vielmehr müssen jetzt die gesamtwirtschaftlichen, d.h. sozialen Relationen von Grenznutzen und -kosten einander angeglichen werden. Zu Einzelheiten vgl.: Bössmann, E., 1979, S. 16f.; Oates, W. E., 1972, S. 66f.; Break, G. F., 1980, S. 77. 25
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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ein öffentliches Gut anbietet, das externe Effekte mit sich bringt, hat keine Veranlassung, die Bedürfnisse der (nutznießenden) Outsider zu berücksichtigen, da sie diese nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang an den Kosten beteiligen kann. Andererseits hat die Körperschaft, deren Bürgern die externen Nutzen zufließen, kein Interesse, für ein entsprechendes Angebot zu sorgen. Denn sie kann die typische „free-rider"-Position einnehmen, d.h. davon ausgehen, daß ihre Bürger die von der anderen Körperschaft angebotene Leistung kostenlos nutzen können. Gesamtwirtschaftlich kann es infolge der externen Effekte zu einer Unterversorgung an dieser öffentlichen Leistung kommen. 26 3.1.1.1.2. Alternative Lösungsansätze In der Literatur wird eine ganze Reihe von Verfahren diskutiert, mit denen das Ziel des allokationsoptimalen Angebotes an öffentlichen Leistungen mit externen Effekten erreicht werden kann. Im Vordergrund stehen dabei: 27 (1) Prinzip der „fiskalischen Äquivalenz"; (2) Zentralisierung; (3) Verhandlungslösungen; (4) Finanzzuweisungen. Bevor auf die hier im Zentrum stehende Lösungsmöglichkeit mit Hilfe von FZ eingegangen wird, sollen die Alternativen ebenfalls kurz abgehandelt werden, weil dadurch die Bedeutung der FZ für die Erreichung dieses Ziels deutlich wird. Dabei ist zu beachten, daß die beiden ersten Lösungsmöglichkeiten das Entstehen der externen Effekte verhindern (sog. Internalisierung i. e. S.). Demgegenüber bleiben bei den letzten beiden Alternativen zwar die Spillover-Effekte — wenn auch in einem geringeren Umfang — bestehen, aber ihre allokationspolitisch unerwünschten Wirkungen werden beseitigt (sog. Neutralisierung oder Kompensation ).28 Räumlich externe Effekte treten nicht auf, wenn es gelingt, das öffentliche Leistungsangebot so zu organisieren, daß die Nutznießer mit den Mitgliedern der anbietenden Körperschaft identisch sind, die dann auch entsprechend zur Finanzierung herangezogen werden können. In diesem Fall ist das Prinzip der „fiskalischen Äquivalenz" 29 erfüllt, das auch mit den Begriffen der „räumlichen 26 Im Anschluß an die grundlegende Untersuchung von Β. A. Weisbrod (1964), der die Unterversorgungshypothese zuerst für den Bereich des Bildungswesens formuliert hat, ergab sich eine intensive Diskussion, ob und für welche Bereiche diese These zutrifft oder ob nicht auch — vor allem unter Berücksichtigung von externen Kosten — mit einer Überversorgung in bestimmten Aktivitäten des Staates gerechnet werden muß. Einen Überblick über die relevanten Beiträge geben z. B.: Pawlowski, P., 1972, S. 42ff; Gläser, M., 1981, S. 75. 27
Auf die ebenfalls denkbaren Möglichkeiten, durch gesetzliche Regelungen das Auftreten externer Effekte zu verhindern, soll hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu: Bössmann, E., 1979, S. 148; Schlieper, U., 1980, S. 527; Gläser, M., 1981, S. 98. 28 Zu diesen Begriffen vgl.: Bössmann, E., 1979, S. 147f.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Koinzidenz von Kosten und Nutzen" 3 0 , „perfect mapping" 3 1 oder „perfect correspondence" 32 belegt wird. Kennzeichen einer solchen Situation, in der es zu keinerlei externen Effekten kommen würde, ist, daß „alle (von den Nutzen) Betroffenen auch zu (an den Entscheidungen und Kosten) Beteiligten gemacht werden . . . (und) daß die Nicht-Betroffenen konsequent von einer Beteiligung ausgeschlossen werden" 33 . Bei der Verwirklichung dieses Prinzips würde demnach die Anzahl der Körperschaften zur Variablen und von der üblichen Verteilung der Aufgabenkompetenzen auf (räumlich abgegrenzte) Gebietskörperschaften abgewichen; vielmehr würde es zu einer funktionalen Aufgliederung der Kompetenzen kommen, wie sie heute rudimentär ζ. B. bei den Parafisci und bei den Gremien im Rahmen des kooperativen Föderalismus (z.B.: Planungsausschüsse bei den Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und 91b GG) zu finden ist. Da nun die Nutzenradien verschiedener öffentlicher Leistungen durchaus unterschiedlich sein können und im allgemeinen auch sind — das gilt nicht nur zwischen verschiedenen Arten öffentlicher Leistungen (z.B.: Verteidigung und Krankenhäuser), sondern auch innerhalb einer Art für unterschiedliche Qualitätsniveaus (ζ. B.: Grundschulen und Gymnasien) —, würde der Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz im Ergebnis zu einer Vielzahl unterschiedlich abgegrenzter Körperschaften führen, die jeweils nur für eine oder jedenfalls sehr wenige — mit gleichem Nutzenradius versehene — öffentliche Leistung(en) verantwortlich sind. Jeder Bürger wäre demnach Mitglied in einer ganzen Reihe solcher „fiskalischer Klubs", was erhebliche Probleme in bezug auf die Durchschaubarkeit des Systems und damit verbunden der demokratischen Legitimierung und Kontrolle mit sich bringen würde. 34 Dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz stehen deswegen — so theoretisch überzeugend es auch sein mag 3 5 — „praktisch unüberwindliche Durchsetzungsschwierigkeiten" 36 entgegen. Es kann daher nur als theoretische Fiktion bezeichnet werden. Allerdings kann versucht werden, dem Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz in der Praxis durch eine Zentralisierung der mit externen Effekten verbundenen öffentlichen Leistungen gerecht zu werden. 37 Geht man nämlich von einem aufgrund historischer Entwicklungen und staatspolitischer Entscheidungen vorgegebenen Staatsaufbau aus, der durch wenige hierarchisch angeordnete 29
Olson Jr., M., 1969, S. 483. Break, G. F , 1980, S. 77. 31 Breton, Α., 1965, S. 180. 32 Oates, W. E., 1972, S. 34. 33 Gläser, M., 1981, S. 53, wobei die Begriffsabgrenzung — wie auch in der Quelle deutlich wird — auf G. Kirsch (1974; ders., 1984, S. 119) zurückgeht. 34 Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 614. 35 So spricht A. Breton (1965, S. 180) von der „economically optimal constitution". 36 Gläser, M., 1981, S. 72. 37 Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.1. 30
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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Entscheidungsebenen38 und ihre Unterteilung in eine größere Zahl von in der Regel regional und lokal abgegrenzten Gebietskörperschaften gekennzeichnet ist, dann müssen nach dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz die Leistungen mit lokaler Nutzenstreuung von den Kommunen, solche mit regionalem Nutzenradius von den Ländern oder Provinzen und (nur) solche mit nationaler Nutzenstreuung von der Zentralinstanz, also z.B. dem Bund, zur Verfügung gestellt werden. Im Gegensatz zum reinen Prinzip der fiskalischen Äquivalenz ist dann die Anzahl der Körperschaften keine Variable mehr, sondern das Prinzip wird zu Hilfe genommen, um über die Aufgabenverteilung auf die vorgegebene Organisation des Staates bestmöglich zu entscheiden. Immer dann, wenn der Nutzen einer öffentlichen Leistung über die Grenzen der anbietenden Körperschaft hinausgeht, ist eine Verschiebung der Kompetenz nach oben geboten, da hierdurch auch die externen Nutznießer „erfaßt" werden können. Im Gegensatz zum Prinzip der fiskalischen Äquivalenz, das zu einer Vielzahl von Klubs mit nur einer oder wenigen Aufgaben führt, kommt es infolge der Zentralisierung zu einer Ballung von Aufgaben bei den höheren Instanzen. Denn der Nutzen der öffentlichen Leistungen ist oft weit gestreut. So hat G. Tullock als Beispiel angeführt, daß die Straßenreinigung unter diesem Aspekt einer internationalen Organisation übertragen werden müßte, da die Straßen u. a. auch von Ausländern benutzt werden. 39 Dieses — sicher überspitzte 4 0 — Beispiel macht deutlich, daß auch die Zentralisierung zur Vermeidung der externen Effekte an Grenzen der Praktikabilität stößt. Daneben sei noch einmal auf die schon angesprochene staatspolitische Entscheidung für ein grundsätzlich dezentralisiertes System hingewiesen, die einer weitgehenden Zentralisierung der öffentlichen Aufgaben entgegensteht. Außerdem können sogar unter dem Aspekt der fiskalischen Äquivalenz Argumente gegen die Zentralisierung vorgebracht werden. Eine Kompetenzverschiebung kann nämlich auch dazu führen, daß eine ganze Reihe von Bürgern — u. U. sogar die größere Zahl — zu einer Finanzierung herangezogen wird, ohne daß sie entsprechend Nutzen aus den Leistungen zieht. Dies ist unmittelbar einsichtig in dem Beispiel von G. Tullock. Bei der Zentralisierung ist demnach — im Gegensatz zur fiskalischen Äquivalenz — nicht gewährleistet, daß die Belasteten das Angebot auch tatsächlich nutzen. 41 Damit ist aber schon eine erste Kritik an der Realitätsnähe der Annahmen dieses Modells angesprochen. Denn die Forderung nach einer Zentralisierung basiert auf der Prämisse, daß die 38
Es ist noch darauf hinzuweisen, daß die Anwendung des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz keine Aussage zum Hierarchieverhältnis der fiskalischen Klubs untereinander zuläßt. Darauf hat schon R. A. Musgrave (1969b, S. 523) in seinem grundlegenden Artikel hingewiesen. 39
Vgl.: Tullock, G., 1969, S. 19. So auch: Peffekoven, R , 1980, S. 613. 41 M. Olson Jr. (1969, S. 482) spricht in diesem Fall — allerdings wenig glücklich—von „internalities", denen er zu Recht die gleichen Ineffizienzen zuschreibt wie den externen Effekten. 40
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
angebotenen Leistungen im Sinne reiner öffentlicher Güter allen Mitgliedern der Körperschaft im gleichen Umfang Nutzen stiften (Prinzip der Nicht-Rivalität im Konsum). 42 Akzeptiert man diese Voraussetzung, dann ist auch eine Belastung aller Mitglieder geboten. Je mehr man sich jedoch von diesem extremen Fall an die Realität der sog. Mischgüter (d. h. die Leistungen werden — unabhängig von der räumlichen Ansiedlung — nur von Teilen der Bürger und von diesen u.U. sogar in unterschiedlichem Ausmaß genutzt) annähert, um so eher kommt es infolge der Zentralisation zu den gerade beschriebenen Ineffizienzen. Als Fazit kann festgehalten werden, daß in der Realität das Entstehen externer Effekte weder durch das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz noch durch eine auf demselben Grundgedanken beruhende Zentralisation der öffentlichen Leistungen verhindert werden kann. Eine echte Internalisierung in dem Sinne, daß die externen zu internen Effekten werden, ist in der Praxis nicht durchsetzbar. Daher stellt sich die Frage, ob die mit ihnen verbundenen allokativen Ineffizienzen akzeptiert werden müssen oder ob es nicht gleichwohl Instrumente gibt, die bei bestehenden Spillover-Effekten zu einer paretooptimalen Allokation der Ressourcen führen und insoweit die unerwünschten Wirkungen der externen Effekte neutralisieren können. Zunächst soll der mit dem Namen R. H. Coase43 verbundene Vorschlag aufgegriffen werden, das Externalitätenproblem mit Hilfe bi- oder multilateraler Verhandlungen zu lösen. Obwohl Coase seine Überlegungen als Kritik an den von uns erst anschließend behandelten Ansatz von A. C. Pigou konzipiert hat und deutlich machen wollte, daß es eines Pigouschen Steuer- oder Subventionsmechanismus zur Erreichung der pareto-optimalen Ausbringung nicht bedarf, 44 wird hier von der zeitlichen Reihenfolge der Argumentation abgewichen, da die allokationspolitische Begründung für FZ im wesentlichen auf die Gedanken Pigous zurückzuführen sind, die deswegen anschließend im Zentrum der Argumentation stehen. Das sog. Cöflse-Theorem geht von der Überlegung aus, daß es für die Anbieter und Nutznießer von Leistungen mit externen Effekten von beiderseitigem Interesse sein kann, über den Umfang der mit den Spillovers versehenen Aktivitäten zu verhandeln und zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen (sog. Bargaining-Lösung). Der Grundgedanke kann an einem einfachen Beispiel erläutert werden: 45 Wenn ein Nichtraucher durch einen Raucher in seiner Umgebung belästigt wird, könnte er dafür entschädigt werden, 46 oder er wird darauf drängen, daß dem Raucher das Rauchen untersagt wird. Käme es 42
Zu den Einzelheiten vgl.: Musgrave, R. Α., 1969a, S. lOf. Coase, R. H., 1960, S. Iff. 44 Vgl.: ebenda, S. 28ff. 45 Vgl.: Bössmann, E., 1979, S. 149. Ähnlich: Aschinger, G., 1985, S. 98. 46 Dies ist der Grundgedanke des anschließend zu behandelnden Ansatzes von A. C. Pigou; vgl.: unten, S. 63 ff. 43
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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zu einem solchen Rauchverbot, würde allerdings der Raucher eine Nutzeneinbuße erleiden, da er seine Konsumentscheidung nicht mehr an seinen Präferenzen ausrichten kann. Coase hat nun nicht nur gezeigt, daß es für beide Seiten vorteilhaft ist, wenn sie durch Verhandlungen ein „vertretbares" Ausmaß an Rauchbelästigung vereinbaren und die damit verbundenen Nutzeneinbußen durch (einseitige) Kompensationszahlungen neutralisieren. Vielmehr ist es ihm gelungen nachzuweisen, daß unter bestimmten Voraussetzungen diese Verhandlungen zu einem pareto-optimalen Ergebnis führen, und zwar unabhängig davon, ob der Raucher den passiv Betroffenen für das „vertretbare" Ausmaß durch eine Geldzahlung entschädigt (Schadenhaftung des Verursachers) oder aber der Nichtraucher an den Raucher zahlt, weil dieser seine gewünschte Konsummenge nicht realisiert (ohne Schadenhaftung des Verursachers). Die damit angesprochene Verteilung der Eigentumsrechte (im Beispiel: an der Umwelt) spielt demnach für die Erreichung der optimalen Allokation keine Rolle. 47 Nach Coase kann es also auch bei Vorliegen externer Effekte ohne staatliche Eingriffe zu einem Allokationsoptimum kommen. Entscheidend hierfür ist, daß infolge der beschriebenen Symmetrie-Eigenschaften 48 der externen Effekte beide Beteiligten „gains-from-trade" 49 erzielen können, so daß sich—jedenfalls theoretisch — ein Markt für die externen Effekte bildet, der eine dezentrale Lösung des Problems ermöglicht und den zentralen Eingriff über eine PigouSteuer oder -Subvention überflüssig macht. 50 Die Ergebnisse von Coase stehen und fallen mit den der Analyse zugrundegelegten Prämissen. Insbesondere wird immer wieder kritisiert, daß er die Transaktionskosten, also „alle Kosten, die mit der Institutionalisierung und der Durchführung des Tauschprozesses verbunden sind" 5 1 , als vernachlässigbar gering ansieht. Bei den von ihm herangezogenen Beispielsfallen, in denen sich jeweils nur zwei Unternehmen gegenüberstehen, 52 kann diese Voraussetzung u.U. als der Realität angenähert akzeptiert werden. 53 Überträgt man seinen 47 40
Vgl. z.B.: Schneider, F./Backhaus, J., 1980, S. 182; Ciaassen, E.-M., 1985, S. 126.
In der Literatur wird auch in Anlehnung an Coase (1960, S. 2), der von der „reciprocal nature of the problem" spricht, mit dem Begriff der „Reziprozität" der externen Effekte argumentiert; vgl. z.B.: Schneider, F./Backhaus, J., 1980, S. 182. Allerdings können mit dieser Terminologie auch Assoziationen an gegenläufige SpilloverEffekte geweckt werden, um die es aber nicht geht. 49 Oates, W. E., 1972, S. 68. 50 Vgl.: Schneider, F./Backhaus, J., 1980, S. 182. 51 Bössmann, E., 1979, S. 147. 52 Die Beispiele, mit deren Hilfe Coase argumentiert, sind ein Arzt, der sich durch den Lärm und die Erschütterung der benachbarten Kleiderfabrik in der Ausübung seines Berufes beeinträchtigt sieht, sowie ein Viehzüchter, dessen streunende Rinderherden die mögliche Ernte eines benachbarten Landwirtes zerstören. 53 So faßt auch W. E. Oates (1972, S. 69) zusammen: „ . . .the small group case offers promise of joint action to reduce the distortions in resource allocation resulting from external benefits." Allerdings weist dieser Autor auch mit Nachdruck auf das Problem hin,
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Ansatz jedoch auf das öffentliche Leistungsangebot, so handelt es sich nicht mehr um eine so überschaubare Gruppe von Betroffenen. Vielmehr geht es je nach der in Rede stehenden Leistung um einige Tausende, in Einzelfallen u.U. sogar Millionen von Wirtschaftssubjekten, deren Interessen bei einer Verhandlungslösung berücksichtigt werden müßten. Naturgemäß wachsen die Organisationsprobleme der Verhandlungen mit der Beteiligtenzahl, so daß für den Fall öffentlicher Leistungen die Prämisse der vernachlässigbaren Transaktionskosten nicht überzeugen kann. Eine Beurteilung, ob diese Lösung praktikabler als der PigouschQ Korrekturmechanismus ist, kann demnach nicht ohne Berücksichtigung dieser — allerdings nur schwierig zu quantifizierenden — Transaktionskosten vorgenommen werden. Außerdem kommt erschwerend hinzu, daß mit steigender Zahl der Benutzer auch die Gefahr eines „free-rider"-Verhaltens wächst, die ebenfalls Zweifel an der marktmäßigen Lösung über den Coase sehen Verhandlungsmechanismus aufkommen läßt. 5 4 Demzufolge stehen auch der Umsetzung des Lösungsvorschlags von Coase in die finanzpolitische Praxis erhebliche „Prämissen-Barrieren" entgegen, so daß eine Neutralisierung der externen Effekte mit Hilfe dieses Ansatzes — so überzeugend er auch theoretisch sein mag—in der Praxis vor allem wegen der großen Zahl der Betroffenen kaum zu erwarten ist. Gleichwohl können einige Institutionen in der föderativen Praxis der hier betrachteten Länder durchaus als Verhandlungsgremien im gerade beschriebenen Sinn interpretiert werden. So sind es z.B. in der Bundesrepublik vor allem die mit Art. 91 a GG ins Leben gerufene Rahmenplanung bei den Gemeinschaftsaufgaben sowie die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung gemäß Art. 91 b GG, mit denen über das Angebot von Leistungen mit (erheblichen) externen Effekten auf dem Verhandlungswege entschieden wird. Auf diese Einrichtungen wird später noch näher einzugehen sein. 55 Als der Idee nach dem Coase sehen Verhandlungsmechanismus entsprechend können auch die Vorschläge interpretiert werden, die die externen Nutzen öffentlicher Leistungen durch eine gerade kompensierende Steuerverteilung neutralisieren wollen. 56 Folgt man diesen Gedanken, dann müßten die anbietenden Körperschaften im Rahmen von Verhandlungen mit den begünstigten Körperschaften über das zu realisierende Ausmaß der öffentlichen Leistungen mit externen Effekten entscheiden. Den Körperschaften, denen die externen Nutzen zufließen, müßte dann ein entsprechend geringerer Anteil an (Verbund-) Steuereinnahmen zugebilligt werden, und die leistenden Körperschaften müßdaß gerade bei kleinen Gruppen mit einem aus der Theorie des bilateralen Monopols oder des Oligopois bekannten strategischen Verhalten gerechnet werden muß, wodurch die Marktkonformität der Ergebnisse von Coase in Frage gestellt wird; vgl.: ebenda, S. 5. Ganz ähnlich argumentiert auch: Musgrave, R. Α., 1969 b, S. 525. 54 So auch: Bössmann, E., 1979, S. 150; Oates, W. E., 1972, S. 69. 55 Vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.2. 56 Der Grundgedanke wird an einem einfachen Beispiel beschrieben bei: Peffekoven, R., 1980, S. 618.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
ten in den Genuß einer höheren Beteiligungsquote kommen, damit sie über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, diese Leistungen im ausgehandelten Umfang anzubieten. Allerdings gilt auch hier der gerade genannte Einwand, daß die Transaktionskosten u.U. erheblich sein können. Wie zeit- und damit kostenaufwendig solche Verhandlungen mitunter sind, zeigen die regelmäßigen Diskussionen in der Bundesrepublik Deutschland über die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern. 57 3.1.1.1.3. Kompensation über Finanzzuweisungen Beide zuletzt genannten Vorschläge sind dadurch gekennzeichnet, daß die anbietenden Körperschaften Kompensationszahlungen erhalten, die allerdings auf dem Verhandlungswege festgelegt werden. Diese Verhandlungen verursachen aber Kosten, so daß es naheliegt, darauf zu verzichten und allein durch einen finanziellen Ausgleich in unmittelbarer Abhängigkeit vom Umfang der Spillover-Effekte nach einem pareto-optimalen Angebot zu suchen.58 Wegen der Unzulänglichkeiten, die bei allen bisher besprochenen Verfahren auftreten, überrascht es nicht, daß die auf dieser Grundlage gezahlten FZ als das „preferred policy instrument" 59 zur Neutralisierung externer Effekte angesehen werden. Hierbei wird der schon mehrfach angesprochene Ansatz von A. C. Pigou, der eine theoretisch optimale Lösung für den Fall externer Effekte bei privaten Gütern entwickelt hat, 6 0 auf das Angebot an öffentlichen Gütern übertragen und versucht, das pareto-optimale Ausbringungsniveau an diesen Gütern zu bestimmen. Die — auch als „traditionell" oder „klassisch" bezeichnete61 — Lösung des Externalitätenproblems von Pigou besteht darin, daß im Fall externer Kosten bzw. Nutzen dem jeweiligen Verursacher eine (Stück-)Steuer auferlegt bzw. eine (Stück-)Subvention gezahlt werden muß, damit das pareto-optimale Ausbringungsniveau realisiert wird. Das Prinzip kann an einer einfachen Darstellung verdeutlicht werden, wobei wiederum nur vom Fall der externen Nutzen ausgegangen wird. 6 2 Bei der Entscheidung über das zu realisierende Konsumniveau eines mit externen Nutzen versehenen Gutes berücksichtigt der Konsument nur seinen individuellen Grenznutzen — in der Terminologie von Pigou das „marginal private net product" 6 3 —, der mit der Kurve MPB erfaßt wird. U m seinen 57
Vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 3.3.1.1. Allerdings werden die folgenden Ausführungen deutlich machen, daß auch die Ermittlung des „richtigen" Umfangs der FZ Kosten verursacht. 59 Break, G. F., 1980, S. 77 u. 80. 60 Vgl.: Pigou, A. C., 1932, S. 172ff. 61 Vgl. z.B.: Bössmann, E., 1979, S. 148; Gläser, M., 1981, S. 76; Sohmen, E., 1976, S. 231; Mishan, E , 1971, S. 15. 62 Eine Darstellung des Falls externer Kosten findet sich z.B. bei: Schmidt, K , 1980, S. 157 f. 58
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Abbildung 9: P/göi/-Subvention für Leistungen mit externen Nutzen Quelle: Oates, W. E., 1972, S. 67.
Nutzen zu maximieren, wird das Individuum die Konsummenge wählen, bei der der Marktpreis pu der unter Wettbewerbsbedingungen von ihm nicht beeinflußbar ist und den Grenzkosten des Anbieters entspricht, gerade gleich dem individuellen Grenznutzen ist. Demnach würde es OA von χ konsumieren. Da das Gut JC nun auch einen Nutzen an andere Wirtschaftssubjekte abgibt, den der Konsument bei seiner Entscheidung aber nicht berücksichtigt, ist der soziale Grenznutzen — Pigou spricht vom „marginal social net product" 6 4 — größer als der individuelle, und die ihn repräsentierende Kurve MSB verläuft oberhalb von MPB. Das Nutzenmaximum für die Gesamtwirtschaft liegt dann bei der größeren Ausbringungsmenge OB, bei der der Marktpreis gleich dem sozialen Grenznutzen ist. Wie kann nun das Wirtschaftssubjekt veranlaßt werden, die gesamtwirtschaftlich optimale Menge des Gutes χ nachzufragen? Entsprechend seiner individuellen Grenznutzenkurve müßte der Marktpreis auf p2 gesenkt werden, damit das „richtige" Ausmaß von x konsumiert wird. Das kann einmal dadurch erreicht werden, daß dem Konsumenten eine Subvention pro Stück des konsumierten Gutes gezahlt wird, die gleich der Strecke CD in Abb. 9 und demnach gleich der Differenz zwischen dem sozialen und dem individuellen Grenznutzen ist. Hierdurch würde der Nettopreis für x auf p2 verringert. Alternativ — und im folgenden wird nur noch dieser Überlegung gefolgt 65 — kann die Subvention auch an den Produzenten der 63
Pigou, A.C., 1932, S. 131 (Hervorhebung vom Verf.). Ebenda. 65 Wegen der Besonderheit des öffentlichen Leistungsangebots (Nicht-Rivalität im Konsum, fehlendes Marktausschlußprinzip) wird in der finanzwissenschaftlichen Literatur nicht zwischen dem Angebot und dem Verbrauch öffentlicher Güter und Leistungen unterschieden. Wegen der fehlenden Märkte wird vielmehr unterstellt, daß die zur 64
. Ziele der Finanzzuweisungen
Leistung gezahlt werden, wodurch dessen Grenzkosten um genau diesen Betrag sinken und somit ebenfalls der gewünschte Marktpreis erreicht wird. Auch wenn Pigou seine Überlegungen für den typischen £z'«ze/wirtschaftlichen Entscheidungsträger (ein Unternehmen bzw. einen Haushalt) formuliert hat, bringt die Übertragung dieses Ansatzes auf den öffentlichen Sektor — sieht man von den oben schon genannten Problemen ab 6 6 — keine weiteren methodischen Schwierigkeiten mit sich. Die Kurve des individuellen Grenznutzens repräsentiert dann nämlich die Summe der an die Mitglieder der anbietenden Körperschaft fließenden Grenznutzen. 67 Die Differenz zwischen MSB und MPB entspricht in diesem Fall der Summe der an Outsider abfließenden Grenznutzen, die durch eine entsprechende Subventionierung der anbietenden Körperschaft kompensiert werden müssen. Damit ist auch unmittelbar die Beziehung zu den FZ hergestellt, da die gerade abgeleitete Subventionierung in der üblichen Terminologie dann als „Finanzzuweisung" bezeichnet wird. Die zur Neutralisierung externer Effekte vergebenen FZ können demnach auch kurz als „P/göw-Transfers" oder „P/göw-Subventionen" bezeichnet werden. Berücksichtigt man allerdings die oben vorgestellte Vielfalt der Arten von F Z , 6 8 dann muß jetzt noch untersucht werden, wie die FZ ausgestaltet sein muß, damit sie wie ein P/gow-Transfer das allokationsoptimale Ausbringungsniveau gewährleistet. Dazu ist zu klären: (1) (2) (3) (4)
Welche Art von FZ entspricht der P/göwschen Stücksubvention? In welchem Umfang ist diese FZ zu zahlen? Von wem und wie ist sie zu finanzieren? Welche Probleme ergeben sich bei der Umsetzung der theoretisch abgeleiteten Erkenntnisse in die praktische Ausgestaltung der FZ?
Zu (1): Da nicht davon ausgegangen werden kann, daß alle öffentlichen Güter mit (den gleichen) externen Effekten verbunden sind, können die FZ jeweils nur zur Neutralisierung der Spillover-Effekte bei bestimmten öffentlichen Leistungen eingesetzt werden. Deswegen ist es geboten, den Einsatz der übertragenen Mittel für das jeweilige Angebot vorzuschreiben und insoweit die FZ mit einer Zweckbindung zu versehen. In der Praxis finden sich allerdings auch Versuche, externe Effekte durch eine unterschiedliche Ausgestaltung allgemeiner FZ zu berücksichtigen. 69 Verfügung gestellten Staatsleistungen auch konsumiert werden (sog. Eigenverbrauch, Staatsverbrauch). 66
Vgl.: 1. Teil, Kap. 2.1. Vgl.: Oates, W. E., 1972, S. 72. 68 Vgl.: 1. Teil, Kap. 1. 69 Exemplarisch kann auf die Gewährung von Ergänzungs- oder Sonderansätzen für die sog. „zentralörtlichen Funktionen" im kommunalen Finanzausgleich der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen werden, die zu einer Erhöhung der (allgemeinen) Schlüsselzuweisungen führt; vgl. dazu z.B.: Gläser, M., 1981, S. 338ff.; Kommunaler Finanzausgleich und zentralörtliches System, 1984. Kritisch hierzu auch: Smekal, C., 1980, S. 189. 67
5 Fischer
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Das entscheidende Charakteristikum der Pigöwschen Lösung besteht darin, daß es sich um eine Subventionierung pro Einheit der angebotenen Leistung handelt, die zu einer Senkung der Grenzkosten und damit zu einer Änderung des Preisverhältnisses zu den anderen öffentlichen Leistungen führt. Wie oben im einzelnen abgeleitet,70 kommt es zu einer Änderung des Preisverhältnisses nur durch eine an eine Eigenbeteiligung der unterstützten Körperschaft gebundene FZ. Denn nur in diesem Fall ändert sich mit dem Ausbringungsniveau der öffentlichen Leistung das Ausmaß der Unterstützung. Von einer Pauschalzuweisung — auch wenn sie zweckgebunden ist — kann die notwendige Änderung des Preisverhältnisses nicht erwartet werden. Schließlich sind die FZ der Höhe nach unbeschränkt zu vergeben, da es unwahrscheinlich ist, „daß die ,Spillover'-Effekte von einem bestimmten Ausgabenvolumen an nicht mehr steigen." 71 Daß es dennoch nicht zu Überkapazitäten an diesen Leistungen kommt, wird auch im Interesse der unterstützten Körperschaft liegen, die ja einen bestimmten Teil der Kosten zu tragen hat. Zusammenfassend verlangt die Ausgestaltung einer FZ als P/gow-Transfer eine der Höhe nach unbegrenzte und an eine Eigenbeteiligung gebundene Zweckzuweisung. 12 Zu (2): Auch der theoretisch „richtige" Umfang der so ausgestalteten FZ kann aus der P/gowschen Analyse abgeleitet werden. Denn die Stücksubvention in Höhe des Unterschieds zwischen sozialem und privatem Grenznutzen entspricht einer auf eine Einheit der angebotenen Leistung bezogenen FZ, die gerade gleich dem Zuwachs der externen Effekte infolge der zuletzt realisierten Einheit ist. 73 In der Summe führt das zu einem FZ-Betrag, der mit dem Ausmaß der externen Effekte übereinstimmt. Oder mit anderen Worten: Die Eigenbeteiligungsquote der unterstützten Körperschaft muß der Relation interne Nutzen Gesamtnutzen entsprechen, da eine Finanzierung des internen Nutzens über eine FZ nicht geboten ist. 7 4 Auf die schwierigen Probleme, die diese theoretisch notwendige, exakte Größenordnung für die praktische Ausgestaltung der FZ mit sich bringt, wird noch näher eingegangen.75 Zu (3): Im Rahmen eines partialanalytischen Ansatzes — wie er in Abb. 9 unterstellt wurde — spielt die Frage nach dem Geber der FZ und damit nach ihrer Finanzierung keine Rolle. Denn zur Erreichung des Optimums auf dem betrachteten Teilmarkt ist nur entscheidend, daß die FZ im richtigen Umfang 70
Vgl.: 1. Teil, Kap. 2.3.4. Peffekoven, R., 1980, S.624. 72 Vgl.: Oates, W. E., 1972, S. 72; Smekal, C., 1980, S. 188; Gläser, M., 1981, S. 77. 73 Vgl.: Oates, W. E., 1972, S. 72. Eine formale Ableitung des „optimalen" Subventionssatzes findet sich bei: Sohmen, E., 1976, S. 231 f. 74 So auch: Break, G. F , 1980, S. 77; Gläser, M., 1981, S. 77. 75 Vgl. anschließend: Zu (4). 71
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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gezahlt wird. Die Wirkungen, die durch diese — quasi als Deus ex machina betrachtete — FZ bei der zahlenden Körperschaft entstehen, werden nicht in die Betrachtung einbezogen. Führt man allerdings eine gesamtwirtschaftliche (Total-)Analyse durch 7 6 und geht dabei vom Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz aus, der jetzt aber über den Umweg einer FZ erreicht werden soll, dann genügt es nicht, daß „nur" die Präferenzen der externen Nutznießer bei der Entscheidung über das Leistungsniveau berücksichtigt werden, was durch die „richtige" FZ gewährleistet wird. Vielmehr müssen auch die nutzenden Outsider entsprechend den ihnen zufließenden Leistungen zu einem Beitrag zu den Kosten und damit zur Finanzierung der FZ herangezogen werden. Allerdings ist diese Auffassung in der Literatur nicht unumstritten. Neben W. J. Baumol 77 ist es insbesondere E. Sohmen78, der die These vertritt, „daß auch unilaterale Steuer- bzw. Subventionslösungen, die ausschließlich den Verursacher externer Effekte berühren, durchaus zu pareto-optimalen Ergebnissen führen können." 79 Allerdings gesteht er zu, daß es aus pragmatischen Überlegungen geboten sein kann, „daß allokationstechnische Mechanismen verteilungsneutral sein sollten und (deswegen) gänzlich Unbeteiligte nicht zur Finanzierung staatlicher Korrekturen von Unvollkommenheiten . . . herangezogen werden sollten." 80 Nach seiner Auffassung käme es also infolge einer kostenmäßigen Belastung auch von Nicht-Nutzern nicht zu allokationspolitischen Ineffizienzen, sondern nur zu unerwünschten Änderungen der Verteilungssituation. 81 Überzeugen kann diese Argumentation m.E. jedoch nicht. Denn der Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz strebt ja gerade aus allokationspolitischen Überlegungen an, daß Nutznießer und Kostenträger identisch sein sollen. 82 Eine Verschiebung des Problems in die Distributionsabteilung stellt keine adäquate Lösung dar. Insoweit ist auch der Beurteilung von M. Rose zuzustimmen, der seinen formalen Gegenbeweis gegen die Argumentationen 76 Ob Pigou selber partial- oder totalanalytisch vorgegangen ist, ist in der Literatur umstritten. Während J. Schumann (1983, S. 514) auf den gesamtwirtschaftlichen Charakter hinweist, vertritt W. E. Oates (1972, S. 70) die These, daß „Pigovian theory . . . (has) partial equilibrium character". 77 Vgl.: Baumol, W. J., 1972, S. 307ff. 78 Vgl.: Sohmen, E., 1976, S. 271 ff. 79 Ebenda, S. 272. 80 Ebenda, S. 271. 81 So auch: Kirsch, G., 1974, S. 14, der ebenfalls das Auseinanderfallen von Betroffenen und Beteiligten als „distributionspolitische Folgen von externen Effekten" ansieht. Auch Musgrave, R. A./Musgrave, P. B./Kullmer, L. (Bd. 4, 1978, S. 153) formulieren: „Aus Gründen der Gerechtigkeit (und damit der Verteilung) sollten die Zahlungen aus solchen Beiträgen der nutzenempfangenden Körperschaften finanziert werden, die dem zufließenden Nutzen entsprechen." 82 Vgl. dazu grundlegend: Olson Jr., M., 1969, S. 482f.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
von Baumol und Sohmen mit dem Fazit abschließt: „Hat die Distributionsabteilung die Entscheidung . . . (über die gewünschte Einkommensverteilung) bereits gefallt, läßt sich bei positiven . . . externen Effekten die Pareto-Optimalität nur durch Subventionierung . . . des Verursachers und Besteuerung . . . des Empfängers realisieren." 83 Demzufolge ist alleine aus allokationspolitischen Aspekten geboten, die Nutznießer zu einem Kostenbeitrag in Höhe der ihnen zufließenden Nutzen heranzuziehen. Dazu bieten sich zwei Wege an: Zum einen könnte dies durch unmittelbare, d.h. horizontale Transferzahlungen zwischen den betroffenen Wirtschaftssubjekten erreicht werden. 84 Auf ein föderatives System übertragen würden die Körperschaften, deren Bürgern die externen Nutzen zufließen, horizontale FZ an die jeweils anbietenden Körperschaften leisten. Infolge der schon angedeuteten Vielzahl von öffentlichen Leistungen mit durchaus unterschiedlichen Nutzenradien wäre allerdings eine Fülle von Einzelregelungen erforderlich, die nicht nur einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen, sondern auch zu zahlreichen gegenläufigen Transferströmen führen würden. 85 Allerdings sinkt die Zahl der notwendigen Transferzahlungen mit zunehmender Gleichartigkeit des Leistungsangebots der benachbarten Körperschaften, wenn also ζ. B. Theater und Schulen von beiden öffentlichen Einrichtungen angeboten werden. Alternativ zu den horizontalen Zahlungen könnten die FZ auch von der jeweils nächsthöheren Instanz im Staatsaufbau gezahlt, d.h. vertikal vergeben werden. Es bleibt dann zwar bei der theoretisch unumgänglichen Vielzahl von Einzelregelungen. Da diese aber in einer Hand vereinigt sind, kann mit economies of scale in bezug auf die Verwaltungskosten gerechnet werden. Zur Finanzierung der vertikalen FZ müßte der Oberverband dann (Nutzen-)Steuern so erheben bzw. für eine Steuerverteilung sorgen, daß nur die externen Nutznießer mit den Kosten belastet werden. Von einer solchen äquivalenzmäßigen Finanzierung kann aber in der Praxis nicht ausgegangen werden. Wird die FZ — was in der Regel der Fall sein dürfte — aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert, werden nicht nur die jeweiligen Nutznießer belastet. Demnach ist nicht auszuschließen, daß die zur Neutralisierung externer Effekte vergebenen FZ ihrerseits neue Spillover-Wirkungen, jetzt aber auf der Kostenseite, verursachen. 86 83
Rose, M., 1975/76, S. 215 (Hervorhebung im Original). So auch mit Bezug auf Rose: Andel, N., 1977, S. 499 f. 84 Damit nähert man sich der Coaseschen Verhandlungslösung; vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.1.1.2. 85 Es ist daraufhinzuweisen, daß bei gegenläufigen Spillover-Effekten unterschiedlicher öffentlicher Leistungen (z.B. Schulen und Theater) keine Aufrechnung der externen Effekte gegeneinander vorgenommen werden darf, da es ansonsten bei beiden Leistungen zu einem suboptimalen Umfang kommen würde; vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 627. Insoweit ist ein Ausgleich der Brutto-Spillover-Effekte und nicht nur der Netto-SpilloverEffekte erforderlich.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
Zu (4): Auch wenn zuzugestehen ist, daß „Pigovian grants can provide . . . a theoretical solution to the externalities problem" 8 7 , stellen sich der Übertragung der theoretisch abgeleiteten Ergebnisse in die praktische Ausgestaltung der FZ erhebliche, um nicht zu sagen unüberwindliche Probleme entgegen. Insbesondere fehlt es an Verfahren, den „richtigen" Umfang der FZ, d. h. die allokationsoptimale Eigenbeteiligungsquote, festzulegen. Wie die Ausführungen im einzelnen gezeigt haben, müßten hierzu der Nutzen kardinal meßbar und damit interpersonelle bzw. interföderative Nutzenvergleiche möglich sein. Wer die Schwierigkeiten kennt, Nutzen zu messen oder allein Indikatoren hierfür festzulegen, wird nicht überrascht sein, daß die in der Praxis zur Neutralisierung externer Effekte vergebenen FZ nicht aufgrund irgendwelcher Nutzenquantifizierungen zustande gekommen sind. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß es sich um die Unterstützung des Angebots an öffentlichen Gütern und Leistungen handelt, bei denen nicht — wie bei privaten Gütern — von der Bereitschaft der Wirtschaftssubjekte, einen Marktpreis hierfür zu zahlen, auf ihre Nutzenschätzungen geschlossen werden kann (nicht funktionierendes Marktausschlußprinzip). Auch eignen sich dazu Verfahren wie Repräsentativumfragen oder Markttests nicht, da infolge des nichtrivalisierenden Konsums die Individuen kaum bereit sein werden, ihre (wahren) Präferenzen zu offenbaren. 88 Üblicherweise wird deswegen auf die durch das Angebot verursachten Kosten zurückgegriffen, wobei sich dann aber unmittelbar die Frage nach der Aufteilung auf die mutmaßlichen Nutznießer stellt. Eine — i. d. R. angenommene — Gleich Verteilung pro Kopf der möglichen Nutznießer kann den allokationstheoretischen Erfordernissen aber nur per Zufall gerecht werden. Außerdem hat die theoretische Analyse gezeigt,89 daß die FZ so auszugestalten sind, daß sie im neuen Gleichgewicht — also bei dem nach Zahlung der FZ realisierten Ausbringungsniveau — die externen Effekte kompensieren müssen. Wenn man aber schon kaum exakte Angaben über das konkrete Ausmaß externer Effekte bei durchgeführten Projekten machen kann, um wieviel schwerer müssen dann Aussagen zu den Spillover-Effekten von noch nicht realisierten Leistungsniveaus sein. Insoweit kann man sich dem optimalen Umfang der FZ in der Praxis nur über ein Verfahren des „trial and error" nähern, 90 bei dem temporär Unter- oder Überkompensationen der externen Effekte quasi zwangsläufig auftreten. Schließlich kommt hinzu, daß — wie schon mehrfach angesprochen — die staatlichen Eingriffe, also die FZ, für jedes einzelne Leistungsangebot mit externen Effekten „maßgeschneidert" sein müßten. Hiervon kann in der Praxis 86 87 88 89 90
So auch: Peffekoven, R., 1980, S. 627. Oates, W. E., 1972, S. 74. Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 87ff. V g l : Abb. 9 in diesem Kap. So auch: Sohmen, E., 1976, S. 252.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
aber wiederum nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist wegen der Schwierigkeiten, die theoretischen Erkenntnisse in die Gestaltung der FZ umzusetzen, und damit vor allem aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung mit pauschalierenden Abgeltungen der externen Effekte zu rechnen, 91 die unter Allokationsaspekten letztlich nicht befriedigen können. Vergleicht man abschließend die Lösung des Externalitätenproblems über FZ mit der Coase sehen Bargaining-Lösung, so treten die Transaktionskosten der Verhandlungen bei den FZ nicht auf. Allerdings ist die Ermittlung des „richtigen" Umfangs der FZ nur mit aufwendigen Verfahren möglich und insoweit ebenfalls mit Kosten verbunden. In einer weiten Abgrenzung des Begriffs können diese durchaus auch als Transaktionskosten bezeichnet werden, so daß es letztlich nur zu einer Verlagerung des Problems gekommen ist. Anhaltspunkte, welche der auftretenden Kosten stärker zu Buche schlagen würden, gibt es (noch) nicht. Überhaupt ist dieser Aspekt in der Literatur bisher kaum beachtet worden. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß trotz der theoretisch überzeugenden Lösung des Externalitätenproblems mit Hilfe von FZ das Ziel der optimalen Faktorallokation über dieses Instrumentarium nicht oder nur per Zufall erreicht werden kann. Deswegen ist auch die Schlußfolgerung berechtigt, „tunlichst von übersteigerten Ambitionen der Implementation eines globalen und systematisch greifenden P/gowschen Kompensationsmechanismus abzugehen." 92 Die Entscheidung über das Ausmaß der aus diesen Überlegungen vergebenen FZ dürfte daher auch in aller Regel weniger allokationstheoretischen Gedankengängen entstammen, als vielmehr ein Spiegelbild der politischen Kräfteverhältnisse zwischen den von den Spillover-Effekten Betroffenen und ihrem jeweiligen Verhandlungsgeschick sein. So kritisch die Beurteilung der Übertragbarkeit des P/göwschen Ansatzes auf die FZpraxis auch ausfallen mag; sie sollte nicht den Blick dafür versperren, daß es beim Vorliegen externer Nutzen in erster Linie um eine Vergrößerung des Angebotes an der jeweiligen öffentlichen Leistung geht. Und hierzu können die FZ durchaus ein geeignetes Instrumentarium sein, wenn sie richtig ausgestaltet werden. Wie die Indifferenzkurvenanalyse im einzelnen gezeigt hat, 9 3 sind die an eine Eigenbeteiligung gebundenen Zweckzuweisungen mit den vergleichsweise größten Ausgaben-Anreizeffekten versehen, so daß von ihnen — wenn sie auch nicht unbedingt das theoretisch korrekte Ausmaß haben — zumindest erwartet werden kann, „that the effects of such programs are in the proper direction." 94 Dies ist zwar sicher nur ein bescheidenes Anspruchsniveau, aber angesichts der überwältigenden Probleme, die die theoretisch exakte Ausgestaltung der FZ mit sich bringen würde, besser als nichts. 91 92 93 94
Vgl.: ebenda, S. 266. Gläser, M., 1981, S. 90. Vgl.: 1. Teil, Kap. 2.3.4. Oates, W. E., 1972, S. 74.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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3.1.1.2. Förderung von meritorischen Leistungen Die gerade behandelten FZ zur Kompensation externer Effekte dienen dem Zweck, das öffentliche Leistungsangebot bestmöglich an den (gesamtwirtschaftlichen) Präferenzen der Wirtschaftssubjekte auszurichten. Unter allokationspolitischen Aspekten können FZ aber auch eingesetzt werden, um die Präferenzen der Bürger bewußt in einem vom FZgeber angestrebten Sinn zu beeinflussen und damit zu korrigieren. Hierbei handelt es sich um die Fälle, in denen der — üblicherweise zahlende — Oberverband das sich aufgrund der unbeeinflußten Präferenzen einstellende Niveau einer öffentlichen Leistung als zu gering erachtet und deswegen bereit ist, für eine größere Ausbringung auch gegen die Präferenzen der unmittelbar Betroffenen zu sorgen. Die FZ dienen somit dem Zweck, das Angebot der aus der Theorie der öffentlichen Güter bekannten „meritorischen Güter" 9 5 zu unterstützen, so daß das Ziel der FZ auch mit „Meritorisierung des (öffentlichen) Leistungsangebotes" umschrieben werden kann. 9 6 Auf die Begründungen und die Problematik der meritorischen Güter, insbesondere inwieweit ein solcher Eingriff in die Präferenzen in einer Theorie der optimalen Allokation Platz hat und/oder ob nicht hierfür vielmehr distributionspolitische Aspekte überwiegen, kann hier nicht näher eingegangen werden. 97 Die typischen Beispiele meritorischer Leistungen sind das Gesundheits- und das Bildungswesen, für die es im Rahmen der Diskussion des Finanzausgleichs vor allem darum geht, daß über das gesamte Staatsgebiet ein einheitliches Mindestversorgungsniveau an diesen Leistungen gesichert werden soll. 98 Sieht man von den alternativen Möglichkeiten zur Erreichung dieses Ziels ab — zu nennen wären in erster Linie Gesetze oder Verordnungen, denkbar wären aber auch hier Verhandlungslösungen — und beschränkt die Betrachtung auf die zu diesem Zweck vergebenen FZ, dann sind wiederum die Fragen zu klären, mit welcher Art von FZ diese Mindeststandards am besten erreicht werden können und welche Probleme sich dabei ergeben. Da kaum sämtliche Leistungen einer untergeordneten Gebietskörperschaft meritorischen Charakter haben, empfiehlt sich grundsätzlich eine Zweckbindung der FZ für das jeweilige meritorische Angebot. Außerdem wird in der Literatur durchgängig eine Eigenbeteiligung des Empfangers befürwortet, da hierdurch der Mindeststandard mit für den Oberverband minimalen Kosten 95
Vgl. dazu: Musgrave, R. Α., 1969a, S. 14ff. Vgl. z.B.: Smekal, C., 1980, S. 189; Gläser, M., 1981, S. 102. 97 Vgl. dazu ζ. B.: Schmidt, K., 1970, S. 9 ff. sowie die dort angesprochene weiterführende Literatur. 96
98 Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 189. Diese Überlegungen machen deutlich, daß der m Übergang von den externen Effekten zu den meritorischen Gütern fließend ist, da die Notwendigkeit eines Mindestversorgungsniveaus auch auf externe Effekte zurückgeführt werden kann. In der Literatur wird die Meritorisierung deswegen mitunter auch als Unterfall zu den externen Effekten behandelt; vgl.: Zimmermann, H., 1983, S. 13.
1. Teil: Theoretische Grundlegung
und somit effizient erreicht w i r d . " Schließlich kann die FZ der Höhe nach begrenzt werden, da nur ein bestimmtes Niveau gewährleistet werden soll und eine darüber hinausgehende Unterstützung nicht notwendig ist. Das adäquate Instrumentarium zur Förderung einer meritorischen Leistung wäre demnach eine der Höhe nach beschränkte, an eine Eigenbeteiligung gebundene Zweckzuweisung. 100 Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß das Ziel eines bestimmten Versorgungsniveaus nicht unbedingt eine Zweckbindung der FZ verlangt. Denn wie die Indifferenzkurvenanalyse gezeigt hat, können durchaus vergleichbare Effekte auch mit Empfangsauflagen erreicht werden. Gerade unter der hier diskutierten Zielsetzung bieten sich solche Auflagen an, da es dem Oberverband darum geht, daß der angestrebte Mindeststandard gesichert ist. Ob hierfür gezielt die übertragenen Mittel oder aber verstärkt eigene Einnahmen eingesetzt werden, ist für den FZgeber zweitrangig. Insoweit kann er sich den zusätzlichen Verwaltungsaufwand einer Kontrolle des Einsatzes der übertragenen Mittel ersparen und eine allgemeine FZ „nur" an die Auflage binden, daß die jeweilige Leistung in dem angestrebten Umfang zur Verfügung gestellt wird. Dann erübrigt sich außerdem die Forderung nach einer Eigenbeteiligung, so daß auch von an Empfangsauflagen gebundenen Pauschalzuweisungen (sog. lump-sum grants) eine entsprechende Ausdehnung des Angebots erwartet werden kann. 1 0 1 Das entscheidende Problem liegt erneut in der Quantifizierung der theoretisch „richtigen" FZ, für die Kenntnisse über die wahren Präferenzen der Wirtschaftssubjekte (einschließlich der kommunalen bzw. regionalen Entscheidungsträger) und das sich daran ausrichtende unbeeinflußte Angebot vorliegen müßten. U m es in der Terminologie der Indifferenzkurvenanalyse auszudrücken: Die Aufteilung der Ressourcen innerhalb des öffentlichen Sektors im Ausgangszustand (z. B.: P Q in Abb. 5) 1 0 2 müßte bekannt sein. Wäre das der Fall, dann könnte das erforderliche Ausmaß der FZ berechnet werden, um ein bestimmtes (Mindest-) Angebot an dem meritorischen Gut zu erreichen (ζ. B.: x 1 in Abb. 5). Allerdings dürften diese Kenntnisse in der Realität kaum vorliegen. Als Ausweg könnte gesehen werden, sich über einen Prozeß des „trial and error" an das erforderliche Ausmaß heranzutasten. Werden die FZ dabei zu gering veranschlagt, wird zwar das angestrebte Niveau nicht unmittelbar erreicht. Allerdings kann durch eine sukzessive Erhöhung der FZ im Zeitablauf der Mindeststandard letztendlich doch gewährleistet werden. Schwerwiegender ist der andere Fall, daß der Oberverband die Präferenzen in der untergeordneten Gebietskörperschaft unterschätzt und deswegen ein Angebot subventioniert, das auch ohne seine finanzielle 99
Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 190; Gläser, M., 1981, S. 103. So auch: Smekal, C., 1980, S. 190; Gläser, M., 1981, S. 102f.; Musgrave, R. A./ Musgrave, P. B./Kullmer, L., Bd. 4, 1978, S. 154. 101 So auch: Peffekoven, R., 1980, S. 624; Musgrave, R. Α., 1969b, S. 529. 102 Vgl.: 1. Teil, Kap. 2.3.4. 100
3. Ziele der Finanzzuweisungen
Unterstützung realisiert worden wäre. Insoweit kommt es zu einer Überdeterminierung der Programme, die auch als eine Art der „excess burden" interpretiert werden kann. 1 0 3 Außerdem ist aufgrund dieser Überlegungen ein strategisches Verhalten der Empfanger nicht auszuschließen, da sie mit einer um so größeren finanziellen Unterstützung rechnen können, je weniger sie ihre wahren Präferenzen offenbaren (Möglichkeit des ,,free-rider"-Verhaltens). Ein weiteres Problem ist darin zu sehen, daß immer mehr öffentliche Leistungen vom Oberverband als besonders wichtig angesehen und demzufolge — ζ. B. in der Bundesrepublik Deutschland unter Hinweis auf das Verfassungsgebot der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" 104 — mentorisiert werden. Nicht zuletzt hierauf ist die wachsende Vielzahl staatlicher Einmischungen in die kommunale Aufgabenerfüllung — und sei es „nur" mit dem häufig straff gespannten „goldenen Zügel" — zurückzuführen. Auf die dadurch entstehenden Probleme wird noch näher einzugehen sein. 105 3.1.1.3. Beeinflussung der regionalen Wirtschaftsstruktur Auch wenn — wie die folgenden Ausführungen zeigen werden — das jetzt zu behandelnde Ziel der Beeinflussung der regionalen Wirtschaftsstruktur enge Verbindungen zu den gerade vorgestellten Motiven der FZ aufweist und deswegen auch als Unterfall dazu behandelt werden könnte, wird es hier wegen seiner besonderen Bedeutung für die praktizierten FZsysteme 106 separat diskutiert. Wie schon angedeutet, wird damit der Allokationsaspekt erweitert, da nicht mehr alleine die Aufteilung der Produktionsfaktoren innerhalb des öffentlichen Sektors betrachtet wird; vielmehr soll mit den FZ jetzt in die räumliche Allokation der sich in privaten Händen befindenden Ressourcen gezielt eingegriffen werden. Eine wichtige Determinante für Standortentscheidungen von Unternehmen ist das unterschiedliche Angebot an Infrastruktureinrichtungen, 107 dessen Umfang nicht zuletzt auch durch die finanzielle Unterstützung beeinflußt wird, die einer Körperschaft zugute kommt. Insoweit liegt es auf der Hand, daß mit Hilfe von FZ regionalpolitische Ziele verfolgt werden können. Ohne hier auf Einzelheiten der Raumwirtschaftslehre eingehen zu wollen, 1 0 8 seien kurz ihre 103
Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 190; Gläser, M., 1981, S. 103. Vgl.: Art. 72 Abs. 2 Ziff. 3 sowie Art. 106 Abs. 3 Ziff. 2 GG. Zur Interpretation und Kritik dieses „unbestimmten Rechtsbegriffes" vgl. z.B.: Fischer-Menshausen, H., 1978, S. 147ff.; aus ökonomischer Sicht hierzu vor allem: Neumark, F., 1978, S. 165 ff. 105 Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.2.1. 106 Hinzuweisen ist z.B. auf die Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" nach Art. 91 a GG in der Bundesrepublik Deutschland; vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 3.3.2. 104
107 So auch: Gläser, M., 1981, S. 109. los Ygi ( j a z u z β . fürst, D. / Klemmer, P. / Zimmermann, K. W., 1976; Jürgensen, H., 1981, S. 225 ff.
1. Teil: Theoretische Grundlegung
beiden „großen" Zielkonzeptionen angesprochen. Zum einen kann mit regionalpolitischen Maßnahmen versucht werden, für eine räumlich optimale Nutzung der Produktionsfaktoren zu sorgen und damit zur Wohlstandsmaximierung beizutragen. 109 Demnach steht hierbei die Allokationsaufgabe des Staates im Vordergrund. Daneben kann aber auch das Ziel der „gerechten Verteilung" der Ressourcen im Raum angestrebt werden. Dies schlägt sich ζ. B. in der Forderung nach einer „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" für die Bundesrepublik Deutschland nieder, 110 die durch den Ausgleich von fiskalischen Ungleichgewichten zwischen verschiedenen Regionen verfolgt werden kann. Die notwendige Angleichung von Finanzbedarfs- und -kraftunterschieden macht deutlich, daß hierbei die distributionspolitischen Überlegungen dominieren, worauf später zurückzukommen sein wird. 1 1 1 Unter dem jetzt zu behandelnden Allokationsaspekt steht die optimale räumliche Verteilung der Produktionsfaktoren im Vordergrund, und es ist zu untersuchen, inwieweit die FZ einen Beitrag hierzu leisten können. Im Rahmen dieser ersten regionalpolitischen Zielkonzeption ist eine weitere Fallunterscheidung vorzunehmen. Zum einen könnte nämlich die räumliche Allokation dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden. Dahinter steht die Überlegung, daß die mit einer zunehmenden Agglomeration verbundenen Vor- und Nachteile selbst dafür sorgen, daß die Produktionsfaktoren zu den Orten ihres effizienten Einsatzes gelenkt werden. 112 Die Konsequenzen für die staatliche Zuweisungspolitik wären zum einen, daß auf jegliche gezielte Unterstützung verschiedener Wirtschaftsräume zu verzichten wäre. 113 Zum anderen müßte aber auch dafür gesorgt werden, daß von den aus anderen Gründen vergebenen FZ keine Einflüsse auf die Standortentscheidungen der Unternehmen ausgehen dürften. Ein solches „raumneutrales" FZsystem ist aber nicht zu realisieren. 114 Denn für die Raumwirksamkeit von FZ ist die Differenz von Kaufkraftentzugs- und -Zuführungseffekten 115 infolge ihrer Finanzierung 109 Grundsätzliche Bedenken gegen diesen Zielanspruch hat W. Albers (1964, S. 258 und 285) geäußert, da nach seiner Meinung kaum festzulegen ist, was als „optimale Standortverteilung" anzusehen ist. 110 Schon hieraus wird die Verbindung zu dem gerade abgehandelten Aspekt der Meritorisierung der öffentlichen Leistungen deutlich; vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.1.2. 111 Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.1.2. 112 Welche Vor- und Nachteile infolge der Agglomeration entstehen können und was zur Realitätsnähe eines solchen Optimums gesagt werden kann, hat M. Gläser (1981, S. 107 ff.) zusammengefaßt. 113 Vielmehr würden durch ein „Trennsystem reinster Ordnung" die Bedingungen erfüllt, die „die Ballungsnachteile von der öffentlichen Leistungsdarbietung her gesehen voll wirksam werden . . . lassen bzw. die Externalisierung ballungsbedingter Mehrkosten auf andere Regionen . . . verhindern"; Gläser, M., 1981, S. 114. 114 So haben auch schon Fürst, D./Klemmer, P./Zimmermann, K . W. (1976, S. 1) festgestellt, daß es im Grunde „keine raumneutralen Instrumente der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik (gibt)", zu denen ohne Zweifel ja auch die FZ gehören. Ähnlich auch: Albers, W., 1964, S. 258.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
und Vergabe entscheidend, so daß auch bei absolut gleichen Zahlungen an die verschiedenen Regionen die Salden allein aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungsbeiträge infolge des räumlich streuenden Steueraufkommens nicht übereinstimmen würden. Angesichts dieser Erkenntnis bietet sich an, die FZ direkt in den Dienst der Raumordnungspolitik zu stellen und zu versuchen, durch ihre Ausgestaltung den Einsatz der Produktionsfaktoren so zu beeinflussen, daß ein höheres Wohlfahrtsniveau erreicht wird. Obwohl es auch möglich ist, dieses Ziel mit einer nach räumlichen Kriterien differenzierenden Vergabe der aus anderen Gründen gewährten FZ anzustreben, 116 überwiegen die Vorschläge, daß mit Hilfe spezieller FZ solche Regionen unterstützt werden sollen, die entweder gegenwärtig schon durch eine hohe Produktivität gekennzeichnet sind oder von denen erwartet wird, daß sie sich — nicht zuletzt aufgrund der finanziellen Unterstützung — zu überdurchschnittlich produktiven Gebieten entwickeln können. 117 Das entscheidende Problem der Gestaltung dieser „Raumordnungs-FZ" liegt in der Festlegung einer geeigneten Bemessungsgrundlage. 118 Zum einen müßte nämlich entschieden werden, wie die (zukünftig) produktiven Regionen von den weniger produktiven abgegrenzt werden können. Trotz aller fruchtbaren Ansätze im Rahmen der Raumwirtschaftslehre ist es bisher noch nicht gelungen, einen Konsens über diese sog. Förderindikatoren zu erzielen. 119 Deshalb ist man bei der Entscheidung, welche Regionen unterstützt werden sollen, auf recht vage Vermutungen angewiesen, die mit Hilfe einiger weniger, meist recht grober Indikatoren untermauert werden. 120 Hierdurch entsteht aber die Gefahr, daß auch solche Gebiete finanzielle Hilfen erhalten, denen sie im Grunde nicht zugute kommen sollen. Hat man sich über die zu fördernden Regionen Klarheit verschafft, dann stellt sich die Frage, wie die FZ ausgestaltet werden sollen; diese Frage kann freilich auch uno actu beantwortet werden, wenn nämlich durch die Empfangsund/oder Verwendungsauflagen unmittelbar der Kreis der Empfanger abgegrenzt wird. Wegen der besonderen Bedeutung der Infrastruktureinrichtungen für die Gestaltung der Raumordnung wird überwiegend akzeptiert, daß die FZ mit einer Zweckbindung für Infrastrukturinvestitionen versehen werden sollen. 121 Umstritten ist allerdings, ob eine Eigenbeteiligung der unterstützten Körperschaft zu verlangen ist. Die, Befürworter weisen darauf hin, daß 115
Zu den Begriffen vgl.: ebenda, S. 271 f. Vgl. dazu z.B.: Petri, W., 1977, S. 178. 117 Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 122f. 118 Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 200. 119 Vgl.: Gläser, M , 1981, S. 120f. 120 v g i > : ebenda, S. 125. Einen Überblick über den Stand der Diskussion der Förderindikatoren gibt: Klemmer, P., 1985, S. 292ff. 116
121
Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 128; Smekal, C., 1980, S. 200.
1. Teil: Theoretische Grundlegung
hierdurch nicht nur die möglichen Leakage-Effekte eingeschränkt werden, sondern daß vor allem diese Investitionen auch von erheblichem Nutzen für die schon ansässigen Unternehmen sind. 1 2 2 Die Kritiker führen demgegenüber an, daß eine Eigenbeteiligung einen strukturkonservierenden Charakter aufweise, der gerade aus Raumordnungsgesichtspunkten nicht akzeptiert werden könne. 1 2 3 Denn die Eigenleistung setzt eine gewisse Finanzkraft der unterstützten Körperschaft voraus, so daß die Gefahr besteht, daß die Mittel nur den ohnehin leistungsfähigen Regionen zufließen und hierdurch die Entwicklungsmöglichkeiten der übrigen Gebiete beschnitten werden. Außerdem kann hierin ein Verstoß gegen distributionspolitische Aspekte gesehen werden. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte darin bestehen, daß das Ausmaß der Eigenbeteiligung proportional oder u.U. sogar progressiv mit der jeweiligen Differenz von Finanzkraft und -bedarf variiert wird. Allerdings gilt auch hier wieder, daß sich durch die gleichzeitige Berücksichtigung mehrerer Ziele die Verteilungsregeln wesentlich komplizierter gestalten und damit die Verwaltungskosten steigen würden. Deswegen wird üblicherweise pauschalierenden Verfahren der Vorzug gegeben, auch wenn die theoretisch optimale Lösung nicht erreicht wird. Schließlich kann die FZ betraglich limitiert werden, wenn mit ihr nur ein bestimmtes Niveau an Infrastruktureinrichtungen angestrebt wird. Insgesamt empfiehlt sich demnach zur Beeinflussung der regionalen Wirtschaftsstruktur eine — für Infrastrukturinvestitionen — zweckgebundene, an eine — u.U. variable — Eigenbeteiligungsquote gebundene und der Höhe nach beschränkte FZ. Bei der Übertragung dieser theoretisch gewonnenen Erkenntnisse in die praktische Ausgestaltung der FZ bleibt als dominierendes Problem die Auswahl der zu unterstützenden Regionen. Wie groß die Schwierigkeiten dabei sind, zeigt ein Blick in die Praxis der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Ohne der späteren Diskussion vorgreifen zu wollen, 12 ^ kann an dieser Stelle schon festgehalten werden, daß im Rahmen dieser Mischfinanzierung von Bund und Ländern jahrelang etwa 60 v.H. der Fläche der Bundesrepublik — auf der knapp 40 v.H. der Bevölkerung leben — „gefördert" wurden. 125 Von einer gezielten Unterstützung ausgewählter Regionen konnte insoweit kaum eine Rede sein; vielmehr wurden die Mittel quasi nach dem Gießkannenprinzip auf das Bundesgebiet verteilt. 126 Allerdings hat die intensive Kritik an diesem Vorgehen mittlerweile Früchte getragen, da vom zuständigen Planungsausschuß in seiner neuesten Abgrenzung die Förderfläche auf weniger als die Hälfte der vorher unterstützten Regionen abgesenkt 122 Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 126; Smekal, C., 1980, S. 200. Hierdurch wird die Verbindung zu dem oben behandelten Aspekt der externen Nutzen deutlich. 123 Vgl.: Albers, W., 1964, S. 284; Petri, W., 1977, S. 179. 124 Vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.2. 125 Vgl.: Boreil, R., 1981, S. 59. 126 So auch: Fürst, D./ Klemmer, P./Zimmermann, K. W., 1976, S. 167.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
wurde. 127 Daneben beruht auch die Entscheidung über den „richtigen" Umfang der FZ und damit die zu fordernde Eigenbeteiligungsquote auf recht unsicheren Grundlagen, da über die Produktivitätsunterschiede zwischen den Regionen kaum konkrete Informationen vorliegen. 128 Als weiteres Problem werden gerade im Zusammenhang mit den Infrastrukturinvestitionen die durch sie verursachten Folgekosten genannt, 129 die bei der Inangriffnahme der Projekte häufig — vor allem um den zu erwartenden finanziellen Zuschuß nicht zu verpassen — viel zu wenig beachtet werden. Da diese laufenden Aufwendungen i.d.R. im Zeitablauf steigen und außerdem nicht bezuschußt werden, können sie den finanziellen Handlungsspielraum der untergeordneten Körperschaften massiv beschränken. So kann auf Beispiele von Kommunen hingewiesen werden, die durch zu ehrgeizige Projekte (z.B.: Bürgerhäuser, Rathäuser, Schwimmbäder) an den Rand des finanziellen Kollapses getrieben wurden, weil die Folgekosten der mit (ζ. T. überwiegend) fremden Mitteln gebauten Einrichtungen sprunghaft gestiegen sind. 1 3 0 3.1.1.4. Zwischenergebnis Allen drei allokationspolitischen Aspekten ist gemein, daß jeweils der Anreiz bestimmter Ausgabenkategorien im Vordergrund der Ziele des FZgebers steht. Insoweit ist das typische Kennzeichen für FZ, die unter diesen Gesichtspunkten vergeben werden, die Verknüpfung mit einer Verwendungsauflage. Allerdings hat die theoretische Analyse gezeigt, daß durchaus vergleichbare Effekte auch über entsprechend ausgestaltete Empfangsauflagen erreicht werden können, wovon in der Praxis aber weniger Gebrauch gemacht wird. Außerdem empfiehlt sich die Bindung der FZ an eine Eigenbeteiligung der unterstützten Körperschaft, da hierdurch nicht nur die Leakage-Effekte begrenzt werden, sondern auch fiskalischen Überlegungen des FZgebers Rechnung getragen wird. Ob die FZ betraglich offen oder limitiert vergeben werden sollten, hängt von der im Einzelfall verfolgten Zielsetzung ab. Fiskalische Überlegungen des zahlenden Oberverbandes sprechen für die betragsmäßige Beschränkung. Ebenfalls einheitlich stellt sich allen drei allokationspolitischen Überlegungen das gleiche Problem entgegen, nämlich die Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse in die konkrete Gestaltung der FZ. Vor allem die Entscheidung über das „korrekte" Ausmaß der finanziellen Unterstützung stellt ein nahezu unlösbares Problem dar, weil die theoretisch leicht abzuleitenden Indikatoren in der Praxis kaum zu ermitteln sind (ζ. B.: Relation von internem zum Gesamtnutzen). Allerdings sollte hier das Anspruchsniveau an die FZ auch nicht überzogen 127
Vgl. dazu: Klemmer, P., 1985, S. 294. So auch: Smekal, C., 1980, S. 200. 129 Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 126. 130 Auf das Beispiel der Gemeinde Husum, die aus einer solchen Entwicklung die einzig logische Konsequenz gezogen und versucht hat, ihr zu teures Schwimmbad einer anderen Verwendung zuzuführen, wird unten (1. Teil, Kap. 3.1.3.2.2.) noch eingegangen. 128
. Teil: Theoretische Grundlegung
werden. Wenn im Vordergrund der Überlegungen des FZgebers die Ausgabensteigerungen in bestimmten Bereichen stehen, dann können von FZ, die an eine Eigenbeteiligung gebunden werden, durchaus Effekte in der gewünschten Richtung und mit möglichst geringen „Sickerverlusten" erwartet werden. Demnach können auch pauschalierende Verteilungsregeln eine hinreichende Annäherung an die theoretisch optimalen Lösungen darstellen. Inwieweit die theoretischen Überlegungen bei der Vergabe der Allokations-FZ in der Realität der später zu betrachtenden Länder Pate gestanden haben, wird weiter unten näher analysiert. 131 3.1.2. Distribution In einem föderativen Staat entspricht die Verteilung der Steuerquellen im allgemeinen nicht der vereinbarten Verteilung der Aufgaben und damit den Ausgabenverpflichtungen. Reichen die finanziellen Möglichkeiten einer Körperschaft nicht aus, die von ihr wahrzunehmenden Aufgaben zu erfüllen, dann bieten sich FZ als Korrekturinstrument geradezu an, wenn man an der grundsätzlichen Aufgaben- und Einnahmenverteilung nichts ändern will. Diese Korrektur kann sowohl vertikal, also zwischen Körperschaften verschiedener Ebenen, als auch horizontal, also zwischen Körperschaften auf einer Ebene, vorgenommen werden. M i t den FZ soll dann ein Ausgleich zwischen der „Bedürftigkeit" (dem Finanzbedarf) und der „Leistungsfähigkeit" (der Finanzkraft) der Körperschaften erreicht werden. Man spricht auch vom Ziel der fiskalischen Gleichheit („fiscal equity"), 1 3 2 das allerdings unterschiedlich interpretiert werden kann. Zum einen kann sich die fiskalische Gleichheit auf Individuen bzw. Gruppen von Individuen beziehen, wobei dann das Ziel durch eine Gleichbehandlung von Wirtschaftssubjekten in gleichen ökonomischen Umständen erreicht wird. Daneben kann die fiscal equity aber auch auf (Gebiets-)Körperschaften bezogen werden, die dann als realisiert angesehen wird, wenn Körperschaften mit gleicher Aufgabenbelastung über gleich große Einnahmen verfügen können. Unabhängig davon, wie die fiscal equity konkretisiert wird, muß eine Entscheidung darüber getroffen werden, anhand welcher Indikatoren über die fiskalische 131
Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.2. und 3.3.2. Der englische Begriff geht auf J. M. Buchanan (1950, S. 583) zurück und wurde vor allem von R. A. Musgrave (1961, S. 97 ff.) und A. D. Scott (1964, S. 245 ff.) diskutiert und weiterentwickelt. Im deutschen Sprachraum hat sich die Bezeichnung „fiskalische Gleichheit" durchgesetzt (vgl. ζ. B.: Peffekoven, R., 1980, S. 627ff.; Wittmann, W., Bd. 3, 1976, S. 116 ff.). Mitunter wird aber auch von der „fiskalischen Gerechtigkeit" gesprochen (ζ. B.: Gläser, M., 1981, S. 128), um dieses Ziel schärfer vom — allokationspolitischen — Prinzip der „fiskalischen Äquivalenz" abzuheben, das in der Literatur wenig glücklich ebenfalls mit „fiskalischer Gleichheit" umschrieben wird (vgl. die deutsche Übersetzung des Beitrags, von M . Olson Jr. in: Kirsch, G., 1977, S. 66ff.). Da in dieser Arbeit unter Allokationsaspekten nur von der „fiskalischen Äquivalenz" gesprochen wurde, kann im folgenden der gebräuchliche Terminus „fiskalische Gleichheit" verwendet werden. 132
3. Ziele der Finanzzuweisungen
(Un-)Gleichheit entschieden wird und in welchem Ausmaß Ungleichgewichte beseitigt werden sollen. Deswegen wird im folgenden so vorgegangen, daß zuerst die beiden grundsätzlichen Alternativen der fiskalischen Gleichheit zwischen Individuen bzw. zwischen Körperschaften abgehandelt werden und anschließend den Fragen nach den möglichen Indikatoren für Finanzbedarf und -kraft sowie nach dem angestrebten Ausgleich nachgegangen wird. 3.1.2.1. Interpretationen der fiskalischen Gleichheit 3.1.2.1.1. Buchanans Konzept des Ausgleichs der fiskalischen Restwerte Für Buchanan ist „equality in terms of states . . . difficult to comprehend, and it carries with it little ethical force for its policy implementation" 133 . Deswegen sieht er es als notwendig an, die innerstaatlichen fiskalischen Ungleichgewichte „to their ultimate impact upon individuals" 1 3 4 zurückzuverfolgen. Sein Ansatz folgt demnach der individualistischen und nicht der organischen bzw. organizistischen Staatsauffassung. 135 Ausgangspunkt der Überlegungen Buchanans ist der Grundsatz der gerechten Besteuerung, nach dem Wirtschaftssubjekte in gleichen ökonomischen Umständen der gleichen steuerlichen Belastung unterliegen sollen („equal treatment for equals"). 136 Allerdings reicht nach seiner Meinung die Berücksichtigung allein der Steuerseite für eine Beurteilung der fiskalisch (un-)gleichen Behandlung nicht aus. Vielmehr sei auch die „benefit side of the fiscal account" 1 3 7 einzubeziehen. Deswegen stellt er auf den sog. fiskalischen Restwert („fiscal residuum") 138 ab, der als Differenz zwischen der von einem Wirtschaftssubjekt zu tragenden Steuerlast und den aus den öffentlichen Ausgaben ihm zufließenden Nutzen definiert wird. Diese Saldogröße kann positiv (Netto-Belastung), negativ (Netto-Nutzen) oder gleich 0 sein, wobei der Wert 0 eine äquivalenzmäßige Finanzierung der Staatsausgaben verdeutlicht. 139 133
Buchanan, J. M., 1950, S. 586. Ebenda. 135 So auch: Gläser, M., 1981, S. 133f. 136 Vgl.: Buchanan, J. M., 1950, S. 587. Als Indikator für die Beurteilung der „ökonomischen Umstände", in denen ein Wirtschaftssubjekt lebt, eignet sich nach seiner Meinung am besten die Höhe des Nominaleinkommens und des Vermögens unter Berücksichtigung der Familienverhältnisse; vgl.: ebenda. 137 Ebenda, S. 588. 138 Y g i . ebenda. Außer vom fiskalischen Restwert (vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 628) wird im deutschen Sprachraum auch vom fiskalischen Netto-Nutzen gesprochen; vgl.: Wittmann, W., Bd. 3, 1976, S. 118. 134
139 Hierbei wird unterstellt, daß die öffentlichen Leistungen im Interesse der besteuerten Wirtschaftssubjekte liegen und insoweit das für das Äquivalenzprinzip — neben dem Prinzip der Zweckbindung—konstitutive Interessenprinzip gewahrt ist; vgl.: Schmidt, K., 1980, S. 137f.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
In einem föderativen Staat sind die Wirtschaftssubjekte Mitglieder von unterschiedlichen, i.d.R. regional abgegrenzten Körperschaften. Je nach den von den Körperschaften übernommenen bzw. ihnen übertragenen Aufgaben und den zu ihrer Finanzierung zur Verfügung stehenden Einnahmenquellen werden die Individuen gleicher Einkommensklassen in verschiedenen Gebietskörperschaften mit ganz unterschiedlichen „Steuerpreisen" zur Finanzierung der öffentlichen Leistungen herangezogen. Ziel des Konzeptes von Buchanan ist es nun, dafür zu sorgen, daß die „equals" durch den Gesamtstaat — verstanden als Summe der Körperschaften auf unterschiedlichen Ebenen, denen ein Wirtschaftssubjekt angehört 140 — unabhängig von ihrer geographischen Lage gleich behandelt werden. Deswegen soll die zentrale Instanz („central fisc") mit Hilfe von noch zu besprechenden Maßnahmen für einen Ausgleich der fiscal residua sorgen, falls diese auf den untergeordneten Ebenen voneinander abweichen. Die Notwendigkeit des Ausgleichs der fiskalischen Restwerte wird vor allem mit zwei Argumenten begründet: Zum einen können Unterschiede in den Residuen zu allokationspolitisch unerwünschten Wanderungen der Produktionsfaktoren führen. 141 Denn werden z.B. die Arbeitskräfte einer Region (fiskalisch) stärker belastet oder weniger begünstigt als die in einer anderen, entsteht hierdurch ein Anreiz zur Faktorwanderung, der nicht auf marktmäßige Kosten- oder Preisunterschiede zurückzuführen ist und insoweit zu Ineffizienzen führt. „The whole fiscal structure should be as neutral as is possible in a geographic sense." 142 Die zweite Begründung stammt aus dem Distributionsbereich. Nach überwiegend akzeptierter Auffassung soll die Umverteilungsaufgabe der Zentralinstanz vorbehalten werden. 143 Diese Aufgabenzuordnung würde aber unterlaufen, wenn die untergeordneten Gebietskörperschaften durch unterschiedliche fiskalische Restwerte dafür sorgen könnten, daß die NettoEinkommen — also nach Berücksichtigung der Staatstätigkeit — bei gleichen Brutto-Einkommen regional differieren würden. Denn dadurch käme ihnen eine distributionspolitische Kompetenz zu. Aus diesen beiden Gründen plädiert Buchanan für einen Ausgleich der Unterschiede zwischen den fiskalischen Restwerten durch den ,central fisc'. Es ist zu betonen, daß es in diesem Konzept nur um den Ausgleich der fiscal residua in bezug auf gleiche Wirtschaftssubjekte und damit um die horizontale Gleichbehandlung geht. Eine Aussage über die (vertikale) Ungleichbehandlung von Wirtschaftssubjekten in ungleichen Umständen und damit insbesondere über den Steuertarif kann aus diesen Überlegungen nicht abgeleitet werden. 140
Buchanan (1950, S. 588) spricht vom „combined ,fisc\ including all the units in the political hierarchy". 141 Vgl.: ebenda, S. 589f. 142 Ebenda, S. 589. 143 Die entsprechenden Argumente können nachgelesen werden z. B. bei: Peffekoven, R., 1980, S.615f.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
1
Theoretisch präferiert Buchanan für den Ausgleich der fiskalischen Restwerte eine regional differenzierende und damit diskriminierende Einkommensbesteuerung durch den Oberverband. 144 M i t Hilfe eines Zahlenbeispiels macht er deutlich, daß bei diesem Ausgleichskonzept die Individuen in Regionen, die durch relativ große fiskalische Restwerte gekennzeichnet sind (Netto-Belastung), durch geringere Steuerzahlungen an den Oberverband entschädigt werden sollen. Andererseits werden die Wirtschaftssubjekte in Gebieten mit niedrigem Restwert in stärkerem Maße der Zentralbesteuerung unterworfen. Als besonderen Vorteil dieses Verfahrens hebt Buchanan — neben der Erreichung der fiscal equity — hervor, „that it allows the necessary inter-area transfer of funds to take place without any necessary increase in the total amount of federal revenue." 145 Da die Individuen der einen Region stärker und die der anderen schwächer besteuert werden, braucht sich am Gesamtsteueraufkommen nichts zu ändern. Allerdings erkennt schon der Autor die erheblichen verfassungsrechtlichen und politischen Probleme, die mit der Erhebung einer räumlich differenzierenden Einkommensteuer verbunden sind 1 4 0 und die später einen wichtigen Kritikpunkt gegen seinen Vorschlag darstellten. 147 Wegen dieser Schwierigkeiten hat Buchanan — quasi als second best-Lösung — die Möglichkeit aufgezeigt, Unterschiede in den fiskalischen Restwerten durch Zahlungen zwischen den Individuen bzw. Gruppen von ihnen abzugleichen. Auch wenn der Autor darauf hinweist, daß „bloc transfers among states will satisfy the equity criterion only if made in a specific fashion" 1 4 8 , und er deswegen betont, daß der Ausgleich zwischen den Individuen zu erfolgen habe, kann sein Vorschlag für die praktische Ausgestaltung nur so interpretiert werden, daß Transferzahlungen und damit FZ von Körperschaften, deren Mitglieder einen geringen fiskalischen Restwert aufweisen, an solche geleistet werden, deren Individuen durch höhere fiscal residua belastet sind. 1 4 9 Denn interindividuellen Transferströmen stehen praktisch unüberwindliche — vor allem psychologische — Probleme entgegen. Alternativ zu den horizontalen Zahlungen zwischen den Körperschaften könnte das Ziel auch durch eine regional differenzierte Vergabe von FZ durch den Oberverband erreicht werden, wobei es dann allerdings zu der unerwünschten Vergrößerung des zentralen Haushalts kommen würde. Das Konzept von Buchanan ist in der Literatur ausgiebig diskutiert worden. Einerseits wird darauf hingewiesen, daß durch den Ausgleich der fiscal residua 144
Vgl.: Buchanan, J. M., 1950, S. 595f. Ebenda, S. 595 (Hervorhebung vom Verf.). 146 Vgl.: ebenda. 147 Vgl. z.B.: Scott, A. D., 1964, S. 253. 148 Buchanan, J. M., 1950, S. 595. 149 Aus den Formulierungen von Buchanan wird deutlich, daß er auch nicht immer scharf zwischen Transfers zwischen Körperschaften und solchen zwischen Individuen unterscheidet; vgl. z.B.: ebenda, S. 593. 145
6 Fischer
1. Teil: Theoretische Grundlegung
der föderative Charakter des Staatsaufbaus beibehalten wird, da nur Saldogrößen ausgeglichen werden und insoweit die Entscheidungen über die zur Verfügung gestellten Leistungen und die jeweilige Finanzierung bei den untergeordneten Körperschaften verbleiben. 150 Andererseits enthalte das Konzept zentralistische Tendenzen, da durch den Ausgleich der Restwerte die Individuen gegen fiskalische Veränderungen auf den untergeordneten Ebenen immunisiert werden. 151 Insoweit kann bezweifelt werden, ob der Abbau der Unterschiede zwischen den fiskalischen Restwerten in einem föderativen Staat überhaupt erstrebenswert ist. 1 5 2 Außerdem sind Bedenken gegen die Praktikabilität des Konzepts vorgebracht worden. 153 Denn sowohl die Ermittlung der von den Individuen zu tragenden Steuerlasten — abzustellen wäre auf die effektive Inzidenz der Besteuerung unter Berücksichtigung von u. U. auftretenden Steuerexporten — als auch der aus den öffentlichen Leistungen zufließenden Nutzen — hierfür müßten insbesondere Kriterien bekannt sein, mit denen man die Nutzen von „unteilbaren" öffentlichen Leistungen auf die Individuen aufteilen könnte 1 5 4 — bringt bis heute nicht gelöste Probleme mit sich, die eine Realisierung dieses Ansatzes ausschließen. Darüber hinaus ist fraglich, ob das angestrebte Ziel der allokativen Neutralität durch einen Ausgleich der fiscal residua überhaupt erreichbar ist. Wie vor allem Scott deutlich gemacht hat, 1 5 5 bedeuten nämlich gleiche fiskalische Restwerte nicht, daß sich die Individuen — formal gesprochen — auf der gleichen Indifferenzkurve bewegen. Vielmehr hängt das jeweilige Wohlfahrtsniveau nicht vom Saldo, sondern von der absoluten Höhe der Staatsausgaben und -einnahmen ab. Da nun jeder fiskalische Restwert mit — theoretisch unendlich — vielen Ausgaben-Steuer-Kombinationen erreicht werden kann, können die Individuen auch bei identischen Restwerten durch Abwanderungen in andere Regionen ein höheres, u.U. aber auch ein geringeres Wohlfahrtsniveau realisieren. Demnach ist nicht auszuschließen, daß durch den Ausgleich der Restwerte Wanderungen initiiert werden, die doch verhindert werden sollten. 156 Schließlich wird dem Konzept entgegengehalten, daß durch den Ausgleich mittels Transfers zwischen den Körperschaften der individualistische Charakter des Ansatzes verloren gehe. 157 Wenn der Ausgleich ohnehin zwischen Körper150
Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 132. Vgl.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 116f. 152 Vgl.: Peffekoven, R , 1980, S. 628. 153 Vgl. z.B.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 119; Scott, A. D., 1964, S. 253; Gläser, M., 1981, S. 134. 154 Letztendlich können die vorgeschlagene Pro Kopf-Gleichverteilung bzw. die diskutierte Proportionalität zum Einkommen nicht überzeugen; vgl.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 119. 155 Vgl.: Scott, A. D., 1964, S. 254f. 156 Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 628. 151
3. Ziele der Finanzzuweisungen
Schäften vorgenommen werde, dann brauche auch nicht auf die — praktisch nicht zu ermittelnde—fiskalische Situation der Individuen abgestellt zu werden. Vielmehr biete es sich dann an, direkt die Unterschiede zwischen den Körperschaften in bezug auf ihre Aufgabenverpflichtungen und die Möglichkeiten der Einnahmenbeschaffung in den Mittelpunkt des Ausgleiches zu stellen. Damit kommen wir zur zweiten Interpretation des Begriffs der fiscal equity. 3.1.2.1.2. Fiskalische Gleichheit zwischen Körperschaften Anders als bei Buchanan wird der Begriff der fiscal equity üblicherweise auf Körperschaften bezogen. Dabei geht es dann unmittelbar, d.h. ohne Rückgriff auf interindividuelle Ungleichgewichte, um den Ausgleich von Unterschieden in den Relationen von Finanzkraft- und/oder -bedarfsindikatoren zwischen Gebietskörperschaften. In der Literatur ist hierzu eine ganze Palette von Konzepten vorgestellt worden (vor allem von: Musgrave, Thurow, Le Grand, Mathews), mit deren Hilfe die erforderlichen Ausgleichszuweisungen (balancing grants) berechnet werden können. Obwohl diese Konzepte schon geraume Zeit in der Literatur diskutiert werden, ist hier erneut darauf einzugehen, da zum einen bei ihrer Interpretation immer wieder Fehler bzw. Ungenauigkeiten auftreten. 158 Zum anderen wird damit eine Grundlage geschaffen, um die in der Praxis des bundesstaatlichen Finanzausgleichs in Australien und der Bundesrepublik angewendeten Methoden zu beurteilen. Bevor auf die Konzepte näher eingegangen wird, sollen kurz die Gründe genannt werden, die für einen Ausgleich der fiskalischen Ungleichgewichte zwischen Körperschaften vorgebracht werden. Hierzu kann sowohl auf ökonomische als auch auf politische Argumente verwiesen werden. Unter ökonomischen Aspekten 159 ist es zum einen wiederum die Verhinderung allokationspolitisch unerwünschter Wanderungen, die durch unterschiedliche Leistungsangebote und/oder Steuerbelastungen zwischen den Körperschaften initiiert werden könnten. Zum anderen besteht die Gefahr, daß durch fiskalische Ungleichgewichte regionale Wachstums- oder Verteilungsunterschiede geschaffen oder verstärkt werden. Die politische Dimension des Ausgleichs dieser Unterschiede drückt sich einmal darin aus, daß hierin häufig der entscheidende Schritt von einem nur kon-föderativen Staatenbund zu einem föderativen (Bundes-)Staat gesehen wird. 1 6 0 Übernehmen nämlich in einer Art „Schicksalsgemeinschaft" die „reichen" Körperschaften zusätzliche Lasten zugunsten der „armen" oder verzichten sie auf Einnahmen, so wird dadurch das Gefühl der Verbundenheit zwischen den Gliedstaaten vergrößert. Zum anderen ist es für die politische 157 158 159 160
6*
Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 133. Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.1.2.1. Vgl. dazu: Peffekoven, R., 1980, S. 629. So auch: Gläser, M., 1981, S. 137.
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Stabilität eines föderativen Staates wichtig, daß die Bürger in verschiedenen Regionen (in etwa) gleiche Voraussetzungen in bezug sowohl auf die öffentlichen Leistungen als auch auf die Steuerbelastung vorfinden. So weist ζ. B. Peffekoven zu Recht darauf hin, daß „viele Separationsbewegungen . . . ζ. T. gerade damit zu erklären (sind), daß die Separatisten ihre Region im Vergleich zu den übrigen Regionen aufgrund der staatlichen Aktivitäten für übervorteilt halten." 1 6 1 Ähnliche Überlegungen lassen sich gegenwärtig mit Bezug auf die Krise der Europäischen Gemeinschaften anstellen, da sich die Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedern immer wieder an den Unterschieden in den finanziellen Netto-Vorteilen oder Netto-Belastungen entzünden. 162 Spricht man sich aufgrund dieser Argumente für einen Ausgleich der fiskalischen Ungleichgewichte zwischen Körperschaften aus, so ist als nächstes die Frage aufzuwerfen, worauf sich der Ausgleich beziehen soll und wie infolgedessen die hierfür geleisteten FZ zu gestalten sind. Grundlegend hat sich dazu R. A. Musgrave geäußert, der allein sechs verschiedene Ausgleichskonzepte vorgestellt hat, 1 6 3 auf die — wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung — als erstes eingegangen wird. Daran anschließend werden die Vorschläge diskutiert, die sich im wesentlichen aufgrund der Auseinandersetzungen mit den Musgravesehen Gedanken ergeben haben und insoweit als Weiterführungen seiner Vorschläge bezeichnet werden können. Wie die folgenden Ausführungen noch zeigen werden, haben einige der Konzepte bei der Konstruktion der in Australien und in der Bundesrepublik Deutschland praktizierten FZsysteme Pate gestanden. 164 3.1.2.1.2.1. Musgraves Konzepte Musgrave geht bei seinen Überlegungen von einer Zentralinstanz („central fisc") aus, die mit Hilfe von positiven und negativen Finanzzuweisungen an bzw. von den untergeordneten Körperschaften dafür sorgt, daß es zu einem Ausgleich unterschiedlich definierter fiskalischer Ungleichheiten kommt. Da eine zentrale Bedingung der Analyse lautet, daß das Budget des Oberverbandes durch diese Transaktionen nicht berührt werden darf, sich also die positiven und negativen FZ entsprechen müssen, können die Vorschläge unmittelbar auch auf einen direkten horizontalen Ausgleich zwischen den betroffenen untergeordneten Körperschaften übertragen werden. Ebenso sind die Konzepte für andere 161
Peffekoven, R., 1980, S. 628 f. Zu einem Überblick vgl.: Ott, G., 1984, S. 333 ff. 163 Vgl.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 98ff. Genau genommen stellt Musgrave sogar sieben Konzepte vor, wobei er seinen Plan 7 als „pure incentive plan" bezeichnet, bei dem deshalb auch nicht der Ausgleich von fiskalischen Ungleichgewichten, sondern der Anreiz bestimmter Ausgabenkategorien im Vordergrund steht. Auf diesen Aspekt, der dann logischerweise zu einer Forderung nach „matching grants" führt, braucht an dieser Stelle nicht mehr eingegangen zu werden; vgl.: 1. Teil, Kap. 2.3.4. 164 Vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2. und 3.3.1.2. 162
3. Ziele der Finanzzuweisungen
Ebenen (z.B.: Land, Gemeinden) anwendbar, was erneut die grundsätzliche Bedeutung der Überlegungen deutlich macht. In der Symbolik von Musgrave kann eine untergeordnete Körperschaft i ihre Gesamtausgaben (A s) entweder durch Steuern (T t) oder über Finanzzuweisungen (Si) finanzieren, so daß von folgender Definitionsgieichung auszugehen ist: At = T t + S„
(1)
wobei Τι das Produkt aus der steuerlichen Bemesungsgrundlage B t und dem Steuersatz t t ist, also = Demnach wird in diesem ersten Schritt von anderen öffentlichen Einnahmen, vor allem der Kreditaufnahme, abgesehen. Diese Annahme wird bei den später zu behandelnden Weiterentwicklungen aufgegeben. 165 Wegen der oben schon genannten Bedingung, wonach das zentrale Budget durch die Ausgleichszahlungen nicht verändert werden darf, gilt als weitere Definitionsgleichung:
(2)
i= 1
wobei η die Anzahl der untergeordneten Körperschaften darstellt. Die Summe der erhaltenen Zuweisungen (positives St) muß der Summe der zu leistenden Umlagen (negatives St) gleich sein. In seinem Plan 1 stellt Musgrave auf einen Ausgleich der „tatsächlichen Ausgaben pro Kopf ' ab (Equalization of Actual [Per Capita-]Outlays). 166 Obwohl er den Pro Kopf-Bezug lediglich an einer Stelle erwähnt und ansonsten — auch in der Symbolerläuterung — von „actual outlays" spricht, kann das Konzept sinnvollerweise aber nur auf die Pro Kopf-Ausgaben bezogen verstanden werden. 167 Wenn nach Plan 1 alle Körperschaften in die Lage versetzt werden sollen, die gleichen (durchschnittlichen) Pro Kopf-Ausgaben Af zu tätigen, lautet die formalisierte Zielsetzung:
η Wegen (1) und (2) muß dann gelten: Σ4 η
Σ τι η
so daß S, =
(3)
Af-T t=^-T t η
mit S i i 0 für r f g — .
η 165 166 167
Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.1.2.2. Vgl.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 99f. So auch: Peffekoven, R., 1980, S. 629; Gläser, M., 1981, S. 146.
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Nach diesem Konzept findet also eine Umverteilung von den Körperschaften mit überdurchschnittlichen an diejenigen mit unterdurchschnittlichen Steuereinnahmen statt. 1 6 8 Gegen diesen, von Musgrave selber als „rather primitive approach" 169 bezeichneten Ansatz sind als Einwände vor allem vorzubringen, daß er zum einen den Verzicht auf eigene Einnahmen begünstigt, da jedes „Weniger" an Steuern durch ein „Mehr" an FZ (bzw. ein „Weniger" an zu leistenden Umlagen) honoriert wird. Im Extrem wäre sogar ein Verzicht auf jegliche eigene Steuereinnahmen und damit eine vollständige Fremdfmanzierung über FZ denkbar. Insoweit kann dieser Plan für eine Umsetzung in die Praxis des Finanzausgleichs nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden. Als weitere Kritik ist darauf hinzuweisen, daß bei diesem Konzept Unterschiede in den jeweiligen Bedarfssituationen der Körperschaften nicht berücksichtigt werden. Auch wenn mit dem Pro Kopf-Bezug der Ausgaben grundsätzlich ein erster Ansatz der Bedarfsberücksichtigung praktiziert wird, 1 7 0 reicht das bei weitem nicht aus, da gleiche Pro Kopf-Ausgaben zu unterschiedlichen Versorgungsniveaus führen können, je nachdem welche demographischen, topographischen und/oder klimatischen Besonderheiten für einzelne Körperschaften gelten. Diesem letzten Kritikpunkt versucht Musgrave mit seinem Plan 2 gerecht zu werden, der den Ausgleich der „ Versorgungsniveaus mit öffentlichen Leistungen" zum Ziel hat (Equalization of Performance Levels). 171 Das jeweilige Versorgungsniveau mit öffentlichen Leistungen ( K f ) 1 7 2 ergibt sich, wenn man die tatsächlich geleisteten (Pro Kopf-)Ausgaben auf einen der Region zugeordneten Bedarfsindex N { bezieht. Durch diesen Bedarfsindex sollen die Unterschiede in den genannten Bedingungen berücksichtigt werden. Setzt man den Normalbedarf mit N = 1, so würden Regionen mit einem höher (geringer) angesehenen Bedarf ein N t zugeordnet bekommen, das größer (kleiner) als 1 ist. Gleiche Ausgabenniveaus A t führen dann in Regionen mit höherem zu einem geringeren Versorgungsniveau als bei geringerem N t. Ziel des Planes 2 ist es nun, für alle Körperschaften ein einheitliches Versorgungsniveau Vf zu gewährleisten mit 168
Vgl.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 99. Ebenda. 170 A u f diesen Aspekt ist m. E. in der Literatur bisher zu wenig eingegangen worden. Es leuchtet aber unmittelbar ein, daß gleiche Gesamtausgaben bei einer geringeren Bevölkerungszahl einen höheren Pro Kopf-Betrag ausmachen als bei einer höheren Einwohnerzahl. Insoweit handelt es sich beim Pro Kopf-Bezug um einen — zugegebenermaßen recht groben — Indikator des Finanzbedarfs, auf den in der Praxis — mangels besserer Alternativen — häufig Bezug genommen wird; vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.2.2. 171 Vgl.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 100. 172 In der Darstellung von Musgrave wird hierfür das Symbol Ρ verwendet, mit dem in der vorliegenden Arbeit die Einwohnerzahl einer Körperschaft verdeutlicht wird. Deswegen wird hier das Versorgungsniveau mit dem Symbol V belegt. 169
3. Ziele der Finanzzuweisungen
r
i
η Zur Erreichung dieses Versorgungsniveaus sind dann in jeder Region Ausgaben in Höhe von A f
=
VfNi
zu tätigen. Demnach lassen sich die Transfers wie folgt berechnen: (4) m i t
S^VfN-Tt f ü r
T i i V f N
t
.
Eine Körperschaft erhält nach diesem Konzept nur dann eine FZ, wenn ihre eigenen Steuereinnahmen nicht ausreichen, die für das angestrebte Versorgungsniveau (Vf) notwendigen Ausgaben (Vf NJ zu finanzieren. I m umgekehrten Fall muß sie eine Umlage zahlen. Demnach findet eine Umverteilung von Körperschaften mit hohen Steuern und geringem Bedarfsindex an solche mit geringen Steuern und großem Bedarf statt. 1 7 3 Positiv unterscheidet sich Plan 2 von Plan 1 dadurch, daß eben auch Unterschiede in den jeweiligen Finanzbedarfssituationen berücksichtigt werden. Bei gleichen Steuereinnahmen erhalten diejenigen Körperschaften eine höhere FZ (bzw. haben eine geringere Umlage zu zahlen), deren Bedarfsindex höher ist, die also größere Ausgaben tätigen müssen, um das angestrebte Versorgungsniveau zu erreichen. Kritisch ist aber — wie gegen Plan 1 — vorzubringen, daß höhere Eigenanstrengungen in Form von höheren Steuereinnahmen quasi bestraft werden, weil hierdurch die zu erhaltende FZ sinken bzw. die zu zahlende Umlage steigen würde. Demnach ist auch Plan 2 mit erheblichen disincentive-Effekten in bezug auf die Ausschöpfung eigener Steuern verbunden; im Extrem lohnt es sich für jede Körperschaft, ganz auf die Steuererhebung zu verzichten. Dieser Mangel wird durch Musgrave s Plan 3 behoben, der den Ausgleich der „ Unterschiede zwischen Finanzbedarf und Finanzkraft" verfolgt (Equalization of Differentials in Need and Capacity). 174 I m Gegensatz zu den Plänen 1 und 2, die von Musgrave auch zusammenfassend als „Equalization of Actuals" bezeichnet werden, 175 spielen in Plan 3 die von den untergeordneten Körperschaften angewendeten fiskalischen Parameter (A t; keine Rolle mehr. 173
Vgl.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 101. Etwas genauer ist Plan 3 so zu umschreiben, daß er der Angleichung der finanziellen Kapazität dienen soll, die benötigt wird, um ein bestimmtes (zentral) vorgegebenes Versorgungsniveau zu gewährleisten; vgl.: Gläser, M., 1981, S. 148. In der Terminologie Musgraves (1961, S. 102): „Equalization of Fiscal Capacity to Meet a Centrally Set Level of Performance." 175 Vgl.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 99. 174
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Für den Ausgleich von Unterschieden im Finanzbedarf wird ein bestimmtes Versorgungsniveau (m) festgelegt, das von jeder Körperschaft — unabhängig vom jeweiligen Bedarfsindex — erreicht werden soll. Plan 3 unterscheidet sich demnach von Plan 2 dadurch, daß als Ziel nicht mehr das durchschnittliche, sondern ein „centrally set level of performance" 176 angestrebt wird. I n der Bestimmungsgleichung für St schlägt sich der Bedarfsausgleich entsprechend mit m(N-N)
nieder, so daß Körperschaften, deren Bedarfsindex größer als der durchschnittliche ist, Zahlungen in dem Ausmaß erhalten würden, daß sie das angestrebte Versorgungsniveau m erreichen können. Körperschaften mit N t < Ν müßten entsprechend eine Umlage leisten. Allerdings beschränkt sich Plan 3 nicht auf diesen Finanzbedarfsausgleich, sondern es werden auch Unterschiede in der Finanzkraft berücksichtigt, was sich im zweiten Teil der Ausgleichsformel niederschlägt, der lautet tsiB-Bd, wobei t s ein standardisierter, von der Zentrale festgelegter Steuersatz und Β die durchschnittliche Bemessungsgrundlage aller i Körperschaften ist. Körperschaften, deren steuerliche Bemessungsgrundlage geringer als die durchschnittliche ist, erhalten demnach eine FZ in Abhängigkeit von der festgelegten Rate t s et vice versa. Insgesamt berechnet sich die jeweilige FZ oder Umlage nach (5)
S ^ m i N i - m + tXB-BÙ
Betrachtet man jeden Summanden aus (5) für sich und bildet jeweils die Summe über alle i Körperschaften, dann ergibt sich immer der Wert 0, weil ein Teil der Bedarfsindizes bzw. der Bemessungsgrundlagen stets größer und der andere entsprechend kleiner als die Durchschnittsgröße ist. Demnach braucht η die Bedingung (2) £ 5, = 0 in diesem Fall nicht weiter beachtet zu werden. i= 1
U m den unhandlichen Ausdruck der Gleichung (5) zu vereinfachen, bietet sich die Annahme an, daß die Zentralinstanz die von ihr beeinflußbaren Parameter t s und m so festlegt, daß gilt: t sB=mN.
Dahinter steht die Überlegung, daß durch die Anwendung des zentralen Steuersatzes auf die durchschnittliche Bemessungsgrundlage gerade die Einnahmen erzielt werden, die nötig sind, um bei dem durchschnittlichen Bedarfsindex das angestrebte Versorgungsniveau zu erreichen. Unter dieser Prämisse verkürzt sich (5) zu: 176
Ebenda, S. 102.
3. Ziele der Finanzzuweisungen (6) mit
S^mN-tA für m N ^ t ß i .
Bei gegebenen m und t s findet also eine Umverteilung von Körperschaften mit niedrigem Bedarf und hoher Bemessungsgrundlage zu solchen mit hohem Bedarf und niedriger Bemessungsgrundlage statt. 1 7 7 Im Vergleich zu den Plänen 1 und 2 sind auf der Einnahmenseite nicht mehr die eigenen tatsächlichen Steuereinnahmen für den Ausgleich entscheidend, sondern „nur" das Ausmaß der jeweiligen Bemessungsgrundlage. Damit ist unmittelbar der entscheidende Vorteil von Plan 3 angesprochen, der dem von Musgrave favorisierten Plan 6 schon recht nahe kommt. Denn da der Steuersatz t { keinen Einfluß auf die FZ hat, werden höhere eigene Anstrengungen, d. h. eine größere Steueranspannung (tax effort), nicht länger bestraft. Eine Veränderung der Steuersätze hat demnach keinen direkten 178 Einfluß auf Richtung und Ausmaß der FZ bzw. Umlage. Insoweit entstehen erstmals keine disincentive-Effekte in bezug auf die Steueranspannung. 179 Allerdings ist diesem Konzept entgegenzuhalten, daß es eine höhere Eigenanstrengung auch nicht honoriert. Körperschaften mit gleichen Bemessungsgrundlagen (und gleichen Bedarfsindizes) erhalten gleiche FZ (Vor.: B ^ B ; N i > N ) unabhängig davon, ob eine Körperschaft u.U. versucht, über eine größere Steueranspannung, d.h. höhere Steuersätze, ihrer Bevölkerung größere oder bessere öffentliche Leistungen anzubieten. Die Pläne 4 und 5 dienen Musgrave wohl nur zur Vorbereitung des von ihm präferierten Planes 6, da dieser sich aus Plan 4 und dem leicht veränderten Plan 5 zusammensetzt. Als eigenständige Ausgleichskonzepte können Plan 4 und 5 auch nicht akzeptiert werden, da jeweils nur eine Seite der Medaille, nämlich entweder der Finanzbedarf oder die Finanzkraft, berücksichtigt wird. In Plan 4 schlägt Musgrave den Ausgleich von „Unterschieden in der Finanzkraft" vor (Equalization of Fiscal Capacities), 180 wobei jetzt aber — im Gegensatz zu Plan 3 — die Unterschiede in den Bemessungsgrundlagen nicht mehr mit dem zentralen Steuersatz t s, sondern mit dem tatsächlich angewandten Steuersatz t { gewichtet werden: (7)
Si = (B—Bi)ti.
177
Vgl.: ebenda, S. 103. Sämtliche von Musgrave vorgeschlagenen Konzepte leiden darunter, daß mögliche indirekte Wirkungen von einer Änderung der Steuersätze (Δ t t) auf die steuerlichen Bemessungsgrundlagen (Δ2?,·), z.B.: Faktorwanderungen, nicht erfaßt werden können. 178
179 Demnach wird hier der Kritik von Gläser (1981, S. 148) widersprochen, der die — m. E. nicht existierende — Gefahr sieht, daß die Körperschaften „mit den Transferzahlungen eigene Einnahmen substituieren, d.h. die Steuersätze senken können." Schon Musgrave (1961, S. 103; Hervorhebung vom Verf.) hat darauf hingewiesen, daß „the essential feature of this plan is that . . . the plan has no substitution effect." 180 Vgl.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 103 ff.
0
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Ob eine Körperschaft eine FZ erhält oder eine Umlage zahlen muß, hängt davon ab, ob ihre steuerliche Bemessungsgrundlage größer oder kleiner als die durchschnittliche ist: j O für B i f B .
Das Ausmaß der transferierten Mittel hängt von dem jeweiligen Steuersatz f £ ab. Demnach ist bei diesem Konzept auch nicht zwangsläufig für den Budgetausgleich der Zentralinstanz gesorgt, da die Differenzen eben nicht mehr einheitlich mit t s, sondern mit verschiedenen gewichtet werden. Aus diesem Grund fügt Musgrave bei diesen — und den folgenden — Konzepten den Bestimmungsgleichungen für S t den Subtrahenten — ic2?f hinzu, der dem notwendigen Budgetausgleich dient. Übersteigen die vom Oberverband zu leistenden FZ die von den Körperschaften zu zahlenden Umlagen, d.h. werden in den Körperschaften mit niedrigen Bemessungsgrundlagen vergleichsweise hohe Steuersätze und in denen mit großen Steuerbasen niedrige Sätze erhoben, dann muß der Oberverband / c > 0 festlegen, damit die FZ an die unter dem Durchschnitt liegenden Körperschaften entsprechend reduziert und die Umlagen der über dem Durchschnitt liegenden entsprechend erhöht werden. Wären die Umlagen größer als die zu leistenden FZ, so könnte der Oberverband entsprechend t cB ist. Ein Anreiz zur stärkeren Steueranspannung besteht demnach nur bei den Körperschaften mit unterdurchschnittlichen Bemessungsgrundlagen. Berücksichtigt man außerdem, daß 181 182 183 184
Vgl.: ebenda, S. 105, 107, 110. Gläser, M., 1981, S. 149. Musgrave, R. Α., 1961, S. 104. Vgl.: ebenda.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
1
durch eine Erhöhung von t { u. U. Wanderungsbewegungen initiiert werden und somit Bi sinken kann, würde sich bei B ^ B der Effekt verstärken, d.h. die FZ noch weiter vergrößern, und bei Bt > Β dem ursprünglichen Effekt entgegenlaufen, d. h. die Umlage tendenziell verringern. Durch die Berücksichtigung solcher Sekundärwirkungen ergeben sich also weitere Komplikationen in bezug auf die Beurteilung der Verteilungswirkungen. Während Plan 4 einen reinen Bemessungsgrundlagen- und damit Finanzkraftausgleich darstellt, geht es bei Plan 5 um den Ausgleich der „ Versorgung mit öffentlichen Leistungen pro Einheit eigener Steuereinnahmen" (Equalization of Performance Levels per Dollar of their own Tax Revenue Collected) 185 , in dessen Mittelpunkt demnach der Ausgleich von Finanzbedarfsunterschieden steht. Die FZ bzw. Umlagen berechnen sich hierbei wie folgt: (8)
S^iN-fyBiU.
Ob eine Körperschaft eine FZ erhält oder eine Umlage zu zahlen hat, wird — entsprechend dem diesbezüglichen Teil von Plan 3 — allein vom Unterschied ihres Bedarfsindexes zum durchschnittlichen bestimmt: Stoffa
N^N,
d. h. es kommt zu einer Umverteilung „to more needy from less needy states". 186 Im Gegensatz zu Plan 3 hängt das Ausmaß der Transfers — außer von der Differenz zwischen N t und Ν — nicht vom angestrebten Versorgungsniveau, sondern vom Umfang der eigenen Steuereinnahmen ab. Insoweit ist m.E. auch die Kritik verfehlt, daß bei diesem Plan „Einnahmetatbestände . . . vollständig vernachlässigt (werden)." 187 Es ist zwar richtig, daß diese nicht ausgeglichen werden; aber für das Niveau der Transfers spielen sie eine entscheidende Rolle. Außerdem kommt es nur hierdurch zu dem schon von Musgrave herausgestellten Vorteil, daß auch bei diesem Konzept höhere eigene Anstrengungen der Steuerausschöpfung honoriert werden, jedenfalls wenn der Finanzbedarf einer Körperschaft größer als der durchschnittliche ist. 1 8 8 Auch in diesem Fall gilt, daß mögliche Reaktionen der Körperschaften auf den Erhalt der FZ bzw. die Leistung von Umlagen und damit induzierte Sekundärwirkungen nicht erfaßt werden können. Wie schon angedeutet, favorisiert Musgrave selber seinen Plan 6,189 der eine Kombination der Pläne 4 und 5 darstellt und der den Ausgleich der „ Versorgung mit öffentlichen Leistungen pro Einheit eigener Anstrengungen" zum Ziel hat 185 186 187 188 189
Vgl.: ebenda, S. 106. Ebenda, S. 107. Gläser, M., 1981, S. 149. Vgl.: Musgrave, R. Α., 1961, S. 108. Vgl.: ebenda, S. 114.
1. Teil: Theoretische Grundlegung
(Equalization of Performance Levels per Effort Unit). 1 9 0 Die Ausgleichsformel lautet (9)
S^iB-Bdti + iNi-WBt,
Während der erste Summand identisch mit der Formel aus Plan 4 (Gleichung [7]) ist und insoweit dafür sorgt, daß alle Körperschaften nach dem Ausgleich über eine Finanzkraft verfügen, als ob sie ihren Steuersatz auf die durchschnittliche Bemessungsgrundlage angewandt hätten, weicht der zweite Teil von (9) insoweit von Plan 5 ab, als die Unterschiede in den Bedarfsindizes nicht mit den tatsächlichen Steuereinnahmen, sondern mit 5 t f gewichtet werden. Hierin drückt sich auch der Unterschied in der Bezeichnung der sehr ähnlich lautenden Pläne 5 und 6 aus. Denn im Gegensatz zu Plan 5, bei dem die Differenzen mit dem Steuer aufkommen gewichtet werden, sind es jetzt nur noch Unterschiede in der Steueranspannung, d. h. in der Höhe der Steuersätze, die für den Ausgleich maßgeblich sind. Löst man (9) weiter auf und berücksichtigt, daß N = 1 gesetzt ist, vereinfacht sich der Ausdruck zu: (10)
_
m i t S f g 0 für
S^NtB-Bdti
NÌ B%BÌ .
Nach Plan 6 kommt es also zu einer Umverteilung von Körperschaften mit niedrigem Bedarfsindex und großer Bemessungsgrundlage an solche mit hohem Bedarf und niedriger Bemessungsgrundlage. Es können aus diesem Konzept allerdings keine eindeutigen Aussagen für die Körperschaften abgeleitet werden, bei denen ein großer (geringer) Bedarfsindex auch mit einer großen (geringen) Bemessungsgrundlage kombiniert ist. 1 9 1 Da das Ausmaß der Transfers — neben den Unterschieden in der Finanzkraft und dem -bedarf — vom eigenen Steuersatz t x abhängt, werden bei den Empfangern von FZ höhere eigene Anstrengungen belohnt; denn mit höheren Steuersätzen steigen auch die erhaltenen FZ. Bei den Zahlern einer Umlage gilt das allerdings nicht, da sich hier die Umlagebelastung infolge steigender Steuersätze vergrößern würde. Positiv ist bei Plan 6 hervorzuheben, daß er sowohl Unterschiede im Finanzbedarf als auch in der Finanzkraft berücksichtigt. Außerdem wird bei bedürftigen Körperschaften eine höhere Steueranspannung finanziell belohnt. Allerdings bleibt das Problem, daß für die relativ reichen Körperschaften ein Anreiz besteht, ihre Steuersätze zu senken, weil sie dadurch ihre Umlageverpflichtungen reduzieren können.
190 191
Vgl.: ebenda, S. 109. Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 630.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
3.1.2.1.2.2. Weiterführungen von Thurow, Le Grand und Mathews Die Musgraveschen Konzepte sind in der Literatur diskutiert worden 1 9 2 und haben als Grundlage für weiter verfeinerte Ansätze gedient. Auf einige dieser neueren Konzepte sei hier noch eingegangen, insbesondere weil die Vorschläge von Mathews die Gestaltung des später zu behandelnden australischen Finanzausgleichs maßgeblich geprägt haben. L. Thurow strebt den Ausgleich der „benefit-effort ratios" (BER) zwischen den Körperschaften an. 1 9 3 Wie der Name schon sagt, setzt er die Nutzen aus den öffentlichen Leistungen in Relation zur jeweiligen Steueranspannung und plädiert für einen Ausgleich dieser Verhältniszahlen. Als Indikator für den Nutzen verwendet er die (Pro Kopf-)Realleistungen ( L f ) 1 9 4 der Körperschaft, die er ermittelt, indem er die (Pro Kopf-)Ausgaben (A () auf die Kosten pro Einheit der öffentlichen Leistungen (C f ) bezieht:
Der gleiche Ausgabenbetrag würde also bei einer Körperschaft, deren Stückkosten höher als die einer anderen Körperschaft liegen, zu einem geringeren Nutzenniveau führen als bei der Körperschaft mit niedrigerem Kostenniveau. Insoweit wird durch die Bezugnahme auf die erforderlichen Stückkosten den hierdurch bedingten Unterschieden im Finanzbedarf Rechnung getragen. 195 Die BER ergibt sich dann als
ti
CiU
Obwohl in der formalen Darstellung des Ansatzes von Thurow, die auf Le Grand I Reschovsky zurückgeht, 196 mit anderen Symbolen gearbeitet wird, sollen hier — zur besseren Vergleichbarkeit mit Musgraves Konzepten — die bereits eingeführten Bezeichnungen beibehalten werden. Aus den vorangegangenen 192 Vgl. z. B. die Bemerkungen zu Musgraves Analyse von J. M . Buchanan, C. L. Harriss und B. A. Weisbrod unmittelbar im Anschluß an Musgraves Beitrag (1961, S. 122 ff.). 193
Vgl.: Thurow, L., 1970, S. 23 ff. ; In der Darstellung von Thurow wird hierfür das Symbol R { verwendet, mit dem in der vorliegenden Arbeit die Gesamteinnahmen („revenue") einer Körperschaft verdeutlicht werden. Deswegen werden hier die Realleistungen einer Körperschaft mit dem Symbol L belegt. 195 Wie die späteren Ausführungen noch zeigen werden, wird Ähnliches im australischen Finanzausgleich praktiziert; vgl.: unten, S. 186ff. 196 Vgl.: Le Grand, J./Reschovsky, Α., 1971, S. 480. 194
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Überlegungen wissen wir, daß = — ist, so daß sich die BER wie folgt darstellen läßt: Ci' Βi
'
M i t Hilfe von FZ soll nun erreicht werden, daß alle Körperschaften über die gleiche standardisierte BER Z s verfügen. Nach erfolgten Transfers kann dann gemäß Gleichung (1) jede Körperschaft Ausgaben in Höhe von r f + S t tätigen. Somit ergibt sich: zs =
Ti + Si Ti :— Ci Bi
Hieraus läßt sich nach einigen Unformungen die Ausgleichsformel für St berechnen: 197 ( 1 1 )
Si
=
t
i
C
i
( Z
s
- Z
i
)
m i t 1 9 8 Si%0 für Z , i Z s .
Körperschaften, deren BER geringer als die angestrebte ist, erhalten FZ in einem Ausmaß, das sich aus der Differenz zwischen standardisierter und individueller BER und dem Produkt aus Steuersatz und Stückkosten der öffentlichen Leistung ergibt. Eine Umverteilung findet demnach von Körperschaften mit großen an solche mit geringen BER statt, wobei die Umverteilungseffekte um so größer sind, je höher der Steuersatz und / oder die Stückkosten (als Maßgröße für den Finanzbedarf) sind. Kritisch ist hierzu allerdings anzumerken, daß der Umfang der FZ von den effektiven Stückkosten abhängt. Dadurch kann es zur Unterstützung von überhöhten Aufwendungen und demnach zu einer Prämiierung von Ineffizienzen kommen. Der Ansatz von Thurow weist deutliche Ähnlichkeiten mit Musgraves Plan 6 auf, da sowohl Finanzbedarfs- als auch -kraftunterschiede berücksichtigt werden und außerdem die Steueranspannung das Umverteilungsergebnis beeinflußt. Erweitert ist das Musgrave sehe Konzept durch die explizite Berücksichtigung der Erstellungskosten für die öffentlichen Leistungen. 199 Außerdem 197
Ebenda. Obwohl Thurow nur den Fall betrachtet hat, daß als Z s die größte BER gewählt wird, die von einer Körperschaft erreicht wird, und insoweit nur positive FZ in Betracht kommen, soll hier in Analogie zu den bisherigen Überlegungen der allgemeinere Fall betrachtet werden, daß auch Z, > Z s sein kann und demnach Umlagen gezahlt werden müssen. 199 A u f die Probleme, die mit der Quantifizierung der Stückkosten des Angebotes an öffentlichen Leistungen verbunden sind, hat Thurow schon hingewiesen. Allerdings glaubte er, mit den durchschnittlichen Lehrergehältern einen repräsentativen Index gefunden zu haben; vgl.: Thurow, L., 1970, S. 28. Auch bei den praktischen Versuchen, Kostenunterschiede zu berücksichtigen, hat sich dies als das entscheidende Problem herausgestellt; vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.3. 198
. Ziele der Finanzzuweisungen
sind nach Thurow nicht die absoluten Versorgungsdifferenzen (Musgrave: N i ~ N ) für den Ausgleich entscheidend, sondern die mit dem tax effort gewichteten ( Thurow: Z s — ΖJ. 200 J. Le Grand hat nun seinerseits versucht, den Thurowschen Ansatz zu verfeinern, indem er anstelle der BER eine „purchasing power-effort ratio" (PPER) als Indikator fiskalischer Ungleichgewichte heranzieht. 201 Obwohl Le Grand bei seinen Überlegungen zu einer Ausgleichsformel kommt, die mit der Thurowschen identisch ist (Gleichung [11]), 202 besteht zwischen beiden Konzepten doch ein materieller Unterschied. Le Grand hält nämlich den Ausgleich von fiskalischen Ungleichgewichten nur gerechtfertigt in bezug auf „factors that are largely or entirely beyond a local authority's control." 2 0 3 Da aber jede Körperschaft — zumindest in Grenzen — frei entscheiden kann, ob und in welchem Umfang sie sparen, entsparen oder sich verschulden will, dürfen diese Größen nach seiner Meinung die Höhe der Ausgleichszuweisungen nicht A beeinflussen. Deswegen fordert er anstelle des Ausgleichs der BER (Z f = — : t t ) den der PPER, die er wie folgt definiert:
Q
Es wird also nicht mehr der Nutzen der gesamten Staatsausgaben auf den tax effort bezogen, sondern nur noch die (Pro Kopf-)Kaufkraft der Steuereinnahmen (purchasing power). Nach diesem Konzept kommt es also zu einer Umverteilung zwischen Körperschaften mit einer großen und solchen mit einer geringen PPER. Die formale Übereinstimmung der beiden Ausgleichsformeln von Thurow und Le Grand ergibt sich daraus, daß Thurow bei der Berechnung seiner Ausgleichszuweisungen implizit davon ausgeht, daß ohne FZ ^ = ist und insoweit die Möglichkeiten der Ersparnisbildung, -Verringerung oder Verschuldung gar nicht existiert. Es ist das Verdienst Le Grands, auf diese alternative Verwendung der Steuereinnahmen bzw. die zusätzlichen Einnahmequellen und auf die Notwendigkeit hingewiesen zu haben, daß diese von den Körperschaften autonom zu beeinflussenden Größen nicht zum Gegenstand des Ausgleichs gemacht werden dürfen. Allerdings wird die Entscheidung, ob eine Einnahmeoder Ausgabenkomponente tatsächlich der gezielten Einflußnahme einer Körperschaft unterliegt, in der Praxis erhebliche Abgrenzungsprobleme mit sich bringen. 204 200 201 202 203
Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 150. Vgl.: Le Grand, J., 1975, S. 534. Vgl.: ebenda, S. 535.
Ebenda, S. 532. Deshalb unterscheidet Le Grand eine „diskretionäre PPER", die von der totalen PPER dadurch abweicht, daß nur die öffentlichen Ausgaben berücksichtigt werden, die 204
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Schließlich ist noch auf das Konzept von R. Mathews einzugehen, der folgende Ausgleichsformel propagiert hat, 2 0 5 die im übrigen als Basis für die in Australien praktizierten Ausgleichszuweisungen dient: 2 0 6 (B s
B\
As
mit Ρ = Bevölkerungszahl j = zusätzliche prozentuale Kosten der öffentlichen Leistungserstellung im Vergleich zu den Standard-Kosten. Im ersten Summanden dieser Formel, der sog. „revenue equalization component" 207 , kommt der Ausgleich der Finanzkraftunterschiede zum Ausdruck. Das Pro Kopf-Bemessungsgrundlagen-Defizit einer „bedürftigen" Kör-
( Bi
B
s\
perschaft I — < — I wird mit dem festgelegten standardisierten Steuersatz und
\Pi BsJ
der jeweiligen Bevölkerungszahl multipliziert und durch eine entsprechende FZ ausgeglichen. I m Vergleich zu Musgraves Plan 3 (Gleichung [5]), 208 dem das Konzept von Mathews ähnlich ist, wird aber schon in diesem Teil Unterschieden im Finanzbedarf durch die Berücksichtigung — genauer: Multiplikation mit — der Bevölkerungszahl Rechnung getragen. Der zweite Summand in Gleichung (12), die sog. „expenditure need equalization component" 209 , ermöglicht den Körperschaften, deren Kostenniveau infolge von topographischen oder klimatischen Gegebenheiten über dem als normal angesehenen liegt, nach Maßgabe ihrer Bevölkerungszahl und der (prozentualen) Kostendifferenz zusätzliche standardisierte Pro Kopf-Ausgaben zu tätigen. Gleichung (12) macht deutlich, daß das Ausmaß der FZ unabhängig ist von „State's budget result and its actual revenues and expenditures" 210 . Für den Ausgleich spielen — ähnlich wie beim Konzept von Le Grand — nur Faktoren eine Rolle, die von den Körperschaften nicht direkt beeinflußt werden können. Betrachtet man die hier vorgestellten Konzepte, so besteht bei den Autoren Einigkeit darüber, daß zur Erreichung der fiscal equity zwischen Gebietskörperschaften sowohl Unterschiede in der Finanzkraft als auch im Finanzbedarf berücksichtigt und ausgeglichen werden sollen. Das Abstellen auf nur eine Seite der Leistungsfähigkeit untergeordneter Körperschaften kann theoretisch nicht aufgrund gesetzlicher oder moralischer Verpflichtungen üblicherweise erbracht werden müssen; vgl.: Le Grand, J., 1975, S. 539f. 205 Vgl.: Mathews, R. L., 1975/76, S. 77. 206 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2. 207 Vgl.: Mathews, R. L., 1975/76, S. 78. 208 Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.1.2.1. 209 Vgl.: Mathews, R. L., 1975/76, S. 78. 210 Ebenda.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
befriedigen. Über die Frage, worauf sich der Ausgleich im Detail beziehen soll, gehen demgegenüber die Meinungen auseinander. Insbesondere ist umstritten, ob und inwieweit die eigene Steueranspannung die Ausgleichszahlungen beeinflussen soll. Zwar wird allgemein akzeptiert, daß von den FZ keine Anreize ausgehen dürfen, die Steuerquellen weniger auszuschöpfen. Ob die FZ aber vollkommen unabhängig von der Höhe der Steuersätze vergeben werden sollen (wie in Musgave s Plan 3 und im Konzept von Mathews) oder ob sie mit der Steueranspannung positiv korreliert werden sollen (wie in Musgave s Plan 6 und den Konzepten von Thurow und Le Grand), wird nicht einheitlich beantwortet. In der Praxis überwiegen die Verfahren, die die FZ ohne Berücksichtigung der Steueranspannung berechnen. Dies ist sicher nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß es i.d.R. schwierig sein dürfte, das exakte Ausmaß des tax effort (insbesondere bei progressiven Tarifen) festzustellen. Bei allen vorgestellten Ausgleichskonzepten lautet aber die entscheidende Frage, woran die Unterschiede in der Finanzkraft und im Finanzbedarf gemessen werden sollen. Deswegen ist jetzt auf mögliche Indikatoren für diese Größen einzugehen. 3.1.2.2. Indikatoren für Finanzkraft und Finanzbedarf 3.1.2.2.1. Messung der Finanzkraft Auch wenn — wie die folgenden Ausführungen noch zeigen werden — die Messung der Finanzkraft mit ζ. T. erheblichen theoretischen und methodischen Problemen verbunden ist, stellt sie die im Vergleich zum Finanzbedarf leichter zu erfassende (und damit leichter zu objektivierende) Größe im Finanzausgleich dar. Denn mit der Finanzkraft „soll zum Ausdruck gebracht werden, inwieweit eine Körperschaft oder Region in der Lage ist, Einnahmen selbst zu erzielen." 211 Demnach steht hinter ihr die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit die Wirtschaftskraft einer Gebietskörperschaft, für die durchaus akzeptable Indikatoren vorliegen. 3.1.2.2.1.1. Steuereinnahmen Beschränkt man in einem ersten Schritt der Analyse 212 die Finanzkraft auf die Steuerkmft, so sollen mit ihr die Möglichkeiten einer Körperschaft erfaßt werden, „to raise tax revenues from their own sources." 213 Ausgehend von dieser Definition kann die Steuerkraft entweder an den Quellen der Besteuerung, also an den steuerlichen Bemessungsgrundlagen, gemessen werden. In diesem Fall spricht man von ökonomischen Indikatoren oder vom „tax source or income 211
Peffekoven, R., 1980, S. 632. Auf die Möglichkeiten der Erfassung sonstiger Einnahmen wird weiter unten eingegangen; vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.2.1.2. 213 Akin, J. S., 1973, S. 275. 212
7 Fischer
1. Teil: Theoretische Grundlegung
approach." 214 Alternativ kann aber auch auf das (tatsächliche oder hypothetische) Steuer aufkommen in einer Region abgestellt werden. Dann ist die Rede von fiskalischen Indikatoren oder vom „tax base or representative tax system approach." 215 Der am häufigsten vorgeschlagene ökonomische Indikator zur Messung der Steuerkraft ist das Pro Kopf Einkommen in einer Region. Als Begründung hierfür wird zum einen vorgebracht, daß diese Größe statistisch (relativ) leicht erfaßbar und auch laufend verfügbar ist. 2 1 6 Außerdem spricht dafür, daß „taxes are generally paid out of current income." 217 Insoweit bestimmt und begrenzt das Einkommen die Steuerkraft. Allerdings bleibt zu klären, was unter „Einkommen" zu verstehen ist, wobei folgende Fragen im Vordergrund stehen: — Soll das „Einkommen" nur die relativ leicht zu ermittelnden kontrakt- oder residualbestimmten Komponenten Löhne, Gehälter, Zinsen, Dividenden, Mieten, Pachten und Gewinne umfassen? Oder müßte nicht vielmehr dem Gedanken einer „comprehensive income tax base" 218 gefolgt und demnach alles erfaßt werden, was zur persönlichen Bedürfnisbefriedigung verwendet werden kann? Das würde bedeuten, daß u. a. Wertzuwächse bei Vermögensgegenständen, der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus sowie andere Arten des sog. „imputed income" einbezogen werden müßten. 219 Obwohl theoretisch die umfassende Abgrenzung des Einkommens geboten ist, wird wegen der hiermit verbundenen Bewertungsprobleme in der Praxis im allgemeinen nur auf die zuerst genannten Einkommenskategorien abgestellt. 220 — Soll das Einkommen am Ort der Entstehung, also nach dem sog. Quellenprinzip, oder am Ort der Verwendung, also nach dem sog. Wohnsitzprinzip, erfaßt werden? Die Entscheidung für eines dieser — vor allem im Zusammenhang mit der Besteuerung internationaler Faktoreinkommen diskutierten 2 2 1 — Prinzipien beeinflußt die zu ermittelnde Steuerkraft einer Region 214
Vgl.: ACIR, 1962, S. 87; Gläser, M., 1981, S. 155. Vgl.: ACIR, 1962, S. 88; Gläser, M., 1981, S. 155. Wie schon die sehr ähnlichen Bezeichnungen durch die ACIR und auch die folgenden Ausführungen deutlich werden lassen, wird allerdings auch im „representative tax system approach" letztendlich auf Unterschiede in den steuerlichen Bemessungsgrundlagen zurückgegangen. 216 Vgl.: ACIR, 1982, S. 6. Allerdings können bei der Ermittlung der regionalen Pro Kopf-Einkommen auch beträchtliche Probleme auftreten, weil alle Einkommen erfaßt werden müßten, was angesichts der hieraus u. U. entstehenden steuerrechtlichen Konsequenzen nicht sicher zu sein scheint. 217 Ebenda, S. 5. 218 Zu einem Überblick vgl.: Pechman, J. Α., 1977. 219 Vgl.: ACIR, 1982, S. 5. 220 Über einzelne Versuche, zumindest Teile des „imputed income" zu erfassen, wird von der ACIR (ebenda, S. 6) berichtet. 221 Zu einem Überblick vgl.: Peffekoven, R., 1983, S. 240ff. 215
3. Ziele der Finanzzuweisungen
maßgeblich. Denn nach dem ersten Konzept würden Produktionsstandorte besonders steuerkräftig ausgewiesen werden, während nach dem zweiten Konzept die Steuerkraft von Wohngegenden größer wäre. Allerdings ist bei der Entscheidung zwischen Quellen- und Wohnsitzprinzip auch darauf zu achten, wie die Steuerstruktur auf der Ebene gestaltet ist, für die die Steuerkraft ermittelt werden soll. Finanziert sich die Ebene nämlich vorwiegend über unternehmensbezogene Steuern, wie ζ. B. eine Gewerbeertragsteuer, dann wäre das Quellenprinzip die adäquate Methode. Liegt der Schwerpunkt der Besteuerung andererseits auf einer persönlichen Einkommensteuer, bietet sich das Wohnsitzprinzip an. 2 2 2 M i t diesem letzten Punkt ist schon ein wichtiges Problem des ökonomischen Indikators (Pro Kopf-)„Einkommen" angesprochen. Denn auch wenn sämtliche Steuern im allgemeinen aus dem laufenden Einkommen bezahlt werden, ist das Einkommen gleichwohl nicht der einzige Indikator der steuerlichen Leistungsfähigkeit. Gerade auf untergeordneten Ebenen, für die im allgemeinen die Steuerkraft ermittelt werden soll, ist das Einkommen praktisch nie die einzige, häufig noch nicht einmal die wichtigste Quelle der Besteuerung. So hat z.B. die Advisory Commission on Intergovernmental Relations , im folgenden kurz: ACIR, darauf hingewiesen, daß im Jahr 1979 nur etwa 18 v.H. des gesamten Steueraufkommens der US-amerikanischen Staaten und Kommunen aus persönlichen Einkommensteuern flöß. 2 2 3 U m die „diversity of state and local tax and revenue sources" 224 erfassen zu können, müßte als Indikator der Steuerkraft eine Größe verwendet werden, die nicht nur das Einkommen, sondern insbesondere auch das Vermögen, die Einzelhandelsumsätze und/oder Erbschaften umfaßt. Es ist offensichtlich, daß mit einer solchen Erweiterung des ökonomischen Indikators die Erfassungs-, Bewertungs- und Gewichtungsprobleme wachsen würden. Vor allem hierauf sind die in der Literatur geäußerten Zweifel an der Praktikabilität dieses erweiterten Konzepts zur Messung der Steuerkraft zurückzuführen. 225 Als Ausweg bietet sich dann an, die tax capacity an den — wesentlich leichter zu ermittelnden — Erträgen sämtlicher oder einzelner Steuerarten, die einer Körperschaft zufließen, und damit an fiskalischen Indikatoren zu messen. Die Beschränkung auf ausgewählte Steuern bietet sich (wiederum) vor allem unter Praktikabilitätsaspekten an, da der für eine Berücksichtigung auch der kleinsten Bagatellsteuern notwendige Verwaltungsaufwand als unangemessen groß angesehen werden kann. 2 2 6
222
Vgl.: ders., 1980, S. 632. Vgl.: ACIR, 1982, S. 7. 224 Ebenda. 225 Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 160. 226 Auf das Problem der Auswahl der einzubeziehenden Steuern wird anschließend noch näher eingegangen. 223
7*
100
1. Teil: Theoretische Grundlegung
Bei der Verwendung des Steueraufkommens als Indikator der Steuerkraft ist allerdings zu beachten, daß das tatsächlich erzielte Aufkommen einer Körperschaft nur dann etwas über ihre (relative) finanzielle Leistungsfähigkeit aussagt, wenn unterstellt werden kann, daß von allen gleichgeordneten Körperschaften gleiche Steuern in gleicher Ausgestaltung, d.h. vor allem mit identischen Steuersätzen auf zumindest ähnliche Bemessungsgrundlagen, erhoben werden. Stimmt die Steueranspannung nämlich nicht überein, dann kann aus unterschiedlichen Erträgen nicht auf Unterschiede in der steuerlichen LeistungsFähigkeit geschlossen werden, weil es zu diesen Unterschieden u. U. nur dadurch gekommen ist, daß ζ. B. eine Körperschaft ihren Bürgern besonders viele oder besonders stark angespannte Steuern zumutet. Hieraus ein Ausgleichserfordernis zu Lasten dieser Körperschaft abzuleiten, wäre ökonomisch unsinnig. Denn das hätte zur Konsequenz, daß jede Körperschaft ihre Steuerkraft — um in den Genuß von FZ zu kommen — nach unten manipulieren würde, indem sie auf die Erhebung einzelner Steuern verzichtet und/oder niedrige Steuersätze wählt. Zum Wesen eines föderativen Staates gehört, daß den untergeordneten Körperschaften eine — wenn auch häufig nur auf die Entscheidung über die Steuersätze beschränkte — Objekthoheit in bezug auf die Steuern zugestanden wird. Demnach ist in der Praxis durchaus von einer unterschiedlichen Steueranspannung auszugehen, was sich z.B. in der Bundesrepublik in dem Recht der Gemeinden dokumentiert, über die Hebesätze bei den Realsteuern — in bestimmten Grenzen — selbst zu entscheiden.227 U m etwas über die vorhandene (potentielle) Leistungsfähigkeit einer Körperschaft aussagen zu können, müßten demnach die tatsächlichen Aufkommensgrößen vom „Schleier" der jeweiligen Erhebungspraxis befreit werden. 228 Das gelingt, wenn man von einer einheitlichen, normierten Steuererhebung ausgeht und insoweit nicht das tatsächliche, sondern ein hypothetisches Steueraufkommen als Indikator der Steuerkraft heranzieht. Hierzu müssen vor allem 2 2 9 die beiden folgenden Fragen geklärt werden: — Welche Steuerarten sollen in die hypothetische Aufkommensgröße einbezogen werden? — Von welcher Steueranspannung soll bei diesen Steuerarten ausgegangen werden? Hierbei geht es sowohl um die Abgrenzung der jeweiligen Bemessungsgrundlage als auch um die anzuwendenden Steuersätze. Diese Fragen werden in den verschiedenen föderativen Staaten durchaus unterschiedlich beantwortet. U m die grundsätzlichen Möglichkeiten und auch 227
Vgl.: Art. 106 Abs. 6 GG. Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 156. 229 Auf die von der ACIR und anderen diskutierte Frage, mit welchem Gewicht die einzelnen Steuerarten berücksichtigt werden müssen, wird hier verzichtet, da dieses Problem m.E. nicht von der Entscheidung über die anzuwendenden Steuersätze zu trennen ist und insoweit uno actu damit entschieden wird. Vgl. dazu: ACIR, 1962, S. 7; Gläser, M., 1981, S.31ff. 228
3. Ziele der Finanzzuweisungen
101
die Probleme zu erkennen, empfiehlt es sich, auf das von der A C I R schon 1962 vorgestellte „Representative Tax System" 230 , im folgenden kurz: RTS, näher einzugehen. Zwar ist dieses Konzept bemerkenswerterweise in den USA bislang noch nicht in die Praxis des Finanzausgleichs umgesetzt worden. 231 Aber es hat bei der Gestaltung der FZsysteme in anderen föderativen Staaten Pate gestanden.232 Nach der ursprünglichen Version des RTS sollte die Steuerkraft der 50 USamerikanischen Staaten mit Hilfe des (hypothetischen) Aufkommens aus 15 ausgewählten Steuerarten ermittelt werden. Zur Auswahl der einzubeziehenden Steuern wandte die A C I R zwei Kriterien an. Zum einen wurden alle die Steuern berücksichtigt, die von Bundesstaaten erhoben wurden, in denen (zusammen) mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung lebte. 233 Für jede von einem der Staaten erhobene Steuer mußte demnach geprüft werden, ob und in welchen anderen Staaten diese Abgabe ebenfalls praktiziert wurde und ob die aufaddierte Einwohnerzahl die kritische Grenze überstieg. Aufgrund dieses Kriteriums waren 1962 die Vermögen-, Einzelhandelsumsatz-, Einkommen-, Tabak- und Branntweinsteuer bei der Ermittlung der tax capacity zu berücksichtigen. 234 Allerdings hätte die alleinige Anwendung dieses Kriteriums die Staaten veranlassen können, ihre Steuern vor allem auf solche Tatbestände zu erheben, die in anderen Staaten nicht besteuert wurden. Infolge des nicht zu unterschätzenden Einfallsreichtums der staatlichen Entscheidungsträger wäre nicht auszuschließen, daß es hierdurch zu regional stark divergierenden Steuerstrukturen mit u. U. extravaganten Steuerobjekten käme. Das würde aber dem in den meisten föderativen Staaten — zumindest tendenziell — angestrebten Ziel einer Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zuwiderlaufen. 235 Deswegen hat sich die A C I R nicht nur auf dieses Kriterium beschränkt, sondern auch die Berücksichtigung der Steuern postuliert, die zwar nur von wenigen Staaten (oder solchen mit geringer Bevölkerungszahl) erhoben werden, deren regional abgegrenzte Bemessungsgrundlage aber größer als die Hälfte der gleichen, national zusammengefaßten Bemessungsgrundlagen ist. 2 3 6 Dieses zweite Kriterium hat ζ. B. dazu geführt, daß eine nur in vier Staaten praktizierte Kapitalverkehrsteuer („stock transfer tax") in die Steuerkraftberechnung 230
Vgl.: ACIR, 1962, S. 31 ff. Vgl.: ACIR, 1982, S. 12. Das ist u.a. darauf zurückzuführen, daß in den USA das Ziel des (horizontalen) Ausgleichs der Steuerkraftunterschiede zwischen den Staaten nicht so stark gewichtet wird wie in anderen Ländern mit föderativem Staatsaufbau; vgl. dazu: Head, J. G., 1983, S. 214f. 232 Dies gilt insbesondere für das kanadische FZsystem; vgl. dazu z.B.: Head, J. G., 1983, S. 205 ff. 233 Vgl.: ACIR, 1962, S. 32. 234 Vgl.: ebenda. 235 Für die Bundesrepublik ist dieses Ziel in Art. 72 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 3 GG festgelegt. 236 Vgl.: ACIR, 1962, S. 32. 231
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
deswegen einging, weil sie u. a. im Staat New York erhoben wurde, in dem über die Hälfte des nationalen Kapitalverkehrs lokalisiert war. 2 3 7 Daß die Frage der einzubeziehenden Einnahmequellen nicht unproblematisch ist, wird auch dadurch deutlich, daß das RTS im Laufe der Zeit gerade in diesem Punkt mehrfach geändert wurde. So hat die A C I R im Jahre 1971 vorgeschlagen, 238 neben den staatlichen auch einzelne auf lokaler Ebene erhobene Steuern separat zu erfassen, da sich hierin ebenfalls eine steuerliche Leistungsfähigkeit der jeweiligen Region dokumentiere. Daneben sollten auch einige nichtsteuerliche Einnahmequellen, wie ζ. B. Gebühren und Beiträge sowie bestimmte Zinseinkünfte, berücksichtigt werden. 239 Der hiermit versuchte Übergang von einer reinen Steuer- zu einer F/wa«zkraftmessung schlug sich auch in der Bezeichnung durch die A C I R nieder, die diesem Konzept den Namen „Average Financing System" gab. 2 4 0 Allerdings wuchsen mit diesen Erweiterungen die (vor allem: technischen) Erfassungs- und Bewertungsprobleme derart, 241 daß sich die A C I R 1982 entschloß, wieder zum ursprünglichen RTS zurückzukehren. 242 Anstelle der ursprünglich 15 werden jetzt aber — mit Hilfe der gleichen Kriterien wie 1962 ermittelte — 24 verschiedene Steuerarten erfaßt, aus denen ca. 95 v.H. des Steueraufkommens der US-amerikanischen Staaten erzielt werden. 243 In der Literatur wird freilich auch die Position vertreten, daß bei einem Vergleich der Steuerkraft sämtliche Steuerarten, also unabhängig von ihrem quantitativen Gewicht, einbezogen werden sollten. 244 Denn die Entscheidung, wo die Grenze zwischen „wichtigen" und „unwichtigen" Steuern liegt, kann letztlich nur politisch und damit im Grunde willkürlich getroffen werden. Hier zeigt sich (erneut) der generelle Konflikt zwischen theoretischen Anforderungen und Praktikabilität bzw. Überschaubarkeit der Finanzausgleichsregeln. Denn wie z.B. die Behandlung des australischen FZsystems noch deutlich machen wird, kann die Berücksichtigung sämtlicher Steuerarten zu einer solchen Vielzahl von Einzelberechnungen führen, daß die ermittelten Ergebnisse in bezug auf die unterschiedliche Finanzkraft kaum noch nachzuvollziehen sind. 245 237
Vgl.: ebenda. Eine Übersicht über die übrigen 15 berücksichtigten Steuerarten findet sich: ebenda, S. 33. 238 Vgl.: ACIR, 1971, S. 7. 239 Zu diesem Problem vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.2.1.2. 240 Vgl.: ACIR, 1971, S. 8. 241 Alleine durch den separaten Ausweis der lokalen Einnahmequellen mußten über 700 Landkreise und gut 200 größere Städte berücksichtigt werden; vgl.: ACIR, 1982, S. 12. 242 Vgl.: ebenda. 243 Vgl.: ebenda, S. 17ff. Dort findet sich auch eine Übersicht über die berücksichtigten Steuerarten. 244 Vgl. z.B.: Ossenbühl, F., 1984, S. 152. 245 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.2.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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Für die Ermittlung des hypothetischen Steuerauflkommens ist dann als zweites zu klären, von welcher Anspannung bei den ausgewählten Steuerarten auszugehen ist. Gerade hierin liegt die eigentliche Begründung für den Übergang zu hypothetischen Größen, da die Vergabe der FZ von der jeweiligen Erhebungspraxis bei den Steuern unabhängig sein soll. Unterschiede in der Erhebungspraxis können sich zum einen auf die enge oder weite Abgrenzung der Bemessungsgrundlage beziehen, indem ζ. B. verschiedene Bewertungsverfahren oder unterschiedliche Freibeträge angewendet werden. U m die möglichen Steuererträge vergleichen zu können, muß von einer einheitlichen, normierten Abgrenzung der Bemessungsgrundlage ausgegangen werden, wofür entweder durchschnittliche oder vom FZgeber autonom festgelegte Größen bzw. Verfahren herangezogen werden können. Die Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage ist allerdings nur dann notwendig, wenn die untergeordneten Körperschaften über eine diesbezügliche Objekthoheit verfügen. Beschränkt sich das Gesetzgebungsrecht demgegenüber nur auf die Festlegung bestimmter Steuersätze — wie es ζ. B. in der Bundesrepublik im wesentlichen der Fall ist 2 4 6 —, werden die steuerlichen Bemessungsgrundlagen ohnehin interregional einheitlich (ζ. B. nach Bundesgesetz) ermittelt, und die Normierung erübrigt sich. Anders sieht es ζ. B. in den USA aus, da dort den Staaten das Recht eingeräumt ist, auch über die Abgrenzungsmethoden der Bemessungsgrundlagen autonom zu entscheiden. Insoweit existiert in den USA ein System von regional divergierenden Bemessungsgrundlagen der Besteuerung, und es war nur konsequent, daß die A C I R im Rahmen des RTS auch die Normierung der Bemessungsgrundlagen vorschlug. 247 Beschränkt sich die den untergeordneten Körperschaften zugestandene Objekthoheit auf die Entscheidung über die Höhe der Steuersätze, kann sich auch nur durch diese eine unterschiedliche Steueranspannung ergeben. Für den Steuerkraftausgleich ist es dann aus den genannten Gründen notwendig, von einheitlichen Steuersätzen auszugehen. Erneut bieten sich hierfür zwei Alternativen an: Zum einen kann als Normgröße der im Durchschnitt praktizierte Steuersatz verwendet werden. Hierfür spricht, daß es sich um den (einfachen) Mittelwert der autonom gewählten Steuersätze handelt und insoweit die „normale" Steueranspannung darstellt. Außerdem führt dieser hypothetische Steuersatz, auf die realisierten Bemessungsgrundlagen angewendet, zu dem tatsächlich erzielten Gesamt-Steueraufkommen. Diesen Weg hat auch die A C I R im Rahmen des RTS beschritten. 248 Zum anderen kann der normierte Steuersatz aber auch abweichend von der Durchschnittsgröße festgelegt werden. Hierfür spricht zum einen, daß die Körperschaft, die die FZ vergibt, andere Vorstellungen von der „richtigen" Steueranspannung haben kann als der Durchschnitt der steuererhebenden 246 247 248
Vgl. dazu z.B.: Ehrlicher, W., 1980, S. 681 fT. Vgl.: ACIR, 1962, S.45ff.; dies., 1982, S. 11. Vgl.: ACIR, 1982, S . U .
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Körperschaften. Zum anderen können mit dem Abweichen vom Durchschnitt Umverteilungsziele verfolgt werden. So würde die Festlegung des Richt-Satzes auf einen Wert unterhalb der Durchschnittsgröße die Finanzkraft in toto niedriger ausweisen, als sie in Wirklichkeit ist. Ob es allerdings hierdurch zu den angestrebten Umverteilungseffekten kommt, ist nicht ohne weiteres zu beantworten, weil hierfür genaue Kenntnisse darüber vorliegen müssen, welche Körperschaften ihre Steuern kräftiger anspannen, die — an den Bemessungsgrundlagen gemessen — relativ „reichen" oder die relativ „armen". 2 4 9 Ein solches Verfahren wird z.B. in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert, indem im horizontalen Länderfinanzausgleich die (fiktiven) Hebesätze für die Realsteuern der Gemeinden unterhalb der bundesdurchschnittlichen Hebesätze festgelegt werden. 250 Unabhängig davon, für welche Ausgestaltung des „repräsentativen" Steuersystems man sich entscheidet, gelingt es mit einem solchen Verfahren grundsätzlich, vom tatsächlich realisierten Steueraufkommen den „Schleier" der Erhebungspraxis zu lüften. Da demnach nicht die tatsächliche, sondern die potentielle Steuerkraft ermittelt wird, 2 5 1 stehen auch bei diesem fiskalischen Indikator die Unterschiede in den (vereinheitlichten) steuerlichen Bemessungsgrundlagen und damit wiederum die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Mittelpunkt des Ausgleichs. Hierauf ist auch die dem Namen des ersten Konzeptes („tax source approach") sehr ähnliche Bezeichnung „tax base approach" zurückzuführen. 252 Im Zusammenhang mit der Messung der Steuerkraft mit Hilfe hypothetischer Aufkommensgrößen ist noch auf ein grundsätzliches Problem einzugehen. Denn es wird bei diesem Verfahren immer nur das in einer Region erzielbare Steueraufkommen ermittelt. Nicht berücksichtigt wird dagegen die Frage, ob die Steuern auch von den Bürgern dieser Region getragen werden oder ob nicht vielmehr mit räumlichen Steuerüberwälzungen zu rechnen ist. Kommt es nämlich zu solchen Steuerexporten 253, d.h. werden die einer Körperschaft zufließenden Steuern von Bürgern anderer Regionen getragen, dann kann auch von hypothetischen Steueraufkommensgrößen nicht auf die sog. „wirkliche Steuerkraft" 254 geschlossen werden. Evident wird dieses Problem vor allem bei allgemeinen und speziellen Verbrauchsteuern, die von untergeordneten Körperschaften erhoben werden (z.B.: Biersteuer in der Bundesrepublik). Setzt die Besteuerung nämlich—wie es 249
Die Probleme, die bei der Beurteilung dieser Verteilungswirkungen auftreten, hat vor allem W. Ehrlicher (1967, S. 80) deutlich werden lassen. 250 251 252 253
Vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2.2. Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 632. Vgl.: oben, Fußnote 215. Eine umfassende Analyse dieser Problematik findet sich bei: Peffekoven, R., 1975,
S. 9 ff. 254
Kommission für die Finanzreform, 1966, S. 73.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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häufig der Fall ist — an der Produktion des Gutes an und kann andererseits im allgemeinen mit einer Überwälzung auf die Konsumenten gerechnet werden, dann würde jeder Konsum dieses Gutes durch Gebietsfremde die Steuerkraft der erhebenden Körperschaft erhöhen, obwohl die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in der anderen Region angesiedelt ist. Wie problematisch dieser Fall ist, wird deutlich, wenn man bedenkt, daß durch einen Wechsel des Besteuerungsverfahrens, hier: durch einen Übergang zur Besteuerung auf der Einzelhandelsstufe, das regionale Steueraufkommen und damit die Steuerkraft verschoben würde, ohne daß sich an den ökonomischen Tatbeständen etwas änderte. 255 Zwar wird versucht, dieses Problem dadurch zu umgehen, daß die in Form einer Produktionssteuer erhobenen Verbrauchsteuern überwiegend dem Oberverband zugewiesen werden, weil dann die regionale Streuung irrelevant ist. Gleichwohl gibt es — wie das Beispiel der Biersteuer 256 zeigt — auch auf den nachgeordneten Ebenen spezielle Verbrauchsteuern, und außerdem können ähnliche Überlegungen auch bei regionenüberschreitenden Einkommensströmen angestellt werden. Demnach kann in der Praxis nicht davon ausgegangen werden, daß regionales Steueraufkommen und regionale Steuerleistung, also die Steuertraglast, übereinstimmen. Wollte man diese Steuerexporte beim Steuerkraftausgleich berücksichtigen und eliminieren, dann müßten genaue und allgemein akzeptierte Erkenntnisse über die räumliche Inzidenz der verschiedenen Steuerarten vorliegen. Davon kann bis heute aber keine Rede sein, und es muß auch bezweifelt werden, ob und inwieweit in der Zukunft — trotz der verfeinerten ökonometrischen Verfahren 2 5 7 — mit hinreichend präzisen und konsensfähigen Ergebnissen gerechnet werden kann. Nicht zuletzt wegen des hohen formalen Aufwandes, der für solche Berechnungen erforderlich ist, wird diese Problematik in der Praxis des Finanzausgleichs nicht berücksichtigt, sondern unterstellt, daß die räumlichen Steuerüberwälzungen nicht so stark zu Buche schlagen. Hierfür spricht auch, daß unter Finanzausgleichsaspekten — anders als unter Allokationsaspekten — lediglich die Afettö-Steuerexporte auszugleichen wären, die infolge der gegenseitigen Kompensation bei den verschiedenen Steuern gering ausfallen dürften. Insoweit wird im allgemeinen das (potentielle) Steueraufkommen als Indikator für die Steuerkraft akzeptiert. 3.1.2.2.1.2. Sonstige Einnahmen Dann bleibt die Einschränkung auf das Steueraufkommen als letztes in diesem Zusammenhang zu diskutierende Problem. Denn neben den Steuern haben die Körperschaften ja auch andere Möglichkeiten, „sich selbst Einnah255
Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 632. Allerdings ist der Umfang der Steuerexporte bei dieser Steuer vergleichsweise gering, weil Bierproduktion und -verbrauch ziemlich gleichmäßig über die Bundesrepublik verteilt sind. 256
257
Vgl. hierzu z.B.: Thimmaiah, G., 1980, S. 80ff.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
men zu verschaffen." 258 Außer einigen speziellen Einnahmen, die aber z.T. steuerähnlichen Charakter haben, 259 sind es in der üblichen finanzwissenschaftlichen Abgrenzung Erwerbseinkünfte, Gebühren und Beiträge sowie Kredite, mit denen der Staat seine Ausgaben finanzieren kann. Weil die empfangende Körperschaft „über die(se) Beträge disponieren kann oder bereits vorwegnehmend disponiert h a t " 2 6 0 , gibt es keinen sachlichen Grund, diese Einnahmenarten bei der Ermittlung der Finanzkrdiit a priori zu vernachlässigen. Erwerbseinkünfte des Staates sind „Einnahmen, die die öffentliche Hand durch Beteiligung an der Wertschöpfung der Volkswirtschaft erzielt, ohne sich dabei ihrer Hoheitsgewalt zu bedienen." 261 Sie fließen vor allem aus der Beteiligung des Staates an privaten Unternehmen sowie aus dem Bereich der öffentlichen Unternehmen. 262 Im Zusammenhang mit den Fragen des Finanzausgleichs stehen dabei zwei Aspekte im Mittelpunkt des Interesses. Zum einen wird diskutiert, ob die Erwerbseinkünfte überhaupt bei der Finanzkraftberechnung zu berücksichtigen sind. Wenn dies bejaht wird, ist strittig, in welcher Höhe die Einnahmen angesetzt werden sollen, nämlich entweder in Höhe der (gesamten) Brutto- oder nur der (mit den Ausgaben saldierten) NettoEinnahmen. Für die Berücksichtigung der Erwerbseinkünfte wird vor allem vorgebracht, daß sie die finanziellen Dispositionsmöglichkeiten der empfangenden Körperschaften vergrößern, 263 da es sich in aller Regel um Einnahmen handelt, über deren Verwendung der Empfanger frei entscheiden kann. Allerdings ist umstritten, ob sich die Vergrößerung des Dispositionsspielraumes in den Bruttooder in den Netto-Einnahmen dokumentiert. Die Befürworter der zweiten Position weisen darauf hin, daß der Einfluß der „Mutter"-Gebietskörperschaften auf die Haushaltsentscheidungen der verselbständigten Unternehmenseinheiten — sieht man von den sog. „Regiebetrieben" a b 2 6 4 — so gering sei, daß ihnen ein Entscheidungsrecht lediglich in bezug auf den an sie ausgeschütteten Betrag zukomme. 265 258
Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.2.1.1. Vgl. ζ. B. die in der Bundesrepublik geführte Diskussion um die sog. Förderabgabe, die für das Land Niedersachsen eine quantitativ beachtliche Einnahmequelle darstellt, bis 1982 aber nicht im horizontalen Länderfinanzausgleich berücksichtigt wurde; vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2.2. 259
260
Sachverständigenkommission, 1981, S.44. Kullmer, L., 1980a, S. 412. 262 Zu einem Überblick vgl.: ebenda, S. 413 f. 263 Auf den ebenfalls denkbaren und durchaus auch realistischen Fall, daß die Erwerbseinkünfte negativ sein können und insoweit über Zuschüsse der Körperschaften gedeckt werden müssen, wird hier nicht näher eingegangen. Denn dadurch entstehen keine neuen grundsätzlichen Probleme, sondern es käme lediglich zu einer Verringerung der Dispositionsmöglichkeiten und damit der Finanzkraft. 261
264 Zu den rechtlichen und organisatorischen Einteilungen der öffentlichen Unternehmen vgl. Iz.B.: Emmerich, V., 1980, S. 457ff.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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Dem wird entgegengehalten, daß abweichend von der formaljuristischen Kompetenzverteilung durchaus Möglichkeiten der (politischen) Einflußnahme der Körperschaften auf die Ausgaben- und Einnahmenentscheidungen der öffentlichen Unternehmen bestünden und insoweit sich der Dispositionsspielraum nicht auf die Saldogröße beschränken würde. 2 6 6 Wenn demnach aber die gesamten Einnahmen der Unternehmen bei der Finanzkraftberechnung berücksichtigt werden, dann müßten bei der Berechnung des Finanzbedarfes auch ihre Ausgabenverpflichtungen angesetzt werden. Angesichts der üblicherweise eher rudimentären Ermittlung des Finanzbedarfes und auch der hierdurch insgesamt entstehenden zusätzlichen Erfassungsprobleme — vor allem ist darauf hinzuweisen, daß über die Einnahmen und Ausgaben der überwiegend nettobudgetierenden öffentlichen Unternehmen keine Informationen aus den Haushaltsplänen der Körperschaften gewonnen werden können — scheint die Berücksichtigung der Netto-Einnahmen der einzig praktikable Weg des Ansatzes der Erwerbseinkünfte zu sein. Hierfür spricht auch, daß den Einnahmen aus Beteiligungen an privaten Unternehmen im allgemeinen keine laufenden Ausgaben gegenüberstehen, so daß dort ohnehin nur die Netto-Einnahmen erfaßt werden können. Gegen die Berücksichtigung der Erwerbseinkünfte wird in erster Linie vorgetragen, daß es sich hierbei um eine Einnahmenart handele, zu der es aufgrund autonomer Entscheidungen der Körperschaften über den Einsatz früher erworbener Einnahmen oder Vermögensteile gekommen sei. Wenn sich der Finanzausgleich aber nur auf solche Tatbestände beziehen soll, die außerhalb der Einflußsphäre der -Körperschaften liegen, dann dürften diese Einnahmen nicht — auch nicht „netto" — angesetzt werden. 267 Allerdings würde eine solche Differenzierung wiederum zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen, da eine ganze Reihe von öffentlichen Unternehmen — vor allem im kommunalen Bereich — lediglich Aufgaben auf Weisung der jeweiligen Gebietskörperschaft wahrnimmt, so daß ihre Einrichtung nicht der Entscheidung der kommunalen Träger vorbehalten ist. 2 6 8 Angesichts der vielfaltigen Probleme, die mit der Erfassung dieser Einnahmenart verbunden sind, stellt sich dann aber die Frage, ob sich der hierzu notwendige Verwaltungsaufwand lohnt. Denn in den meisten föderativen westlichen Industrieländern 269 liegt der Beitrag der Erwerbseinkünfte zum 265 y g i . Sachverständigenkommission, 1981, S. 51. 266 y g i . ebenda, S. 54. Die Sachverständigenkommission konnte sich in diesem Punkt — wie auch in anderen — nicht auf eine einheitliche Meinung verständigen. 267
Vgl: Kirchhof, P., 1982, S. 98. 268 Folgerichtig plädiert Kirchhof (ebenda, S. 99) dafür, die Erwerbseinkünfte solcher Institutionen im Finanzausgleich zu berücksichtigen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß diese Einnahmen häufig negativ sind, so daß sich hieraus ein höherer Finanzbedarf ergeben würde. 269 Ganz anders stellen sich die Relationen in Ländern, die zentralverwaltungswirtschaftlich organisiert sind, da wegen der dominierenden Wirtschaftsaktivität des Staates
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
gesamten öffentlichen Haushalt durchweg unter 5 v . H . 2 7 0 Wenn aber bei den Steuereinnahmen aus Praktikabilitätsgründen eine Beschränkung auf die quantitativ wichtigsten akzeptiert wird, muß man Gleiches wohl auch für diese Einnahmenkategorie geltenlassen. Nicht zuletzt hierauf dürfte zurückzuführen sein, daß in den meisten Finanzausgleichskonzepten die Unterschiede in den Erwerbseinkünften keine Rolle spielen. 271 Gebühren und Beiträge sind „öffentlich-rechtlich geregelte Entgelte für besondere im öffentlichen Interesse liegende Leistungen des Staates an die Zahlungsverpflichteten." 272 Konstituierende Merkmale sind hierbei die öffentlich-rechtliche Erhebung und damit die Charakterisierung als Zwangseinnahmen sowie das (äquivalenzmäßige) Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Trotz dieser allgemein akzeptierten Definition fallt die konkrete Zuordnung einzelner öffentlicher Einnahmen in diese Kategorie nicht immer leicht, was auf die Vielfalt der praktizierten Erhebungsformen und einen verwirrenden Sprachgebrauch zurückzuführen ist. 2 7 3 So ist vor allem die Trennungslinie zwischen diesen Einnahmen und den Steuern auf der einen Seite sowie den Erwerbseinkünften auf der anderen Seite nicht immer exakt zu ziehen. 274 Die Nähe zu einigen Steuerarten führt — quasi zwangsläufig — zu der Überlegung, ob und inwieweit auch die Gebühren und Beiträge eine Stärkung der Finanzkraft darstellen und deswegen bei einem Ausgleich zu berücksichtigen sind. Die Meinungen in der Literatur stehen sich dabei z.T. diametral entgegen, denn die Forderungen reichen von einer Vernachlässigung 275 über einen zumindest partiellen Einbezug 276 bis zum vollständigen Ansatz 2 7 7 . Die Argumente, die für eine Ignorierung der Gebühren und Beiträge vorgebracht werden, können nicht überzeugen. Denn weder die dahinter gesehene verteilungspolitische Zielsetzung noch die m.E. höchst zweifelhafte diese Einnahmen in der dortigen Abgrenzung ein deutlich höheres Gewicht haben; vgl.: Kullmer, L., 1980a, S.414f. 270
Vgl.: Kullmer, L., 1980b, S. 112. Ausnahmen hiervon finden sich im oben schon angesprochenen „Average Financing System" der ACIR (vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.2.1.1.) sowie im australischen Verfahren zur Berechnung der Finanzkraftunterschiede (vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.2.). 271
272
Zeitel, G., 1981, S. 348. Vgl. dazu: Bohley, P., 1980, S. 921 ff. 274 Vgl.: Zeitel, G., 1981, S. 349. 275 Vgl.: Metz, H.-G., 1979, S. 82f. 276 Ohne sich letztlich dieser Position anzuschließen, werden die Argumente genannt bei: Sachverständigenkommission, 1981, S. 54 f. 273
277 Vgl.: Zeitel, G., 1981, S. 354; Sachverständigenkommission, 1981, S. 51 und 55. Wie kompliziert die zu behandelnde Materie ist, wird gerade in der letztgenannten Quelle deutlich, da die Kommissionsmitglieder (angeblich) zu dieser Einnahmekategorie unterschiedliche Positionen vertreten. Sieht man sich den Text jedoch näher an, plädieren beide Gruppen mit m.E. identischen Argumenten für die vollständige Berücksichtigung der Gebühren und Beiträge.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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Aussage „Gebühren und Beiträge belasten keine zusätzliche steuerbare Substanz" 278 stellen hierfür hinreichende Begründungen dar. Außerdem würde durch die Vernachlässigung der Gebühren und Beiträge eine Einnahmenquelle übergangen, die zum einen durch eine relativ große Autonomie der sie überwiegend erhebenden untergeordneten Körperschaften gekennzeichnet ist 2 7 9 und die zum anderen bei diesen Körperschaften einen maßgeblichen Anteil an der Finanzierung ihrer Ausgaben hat. 2 8 0 Insoweit zieht hier auch das Argument der quantité négligeable nicht, die den Verwaltungsaufwand nicht rechtfertigen würde. Wenn demzufolge die Gebühren und Beiträge berücksichtigt werden müssen, dann stellt sich die Frage, ob sie in voller Höhe die Finanzkraft der Körperschaften stärken oder ob vielmehr nur — wie bei den Erwerbseinkünften — auf eine Netto-Größe abzustellen ist, die sich aus dem Überschuß des Gebühren- und Beitragsaufkommens über die Kosten für die jeweilige Gegenleistung ergibt. Für diese „Nettostellung" kann vorgebracht werden, daß es sich um zweckgebundene Einnahmen handelt und daß wegen der engen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung die Frage aufzuwerfen ist, „ob eine Befugnis des Gemeinwesens zur Disposition über die Erträge in Wahrheit nicht lediglich hinsichtlich derjenigen Erträge besteht, die nach Abzug des Aufwands verbleiben, d. h. ob seine Finanzkraft nicht lediglich in Höhe dieser Nettoerträge gestärkt wird." 2 8 1 Überzeugen kann diese Überlegung allerdings nicht. Zum einen ist der Kostendeckungsgrad der Gebühren- und Beitragshaushalte oft deutlich niedriger als 100 v.H. In der Bundesrepublik finden sich z.B. nur relativ wenige kommunale Einrichtungen, bei denen die Einnahmen die Kosten übersteigen, und auch das gilt nur bei einem Teil der untersuchten Kommunalwesen. 282 In allen anderen Fällen würde die „Nettostellung" dann auf die Vernachlässigung dieser Einnahmen hinauslaufen. Zum anderen ist daraufhinzuweisen, daß diese Einnahmen zwar anläßlich der (potentiellen) Nutzung der jeweiligen öffentlichen Einrichtungen erhoben werden. Ob sie allerdings tatsächlich zur Finanzierung gerade dieser Aktivitäten eingesetzt werden, ist letztlich nicht zu entscheiden. Denn grundsätzlich gilt für die öffentlichen Haushalte das Nonaffektationsprinzip, 283 so daß es der Körperschaft freisteht, „den eingenommenen Betrag auch für andere Zwecke als für die Deckung der Ausgaben zu verwenden." 284 Aber auch wenn diese Einnahmen tatsächlich für die jeweiligen 278 279 280
Metz, H.-G., 1979, S. 82f. Vgl.: Zeitel, G., 1981, S. 354.
Vgl.: ebenda, S. 352; Bohley, P., 1981, S. 918. In der Bundesrepublik tragen die Gebühren und Beiträge mit etwa 25 v.H. zu den gesamten kommunalen Einnahmen bei; vgl.: Finanzbericht 1985, S. 108. 281 Sachverständigenkommission, 1981, S. 55. 282 Vgl.: Bohley, P., 1981, S. 919. 283 Vgl. hierzu: Hedtkamp, G., 1977, S. 82ff.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Zwecke eingesetzt werden, kann gegen die Saldierung vorgebracht werden, daß es durchaus auch Steuereinnahmen gibt, die zweckgebunden verwendet werden (in der Bundesrepublik z.B. Teile der Mineralölsteuer für Aufgaben des Straßenbaus). Würden bei den Gebühren und Beiträgen nur die Netto-Erträge angesetzt, müßte dies auch analog bei diesen und anderen für spezielle Zwecke eingesetzten Steuereinnahmen gefordert werden. Das wäre allerdings ein fragwürdiges Vorgehen, da es hierdurch zu einer Erosion des Indikators der Finanzkraft kommen könnte. 285 Schließlich ist auf erhebliche technische Probleme hinzuweisen, die sich bei der Ermittlung der Netto-Erträge ergeben. So mangelt es im staatlichen Bereich üblicherweise an einem betriebswirtschaftlich einwandfreien Kostenrechnungssystem, 286 und es stellt sich damit vor allem das Problem der korrekten Verteilung der Gemeinkosten auf die verschiedenen öffentlichen Aktivitäten. 2 8 7 Insoweit müßte die Netto-Rechnung von relativ vagen Annahmen über die jeweils zuzurechnenden Kosten ausgehen. Dann verbleibt der Ansatz des gesamten Gebühren- und Beitragsaufkommens als der theoretisch korrekte und auch praktikablere Weg. Wie bei der Ermittlung der Steuerkraft ist allerdings nicht vom tatsächlichen Aufkommen auszugehen, sondern Unterschiede in der Anspannung der jeweiligen Bemessungsgrundlagen sind zu eliminieren. Wie die Beispielsrechnungen der A C I R verdeutlichen, 288 bestehen hierzu durchaus Möglichkeiten, die der Bereinigung um Unterschiede im tax effort ähnlich sind. Daß die Gebühren und Beiträge in den praktizierten Regelungen des Finanzausgleichs dennoch nur äußerst selten und dann auch nur auf wenige Arten beschränkt berücksichtigt werden, 289 ist zum einen auf die unterschiedliche Erhebungspraxis und den schon angesprochenen Sprachwirrwarr zurückzuführen. Deswegen fallt der (politische) Konsens über die einzubeziehenden Tatbestände außerordentlich schwer. Außerdem ist hierbei noch zu beachten, wie der Finanzbedarf ermittelt wird. 2 9 0 I m Grunde ist eine Berücksichtigung jeder einzelnen Einnahmenquelle nur dann erforderlich, wenn auch jede Ausgaben- und damit Bedarfskategorie separat erfaßt wird. Denn nur eine Gegenüberstellung der zusammengefaßten Bestandteile der Finanzkraft mit der Gesamtheit der Finanzbedarfstatbestände kann zu einer Aussage über die relative „Armut" bzw. den „Reichtum" einer Körperschaft führen. Je mehr man sich aber globaler Indikatoren für den Finanzbedarf bedient — im folgenden 284
Sachverständigenkommission, 1981, S. 55. So auch: ebenda, S. 51. 286 Vgl.: Bohley, P., 1981, S. 917. 287 So auch: Zeitel, G., 1981, S. 353. 288 Vgl.: ACIR, 1971, S. 56. 289 Dies gilt z.B. für Australien, wo einige Gebührenarten erfaßt werden, die aber wegen der mangelnden Abgrenzungsmöglichkeiten unter die Steuereinnahmen subsumiert werden; vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.2. 290 Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.2.2. 285
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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wird gezeigt, daß der wichtigste Indikator die (veredelte) Einwohnerzahl ist —, desto eher sind auch ähnlich pauschale Indikatoren für die Finanzkraft akzeptabel. Die Einbeziehung der Gebühren und Beiträge erübrigt sich, wenn man die Meinung vertritt, daß mit dem hypothetischen Steueraufkommen ein Indikator gefunden ist, hinter dem sich letztlich die jeweilige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit eben auch die Möglichkeit verbirgt, Gebühren und Beiträge zahlen zu können. Insoweit nähert man sich dem ökonomischen Indikator der Finanzkraft, der mit dem Abstellen auf das Pro Kopf-Einkommen das Einnahmenerzielungspotential nicht nur in bezug auf die Steuern, sondern auch auf die übrigen Staatseinnahmen erfaßt, die ja letztlich alle aus dem im Wirtschaftsprozeß erzielten Einkommen finanziert werden müssen. Der letzte Aspekt leitet unmittelbar über zur vierten Einnahmekategorie, der öffentlichen Kreditaufnahme. Es ist zwar nicht zu bestreiten, daß die Höhe der Neuverschuldung einer Körperschaft nichts über ihre „Armut" bzw. ihren „Reichtum" aussagt. 291 Denn die traditionelle Auffassung der Staatsverschuldung als unregelmäßige und einmalige Einnahme sui generis, „die zum Ausgleich ansonsten nicht zu finanzierender notwendiger Ausgaben, also gewissermaßen als Restgröße, in die Haushalte eingestellt w i r d " 2 9 2 , steht nicht mehr im Einklang mit den modernen Erkenntnissen der Finanzwissenschaft, wie sie sich z.B. in der Reform des Haushaltsrechts von 1969 niedergeschlagen haben. 293 Spätestens mit dem Vordringen der konjunkturpolitischen Verantwortung des Staates, die ihn in bestimmten Situationen quasi verpflichtet, sich zu verschulden, ist deutlich geworden, daß die Höhe der Staatsverschuldung von einer unter fiskalischen und nichtfiskalischen Gesichtspunkten bewußt getroffenen politischen Entscheidung abhängt. Insoweit ist eine Körperschaft auch nicht allein deswegen besonders (wenig) finanzkräftig, weil sie einen geringen (großen) Teil ihrer Ausgaben über Kredite finanziert. 294 Andererseits leuchtet aber unmittelbar ein, daß die verschiedenen Körperschaften durchaus unterschiedliche Möglichkeiten haben, sich zu verschulden. Diese Unterschiede in der „debt-incurring capacity" 295 sind dann bei einem Finanzkraftausgleich zu berücksichtigen, wenn die objektiven Möglichkeiten einer Körperschaft erfaßt werden sollen, sich selbst Einnahmen zu beschaffen. Insbesondere zwischen den verschiedenen Ebenen, aber auch zwischen den Körperschaften einer Ebene können solche ausgleichsrelevanten Unterschiede dadurch entstehen, daß der Zugang zum Kapitalmarkt aufgrund gesetzlicher Regelungen unterschiedlich ist, daß das Know-How über die Usancen im Kreditgeschäft nicht gleichmäßig verbreitet ist und daß schließlich und vor allem Unterschiede in bezug auf die (auch psychologisch bedingte) Kreditwür291 292 293 294 295
Vgl.: Peffekoven, R., 1985, S. 59f. Sachverständigenkommission, 1981, S. 13. Vgl.: ebenda. Vgl.: Peffekoven, R., 1985, S. 60. ACIR, 1971, S. 112.
1. Teil: Theoretische Grundlegung
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digkeit der verschiedenen Körperschaften bestehen. Dann müßten Indikatoren gefunden werden, an denen diese Differenzen gemessen werden können. Allerdings lassen die Untersuchungen über die Eigentümlichkeiten der Staatsverschuldung auf den unteren, vor allem auf der kommunalen Ebene 296 deutlich werden, welche enormen Probleme bei der Festlegung solcher Maßstäbe auftreten würden (z.B.: Auswertung der Vermögensverhältnisse, Kriterien für die Absicherung des Schuldendienstes, Fragen des Zeithorizontes). Hierauf ist auch zurückzuführen, daß die „debt-incurring capacity" bisher in keinem der praktizierten Systeme des Finanzausgleichs berücksichtigt wird. So hat auch die A C I R letztendlich darauf verzichtet, einen solchen Indikator — trotz der theoretisch anerkannten Notwendigkeit — in ihr „Average Financing System" einzubauen. 297 Allerdings zeigt sie in einem Anhang mit Hilfe von Beispielsrechnungen auf, daß es gleichwohl möglich ist, solchen Unterschieden — zumindest ansatzweise — Rechnung zu tragen. 298 Die Vernachlässigung der Verschuldungsmöglichkeiten in der Praxis des Finanzausgleichs kann — ähnlich wie bei den Gebühren und Beiträgen — mit der Allgemeinheit der Erfassung von Finanzbedarf und -kraft gerechtfertigt werden. So hängt die Möglichkeit einer Körperschaft, Kredite aufzunehmen, in starkem Maße von ihrer Steuerkraft ab. 2 9 9 Wenn der Finanzbedarf relativ pauschal an (veredelten) Einwohnerzahlen gemessen wird, erscheint es akzeptabel, davon auszugehen, daß mit der jeweiligen Steuerkraft auch in hinreichendem Maße Unterschiede in den Verschuldungsmöglichkeiten erfaßt werden. Zusammenfassend kann zu den nichtsteuerlichen Einnahmen der Körperschaften festgehalten werden, daß ihre Berücksichtigung bei der Ermittlung der Finanzkxaït zwar theoretisch geboten ist. Wegen der hiermit verbundenen erheblichen technischen Probleme der Abgrenzung und Bewertung werden diese jedoch in den meisten praktizierten Systemen des Finanzausgleichs nicht berücksichtigt. Das scheint um so eher akzeptabel, je besser es gelingt, mit der Steuerkraft die in einer Körperschaft angesiedelte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit umfassend zu ermitteln. Der Kern einer jeden Finanzkraftberechnung im öffentlichen Sektor ist die Bestimmung der Steuerkraft. 3.1.2.2.2. Messung des Finanzbedarfs Der Finanzbedarf einer Körperschaft kann definiert werden als „die zur Erfüllung ihrer Aufgaben . . . erforderliche Finanzausstattung." 300 Schon die 296
Vgl. z.B.: Zeitel, G., 1965, S. 65ff.; Hagemann, R., 1976, S. 15ff.; Klein, R. R.,
1977. 297
Vgl.: ACIR, 1971, S. 6. Vgl.: ebenda, S. 111 ff. 299 So auch: Metz, H.-G., 1979, S. 100. 300 Seiler, G., 1980, S. 32. Ganz ähnlich: Zimmermann, H./Henke, K.-D., 1985, S. 111 und 396. 298
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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Definition macht deutlich, daß diese Größe im Finanzausgleich im Grunde nicht zu objektivieren ist. Denn „die Aufgaben und die Intensität der Ausgabengebarung sind vielmehr für alle Gebietskörperschaften praktisch unbegrenzt; ihre Festlegung bleibt letztlich einer politischen Entscheidung vorbehalten." 301 Das darf nun aber nicht so interpretiert werden, daß auf die Berücksichtigung des Finanzbedarfes verzichtet werden könnte. Vielmehr ist es — wie schon dargelegt 302 — sachlich notwendig, neben den Unterschieden in der Finanzkraft auch solche im Finanzbedarf zu ermitteln und in den Ausgleichskalkül einzubeziehen. Hierauf sind die zahlreichen Versuche zurückzuführen, Indikatoren für die jeweilige Aufgaben- und damit (im wesentlichen) Ausgabenbelastung zu finden und gegeneinander abzuwägen. Die gerade schon angedeuteten Probleme werden besonders deutlich, wenn man versucht, den Finanzbedarf einer Körperschaft / in einer formalen Struktur zu erfassen. Dafür läßt sich nämlich schreiben: 303 FBir
=1
Σ airv irB irk ir r= 1
mit: r = Anzahl der zu erfüllenden Aufgaben B = Bedarfsmeßzahl k= Stückkosten (pro Bedarfseinheit) der Aufgabenerfüllung v = angestrebtes Versorgungsniveau (in v.H. der Bedarfsgröße) a = Faktor, der den Wert 1 oder 0 annimmt, je nachdem ob die Körperschaft die Aufgabe zu erfüllen hat oder nicht. Da bei diesem Ansatz für jede einzelne Aufgabenkategorie versucht wird, den notwendigen Ausgabenbedarf zu ermitteln, wird auch von einer „originären Erfassung" des Finanzbedarfes gesprochen. 304 So einfach und einleuchtend diese formale Struktur auch sein mag, die Probleme ergeben sich erneut bei der Umsetzung in die Praxis. Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu können, 305 ist im Grunde die Auswahl aller vier Faktoren problematisch. Denn es muß entschieden werden, ob die jeweilige Aufgabe von jeder Körperschaft angeboten, woran die Bedarfsmeßzahl orientiert, in welchem Ausmaß sie realisiert und von welchen Stückkosten dabei ausgegangen werden soll. Da es allerdings mit einem solchen Verfahren gelingen würde, den für ein angestrebtes Versorgungsniveau notwendigen (normierten) Finanzbedarf zu ermitteln, überrascht es nicht, daß es in der Literatur zahlreiche Vorschläge gibt, sich diesem Ansatz mit (z.T. sehr aufwendigen) ökonometrischen und analytischen Methoden zu nähern. 306 301
Schmölders, G., 1965, S. 32. Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.1.2.1. 303 Vgl.: Seiler, G., 1980, S. 32. 304 Vgl.: Zimmermann, H., 1983, S. 48. 305 Vgl. dazu z.B.: Gläser, M., 1981, S. 170ff. 306 Zu einem Überblick mit den entsprechenden Literaturhinweisen vgl.: Seiler, G., 1980, S. 35 ff. 302
8 Fischer
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Wegen des hohen formalen Aufwands, der mit diesem Verfahren verbunden ist, dominieren in der Praxis des Finanzausgleichs Hilfsgrößen 307 die mit Hilfe von Plausibilitätsüberlegungen oder bestenfalls einfacher statistischer Verfahren 3 0 8 begründet werden und von deren Höhe auf die jeweils notwendige Finanzausstattung geschlossen wird. Als erste Hilfsgröße sind häufig die tatsächlichen Ausgaben einer Körperschaft herangezogen worden. 309 Allerdings kann dieser Indikator nicht überzeugen, da er maßgeblich von der jeweiligen Finanzkraft beeinflußt wird. So werden zum einen solche Bedarfe außer acht gelassen, die wegen fehlender Finanzmittel nicht erfüllt werden. Zum anderen können hohe Ausgaben auch die Folge unwirtschaftlicher Aufgabenerfüllung sein und sagen insoweit nichts über das Versorgungsniveau der Bevölkerung mit öffentlichen Leistungen aus. 310 Schließlich besteht die Gefahr der Aufblähung der öffentlichen Ausgaben, wenn wachsende Haushalte generell die finanzielle Unterstützung steigen lassen. Besonders hierauf ist zurückzuführen, daß dieser Indikator für den Finanzbedarf durchweg abgelehnt wird. Der wohl älteste und am weitesten verbreitete Maßstab für den Finanzbedarf ist die Einwohnerzahl der Region, der das Angebot der jeweiligen Körperschaft zugute kommt. Hierbei handelt es sich um eine Größe, die sowohl relativ leicht zu ermitteln 311 wie auch von den Körperschaften nicht unmittelbar zu beeinflussen ist und insoweit objektivierbare Unterschiede zwischen diesen deutlich werden läßt. Da der Bedarf an öffentlichen Leistungen im allgemeinen mit der Anzahl der zu versorgenden Bevölkerung steigt, 312 bietet sich diese Größe als „erste Basis für die finanzwirtschaftliche Typisierung" 313 der Körperschaften geradezu an. Allerdings ist hierbei umstritten, ob sich der Finanzbedarf proportional mit der Einwohnerzahl entwickelt, d. h. jeder Bürger den gleichen Bedarf an öffentlichen Mitteln verursacht, oder ob nicht vielmehr Unterschiede berücksichtigt werden müssen, die sich zum einen auf die Größe der Körperschaft und zum anderen auf die Struktur der Bevölkerung beziehen. Diesen Überlegungen kann durch eine technisch relativ einfache Veredelung der Einwohnerzahlen Rechnung getragen werden, wobei die tatsächliche Bevölkerungszahl je nach zugestandenem „Mehrbedarf mit Faktoren ( > 1) gewichtet wird. In der Praxis des Finanzausgleichs reichen die Veredelungsfaktoren allein aufgrund der Größe der Körperschaften bis an eine Verdoppelung der 307
Vgl.: Metz, H.-G., 1979, S. 163ff.; Zimmermann, H./Henke, K.-D., 1985, S. 111. Vgl. dazu: Gläser, M., 1981, S. 177. 309 Vgl.: Albers, W., 1961, S. 569; Bickel, W., 1956, S. 753. So wurde ζ. B. in Australien lange Zeit der Finanzbedarf der Kommunen auf der Basis der tatsächlichen Ausgaben geschätzt; vgl.: Commonwealth Grants Commission, 1976, S. 10. 310 So auch: Albers, W., 1961, S. 569; Peffekoven, R., 1980, S. 631; Seiler, G., 1980, S. 33 f. 311 Auf die Problematik einer zeitnahen Erfassung hat vor allem D. Bös (1971, S. 65) hingewiesen. 312 So auch: Peffekoven, R., 1980, S. 631. 313 Schmölders, G., 1965, S. 40. 308
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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Einwohnerzahl heran, 314 obwohl gerade dieser Grund für eine Veredelung in der Literatur durchaus umstritten ist. Er geht nämlich auf das von A. Brecht schon 1932 formulierte Gesetz von der „progressiven Parallelität zwischen (öffentlichen) Ausgaben und Bevölkerungsmassierung" 315 zurück, wonach mit zunehmender Größe einer Körperschaft wegen der räumlichen Konzentration der Bevölkerung der Ausgabenbedarf pro Kopf wachsen solle. Obwohl dieses Gesetz „theoretisch unfundiert und statistisch in keiner Weise abgesichert (ist)" 3 1 6 , sprechen prima facie einige Argumente für den behaupteten Zusammenhang. So kann auf die mit zunehmender Agglomeration möglicherweise steigenden Kosten für Vorleistungen (höhere Grundstückspreise und Personalkosten), u.U. auftretende diseconomies of scale (ζ. Β.: Bürokratisierung) sowie stärkere bzw. neue Bedürfnisse nach bestimmten öffentlichen Leistungen (z.B.: Umweltschutz, Kriminalitätsbekämpfung) hingewiesen werden. 317 Allerdings kann als Gegenargument — ähnlich plausibel — vorgebracht werden, daß mit zunehmender Bevölkerung im allgemeinen auch die Finanzkraft steige und daß insoweit die von Brecht empirisch ermittelten Ausgabensteigerungen nicht auf einen größeren Bedarf, sondern auf die höhere Steuerkraft zurückzuführen seien. Außerdem wird durch eine solche Veredelung der Einwohnerzahl im Finanzausgleich die Agglomeration begünstigt und verstößt insoweit möglicherweise gegen raumordnungspolitische Ziele. 318 Schließlich steht dem Brechtschen Gesetz die Überlegung entgegen, daß gerade bei kleineren Körperschaften die Pro Kopf-Ausgaben vergleichsweise groß sind, weil die erforderlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen auch dort angeboten werden müssen und die Kosten demnach nur auf eine geringe Bevölkerungszahl verteilt werden können. 319 Da auch die empirischen Untersuchungen zum Brechtschen Gesetz kein einheitliches Bild vermitteln, 320 überrascht es nicht, daß in der Praxis des Finanzausgleichs unterschiedlich vorgegangen wird. Während z.B. in der Bundesrepublik die überwiegende Zahl der Länder im kommunalen Finanzausgleich von nach der Größe gestaffelten Einwohnerzahlen der Gemeinden ausgehen, haben seit 1970 bzw. 1978 die Länder Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz diese Veredelung 314
So werden im kommunalen Finanzausgleich des Landes Baden-Württemberg die Einwohnerzahlen, die über 600000 hinausgehen, mit 186 v. H. gewichtet; vgl.: Gläser, M., 1981, S. 285. 315 Brecht, Α., 1932, S. 6. 316 Littmann, Κ . , 1977, S. 360. 317 Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 631. 318 Vgl.: Albers, W., 1964, S. 278. 319 Die hiergegen vorgetragene These vom „kanalisierten Einwohner" (J. Popitz), nach der für die Stadtbevölkerung Aufwendungen zu tätigen seien, auf die bei der Landbevölkerung verzichtet werden könne, kann angesichts der Forderung nach einer über das gesamte Staatsgebiet angestrebten „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" nicht (mehr) akzeptiert werden; vgl. dazu: Seiler, G., 1980, S. 35. 320 So auch unter Hinweis auf die entsprechenden Studien: Recktenwald, H.-C., 1977, S. 728 f.; Seiler, G., 1980, S. 79. 8'
1. Teil: Theoretische Grundlegung
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aufgegeben und gehen seitdem zur Ermittlung des allgemeinen Finanzbedarfes von den tatsächlichen Bevölkerungszahlen aus. 321 Allerdings kann die Veredelung der Einwohnerzahl auch mit anderen Argumenten als nur mit der Größe der Körperschaften begründet werden. Hierbei wird in erster Linie auf die unterschiedliche Struktur der Bevölkerung abgestellt, die sich sowohl auf demographische wie auch ökonomische Faktoren beziehen kann. So werden insbesondere ein hoher Anteil von Schülern, Rentnern oder auch Arbeitslosen als Gründe für eine höhere Gewichtung herangezogen, da diesen Personenkreisen ein größerer öffentlicher Ausgabenbedarf zugesprochen wird. Schließlich können auch — unabhängig von der zu versorgenden Bevölkerungszahl — besondere Bedarfssituationen durch eine Veredelung der Einwohnerzahl berücksichtigt werden. Die typischen Beispiele sind zusätzliche Auf- und damit Ausgaben aufgrund der Funktion als „zentrale Orte", besondere geographische Lagen (z.B.: Küsten- oder Gebirgslagen, Grenzgemeinden) sowie andere funktional bedingte Sonderbedarfe (z.B.: Bädergemeinden, Straßenlasten). Umstritten ist allerdings, inwieweit diese Faktoren im Rahmen der „allgemeinen" Finanzbedarfsermittlung angesetzt werden sollen. Anstelle dessen wird häufig für eine Abgeltung über zweckgebundene FZ plädiert, da hierdurch der „richtige" Einsatz der Mittel besser gewährleistet sei. 322 Wegen der damit verbundenen Autonomieverzichte der nachgeordneten Körperschaften werden in der Praxis diese Sonderbedarfe gleichwohl häufig über veredelte Einwohnerzahlen berücksichtigt. 323 Die Messung des Finanzbedarfs an (veredelten) Einwohnerzahlen kann sowohl explizit wie auch implizit vorgenommen werden. Bei einer expliziten Berücksichtigung werden sog. Finanzbedarfsmeßzahlen konstruiert, die sich als Produkt aus der Bevölkerungszahl und einem festgelegten Pro Kopf-Finanzbedarf ergeben. Durch die Gegenüberstellung dieser Meßzahl mit einer nach den oben vorgestellten Regeln ermittelten Finanzkraftmeßzahl kann dann etwas über das Ausmaß der fiskalischen Ungleichgewichte zwischen den Körperschaften ausgesagt werden. Implizit wird von einem unterschiedlichen Finanzbedarf auch bei einem „reinen" Finanz&ro/ifausgleich ausgegangen, wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Körperschaft am Pro ATö/?/-Steueraufkommen gemessen wird. So sieht auch die A C I R als „one common procedure (to meet public expenditure requirements) ... to express capacity on a per capita basis " Z2A Denn ein absolut gleicher Einnahmenbetrag ermöglicht einer Körperschaft mit niedrigerer Bevölkerungszahl ein höheres Versorgungsniveau als einer Körperschaft mit mehr Einwohnern. 325 Deswegen ist es im Grunde auch problematisch, 321
Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 285f. 322 w a s hierzu kritisch gesagt werden kann, ist oben (1. Teil, Kap. 2.3.) schon abgehandelt worden. 323 324 325
Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 287. ACIR, 1962, S. 9 (Hervorhebung vom Verf.). So auch, allerdings mit kritischen Bemerkungen: Bös, D., 1971, S. 64.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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bei den praktizierten Systemen des Finanzausgleichs von einem „reinen" Steuerkraftausgleich zu sprechen, 326 wenn die jeweilige Steuerkraft auf die Einwohnerzahl bezogen wird. Eine andere Frage ist allerdings, ob der Pro KopfBezug als Berücksichtigung des Finanzbedarfes als ausreichend angesehen wird. Wegen der vielfaltigen Arten von besonderen Bedarfssituationen scheint es geboten, zumindest von entsprechend veredelten Einwohnerzahlen auszugehen. 327 Zusammenfassend kann festgehalten werden: Während es bei der Messung der Finanzkraft gelingt, Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit mit Hilfe eines „repräsentativen Einnahmen- bzw. Steuersystems" durchaus akzeptabel zu erfassen, beschränkt sich die Messung des Finanzbedarfes auf vergleichsweise grobe Indikatoren. Obwohl Verfahren der originären Erfassung des Ausgabenbedarfes entwickelt und diskutiert wurden, kommen sie in den praktizierten Regelungen wegen der erheblichen methodischen und technischen Probleme kaum zur Anwendung. 328 Vielmehr bedient man sich relativ pauschaler Hilfsgrößen, von denen die Einwohnerzahl die gebräuchlichste ist. U m der theoretisch notwendigen Berücksichtigung von besonderen Bedarfssituationen gerecht zu werden, versucht man, durch unterschiedliche Veredelungen der tatsächlichen Bevölkerungszahlen einen mehrdimensionalen Index zu konstruieren, 329 der den theoretischen Anforderungen zumindest im Ansatz genügen soll. Letztlich ist und bleibt es aber eine politische Entscheidung, welche besonderen Bedarfe zu welchem finanziellen Mehraufwand führen sollen; die Gewichtungsfaktoren und damit der anerkannte Finanzbedarf sind also objektiv nicht festzulegen. 3.1.2.3. Ausmaß des Ausgleichs Hat man nach einem der gerade besprochenen Verfahren über die Indikatoren für Finanzkraft und -bedarf entschieden und ist somit in der Lage, etwas über den (relativen) „Reichtum" bzw. die (relative) „Armut" einer Körperschaft auszusagen, dann muß noch geklärt werden, in welchem Umfang die Unterschiede zwischen den Körperschaften ausgeglichen werden sollen. Hierbei ist folgendes zu beachten: Auf der einen Seite sollte der Ausgleich so gestaltet sein, daß er tatsächlich zu einer Angleichung der (in bezug zum Finanzbedarf relativen) Leistungsfähigkeit 326 Vgl. hierzu z.B. die Aussagen zum horizontalen Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik: Kolms, H., Bd. 4, 1976, S. 183; Renner, P., 1982, S. 339. 327 So werden im deutschen Länderfinanzausgleich z.B. die Einwohnerzahlen der Stadtstaaten „veredelt", um damit der besonderen Ausgabenbelastung Rechnung zu tragen, die sich durch die Doppelfunktion als Bundesland und Kommune ergibt; vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2.2. 328 Die einzige Ausnahme stellt Australien dar, wobei dort aber auch der (zu) große Aufwand kritisiert wird; vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.3. 329 Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 632.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
führt. Das gilt vor allem, wenn als Ziel die „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" verfolgt wird. Davon kann nämlich nur dann die Rede sein, wenn die nachgeordneten Körperschaften über in etwa gleiche Deckungsmöglichkeiten für einen einheitlichen Aufgabenkatalog verfügen. Außerdem kann hierfür erneut auf den Grundgedanken des Bundesstaates verwiesen werden, der in der gegenseitigen — auch finanziellen — Solidarität einen wichtigen Unterschied zum weniger verpflichtenden Staatenbund sieht. 330 Schließlich spricht für eine spürbare Umverteilung auch der u. U. betriebene Verwaltungsaufwand. Gerade der letzte Aspekt hat in jüngster Zeit zu der Forderung geführt, die in der Bundesrepublik praktizierte Regelung der sog. „Ergänzungsanteile" für bestimmte finanzschwache Länder abzuschaffen. 331 Allerdings sind die Termini „Angleichung" bzw. „spürbare Umverteilung" Leerformeln, die im politischen Entscheidungsprozeß konkretisiert werden müssen. Auf der anderen Seite gibt es einen allgemeinen Konsens, daß es durch den Finanzausgleich nicht zu einer Egalisierung der finanziellen Möglichkeiten zwischen den Körperschaften kommen soll. Denn hierdurch könnte diesen der Anreiz genommen werden, ihre eigenen Steuerquellen auszuschöpfen. Außerdem wäre es das „Ende der Selbstverantwortung (untergeordneter Körperschaften) . . . für ihren Haushalt, wenn jeglicher Unterschied ihrer Finanzkraft von oben her ausgeglichen würde" 3 3 2 . Deswegen beschränken sich die praktizierten Finanzausgleichssysteme überwiegend auf eine nur partielle Schließung der finanziellen Lücken, wobei die Auffüllungsquoten ganz unterschiedlich sind. 3 3 3 Bei der Entscheidung über das Ausmaß des Ausgleichs muß ein Weiteres beachtet werden: Erfolgt der Ausgleich (direkt) horizontal zwischen den Körperschaften einer Ebene, dann muß—neben dem Ziel der Besserstellung der „armen" Körperschaften — auch dafür gesorgt werden, daß die „reichen" nicht infolge des finanziellen Ausgleichs an oder unter die Grenze der „Armut" gebracht werden. Das würde nämlich das Solidargefühl mit Sicherheit überfordern und zu Spannungen zwischen den Beteiligten führen. Außerdem wäre ein solches Verfahren ökonomisch unsinnig. Hierauf ist auch der komplizierte Verteilungsschlüssel des Länderfinanzausgleichs in der Bundesrepublik zurückzuführen, der gewährleistet, daß keines der sog. „ausgleichspflichtigen" Länder aufgrund seiner Ausgleichsbeiträge unter die durchschnittliche Finanzkraft sinkt. 3 3 4 Wenn es sich demgegenüber um einen (indirekten) vertikalen Finanzausgleich mit horizontaler Wirkung handelt, entsteht dieses Problem nicht. Hier ergibt sich 330
Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.1.2. Vgl.: Peffekoven, R , 1985, S. 74 sowie 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.1. 332 Schmölders, G., 1965, S. 33. 333 Auf die im bundesstaatlichen Finanzausgleich der hier betrachteten Länder angewendeten Quoten wird unten (2. Teil, Kap. 2.3.1.2.1. und 3.3.1.2.2.1.) eingegangen. Daneben dominiert im kommunalen Finanzausgleich der Bundesrepublik die Abgeltung von 50 v.H. der Finanzkraftdefizite; vgl. dazu: Gläser, M., 1981, S. 295. 334 Vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2.1. 331
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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jedoch eine andere Schwierigkeit: Sollen die vom Oberverband zur Verfügung gestellten Mittel allen, also auch den relativ „reichen" nachgeordneten Körperschaften zufließen? Oder sollen die sog. „abundanten" Körperschaften, deren Finanzkraftmeßzahl größer oder zumindest gleich der Finanzbedarfsmeßzahl ist, von einer Beteiligung ausgeschlossen werden? 335 Unter der Voraussetzung, daß solchen Ausgleichszahlungen nur subsidiärer Charakter zukommen soll, dürften die Mittel nur an tatsächlich finanzschwache Körperschaften fließen. Partizipieren dagegen alle an der Ausgleichsmasse, legt das den Schluß nahe, daß die vertikale Aufgaben- und Einnahmenverteilung nicht optimal gelungen ist. Insoweit könnte durch eine Änderung im vertikalen Finanzausgleich die Notwendigkeit für horizontale Umverteilungsmaßnahmen gesenkt werden, indem einer Ebene bestimmte Aufgaben entzogen würden, die zu unterschiedlichen Ausgabenbelastungen bei den einzelnen Körperschaften geführt haben. Allerdings zeigt sich hier wiederum der Konflikt zwischen — erwünschter — Aufgabenkompetenz und — unerwünschter — Finanzierungsverpflichtung; ein Dilemma, das die gesamte Diskussion um den Finanzausgleich durchzieht und das letztlich nur politisch entschieden werden kann. 3.1.3. Stabilisation Als letzter ökonomischer Zielkomplex, für den die FZ eingesetzt werden können, ist auf die Stabilisationsaufgabe des Staates einzugehen. I m folgenden wird dabei der Begriff der Stabilisation 336 so weit gefaßt, daß nicht nur auf den Ausgleich von Konjunkturschwankungen, sondern auch auf die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums abgestellt wird. Allerdings erweist sich gerade in diesem Punkt die hier verwendete Musgravesche Terminologie (erneut) als problematisch, weil mit dem Wachstumsziel untrennbar auch Allokationsaspekte angesprochen sind. Deswegen wird es in der Literatur auch häufig unter die Allokationseffizienz subsumiert, 337 gelegentlich auch vollkommen separat behandelt. Die folgenden Ausführungen nehmen aber Bezug auf die Regelungen des „Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" (kurz: Stabilitätsgesetz oder StWG), in dem das „stetige und angemessene Wirtschaftswachstum" neben die konjunkturpolitischen Ziele des hohen Beschäftigungsstandes, der Stabilität des Preisniveaus und des außerwirtschaftlichen Gleichgewichts gestellt wird. 3 3 8 Insoweit bietet sich an, hier die Konjunk335
Vgl. hierzu: Albers, W , 1964, S. 275. Auf die in der Literatur außerdem vorgenommene Differenzierung zwischen „Stabilitäts-" und „Stabilisierungspolitik" wird nicht eingegangen (vgl. dazu: Cassel, D./Thieme, H. J., 1985, S. 302ff.). Vielmehr wird hier nur der Begriff der Stabilisation verwendet, der — neben dem Wachstumsaspekt — sowohl die Erhaltung wie auch die Wiedererreichung der konjunkturellen Normallage umfaßt. 337 Vgl. z.B.: Zimmermann, H., 1983, S. 10; Gläser, M., 1981, S. 119ff. Auf diese Möglichkeit weisen auch R. A. Musgrave/P. Β. Musgrave/L. Kullmer (Bd. 1, 1984, S. 20, F N 9) selber hin. 336
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
turstabilisierung und die Wachstumsförderung gemeinsam zu behandeln. Allerdings kann dabei auf schon gewonnene Erkenntnisse aus der Allokationsabteilung zurückgegriffen werden. 339 3.1.3.1 Stabilisationspolitik im föderativen Staat Überblickt man die Literatur zur Frage der „richtigen" Zuordnung der konjunktur- und wachstumspolitischen Verantwortung in einem föderativen Staat, so zeigt sich, „(that) there is general agreement that stabilization policy should be essentially a central government function." 3 4 0 Ohne hier auf die gesamte Diskussion eingehen zu können, 341 seien kurz die Argumente vorgestellt, die gegen eine Übertragung der Stabilisationsaufgabe auf nachgeordnete Körperschaften, vor allem auf die kommunale Ebene, 342 vorgebracht werden (können): (1) Eines der am häufigsten genannten Argumente stellt auf den Zugang zur Zentralnotenbank ab, 3 4 3 der den nachgeordneten Körperschaften verwehrt sei, so daß ihnen das für eine wirksame Konjunkturpolitik wichtige Instrumentarium der geldpolitischen Steuerung fehle. Allerdings ist hierzu für die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland eine differenzierte Argumentation geboten. Sieht man nämlich von den sog. Kassenkrediten ab, 3 4 4 dann steht dem Bund der Zugang zur Bundesbank genau so wenig offen wie den Ländern und den Gemeinden. Eine unter konjunkturpolitischen Erwägungen u.U. sinnvolle Verschuldung des Staates bei der Zentralnotenbank ist in der Bundesrepublik aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit für alle drei Ebenen grundsätzlich nicht zulässig. Allerdings kann die Bundesbank im Rahmen ihrer Offenmarkt-Politik zur Regelung des Geldmarktes (§ 21 BuBaG) bestimmte Wertpapiere des Bundes 338
Vgl.: § 1 StWG 1967. Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.1.3. 340 Mansfield, C. Y., 1983, S. 243. So auch: Oates, W. E., 1972, S. 5 f.; Peffekoven, R., 1980, S. 616; Scott, A. D., 1964, S. 276ff.; Zimmermann, H., 1983, S. 30f. 341 Vgl. dazu z.B.: Kock, H., 1975b. 342 Es ist daraufhinzuweisen, daß die Diskussion der FZ unter stabilisationspolitischen Aspekten in erster Linie mit Bezug auf die Gemeindeebene geführt wird. Obwohl sich der praxisbezogene Teil dieser Arbeit lediglich auf den bundesstaatlichen Finanzausgleich bezieht, werden hier die theoretischen Argumente so abgehandelt, wie sie in der Literatur diskutiert werden, so daß im folgenden auf einige Besonderheiten der Kommunalfinanzen eingegangen wird. M i t wenigen Ausnahmen lassen sich diese Überlegungen aber auch auf die Ebene der Gliedstaaten übertragen. 339
343
Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 211; Voigtländer, H , 1970, S. 304. Nach § 20 BuBaG können diese Kredite bis zu bestimmten Höchstgrenzen vom Bund, seinen Sondervermögen und den Ländern bei der Bundesbank aufgenommen werden, so daß Bund und Länder insoweit einen Zugang zur Zentralnotenbank haben. Allerdings dürfen diese (limitierten) Kredite nur zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe und damit nicht zur Finanzierung geplanter Ausgaben eingesetzt werden; vgl. dazu z.B.: Dickertmann, D./Diller, K. D., 1983, S. 191 ff. 344
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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aufkaufen und ihm insoweit nach eigenem Ermessen Kredit gewähren. Da sie außerdem nach § 12 BuBaG verpflichtet ist, „ . . . die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen" (Hervorhebung v. Verf.), hat von den Gebietskörperschaften der Bund zweifellos den größten Einfluß auf die Geldpolitik, ohne daß von einem „Zugang zur Zentralnotenbank" gesprochen werden sollte. Die besondere Rolle des Bundes in diesem Bereich wird auch in seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Währungs-, Geld- und Münzwesens deutlich. 345 Gerade stabilitätspolitische Aspekte sprechen auch für die Beibehaltung dieser Kompetenzverteilung, da eine Spaltung der Kontrolle der Geldpolitik u. U. zu einer wachsenden Geldmenge und damit zu Inflationstendenzen führen könnte. 3 4 6 (2) Auch wenn in bezug auf die Verschuldung bei der Bundesbank demnach keine so gravierenden Unterschiede zwischen den Gebietskörperschaften festzustellen sind, werden allerdings die Möglichkeiten der Gemeinden, sich am Kapitalmarkt zu verschulden, deutlich niedriger eingeschätzt als die von Bund und Ländern. 347 Das ist zum einen auf das stringente kommunale Haushaltsrecht zurückzuführen, das eine Kreditaufnahme der Gemeinden nur in ihrem Vermögenshaushalt und damit im wesentlichen nur für investive und investitionsfördernde Ausgaben zuläßt und außerdem von der (Gesamt-) Genehmigung des Haushaltes durch die Kontrollinstanzen der Länderbehörden abhängig macht. 3 4 8 Zum anderen ist aber auch das Standing der Kommunen an den nationalen (und vor allem internationalen) Kapitalmärkten sicher weniger ausgeprägt als das von Bund und Ländern, so daß für sie größere Sicherungsprobleme entstehen und die Kreditaufnahme mit höheren Kosten verbunden sein kann. 3 4 9 Ein Weiteres kommt hinzu: Je kleiner die Körperschaft ist, desto größer wird der Anteil der Schulden sein, der bei gebietsfremden Wirtschaftssubjekten aufgenommen werden muß. Insoweit trifft in diesem Fall eine der bekanntesten Rechtfertigungen der Staatsverschuldung („we owe it to ourselves") 350 nicht zu. Vielmehr sind die Kommunen verstärkt auf eine externe Verschuldung angewiesen, die via Zinszahlungen zu einem verteilungspolitisch u. U. unerwünschten Realeinkommenstransfer an andere Körperschaften führen kann. 3 5 1 345
Vgl.: Art. 73 Ziff. 4 GG. So auch: Peffekoven, R.; 1980, S. 616. Auf die geldtheoretische und -politische Diskussion, ob durch eine Konkurrenz von mehreren Geldemittenten der Geldwert sogar stabilisiert werden könnte, braucht hier nicht eingegangen zu werden; vgl.: von Hayek, F., 1977; Vaubel, R., 1976. 346
347 348 349 350 351
Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 213; MonBerBuBa, H. 11, 1984, S. 32. Zu Einzelheiten vgl.: Klein, R. R., 1977. So auch: Gläser, M., 1981, S. 213. Vgl. dazu: Gandenberger, O., 1981, S. 28f. Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 616.
1. Teil: Theoretische Grundlegung
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(3) Außerdem ist auf die allokations- und verteilungspolitische Bedeutung eines großen Teiles der kommunalen Ausgaben hinzuweisen (z.B.: Sozialhilfe, Schulen, Krankenhäuser), die nicht aus konjunkturpolitischen Erwägungen ohne weiteres variiert werden können. „Vielmehr müssen diese Versorgungsaufgaben selbst dann erfüllt werden, wenn sie mit dem konjunkturpolitischen Ziel im Widerspruch stehen." 352 (4) Unabhängig von diesen somit nur begrenzten Möglichkeiten, konjunkturpolitisch aktiv zu werden, ist aber auch fraglich, ob es für die Kommunen überhaupt sinnvoll ist, sich entsprechend den Regeln der antizyklischen Globalsteuerung zu verhalten. Wie im Zusammenhang mit der Kreditaufnahme schon festgestellt wurde, wirken sich die konjunkturpolitischen Maßnahmen nicht unbedingt nur in der jeweiligen Region aus. Sondern wegen der Offenheit des lokalen Wirtschaftsraumes muß die einzelne Kommune damit rechnen, „daß die Früchte ihrer Stabilisierungspolitik vorwiegend anderswo geerntet werden, ohne daß sie mit einer Abgeltung des Kostenaufwandes rechnen kann." 3 5 3 Insoweit kommt der Konjunkturstabilisierung der Charakter eines spezifisch öffentlichen Gutes zu, von dessen Konsum auch diejenigen nicht ausgeschlossen werden können, die nicht bereit sind, sich an den Kosten zu beteiligen (fehlendes Marktausschlußprinzip). Einzelwirtschaftlich ist es dann für eine Gemeinde rational, auf konjunkturpolitische Aktivitäten zu verzichten und quasi als „Trittbrettfahrer" an den Leistungen der übrigen Körperschaften zu partizipieren. 354 (5) Schließlich ist noch auf die den nachgeordneten Körperschaften zugestandenen Steuereinnahmen einzugehen. Wenn diese der Anforderung der Konjunkturstetigkeit 355 nicht genügen, kann es zu einem prozyklischen Ausgabeverhalten der Gemeinden kommen, weil sie nicht in der Lage oder nicht willens sind, die entstehenden Liquiditätsüberschüsse (-defizite) stillzulegen (über Kredite zu finanzieren). Die Prozyklik der kommunalen Ausgaben ist in zahlreichen empirischen Untersuchungen belegt worden, 356 so daß die Gemeinden auch unter diesem Aspekt nicht dafür prädestiniert sind, konjunkturpolitische Verantwortung zu übernehmen. Damit ist allerdings schon ein Anknüpfungspunkt für einen konjunkturpolitisch motivierten Einsatz von FZ angesprochen. Auch wenn aufgrund der gerade vorgestellten Argumente allgemein akzeptiert wird, daß die Stabilisa352 353
Wagner, Α., 1979, S. 467. Gläser, M., 1981, S. 211. So auch: Knott, J. H., 1977, S. 82; Peffekoven, R., 1980,
S. 616. 354 So auch: Klein, R. R./Münstermann, E., 1978, S. 216f.; Wahl, H , 1980, S. 33f.; Noll, W., 1983, S. 613. 355 Vgl. dazu z.B.: Albers, W., 1958/59, S.407ff.; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, 1968 und 1982. 356 Vgl.: Klein, R. R./Münstermann, E., 1978, S. 216; Voigtländer, H., 1970, S. 303; Noll, W., 1983, S. 612.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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tionsaufgabe tunlichst der Zentralinstanz übertragen werden sollte, so ist andererseits genau so unbestritten, daß die nachgeordneten Körperschaften die konjunkturpolitischen Anstrengungen des Oberverbandes zumindest nicht zunichte machen und deswegen von ihrem prozyklischen Verhalten abgehen sollen. Daß diese Forderung nicht unbegründet ist, w i r d auch durch das quantitative Gewicht der nachgeordneten Haushalte deutlich. Verstärkend k o m m t hinzu, daß von ihnen üblicherweise der größte Teil der öffentlichen Sachinvestitionen getätigt w i r d , 3 5 7 von denen besondere k o n j u n k t u r - und wachstumspolitische Effekte ausgehen. Außerdem verpflichtet § 16 S t W G auch die Gemeinden (und Gemeindeverbände) auf die oben genannten Ziele des § 1 S t W G , so daß ihr Haushaltsgebaren grundsätzlich antizyklisch sein sollte. Den nachgeordneten Körperschaften k o m m t somit mindestens eine k o n j u n k t u r p o l i tische M i t v e r a n t w o r t u n g zu, wobei die Länder sogar das Recht u n d die Pflicht haben, „ d u r c h geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, daß die Haushaltswirtschaft der Gemeinden u n d Gemeindeverbände den konjunkturpolitischen Erfordernissen e n t s p r i c h t . " 3 5 8 N a c h allgemein akzeptierter Ansicht k o m m e n als „geeignete M a ß n a h m e n " dabei ,finanzielle Zuwendungen . . . in besonderem Maße in B e t r a c h t . " 3 5 9 I n welcher Weise die F Z demnach für die Ziele der K o n j u n k t u r - und Wachstumspolitik eingesetzt werden können, ist i m folgenden zu diskutieren. 3.1.3.2. Finanzzuweisungen als konjunkturpolitisches Instrument Unter konjunkturpolitischen Aspekten können die F Z für zwei Ziele eingesetzt werden, die zu unterschiedlichen Konsequenzen i n bezug auf die zu wählende Ausgestaltung führen. Steht das gerade angesprochene Ziel der Verstetigung der Kommunalfinanzen i m Vordergrund, so genügt eine antizyklische Variation der Finanzzuweisungsbeträge — wofür verschiedene Methoden denkbar sind — , ohne daß (zusätzliche) Lenkungseffekte initiiert werden müssen. W i l l man andererseits m i t den F Z solche Ausgaben fördern (oder dämpfen), denen eine besondere Rolle i n der Stabilisationspolitik zugesprochen wird, dann müssen die F Z entsprechend zweckgebunden variiert werden. I n der Regel geht es dabei u m die öffentlichen I n v e s t i t i o n e n , 3 6 0 da von ihnen vergleichsweise große Einkommens- u n d Beschäftigungseffekte ausgehen sollen, die unter konjunkturpolitischen Aspekten erwünscht sind. Allerdings k a n n sich hierdurch ein K o n f l i k t m i t dem Wachstumsziel ergeben, weil die k o n j u n k turpolitische Aufgabe eine antizyklische Variation der Investitionen erfordert, 357
In der Bundesrepublik werden nahezu zwei Drittel der Sachinvestitionen von den Gemeinden durchgeführt; vgl. z.B.: Finanzbericht 1985, S. 71 ff. (eigene Berechnungen). 358 § 16 Abs. 2 StWG. 359 Stern, K./Münch, P./Hansmeyer, K.-H., 1972, S. 304(Hervorhebungim Original). 360 So auch: Zabel, G., 1978, S. 359. Zu den Schwierigkeiten, den Begriff der öffentlichen Investitionen mit Blick auf die jeweils angestrebten Aussagen „richtig" abzugrenzen, siehe: Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, 1980; Peffekoven, R., 1986b.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
während für die Unterstützung des Wirtschaftswachstums eine stetige Investitionsförderung geboten ist. 3.1.3.2.1. Verstetigung der Kommunalfinanzen U m mit Hilfe der FZ die Einnahmen und damit auch die Ausgaben der nachgeordneten Körperschaften zu verstetigen, bieten sich zwei Wege an: Zum einen kann man sich auf die Variation der aus allokations- und distributionspolitischen Überlegungen vergebenen FZ beschränken. Hierbei ist dann noch danach zu differenzieren, ob nur die durch die FZ selbst verursachte Prozyklik beseitigt oder darüber hinaus der prozyklische Einfluß der sonstigen ordentlichen Einnahmen, vor allem der Steuern, 361 kompensiert werden soll. Zum anderen kann das Ziel durch eine eigens ins Leben gerufene Kategorie von „Verstetigungs-FZ" erreicht werden, die neben den aus anderen Gründen vergebenen FZ gezahlt werden. Bevor man über den Einsatz der FZ zur Kompensation der Schwankungen anderer Einnahmen nachdenken sollte, ist zu fragen, ob nicht von den FZ selbst prozyklische Effekte auf das Haushaltsgebaren der nachgeordneten Körperschaften ausgehen, worauf diese zurückzuführen sind und wie sie beseitigt werden können. Empirische Untersuchungen kommen für die Bundesrepublik Deutschland zu dem Ergebnis, daß „die Summe aus Zuweisungen der Länder und kommunalen Steuereinnahmen . . . stärkere prozyklische Schwankungen (zeigte) als die Steuern alleine." 362 Da Gleiches auch für die Zuweisungen des Bundes an die Länder (und Gemeinden) gilt, 3 6 3 zeigt sich, daß vom gesamten System der FZ destabilisierende Effekte ausgehen können. 3 6 4 Insoweit ist es schon erstaunlich, daß Bund und Länder immer wieder das prozyklische Verhalten der Kommunen beklagen, 365 andererseits aber durch die Praxis der Vergabe von FZ dafür mitverantwortlich sind. Als Ursachen für diese Entwicklung kommen vor allem zwei Aspekte in Frage: Zum einen kann die Finanzmasse, aus der der Oberverband gesetzlich vorgeschriebene FZ zu zahlen hat, konjunkturreagibel sein, so daß im Boom überproportional mehr (in der Rezession weniger) Mittel verteilt werden. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur Zahlung schlägt die an sich 361
A u f die sonstigen ordentlichen Einnahmen in Form von Erwerbseinkünften sowie Gebühren und Beiträgen wird hier nicht näher eingegangen. 362 Kock, H., 1975 b, S. 108. 363 Vgl.: ebenda, S. 103. 364 So auch: Knott, J. H., 1977, S. 79; Schwarting, G., 1979, S. 302; Noll, W., 1984, S. 615; Massat, D., 1984, S. 93. Ein eklatantes Beispiel hierfür ist das „Zukunftsinvestitionsprogramm (ZIP)" von 1977, das aufgelegt wurde, als die Baukonjunktur ohnehin günstig war, und wieder auslief, als der Bauboom nachließ; vgl. dazu: Pappermann, E., 1984, S. 258. 365 Pointiert drückt sich das in folgender Formulierung der Bundesregierung aus: „Die Kommunalparlamente pfeifen darauf, was stabilitätspolitisch geboten ist." (Zitiert nach: Zabel, G., 1978, S. 359).
3. Ziele der Finanzzuweisungen
positive Eigenschaft der „built-in flexibility" des Einnahmesystems auf die Ausgabenseite durch, und es kommt zu den unerwünschten Wirkungen. 366 In den letzten Jahren dürfte allerdings ein weiterer Gesichtspunkt zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Neben der (grund-)gesetzlich vorgeschriebenen Unterstützung im Rahmen des Steuerverbundes werden von Bund und Ländern weitere, sog. „ad hoc-" oder „Ermessens-FZ" 367 an die nachgeordneten Körperschaften gezahlt. Unter dem Diktat der leeren Kassen, zu dem es gerade in der jüngeren Vergangenheit infolge weiter steigender Ausgaben bei nur mäßig wachsenden Steuereinnahmen gekommen ist, bieten sich diese ad hoc geleisteten FZ für Sparmaßnahmen geradezu an. Erstens fehlt bei ihnen in der Regel eine gesetzliche Verpflichtung zur (dauerhaften) Zahlung. 368 Zweitens wird auch den bundes- und landespolitischen Haushaltsbehörden „das eigene (finanzielle) Hemd näher sein als der Rock" des von ihnen bestenfalls zu beeinflussenden Ausgabenverhaltens der nachgeordneten Körperschaften. „(Die) Konsolidierungsbemühungen von Bund und Ländern (haben jedenfalls) zu erheblichen negativen Konsequenzen für die kommunale Finanzwirtschaft geführt." 369 Demnach müßte der erste Schritt einer konjunkturpolitischen Aktivierung der FZ darin bestehen, sie von den prozyklischen Effekten zu befreien. 370 M i t anderen Worten: Die FZ müßten (mindestens) zu einer stetig fließenden Einnahmequelle für die nachgeordneten Körperschaften gemacht werden. Allerdings sind mit diesem Vorschlag auch einige Probleme verbunden. Bevor darauf eingegangen wird, sei zuerst die Weiterführung dieser Forderung betrachtet, der die gleichen Schwierigkeiten entgegenstehen, so daß die Gegenargumente gemeinsam diskutiert werden können. Über die Verstetigung hinaus können die FZ nämlich bewußt antizyklisch variiert werden, um dadurch den u.U. prozyklischen Zufluß der übrigen (vor allem: Steuer-)Einnahmen zu kompensieren. Daß die kommunalen Steuern sich häufig prozyklisch entwickeln, ist darauf zurückzuführen, daß die Gemeinden (verständlicherweise) an wachstumsreagiblen Steuern interessiert sind, die allerdings oft den Nachteil haben, daß ihr Aufkommen mit dem Konjunkturver366
Dies gilt ζ. B. in der Bundesrepublik für die Finanzausgleichsmasse, die die Länder über allgemeine und zweckgebundene FZ an ihre Gemeinden weiterleiten. Hierin geht nämlich obligatorisch der jeweilige Landesanteil an den Gemeinschaftsteuern und damit an der Einkommensteuer ein, die durch eine entsprechend große Aufkommenselastizität gekennzeichnet ist; vgl. z.B.: Kock, H., 1975a, S. 320f. 367
368
Zu den Begriffen vgl.: Hansmeyer, K.-H., 1970, S. 434. . Pappermann, E., 1984, S. 245.
V g l
369 Tesch, H., 1983, S. 342. So auch: Karrenberg, H./Münstermann, E., 1985, S. 83; Massat, D., 1984, S. 95. Mitunter werden die kommunalen Haushalte sogar als „,Reservekasse' bei der staatlichen Haushaltskonsolidierung" bezeichnet; Schäfer, H.-G., 1984, S. 125. 370
Hierin besteht auch die Hauptforderung des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung"; vgl. z.B.: Jahresgutachten 1980/81, S. 162 f. Auf die Vorschläge des Sachverständigenrates wird noch näher eingegangen.
1
1. Teil: Theoretische Grundlegung
lauf schwankt. In der Bundesrepublik Deutschland gilt das z.B. für die quantitativ bedeutendsten Erträge aus der Gewerbeertragsteuer und der Beteiligung an der Einkommensteuer. 371 Um dennoch die Gesamteinnahmen und damit die Ausgaben der nachgeordneten Körperschaften zu verstetigen, kann der Oberverband mit den von ihm gezahlten FZ entsprechend gegensteuern. In Zeiten kräftig sprudelnder Steuerquellen müßten die FZ reduziert werden et vice versa. Das quantitative Gewicht der innerstaatlichen Transfers läßt auch vermuten, daß hierfür eine genügend große Manövriermasse vorhanden ist. 3 7 2 Wie kann nun die gewünschte Verstetigung oder sogar die antizyklische Variation der FZ technisch erreicht werden? In bezug auf die konsolidierungsbedingten Unstetigkeiten läßt sich relativ leicht fordern, daß sich die Sanierungsbemühungen der übergeordneten Haushalte eben nicht auf die FZ auswirken dürften, sondern bei den übrigen Ausgaben erfolgen müßten. Allerdings werden dadurch in anderen Bereichen Leistungen gekürzt, so daß die davon Betroffenen ebenfalls auf die Unverzichtbarkeit gerade dieser Ausgaben hinweisen werden. Hier zeigt sich die bei jeder — auf der Ausgabenseite ansetzenden — Haushaltskonsolidierung auftretende Notwendigkeit, verschiedene Ziele und die Möglichkeiten, sie über öffentliche Ausgaben zu erreichen, gegeneinander abzuwägen. Die durch die Konstruktion des kommunalen Steuer- und FZsystems bedingten Unstetigkeiten können durch eine gegenläufige Veränderung des Gesamtbetrages der FZ konterkariert werden, so daß sich als Ansatzpunkt die Finanzausgleichsmasse anbietet, aus der die FZ gezahlt werden. 373 Auch wenn die Zusammensetzung und die Berechnung dieser Finanzausgleichsmasse international durchaus unterschiedlich sein können, sollen die grundsätzlichen Möglichkeiten ihrer Variation kurz am Beispiel der bundesrepublikanischen Gegebenheiten erläutert werden. Hier wird der Umfang dieses Gesamtbetrages so bestimmt, daß ein — von der Landesgesetzgebung festzulegender — Verbundsatz auf eine Verbundmasse angewendet wird, die sich obligatorisch aus dem jeweiligen Länderanteil an den Gemeinschaftsteuern und fakultativ aus weiteren Landessteuern zusammensetzt.374 Demnach könnte für die gewünschte Variation der FZ die Verbundmasse, der Verbundsatz und schließlich noch die zur Auszahlung kommende Finanzausgleichsmasse gesenkt oder erhöht werden. Während die Ergänzung bzw. die Kürzung der Verbundmasse um 371
Vgl.: Kock, H., 1975a, S. 317f.; Schwarting, G., 1979, S. 300f. So auch: Kock, H., 1975b, S. 100. 373 Vgl. für das Folgende: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1980/81, S. 162f. 374 Vgl.: Art. 106 Abs. 7 GG. Es sei noch darauf hingewiesen, daß die jeweilige Landesgesetzgebung für die obligatorische und die fakultative Verbundmasse durchaus unterschiedliche Verbundsätze festlegen kann, wovon in der Praxis auch Gebrauch gemacht wird; vgl.: Gläser, M., 1981, S. 270f. Da sich für die konjunkturpolitische Diskussion hierdurch aber keine weiteren Erkenntnisse ergeben, wird darauf nicht näher eingegangen. 372
3. Ziele der Finanzzuweisungen
127
bestimmte Steuerarten im allgemeinen abgelehnt wird, weil „dadurch . . . die konjunkturellen Schwankungen der Gesamtverbundmasse kaum auszugleichen sein (dürften)" 375 , erscheint eine diskretionäre Variation des Verbundsatzes als erfolgversprechend. Allerdings stehen diesem Vorschlag vor allem die u.U. notwendigen häufigen Änderungen der Verbundsätze und politische Durchsetzungsschwierigkeiten entgegen, da sich hierdurch die vertikale Verteilung der Einnahmen scheinbar verändert. Obwohl diese Veränderung mit dem Konjunkturverlauf wieder bereinigt würde, ergeben sich — insbesondere bei notwendigen Senkungen — psychologische Barrieren der untergeordneten Körperschaften. Das kann vermieden werden, wenn die Finanzausgleichsmasse wie üblich berechnet und auch ausgewiesen wird. Je nach konjunktureller Situation wird dann aber weniger bzw. mehr an die Körperschaften ausgezahlt, und der Rest wird in eine zweckgebundene Rücklage eingezahlt bzw. aus dieser (u. U. auch als Kredit) entnommen. 376 Wichtig ist, daß den Gemeinden deutlich gemacht wird, daß ihnen mittel- bis langfristig keine Einbußen entstehen und insoweit die grundsätzliche vertikale Einnahmeverteilung nicht geändert wird. Der Vorteil einer solch pauschalen Erhöhung bzw. Verringerung der Finanzausgleichsmasse liegt darin, daß sich an der Struktur der FZprogramme und damit an der prozentualen Beteiligung der einzelnen Gemeinde nichts zu ändern braucht. Außerdem würde die Inanspruchnahme von bzw. die Zuweisung an diesen besonderen Fonds sowohl die konjunkturpolitischen Absichten des Oberverbandes wie auch den für die Kommunen wichtigen Aspekt deutlich machen, daß sich mittel- bis langfristig die Zu- und Abflüsse ausgleichen. Auch wenn dieser Vorschlag demnach auf den ersten Blick durchaus plausibel erscheint, so steht seiner Verwirklichung doch eine ganze Reihe von Problemen entgegen, für deren Diskussion es sich allerdings empfiehlt, zwischen den unterschiedlichen Konjunkturlagen „Boom" und „Rezession" 377 zu differenzieren. Die vergleichsweise größeren Probleme stellen sich im Boom, wenn infolge des kräftigen Steuerzuflusses die FZ gesenkt werden müssen. Dann kann es zu Konflikten mit den allokations- und distributionspolitischen Zielen kommen, für die die FZ initiiert worden sind. 378 Im Zusammenhang damit: Es wird immer wieder Gemeinden geben, die aufgrund ihrer Finanzkraft- und -bedarfssituation keine (allgemeinen) FZ aus der Finanzausgleichsmasse erhalten (sog. abundante Gemeinden). Auch für 375 376
Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1980/81, S. 162 f. So auch: Klein, R. R./Münstermann, E., 1978, S. 223; Voigtländer, H., 1970,
S. 307. 377 Auf die Problematik der verschiedenen Abgrenzungen und Zuordnungen dieser Begriffe kann nicht eingegangen werden; vgl. dazu ζ. B.: Giersch, H., 1977, S. 21 ff. Hier wird unter Boom (Rezession) eine die Normalauslastung des Produktionspotentials übersteigende (unterschreitende) Inanspruchnahme der Produktionsfaktoren verstanden. 378 Vgl.: Voigtländer, H., 1970, S. 307f.; Zabel, G., 1978, S. 358. Allerdings wird dieses Argument dadurch abgeschwächt, daß im Boom die sonstigen Einnahmen reichlich fließen und insoweit für die genannten Zwecke eingesetzt werden können.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
diese — deren Zahl in der Praxis allerdings nur gering zu veranschlagen ist — müßte gewährleistet sein, daß sie zu einer Stillegung eines Teils ihrer Einnahmen veranlaßt werden können, damit sie sich nicht den konjunkturpolitischen Notwendigkeiten entziehen. Allerdings ist bei einer solchen Regelung darauf zu achten, daß das Recht auf kommunale Selbstverantwortung, das auch eine kommunale Einnahmenhoheit einschließt, nicht (über Gebühr) eingeschränkt wird. Auf der anderen Seite dürfen nicht die Gemeinden, die in besonderem Maße auf FZ zur Deckung ihres Finanzbedarfes angewiesen sind, durch die konjunkturpolitisch notwendige Reduzierung der Mittel an (bzw. sogar über) den Rand des finanziellen Kollapses gebracht werden. 379 In einer Rezession ist dagegen — jedenfalls prima facie — nicht mit dem Auftreten solcher Zielkonflikte zu rechnen, da die (relativ) sinkenden Steuereinnahmen durch zusätzliche FZ egalisiert werden müssen, mit denen die allokations- und distributionspolitischen Ziele verstärkt verfolgt werden können. Allerdings kann es auch in diesem Fall zu allokationspolitisch unerwünschten Effekten kommen, wenn nämlich die gestiegenen FZ zu einer Überversorgung mit bestimmten öffentlichen Leistungen führen. Ein Weiteres kommt in der Rezession hinzu: Die notwendige Aufstockung der Mittel darf — falls die vorher gebildete zweckgebundene Rücklage ausgeschöpft ist — nicht zu einer Verringerung der übrigen Ausgaben des Oberverbandes führen, da hierdurch nur das prozyklische Verhalten von einer auf die andere Ebene verlagert würde. Allerdings kann dieser Argumentation entgegengehalten werden, daß eine der Begründungen für die konjunkturpolitische Kompetenz der zentralen Körperschaft in ihren besseren Verschuldungsmöglichkeiten liegt, von denen in diesem Fall eben Gebrauch gemacht werden müßte. Die Gesamtausgaben des Oberverbandes (einschl. der innerstaatlichen Transfers) müssen und können demnach entsprechend erhöht werden. Schließlich stellt — sowohl im Boom als auch in der Rezession — die antizyklische Variation der Finanzausgleichsmasse, die über ihre Verstetigung hinausgeht und dazu dient, die prozyklisch schwankenden Steuereinnahmen zu kompensieren, lediglich ein Kurieren an Symptomen dar, ohne der eigentlichen Ursache, nämlich dem unstetigen Steuerzufluß, Herr zu werden. 380 Eine ursachenadäquate Therapie, die das beschriebene Gegensteuern mit Hilfe der FZ auf Dauer überflüssig machen würde, bestünde in einer Umgestaltung des kommunalen Steuersystems, bei der die Anforderung der Konjunkturstetigkeit (noch) stärker beachtet würde. Allerdings haben die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt, 381 daß dies kein leichtes Unterfangen ist. Insbesondere wegen 379
So auch: Voigtländer, H., 1970, S. 308 f.; Gläser, M., 1981, S. 223. Vgl.: Fischer, H., 1984, S. 232. 381 So wurde z.B. in der Bundesrepublik Deutschland der 1969 vorgenommene „Tausch" der Gewerbesteuerumlage gegen die Beteiligung an der Einkommensteuer, die damals noch auf den sog. „proportionalen Sockel" beschränkt war, gerade auch mit diesem Argument befürwortet. Allerdings ist es hierdurch kaum zu einer Verstetigung der Gemeindesteuereinnahmen gekommen, weil auch der Anteil an der Lohn- und der 380
3. Ziele der Finanzzuweisungen
129
der mit einer Variation der FZmasse verbundenen Zielkonflikte scheint es dennoch geboten, weitere Anstrengungen auf dem Gebiet der Verstetigung der kommunalen Steuern vorzunehmen. Es ist wenig plausibel, die Konstruktionsfehler des einen Einnahmesystems (Steuern) durch bewußt in Kauf genommene geringere Zielerfüllungsgrade bei anderen Einnahmen (FZ) ausgleichen zu wollen. Die beschriebenen Zielkonflikte könnten allerdings dadurch vermieden werden, daß die Verstetigung der Gesamteinnahmen nicht über eine Variation der aus anderen Gründen vergebenen FZ, sondern über eine eigens ins Leben gerufene Kategorie von „Verstetigungs-FZ" versucht würde. Auch wenn die Unterschiede zum gerade beschriebenen Verfahren letztendlich nur technischer Natur sind, ergeben sich im Vergleich dazu sowohl Vor- als auch Nachteile. Vorteilhaft ist, daß sich an dem Niveau und der Struktur der übrigen FZ nichts ändert und insoweit deren Zielerfüllungsgrad nicht reduziert wird. I m übrigen ist ebenfalls der offene Ausweis der konjunkturpolitischen Aktivitäten des Oberverbandes zu begrüßen. Problematisch sind dagegen die Fragen, wie die Verstetigungs-FZ im einzelnen auszugestalten und vor allem wie sie auf die nachgeordneten Körperschaften zu verteilen sind. Auch wenn sie als „reine" Verstetigungs-FZ, bei denen es nur um den Aspekt der Einnahmestabilisierung geht, den Kommunen zur freien Verfügung überlassen werden könnten, wird in der Literatur häufig eine Vergabe als Investitionszuweisung befürwortet, 382 weil dieser Ausgabenart unter konjunkturpolitischen Aspekten eine besondere Bedeutung zugesprochen wird. 3 8 3 Ansonsten wird aber betont, daß „eine darüber hinausgehende Verwendungsbindung . . . grundsätzlich nicht erforderlich (ist)." 3 8 4 Außerdem ist die betragliche und zeitliche Dimensionierung der Verstetigungs-FZ problematisch — eine Schwierigkeit, die sich allerdings auch bei der vorher beschriebenen Variation der Finanzausgleichsmasse stellt. Hierauf wird noch einzugehen sein. Weitere Probleme treten bei der Frage auf, wie die Verstetigungs-FZ auf die nachgeordneten Körperschaften verteilt werden sollen. Entsprechend der Zielsetzung müßten sie gegenläufig zu der Entwicklung der übrigen Einnahmen auf die einzelnen Haushalte verteilt werden. Allerdings dürfte es nicht leicht sein, die jeweilige Entwicklung zutreffend abzuschätzen und vor allem mit der notwendigen Schnelligkeit, d. h. ohne größere time lags, darauf zu reagieren. Die als Ausweg gesehenen Möglichkeiten einer Verteilung nach der Einwohnerzahl veranlagten Einkommensteuer zyklischen Schwankungen unterliegt; vgl. dazu auch: Zabel, G., 1978, S. 356; Schwabing, G., 1979, S. 301. Außerdem ist der Sockel schon bald kräftig angehoben worden, wodurch die Prozyklik noch verstärkt wurde. 382 383 384
Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 220; Smekal, C., 1980, S. 197. Vgl. dazu unmittelbar anschließend. Smekal, C., 1980, S. 197 (Hervorhebung im Original).
9 Fischer
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
oder nach dem Anteil der Investitions- an den Gesamtausgaben können im Grunde nicht überzeugen, da hierbei andere Ziele im Vordergrund stehen. Ein grundsätzliches Problem der Verstetigungs-FZ besteht darin, daß mit ihnen ein Überschießen der kommunalen Einnahmen im Boom nicht aufgefangen werden kann. Im Gegensatz zur Variation der Finanzausgleichsmasse, deren Einschränkung im Boom — sieht man von den auftretenden Konflikten ab — durchaus möglich ist, können die Verstetigungs-FZ lediglich wieder abgebaut werden. 385 Eine darüber hinausgehende Kompensation ist jedenfalls mit einer Instrumentierung als FZ nicht zu erreichen. Hier müßten wiederum Vorschriften über die Stillegung bestimmter Teile der kommunalen Einnahmen Platz greifen, auf deren Problematik aber schon hingewiesen wurde. Insoweit sind die Verstetigungs-FZ durch eine Asymmetrie ihrer Wirkungen in Abhängigkeit von der Konjunkturlage gekennzeichnet.386 Sämtlichen Vorschlägen zur Verstetigung der Einnahmen der nachgeordneten Körperschaften — also sowohl der Variation der Finanzausgleichsmasse als auch der Einführung von Verstetigungs-FZ — stehen außerdem die Probleme der konjunkturpolitischen Diagnose, Prognose und Wirkungsanalyse entgegen. Es treten vor allem folgende Schwierigkeiten auf: — Als erstes muß entschieden werden, wann, in welche Richtung und in welchem Ausmaß die kommunalen Einnahmen beeinflußt werden sollen. Hierzu müssen Kenntnisse über den gegenwärtigen Konjunkturzustand, insbesondere das Ausmaß der Abweichung von der Normalauslastung, und die für die nahe Zukunft erwartete Entwicklung vorliegen. Außerdem müßte die jeweils vorhandene Tendenz der Entwicklung der Einnahmen erkennbar sein, damit entsprechend gegengesteuert werden kann. Das dürfte allerdings nicht einfach sein, da das prozyklische Verhalten der Kommunen bislang allenfalls ex post nachgewiesen werden konnte. 387 Ein verspätetes Gegensteuern wäre kontraproduktiv, denn es würde die Prozyklik noch verstärken. Damit zusammenhängend: Die erforderlichen Entscheidungen über die Variation der FZ müssen schnell getroffen werden, damit es nicht zu der beschriebenen Kontraproduktivität kommt. U m den Entscheidungslag weitgehend auszuschalten, wird vorgeschlagen, 388 regelgebundene Verfahren anzuwenden, bei denen das Ausmaß der FZ ζ. B. in Abhängigkeit von der Entwicklung des Produktionspotentials oder seiner Auslastung, gemes385 Hierbei ist noch fraglich, ob die FZprogramme bei Auftreten des konjunkturellen Umschwungs überhaupt und vor allem schnell genug reduziert werden können, so daß ihnen auch die Eigenschaft einer „built-in durability" zugesprochen wird; vgl.: Giersch, H., 1977, S. 148. 386 So auch: Gläser, M., 1981, S. 220; Zabel, G., 1978, S. 358; Wahl, H., 1980, S. 100; Knott, J. H., 1977, S. 87. 387 Vgl. ζ. B. die Studien von H. Kock (1975b) und H. Voigtländer (1970), die sich auf Zeiträume von 1961 bis 1972 bzw. 1951 bis 1967 beziehen. 388 Vgl. z.B.: Smekal, C., 1980, S. 198.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
131
sen am Bruttoinlandsprodukt, festgelegt wird. Allerdings stellt sich hierbei das Problem der Wahl des „richtigen" Indikators. Es fehlt insbesondere an zuverlässigen vorlaufenden Maßgrößen, die eine rechtzeitige Änderung veranlassen würden. — Die Reaktionen der unterstützten Körperschaften auf die Erhöhung bzw. Verringerung der finanziellen Mittel sind—wie die Wirkungsanalyse gezeigt hat—äußerst unbestimmt. Ob es durch die Verstetigung der Gesamteinnahmen zu einem konjunkturgerechten Ausgabeverhalten kommt, ist nicht sicher. 389 — Dann stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn der Oberverband die entsprechenden Mittel direkt nachfrageschaffend „am Markt" einsetzen würde, als auf die letztendlich unsichere Reaktion der nachgeordneten Körperschaften zu hoffen. Dem stehen aber nicht zuletzt staatspolitische Bedenken entgegen, da mit dieser Begründung nahezu jeder Zentralisation das Wort geredet werden könnte. Alles in allem fallt das Urteil über die Möglichkeit, mit Hilfe einer Variation der FZ die Einnahmen der nachgeordneten Körperschaften zu verstetigen, eher negativ aus. Insbesondere die auftretenden Zielkonflikte und die Unsicherheiten über die zu erwartenden Wirkungen lassen — trotz der angerissenen Probleme — die ursachenadäquate Veränderung des kommunalen Einnahmesystems zu konjunkturunabhängigeren Steuerquellen als den geeigneteren Weg erscheinen. Allerdings sollte zumindest dafür gesorgt werden, daß durch die FZ die Prozyklik der gesamten Einnahmen zumindest nicht verstärkt wird. Dann bleibt zu untersuchen, ob mit einer zweckgebundenen Variation der FZ solche Ausgabenkategorien gezielt beeinflußt werden können, denen für die konjunkturelle Entwicklung eine besondere Bedeutung zugesprochen wird. 3.1.3.2.2. Investitionsförderung Obwohl auch von den übrigen öffentlichen Ausgaben konjunkturpolitisch wünschenswerte Effekte ausgehen (können), werden die öffentlichen Investitionen als die „strategischen Anknüpfungspunkte der Konjunkturpolitik" 3 9 0 betrachtet. Das ist zum einen darauf zurückzuführen, daß von den investiven Ausgaben — wie schon angedeutet — vergleichsweise große Einkommens- und Beschäftigungseffekte ausgehen. Exemplarisch kann auf die im kommunalen Bereich dominierenden Bauinvestitionen hingewiesen werden, deren Umfang für die Auslastung der jeweils ortsansässigen Bauwirtschaft (zumindest mitentscheidend ist. 3 9 1 389 Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß dieses Argument dann auch bei einer ursachenadäquaten Umstrukturierung der kommunalen Steuern von konjunkturreagiblen zu konjunkturstetigen gilt. 390 Gläser, M., 1981, S.210. 391 Auch wenn zum Jahreswechsel 1984/85 in der Bundesrepublik Deutschland ein leichtes Ansteigen der kommunalen Bauvorhaben zu verzeichnen ist (vgl.: Sachverständi-
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Zum anderen können die Investitions- im Vergleich zu den übrigen Ausgaben leichter variiert werden, 392 was als eine der Grundvoraussetzungen für eine konjunkturpolitische Aktivierung anzusehen ist. Während die laufenden Sach-, Personal- und Transferausgaben überwiegend vertraglich, gesetzlich oder politisch fixiert und insoweit kaum reversibel sind, stellen die investiven Ausgaben „die eigentliche konjunkturpolitische Manövriermasse" 393 auf der Ausgabenseite des Budgets dar. Allerdings zeigen auch hier die Erfahrungen der Vergangenheit, daß die vorhandene Flexibilität häufig in konjunkturpolitisch unerwünschter Weise eingesetzt wird. Wegen der — u. U. einzigen — Möglichkeit, diese Ausgaben zu variieren, werden sie benutzt, um sich dem gerade beschriebenen schwankenden Zufluß der Einnahmen der nachgeordneten Körperschaften anzupassen. Insoweit entwickeln sich die öffentlichen Investitionen überwiegend prozyklisch. 394 Unter Berücksichtigung der angesprochenen Einkommens- und Beschäftigungseffekte ist es dann um so notwendiger, diese Ausgabenart in die konjunkturpolitisch gebotene Richtung zu beeinflussen. Da der weitaus größte Teil der öffentlichen Investitionen von den nachgeordneten Körperschaften durchgeführt wird 3 9 5 und sie hierzu aber nur infolge der von den übergeordneten Körperschaften geleisteten Unterstützungen in der Lage sind, scheint einiges dafür zu sprechen, daß mit Hilfe einer entsprechend ausgestalteten Variation der FZ die Investitionen als sachgerechter Anknüpfungspunkt der Konjunkturpolitik nutzbar gemacht werden können. Verstärkend kommt in der Bundesrepublik Deutschland noch hinzu, daß auch der Verfassungsgeber die besondere Bedeutung der öffentlichen Investitionen für die Auslastung des Produktionspotentials gesehen hat. So wird der Bund in Art. 104a Abs. 4 GG ausdrücklich ermächtigt, „den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden . . . (zu) gewähren, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts . . . erforderlich sind." Diese Verfassungsnorm weist einige ökonomische Probleme auf, die später behandelt werden. 396 Wenn der Umfang der öffentlichen Investitionen mit Hilfe von FZ verändert werden soll, bietet es sich an, die Transfers entsprechend zweckgebunden zu genrat, Jahresgutachten 1984/85, S. 65), hat nicht zuletzt die Reduzierung der öffentlichen Bauinvestitionen (in den letzten drei Jahren um über 25 v.H.; vgl.: ebenda) zu den gegenwärtig großen Problemen in der Bauwirtschaft geführt. Entsprechend können von einer Anregung der kommunalen Bauausgaben positive Effekte erwartet werden; vgl. dazu auch: Biedermann, D., 1982, S. 482f. 392 So auch: Knott, J. H., 1977, S. 88; Kock, H., 1975b, S. 104. 393 Kock, H., 1975b, S. 23. 394 So auch: ebenda, S. 23 ff.; Knott, J. H., 1977, S. 79f. 395 In der Bundesrepublik Deutschland werden etwa zwei Drittel aller öffentlichen Sachinvestitionen von den Gemeinden (und Gemeindeverbänden) vorgenommen; vgl.: Finanzbericht 1985, S. 112. 396
Vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.2.1.2.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
133
variieren. Denn durch eine Verwendungsauflage kann — jedenfalls prima facie 397 — erreicht werden, daß sich die gewünschte Veränderung bei der anvisierten Ausgabenart einstellt. Inwieweit solche Investitions-FZ an weitere Auflagen gebunden werden sollen, ist dann schon nicht mehr so eindeutig zu beantworten. Vor allem die Frage der Eigenbeteiligung der nachgeordneten Körperschaften ist umstritten. Dafür spricht, daß in diesem Fall — wie die Wirkungsanalyse gezeigt hat — mit den größten Lenkungs- und damit Ausgabenanreizeffekten gerechnet werden kann. Demnach wäre die konjunkturpolitisch angestrebte Wirkung besonders groß. Andererseits kann es durch die Forderung einer Eigenbeteiligung zu einem Konflikt mit verteilungspolitischen Argumenten kommen, wenn finanzschwache Körperschaften infolge mangelnder Eigenmittel von der Inanspruchnahme der FZ quasi ausgeschlossen werden. Verstärkend kommt hinzu, daß hierdurch ein circulus vitiosus entstehen kann: Aufgrund fehlender Zuschüsse wird nicht investiert; dadurch sinken — zumindest relativ — die Einkommen und damit die Steuerkraft der Region; wenn dann noch zusätzliche Transferzahlungen an Private notwendig werden (z.B. Arbeitslosenunterstützung, Sozialhilfe), wächst die Diskrepanz zwischen Finanzbedarf und -kraft; die Möglichkeiten, an Eigenbeteiligungen gebundene Zuschüsse in Anspruch nehmen zu können, werden noch geringer. Deswegen wird häufig der Verzicht auf solche Eigenbeteiligungsregeln gefordert, obwohl gesehen wird, daß dadurch die konjunkturpolitische Wirkung wahrscheinlich sinkt. 3 9 8 Neben der Frage der Eigenbeteiligung ist ebenfalls umstritten, ob sämtliche oder nur einzelne Investitionszuweisungsprogramme (um einen einheitlichen Betrag oder Prozentsatz) geändert werden sollen. Gegen das erste Verfahren wird vor allem vorgebracht, daß hierbei die Gefahr der Unmerklichkeit gegeben sei. 399 Da sich die Veränderung auf eine sehr große Anzahl von Unterstützungszahlungen bezieht, schlägt sie bei den einzelnen Programmen (und damit bei den Empfängern) kaum zu Buche, so daß fraglich ist, ob es überhaupt zu der erwarteten Reaktion kommt. Diese Gefahr ist — gleiches Gesamtvolumen vorausgesetzt — bei einer Beschränkung auf wenige Investitions-FZ deutlich geringer, da sich die jeweilige Liquiditätslage in diesem Fall spürbar(er) verändert. Problematisch ist allerdings die Auswahl der zu variierenden FZProgramme. Nicht nur, daß die Konflikte mit den allokations- und distributionspolitischen Zielen stärker werden; vielmehr muß auch mit (größeren) politischen Auseinandersetzungen gerechnet werden, weil jede Körperschaft von einer beabsichtigten Erhöhung (Senkung) der Mittel (nicht) betroffen werden möchte. Dadurch kann es zu Zeitverzögerungen kommen, die es gerade unter konjunkturpolitischen Aspekten zu vermeiden gilt. Das bei einer Erhöhung der FZ häufig als Ausweg angesehene „Windhundverfahren", bei dem die 397 Auf die aus der Wirkungsanalyse bekannten Probleme wird anschließend näher eingegangen. 398 So auch: Gläser, M., 1981, S. 220; Smekal, C., 1980, S. 198 f. 399 Vgl.: Hansmeyer, K.-H., 1970, S. 445; Wahl, H., 1980, S. 88.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
Reihenfolge des Antragseingangs über die Zuteilung der Unterstützung entscheidet, kann unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht überzeugen. Dagegen sprechen nämlich sowohl allokations- wie auch distributionspolitische Bedenken, weil bei dieser Methode häufig ein „guter Draht" zu der vergebenden Behörde wichtiger ist als die Dringlichkeit der geplanten Investitionen und/oder die jeweilige Finanzkraft. 400 Schließlich sollte die Variation der Investitions-FZ sowohl zeitlich wie betraglich limitiert erfolgen. 401 Für die zeitliche Begrenzung spricht, daß eine dauerhafte Erhöhung bzw. Reduzierung der Mittel zu einem prozyklischen Ausgabeverhalten führen würde, wenn der Konjunkturverlauf wieder umgeschlagen ist. Allerdings dürfte es nicht einfach sein, die konjunkturpolitisch „richtige" Dauer der Aktion einzuschätzen, da hierbei erneut die schon angesprochenen Probleme der Diagnose und Prognose auftreten. Daß die Variation der FZ auch der Höhe nach determiniert sein sollte, kann mit der besseren Übersicht des Oberverbandes über die konjunkturpolitischen Erfordernisse begründet werden, weil durch eine betraglich offene Vergabe der FZ das Volumen der Unterstützung seiner Kompetenz entzogen würde. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung kann von einer Variation der für Investitionen zweckgebundenen FZ — auf den ersten Blick jedenfalls — mit der konjunkturpolitisch erwünschten Wirkung auf das Investitionsvolumen gerechnet werden. Allerdings zeigt eine genauere Betrachtung, daß auch hierbei erhebliche Schwierigkeiten auftreten, die es fraglich erscheinen lassen, ob die angestrebten Effekte tatsächlich erreicht werden. Erneut empfiehlt es sich, für die Argumentation zwischen den verschiedenen Konjunkturlagen zu differenzieren. Bei der im Boom erforderlichen Senkung der Investitions-FZ besteht insbesondere die Gefahr, daß die geringeren FZ durch eigene Einnahmen substituiert werden, die den nachgeordneten Körperschaften in dieser konjunkturellen Situation ja reichlich zufließen. Außerdem existiert nach den Regeln des kommunalen Haushaltsrechts dann häufig ein relativ großer Spielraum für die Aufnahme von Krediten, 402 so daß die gesunkenen FZ auch über außerordentliche Einnahmen kompensiert werden können. Schließlich ist auch in diesem Fall auf die Asymmetrie der Wirkungen von speziellen Konjunkturzuweisungen je nach der konjunkturellen Situation hinzuweisen. 403 Denn aus der Natur der Sache eignen sich Unterstützungszahlungen eher für ankurbelnde als für dämpfende Maßnahmen. 400 Vgl. hierzu z. B.: Pappermann, E., 1984, S. 256 und die dort angegebene weiterführende Literatur. 401 So auch: Gläser, M., 1981, S. 221; Smekal, C., 1980, S. 199. 402 Bei hohen ordentlichen Einnahmen weist der Verwaltungshaushalt einen vergleichsweise großen Überschuß auf, so daß die sog. „freie Spitze", die für die Verschuldungsmöglichkeiten entscheidend ist, ebenfalls einen entsprechend hohen Wert annimmt; vgl. dazu: Klein, R. R. /Münstermann, E., 1978, S. 218 f. und 228 f. 403 Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.3.2.1.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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Gegen die im Boom notwendige Senkung der FZ kann weiterhin vorgebracht werden, daß es hierdurch erneut zu Konflikten mit den Zielen kommt, für die die FZ ursprünglich vergeben wurden. Bei den Investitions-FZ handelt es sich dabei um allokations- und vor allem auch wachstumspolitische Aspekte. 404 Insoweit ist wiederum eine Abwägung der verschiedenen Ziele geboten. Allerdings wird dieses Argument dadurch abgeschwächt, daß im Boom die sonstigen Einnahmen reichlich fließen und zur Leistungserstellung eingesetzt werden können. Schließlich entstehen durch die kurzfristig anzusetzende Verringerung der FZ Unsicherheiten für die Haushaltsplanung der nachgeordneten Körperschaften, denen Mittel fehlen, von deren Erhalt sie bei der Inangriffnahme der Projekte ausgegangen sind. Verstärkend kommt hinzu, daß durch anschließend rezessionsbedingte zusätzliche FZ diese Einnahmenart durch ein ständiges „ A u f und A b " gekennzeichnet wäre. „To put the issue bluntly, this ,yo-yo4 effect makes state and local fiscal planning extremely difficult." 4 0 5 Die in der Rezession notwendige Erhöhung der Investitions-FZ führt ebenfalls nicht mit Sicherheit zur erwarteten Investitionsausdehnung. Als erstes kann hierbei auf die Ergebnisse der Wirkungsanalyse verwiesen werden, die deutlich gemacht haben, daß weder durch die Zweckbindung alleine noch durch die ergänzende Forderung einer Eigenbeteiligung garantiert werden kann, daß die höheren FZ tatsächlich zu zusätzlichen Investitionen führen, wie es konjunkturpolitisch geboten wäre. Da nur der Einsatz der übertragenen Mittel und u. U. der durch die Eigenbeteiligung gebundenen eigenen Einnahmen für die Investitionen festgeschrieben ist, können die erwarteten Effekte durch einen Abzug von bisher für diesen Zweck eingesetzten Mitteln verringert, wenn nicht sogar verhindert werden. Die für eine konjunkturpolitische Wirksamkeit notwendige „direkte temporäre Abhängigkeit von Investitionen und Zweckzuweisungen" 406 ist deswegen häufig nicht gegeben. So lassen auch empirische Untersuchungen zu konjunkturbedingten FZ-Programmen der Vergangenheit kaum auf expansive Impulse schließen.407 Allerdings fehlt in diesen Untersuchungen meist die Überlegung, wie sich die konjunkturelle Situation entwickelt hätte, wenn diese Programme nicht aufgelegt worden wären. Neben den schon angesprochenen wirkungstheoretischen Überlegungen gibt es weitere Argumente, die für einen geringen Zielerfüllungsgrad solcher Programme sprechen. So ist zum einen nicht auszuschließen, daß die zusätzlichen FZ von den unterstützten Körperschaften nur dazu genutzt werden, 404 So wird den öffentlichen Investitionen wegen ihrer wachstumspolitischen Bedeutung ein „überkonjunktureller Charakter" (Neumark, F., 1969, S. 40 f.) zugesprochen, der der antizyklischen Variation entgegenstehe. Ganz analog müßte dann auch für die Investitions-FZ die gleiche Charakterisierung gelten; so auch: Hansmeyer, K.-H., 1970, S. 446. 405 ACIR, 1978, S. 31. 406 Hansmeyer, K.-H., 1970, S.445. 407
S. 360.
Vgl.: Schwarting, G., 1979, S. 316ff.; Knott, J. H., 1977, S. 87; Zabel, G., 1978,
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
ohnehin geplante Investitionen zeitlich vorzuziehen, so daß in den kommenden Perioden die investiven Ausgaben entsprechend geringer ausfallen würden. Andererseits ist mit einem aus der Praxis der Subventionsvergabe an Unternehmen bekannten Verhalten zu rechnen, das darauf hinausläuft, geplante Projekte in Erwartung von Konjunkturprogrammen solange zurückzustellen, bis sie tatsächlich finanziell unterstützt werden (sog. Attentismus). 408 Während dieses Verhalten u.U. durchaus im Einklang mit dem konjunkturpolitischen Ziel stehen kann, ergeben sich die Probleme insbesondere unter mittel- bis langfristigen Aspekten. Denn für die Förderung des Wirtschaftswachstums kommt es in erster Linie auf eine stetige Vornahme der Investitionen an, worauf im nächsten Unterpunkt näher eingegangen wird. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß bei kurzfristig aufgelegten zusätzlichen Investitionsprogrammen häufig die Planung der beabsichtigten Investitionen zu kurz kommt. Da man auf jeden Fall an den ergänzenden Mitteln partizipieren will, werden die durch die Investitionen entstehenden Folgekosten zu wenig oder überhaupt nicht beachtet. 409 Ein krasses Beispiel für ein solches Verhalten stellt die Freibadanlage der Gemeinde Husum an der Nordseeküste dar, die Anfang der 70er Jahre errichtet wurde und deren Baukosten vollständig aus vom Kreis und Land zur Verfügung gestellten Mitteln gedeckt wurden. Wegen der laufenden Unterhaltskosten, denen — sicher nicht zuletzt aufgrund der Lage in unmittelbarer Nähe des Meeres — kaum laufende Einnahmen gegenüberstanden und die durch die Entwicklung der Energiepreise zu einer erheblichen Belastung des Gemeindehaushalts geworden sind, wird dort seit Anfang 1985 überlegt, die Schwimmbecken mit Beton zu füllen und darauf Kinderspielplätze zu errichten. 410 Zusammenfassend stellen sich auch dieser Art der konjunkturpolitischen Aktivierung der FZ so viele und schwerwiegende Probleme entgegen, daß es nicht überrascht, daß diesem Vorschlag in der Literatur durchweg eine Absage erteilt wird. 4 1 1 Insbesondere die auftretenden Zielkonflikte und die gleichzeitig geringe Wahrscheinlichkeit der konjunkturpolitischen Effizienz solcher Aktionen sprechen gegen die kurzfristige Variation der FZ, wobei sich diese Aussage nicht nur auf die Investitionsförderung, sondern auch auf den Verstetigungsaspekt bezieht. Dann bleibt zu überlegen, inwieweit die FZ für eine mittel- bis langfristige Strategie genutzt werden können, um das Wirtschaftswachstum in einer Volkswirtschaft anzuregen.
408
Vgl.: Fischer, H., 1984, S. 232. Vgl. z.B.: Zabel, G., 1978, S. 360; Klein, R. R./Münstermann, E., 1978, S. 230. 410 Nach einer Information des „heute-Journals" im Zweiten Deutschen Fernsehen vom 1.2. 1985. 411 Vgl. z.B.: Gläser, M., 1981, S. 215ff.; Hansmeyer, K.-H., 1970, S. 446; Kock, H., 1975b, S. 108; Wahl, H., 1980, S. 100; Massat, D., 1984, S. 115. 409
3. Ziele der Finanzzuweisungen
137
3.1.3.3. Finanzzuweisungen als wachstumspolitisches Instrument Während es unter konjunkturpolitischen Aspekten darauf ankommt, Schwankungen im Auslastungsgrad des Produktionspotentials zu verringern oder zu beseitigen, ist es das Ziel der Wachstumspolitik, die gesamtwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten (stetig und angemessen) zu vergrößern. Auch wenn gegenwärtig im Vordergrund des wirtschaftspolitischen Interesses die Verringerung der Arbeitslosigkeit und damit eine stärkere Auslastung des Produktionspotentials steht, darf darüber die Notwendigkeit für mehr wirtschaftliches Wachstum nicht aus den Augen verloren werden. Denn die bestehende Unterbeschäftigung ist zum größten Teil nicht (mehr) auf konjunkturelle, sondern auf strukturelle Faktoren zurückzuführen, die vor allem durch wachstumspolitische Maßnahmen beeinflußt werden können. Außerdem sind auch für die Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wachstumspolitische Initiativen unabdingbar, so daß die Zusammenhänge zwischen öffentlichen Finanzen und dem Wirtschaftswachstum weiterhin von grundsätzlicher Bedeutung sind. 4 1 2 Die wachstumspolitischen Maßnahmen sind auf die Ausstattung einer Volkswirtschaft mit Produktionsfaktoren (vor allem: Arbeit und Kapital) zu richten, wobei sowohl eine Vergrößerung als auch eine effizientere Ausnutzung des Faktorbestandes angestrebt werden kann. Dabei sind die Möglichkeiten, mit Hilfe finanzpolitischer Eingriffe das quantitative Arbeitsangebot zu beeinflussen, wohl nur als gering zu veranschlagen, obwohl durchaus Ansatzpunkte denkbar sind. 413 Für wachstumspolitische Initiativen des Staates bieten sich vielmehr eine Verbesserung der Qualifikation der Arbeitskräfte und insbesondere eine Förderung des Produktionsfaktors Kapital an. Sieht man davon ab, daß in der Bundesrepublik Deutschland ein großer Teil der Ausgaben, die zur Steigerung der Qualität des Faktors Arbeit eingesetzt werden, nicht über den allgemeinen öffentlichen Haushalt, sondern über die intermediäre Finanzgewalt „Bundesanstalt für Arbeit" abgewickelt wird, kann der Staat gleichwohl über seine Konsum- und Transferausgaben (ζ. B. Personalausgaben im Bildungs- und Gesundheitswesen, Ausbildungsförderung) das Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte beeinflussen. Im Vordergrund der Wachstumspolitik stehen allerdings die öffentlichen Investitionen, da die von ihnen ausgehenden Kapazitätseffekte im allgemeinen leichter zu konkretisieren sind als bei den Ausgaben für das Humankapital. 414 Insoweit stellen die Investitionsausgaben auch den strategischen Anknüpfungspunkt für den wachstumspolitischen Eingriff des Staates dar. Dabei kommt den Investitionen in die Infrastruktur noch eine besondere Bedeutung zu, weil sie häufig den Charakter 412
Vgl. dazu: Schmidt, K , 1979, S. 115 ff. Vgl.: Peffekoven, R., 1984, S. 528; Zimmermann, H./Henke, K.-D., 1985, S. 349ff. 414 Zu den Schwierigkeiten der Abgrenzung der investiven von den (nur) konsumtiven Teilen dieser Ausgaben siehe ζ. B.: Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, 1980, S. 33 f. 413
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
von Vorleistungen für private Investitionen haben und demnach komplementär zu diesen sind. 415 I m Gegensatz zur konjunkturpolitisch motivierten Beeinflussung der Investitionen kommt es jetzt auch auf ihre Art an. Während für die stärkere Auslastung des Produktionspotentials unerheblich ist, ob die Investitionen Konsum- oder Produktionsmöglichkeiten schaffen (z.B. Kinderspielplatz vs. Energieversorgung), müssen sie unter Wachstumsaspekten geeignet sein, die Produktionsmöglichkeiten zu vergrößern oder zu verbessern. Hierauf wird noch im Zusammenhang mit Art. 104 a Abs. 4 GG einzugehen sein. 416 U m die gewünschten Effekte auf das Wirtschaftswachstum zu erzielen, kann der Staat zum einen sektoral vorgehen, indem die Investitionen in bestimmten Branchen oder Industrien besonders gefördert werden. 417 I m Rahmen des hier interessierenden Finanzausgleichs dominiert allerdings der andere Ansatz der Wachstumspolitik, bei dem die Verteilung der Produktionsfaktoren im Raum so beeinflußt werden soll, daß es zu positiven Einflüssen auf das Wachstum kommt. Hierdurch wird auch die Verbindung zum allokationspolitischen Aspekt der Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur deutlich. 418 Wenn die FZ in diesem Sinn für das wachstumspolitische Ziel eingesetzt werden sollen, bietet es sich an, sie für Investitionen zweckgebunden zu vergeben. Wie sie allerdings auf die verschiedenen Gebietskörperschaften verteilt werden sollen, hängt vom jeweils verfolgten Ziel der (regionalen) Wachstumspolitik ab. Zum einen könnte nämlich im Sinne des Konzeptes vom „balanced growth" 4 1 9 ein über den Raum gleichmäßiges Wachstum angestrebt werden. Das würde für eine breite Streuung der FZ sprechen, die sämtliche Gebietskörperschaften in die Lage versetzen soll, ein (einheitliches) Mindestmaß an Infrastruktureinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Allerdings ergibt sich hierbei u.U. erneut das Problem der Unmerklichkeit der finanziellen Unterstützung. 420 Außerdem stehen bei diesem Ansatz eher versorgungs- als wirklich wachstumspolitische Überlegungen im Vordergrund. U m möglichst große Wachstumseffekte zu erzielen, kann es vielmehr geboten sein, an Stelle von „einem gleichzeitigen Vorgehen auf breiter Front . . . einer konzentrierten Attacke auf beherrschende Stellungen" 421 den Vorzug zu geben. Dahinter steht das Konzept des unausgewogenen Wachstums („unbalanced growth") in der Ausprägung der Theorie der Wachstumspole oder -kerne, 422 die 415
Vgl. dazu z.B.: Zimmermann, H./Henke, K.-D., 1985, S. 343. Vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.2.1.2. 417 Aktuelle Beispiele sind die Computer-Technologien und Kommunikationssysteme. 418 Vgl. dazu: 1. Teil, Kap. 3.1.1.3. 419 Vgl. dazu: Hoffmann, L., 1965, S. 523 ff.; Giersch, H., 1977, S. 305 f. 420 So auch: Hoffmann, L., 1965, S. 543. 421 Giersch, H., 1977, S. 308 (Hervorhebung im Original). 422 So auch: Hansmeyer, K.-H., 1970, S. 447. Weitere Ausprägungen dieses Konzeptes werden diskutiert bei: Fürst, D. / Klemmer, P. / Zimmermann, K., 1976, S. 71 ff. So ist ζ. B. 416
3. Ziele der Finanzzuweisungen
139
sich in den letzten Jahren als Grundlage der regionalen Wachstumspolitik immer mehr durchgesetzt hat. 4 2 3 Hierbei wird auf die besonderen Wachstumskräfte ausgewählter Regionen gesetzt, die — in der Art des „dynamischen Unternehmers" von Schumpeter — schneller oder stärker expandieren als die benachbarten Wirtschaftsräume, diesen aber über die Handels- und Kapitalverflechtungen Impulse für eigenes Wachstum geben. Durch die Förderung dieser wachstumsträchtigen Regionen kann demnach mit positiven Effekten für die gesamte Wirtschaft gerechnet werden. Sollen die FZ dementsprechend gezielt eingesetzt werden, müssen Kriterien bekannt sein, mit denen die Wachstumschancen der Regionen gegeneinander abgewogen werden können. Hierzu kommen — neben den natürlichen Gegebenheiten wie z. B.: Bodenschätze, geographische Lage (Zugang zu Wasserstraßen u. ä.), Klima — vor allem die (Grenz-)Produktivitäten der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital in Frage. 424 Dabei ist danach zu differenzieren, ob nur solche Wirtschaftsräume gefördert werden sollen, die schon durch hohe Produktivitäten gekennzeichnet sind oder ob auf „Entwicklungspotentiale" 425 gesetzt werden soll, deren gegenwärtiger Beitrag zum Wachstum noch gering ist, von denen aber entsprechend große Produktivitäten in der Zukunft erwartet werden. Die Begründung für den ersten Ansatz wird durch folgende (pointierte) Formulierung deutlich: „Es wächst, wo es bisher schon gewachsen ist, und wo nichts ist, kommt auch nur schwer oder selten ein Wachstumsprozeß zustande." 426 Allerdings besteht hierbei die Gefahr, daß es zu Ballungen der Produktionsfaktoren und dadurch zu einer Entleerung der umliegenden Wirtschaftsräume kommen kann. 4 2 7 Außerdem ist es gerade unter langfristigen Aspekten geboten, die Ertragsmöglichkeiten für die Zukunft zu erhalten bzw. zu fördern, so daß insoweit (relative) Wachstumseinbußen kurzfristig tolerierbar sind. Andererseits liegt das Problem des Konzeptes der Entwicklungspotentiale in der Abschätzung der Wachstumschancen, die mit einem beträchtlichen Risiko verbunden ist. Alles in allem ist die theoretische Basis für eine wachstumspolitisch richtige Verteilung der FZ auf die GefoWskörperschaften — trotz der Fortschritte der wachstumstheoretischen und -politischen Konzeptionen in den letzten Jahren — wenig ergiebig. 428 Vor allem fehlt es an allgemein akzeptierten Indikatoren, auch die Theorie der „zentralen Orte" hier einzuordnen, was erneut die enge Verbindung zu den allokationspolitischen Aspekten belegt; vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.1.3. 423
So auch: Gläser, M., 1981, S. 120. Vgl.hierzuz.B.:Fürst,D./Klemmer, Ρ /Zimmermann,K, 1976,S. 123ff.Insoweit ist auch die Rede von „produktivitätsorientierter Regional- (und damit Wachstums)politik"; ebenda, S. 3. 424
425 Hierzu grundlegend: Biehl, S./Südmeyer, V., 1975, S. 14ff. 426 427 428
D./Hußmann,
E./Rautenberg,
Giersch, H., 1977, S. 288. So auch: Fürst, D./Klemmer, P./Zimmermann, K , 1976, S. 7. So auch: Gläser, M., 1981, S. 124f.
K./Schnyder,
140
1. Teil: Theoretische Grundlegung
mit denen die Wachstumschancen von Regionen zuverlässig abgeschätzt werden können. Als Ausweg für die praktizierte Wachstumspolitik und damit auch für die Verteilung der FZ bleibt dann, auf vergleichsweise grobe, weil eher vergangenheitsorientierte Indikatoren zurückzugreifen. Als Beispiele werden u. a. die Lohn- und Gehaltssumme je Beschäftigten und die Realsteuerkraft genannt. 429 Neben diesem Problem, wie die wachstumspolitisch motivierten FZ auf die Körperschaften verteilt werden sollen, ist ebenfalls umstritten, ob eine zeitliche Begrenzung der Unterstützung angebracht ist. Dagegen spricht, daß die Förderung des Wirtschaftswachstums eine dauerhafte Aufgabe der Finanzpolitik ist, die eine permanente Förderung der Investitionen geboten erscheinen läßt. Andererseits kann für die zeitliche Limitierung vorgebracht werden, daß die geförderten Regionen wegen ihrer besonderen Wachstumskräfte irgendwann einmal über genügend große eigene Einnahmen verfügen sollten, um die zur Aufrechterhaltung des Wachstumsprozesses notwendigen Investitionen selbst finanzieren zu können. Dann brauchen mit den FZ nur die entsprechenden Impulse gegeben zu werden. Eine dauerhafte Unterstützung ist unter diesem Aspekt nicht angebracht. Im Grunde gelten hier ähnliche Überlegungen, wie sie in der Theorie vom Erziehungszoll vorgetragen werden. 430 Außer der Zweckbindung für Investitionen sollten die wachstumspolitisch bedingten FZ mit einer Eigenbeteiligung der unterstützten Körperschaft ausgestaltet sein. Dadurch würden die angestrebten Effekte verstärkt. Außerdem wird es in diesem Fall kaum zu einem Konflikt mit dem Verteilungsziel kommen, da — wie gerade schon angesprochen — die Wachstumskerne über entsprechend hohe eigene Einnahmen verfügen (werden), so daß sie die FZ auch in Anspruch nehmen können. Schließlich haben die Investitionen nicht nur externe (für die umliegenden Wirtschaftsräume), sondern auch erhebliche interne Effekte (für die jeweilige Kernregion), weswegen aus allokationstheoretischer Sicht die Eigenbeteiligung ebenfalls befürwortet werden kann. Problematisch dürfte allerdings wiederum die Entscheidung über die „richtige" Relation von übertragenen zu eigenen Mitteln sein, die für die Investitionen eingesetzt werden sollen. Außerdem kann die durch die Matching-Bedingung eintretende Präferenzverzerrung wachstumspolitisch unerwünscht sein, insbesondere wenn die unterstützte Körperschaft dadurch veranlaßt wird, Mittel aus anderen Bereichen abzuziehen, von denen ebenfalls, u. U. sogar noch größere wachstumspolitische Effekte ausgehen. Im Zusammenhang damit ist außerdem fraglich, warum dem Oberverband bessere Informationen über die wachstumspolitisch sinnvollen Investitionen zur Verfügung stehen sollen als den Entscheidungsträgern „vor Ort". Auch wenn es sich lediglich um finanzielle Unterstützungen und damit (nur) Investitionsanreize handelt, kann je nach Stringenz der geforderten 429 430
Vgl.: ebenda, S. 125. Vgl. dazu: Rose, K., 1981, S. 475 ff.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
141
Auflagen der Unterschied zu einer direkten Investitionslenkung gering sein. Dadurch wächst die Gefahr, daß der marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismus außer Kraft gesetzt wird. Schließlich ist noch die Entscheidung über die Höhe des Zuschusses mit Schwierigkeiten verbunden. Zum einen sollen zwar deutliche Wachstumsimpulse gegeben werden, die entsprechende Quantitäten der FZ voraussetzen. Zum anderen darf aber — gerade unter Wachstumsaspekten — durch die FZ die Eigeninitiative der unterstützten Körperschaften nicht untergraben oder sogar abgebaut werden. Aus all dem folgt, daß die wachstumspolitisch richtige Ausgestaltung von FZ mit einer ganzen Reihe von Unsicherheiten verbunden ist. So überwiegen auch die zurückhaltenden bis ablehnenden Äußerungen in der Literatur, ob die FZ an den diskutierten Wachstumskonzepten ausgerichtet werden sollen. An Stelle der mit einem großen Risiko verbundenen punktuellen Unterstützung ausgesuchter Regionen wird durchweg einer breit angelegten Investitionsförderung der Vorzug gegeben, bei der die Detailentscheidungen über die Durchführung der unterstützten Projekte bei den nachgeordneten Körperschaften verbleiben sollten. 431 3.2. Außerökonomische Ziele Neben den bisher diskutierten ökonomischen Zielen gibt es auch eine ganze Reihe von außerökonomischen Argumenten, die für die Vergabe und die unterschiedliche Ausgestaltung der FZ vorgebracht werden können. Obwohl der Schwerpunkt der anschließend durchgeführten Analyse der FZsysteme Australiens und der Bundesrepublik Deutschland auf den ökonomischen Aspekten liegt, sollen die nichtökonomischen Gesichtspunkte wenigstens kurz erörtert werden, da „sie in der politischen Bewertung des Föderalismus (und damit auch der FZ; H. F.) eine sicherlich nicht geringere Rolle spielen als die im engeren Sinn ökonomischen Ziele." 4 3 2 Daß sie bei der folgenden Analyse nicht stärker berücksichtigt werden, ist zum einen mit den geringen Möglichkeiten zu begründen, die außerökonomischen Argumente zu operationalisieren und damit ihren Einfluß auf die Ausgestaltung der FZ zu konkretisieren. Zum anderen läßt sich zeigen, daß einige der nichtökonomischen „unter die ökonomischen Ziele subsumierbar bzw. in ihnen bereits enthalten sind." 4 3 3 Auch deswegen ist die intensivere Behandlung der ökonomischen Aspekte im Rahmen dieser Arbeit zu vertreten.
431 432 433
Vgl. z.B.: Gläser, M., 1981, S. 126f.; Smekal, C., 1980, S. 200. Zimmermann, H., 1983, S. 32. Ebenda.
142
1. Teil: Theoretische Grundlegung
3.2.Î. Politische Aspekte Wie N. Andel generell für Subventionen festgestellt hat, weisen sie „ i m politischen Raum besondere Vorzüge" 434 auf, weil mit ihnen auf Unzufriedenheiten (bestimmter Gruppen) der Bürger flexibel reagiert werden kann und sie außerdem Kompensationsinstrumente im Zuge der politischen Kompromißbildung darstellen. Wenn diese Funktionen den Subventionen im allgemeinen, also den an die (privaten) Unternehmen geleisteten Zahlungen, zugesprochen werden, so gilt diese Aussage auch für die zwischen Körperschaften geleisteten Transferzahlungen. Im Rahmen der politischen Beurteilung von Finanzzuweisungen stehen drei Aspekte im Vordergrund: (1) Autonomie der nachgeordneten Körperschaften ,435 Zum Wesen eines föderativen Staates gehört, daß auch den nachgeordneten Körperschaften autonome Entscheidungen — zumindest in bestimmten Bereichen — zugestanden werden. In der Bundesrepublik Deutschland ist ζ. B. nach Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden 436 das Recht zu gewährleisten, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln." Trotz der im Detail durchaus unterschiedlichen Interpretationen, wann diese Selbstverwaltungsgarantie für die Gemeinden als erfüllt angesehen werden kann, 4 3 7 herrscht Einigkeit darüber, daß mit dieser Aufgabenkompetenz auch eine Finanzhoheit verbunden sein muß, 4 3 8 die allerdings unterschiedlich weit gefaßt werden kann. Soll den Gemeinden eine volle Finanzautonomie in dem Sinne zugestanden werden, daß sie nicht nur selbständig über die Verausgabung der Mittel (Ausgabenautonomie), sondern auch über ihre Beschaffung (Einnahmenautonomie) entscheiden dürfen, dann wären sowohl allgemeine wie auch zweckgebundene FZ keine adäquaten Einnahmequellen. Denn auch bei den allgemeinen FZ, die ja die Ausgabenkompetenz nicht beeinträchtigen, entziehen sich Umfang, Struktur und Zeitpunkt des finanziellen Zuflusses der direkten Einflußnahme durch den Empfanger. 439 434
Andel, N., 1977, S. 504. Die folgenden Überlegungen wurden vom Verf. schon in einer früheren Veröffentlichung — allerdings gekürzt — vertreten; vgl.: Fischer, H., 1984, S. 233f. 436 Auch an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sich die Diskussion dieses Aspektes üblicherweise auf die kommunale Ebene bezieht. Die Argumente lassen sich aber ohne Schwierigkeiten auf die Ebene der Gliedstaaten übertragen, um die es im praxisbezogenen Teil dieser Arbeit geht. 437 Einen guten Überblick über die Entwicklung des Verständnisses der kommunalen Selbstverwaltung mit weiterführenden Literaturhinweisen gibt: Gläser, M., 1981, S. 226 ff. 438 Vgl. z.B.: Schmidt-Jortzig, E., 1977, S. 31; Münstermann, E., 1980, S. 84. 439 Daß gleichwohl die kommunale Selbstverwaltung substantiell gewährleistet werden kann, ohne daß die Gemeinden über eigene Steuereinnahmen verfügen, hat G. Zeitel (1970, S. 2) vertreten. Nach seiner Meinung ist nämlich entscheidend, inwieweit den 435
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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Allerdings wird die volle Finanzautonomie, die für die Einnahmenbeschaffung auf ein freies Trennsystem hinauslaufen würde, 4 4 0 den nachgeordneten Körperschaften üblicherweise nicht gewährt, da es hierdurch u. a. zu Problemen der Mehrfachbesteuerung und/oder zu unerwünschten Wanderungen der Bevölkerung kommen kann. Vielmehr werden neben eigenen Steuereinnahmen eben auch FZ in verschiedenen Ausgestaltungsformen praktiziert. Daß hierdurch die Möglichkeiten der kommunalen Selbstverwaltung beeinflußt werden können, wird deutlich, wenn man sich die Vielzahl und die unterschiedliche Stringenz der alternativen Empfangs- und Verwendungsauflagen ansieht. 441 Die Kritik richtet sich dabei auf solche Fälle, bei denen die Auflagen den Empfangern keinen Handlungsspielraum mehr lassen und diese quasi zu Ausführungsorganen des zahlenden Oberverbandes „denaturiert" werden. 442 Als Indikatoren für die Beeinträchtigung der kommunalen Autonomie werden häufig der Anteil der FZ an den Gesamteinnahmen und vor allem die Relation von zweckgebundenen zu den gesamten FZ herangezogen. 443 Die Probleme dieser Kennzahlen liegen auf der Hand: Bei der ersten Quote werden allgemeine und zweckgebundene FZ als eine Einheit behandelt und den übrigen Einnahmen gegenübergestellt, obwohl die allgemeinen FZ in bezug auf die Ausgabenhoheit den Steuereinnahmen i. d. R. näherstehen als den Zweckzuweisungen. Auch der Anteil der Zweck- an den gesamten Zuweisungen ist im Grunde wenig aussagekräftig, da je nach Spezifikationsgrad der geforderten Auflagen die verbleibenden Handlungsspielräume durchaus unterschiedlich sein können. So ist insbesondere auf die Möglichkeit hinzuweisen, daß durch die Forderung einer Eigenbeteiligung der unterstützten Körperschaft nicht nur der Einsatz der transferierten Mittel, sondern auch eines Teils der übrigen Einnahmen vorgeschrieben ist. Die Einschränkung des Handlungsspielraumes geht in diesem Fall über das durch die Zweckbindung determinierte Niveau hinaus. 444 Allerdings stellen diese (vordergründig abgegrenzten) Kennzahlen mangels besserer Alternativen oft die einzige Möglichkeit dar, zumindest Tendenzaussagen zu formulieren. Nun sind die FZ unter dem Aspekt der Autonomie der nachgeordneten Körperschaften aber nicht nur negativ zu beurteilen. Vielmehr kann in ihnen Kommunen ein Rechtsanspruch auf bestimmte Einnahmequellen eingeräumt wird. Ob diese dann eigene Steuern, Beteiligungen an einem Steuerverbund oder FZ sind, ist letztlich nur ein Problem der (technischen) Ausgestaltung. 440 Zu den Begriffen und den jeweiligen Vor- und Nachteilen des Trenn- und des Verbundsystems vgl. z.B.: Peffekoven, R., 1980, S. 619fT. 441 Vgl.: 1. Teil, Kap. 1. 442 Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 173; Münstermann, E., 1980, S. 87. 443 Vgl. z.B.: Fuchs, M., 1969, S. 145f.; Münstermann, E., 1980, S. 85; Gläser, M., 1981, S. 240 f. 444 M . Gläser (1981, S. 241) spricht in diesem Fall von „Ausstrahlungswirkungen" der Zweckzuweisungen auf andere Ausgabenkategorien, die zum Versagen des Indikators führen.
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
auch ein Instrument gesehen werden, einen aus historischen oder staatspolitischen Überlegungen angestrebten Dezentralisierungsgrad aufrecht zu erhalten, obwohl der Umfang und/oder die Art der zu erfüllenden Aufgaben für eine Zentralisierung sprechen. 445 Neben den Überlegungen zu den externen Effekten 4 4 6 ist hierbei vor allem auf die u.U. fehlenden Möglichkeiten hinzuweisen, die kommunalen Steuerquellen bei wachsenden Ausgabenverpflichtungen weiter anzuspannen. Will man der u. a. dadurch bedingten „Anziehungskraft des zentralen Etats" 4 4 7 entgegenwirken, bieten sich die FZ an, um die Erfüllung der Aufgaben bei den nachgeordneten Körperschaften zu belassen. Ob dabei allerdings auch dezentrale Ausgabenentscheidungen getroffen werden können, hängt erneut von der Auflagenintensität der vergebenen FZ ab. 4 4 8 Grundsätzlich eignen sich die FZ aber, einen gewünschten Grad an Dezentralisierung zu erreichen oder zu sichern. Gerade die letzten Überlegungen machen den — oben schon angedeuteten — Zusammenhang zu den ökonomischen Zielen deutlich. Exemplarisch kann das am sog. „Subsidiaritätsprinzip" belegt werden, das bei den staatspolitischen Überlegungen eine dominierende Rolle spielt. Nach diesem Prinzip sind „alle Aufgaben, die noch von den lokalen Körperschaften erfüllt werden können, von diesen, alle den lokalen Bereich überschreitenden Aufgaben . . . von den regionalen Körperschaften, und nur die das ganze Land betreffenden und auch von den regionalen Gemeinwesen nicht mehr zu bewältigenden Angelegenheiten vom Staat zu ordnen." 4 4 9 Demnach vermutet das Subsidiaritätsprinzip die Aufgabenkompetenz grundsätzlich auf der untersten Ebene. „Nur wenn diese nicht imstande ist, eine Aufgabe zu übernehmen, oder die höhere Ebene diese Aufgabe besser wahrnehmen kann, ist die Verlagerung nach oben geboten. Was dabei »imstande sein4 bzw.,besser 4 heißt, muß freilich konkretisiert werden, und dazu werden durchweg ökonomische Kriterien herangezogen.444 5 0 Zusammenfassend kann zur Autonomie der nachgeordneten Körperschaften festgehalten werden, daß es „nicht angängig (ist), auf Grund bestimmter Anteile verschiedener Einnahmekategorien ohne weiteres auf den Grad gewährleisteter Selbstverwaltung . . . zu schließen. 44451 Will man allerdings über die Ausgestaltung der FZ einen Beitrag zur Vergrößerung der Autonomie der nachgeordneten Körperschaften leisten, so sollten die FZ möglichst — ohne detaillierte Auflagen — stetig und damit für die Körperschaften vorhersehbar 445 446 447 448 449 450 451
Vgl.: Smekal, C., 1980, S. 202; Gläser, M., 1981, S. 249f. Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.1.1. Vgl. dazu in jüngster Zeit: Hansmeyer, K.-H./Zimmermann, K , 1984, S. 297ff. So auch: Gläser, M., 1981, S. 250. Bickel, W., 1956, S. 379 f. Peffekoven, R., 1980, S. 610 (Hervorhebung vom Verf.). Zeitel, G., 1970, S. 9.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
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— nach einer Anhörung — u.U. sogar mit einem Mitspracherecht — der Empfanger 452 vergeben werden. (2) Beeinflussung des Wählerverhaltens. Der zweite politische Aspekt bei der Vergabe von FZ stellt darauf ab, daß durch die Gewährung oder u.U. allein durch das Versprechen gezielter Unterstützungsprogramme bestimmte Wählergruppen beeinflußt und dadurch die Chancen der (Wieder-)Wahl der für diese finanzielle Hilfe Verantwortlichen vergrößert werden können. Jede Subventionierung, also auch jede FZ, stellt nämlich eine (finanzielle) Begünstigung für einen ausgewählten Teil der Bevölkerung dar, der nach unterschiedlichen Kriterien abgegrenzt sein kann (z.B. sektoral: Landwirtschaft, Stahlindustrie; regional: Zonenrand-, Ruhrgebiet, oder — wie überwiegend im Fall der FZ — räumliche Verwaltungseinheiten wie Kommunen und Bundesländer). Demnach sind solche Unterstützungsprogramme „mit einem großen politischen Werbeeffekt verbunden." 453 Obwohl auch durch die Einführung oder Erhöhung allgemeiner FZ Wählergruppen mobilisiert werden können, 4 5 4 dominieren in der Literatur die Vorschläge, unter diesem Aspekt gezielte Projektförderung zu betreiben. Dazu kann einmal versucht werden, spürbare Engpässe in der Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Leistungen zu beseitigen. Exemplarisch seien hierfür Investitionen in das Verkehrs- (z.B.: Über- oder Unterführung von Eisenbahnlinien; Beseitigung von Unfallschwerpunkten; Lärmschutzmaßnahmen) oder Gesundheitswesen (ζ. B.: Neubau oder Erweiterung von Krankenhäusern; Einrichtung von Spezialkliniken) genannt. Alternativ könnte aber auch auf „,wählersensible' Prestigeobjekte" 455 gesetzt werden, für die als Beispiel die — nicht zuletzt aus diesem Grund häufig überdimensionierten—Rat- und Bürgerhäuser dienen mögen. Schließlich bietet sich noch an, die FZ gezielt im Interesse von Minderheiten auszugestalten, um diese Wählergruppen für sich zu gewinnen. 456 Durch solche punktuellen Unterstützungen würde nämlich der Werbeeffekt im Vergleich zu einer weniger spürbaren Erhöhung der Zahlungen auf breiter Front größer ausfallen. Andererseits besteht das Problem, daß sich die nichtbedachten Gruppen übergangen fühlen, was zu negativen Konsequenzen für das Wahlergebnis führen kann. Damit von den FZprogrammen aber überhaupt Effekte auf das Wählerverhalten ausgehen können, müssen sie publik
452
Vgl. hierzu: Gläser, M., 1981, S. 243 ff. Zeitel, G., 1970, S. 15. 454 Denkbar ist z.B., daß durch eine Änderung des Verteilungsmodus bestimmte Problemregionen gefördert werden sollen. 455 Smekal, C., 1980, S. 201 (Hervorhebung im Original). 456 So kann ζ. B. auf die USA verwiesen werden, wo spezielle FZ für die Belange der farbigen, vor allem der schwarzen Bevölkerung vergeben werden; vgl.: ACIR, 1981, S. 64ff. 453
10 Fischer
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1. Teil: Theoretische Grundlegung
gemacht und vor allem in einen ursächlichen Zusammenhang mit der für die Unterstützung verantwortlichen Regierung(spartei) gebracht werden. Bedenken gegen die Wählerwirksamkeit von FZ sind m.E. vor allem deswegen angebracht, weil im Gegensatz zu einer (direkten) Subventionierung von privaten Unternehmen (oder Haushalten in Form von Transferzahlungen) der Empfanger der FZ (nur) eine andere Körperschaft ist. Es kommt allenfalls zu indirekten Vergünstigungen der Bevölkerung durch die (erwartete, aber nicht sichere) Verbesserung des öffentlichen Leistungsangebotes. Inwieweit der zahlende Oberverband hierfür überhaupt als mitverantwortlich (an-)erkannt wird, dürfte wegen der Vielschichtigkeit der finanziellen Verflechtungen zwischen den Körperschaften fraglich sein. Demnach bedarf es einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit des Oberverbandes, die seinen finanziellen Beitrag deutlich werden läßt. Außerdem dürfte es schwierig sein, die erwarteten bzw. erreichten Wirkungen auf das Wählerverhalten zu konkretisieren. Da sie sich im (finanz-) psychologischen Bereich abspielen, fehlt es an geeigneten Indikatoren, die den Zuwachs oder Abfluß von Wählerstimmen mit der Vergrößerung bzw. Verringerung der FZ in einen Kausalzusammenhang bringen können. 457 Im Grunde ist man hierbei auf Plausibilitätsüberlegungen angewiesen. Ähnliches gilt auch für den letzten der hier zu diskutierenden politischen Gesichtspunkte: (3) Förderung der Konsensbildung. Bei der Einflußnahme auf das Wählerverhalten standen die Effekte der FZ auf die Bevölkerung und damit ihre (psychologischen) ,4w/fewwirkungen zur Diskussion. Daneben können die FZ aber auch genutzt werden, um die /«verstaatlichen Entscheidungsprozesse zu beschleunigen bzw. überhaupt zu Ergebnissen zu führen. Gerade das für den föderativen Staatsaufbau typische Nebeneinander von (zumindest in bestimmten Bereichen) prinzipiell gleichrangigen Entscheidungsträgern bringt es mit sich, daß zwischen den, aber auch innerhalb der verschiedenen Ebenen ein Bedarf an gemeinsamen bzw. zumindest aufeinander abgestimmten Beschlüssen besteht. Daß die FZ als Instrument der Konsensbildung eingesetzt werden können, kann man sich am besten am Bild des „goldenen Zügels" 4 5 8 klarmachen. Dem Oberverband wird es um so eher gelingen, ein von ihm präferiertes Projekt auf den nachgeordneten Ebenen durchzusetzen, je mehr er bereit ist, Teile der Finanzierungslasten selbst zu übernehmen. Üblicherweise schmilzt der Wider457 Auch die häufig vorgenommenen Wählerbefragungen können in dieser Beziehung nicht besonders aufschlußreich sein, da die Wahlentscheidungen i. d. R. aufgrund einer Fülle von (sich überlagernden) Faktoren getroffen werden, aus denen die Bedeutung eines einzelnen — hier: der FZ — kaum herauskristallisiert werden kann. 458 So sprechen H. Karrenberg/E. Münstermann (1985, S. 91) in dieser Beziehung von dem „inzwischen schon klassischen Instrument..., Einfluß zu nehmen." Dazu auch: Biehl, D., 1983, S.91.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
147
stand bei den unteren Körperschaften gegen wenig oder überhaupt nicht gewollte Projekte mit dem von ihnen zu erbringenden Finanzierungsbeitrag. Insoweit kann von den FZ eine Verringerung des Konfliktpotentials und damit eine Erhöhung der Problemlösungskapazitäten erwartet werden. 459 Allerdings stellt sich auch hier das Problem, die Effekte zu operationalisieren und damit zu konkretisieren. Dies wird vor allem im Rahmen der Politikwissenschaft versucht. Dort existieren Ansätze, die den Einfluß von Transferzahlungen auf die Funktionsfahigkeit des politisch-administrativen Systems analysieren. 400 Aus der Vielschichtigkeit der dabei zu beachtenden Aspekte ergibt sich aber, daß kaum konkrete Gestaltungsvorschläge für die FZ abgeleitet werden können, so daß darauf nicht näher eingegangen wird. Außerdem ist zu beachten, daß die FZ unter dem Gesichtspunkt der Konsensbildung nicht nur positiv zu beurteilen sind. Vielmehr kommt es auch und gerade über das „richtige" Ausmaß der finanziellen Unterstützung immer wieder zu Konflikten zwischen den verschiedenen Körperschaften. Das führt dann zu ökonomisch unerwünschten Wirkungen, wenn die FZ nicht an die Stellen fließen, bei denen der eigentliche Bedarf besteht, sondern quasi als „Stöhn- und Jammerprämien" 461 an diejenigen gezahlt werden, die ihre Interessen besonders pointiert vertreten können. Insoweit ist nicht auszuschließen, daß die „relative political bargaining strength and power" 4 6 2 wichtiger für den Erhalt der FZ sein kann als die jeweilige Finanzbedarfs- / -kraftrelation oder andere ökonomische Faktoren. Zusammenfassend ist zu den — allerdings hier nur angerissenen — politischen Aspekten der Vergabe von FZ zu sagen, daß mit ihnen kaum konkrete Aussagen über die notwendige Höhe und Struktur der finanziellen Transferströme zwischen den Körperschaften abgeleitet werden kopnen. So kann sowohl ein stärkerer Einsatz wie auch ein Abbau der FZ begründet werden. Ob sie mit oder ohne Empfangs- und/oder Verwendungsauflagen vergeben werden und wie restriktiv diese sein sollen, ist nicht eindeutig zu beantworten. A l l dies kann u. a. eine Erklärung dafür sein, warum in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren die ökonomischen Aspekte in der Diskussion um den Föderalismus einen solchen Aufschwung genommen haben. 3.2.2. Technische Aspekte In enger Verbindung zu den ökonomischen Zielen stehen die technischen Aspekte, die bei der Vergabe von FZ zu beachten sind. Nicht zuletzt sie sind 459
Vgl.: Gläser, M., 1981, S. 250ff. Hierzu ist auf die grundlegende Studie von F. W. Scharpf/B. Reissert/F. Schnabel (1976) hinzuweisen, die auf der Basis einer „Theorie der Politikverflechtung" sowohl die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG wie auch einige der Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 G G gerade unter diesem Aspekt diskutieren. 461 Münstermann, E., 1976, S. 330. 462 Boadway, R. W., 1980, S. 50. 460
10*
148
1. Teil: Theoretische Grundlegung
dafür verantwortlich, ob die mit den FZ angestrebten ökonomischen Ziele tatsächlich erreicht werden (können). Den technischen Gesichtspunkten kommt demnach der Charakter einer notwendigen, aber nicht hinreichenden Bedingung für die Effizienz der FZsysteme zu. Auch hierbei können drei Schwerpunkte gesetzt werden: 463 (1) Widerspruchslosigkeit. Die Vielzahl der verschiedenen Ziele, die mit den praktizierten Systemen von FZ verfolgt werden, bringt es mit sich, daß es sich hierbei um ein äußerst komplexes und damit schwer zu durchschauendes Geflecht von Finanzströmen handelt. Deswegen darf die Gefahr nicht unterschätzt werden, daß sich einzelne FZprogramme in ihren Wirkungen neutralisieren oder sogar konterkarieren. Als Beispiel kann auf eine Regelung aus dem kommunalen Finanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland verwiesen werden: Die Gemeinden haben einen Teil des ihnen grundsätzlich zustehenden Aufkommens aus der Gewerbesteuer als Umlage zu gleichen Teilen an Bund und Länder abzuführen. In einigen Bundesländern geht der jeweilige Landesanteil an der Gewerbesteuerumlage dann in die (fakultative) Finanzausgleichsmasse ein, die in Form von allgemeinen oder zweckgebundenen FZ von den Ländern an die Kommunen übertragen wird. Insoweit finanzieren die Gemeinden einen Teil der an sie gezahlten FZ selber, 464 ein ökonomisch wenig befriedigendes Ergebnis, das wohl nur mit der Notwendigkeit von politischen Kompromissen zu erklären ist. Die hieraus abzuleitende Forderung kann nur lauten, daß die FZsysteme auf solche Widersprüchlichkeiten hin zu untersuchen und nach Möglichkeit von ihnen zu befreien sind. Bei der gegenwärtig praktizierten Fülle von FZprogrammen und der Vielfalt der hierfür eingesetzten Finanzierungsquellen dürfte dies allerdings kein leichtes Unterfangen sein. Ein weiteres Problem stellen die immer wieder auftretenden Doppel- oder sogar Mehrfachförderungen einzelner Projekte dar. Hierdurch können ökonomisch unerwünschte Überkapazitäten entstehen. Außerdem würde gegen das noch zu diskutierende Gebot der Transparenz 465 der FZsysteme verstoßen, da bei einer Unterstützung aus mehreren Töpfen — vor allem für den Zuweisungsgeber — häufig nicht erkennbar ist, welche Transfermittel insgesamt für den jeweiligen Zweck zur Verfügung gestellt werden und ob ein (weiterer) Zuschuß überhaupt noch nötig ist. Andererseits ist aber auch darauf zu achten, daß keine Lücken im System der Unterstützung entstehen, daß also alle als förderungswürdig anerkannten Zwecke auch tatsächlich unterstützt werden. 463
Eine weitergehende Unterteilung findet sich bei: Gläser, M., 1981, S. 254 ff. Ähnliche Regelungen haben auch im Bund-Länder-Verhältnis vor 1955 bestanden; vgl. dazu: Biehl, D., 1983, S. 92. Außerdem existieren (z.B. in Baden-Württemberg) sog. Finanzausgleichsumlagen, mit denen die Kommunen ebenfalls einen Teil der an sie gezahlten Finanzausgleichsbeträge finanzieren; vgl.: Karrenberg, H./Münstermann, E., 1985, S. 85. 464
465
Vgl. unmittelbar anschließend: (2).
3. Ziele der Finanzzuweisungen
149
Alles in allem ist demnach — in Analogie zur Forderung eines „rationalen Steuersystems" 466 — für ein rationales FZsystem zu plädieren, das dadurch gekennzeichnet ist, daß ein im Hinblick auf sämtliche Ziele „,wohlausgewogenes', koordiniertes System innerstaatlicher Transferzahlungen eingerichtet w i r d " 4 6 7 . Daß die Realisierungschancen für ein solches System allerdings nur als gering anzusehen sind, hat die Diskussion um das rationale Steuersystem deutlich gemacht. Gleichwohl können durch das Aufzeigen der gröbsten Widersprüche und von Konstruktionsfehlern in den praktizierten Systemen, wie es auch im Rahmen dieser Arbeit versucht wird, Wege — zumindest der Richtung nach — gewiesen werden, auf denen sich anstehende Reformen bewegen sollten. (2) Praktikabilität. Ein Kritikpunkt, der immer wieder gegen die bestehenden Systeme von FZ vorgebracht wird, stellt auf den Verwaltungsaufwand ab, der sowohl vom Zahler wie auch vom Empfanger der FZ zu betreiben ist, um die finanzielle Transaktion abzuwickeln. 468 Gesetze, Verordnungen und Richtlinien müssen beachtet, Anträge und Formulare müssen ausgefüllt und der richtige Einsatz der Mittel muß (bei zweckgebundenen FZ jedenfalls) kontrolliert werden. Der hierfür erforderliche Personal- und Materialaufwand wird — im Vergleich zu den übertragenen Mitteln — häufig als unverhältnismäßig groß angesehen.469 Unter diesem Aspekt wird vor allem immer wieder ein Abbau der Zweckzuweisungen und ein stärkerer Einsatz der allgemeinen FZ gefordert. Zum einen würde dadurch das Nebeneinander zahlreicher Einzelprogramme überflüssig, und zum anderen soll der Verwaltungsaufwand geringer sein. Allerdings sprechen auch Argumente dagegen: Der Oberverband will sein Mitspracherecht beim Einsatz der Mittel nicht verlieren, wofür durchaus ökonomische Überlegungen vorgebracht werden können. 470 Außerdem sind auch die allgemeinen FZ an Empfangsauflagen zu binden und demnach mit Verwaltungsaufwand verknüpft, wenn sie ihrem subsidiären Charakter gerecht werden sollen. Insoweit ist vor einem zu großen Optimismus in bezug auf eine Vereinfachung der FZsysteme zu warnen. Im Grunde gilt auch hier ein aus der Steuerlehre bekanntes Ergebnis: Das Postulat der Einfachheit der Besteuerung ist kaum zu verwirklichen, wenn mit den Steuern sowohl allokationspolitische (vor allem: Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit) als auch konjunkturund verteilungspolitische Ziele verfolgt werden. Solange die FZ — wegen der als nicht optimal angesehenen Verteilung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen im Finanzausgleich — zur Verfolgung allokations- und distributions-, 466 467 408 469 470
Vgl. dazu grundlegend: Haller, H., 1981; Neumark, F., 1970. Gläser, M., 1981, S. 254. Vgl. z. B.: Münstermann, E., 1976, S. 330; ders., 1980, S. 155; Petri, W., 1977, S. 54. Vgl. z.B.: Leder, W., 1981, S. 111 ff. Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.1.
150
1. Teil: Theoretische Grundlegung
unter Umständen sogar stabilisationspolitischer Ziele eingesetzt werden sollen, kann eine grundlegende Vereinfachung des Systems kaum erwartet werden. Allerdings sollte—quasi als Minimalanforderung—darauf geachtet werden, „die Materie der Finanzzuweisungen einschließlich der Durchführungsverordnungen, Richtlinien usw. so zu gestalten, daß sie das technisch und rechtlich mögliche Höchstmaß an Gemeinverständlichkeit aufweist, und ihre Vorschriften derart eindeutig und bestimmt sind, daß sie Zweifel über den Zuweisungsempfang und damit Willkür der Vergabebehörden ausschließt" 471 . Allein durch eine stärkere Beachtung dieses Grundsatzes der Transparenz würden die Zielsetzungen der verschiedenen FZarten überschaubarer werden und insoweit eine sachgerechtere öffentliche und parlamentarische Diskussion über diese Transferzahlungen ermöglicht. (3) Stetigkeit. Schließlich ist auch unter technischen Aspekten 472 für eine stetige Vergabe der FZ zu plädieren. Häufige Änderungen der unterstützten Projekte und/oder der Voraussetzungen für den Erhalt der Transferzahlungen können nämlich die gerade angesprochenen Probleme der Widersprüchlichkeit und der Impraktikabilität der FZsysteme verschärfen. So müßten sich sowohl die zahlende wie auch die empfangende Körperschaft bei solchen Wechseln immer wieder aufs Neue mit den sich ändernden Vorschriften beschäftigen, was den Verwaltungsaufwand entsprechend vergrößern würde. Außerdem müßte ein neues oder geändertes FZprogramm immer als Teil des gesamten Systems von FZ gesehen werden und seine Ausgestaltung auf die anderen Arten abgestimmt sein. Insoweit sollte die Vergabepraxis der FZ vor einem solchen Aktionismus bewahrt werden. Das darf nun aber nicht so interpretiert werden, daß Umfang und Struktur der FZ ein für allemal festgeschrieben werden sollen. I m Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung kommt es immer wieder zu neu auftretenden oder sich verschiebenden Aufgabe- und damit Ausgabebelastungen. Wenn dann an der originären Steuerverteilung nichts geändert werden soll, bieten sich die FZ als' Instrument an, auf diese Änderungen flexibel zu reagieren. Das gilt insbesondere, wenn die Umschichtung bei den Ausgaben nur als kurzfristig angesehen wird, da mit den FZ im allgemeinen flexibler reagiert werden kann als mit einer Änderung der Steuerverteilung. Ähnlich wie die politischen vermitteln auch die technischen Aspekte keine allgemeingültigen Richtlinien für die Ausgestaltung der FZ. So wird zwar ein Konsens darüber bestehen, daß das System der FZ widerspruchslos, praktikabel und (in einem bestimmten Rahmen) stetig sein soll. Was darunter aber im 471 Gläser, M., 1981, S. 255. Hierbei handelt es sich um eine Übertragung des auf Neumark (1970, S. 342 ff.) zurückgehenden „Grundsatzes der Steuertransparenz" auf die FZ. 472 Daß Gleiches für das ökonomische Ziel der Stabilisierung und das politische Ziel der Selbstverwaltung gefordert werden kann, wurde schon verdeutlicht; vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.3.1. und 3.2.1.
3. Ziele der Finanzzuweisungen
151
einzelnen zu verstehen ist, hängt nicht zuletzt von den jeweiligen Interessenlagen ab. So dürfte für die Beurteilung der Qualität der praktizierten FZarten neben dem jeweiligen politischen Standort (vor allem: Einstellung zur Frage der zentralen vs. dezentralen Kompetenzen) insbesondere auch entscheidend sein, ob die Bewertung aus der Sicht des Empfangers oder des Zahlers der FZ erfolgt. Wie diese Konflikte in der Praxis des Finanzausgleichs gelöst werden und insbesondere inwieweit dabei den ökonomischen Zielansprüchen Genüge getan wird, ist das zentrale Anliegen des folgenden zweiten Teils dieser Arbeit.
Zweiter Teil
Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen im bundesstaatlichen Finanzausgleich Australiens und der Bundesrepublik Deutschland 1. Vorbemerkungen 1.1. Nutzen und Probleme eines internationalen Vergleiches Nachdem die Konzepte, mit denen die „richtige" Ausgestaltung von FZ unter den verschiedenen Zielsetzungen theoretisch abgeleitet werden kann, diskutiert worden sind, soll jetzt der Frage nachgegangen werden, inwieweit die theoretischen Erkenntnisse in die Praxis der FZ im bundesstaatlichen Finanzausgleich umgesetzt wurden. Hierzu beschränkt sich die Analyse nicht allein auf die Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland. Vielmehr wird in dieser Arbeit das deutsche System dem in Australien praktizierten gegenübergestellt. M i t Hilfe dieses internationalen Vergleiches sollen Aussagen abgeleitet werden, ob und inwieweit die FZpraxis in einem der beiden Länder den theoretischen Anforderungen näher kommt als in dem anderen und ob hieraus evtl. Lehren für die Verbesserung eines der beiden oder sogar beider Systeme gezogen werden können. Bevor im einzelnen begründet wird, warum ausgerechnet Australien als Vergleichsmaßstab gewählt wurde, seien zuerst einige grundsätzliche Aspekte eines solchen internationalen Vergleiches angesprochen. 1 So ist als erstes die Frage aufzuwerfen, was von einem Blick über die eigenen Landesgrenzen hinaus in bezug auf die Ausgestaltung der FZ überhaupt erwartet werden kann. Geht man davon aus, daß in föderativ organisierten Staaten mit Hilfe der innerstaatlichen Transferströme grundsätzlich — wenn auch sicherlich mit unterschiedlichen Schwerpunkten, wie die folgende Analyse auch noch deutlich machen wird — die gleichen Ziele verfolgt werden, so kann es schon nützlich sein zu wissen, wie die dabei entstehenden Probleme in anderen Ländern gelöst werden. 1 Wie in der Einleitung schon angedeutet, hat der Verf. die Anregung, die Analyse als „comparative government study" durchzuführen, durch eine Reihe von ähnlichen Untersuchungen erhalten, die zu Beginn der 80er Jahre insbesondere in den USA und Australien publiziert wurden, die sich allerdings i.d. R. mit einer weitergefaßten Themenstellung beschäftigten und deswegen nicht so intensiv auf die FZ eingehen konnten; vgl.: ACIR, 1981; Mathews, R. L., 1980; ders., 1982; Head, J. G., 1983. In jüngster Zeit sind auch einige ähnlich ausgerichtete deutschsprachige Studien erschienen; vgl.: Probleme des Föderalismus, 1984; Schönherr, D., 1984.
1. Vorbemerkungen
153
Insoweit gilt, „that each country can learn something from the experience of the others" 2 . Allerdings weisen solche „comparative government studies" eine ganze Reihe von—ζ. T. beträchtlichen — Schwierigkeiten auf. 3 Als erstes ist die Auswahl der als Referenzgröße(n) herangezogenen Nation(en) nicht unproblematisch. 4 Außerdem ist bei einem Vergleich der in verschiedenen Ländern praktizierten Systeme von FZ zu beachten, daß ihre Ausgestaltung nicht nur von den oben angesprochenen ökonomischen und außerökonomischen Zielsetzungen abhängt. Vielmehr schlagen sich hierin auch zahlreiche spezifische Eigenarten eines jeden Landes nieder, die bei einer umfassenden Beurteilung der innerstaatlichen Transfers nicht vollständig vernachlässigt werden dürfen. Dazu gehören in erster Linie: — die soziologische und kulturelle Homo- bzw. Heterogenität der Bevölkerung; — die flächenmäßige Größe eines Landes mit seinen geographischen und klimatischen Eigenheiten sowie die räumliche Verteilung der Bevölkerung; — die verfassungsrechtliche Organisation des Staates und ihre Entwicklung im Zeitablauf; — die parteipolitische Zusammensetzung der Regierungen auf den verschiedenen Ebenen im föderativen Staatsaufbau. Schließlich kommt auch der historischen Entwicklung der FZsysteme ein nicht zu unterschätzender Einfluß auf die jeweils aktuelle Praxis der Ausgestaltung der Transferströme zu. Ähnlich wie bei den Regelungen des passiven Finanzausgleichs, also der Verteilung der Aufgaben- und Ausgabenzuständigkeiten, gilt auch hier, daß sich häufig „die Kraft des Beharrenden" 5 gegenüber neuen ökonomischen und außerökonomischen Erkenntnissen durchsetzt und deswegen notwendige Reformen nicht mit der gebotenen Konsequenz durchgeführt oder sogar ganz unterlassen werden. Aus all dem folgt, daß bei Rückschlüssen von dem in einem Land praktizierten FZsystem auf die innerstaatlichen Transfers in einem anderen Land diese gerade genannten Faktoren (zumindest mit-) berücksichtigt werden müssen. Da sie aber — ähnlich wie die oben behandelten außerökonomischen Ziele — in ihrer Bedeutung für die Ausgestaltung der FZ nur außerordentlich schwer zu konkretisieren, geschweige denn zu quantifizieren sind, wird im Rahmen dieser Arbeit so vorgegangen, daß jeweils zu Beginn der Länderstudien die Unterschie2
ACIR, 1981, S. 1. So auch: Head, J. G., 1983, S. 187. W. Kaltefleiter (1980, S. 339) sieht hierin eine Möglichkeit, einen Ersatz für die im Rahmen der Politik- (und Wirtschaftswissenschaften nicht möglichen Experimente zu finden, wie sie im Rahmen der Naturwissenschaften allgemein üblich sind. 3 So urteilte auch schon R. M. Burns (1977, S. 77), daß eine solche Analyse „is full of unantizipated hazards". 4 Vgl. dazu unmittelbar anschließend: Kap. 1.2. 5 Peffekoven, R., 1980, S. 617.
154
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
de bzw. Gemeinsamkeiten zwischen den betrachteten Ländern in bezug auf diese Faktoren herausgearbeitet werden. Auf dieser — gleichwohl recht vagen — Grundlage wird dann versucht, die unterschiedlichen Systeme von FZ umfassend zu beurteilen. 1.2. Begründung der Auswahl des Vergleichslandes Für die im folgenden durchgeführte internationale Betrachtung kommen als Vergleichsländer grundsätzlich nur solche in Frage, die durch einen ähnlichen föderativen Aufbau gekennzeichnet und in ihren ökonomischen und außerökonomischen Bedingungen — in etwa jedenfalls — mit der Bundesrepublik vergleichbar sind. Insoweit ist der Kreis der hierfür geeigneten Staaten eng umgrenzt, wie auch die vorhandenen Untersuchungen ähnlicher Art deutlich machen.6 Im einzelnen handelt es sich um: Australien Kanada Schweiz Vereinigte Staaten von Amerika So informativ ein Vergleich der Finanzausgleichsregelungen in all diesen Staaten mit den in der Bundesrepublik praktizierten auch sein mag — was nicht zuletzt der Anlaß für die gerade genannten Studien war—, so kristallisiert sich für einen Vergleich der FZsysteme unter der hier verfolgten Zielsetzung die australische Praxis der innerstaatlichen Transferströme als die am besten geeignete heraus. Denn zum einen unterscheiden sich die beiden in der Aufzählung als letzte genannten Staaten in einem für die beabsichtigte Analyse entscheidenden Punkt sowohl von den beiden anderen als auch vom bundesrepublikanischen System. In der Schweiz und in den USA wird nämlich den untergeordneten Körperschaften eine wesentlich größere Autonomie in bezug auf die Ausgaben- und Einnahmenentscheidungen zugestanden als in den übrigen angesprochenen Ländern. 7 Das wirkt sich auch darin aus, daß in diesen beiden Föderationen der Umverteilungszielsetzung zwischen den, aber auch innerhalb der verschiedenen Ebenen ein geringeres Gewicht zukommt. 8 Insbesondere die konzeptionelle Entwicklung des finanziellen Ausgleichs zwischen den Gliedstaaten, der im Zentrum der folgenden Untersuchung steht, ist deutlich weniger ausgeprägt als in den anderen Ländern. Insoweit eignen sich die Schweiz und die USA nicht als Referenzländer für die hier durchgeführte Analyse. 6 Vgl.: Kommission der EG, 1977; Hunter, J. S. H., 1976/77; ders., 1980; Head, J. G., 1983; ACIR, 1981. 7 Eine Abhandlung der Grundstrukturen des US-amerikanischen und des schweizerischen föderativen Systems findet sich z.B. bei: Head, J. G., 1983, S. 287ff.; Meier, Α., 1983, S. 163 ff. 8 So auch: Head, J. G., 1983, S. 190.
2. Australien
155
Demgegenüber wird in Kanada und Australien — wie auch in der Bundesrepublik — eine bewußte Umverteilung zwischen den Gliedstaaten angestrebt. Daß von diesen beiden Ländern Australien als das geeignetere ausgewählt wurde, ist mit der hier verfolgten Zielsetzung zu begründen. Denn in Australien werden die gewonnenen theoretischen Erkenntnisse am konsequentesten in die Praxis umgesetzt. Während in der Bundesrepublik Deutschland bei der Berechnung der Ausgleichszuweisungen zwischen den Ländern die jeweiligen Finanzbedarfspositionen zumindest mit Hilfe einiger pauschaler Größen berücksichtigt werden (z.B.: „veredelte" Bevölkerungszahlen; Sonderlasten) 9, wird hierauf im kanadischen Finanzausgleich praktisch vollständig verzichtet. Insoweit wird in Kanada ein reiner Einnahmen-, im wesentlichen Steuerkraftausgleich praktiziert, ohne daß unterschiedlichen Aufgaben- und damit Ausgaben Verpflichtungen angemessen Rechnung getragen wird. 1 0 Das Gegenteil davon ist in Australien der Fall. Hier wird nämlich in bisher einzigartiger Weise versucht, auch die unterschiedlichen Belastungen durch die zu erfüllenden Aufgaben nicht nur pauschal abzugelten, sondern mit Hilfe aufwendiger Berechnungsverfahren möglichst exakt zu ermitteln. 11 Insoweit kann ein Blick in das australische FZsystem Anhaltspunkte dafür ergeben, ob für den Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik zu fordern ist, daß er in stärkerem Maße als bisher an die theoretischen Erkenntnisse anzupassen ist. Inwieweit Australien in bezug auf die übrigen zu beachtenden Faktoren mit der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar ist, werden die der Analyse der FZ jeweils vorangestellten Charakterisierungen der Länder deutlich machen. 12
2. Australien 2.1. Charakterisierung des Landes Australien weist mit etwa 15,2 Mio. Einwohnern (Stand 1982)1 eine deutlich geringere Bevölkerungszahl als die Bundesrepublik auf. Bezogen auf seine Fläche von ca. 7,7 Mio. km 2 entspricht das einer Siedlungsdichte von knapp 2 Einwohnern/km 2 . Allerdings ist diese Zahl wenig aussagekräftig, da weite Teile des Landes aufgrund der geographischen Verhältnisse praktisch nicht besiedelt sind. Vielmehr konzentriert sich die Bevölkerung in den Küstenregionen, wobei das Schwergewicht an der Ost- und Südost-Küste liegt.
9
Zu den Einzelheiten vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2. So auch: ACIR, 1981, S. 56; Head, J. G., 1983, S. 207; Kommission der EG, 1977, S. 156. 11 Wie dabei im einzelnen vorgegangen wird, ist später noch zu erläutern; vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.3. 12 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.1. und 3.1. 10
1
Vgl.: Statistisches Jahrbuch 1984, S. 651.
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2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Denn gut 60% der gesamten australischen Bevölkerung leben in den beiden südöstlich gelegenen Staaten „New South Wales" und „Victoria". 2 Die restlichen knapp 40% verteilen sich auf die übrigen vier Staaten („Queensland", „South Australia", „Western Australia" und die Insel „Tasmania") sowie die beiden unmittelbaren Bundesgebiete „Northern Territory" und „Australian Capital Territory" (mit der Hauptstadt Canberra). Das Erstgenannte verfügt seit 1978 über ein eigenes Verwaltungssystem und untersteht nicht mehr der Bundesverwaltung. 3 Insgesamt gesehen ist der Bundesstaat Australien demnach in sechs Staaten und zwei Territorien untergliedert 4 und weist insoweit einen ähnlich leicht zu überschauenden Staatsaufbau wie die Bundesrepublik auf. Die dominierende Stellung von New South Wales und Victoria, die sich nicht nur auf die Bevölkerungszahl, sondern auch — damit wechselweise zusammenhängend — auf ihr ökonomisches und politisches Gewicht bezieht, hat gerade für die Gestaltung des australischen FZsystems eine besondere Bedeutung, wie die folgenden Ausführungen noch zeigen werden. 5 Die wirtschaftliche Situation Australiens kann als „highly developed and quite well balanced" 6 bezeichnet werden. Neben einem ausgedehnten Landwirtschaftssektor, der 1980 mit etwa 40% zu den Exporteinnahmen des Landes beitrug und von dem insbesondere die Erzeugung von Wolle hervorgehoben werden muß (mit etwa 25% der Weltproduktion ist Australien der größte Wollproduzent), verfügt es über reiche Bodenschätze. Neben den für die wirtschaftliche Entwicklung bedeutenden, mittlerweile aber im wesentlichen abgebauten Goldfunden sind es vor allem Kohle, Blei, Eisen, Kupfer, Zink, Gas, Wolfram und Mangan, die die Grundlage für eine international konkurrenzfähige Eisen- und Stahl-, Elektro- und chemische Industrie darstellen. 1980 betrug das Bruttosozialprodukt pro Kopf der australischen Bevölkerung 10127US-S 7 , so daß Australiens „Wohlstand" 8 zwar niedriger als der deutsche (1980: 12399 US-$) ist. 9 Gleichwohl gehören beide Länder zu den am weitesten entwickelten Industrienationen und sind daher auch von ihren ökonomischen Verhältnissen durchaus vergleichbar. 2 3
Vgl.: ACIR, 1981, S.5f.
Vgl.: ebenda, S. 6; Mathews, R. L., in: ders., 1982, S. 153. 4 U m genau zu sein, müßten noch einige Inseln im Pazifischen und Indischen Ozean und Gebiete in der Antarktis genannt werden, worauf hier aber verzichtet wird. 5 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.1. 6 ACIR, 1981, S.5. 7 Vgl.: Statistical Yearbook 1981, S. 151 ff. 8 Trotz der bekannten Probleme, den Wohlstand einer Nation an diesem Einzelindikator zu messen, ist er für die allgemeine Charakteristik der Länder ein hinreichender Maßstab. Vgl. zu dieser Problematik z.B.: Hübl, L., 1984, S. 79ff.; Gabisch, G., 1984, S. 337 f. 9 Vgl.: Statistical Yearbook 1981, S. 151 ff.
2. Australien
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Zur Bevölkerungsstruktur Australiens ist zu sagen, daß der Anteil der Ureinwohner an der Gesamtbevölkerung verschwindend gering ist. 1 0 Die überwältigende Mehrheit stellen eingewanderte Europäer und ihre Nachfahren dar, die vor allem im Zusammenhang mit der britischen Kolonialisierungspolitik in das Land strömten. Insoweit dominiert auch der britische Einfluß im Rechts-, Bildungs- und Religionswesen, und es gibt nahezu keine Sprachbarrieren innerhalb des gesamten Kontinents. „Though there are some regional variations, the population is remarkably homogeneous." 11 Die politisch wichtigen Parteien in Australien sind — sowohl auf Bundes- wie auch auf Staatsebene — die (stark vereinfachend: den Grundbesitzern und Viehzüchtern nahestehende) konservative National Country-Partei, die (von mittelständischen Kreisen getragene) Liberale Partei und die (von den Gewerkschaften und Lohnbeziehern unterstützte) Labour-Partei. 1980 wurden der Bund, Western Australia und Queensland durch eine Koalition von Countryund Liberaler Partei, Victoria und South Australia durch die Liberale Partei sowie New South Wales und Tasmania durch die Labour-Partei regiert. 12 Insoweit werden die Regierungen des Bundes und der Gliedstaaten von unterschiedlichen Gruppierungen getragen, wobei wiederum einige Übereinstimmungen mit dem deutschen System festzustellen sind. „ I n sum, Australia is a remarkably homogeneous, politically advanced, and stable industrialized country." 1 3 2.2. Föderative Organisation M i t der zum 1. Januar 1901 in Kraft getretenen australischen Verfassung („Australian Constitution Act") schlossen sich die ehemaligen britischen Kolonien „New South Wales", „Victoria", „Queensland", „Western Australia", „Southern Australia" und „Tasmania" sowie das „Northern Territory" zum Australischen Bund („Commonwealth of Australia") zusammen. In dieser Verfassung, die im Laufe der Zeit aufgrund des hierzu notwendigen Verfahrens nur selten geändert wurde, 14 finden sich auch die grundsätzlichen Regelungen 10 Im Jahr 1966 waren es schon weniger als 50000 bei einer Gesamtbevölkerung von damals etwa 12 Mio.; vgl.: Brockhaus Enzyklopädie, 1966, Bd. 2, S. 139. 11 ACIR, 1981, S. 3. 12 Vgl.: ebenda, S. 6. 13 Ebenda, S. 7. So auch: Zimmermann, H., 1983, S. 13; Head, J. G., 1983, S. 189; Hunter, J. S. H., 1976/77, S. 436. 14 Von den bis 1977 eingebrachten 37 Anträgen auf eine Verfassungsänderung scheiterten die meisten an der notwendigen Volksabstimmung. Insgesamt wurde die australische Verfassung nur neunmal geändert, wobei sich die Änderungen — sieht man von der die Staatsverschuldung betreffenden Ergänzung im Jahr 1928 ab — auf relativ unbedeutende Tatbestände bezogen. Ein Überblick über die erfolgreichen Verfassungsänderungen findet sich bei: Howard, C./Saunders, C. Α., 1982, S. 69ff.; Doeker, G., 1980, S. 51 f.
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2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
für die Verteilung der Aufgaben-, Ausgaben- und (allerdings deutlich weniger ausgeprägt als in der Bundesrepublik Deutschland) Einnahmenhoheiten zwischen dem „Federal Government" und den Gliedstaaten. Die Aufgabenkompetenzen sind in Australien so verteilt, daß für einige, in der Verfassung enumerativ aufgezählte Bereiche ausschließlich der Bund zuständig ist. Hierzu gehören die internationalen Beziehungen, die Verteidigung und das Währungssystem. 15 In den Bereichen der Steuergesetzgebung, der Wirtschaftsund der Sozialpolitik haben Bund und Staaten konkurrierende Befugnisse, die in der Praxis allerdings überwiegend vom Bund wahrgenommen werden. 16 In allen anderen Angelegenheiten, die nicht explizit in der Verfassung genannt sind, liegt die Kompetenz grundsätzlich bei den Staaten, denen somit die sog. „residual power" zufällt. 17 Demzufolge sind die Staaten nicht nur für die gesamte Verwaltung, sondern insbesondere auch für die (ausgabenintensiven) Bereiche des Erziehungs-, Gesundheits-, Kultur- und Verkehrswesens zuständig. Über den „goldenen Zügel" der finanziellen Hilfe hat sich allerdings der Bund auch bei diesen Aufgaben ein (z.T. maßgebliches) Mitspracherecht verschafft. 18 Obwohl sich die folgende Analyse der FZ nur auf die Transferströme im bundesstaatlichen Finanzausgleich bezieht, soll kurz auch zum kommunalen Sektor Australiens Stellung genommen werden, nicht zuletzt um zu begründen, warum darauf nicht näher eingegangen wird. Zum einen existieren überhaupt nur knapp „900 general purpose local governments", 19 was angesichts der Ausdehnung des Kontinents erstaunlich wenig ist. 2 0 Zum anderen wird von den lokalen Körperschaften nur ein geringer Katalog von öffentlichen Aufgaben erfüllt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So weist z. B. R. L. Mathews 21 darauf hin, daß (1) die Größe zahlreicher lokaler Körperschaften (gemessen an der zu versorgenden Bevölkerung) unterhalb von ökonomisch notwendigen Mindestgrößen liege, (2) bei einigen kommunalen Entscheidungsträgern ein größeres Interesse daran bestehe, die Steuersätze niedrig zu halten, als für das den Kommunen übertragene Leistungsangebot zu sorgen, (3) (damit zusammenhängend) die Steuerbelastungen regional stark streuen und (4) Manipulationen „for the benefit of particular interest groups" 22 nicht auszuschließen seien. Nennenswerte kommunale Leistungen sind demzufolge in Australien im
15
Vgl.: Head, J. G., 1983, S. 188; ACIR, 1981, S. 6. So auch: Mathews, R. L., 1982, S. 153. 17 Vgl.: Head, J. G., 1983, S. 188. 18 Vgl.: Mathews, R. L., 1982, S. 153; Holmes, J./Sharman, C., 1977, S. 136. 19 ACIR, 1981, S.6. 20 So gibt es kommunale Einrichtungen, die eine Fläche von mehr als 300000 km 2 zu versorgen haben; vgl.: Chapman, R. J. K./Wood, M., 1984, S. 38 und 144. 21 Vgl.: Mathews, R. L., 1974, S. 224ff. 22 Ebenda, S. 226. 16
2. Australien
159
Grunde nur im Bereich des Straßenwesens und in jüngster Zeit auch im sozialen Bereich anzutreffen. 23 Die geringe Bedeutung der kommunalen Ebene kann man sich auch daran deutlich machen, daß ihre Ausgaben regelmäßig unter 10 v. H. der Bundesausgaben liegen,24 wohingegen diese Quote in der Bundesrepublik momentan etwa 60 v. H. beträgt. 25 Alles in allem überwiegt die Ansicht, daß die kommunalen Körperschaften in Australien „do not play a very important role in the overall scheme of things." 26 Da diese Einschätzung für die Gemeinden (und Gemeindeverbände) der Bundesrepublik sicherlich nicht zutrifft, wurde u. a. deswegen27 in dieser Arbeit auf einen Vergleich der FZ an die kommunale Ebene verzichtet. Durch die—unter föderativen Aspekten begrüßenswerte — Übertragung der „residual power" auf die australischen Staaten kommt ihnen im Rahmen der Aufgabenzuständigkeiten ein besonderes Gewicht zu, das sich auch in entsprechend hohen Ausgabenverpflichtungen niederschlägt. So haben die Ausgaben für Güter und Dienstleistungen der australischen Staaten im Jahr 1977 / 78 etwa 12 Mrd. A-$ betragen bei entsprechenden Ausgaben des Bundes im gleichen Zeitraum von knapp 6 Mrd. A-$. 2 8 Außerdem weisen die gesamten Ausgaben der Staaten seit Beginn der 70er Jahre deutlich höhere Zuwachsraten als die Bundesausgaben auf. 29 Damit stellt sich allerdings die Frage, ob bei der Verteilung der Steuerhoheit diesem „Übergewicht" der Staaten auf der Ausgabenseite Rechnung getragen und ihnen die Möglichkeit eingeräumt wurde, sich die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Einnahmen selbst zu beschaffen. Grundsätzlich bezieht sich die Aufteilung der Steuerhoheiten auf die Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenz. Da die letztere für Fragen des Finanzausgleichs von untergeordneter Bedeutung ist, 3 0 wird hier nur auf die beiden erstgenannten Aspekte eingegangen. Wie bei dem Abriß über die Aufgaben Verteilung schon angedeutet, haben Bund und Staaten in bezug auf die Steuergesetzgebung grundsätzlich konkurrierende Befugnisse. 31 Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz sind „customs and excise duties", also Zölle
23
Vgl.: ders., 1982, S. 153. Vgl.: Chapman, R. J. K./Wood, M., 1984, S. 37 und 69. 25 Vgl.: Finanzbericht 1985, S. 109 und 139; eigene Berechnungen. 26 ACIR, 1981, S.6. 27 Vgl.: Einleitung. 28 Vgl.: Mathews, R. L., 1978, S. 30ff. Bezieht man die Transferzahlungen mit ein, so ändert sich zwar das Bild, da im betrachteten Jahr der Bund Gesamtausgaben von gut 26 Mrd. A-$ und die Staaten (nur) von knapp 15 Mrd. A-$ aufweisen. Allerdings sind mit knapp 10 Mrd. über die Hälfte der Bundestransfers an die Staaten und Kommunen geflossen; vgl.: ebenda. 24
29 30 31
Vgl.: Wade, P. B., 1974, S. 36f. So auch: Gould, F., 1983, S. 58. Vgl. z.B.: Peffekoven, R., 1980, S. 619. So auch: ACIR, 1981, S. 29.
160
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
und Verbrauchsteuern, deren Ausgestaltung (und auch die Erträge) nach See. 90 der Australischen Verfassung alleine dem Bund vorbehalten sind. 32 Anders als in der Bundesrepublik Deutschland bedeutet in Australien die konkurrierende Gesetzgebung, „that both levels of government are free to draw from whatever revenue sources they choose to finance their peculiar functional responsibilities." 33 Insoweit ist eine Doppel- oder Mehrfachbesteuerung derselben Tatbestände durch den Bund und die Staaten in Australien nicht auszuschließen. Daß dieses Phänomen des „tax overlapping" gleichwohl praktisch nicht auftritt, 3 4 ist zum einen auf die Rechtsprechung des australischen Verfassungsgerichtshofes, des sog. „High Court", zurückzuführen, der die „excise duties" relativ weit interpretiert und dadurch verhindert hat, daß die Staaten im Bereich der Verbrauchsteuern Kompetenzen wahrnehmen können. 35 Zum anderen ist der Bund durch die Verfassung berechtigt, die Zahlung von FZ an bestimmte Voraussetzungen der Empfänger zu knüpfen. Eine der wichtigsten Empfangsauflagen, mit denen in der Vergangenheit FZ des Bundes ausgestaltet wurden, ist der Verzicht der Staaten auf die Erhebung bestimmter Steuern. So war insbesondere die Zahlung der noch zu diskutierenden „tax reimbursement grants" an die Auflage geknüpft, daß die Staaten keine eigenen Einkommenund Körperschaftsteuern erheben durften. 36 Beides hat zur Konsequenz, daß sich die australischen Staaten trotz ihres Verfassungsrechts aus der Gesetzgebung bei den quantitativ zu Buche schlagenden Steuern heraushalten. Ein Weiteres kommt hinzu: Auch die Lohnsummensteuer („payroll tax"), die die wichtigste Steuereinnahme der Staaten darstellt 37 und deren Gestaltung nach einem Beschluß der Premierminister-Konferenz aus dem Jahr 1970 alleine den Staaten vorbehalten sein sollte, 38 muß nach einer Entscheidung des australischen High Courts mit einem national einheitlichen Satz (von zur Zeit 5 v.H.) erhoben werden. 39 Demzufolge beschränkt sich die Objekthoheit der australischen Staaten auf wenige und vor allem wenig ergiebige Steuerarten, wie ζ. B. Erbschaft- und Schenkungsteuern („death and gift duties"), Glücksspielsteuern („gambling taxes, especially racing and lotteries") sowie eine ganze Reihe von Stempelabgaben („stamp duties"). 40 Inwie32
Vgl.: Mathews, R. L., 1982, S. 154; Sawer, G., 1974, S. 193. ACIR, 1981, S. 39. 34 Vgl.: ebenda. 35 Vgl. dazu: Sawer, G., 1974, S. 198; Mathews, R. L., 1982, S. 154; Martin, A. W., 1982, S. 39. 36 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.1. 37 Vgl.: Wade, P. B., 1974, S. 42; Sawer, G., 1974, S. 194f. So flössen z.B. im Haushaltsjahr 1977/78 fast 35 v.H. der gesamten Steuereinnahmen der Staaten aus der Lohnsummensteuer; vgl.: Mathews, R. L., 1978, S. 35. 38 Vgl.: ACIR, 1981, S.40. 39 Vgl.: ebenda. 40 Vgl.: Sawer, G., 1974, S. 196. 33
2. Australien
161
weit das zu Konsequenzen für die Gestaltung von FZ geführt hat, wird noch näher zu betrachten sein. 41 Auch bei der Verteilung des Steueraufkommens ist das australische System durch ein traditionell starkes Übergewicht des Bundes gekennzeichnet. Denn ihm flöß bis zur Mitte der 70er Jahre das Aufkommen aus den drei ertragreichsten Steuern (Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer) alleine zu. Bis 1942 konnten die Staaten zwar eigene Einkommensteuern erheben und haben dies auch getan. Aber zur Finanzierung seiner durch den Zweiten Weltkrieg verursachten militärischen Ausgaben hat sich der Bund mit der „Uniform Tax Legislation" von 1942 42 das Einnahmemonopol auch über diese Steuer verschafft, 43 das er — trotz gegenteiliger Ankündigungen — nach Beendigung des Krieges nicht wieder aufgab. Den Staaten wurden als Entschädigung zwar die schon genannten „tax reimbursement grants" zugestanden, die —jedenfalls in den ersten Jahren — im Vergleich zum Steueraufkommen, auf das die Staaten verzichten mußten, großzügig gestaltet waren. 44 I m Zeitverlauf entwickelten sich diese Transfers aber weniger dynamisch als das Aufkommen der Einkommensteuer, 45 und außerdem wurden den Staaten immer mehr Aufgaben übertragen, 46 so daß sich ihre finanzielle Situation im Vergleich zu der des Bundes im Laufe der Zeit deutlich verschlechterte. Auch die Versuche der Staaten, durch die Erhebung allgemeiner oder spezieller Verbrauchsteuern eine mit dem Wirtschaftswachstum reagible Einnahmequelle für sich zu aktivieren, scheiterten an der Rechtsprechung des High Courts, der alle diese Steuerarten zu den „excise duties" zählte und insoweit der alleinigen Gesetzgebungs- und Ertragshoheit des Bundes unterstellte. 47 Gleichwohl sind in Australien die Stimmen nie verstummt, die eines der großen Probleme des australischen Föderalismus darin sehen, daß den Staaten der Zugriff auf diese Einnahmequellen verweigert wird, und die sich deswegen für eine engere Interpretation des Begriffs der „excise duties" oder gar für eine Verfassungsänderung einsetzen.48 Bislang ist es aber hierzu noch nicht gekommen. 41
Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.2. Insgesamt wurden vier Gesetze verabschiedet, nämlich: „Income Tax Act", „Income Tax Assessment Act", „States Grants (Income Tax Reimbursement) Act" und „Income Tax (War-Time Arrangement) Act", in denen die Details der im folgenden grob beschriebenen Verteilung geregelt waren; vgl.: Bailey, Κ . Η., 1980, S. 309ff. 42
43
So auch: Head, J. G., 1983, S. 190; Hunter, J. S. H., 1980, S. 427. Vgl.: Head, J. G., 1983, S. 191. 45 Vgl.: ebenda, S. 193; Hunter, J. S. H., 1980, S. 430. 46 Vgl.: Burns, R. M., 1977, S. 84. 47 Einen Überblick über die Versuche und die zugehörigen Gerichtsentscheide gibt: Sawer, G., 1974, S. 198 ff. 48 Einer der Befürworter ist R. M. Burns, der das mögliche Steueraufkommen einer — dem amerikanischen oder kanadischen Vorbild angepaßten — „State Sales Tax" auf 44
11 Fischer
162
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Bis zur Mitte der 70er Jahre wurde demnach das australische Steueraufkommen nach einem separierenden Trennsystem verteilt, wobei dem Bund Einkommen-, Körperschaft- und sämtliche Verbrauchsteuern zugeteilt waren. Den Staaten standen in erster Linie die Lohnsummensteuer, Stempelabgaben vor allem auf Kredit- und Versicherungsverträge, Erbschaft- und Schenkungsteuern sowie eine Kraftfahrzeugsteuer („motor vehicle registration fee") und einige andere, kleinere Abgaben zu. Schließlich behielten die Kommunen die von ihnen ausgestaltete Vermögensteuer für sich ein. Infolge der — auch für die Steuersysteme der übrigen westlichen Industrieländer typischen — Dominanz von Einkommen-, Körperschaft- und Verbrauchsteuern (die letzten meistens in Form einer allgemeinen Umsatzsteuer) flössen dem Bund regelmäßig etwa 80% des gesamten australischen Steueraufkommens zu. 4 9 Unter Berücksichtigung der (wachsenden) Ausgabenverpflichtungen der Staaten ist das föderative System Australiens demnach lange Jahre durch eine — auch im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland 50 — große „vertical intergovernmental fiscal imbalance (vifi)" 5 1 gekennzeichnet gewesen, die sich darin äußerte, daß „states have inadequate powers to meet the demands for public spending" 52 . Oder, um es (über-)pointiert auszudrücken: „state and local governments . . . have been left only the crumbs from the tax man's (federal government, H. F.) table." 53 Erst mit dem Übergang zum „New Federalism" im Jahr 1976 wurde — sicher auch mit Blick auf die internationale Entwicklung, vor allem in Kanada 5 4 — der entscheidende Schritt zu einem Steuerverbundsystem getan. Denn durch den „States Personal Income Tax Sharing Act" von 1976 wird das Aufkommen der persönlichen Einkommensteuer seither zwischen dem Bund und den Staaten geteilt, und außerdem erhalten die kommunalen Körperschaften einen — wenn auch bescheidenen — Anteil von knapp 2% des Einkommensteueraufkommens. 55 Die Beteiligung der Staaten an der Einkommensteuer kann dabei noch in zwei Stufen unterteilt werden. Für das Haushaltsjahr 1975/76 wurde ihnen ein fester Prozentsatz der ausschließlich vom Bund zu gestaltenden Einkommensteuer in Höhe von 33,6% zugestanden.56 Ab 1977 waren die Staaten dann berechtigt, im knapp das Doppelte der für die Staaten bisher ertragreichsten Lohnsummensteuer schätzt; vgl.: Burns, R. M., 1977, S. 109. 49 Vgl.: ebenda, S. 104; Mathews, R. L., 1982, S. 173. 50 Vgl.: Hunter, J. S. H., 1980, S. 425. 51 Ebenda, S. 429. 52 Burns, R. M., 1977, S. 102f. 53 Mathews, R. L., 1974, S. 211. 54 Vgl.: Head, J. G., 1983, S. 194f. 55 Vgl.: Ebenda, S. 196. 56 Vgl.: Hunter, J. S. H., 1980, S.432.
2. Australien
163
Rahmen des sog. „piggy-back system" Zuschläge auf die vom Bund erhobene Einkommensteuer zu praktizieren und das entsprechende Aufkommen für sich einzubehalten.57 Da sich der Bund aber nicht bereit erklärte, je nach den von den Staaten erhobenen Zuschlagssätzen auf entsprechende Prozentpunkte seines Aufkommens zu verzichten, 58 haben die Staaten bis heute vom piggy-backVerfahren keinen Gebrauch gemacht, um vor allem die Steuerpflichtigen nicht zu stark zu belasten.59 Vielmehr begnügten sich sämtliche Staaten mit der pauschalen Überweisung eines bestimmten Prozentsatzes (1980: 39,87%) 60 vom Gesamtaufkommen der Einkommensteuer durch den Bund, der entsprechend der Pro Kopf-Anteile der bis 1975 gewährten „financial assistance grants" 61 auf die Staaten verteilt wurde und bei dem darüber hinaus durch eine Garantieklausel erreicht wurde, daß sich kein Staat durch den Übergang zum „New Federalism" in den ersten Jahren finanziell verschlechterte. 62 Insoweit kommt R. M . Burns zu Recht zu dem Urteil, daß durch den Übergang zum Verbundsystem die Staaten „a stabilized form of financial assistance payments", allerdings keinen „direct influence in the fiscal system" 63 erhalten haben. Welchen Einfluß der Übergang vom separierenden Trennsystem zu einem Mischsystem mit (kleinem) Steuerverbund auf das Ausmaß und die Gestaltung der FZ hat, wird weiter unten näher analysiert. 64 Zur Charakterisierung des australischen föderativen Systems sind noch zwei Institutionen von besonderer Bedeutung, durch die „Australia has had . . . a pioneering experience with instruments of intergovernmental co-operation" 65 . Zum einen existiert seit 1933 die sog. „Commonwealth Grants Commission" (im folgenden kurz: CGC), die sich nahezu ausschließlich mit Fragen des finanziellen Ausgleichs zwischen den verschiedenen Körperschaften im australischen Staatsaufbau beschäftigte. Da ihre Vorschläge weitestgehend in die Praxis der FZ umgesetzt wurden, wird hierauf noch näher einzugehen sein. 66 57
Ebenso waren die Staaten berechtigt, Abschläge von der Bundes-Einkommensteuer zu gewähren, die dann zu Einnahmeverlusten bei ihnen geführt hätten. Genau wie bei den Zuschlägen haben die Staaten bisher auf die Gewährung von Abschlägen verzichtet; vgl.: Head, J. G., 1983, S. 194. 58
Vgl.: Hunter, J. S. H., 1980, S.433. Hierin zeigt sich insoweit eine Parallele zur Bundesrepublik, als nach Art. 106 Abs. 3 GG bei der Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern u.a. darauf zu achten ist, daß „eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden . . . wird." 59
60
Vgl.: Head, J. G., 1983, S. 194. Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.1. 62 Vgl.: Burns, R. M., 1977, S. 126. 63 Ebenda, S. 127. 64 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.1. 65 Burns, R. M., 1977, S. 121. 66 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.1. Es ist noch anzumerken, daß anläßlich des 50jährigen Bestehens dieser Kommission im Jahre 1983 eine Festschrift erschienen ist, in der die personelle und konzeptionelle Entwicklung dargestellt wird; vgl.: CGC, 1983c. 61
11*
164
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Zum anderen gibt es eine — auch im internationalen Vergleich einmalige 67 — Kommission, die sich ausschließlich mit der öffentlichen Kreditaufnahme beschäftigt. Im Rahmen des schon 1928 ins Leben gerufenen „Australian Loan Council", dem die Regierungschefs des Bundes und sämtlicher Staaten angehören, wird nicht nur über die Höhe der vom Bund und den Staaten insgesamt einzugehenden Neuverschuldung, sondern auch über die Verteilung des Gesamtbetrages auf die verschiedenen Körperschaften entschieden.68 Aufgrund der Besetzung des Loan Council mit Vertretern des Bundes und eines jeden Staates ist hierin prima facie ein Gremium mit stark kooperativ-föderativem Charakter zu sehen. Wegen der geltenden Abstimmungsregeln 69 kommt dem Bund allerdings (erneut) ein so starkes Übergewicht zu, daß der Loan Council auch als „supralegislative body dominated by the Federal Government" 70 bezeichnet wird. So wird zur Verdeutlichung der vifi in Australien üblicherweise auch auf den Loan Council mit der dominierenden Rolle des Bundes hingewiesen,71 insbesondere da es sich nicht nur um ein Beratungsgremium handelt, sondern der Loan Council mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet ist in dem Sinn: „what it says goes" 72 . Alles in allem ist das australische System trotz der eindeutig föderativen Grundausrichtung durch einige zentralistische Tendenzen — vor allem auf der Einnahmenseite — gekennzeichnet. Während die Aufgabenzuständigkeiten und damit die Ausgabenverpflichtungen überwiegend den Staaten übertragen sind, kommt dem Bund auf der Einnahmenseite ein solches Übergewicht zu, daß das australische System auch als „functionally federal and financially unitary" 7 3 bezeichnet wird. Welche Konsequenzen diese fiskalische Dominanz des Bundes für das System der FZ in Australien hat, wird im Mittelpunkt dèr folgenden Betrachtung stehen.
67
Vgl.: Mathews, R. L., 1974, S. 215 F N 2. Vgl.: ACIR, 1981, S.31. 69 So kommen jedem Staat eine Stimme und dem Bund zwei Stimmen zu. Da sich bei Stimmengleichheit die Meinung des Bundes durchsetzt, braucht der Premier nur zwei Staaten von seiner Auffassung zu überzeugen, damit den Vorstellungen des Bundes entsprechend entschieden wird; vgl.: ACIR, 1981, S. 31. 70 Burns, R. M., 1977, S. 103. 71 Vgl.: Hunter, J. S. H., 1980, S. 427. 72 ACIR, 1981, S.31. 73 Holmes, J./Sharman, C., 1977, S. 136. Ähnlich urteilt R. M . Burns, der dem australischen Föderalismus das Image eines Paradoxons nachsagt: „While the country has operated with all the trappings of a federal system, in some respect this has been a facade, because the over-riding authority in most matters of vital importance has been exercised by the Commonwealth Government"; Burns, R. M., 1977, S. 121. 68
2. Australien
165
2.3. Finanzzuweisungen im bundesstaatlichen Finanzausgleich See. 96 der australischen Verfassung ermächtigt den Bund, „to make grants to the States on such terms and conditions as it thought fit." 74 Von diesem Recht hat der Bund im Laufe der Zeit zunehmend Gebrauch gemacht. U m das 1982 75 praktizierte System von FZ beurteilen zu können, empfiehlt es sich, einen kurzen Abriß der historischen Entwicklung der FZ zu geben, der unmittelbar an die gerade vorgenommene Charakterisierung des australischen föderativen Systems anknüpfen kann. Dabei beschränkt sich der historische Überblick auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, weil durch die schon angesprochene „Uniform Tax Legislation" von 1942 nicht nur ein markanter Einschnitt in das australische FZsystem erfolgte, 76 sondern auch der „Grundstein" der für die im Prinzip auch heute noch geltenden Verteilungsregeln gelegt wurde. U m die oben ermittelten theoretischen Erkenntnisse anwenden zu können, empfiehlt sich außerdem, die FZ noch in „Allgemeine F Z " und „Zweckgebundene F Z " zu unterteilen. 2.3.1. Allgemeine Finanzzuweisungen Die vom Bund an die Staaten übertragenen allgemeinen FZ dienen grundsätzlich zwei Zielen. Zum einen soll die durch die beschriebene Aufgaben- und Einnahmenverteilung entstehende vifi verringert werden, so daß das erste Ziel mit „vertikaler Umverteilung" beschrieben werden kann. Gleichzeitig versucht der Bund aber auch, mit den allgemeinen FZ die Unterschiede in den Finanzbedarfs- und -kraftrelationen zwischen den Staaten anzugleichen, so daß auch eine „horizontale Umverteilung" angestrebt wird. Hierzu bedient sich der Bund nicht nur speziell für diesen Zweck vergebener FZ, den sog. „special grants"; 77 sondern auch schon bei der Verteilung der für den vertikalen Ausgleich eingesetzten Finanzmasse auf die einzelnen Staaten wird diesen Unterschieden Rechnung getragen. In beiden Fällen handelt es sich um einen „vertikalen Finanzausgleich mit horizontaler Wirkung." 7 8 2.3.1.1. Vertikale Umverteilung Die Entwicklung der vom Bund mit dem Ziel der vertikalen Umverteilung geleisteten allgemeinen FZ zeigt die folgende Übersicht, die sich allerdings auf einige ausgewählte Jahre beschränkt, um die Aufmerksamkeit auf die markanten Änderungen zu lenken. 74
CGC, 1981a, Teil I, S. 2. Die Studien zum australischen Finanzausgleich wurden im wesentlichen im Jahr 1984 abgeschlossen, so daß sich die Zahlenangaben auf die damals vorliegenden Daten aus dem Jahr 1982 beziehen. 75
76 77 78
Vgl. dazu: ebenda, S. 2 f. Die Einzelheiten hierzu werden in Kap. 2.3.1.2. behandelt. Zu dieser Begriffsabgrenzung vgl. z.B.: Peffekoven, R., 1980, S. 608f.
166
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Übersicht 1 macht deutlich, daß sich das System der vertikalen Umverteilung in Australien in drei Zeiträume einteilen läßt. In der ersten Phase vom Zweiten Weltkrieg bis zum Ende der 50er Jahre wurde den Staaten auf der Grundlage der „Uniform Tax Legislation" die sog. „tax reimbursement grants" als Entschädigung für die bis dahin von ihnen erhobene Einkommensteuer gewährt. In den ersten Jahren ihrer Anwendung entsprachen diese „Entschädigungs-FZ" nicht nur vom Umfang her dem im Durchschnitt der Haushaltsjahre 79 1939/40 und 1940/41 von den Staaten erzielten Aufkommen der Einkommensteuer. Sondern auch die Verteilung der Gesamtsumme zwischen den Staaten erfolgte nach dem jeweiligen Anteil an der Einkommensteuer. Insoweit wurde das Prinzip des „örtlichen Aufkommens" auf die Verteilung der FZ übertragen, und „diese Zuweisungen hatten daher ursprünglich grundsätzlich keinen Umverteilungseffekt". 80 Nach Beendigung des Krieges entschloß sich der Bund, das Monopol bei der Einkommensbesteuerung nicht wieder aufzugeben. Daß die Staaten diese Entscheidung ohne großen Widerspruch akzeptierten, ist darauf zurückzuführen, daß für die Jahre 1946/47 und 1947/48 der Umfang der EntschädigungsFZ pauschal auf 80 bzw. 90 Mio. A-$ erhöht wurde. Darüber hinaus wuchsen von 1948/49 die „tax reimbursement grants" mit einer formelmäßigen Zuwachsrate, die in Abhängigkeit von der Entwicklung der Bevölkerungszahl und der durchschnittlichen Lohnsteigerungsrate festgelegt wurde. 81 M i t dem Übergang zu den jährlich wachsenden Entschädigungs-FZ wurde auch die Verteilung der Gesamtmittel auf die Staaten verändert. Denn an Stelle der bis dahin praktizierten „simple origin or derivation basis" 82 wurde schrittweise über einen 10-Jahres-Zeitraum 83 zu einer Verteilung nach einer veredelten Bevölkerungszahl übergegangen. 84 Wie die Übersicht zeigt, haben sich durch diese Änderungen die Anteile der einzelnen Staaten zuungunsten von New South Wales und Queensland und zugunsten der übrigen vier Staaten 79 Das Haushaltsjahr dauert in Australien jeweils vom 1. 7. eines Jahres bis zum 30. 6. des nächsten Jahres. 80 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 1977, S. 180. 81 Vgl.: CGC, 1981 a, Teil II, S. 5f. und die dort durchgeführte Beispielsrechnung für das Haushaltsjahr 1949/50 (vgl.: ebenda, S. 41 f.). Durch die Bindung an die Bevölkerungsentwicklung sollte einem wachsenden Finanzbedarf Rechnung getragen werden und durch die Berücksichtigung der Lohnsatzsteigerung — zumindest ansatzweise — ein Inflationsausgleich gewährt werden. 82 Head, J. G., 1983, S. 192. 83 Beginnend im Jahr 1948/49 wurden pro Jahr immer 10 v. H.-Punkte mehr nach der Einwohnerzahl und entsprechend weniger nach dem örtlichen Aufkommen der Einkommensteuer verteilt, so daß schließlich im Jahr 1957/58 der Gesamtbetrag nach der Bevölkerungszahl aufgeteilt wurde; vgl.: CGC, 1981a, Teil II, S. 6. 84
„Veredelt" wurde mit zwei Faktoren, durch die ein besonderer Finanzbedarf infolge von schulpflichtigen Kindern und einer geringen Bevölkerungsdichte anerkannt wurde; vgl.: ebenda, S. 24.
1970/71
'
33,19
30,54
30,71
30,64
30,61
30,63
30,81
31,69
'
24,75
22,73
22,65
22,78
22,81
22,87
22,99
24,04
18,10
17,59
17,66
17,93
17,77
17,47
16,51
8,65
9,26 11,32
8,62
11,82
11,01
10,69
>36
10
11,61
11,64
11,72
11,73
7,89 10,41
8,36
11,51
12,24
12,13
12,13
4,59
5,10
4,98
5,04
5,04
4,94
5,07 12,06
11,90
11,81
11,92
3,55 4,46
3,10
3,05
2,65
4,83
8,46
7,60
>24
4
Tasmania 7,05
11,76
>42
U
15,27
14 97
15,56 14,88
16,43
'
Western Australia
16,50
17,38
South Australia
>34
33 67 25
26,62 24,80
22,51
22,15
19,46
Queensland
b
) Ausgewählte Jahre. ) Daß in 1980/81 die auf diesem Weg transferierten Mittel im Vergleich zum Voijahr erstmals nicht gestiegen, sondern deutlich gesunken sind, ist darauf zurückzufuhren, daß der Bund seither beträchtliche allgemeine FZ in Form von „Health Grants" an die Staaten überweist; vgl. dazu: CGC, 1982 b, S. 240 ff. Quellen: CGC, 1981a, Teil II, S.31ff.; dies., 1982b, S.242.
5147,034
5415,910
1979/80
1980/8l )
4778,669
1978/79
a
4336,250
1977/78
3 675,985
3072,780
Tax Sharing
b
1418,518
1 647,293
1976/77
1975/76
1972/73
Personal Income
Grants
37,12 34,13
40,98
41,19
45,86
757 351
349,126 489,000
1958/59 1959/60
1965/66
107,448
1948/49
Financial Assistance
80,000
1946/47
Grants
66,978
1942/43
davon in v. H. Summe (Mio A-$) Victoria Wales
Gesamt-
Tax Reimbursement
System Jahr
Übersicht 1: Entwicklung der vertikalen Umverteilung in Australien*)
2. Australien 167
168
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
verschoben. Bemerkenswert ist hierbei vor allem die relative Verbesserung des einkommensteuerstarken Staates Victoria. Diese ist auf seine große Bevölkerungszahl zurückzuführen, die in Relation zu den anderen Staaten noch deutlich über seinem Anteil am Aufkommen der Einkommensteuer lag. 85 Schon seit Einführung des Systems der „tax reimbursement grants" hat der Bund daneben weitere allgemeine FZ an die Staaten gezahlt, die vor allem dem horizontalen Ausgleich dienen sollten. 86 Während diese Mittel allerdings in den ersten Jahren jeweils nur knapp 10 v.H. der „tax reimbursement grants" ausmachten, stiegen sie in den folgenden Jahren mit deutlich höheren Wachstumsraten und hatten gegen Ende der 50er Jahre einen Umfang von fast 30 v. H. der Entschädigungs-FZ erreicht. „Additional general revenue assistance to augment the formula entitlements became the rule rather than the exception." 87 Hierdurch wuchs die Unzufriedenheit der Staaten über die vertikale Einnahmenverteilung, da diese „supplementary assistance" weitgehend ad hoc gezahlt wurde und insoweit von den Staaten kaum in ihren Haushaltsplänen antizipiert werden konnte. Die Forderungen der Staaten nach einer deutlichen Erhöhung der ihnen formelmäßig zugewiesenen finanziellen Mittel erfüllte der Bund im Jahr 1959/60 mit dem Übergang zum System der , financial assistance grants ", der zweiten Phase im System der vertikalen Umverteilung. Übersicht 1 zeigt, daß der Gesamtbetrag der „financial assistance grants" im Vergleich zu den „tax reimbursement grants" um knapp 140 Mio. A-$ erhöht wurde. Damit lag er noch um gut 35 Mio. A-$ über den im Vorjahr insgesamt gezahlten allgemeinen FZ, also inklusive den zur horizontalen Umverteilung vergebenen, 88 so daß der Bund für dieses Jahr den Forderungen der Staaten durchaus gerecht geworden war. Die Beteiligungsquoten der Staaten an diesem Gesamtbetrag wurden — abgesehen von einigen geringfügigen Verschiebungen 89 — auf die Anteile festgelegt, die sie im Vorjahr aus den insgesamt gezahlten allgemeinen FZ erhalten hatten. I m Vergleich zu der Verteilung der „tax reimbursement grants", die ja nach der (veredelten) Bevölkerungszahl erfolgt war, ergab sich — wie Übersicht 1 zeigt — eine Erhöhung der Anteile der drei bevölkerungsärmsten und auch finanzschwächsten Staaten, denen in erster Linie die sonstigen allgemeinen FZ zugeflossen waren. In den folgenden Jahren wurden die Anteile der Staaten jeweils so ermittelt, daß die Fortschreibungsregel, die sich bei den „tax reimbursement grants" auf den Gesamtbetrag bezogen hatte, nun auf die den einzelnen Staaten zugewiese85 86 87 88 89
Vgl.: ebenda, S. 31. Zu Einzelheiten vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.4. CGC, 1981a, Teil II, S.44. Vgl.: ebenda, S. 34. Vgl. dazu: ebenda, S. 45.
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nen Beträge angewendet wurde. Insoweit diente die Verteilung im Jahr 1959/60 als Basis, und Verschiebungen zwischen den Staaten konnten sich nur infolge von unterschiedlichen Entwicklungen der Wachstumsraten der Bevölkerungszahlen und der Löhne ergeben. Die hierfür maßgebliche Fortschreibungsregel war mit dem Übergang zu den „financial assistance grants" um eine weitere Komponente vergrößert worden. Denn neben der bisher schon berücksichtigten Entwicklung der Bevölkerungszahl und der (bundes-)durchschnittlichen Lohnsatzsteigerung wurde der Zuwachs der „financial assistance grants" an einen weiteren Indikator, den sog. „betterment factor" 9 0 , gebunden, der zuerst als fester Prozentsatz der berücksichtigten Lohnentwicklung 91 und später pauschal auf 1,2 v. H. (1965 / 66) bzw. I,8 v. H. (1971 / 72) festgelegt wurde. M i t ihm sollte dem steigenden öffentlichen Bedarf Rechnung getragen werden, dem sich in Australien insbesondere die Staaten gegenübersahen. Da bei dieser Fortschreibungsregel sowohl die durchschnittliche Lohnerhöhung als auch der betterment factor für alle Staaten einheitlich festgelegt wurden, konnten sich die angesprochenen Verschiebungen zwischen den Staaten nur aufgrund einer unterschiedlichen Bevölkerungsentwicklung ergeben. 92 Insoweit überrascht es auch nicht, daß sich zwischen 1959/60 und 1970/71 der Anteil keines Staates um mehr als 1,5 v.H.-Punkte verschoben hat. 9 3 Allerdings brachte der Übergang zu den „financial assistance grants" nur einige Jahre Ruhe in die vertikale Einnahmenverteilung in Australien. Denn trotz der zusätzlichen Dynamisierung über den betterment factor ergaben sich nach Ansicht der Staaten zu geringe Zuwachsraten. Als Begründung wiesen die Staaten neben ihren stärker steigenden Ausgabenverpflichtungen 94 vor allem auf das sich wesentlich dynamischer entwickelnde Aufkommen der Einkommensteuer hin, das alleine dem Bund zufloß. 95 Deswegen sah sich der Bund veranlaßt, zwischen 1965 / 66 und 1975 / 76 eine ganze Reihe von Verbesserungen am System der „financial assistance grants" zugunsten der Staaten vorzunehmen. Ohne hier auf sämtliche Details einzugehen,96 seien die mehrfache 90
Vgl.: Head, J. G., 1983, S. 192. Bis 1964/65 wurden als betterment factor 10 v.H. der Lohnsteigerungsrate angewendet, so daß bei einer durchschnittlichen Lohnerhöhung um 4 v. H. die financial assistance grants um zusätzliche 0,4 ν. Η . steigen würden; vgl.: CGC, 1981 a, Teil II, S. 46. 92 So auch: ebenda. 93 Vgl.: ebenda, S. 34ff.; eigene Berechnungen. Übersicht 1 gibt hierzu nur ein unvollständiges Bild, da sich in einem nicht erfaßten Jahr tatsächlich eine Verschiebung von knapp 1,5 v.H.-Punkten ergeben hatte. 94 Während sich die financial assistance grants zwischen 1959/60 und 1965/66 mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 7,6 v. H. entwickelten (vgl.: CGC, 1981 a, Teil II, S. 34f.; eigene Berechnungen), erhöhten sich im gleichen Zeitraum die Ausgaben der Staaten um durchschnittlich 9,2 v.H. p.a. (vgl.: Wade, P. B., 1974, S. 37). 95 Vgl.: Head, J. G., 1983, S. 193f.; Hunter, J. S. H., 1980, S. 430. 96 Vgl. dazu: CGC, 1981 a, Teil II, S. 46ff. 91
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2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Erhöhung des betterment factors und die wiederholte pauschale Vergrößerung des Gesamtbetrages über das mit der Fortschreibungsregel bestimmte Niveau hinaus erwähnt. Da diese zusätzlichen Mittel jeweils auch die Basis für die folgenden Jahre vergrößerte, führten diese Beträge nicht nur im Jahr ihrer Vergabe, sondern auch für die folgenden Jahre zu einer dauerhaften Erhöhung der „financial assistance grants". Andererseits nahm der Bund zu Beginn der 70er Jahre auch einige Abzüge von den insgesamt zu transferierenden Beträgen vor. Erwähnt seien hier nur die sog. „offsets" im Zusammenhang mit der Übertragung der Lohnsummensteuer an die Staaten im Jahr 1971 und infolge der Erhöhung der zweckgebundenen FZ des Bundes im Jahr 1973/74. 97 Insbesondere die Anrechnung der Einnahmen aus der Lohnsummensteuer war ein kompliziertes Verfahren, da die potentiellen Einnahmen der Staaten geschätzt werden mußten und der Bund außerdem einige Abzüge von diesen Abzügen gestattete.98 Durch diese nach unterschiedlichen Kriterien verteilten Zuschläge bzw. Abzüge verschoben sich seit Beginn der 70er Jahre auch wieder die Anteile zwischen den Staaten. Übersicht 1 macht deutlich, daß die beiden „reichsten" Staaten New South Wales und Victoria relative Verluste hinnehmen mußten, während die übrigen vier Staaten ihre Anteile erhöhen konnten. Alles in allem hatten bis zur Mitte der 70er Jahre die am System der „financial assistance grants" vorgenommenen Erweiterungen auf der einen Seite und Abzüge auf der anderen Seite ein solches Gewicht gewonnen, daß von dem ursprünglichen Konzept nicht mehr viel zu erkennen war. Außerdem war schon seit Mitte der 60er Jahre eine erneute starke Zunahme der sonstigen allgemeinen FZ des Bundes zu verzeichnen gewesen, die in den ersten Jahren der „financial assistance grants" nicht nur auf die beiden „ärmsten" Staaten South Australia und Tasmania beschränkt, sondern auch in ihrem Umfang deutlich reduziert worden waren. M i t den wachsenden Ausgabenverpflichtungen der Staaten mehrten sich ihre Anträge auf zusätzliche Unterstützungen durch den Bund, so daß seit 1966 / 67 wieder alle Staaten — allerdings in unterschiedlichem Ausmaß — an diesen sonstigen allgemeinen FZ partizipierten. 99 Insoweit war auch das mit dem Übergang zu den „financial assistance grants" verfolgte Ziel, die sonstigen allgemeinen FZ auf Dauer zu verringern, 100 im Grunde schon einige Jahre nach ihrer Einführung nicht mehr erfüllt. Dennoch dauerte es bis zur Mitte der 70er Jahre, bis sich Bund und Staaten über eine erneute grundsätzliche Änderung des Systems einigen konnten. Neben der vom Bund immer wieder vorgenommenen (Netto-)Erhöhung der für
97
Vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 2.3.2. Die Einzelheiten können erneut nachgelesen werden bei: CGC, 1981 a, Teil II, S. 47 f. 99 Vgl.: CGC, 1981a, Teil II, S. 35ff. 100 Vgl.: ebenda, S. 8. 98
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„financial assistance grants" zur Verfügung gestellten Mittel lag das auch an der Uneinigkeit der Staaten. Denn während die finanzkräftigeren Staaten schon einige Jahre ihre Bereitschaft bekundet hatten, als Ersatz für die FZ eine Beteiligung an der persönlichen Einkommensteuer zu akzeptieren, plädierten die finanzschwächeren Staaten für die Beibehaltung des FZ-Systems des Bundes. 101 Erst der nach der Verfassungskrise Ende 1975 an die Regierungsverantwortung gekommenen Liberal-Nationalen Partei gelang es unter Ministerpräsident M . Frazer, die Zustimmung der Staaten zum Übergang vom streng separierenden Trennsystem zu einem Steuerverbundsystem zu erhalten. Im Rahmen der von der neuen Regierung betriebenen „New Federalism Policy" 1 0 2 sollte das fiskalische Ungleichgewicht zwischen Bund und Staaten dadurch beseitigt werden, daß den Staaten eine größere Autonomie in bezug auf ihre Einnahmenentscheidungen eingeräumt und sie außerdem an einer sich dynamisch entwickelnden Steuerquelle beteiligt werden sollten. 103 Hierzu wurde im Jahr 1976 / 77, dem Beginn der dritten und bisher letzten Phase im System der vertikalen Umverteilung, von den „financial assistance grants" zum „personal income tax sharing" übergegangen. Die Beteiligung der Staaten 104 an der persönlichen Einkommensteuer wurde zwischen Bund und Staaten in einem Katalog von 35 „Points of Understanding" 105 vereinbart. Danach sollte einem zweistufigen Verfahren gefolgt werden. In der ersten Stufe wurde den Staaten „nur" ein fester Prozentsatz der vom Bund weiterhin alleine auszugestaltenden Einkommensteuer zugesprochen. Von 1977/78 an, dem Beginn der zweiten Stufe, erhielten die Staaten darüber hinaus das Recht, zu den vom Bund erhobenen Steuersätzen Zuschläge zu erheben („impose surcharges") oder Rückerstattungen zu gewähren („grant rebates"), die die Steuerzahler belasteten bzw. begünstigten. Ob in Australien mit dem Übergang zum „personal income tax sharing" tatsächlich ein Steuerverbund ins Leben gerufen wurde, erscheint zumindest fraglich, wenn man sich die praktizierten Regeln im einzelnen ansieht. Denn — um mit der Erhöhung der finanziellen Autonomie zu beginnen — von der Möglichkeit, die Bundessteuersätze zu erhöhen bzw. zu senken, also dem sog. „piggy-back system", 106 hat bis 1982 keiner der australischen Staaten Gebrauch gemacht. 107 Als Begründung wurde auf die hohen Bundessteuersätze hingewie101 Hierin zeigt sich eine Parallelität zur gegenwärtigen Diskussion um die Reform der Ergänzungszuweisungen in der Bundesrepublik Deutschland; vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.1.3. 102
So auch: Burns, R. M., 1977, S. 126; Mathews, R. L., 1978, S. 100. Vgl.: Head, J. G., 1983, S. 194f.; Holmes, J./Sharman, C., 1977, S. 151; Hunter, J. S. H., 1980, S. 432. 103
104 Auf die gleichzeitig eingeführte (minimale) Beteiligung auch der kommunalen Ebene wird im folgenden nicht eingegangen. 105 106 107
Wiederabgedruckt in: CGC, 1981 a, Teil II, S. 26 ff. Vgl.: Hunter, J. S. H., 1980, S.432. Vgl.: Mathews, R. L., 1982, S. 156.
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sen, die wegen der damit verbundenen disincentive-Wirkungen einer weiteren Erhöhung entgegenstünden. Gegen die auf der anderen Seite eingeräumte Möglichkeit der Senkung der Steuersätze sprachen fiskalische Überlegungen. 108 Insoweit war die angestrebte Erhöhung der Finanzhoheit der Staaten erst einmal nur auf dem Papier erreicht. Aber auch hinsichtlich der grundsätzlichen Aufteilung der Einkommensteuer zwischen Bund und Staaten sind Zweifel angebracht, ob mit dem „personal income tax sharing" etwas grundlegend Neues geschaffen wurde. Denn für das erste Jahr wurde die Verbundquote der Staaten so berechnet, daß der Umfang der „financial assistance grants" des Jahres 1975/76 (vgl. Übersicht 1) auf das vom Bund in diesem Jahr erzielte Aufkommen aus der Einkommensteuer (etwa 9150 Mio. A - $ ) 1 0 9 bezogen wurde, und dementsprechend auf 33,6 v.H. festgelegt. Insoweit wurde die vertikale Verteilung der finanziellen Mittel zwischen Bund und Staaten des Jahres 1975/76 als Basis akzeptiert. Der so festgelegte Prozentsatz sollte nach den „Points of Understanding" jeweils auf die Einkommensteuereinnahmen des Bundes im laufenden Haushaltsjahr bezogen werden. Allerdings ergab sich schon im ersten Jahr der Anwendung das Problem, daß das genaue Aufkommen der Einkommensteuer erst nach Abschluß des Haushaltsjahres bekannt wurde und demzufolge der Anteil für die Staaten nachträglich korrigiert werden mußte. u p „ I n order to reduce the uncertainty about the effect on entitlements of differences between actual and estimated tax collections" 111 , wurde im Jahr 1977 beschlossen, daß die Verbundquote grundsätzlich auf das Einkommensteueraufkommen des vorangegangenen Jahres bezogen werden sollte. Dem wollten die Staaten aber nur zustimmen, wenn gleichzeitig der ihnen zustehende Anteilssatz erhöht wurde. Deswegen erklärte sich der Bund bereit, für das Jahr 1977/78 den Staaten aus seinem Einkommensteueraufkommen einen fixierten Betrag von gut 4336 Mio. A-$ zur Verfügung zu stellen. 112 Die vom folgenden Jahr an geltende Verbundquote wurde dann so ermittelt, daß dieser Betrag auf das Einkommensteueraufkommen des Vorjahres von 10 877 Mio. A-$ bezogen wurde. Demnach standen seit 1978 / 79 den Staaten pro Jahr 39,87 v. H. des Einkommensteueraufkommens des Bundes des vorangegangenen Jahres zur Verfügung. Allerdings galt alles, was bisher zu der Verbundquote gesagt wurde, nur grundsätzlich. Denn die „Points of Understanding" enthielten darüber hinaus noch zwei Garantieklauseln für die Staaten, von denen die zweite näher 108
So auch: Hunter, J. S. H , 1980, S. 433. Vgl.: CGC, 1981a, Teil II, S. 56. 110 Vgl.: ebenda, S. 61. 111 Ebenda, Teil I, S. 2. 112 Dieser Betrag lag damit um gut 50 Mio. A-$ über dem nach den vereinbarten Verteilungsregeln berechneten; vgl.: Mathews, R. L., 1978, S. 122. 109
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betrachtet werden muß. 1 1 3 Sie lautete nämlich, daß während der ersten vier Jahre des Steuerverbundes keinem Staat weniger Mittel aus der Einkommensteuerbeteiligung zufließen würden, als ihm bei Fortgeltung des Systems der „financial assistance grants" zugestanden hätten. 114 Und zur Überraschung wohl aller Beteiligten kam diese Mindestgarantie in jedem Jahr ihrer Gültigkeit zur Anwendung, und zwar in 1976/77 und 1978/79 für alle Staaten mit Ausnahme von Queensland, in 1977/78 nur für Tasmania und in 1979/80 sogar für alle Staaten. 115 Als Begründung hierfür kann auf zweierlei hingewiesen werden: — Die kräftige Erhöhung sowohl des Gesamtbetrages der „financial assistance grants" wie auch des „betterment factors" im Jahr 1975 führte zu entsprechend hohen (fiktiven) Wachstumsraten in den folgenden Jahren. — Das Aufkommen der Einkommensteuer wuchs seit Mitte der 70er Jahre mit geringeren Wachstumsraten, was zum einen auf die 1976 in Australien eingeführte Indexierung der persönlichen Steuern 116 und zum anderen auf die Abschwächung der konjunkturellen Entwicklung und die demzufolge nur wenig steigenden Einkommen zurückgeführt wurde. 117 Demnach wurde in den ersten vier Jahren der Steuerverbundregelung der an die Staaten zu übertragende Gesamtbetrag nicht durch die Verbundquote, sondern durch die Garantieklausel und damit (im wesentlichen) entsprechend den Regelungen im Rahmen der „financial assistance grants" festgelegt. Auch die Verteilung des Gesamtbetrages, der den Staaten durch die Steuerverbundregelung zugestanden wurde, lehnte sich eng an die Verhältnisse der „financial assistance grants" an. Denn als Verteilungskriterium dienten die von den Staaten im Jahr 1975/76 jeweils erhaltenen Pro Kopf-Beträge dieser F Z . 1 1 8 Da die einzelnen Staaten an den „financial assistance grants" überwiegend nach ihrer (veredelten) Bevölkerungszahl partizipierten, überrascht es nicht, daß sich durch den Übergang zum Steuerverbundsystem kaum Verschiebungen zwischen den Staaten ergaben, wie auch Übersicht 1 zeigt. Fassen wir zusammen, so fallt auf, daß der vom Begriff her markante Übergang von den „financial assistance grants " zum „personal income tax sharing" von der Sache her im wesentlichen eine Fortschreibung der bisher geltenden Regelungen war. „The only effective difference between the taxsharing arrangements and the system of financial assistance grants which they 113
Der ersten Garantie, daß kein Staat in einem Jahr absolut weniger erhalten würde als im Vorjahr, kam keine praktische Relevanz zu; vgl.: Nr. 11 der „Points of Understanding"; CGC, 1981 a, Teil II, S. 27. 114 Vgl.: ebenda. 115 Vgl.: ebenda, S. 57. 116 Vgl.: Hunter, J. S. H., 1980, S.433f. 117 Vgl.: ACIR, 1981, S. 51. 118 Vgl.: Nr. 13 der „Points of Understanding"; CGC, 1981a, Teil II, S. 27.
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replaced has concerned the method of calculating the state revenue entitlements." 119 Da aber der Bund auch vorher schon durchaus bereit war, den an die Staaten übertragenen Gesamtbetrag ad hoc bei bestimmten Sonderbedürfnissen zu erhöhen, stellt sich die Frage, was der Übergang zum Steuerverbundsystem für die Staaten letztendlich gebracht hat. Die vertikale Einnahmenverteilung in Australien hat sich zwar von einem streng separierenden Trennsystem, bei dem die zu geringe finanzielle Leistungsfähigkeit der Staaten über FZ, zuerst in Form der „tax reimbursement grants", später mit Hilfe der „financial assistance grants", ausgeglichen wurde, zu einem formellen Steuerverbundsystem entwickelt. Allerdings sind sowohl die Möglichkeiten der Staaten, die Höhe des Steueraufkommens aktiv mitzugestalten, als auch die prozentuale Beteiligung keine durchgreifenden Verbesserungen für ihre finanzielle Situation gewesen. Dies zeigt sich auch durch die im Jahr 1981 verabschiedete erneute Reform. Als sich nämlich für das Haushaltsjahr 1981/82 eine drastische Erhöhung des Einkommensteueraufkommens und damit der Verbundsteuereinnahmen für die Staaten abzeichnete, wurde der Steuerverbund zwar auf alle Steuereinnahmen des Bundes erweitert. Gleichzeitig wurde aber die Verbundquote auf 20,72 v. H. verringert, so daß sich die Staaten deutlich schlechter standen als nach der bisherigen Regel. 120 Insoweit ist in Australien auch weiterhin von einer beträchtlichen vifi auszugehen. Allerdings wird im Zusammenhang mit der vertikalen Einnahmenverteilung schon ein deutlicher Beitrag zum horizontalen Ausgleich zwischen den Staaten geleistet. Denn im Vergleich zu ihrem Pro Kopf-Einkommen erhalten die beiden „reichsten" Staaten New South Wales und Victoria erheblich geringere Anteile und die vier vergleichsweise „ärmsten" Staaten entsprechend mehr. Gleichwohl beschränkt sich die horizontale Umverteilung zwischen den Staaten nicht auf diese Regelungen, sondern darüber hinaus werden zu diesem Zweck weitere allgemeine FZ vom Bund vergeben, auf die jetzt einzugehen ist. 2.3.1.2. Horizontale Umverteilung Wie aus Übersicht 1 ersichtlich, ist es in Australien schon im Zuge der Entwicklung der vertikalen Mittelverteilung zu einer horizontalen Umverteilung zwischen den Staaten gekommen. Darüber hinaus zahlt der Bund weitere allgemeine FZ, die dem Ziel des horizontalen Finanzausgleichs dienen. Hierbei sind zwei Kategorien von FZ zu unterscheiden. Als erstes sind die „supplementary assistance grants" zu nennen, 121 deren Zuordnung zum horizontalen Aspekt allerdings nicht eindeutig ist. Denn ein 119 120
ACIR, 1981, S. 51. Vgl. dazu: CGC, 1983c, S. 127f.; Groenwegen, P., 1983, S. 305; King, D. Ν., 1984,
S. 189. 121
Einen Überblick über die quantitative Entwicklung gibt: CGC, 1981 a, Teil II, S. 73.
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Teil dieser „Ergänzungszuweisungen" wurde in einigen Jahren explizit zur Verbesserung der vertikalen Einnahmenverteilung vergeben, bei der in diesen Jahren — auch nach Ansicht des Bundes — den Staaten zu wenig Mittel zugeflossen waren. Die Verteilung dieser ergänzenden FZ folgte deswegen auch der der jeweiligen „formula entitlements", also der „tax reimbursement -" bzw. „financial assistance grants", und stellte insoweit keine darüber hinausgehende (horizontale) Umverteilung dar. Daß der Bund nicht einfach die finanzielle Masse der „formula entitlements" erhöhte, sondern den Umweg über die „supplementary assistance grants" wählte, ist darauf zurückzuführen, daß diese Mittel eben „ergänzend" gezahlt wurden und deswegen die Basis für die kommenden Jahre nicht vergrößerten, so daß für den Bund keine kumulative Erhöhung der zu zahlenden Transfers eintrat. 122 Darüber hinaus konnten die Staaten aber auch auf Antrag „supplementary assistance grants" erhalten, wenn sie mit besonderen wirtschaftlichen und / oder finanziellen Problemen konfrontiert waren. Insbesondere in Zusammenhang mit Naturkatastrophen (1955/56: Hochwasser in New South Wales; 1966/67: Dürre in Victoria, Queensland und South Australia) deckte der Bund einen Teil des (außerordentlichen) Finanzbedarfs auf diesem Wege. Da seit dem Übergang zum „personal income tax sharing" auf die Vergabe von „supplementary assistance grants" verzichtet wurde, 1 2 3 wird hierauf nicht näher eingegangen. Die für die horizontale Umverteilung bedeutendere zweite Kategorie der FZ stellen die „special grants" dar. Wichtiger ist diese Art vor allem deshalb, weil mit ihr in — auch im internationalen Vergleich — einmaliger Art versucht wird, Unterschiede in den relativen Finanzkraft- und -bedarfspositionen der Staaten systematisch zu erfassen und mit Hilfe der FZ des Bundes anzugleichen. Zur Terminologie ist zu bemerken, daß es sich hierbei um allgemeine, also nicht zweckgebundene FZ handelt, obwohl der Name „special grants" Assoziationen zu für spezielle Zwecke vergebene FZ wecken könnte. 1 2 4 Der Einsatz der „special grants" ist den Staaten freigestellt, und sie brauchen dem Bund auch keine Rechenschaft über die Verwendung zu geben. Des weiteren ist zum Begriff zu bemerken, daß synonym auch die Bezeichnungen „special assistance grants" oder „special financial assistance grants" verwendet werden; 125 wir beschränken uns im folgenden auf die Kurzbezeichnung. Schon seit 1910 vergab der Bund solche special grants an finanziell weniger leistungsfähige Staaten. Allerdings beruhten damals diese Zahlungen auf einer „ad hoc basis without reference to any consistent principle". 1 2 6 Im Grunde 122
Vgl.: ebenda, S. 62. Vgl.: ebenda, S. 72. 124 Die Spezifizierung, die mit dieser Bezeichnung angedeutet werden soll, bezieht sich nicht auf bestimmte Zwecke, sondern auf die gezielte Auswahl der Staaten, denen diese Mittel zufließen. 125 Vgl. z.B.: ACIR, 1981, S. 49; Mathews, R. L., 1982, S. 157. 126 Mathews, R. L., 1975/76, S. 66 (Hervorhebung im Original). 123
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wurden diese Transfers völlig unsystematisch zwischen den Staaten verteilt, was zu einem wachsenden Widerstand gegen diese Regelungen und Anfang der 30er Jahre sogar zu Separationsbewegungen von (mindestens) drei Staaten führte. 127 Deswegen sah sich der Bund veranlaßt, im Jahr 1933 die „Grants Commission", heute: „Commonwealth Grants Commission", ins Leben zu rufen. Diese aus nur sechs Mitgliedern bestehende und von Weisungen der Bundes- oder Staatsregierungen unabhängige Einrichtung hatte zur Aufgabe, „(to make) recommendation in respect of applications by states for grants of special financial assistance from the Commonwealth under section 96 of the Constitution." 12 8 Hierzu hat die Kommission „sophisticated methods of measuring financial needs" 129 entwickelt, und bisher hat sich der Bund immer nach diesen sorgfältig erarbeiteten Vorschlägen der Kommission gerichtet. 130 U m diese recht komplizierten Verfahren beurteilen zu können, werden im folgenden zuerst der methodische Ansatz der CGC und anschließend die bei der Finanzkraft- und -bedarfsermittlung berücksichtigten Komponenten vorgestellt. 2.3.1.2.1. Methode Schon in ihrem dritten — von mittlerweile fünfzig 131 — jährlich erstellten „Report on Special Assistance for States" im Jahr 1936 hatte die Kommission das auch heute noch geltende grundsätzliche Ziel der Vergabe der special grants beschrieben. Danach sollen die Staaten durch diese FZ in die Lage versetzt werden, „by reasonable effort to function at a standard not appreciably below the standards of other States". 132 Zu diesem Zweck werden die Staaten in zwei Klassen eingeteilt. Als „Standard" der öffentlichen Leistungen und auch der steuerlichen Belastungen wird der Durchschnitt der in den beiden „reichsten" Staaten, New South Wales und Victoria, praktizierten fiskalischen Parameter gewählt. Deswegen werden diese beiden Staaten auch als „standard states" bezeichnet.133 Wenn nun einer der anderen Staaten, die unter diesem Standard liegen, eine Unterstützung über special grants beantragt, vergleicht die CGC die 127
Vgl.: ebenda, S. 62. CGC, 1982a, S. 1 (Hervorhebung vom Verf.). 129 Mathews, R. L., 1982, S. 157. 130 Vgl.: CGC, 1981a, Teill, S. 24. 131 Vgl.: CGC, 1983b, S. 1. 132 CGC, 1936, S. 75. Zitiert nach: Mathews, R. L., 1975/76, S. 67. Diese Formulierung findet sich außerdem am Anfang einer jeden Berichterstattung der folgenden Jahre; vgl. z.B.: CGC, 1982a, S. 4. 133 Früher wurde der Durchschnitt aller nicht durch „special grants" unterstützten Staaten als Standard angewendet. Seit 1961 beschränkt sich die CGC auf die beiden oben genannten Staaten; vgl.: CGC, 1981 a, Teil II, S. 14. Man wird davon ausgehen können, daß die FZ an die finanzschwächeren Staaten durch diese Umstellung gestiegen sind, da das Leistungsangebot der beiden „reichsten" über dem der anderen Staaten liegen dürfte. 128
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„fiscal capacity" dieses sog. „claimant state" mit der der standard states „taking into account differences in revenue-raising capacity and differences in the cost of providing comparable services." 134 Die von der Kommission hierzu durchgeführten Berechnungen der Finanzkraft- und -bedarfsrelationen haben sich über einen Zeitraum von etwa vierzig Jahren kaum verändert. 135 Erst im Jahr 1974 ist die Konzeption in zwei materiell wichtigen Punkten geändert worden, auf die kurz hingewiesen werden soll. Zum einen ist seit diesem Termin die bis dahin berücksichtigte Budgetsaldokomponente weggefallen, die dem Zweck diente, „to reduce the claimant state's budget deficit to an appropriate non-claimant standard." 136 Da Budgetdefizite, allgemeiner -Salden, Resultate der jeweiligen Ausgaben- und Einnahmenentscheidungen sind, war ihre eigenständige Berücksichtigung neben der „revenue component" und der „expenditure component" von Anfang an umstritten und wurde vor allem mit der allgemein-politischen Bedeutung der Defizite begründet, die den separaten Ausweis geboten erscheinen ließ. 137 Die Änderungen des Systems in 1974 sollten grundsätzlich dem Ziel dienen, die Höhe der special grants von den im jeweiligen claimant state realisierten Ausgaben und Einnahmen unabhängig zu machen, 138 so daß es nur konsequent war, daß der jeweilige Budgetsaldo seither keinen Einfluß mehr auf den Umfang der Unterstützungszahlungen hat. Damit ist auch schon die zweite Änderung angesprochen. Denn vor 1974 gingen in die Berechnung der „revenue component" und der „expenditure component" die geleisteten Ausgaben und die erzielten Einnahmen des claimant state ein. Vergleichbar den oben vorgestellten theoretischen Konzepten Nr. 1 und 2 von R. A. Musgrave 139 ergab sich bis dahin die special grant — abgesehen von der Budgetsaldokomponente - aus der Summe zweier Differenzen. Zum einen wurden von den tatsächlichen Einnahmen diejenigen abgezogen, die sich bei Anwendung der „Standard-Steueranspannung" auf die steuerliche Bemessungsgrundlage des claimant state ergeben hätten. Zum anderen wurden die tatsächlichen Ausgaben von denjenigen subtrahiert, die unter Berücksichtigung von Kostenunterschieden vom claimant state hätten aufgewendet werden müssen, um das „Standard-Leistungsniveau" zu gewährleisten. 140 Die hierdurch für die Staaten gegebene Möglichkeit, durch eigene Budgetentscheidungen das Ausmaß der finanziellen Unterstützung zu beeinflussen, wurde durch
134 135
CGC, 1982a, S. 5. Vgl. dazu: Mathews, R. L., 1975/76, S. 67ff.
136
Head, J. G., 1983, S. 197. Vgl. dazu: ders., 1967, S.486f. 138 Vgl.: CGC, 1981 à, Teil I, S. 19. 139 Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.2.1.2.1. 140 Eine analytische Darstellung dieses Ausgleichskonzeptes findet sich bei: Mathews, R. L., 1975/76, S.70f. 137
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die Reform von 1974 beseitigt. 141 Insoweit führten die Änderungen „from budget-result comparisons to direct assessment (of financial need)" 1 4 2 , was durch die folgenden Ausführungen noch deutlicher wird. Seither entspricht das praktizierte Verfahren auch keiner Regel von Musgrave mehr, sondern ist aus dem oben vorgestellten Konzept von Mathews abgeleitet. M i t der gerade genannten Formulierung ist der Kern des seit 1974 in Australien praktizierten Konzeptes umschrieben, durch den es sich im übrigen auch deutlich von den in anderen föderativen Staaten praktizierten Verfahren unterscheidet. Denn „assessment of financial need" 1 4 3 steht im Mittelpunkt dieses Ansatzes, wobei der Begriff „financial need" so weit gefaßt ist, daß hierunter sowohl Unterschiede in den jeweiligen Finanz bedarfs- wie auch den Finanzfcra/ifrelationen subsumiert werden. Analytisch kann das Konzept wie folgt zusammengefaßt werden: 144 Die Höhe der von der CGC für einen claimant state vorgeschlagenen special grant (im folgenden: Gc) setzt sich aus einer Finanzkraftkomponente GR und einer Finanzbedarfskomponente GE zusammen. 145 Von der so ermittelten Summe, auch „total assessed needs" (G N ) genannt, werden dann noch die Beträge (G g ) abgezogen, die — nach Ansicht der CGC — durch andere FZ des Bundes hinreichend gedeckt sind. Zusammenfassend ergibt sich dann: 1 4 6 assessed revenue needs
+ assessed expenditure needs total assessed needs y assessed needs met from other commonwealth grants assessed special grant 141
GR
+ GE GN y. GG GC
Vgl.: CGC, 1981a, Teil I, S. 19. Mathews, R. L., 1975/76, S. 75. Die CGC (1981 a, Teil I, S. 21) umschrieb das Ziel der Reform: „The chief significance of the new method was that it encouraged a direct comparison of the claimant and the standard State's revenue-raising capacity and costs of providing services." 143 CGC, 1981a, Teil II, S. 8. 144 Die CGC hat immer wieder daraufhingewiesen, daß diese formalen Darstellungen die tatsächlich durchgeführten Berechnungen z.T. stark vereinfachen (vgl. z.B.: CGC, 1981 a, Teil I, S. 23). Insbesondere die Erkenntnisse der Kommission, die sie aufgrund von diversen Hearings und durch eigene Inspektionen vor Ort in den claimant states gewonnen hat, können im nachfolgend vorgestellten Gleichungssystem nur unzureichend erfaßt werden. Wegen seiner grundsätzlichen Gültigkeit wird hier das Konzept gleichwohl auch in seiner analytischen Form dargestellt. 145 Die Indizierung folgt der englischsprachigen Originalterminologie, wonach die Finanzkraft an den Einnahmen, also revenue: R, und der Finanzbedarf an den Ausgaben, also expenditure: E, gemessen wird. 146 Vgl.: CGC, 1981a, Teil II, S. 13. 142
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Bemerkenswert ist, daß auch die Finanzkraftkomponente mit dem Begriff „need" — an Stelle der üblichen „capacity" — belegt wird. Wie im folgenden noch gezeigt wird, ist das Konzept aber so konstruiert, daß eine unterdurchschnittliche Finanzkraft zu einem positiven GR führt, das insoweit einen „Einnahmen-Bedarf' signalisiert. Die „revenue needs" und die „expenditure needs" sind die „two basic components" 147 zur Berechnung der special grants, so daß hierauf näher einzugehen ist: Die Finanzkraft-Komponente besteht aus „revenue of claimant state assuming standard state's revenue base and revenue-raising effort . . . minus revenue of claimant state assuming claimant state's revenue base and standard state's revenue raising effort." 1 4 8 Formal ergibt sich hierfür:
wobei
R = Einnahmen Ρ = Bevölkerungszahl Y = Einnahmequelle; Bemessungsgrundlage Indizes: s = standard c = claimant
Zur Angleichung der Finanzkraft wird dem claimant state demnach der Betrag gewährt, um den seine (hypothetischen) Einnahmen, die ihm bei Anwendung der Standard-Steueranspannung auf seine Bemessungsgrundlage zufließen würden, hinter denjenigen zurückbleiben, die sich bei gleicher Steueranspannung und gleicher (Pro Kopf-)Bemessungsgrundlage, d.h. bei gleichen Pro Kopf-Einnahmen, wie in den standard states ergeben würden. Daß es sich um einen reinen Bemessungsgrundlagen-Ausgleich handelt, 149 wird deutlich, wenn die Gleichung etwas modifiziert wird:
Rs Y s
Pc~
Ys Ρ S
RSY C Pc Y S Pc
Einen Anspruch auf eine special grant aus der Einnahmen-Komponente hat ein claimant state also nur dann, wenn seine (Pro Kopf-)Bemessungsgrundlage 147
Head, J. G., 1983^S. 197. CGC, 1981a, Teil II, S. 13. 149 Die CGC spricht von einer „direct comparison of the claimant and the standard State's revenue-raising capacity ebenda, Teil I, S. 21 (Hervorhebung vom Verf.). 148
1*
180
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
der jeweiligen Einnahmenart 150 geringer ist als die Vergleichsgröße in den Standard states. Im umgekehrten Fall ergibt sich ein negatives GR, das zu einer entsprechenden Reduktion der finanziellen Unterstützung führt. Aus den formalen Darstellungen erkennt man außerdem, daß die tatsächlichen Einnahmen des claimant state und damit die von ihm realisierte Anspannung seiner Einnahmequellen keinen Einfluß auf GR haben. 151 Der Ausgleich beschränkt sich auf Faktoren, die von den Budgetentscheidungen des zu unterstützenden Staates unabhängig sind. „As a corollary, if the claimant State makes a revenue effort in excess of (or below) the standard revenue effort, it retains the full advantage (or bears the full cost) of its action." 1 5 2 Durch die Finanzbedarfs-Komponente soll der claimant state entschädigt werden „for the additional costs of providing the same standard and range of services as in the richer states." 153 Hierzu stellt die CGC gegenüber: „Expenditure of claimant State assuming claimant State's cost of providing standard State's services . . . minus expenditure of claimant State assuming standard State's per capita cost of providing standard services." 154 Berechnet wird diese Komponente wie folgt: 1 5 5
wobei E = Ausgaben j = Kostenfaktor.
Auch die formale Darstellung dieser Komponente zeigt, daß das Ausmaß der special grants von den tatsächlichen Ausgaben des claimant state unabhängig ist. Hierdurch wird verhindert, daß durch eine unrentable Haushaltsführung der Ausgleichsanspruch erhöht werden kann. Ob ein claimant state überhaupt einen Unterstützungsanspruch aus der Finanzbedarfskomponente hat, hängt vielmehr allein vom Kostenfaktor ab. Denn nur wenn j> 1 ist, d.h. dem claimant state ein im Vergleich zum Standard überproportionaler Kostenaufwand zugesprochen wird, führt das dann positive GE zu einer Erhöhung der special grants. Im umgekehrten Fall kommt es zu einer entsprechenden Verringerung des Anspruchs.
150 F ü r welche Einnahmen diese Berechnung durchgeführt wird, wird weiter unten beschrieben; vgl: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.2. 151 So betont die CGC (1983 a, S. 19): „ I n making its assessment of revenue needs, the Commission has always sought to eliminate the effects of differences in revenue-raising efforts and to restrict the comparisons to differences in revenue-raising capacities." 152 Dies., 1981a, Teil I, S. 23. 153 Head, J. G., 1983, S. 197. 154 CGC, 1981a, Teil II, S. 13. 155 So auch: ebenda, Teil I, S. 101.
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Als Kostenfaktoren werden dabei berücksichtigt: 156 — ein im Vergleich zum Standard notwendiges größeres Angebot an öffentlichen Leistungen (ζ. B.: mehr Schulen aufgrund einer relativ großen Zahl von Kindern); — höhere Stückkosten infolge von geringen Ausbringungseinheiten; — größere räumliche Streuung der Bevölkerung; — besondere klimatische oder geographische Gegebenheiten. Auf einige Aspekte wird weiter unten näher eingegangen.157 Diese explizite Berücksichtigung von Kostenunterschieden bei der Erstellung des öffentlichen Leistungsangebotes und daneben die ausschließliche Abhängigkeit der GE von den Standard-Pro Kopf-Ausgaben und der Einwohnerzahl des claimant state lassen das australische System' dem theoretisch anzustrebenden Modell eines „echten" Bedarfsausgleichs sehr nahekommen. In keinem anderen Land wird mit einem auch nur annähernd ähnlich akribischen Verfahren versucht, auf objektivierbare Unterschiede zwischen den finanziellen Bedürfnissen abzustellen. Anhand einer Zusammenfassung der formalen Darstellung können die Wesensmerkmale des australischen Konzeptes noch einmal hervorgehoben werden: 158 GN-G R
+
GE-
1. Durch die Zahlung einer special grant soll der claimant state für die — im Vergleich zu den standard states — geringeren Einnahmequellen und/oder höheren Kosten der öffentlichen Leistungserstellung entschädigt werden. Hierbei ist beachtenswert, daß als Standard nicht der Durchschnitt aller (wie ansonsten üblich) 1 5 9 , sondern nur der beiden „reichsten" Staaten herangezogen wird. 2. Die eigenen Budgetentscheidungen der claimant states haben keinen Einfluß auf den Umfang der Unterstützungszahlungen, 160 insbesondere weil sie auch bei der Durchschnittsbildung nicht berücksichtigt werden. 156
Vgl.: ebenda, S. 6. Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.3. 158 Diese Zusammenfassung macht auch deutlich, daß sich seit 1974 das australische Konzept sehr eng an die Überlegungen von R. L. Mathews anlehnt, der ein solches Vorgehen schon 1970 empfohlen hat; vgl.: Mathews, R. L., 1975/76, S. 77; 1. Teil, Kap. 3.1.2.1.2.2. Der einzige Unterschied besteht in der Anwendung des Kostenfaktors, der von Mathews unmittelbar als „additional percentage cost" definiert ist und insoweit nicht um 1 vermindert werden muß. Nicht einleuchtend ist dagegen, wieso Mathews in einer späteren Veröffentlichung den Kostenfaktor auch auf die Einnahmen-Komponente bezieht; vgl.: ders., 1982, S. 157. 159 Vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2. 157
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2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
3. Der explizite Ansatz der Kostenunterschiede unterstreicht die — schon mit der Bezeichnung des Konzeptes angedeutete — Dominanz der Finanzbedûr/skomponente, die das australische Konzept von den in anderen föderativen Staaten praktizierten abhebt. Von dem so ermittelten Gesamtbedarf (G N ) werden dann noch die Beträge abgezogen, die nach Ansicht der CGC durch andere FZ des Bundes gedeckt sind. Hierzu gehören insbesondere die im Rahmen der vertikalen Einnahmenverteilung dem claimant state zugeteilten „entitlements under tax sharing arrangements" 161 sowie einige der zweckgebundenen FZ des Bundes. 162 Daß diese Beträge abzuziehen sind, ergibt sich zum einen aus der Tatsache, daß die den Staaten insgesamt zustehende Einkommensteuer nicht nach dem örtlichen Aufkommen zwischen ihnen verteilt, sondern schon für den horizontalen Ausgleich eingesetzt wird, indem die Staaten in unterschiedlichem Umfang an diesen Zahlungen partizipieren. 163 Bei den Zweckzuweisungen sind die Zusammenhänge insofern komplizierter, als die CGC erneut einen Vergleich zwischen claimant und standard states durchführt. Zu einer Reduktion des Gesamtbedarfs (G n ) kommt es nur dann, wenn und insoweit die Pro Kopf-Zuweisungen für diesen Zweck im claimant state die für den gleichen Zweck in den standard states vergebenen übersteigen. Im umgekehrten Fall kommt es durch die Berücksichtigung der Zweckzuweisungen sogar zu einer weiteren Erhöhung des Anspruchs auf special grants. So führte z.B. im Jahr 1979/80 für den Staat Queensland die Berücksichtigung von insgesamt 11 Arten von zweckgebundenen FZ nur in 5 Fällen zu einer Verringerung der special grant, die vom Umfang her noch nicht einmal M des Betrages der anderen 6 Fälle ausmachte, so daß es für Queensland aufgrund der Zweckzuweisungen zu einer deutlichen Erhöhung der special grants gekommen wäre. 1 6 4 Hierin drückt sich erneut die Konzeption der CGC aus, nach der der claimant state durch die special grant in die Lage versetzt werden soll, ein gleiches Niveau an öffentlichen Leistungen mit den gleichen finanziellen Anstrengungen wie die standard states erreichen zu können. Allerdings wurde der Effekt der Zweckzuweisungen durch den Anteil am Einkommensteuerverbund überkompensiert, so daß Queensland gleichwohl in diesem Jahr — wie auch schon in den Jahren davor — den größten Teil des 160
Vernachlässigt werden dabei sämtliche indirekten Effekte, zu denen es infolge von Variationen der Anspannung der Einnahmenquellen und / oder der Ausgaben in bezug auf die Bemessungsgrundlagen und die Bevölkerungszahl (Stichworte: Kapitalattrahierung, Bevölkerungszu- oder -abwanderung) kommen kann, da diese Effekte nicht hinreichend quantifiziert werden können. 161 CGC, 1981a, Teil II, S.48. 162 Daß nicht alle Zweckzuweisungen berücksichtigt werden, ist auf die unterschiedlichen Verfahren zurückzuführen, mit denen diese Zahlungen auch für die vertikale Einnahmenverteilung den Staaten als Einnahmenquelle zugerechnet werden; vgl. dazu: ebenda, Teil I, S. 43 ff. 163 164
Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.1. Vgl.: CGC, 1981a, Teil II, S.48.
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183
anerkannten Finanzbedarfs aus diesen anderen FZ des Bundes zu finanzieren hatte. 165 Bevor auf die Finanzkraft- und -bedarfskomponenten im einzelnen eingegangen wird, ist abschließend zur Methodik der Vergabe der special grants noch daraufhinzuweisen, daß ihr genauer Umfang erst zwei Jahre nach Abschluß des jeweiligen Haushaltsjahres festgelegt wird. Hierzu bedient sich die CGC eines zweistufigen Verfahrens, indem sie für das jeweils laufende Haushaltsjahr eine sog. advance grant durch eine relativ grobe Schätzung der in diesem Jahr benötigten finanziellen Mittel festlegt. 166 Dieser Betrag wird dann zwei Jahre später, wenn die genauen Daten der in den Formeln berücksichtigten Faktoren vorliegen, mit Hilfe des soeben beschriebenen Verfahrens überprüft, 167 und über eine sog. completion grant wird dann der für das abgeschlossene Haushaltsjahr, dem sog. „year of review", ermittelte Endbetrag der special grant zugeteilt. „The total special grant recommended for payment in a particular year thus consists of two parts, the completion grant for the year of review and the advance grant for the year of payment." 168 Dabei kann die completion grant auch negativ sein, wenn die aufgrund der Schätzungen geleisteten Zahlungen zu groß waren. Der überzahlte Betrag wird dann mit der advance grant des laufenden Jahres verrechnet, so daß es insoweit sogar zu Erstattungen durch den claimant state kommen kann, wie es z.B. für Queensland im Jahr 1980/81 in beträchtlichem Umfang der Fall war. 1 6 9 2.3.1.2.2. Finanzkraft-Komponente (revenue need) Nachdem die Methode des Vorgehens der CGC zur Ermittlung der special grants dargestellt wurde, ist nun auf einige wichtige Details der im Rahmen der Finanzkraft- (und anschließend der Finanzbedarf-)Komponente berücksichtigten Faktoren einzugehen.170 Als erstes zeichnet sich das australische System dadurch aus, daß nicht — wie bei den meisten anderen Finanzausgleichssystemen — nur auf die Steuerkvaït abgestellt wird, sondern daß neben den Steuern auch eine ganze Reihe von anderen Einnahmenarten berücksichtigt werden. Zwar dominieren sowohl nach der Anzahl als auch nach ihrem Beitrag zu den Standard-Pro Kopf-Einnahmen (natürlich) die angesetzten 20 verschiedenen Steuerarten. Daneben werden aber immerhin 6 nicht-steuerliche Einnahmen
165
Vgl.: ebenda, S. 49. Vgl.: ebenda, S. 12. 167 So auch: Head, J. G., 1967, S. 485. 168 CGC, 1981a, Teill, S. 24. 169 Vgl.: dies., 1982a, S.20f. 170 Daß nicht auf alle Einzelheiten eingegangen werden kann, wird deutlich, wenn anschließend die Zahl der berücksichtigten Einnahmenarten und später die der Bedarfsfaktoren genannt werden. 166
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2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
berücksichtigt, deren Beitrag zu den Standard-Einnahmen von etwa 12 bis 15 v . H . 1 7 1 auch nicht als quantité négligeable bezeichnet werden kann. Im Rahmen dieser sonstigen Einnahmen werden die Finanzierungsquellen der Staaten berücksichtigt, die sich aus dem Verkauf oder der Vermietung von Grundeigentum („land revenue"), aus der Förderung und Verwertung von Bodenschätzen („mining royalties", die vor allem auf den Abbau von Kohle, Erdöl, Gas und Uran erhoben werden) 172 und aus Zinseinkünften („interest earnings") ergeben. Die Bedeutung dieser nicht-steuerlichen Einnahmen kann auch daran abgelesen werden, daß der Staat Queensland, der über relativ große Vorräte an den genannten Bodenschätzen und damit über eine überdurchschnittlich große Einnahmequelle für die mining royalties verfügt, eine Reduzierung des ihm aufgrund der geringen steuerlichen Bemessungsgrundlagen zugesprochenen Ausgleichsanspruchs in einer Größenordnung von jährlich etwa 40-50 Mio. A-$ und damit von gut 50 v.H. hinnehmen mußte. 173 Von den Steuerarten ist die — wie früher in der Bundesrepublik von den Betrieben erhobene — Lohnsummensteuer die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle der Staaten, die allein etwa 45 v. H. des gesamten Standard-Pro KopfSteueraufkommens erbringt. Von den übrigen 19 Steuern sind dann noch die auf Glücksspiele erhobene („gambling tax") und eine Stempelabgabe auf Grundstücksübertragungen („stamp duty on conveyances") zu erwähnen. Die restlichen fallen in ihrer quantitativen Bedeutung stark ab. Einen Überblick über alle berücksichtigten Steuern und ihren jeweiligen Beitrag zu den „standard revenue per capita" für das Jahr 1981/82 gibt Übersicht 2 . 1 7 4 Insbesondere bei den Steuerarten, bei denen der Standard pro Einwohner nur einige Cent beträgt (z.B.: „gift duty", „stamp duty on life insurance"), drängt sich dann aber die Frage auf, ob der für die Berechnung notwendige Aufwand noch gerechtfertigt ist. Damit ist der zweite Aspekt der Finanzkraftermittlung angesprochen.Denn um die Formel anwenden zu können, muß — neben den relativ leicht zu ermittelnden Einwohnerzahlen — für sämtliche Einnahmenarten eine ganze Reihe von Informationen vorliegen, die vor allem die jeweilige Abgrenzung der Bemessungsgrundlage im claimant und in den standard states und (davon nicht zu trennen) die Standard-Anspannung der Einnahmequellen betreffen. Dabei gilt: „the standard State's revenue-raising effort is measured by reference to the effective rate of tax or charge, taking into account such factor as the subject
171 Vgl.: CGC, 1981 a, Teil II, S. 42f.; dies.,1982a, S. 11 f.; dies.,1983a, S. 50f. (eigene Berechnungen). 172 Diese Einnahmen sind den in der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Förderzinseinnahmen ähnlich, die seit kurzem teilweise im horizontalen Länderfinanzausgleich berücksichtigt werden; vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2.2. 173 174
Vgl.: CGC, 1981a, Teil II, S. 43; dies., 1982a, S. 12. Vgl.: S. 187.
2. Australien
185
matter of the tax or charge, the rate structures and any exemptions." 175 Für die CGC stellt sich dann das Problem, daß bei einer ganzen Reihe von Einnahmenarten wegen der vielen effektiv geltenden Tarife die notwendigen Informationen nicht im erforderlichen Umfang beschaffbar sind. Deswegen wird die Formel auch nur in den Fällen angewendet, in denen „adequate information is available" 176 , was nach Ansicht der CGC „for most items of taxation where a specific or an ad valorem rate of tax applies in the standard States" 177 gegeben ist, also ζ. Β. und vor allem bei der Lohnsummensteuer. In den anderen Fällen, in denen die notwendigen Informationen nicht vorliegen, kann die Kommission auf eines von vier — mehr oder weniger pauschalisierenden — Verfahren zurückgreifen. Ohne hierauf im Detail eingehen zu wollen, 1 7 8 laufen diese Verfahren im wesentlichen auf einen Vergleich der (u.U. modifizierten) tatsächlichen Pro Kopf-Einnahmen des claimant und der Standard states hinaus. M i t Hilfe solcher „assessments on the basis of broad jugdements" 179 werden ζ. Β. die Testament- und Erbschaftsteuern („probate and succession duties") und vor allem auch die Grundbesitzeinnahmen („land revenue") ermittelt, deren Erhebungsmethoden zwischen den Staaten stark differieren. 180 Welche Probleme von der CGC bei der Berechnung der einzelnen Einnahmenkomponenten zu bewältigen sind, soll am Beispiel der Lohnsummensteuer dargelegt werden. 181 In bezug auf die Steueranspannung i.e.S., also auf die angewendeten Steuersätze, ergeben sich keine Schwierigkeiten, da die payroll tax mit einem national einheitlichen Satz erhoben werden muß, obwohl sie grundsätzlich der Objekthoheit der Staaten unterliegt. 182 Demgegenüber ist die Abgrenzung der Bemessungsgrundlage, auf die dieser Standard-Satz dann anzuwenden ist, umstritten. Sowohl zwischen dem Bund und den Staaten als aber auch zwischen den Staaten wird praktisch jedes Jahr erneut diskutiert: 183 — Sollen die in dem claimant und den standard states jeweils insgesamt gezahlten Lohnsummen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden oder nur die Teile, die tatsächlich der Lohnsummensteuer unterliegen, d. h. nach Berücksichtigung der diversen Freibeträge, die bei dieser Steuer in großer Vielfalt praktiziert werden?
175 176 177 178 179 180 181 182 183
CGC, 1983a, S. 9. Ebenda. Ebenda. Vgl. dazu: ebenda, S. 9 ff. Dies., 1981a, Teil I, S.92. Vgl.: ebenda, S. 144ff. und 152. Zu den Problemen bei den übrigen Kategorien vgl.: ebenda, S. 122ff. Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.2. Vgl. z.B.: CGC, 1981a, Teill, S. 119ff.
186
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
— Damit zusammenhängend: Wie sind die Lohnzahlungen von öffentlichrechtlichen Einrichtungen zu behandeln, die teilweise von der payroll tax befreit sind, teilweise aber auch besteuert werden? — Schließlich: Wie sollen Erstattungen der Lohnsummensteuer behandelt werden, die aus Wettbewerbs- (zur Förderung der Dekonzentration) und/oder konjunkturpolitischen (zur Verringerung der Arbeitslosigkeit) Gründen praktiziert werden? Die Kommission hat sich auf eine relativ weite Abgrenzung der StandardBemessungsgrundlage verständigt, bei der nur vergleichsweise geringe Freibeträge und nur ein Teil der von öffentlichen Stellen geleisteten Lohnzahlungen, nämlich die von Einrichtungen der Staaten, abgesetzt werden können. Die wirtschaftspolitisch motivierten Erstattungen werden nicht als finanzkraftmindernd beurteilt und deswegen auch nicht abgezogen. Bei den meisten anderen Einnahmenarten sind ähnliche Probleme zu bewältigen, so daß die CGC regelmäßig vor erhebliche Abgrenzungsentscheidungen gestellt ist. Sie versucht dann, in Diskussionen mit Sachverständigen und Vertretern der betroffenen Parteien eine für alle akzeptable Lösung zu finden. Ein Überblick über die dabei vorgetragenen Argumente findet sich in den jährlichen Veröffentlichungen der Kommission. 184 U m einen — wenn auch nur geringen — Einblick in die zu bewältigende Aufgabe der CGC zu vermitteln, sei das Ergebnis der Finanzkraftermittlung für das Northern Territory 185 im Jahr 1981/82 tabellarisch zusammengefaßt. Man muß sich vor Augen führen, daß es sich hierbei nur um das Ergebnis der jeweiligen Berechnungen handelt, das sich pro Einnahmenart in drei Zahlen niederschlägt. Eine Behandlung der Verfahren, mit denen diese Zahlen im einzelnen berechnet werden, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die Übersicht ist so aufgebaut, daß in der ersten Spalte die Standard-Pro KopfEinnahmen, in der zweiten Spalte der aufgrund einer geringeren (größeren) Bemessungsgrundlage zugesprochene positive (negative) Pro Kopf-Bedarf und in der letzten Spalte der durch die Multiplikation mit der Bevölkerungszahl berechnete absolute Betrag der„revenue needs" für jede Einnahmenart ausgewiesen ist. 2.3.1.2.3. Finanzbedarf-Komponente (expenditure need) Das Vorgehen der CGC, den Finanzbedarf eines claimant state aufgrund seiner Ausgabenverpflichtungen zu ermitteln, ist dem auf der Einnahmenseite praktizierten sehr ähnlich. Zum einen stehen auch hier vier verschiedene 184
Vgl. z.B.: ebenda, S. 122ff. Warum auf dieses erst seit 1979 selbständige und seitdem an den special grants beteiligte Territorium und nicht auf einen der Staaten abgestellt ist, wird später erläutert; vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.4. 185
187
2. Australien
Übersicht 2 Berechnung der Finanzkraft-Komponente für das Northern Territory im Jahr 1981/82*) Einnahmenart
StandardPro KopfAufkommen
Berechneter Bedarf Pro Kopf
Insgesamt
$
$
Pay-roll tax Stamp duty on conveyances Stamp duty on life insurance Stamp duty on general insurance Stamp duty on motor vehicle registrations and transfers Stamp duty on credit business Stamp duty on cheques, bills of exchange and promissory notes Stamp duty on mortgages and loan securities Stamp duty on conveyances of shares and marketable securities Stamp duty on leases Stamp duties n. e.i. Gambling tax Liquor tax Business franchise licence fees — tobacco Business franchise licence fees — pipeline Statutory corporation payments Probate and succession duties Gift duty Motor vehicle third party insurance taxation Other taxes and licenses n. e. i.
187.14 38.47 0.76 17.51
33.42 10.01 -0.06 6.83
1000$ 4237 1270 -7 866
16.06 13.53
-6.60 8.14
-837 1032
8.69
3.55
450
6.44
0.12
16
4.53 2.56 1.48 59.84 15.87
-0.39 1.78 -0.71 21.89 -6.65
-50 226 -90 2775 -843
9.63
1.71
217
3.78 12.03 13.87 0.11
3.78 1.78 12.49 0.10
479 226 1583 12
2.31 1.21
0.37 0.33
47 41
Total — taxation
415.83
91.89
11650
29.05
18.74
2376
7.01 13.53
7.01 13.53 -9.26 -21.96
889 1716 -1175 -2784
58.95
8.06
1022
474.78
99.95
12672
Urban land revenue (including land tax) Mining royalties Black coal Offshore petroleum and natural gas Uranium Other minerals Interest earnings Total — territorial revenue and interest earnings Total — taxation plus territorial revenue and interest earnings = revenue needs a
1.50 7.86
) Quelle : CGC, 1983 a, S. 50 f. Übersicht 2 stellt eine Zusammenfassung der in der Quelle getrennten Tab. 4—1 und 4—2 dar. Ein negatives Vorzeichen bedeutet einen „negativen Bedarf " (d. h. eine im Vergleich zum Standard größere Bemessungsgrundlage) und „ . . . " einen Bedarf von.O.
188
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Methoden zur Auswahl, zwischen denen sich die Kommission je nach den zur Verfügung stehenden Informationen entscheiden kann. Erneut wird im Rahmen dieser Arbeit nur auf das — von der Kommission präferierte 186 — anspruchsvollste Verfahren eingegangen, das bei Vorliegen einer umfassenden Informationsbasis angewendet werden kann. Die übrigen Verfahren laufen mehr oder weniger auf einen Vergleich der (u.U. modifizierten) Pro Kopf-Ausgaben zwischen dem claimant und den standard states hinaus, 187 wodurch sich allerdings das oben schon angerissene Problem stellt, daß es zu einer Prämiierung von Ineffizienzen kommen kann. Wie schon angedeutet, 188 steht im Mittelpunkt des — auch der formalen Darstellung zugrundeliegenden — anspruchsvollen Verfahrens die Berechnung des Kostenfaktors (/), so daß die Kommission auch von der „factor assessment method" spricht. 189 Ihr Ziel ist es, die objektivierbaren und nicht auf (Budget-) Entscheidungen zurückzuführenden Mehr- (aber auch Minder-)kosten zu berücksichtigen, die einem claimant state für ein in Umfang und Qualität gleiches öffentliches Leistungsangebot wie in den standard states entstehen. Hierzu betrachtet die Kommission insgesamt vier Gruppen von Kostenursachen, die z.T. noch weiter differenziert werden. Der erste Anlaß, für den einem claimant state ein größerer als der Standardkostenaufwand zugestanden wird, besteht aus einem überdurchschnittlich großen Anteil der Bevölkerung, der mit der jeweils betrachteten öffentlichen Leistung zu versorgen ist. Leben in dem antragstellenden Staat z.B. eine besonders große Zahl von schulpflichtigen Kindern, so sind höhere Ausgaben für Schulräume und Lehrpersonal notwendig. In diesen Fällen spricht die CGC von der „units of service-" oder „eligible population-"Komponente, 190 die allerdings relativ einfach als entsprechende Prozentzahl der Bevölkerung ermittelt werden kann. Bei der Berechnung der übrigen Faktoren entstehen demgegenüber z.T. erhebliche Schwierigkeiten. So wird als zweite Ursache die mit der Größe des öffentlichen Leistungsangebotes in Zusammenhang gesehenen „economies-" bzw. „diseconomies of scale" anerkannt. Allerdings hat gerade dieser Posten zu Kontroversen zwischen den Staaten geführt, da — aus einzelwirtschaftlicher Sicht durchaus verständlich — die bevölkerungsreichen Staaten (New South Wales, Victoria) auf die „diseconomies of large scale" hinweisen, zu denen es vor allem wegen der größeren Koordinationsprobleme komme. 1 9 1 Dem halten die kleineren Staaten die „diseconomies of small scale" entgegen, die sie mit einem 186 187 188 189 190 191
Vgl.: CGC, 1981 a, Teil I, S. 95. Vgl. dazu: ebenda, S. 94ff. Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.1. Vgl.: CGC, 1983a, S. 24. Vgl.: dies.,1981a,Teil I, S.98. Vgl.: ebenda, S. 104.
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großen Fixkostenanteil bei zahlreichen öffentlichen Leistungen begründen, der infolge der in diesen Staaten erforderlichen geringen Leistungseinheiten zu entsprechend hohen Stückkosten führe. Die CGC ist der Argumentation der kleineren Staaten gefolgt und erkennt je nach Ausgabenkategorie unterschiedliche „scale-"Faktoren an, die ζ. B. für Tasmania bei bestimmten Aufgaben einen dreimal so großen Pro Kopf-Finanzbedarf signalisieren wie in den standard states. 192 Als weitere Kostenursachen werden einige mit der Bevölkerungsstruktur zusammenhängende Faktoren anerkannt. Hierbei spielt die räumliche Streuung („dispersion") eine besondere Rolle, da Australien abseits von den Küstenregionen durch eine extrem dünne Besiedlung gekennzeichnet ist. 1 9 3 Dieser Faktor wurde schon von Anfang an bei der Berechnung der special grants berücksichtigt. Seit einigen Jahren werden darüber hinaus auch der Verstädterungsgrad sowie die sozio-ökonomische (z.B.: Ureinwohner, Arbeitslose) und die altersund geschlechterspezifische Struktur der Bevölkerung als (besonders) kostenverursachend bewertet. 194 Schließlich wird noch den Umweltbedingungen („environment factor") ein Einfluß auf die notwendigen Ausgaben zugesprochen, wobei die Kommission noch zwischen ökonomischen (vor allem: Entwicklungsstand) und physikalischen Bedingungen (Topographie, Klima) unterscheidet. Zusammenfassend kann der Kostenfaktor formal wie folgt dargestellt werden: j=u rs rp re r wobei ur = units of serviceis,. = scalepr = population structureer = environmentalIndex r = Ausgabenart
Komponente
Setzt man diesen Ausdruck in die Formel zur Berechnung des Finanzbedarfsanteils der special grant ein, so ergibt sich: Es GE =
—P c[u rs rp re r-\]
Bei gleichen, als Normalaufwand anzusehenden Kosten wie in den standard states würden die Faktoren u, s, ρ und e für den claimant state den Wert 1 annehmen und insoweit zu keinem Anspruch auf eine - positive oder negative special grant führen. Wird andererseits dem claimant state ein größerer (geringerer) Aufwand zugesprochen, so nehmen die Faktoren entsprechend Werte größer (kleiner) als 1 an.
192 193 194
Vgl.: ebenda, S. 106. Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.1. Vgl.: CGC, 1981a, Teill, S.98f. und 106ff.
190
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Von entscheidender Bedeutung sind dabei die Verfahren, mit denen die Kostenunterschiede ermittelt werden. Schon die Diskussion zwischen den Staaten über den „richtigen" scale-Faktor macht deutlich, daß die Kommission hierbei vor keine leichte Aufgabe gestellt ist. Während die CGC früher mehr oder weniger „rough indication(s) of the greater per capita cost in the claimant state" 1 9 5 angewendet hat, ist sie im Laufe der Jahre dazu übergegangen, immer aufwendigere Verfahren der Kostenschätzungen einzusetzen. So wird ζ. B. die Entscheidung über den scale-Faktor getroffen „supported by the theoretical arguments advanced by States on the one hand and such external evidence of scale effects as was available from empirical studies, including in particular interstate comparisons of Commonwealth and State staffing levels for different kinds of administrative functions." 196 Gerade das Eingehen auf empirisch ermittelte Kostenunterschiede, 197 die sich nicht mehr nur auf eine Differenzbildung der geleisteten Pro Kopf-Ausgaben beschränken, stellt eine bemerkenswerte Weiterführung der im Rahmen des Finanzausgleichs ansonsten üblichen Verfahren dar. Allerdings steht — erneut — die große Methodenvielfalt, die von der Kommission zur Ermittlung der Kostenunterschiede betrieben wird, einer intensiveren Behandlung im Rahmen dieser Arbeit entgegen. Das wird insbesondere deutlich, wenn man sich die Fülle der im australischen Finanzausgleich berücksichtigten Ausgabenarten vor Augen führt, zu denen im Vergleich sich die angesprochenen 26 Einnahmenkategorien geradezu bescheiden ausmachen. Denn im Rahmen von drei großen Ausgabenblöcken — „social expenditures", „business undertakings", „other expenditures" — werden zur Zeit sage und schreibe 63 verschiedene Arten von öffentlichen Ausgaben auf ihren Beitrag zum Finanzbedarf eines claimant state untersucht. 198 Abschließend soll deswegen nur noch kurz auf einige quantitativ bedeutsame Ausgabenarten hingewiesen werden. 199 Im Rahmen der Sozialausgaben dominieren die Ausgaben für das Ausbildungs- und das Gesundheitssystem, die zusammen alleine über 84 v.H. der Standard-Pro Kopf-Sozialausgaben im Jahr 1981/82 ausmachen. 200 Der Beitrag der übrigen zu dieser Gruppe gerechneten Ausgaben (Kultur und Freizeit; Wohlfahrt; Recht, Ordnung und öffentliche Sicherheit) — wobei die Systematik dieser Einteilung nicht überzeugen kann — fallt entsprechend bescheiden aus. Innerhalb der beiden bedeutsamen Ausgabengruppen liegen die Schwerpunkte
195
Head, J. G., 1967, S. 494 (Hervorhebung im Original). CGC, 1981a, Teil I, S. 105. 197 So hat ζ. B. Tasmania ein lineares Regressionsmodell vorgeschlagen, mit dem die relevanten Kostenfunktionen geschätzt werden können; vgl. dazu: ebenda, S. 103. 196
198 199 200
Vgl. z.B.: dies., 1983a, S. 52ff. M i t den Einzelheiten beschäftigt sich intensiv: dies., 1981 a, Teil I, S. 156-270. Vgl.: dies., 1983a, S. 52f. (eigene Berechnung).
2. Australien
191
zum einen bei den Ausgaben für die beiden Stufen des öffentlichen Schulwesens („primary education", „secondary-") und zum anderen bei den allgemeinen medizinischen Diensten, die mit über 95 v.H. der Ausgaben für das Gesundheitswesen quasi alleine über den Standard in dieser Kategorie entscheiden. Als zweite große Gruppe setzt die CGC die im Zusammenhang mit bestimmten Versorgungsbetrieben stehenden Ausgaben an. Dahinter steht die Auffassung, daß diese Aktivitäten „regularly impose a net cost on the budgets of the standard States and the Northern Territory (as an example for a claimant State; H. F . ) . " 2 0 1 Deswegen werden auch jeweils (nur) die Netto-Ausgaben, also nach Abzug der damit zusammenhängenden Erwerbseinkünfte, kalkuliert, die insbesondere bei den Verkehrsbetrieben („non-metropolitan transport", „metropolitan transit") zu relativ großen Standard-Pro Kopf-Ausgaben führen, während die Wasser- und Abwasserversorgung („water supply and sewerage") sowie die separat angebotenen Be- und Entwässerungsdienste („irrigation and associated drainage") vergleichsweise bescheidenen Standard-Bedarf signalisieren. Bei den sonstigen Ausgaben schlagen insbesondere die Verwaltungsausgaben, zu denen die Pensionszahlungen („superannuation") gezählt und die von diesen mit fast 70 v.H. dominiert werden, bestimmte Dienstleistungen an die Wirtschaft, die vor allem an den Agrarsektor abgegeben werden, sowie die Schuldendienstzahlungen („debt charges") zu Buche. Im Vergleich zu diesen drei Untergruppen fallen die restlichen fünf Kategorien wiederum deutlich ab. Erneut soll zusammenfassend anhand der Berechnungen für das Northern Territory und das Jahr 1981/82 ein Überblick über die Fülle und die jeweilige Bedeutung der berücksichtigten Ausgabenarten in der Übersicht 3 gegeben werden. U m die Beispielsrechnung für das Northern Territory abzuschließen, müssen dann die beiden, aus der Einnahmen- bzw. Ausgabenseite berechneten Finanzbedarfs-Größen addiert und anschließend der Betrag subtrahiert werden, der nach Meinung der CGC durch andere FZ des Bundes gedeckt ist (vgl. Übersicht 4). Demnach hat das Northern Territory für das Haushaltsjahr 1981/82 einen Anspruch auf eine special grant in Höhe von knapp 17 Mio. A-$ gehabt. Da es hierauf keine Vorauszahlungen in Form der oben vorgestellten advance grant 2 0 2 erhalten hatte, stellte dieser Betrag „a final assessment of the grant recommended for the Northern Territory for 1981 /82"2 0 3 dar und wurde für dieses Jahr kassenwirksam. 204
201 202 203 204
Ebenda, S. 40. Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.1. CGC, 1983a, S. 111. Vgl. unmittelbar anschließend: Übersicht 5.
192
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Übersicht 3 Berechnung der Finanzbedarf-Komponente für das Northern Territory im Jahr 1981/82*) Ausgabenart
Social Services
StandardPro KopfAusgaben
Pro Kopf
Insgesamt
$
1000$
7.05
25.29
3206
138.83 25.81
284.95 -4.47
36127 -567
142.34 26.19 46.08 11.77
102.03 -16.19 43.27 2.40
12935 -2052 5486 305
398.07
437.28
55440
2.78 1.91 2.43 2.56 4.03 2.54
15.94 7.33 17.04 10.50 29.59 33.70
2022 929 2160 1331 3751 4273
16.25
114.10
14466
Health services General medical services Maternal and infant health School medical services School dental services Public health — other
250.31 1.94 1.48 1.80 6.61
325.05 6.34 8.58 18.94 42.83
41211 804 1087 2401 5430
Total
262.14
401.74
50933
Welfare services Child welfare Relief of the aged and infirm Emergency relief and other services
16.15 13.23 2.49
9.00 3.41 54.90
1141 432 6960
Total
31.87
67.31
8533
-1.43 57.78 12.73 0.48
63.20 146.10 58.62 6.17
8012 18523 7432 782
Education Pre-school education Primary education — government — non-government Secondary education — government — non-government Technical and further education Transport of school children Total Culture and recreation Libraries — public — reference Museums and art galleries Cultural activities — other Recreation National parks and wildlife services Total
Law, order and public safety Administration of justice Police Corrective services State emergency services
$
Berechneter Bedarf
193
2. Australien Fortsetzung Übersicht 3: Ausgabenart
StandardPro KopfAusgaben
Total Remote communities — essential services Total — social services
Pro Kopf
Insgesamt
$
1000$
0.02 3.26 0.31
1.27 46.26 2.75
161 5 866 349
73.14
324.37
41125
0.04 781.51
191.52 1536.32
24282 194779
58.10 65.77 7.69 14.04
-42.86 115.76 -14.04
-5433 14677 -1781
145.61
58.86
7463
5.55
46.75
5927
$ Shark/crocodile protection Fire protection Public safety — other
Berechneter Bedarf
Business Undertakings Non-metropolitan transport Metropolitan transit Water supply and sewerage Irrigation and associated drainage Total — business undertakings Other Expenditures Legislature Administrative services Auditor-General Government Printer Mapping and surveying General government administration Public Service Board Public works Superannuation and Superannuation Board Taxation Valuer-General
0.57 0.06 2.34 4.00 1.58 6.39
5.59 2.02 45.94 86.34 22.67 40.87
709 256 5 825 10947 2874 5181
41.27 3.14 0.71
-34.50 5.99 2.04
-4374 759 259
Total
60.06
176.96
22 436
Community services Consumer protection services Immigration and ethnic affairs Lands Local government and town planning
1.02 0.45 3.70 3.88
5.64 0.49 9.39 89.55
716 62 1190 11353
Total
9.05
105.07
13 321
Regulatory services Environment and conservation n. e. i. Fuel and power
2.46 0.38
4.51 14.75
572 1870
13 Fischer
194
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Fortsetzung Übersicht 3: Ausgabenart
StandardPro KopfAusgaben
Berechneter Bedarf Pro Kopf
Insgesamt
$
$
3.26 0.22 -0.04 0.43
35.21 -0.22 1.04 9.13
1000$ 4464 -28 132 1157
6.71
64.42
8167
Services to industry Agriculture Fisheries Industrial development Mining Overseas representation Soil conservation Tourism
12.39 1.05 6.91 2.20 0.44 1.80 1.18
83.86 12.45
10632 1578
57.89 -0.44 12.57 29.60
7340 -56 1593 3753
Total
25.97
195.93
24840
Dept charges, n. e. i.
29.55
149.80
18992
0.48
-0.48
-60
Labour and industry Registrar of Co-operatives Registrar-General Transport Total
Natural disasters Other expenditure — items n. e. i.
-0.19
Total — other expenditure
137.18
738.45
93 623
1064.30
2333.63
295865
Total — all expenditures a
) Quelle: CGC, 1983 a, S. 52 ff. Übersicht 3 stellt eine Zusammenfassung der in der Quelle getrennten Tabellen 4—3, 4—4 und 4—5 dar. Ein negatives Vorzeichen bedeutet einen „negativen Bedarf" und „ . . e i n e n Bedarf von 0. 2.3.1.2.4. Zeitliche Entwicklung, Beurteilung und Ausblick Zur Abrundung der Diskussion um die horizontale Umverteilung über special grants wird an einigen markanten Daten ihre zeitliche Entwicklung aufgezeigt. Anschließend wird das gesamte System beurteilt und ein Ausblick auf die mögliche zukünftige Entwicklung gewagt. Die Zeiteinteilung des historischen Überblicks folgt dabei der Übersicht 1; denn in Australien ist — wie schon mehrfach betont wurde und im folgenden erneut deutlich wird—die horizontale Verteilung eng mit der vertikalen verknüpft. Aus Übersicht 5 ist zu entnehmen, daß im Zeitablauf sowohl die Gesamthöhe der special grants schwankte als auch die Empfanger häufig wechselten. In bezug auf den Umfang ist festzustellen, daß es nach Phasen des permanenten Wachstums, die allerdings unterschiedlich lang waren und in denen auch die
2. Australien
195
Übersicht 4 Zusammenfassung der Berechnung der special grants fur das Northern Territory 1981/82 a (in 1000 S) Revenue needs Taxation Territorial revenue and interest earnings
11650 1022
Expenditure needs Social services Business undertakings Other expenditure
194779 7463 93623
Total assessed needs Less: Assessed needs met from other Commonwealth assistance
308 537 291621
Assessed special grant Rounded to a
16916 16900
Quelle: CGC, 1983 a, S. 57.
Übersicht 5 Entwicklung der special grants') Jahr
Gesamtsumme (1000 A-$)
1942/43 1946/47 1948/49 1958/59
4.350 9.496 18.410 43.836
1959/60 1965/66 1970/71 1972/73 1975/76
15.354 38.307 32.100 51.750 35.800
1976/77 1977/78 1978/79 1979/80 1980/81 1981/82
23.700 15.400 22.700 57.800 17.150 16.900
davon: Queensland
-
19.750 35.800 23.700 15.400 22.700 44.500 5.350
South Australia
Western Australia
Tasmania
1.600 4.000 7.224 12.456
1.600 3.746 9.378 20.734
1.150 1.750 1.808 10.646
8.210 21.018
7.144 17.289 19.600 10.000
12.500 22.000
Northern Territory
-
-
-
-
13.300 11.800 16.900
a ) Quellen: CGC, 1981a, Teil II, S. 75 (bis 1978/79); dies., 1981b, S. 49; dies, 1982b, S.20; dies., 1982c, S.58; dies., 1983 a, S.57; eigene Berechnungen.
13·
196
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Wachstumsraten z.T. stark divergierten, 205 immer wieder zu drastischen Reduktionen gekommen ist, die meist in Zusammenhang mit Veränderungen des Systems der vertikalen Einnahmenverteilung standen, bei denen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gesamtheit der Staaten angehoben wurde. Beispielhaft sei auf das Jahr 1959 verwiesen, in dem zu den financial assistance grants übergegangen wurde. Da hierdurch nicht nur der vom Bund an die Staaten übertragene Gesamtbetrag erhöht, sondern auch der damit verbundene horizontale Ausgleich intensiviert wurde, 206 konnten die special grants in diesem Jahr von einem Niveau von fast 44 Mio. auf gut 15 Mio. A-$ verringert werden. Außergewöhnlich hohe special grants mit jeweils über 50 Mio. A-$ wurden in den Jahren 1972/73 und 1979/80 geleistet. Bemerkenswert ist dabei vor allem das erstgenannte Jahr, weil damals zum ersten Mal der als relativ finanzkräftig angesehene Staat Queensland einen Antrag auf finanzielle Unterstützung gestellt und auch special grants in Höhe von fast 20 Mio. A-$ erhalten hat. Damit ist die Frage angesprochen, welchen Staaten die special grants zuflössen. Abgesehen von den beiden finanzkräftigsten und deswegen als Standard angesetzten Staaten New South Wales und Victoria, haben im Laufe der Zeit alle australischen Staaten und seit neuestem auch das Northern Territory special grants erhalten. Während es aber bis zum Ende der 50er Jahre drei (South Australia, Western Australia und Tasmania) und bis Mitte der 70er Jahre durchweg immerhin noch zwei Staaten (Tasmania und Western Australia bzw. South Australia) waren, die gleichzeitig in den Genuß dieser FZ kamen, beschränkten sich seit 1975/76 die Zahlungen an einen Staat alleine auf Queensland. Das kann als Indiz dafür angesehen werden, daß der im Laufe der Zeit intensivierte horizontale Ausgleich im Rahmen der vertikalen Verteilung die relativ armen Staaten in einem Umfang begünstigte, daß eine weitere Unterstützung überflüssig wurde. Allerdings überrascht — jedenfalls prima facie —, daß ausgerechnet Queensland, das anerkanntermaßen nicht zu den Staaten „with the lowest fiscal capacity" 207 gehört, in zahlreichen Jahren diese FZ als einziger in Anspruch nehmen konnte. Als Begründung hierfür ist vor allem auf die — infolge der kapitalintensiven Produktion in diesem Staat — vergleichsweise geringere Bemessungsgrundlage für die Lohnsummensteuer und die gleichzeitige Dominanz dieser Einnahmenart in den Standard-Staaten hinzuweisen, die z. B. für das Jahr 1979/80 allein zu einem Ausgleichsanspruch für Queensland von gut 58 Mio. A-$ geführt haben. 208 In den letzten Jahren ist als weiterer Empfänger von special grants noch das Northern Territory hinzugekommen, das seit 1978, als es unter eine eigene 205
Da sich die Zahlenangaben in Übersicht 5 auf wenige ausgewählte Jahre beschränken, ist diese Entwicklung hieraus nicht unmittelbar abzulesen. Sie wird aber durch einen Blick in die zugrundeliegende Quelle (CGC, 1981 a, Teil II, S. 75) bestätigt. 206 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.1. 207 Mathews, R. L., 1982, S. 158. 208 Vgl.: CGC, 1981a, Teil II, S. 42.
2. Australien
197
Verwaltung gestellt wurde, 2 0 9 wie ein Staat berechtigt ist, durch diese FZ unterstützt zu werden. Darüber hinaus nimmt das Northern Territory seit 1981/82 auch an der Verteilung der Einkommensteuerverbundmasse teil, 2 1 0 so daß es seitdem im Finanzausgleich wie jeder der anderen Staaten behandelt wird. Nachdem Queensland 1982 erklärt hat, daß es vorläufig keine special grants mehr beantragen werde, 211 ist das Northern Territory seitdem sogar der einzige Empfänger dieser Art von finanzieller Unterstützung seitens des Bundes. Die Tendenz in Australien geht unzweifelhaft in die Richtung, den horizontalen Ausgleich vollständig in die vertikale Verteilung einzubeziehen. Denn auch für das Northern Territory ist vorgesehen, daß nach einer gewissen Übergangszeit, in der „the general level of the special grant to the Territory will have become established" 212 , diese ebenfalls in die Regelung des income tax sharing integriert werden sollen. Allerdings ändert sich hierdurch nichts an der aufwendigen Methode zur Berechnung der Finanzkraft- und -bedarfsrelationen der Staaten, weil dieses Verfahren auch weiterhin eingesetzt wird, allerdings nicht mehr um die special grants, sondern jetzt um die jeweiligen Anteile an der Einkommensteuer festzulegen und zu überprüfen. Denn im Rahmen der schon angesprochenen 213 „Points of Understanding" zwischen dem Bund und den Staaten über die Einführung des Steuerverbundsystems ist vereinbart worden, daß in regelmäßigen Abständen die „tax sharing arrangements as a whole" 2 1 4 überprüft werden sollen. Für diese Überprüfung, die erstmals im Haushaltsjahr 1980/81 stattfand, 215 setzte die CGC das oben beschriebene Verfahren 216 ein. Die beiden einzigen wichtigen Unterschiede 217 bestehen darin, daß zum einen nicht mehr nur die beiden reichsten Staaten als Standard angesetzt werden. Vielmehr praktiziert die CGC einen sog. „six-state rotating standard", bei dem alternierend die fiskalischen Parameter eines Staates mit denen aller anderen verglichen werden. Der ohnehin schon betriebene Aufwand vergrößerte sich dadurch beträchtlich, so daß sich die CGC veranlaßt sah, die Berechnung mit einem Computer-Programm vorzu209
Vgl.: ACIR, 1981, S. 53. Vgl.: Mathews, R. L., 1982, S. 157. 211 Vgl.: CGC, 1982a, S. 20. 212 Dies., 1983 a, S. 64. 213 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.1. 214 CGC, 1981a, Teil II, S. 29. 215 Die Ergebnisse dieser und der unmittelbar im nächsten Jahr erneut durchgeführten Berechnungen werden kurz zusammengefaßt und die Konsequenzen der dort geforderten Änderungen auf die Beschäftigungssituation in den einzelnen Staaten mit Hilfe eines ökonometrischen Modells analysiert bei: Madden, J. R./Challen, D. W./Hagger, A. J., 1983. 216 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.3.1.2.1. 217 Auf einige weitere Abweichungen, die aber mehr technischer Natur sind, weist N. Groenewold (1981, S. 284) hin. 210
198
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
nehmen. 218 Zum anderen handelte es sich bei den special grants um betragsmäßig offene FZ, die ausschließlich nach dem jeweiligen Finanzbedarf festgelegt wurden. Bei der Verteilung des Einkommensteueranteils liegt der Sache nach demgegenüber ein „closed-end type of grant" 2 1 9 vor, da (nur) die Beteiligungsquote an dem den Staaten insgesamt zustehenden Einkommensteueraufkommen berechnet wird. An der detaillierten Ermittlung von 26 Finanzkraft- und 63 -bedarfskomponenten hat sich demnach nichts geändert. Hierin liegt auch begründet, warum auf das Verfahren zur Berechnung der special grants in dieser Arbeit so ausführlich eingegangen wurde, obwohl es im ursprünglichen Sinn zur Zeit nur für das Northern Territory und in Zukunft u. U. überhaupt nicht mehr eingesetzt wird. Für die Berechnung der Steuerverbundquote wird aber auch in Zukunft gelten, daß in Australien „the most highly developed system of fiscal capacity equalization in any federal country" 2 2 0 angewendet wird. I m Gegensatz zu den bisher geltenden Regelungen erfolgt das aber nicht mehr durch die augenfällige Zahlung einer eigenen Art von FZ, sondern durch die Festlegung der Beteiligungsquote an der Einkommensteuer. Dadurch verliert der horizontale Ausgleich ganz eindeutig aber an Transparenz, da sich die gezielte Unterstützung der finanzschwächeren Staaten (nur) in relativ größeren Anteilen an der Verbundmasse äußert. Insoweit könnte man auch von einer „stillen Umverteilung" sprechen, die zwar den einzelnen Staat von dem „Makel" der Hilfsbedürftigkeit befreit, dafür aber auch in ihren Wirkungen kaum noch zu beurteilen, geschweige denn zu quantifizieren ist. Zusammenfassend kann folgendes festgehalten werden: 1. Die Methode des horizontalen Ausgleichs hat sich in Australien seit etwa 50 Jahren nicht verändert. Sie beruht auf einer detaillierten Berechnung einer Fülle von Finanzkraft- und -bedarfskomponenten. 2. Bei diesen Berechnungen war und ist es das Hauptanliegen der CGC, nur auf solche Faktoren abzustellen, die durch Budgetentscheidungen der einzelnen Staaten nicht beeinflußt werden können und insoweit objektivierbar sind. 3. Insbesondere die Berücksichtigung der großen Zahl von Finanzbedarfskategorien und dabei von Kostenunterschieden beim öffentlichen Leistungsangebot hebt das australische System von den in anderen Ländern praktizierten Verfahren ab. 4. Allerdings hat einmal die Fülle der berücksichtigten Einnahmen- und Ausgabenarten und zum anderen die in den letzten Jahren betriebene Integration des horizontalen Ausgleichs in die vertikale Steuerverteilung zu einer Intransparenz des Systems geführt, die die Umverteilungswirkungen für Außenstehende kaum noch deutlich werden läßt. 218 219 220
Vgl.: CGC, 1981a, Teill, S. 57. Vgl.: 1. Teil, Kap. 1. ACIR, 1981, S. 49.
2. Australien
199
2.3.2. Zweckgebundene Finanzzuweisungen Die an die australischen Staaten geleisteten Zweckzuweisungen — die von diesen noch zu einem geringen Teil an die Kommunen weitergeleitet werden — haben einer wechselvollen Geschichte unterlegen. Während sie bis Mitte der 50er Jahre kaum ein Viertel aller vom Bund p. a. gezahlten FZ ausmachten, war ihr Anteil gegen Ende der 60er Jahre auf etwa 30 v. H. gestiegen.221 Ihre Blütezeit hatten sie Anfang bis Mitte der 70er Jahre, als sich innerhalb von nur drei Jahren das Niveau der jährlich gezahlten Zweckzuweisungen von knapp 1 Mrd. A-$ auf über 4 Mrd. A-$ mehr als vervierfachte. 222 Da die Entwicklung der allgemeinen FZ hiermit nicht Schritt hielt, wuchs der Anteil der zweckgebundenen Zahlungen an den gesamten FZ auf über 50 v . H . 2 2 3 Als Begründung für diese „dramatic increase in specific purpose grants" 2 2 4 wird in erster Linie das „program of social reform and urban improvement" 225 der damals regierenden Labour-Partei verantwortlich gemacht, 226 mit dem ein immer größerer Teil der öffentlichen Aufgaben als für die Gesamtheit bedeutsam erklärt und damit der Eingriff des Bundes über Zweckzuweisungen gerechtfertigt wurde. Nach dem Regierungswechsel zur Liberal-Nationalen Partei und dem damit zusammenhängenden Übergang zum „New Federalism" wurde das Gewicht der zweckgebundenen FZ wieder deutlich reduziert. Dahinter stand die Zielsetzung der neuen Regierung, „to strengthen the independence and flexibility of State and local governments." 227 Infolge der im Vergleich zu den allgemeinen FZ geringeren Wachstumsraten war der Anteil der Zweckzuweisungen an den gesamten Zuweisungen des Bundes bis zum Jahr 1980/81 wieder auf knapp 40 v.H. gesunken. 228 Zu einem weiteren — nicht mehr nur relativen — Abbau ist es 1981/82 gekommen, als einer der größten Blöcke von Zweckzuweisungen, nämlich die für das Gesundheitswesen, in allgemeine FZ umgewandelt wurde. Denn seit diesem Termin sollen die Staaten an Stelle der bis dahin gezahlten „hospital costsharing. . . , community health and school dental programs" 2 2 9 , die — wie die Namen schon andeuten — für den Einsatz in den jeweiligen Bereichen zweckgebunden waren, sog. „basic health grants" erhalten, die in den ersten 221
Vgl.: Hunter, J. S. H., 1976/77, S. 445; Holmes, J./Sharman, C., 1977, S. 148. Vgl.: Mathews, R. L., 1982, S. 161. 223 So auch: Hunter, J. S. H., 1976/77, S. 445. 224 Martin, A. W., 1982, S. 42. 225 Ebenda. 226 So auch: Head, J. G., 1983, S. 196. Anderer Ansicht sind dagegen: Holmes, J./Sharman, C., 1977, S. 149. Sie datieren den Beginn dieser Entwicklung auf die Zeit vor 1972, als die Labour-Partei noch nicht an der Regierung war. 227 Martin, A. W., 1982, S. 43. 228 Vgl.: Mathews, R. L., 1982, S. 161. 229 CGC, 1982b, Teil I, S. 3. 222
200
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Jahren als separate allgemeine FZ neben den Steuerverbundregelungen geleistet werden sollen. Nach einer Übergangszeit ist dann vorgesehen, daß diese ergänzenden allgemeinen FZ vollständig in den Steuerverbund integriert werden sollen. 230 Auf diese jüngste Entwicklung in Zusammenhang mit den australischen Zweckzuweisungen kann hier nicht näher eingegangen werden, da bislang noch keine genauen Informationen vorliegen, ob sich die finanzielle Unterstützung der Staaten insgesamt vergrößert oder verringert hat und ob es zu Umschichtungen zwischen den Staaten gekommen ist. Gleichwohl können aus diesen Reformüberlegungen zwei Tendenzen abgeleitet werden. Zum einen zeigt sich erneut das Bestreben, möglichst vielen Bedarfsgesichtspunkten durch die Verteilung der Verbundsteuermasse Rechnung zu tragen und dadurch die Notwendigkeit für darüber hinausgehende sonstige FZ zu reduzieren. Zum anderen kann hierin eine Entwicklung gesehen werden, die in die gleiche Richtung läuft wie die zur Zeit in der Bundesrepublik Deutschland geführte Diskussion um den Abbau der sog. „Mischfinanzierungen". 231 Als Argumente hierfür wird vor allem auf die Vergrößerung der Kompetenz der untergeordneten Gebietskörperschaften in den Bereichen hingewiesen, die ihnen nach der Aufgabenverteilung grundsätzlich zustehen sollten. Daneben wird auch auf die Möglichkeit der Entflechtung der „Mischverwaltungen" und damit einer Entbürokratisierung hingewiesen. Einen Überblick über die Entwicklung der Zweckzuweisungen in Australien bis zum Jahr 1980 / 81 gibt die Übersicht 6, aus der nicht nur der Gesamtumfang, sondern vor allem auch die Verteilung der zweckgebundenen FZ auf die verschiedenen Aufgabenbereiche deutlich wird. In bezug auf die funktionale Gliederung können daraus zwei Erkenntnisse gezogen werden: — Zum einen sind die Zwecke, die mit specific purpose grants gefördert werden, im wesentlichen mit denen identisch, die auch in anderen Ländern auf diesem Weg unterstützt werden. Wichtiger noch: Es handelt sich hierbei um Aufgabenbereiche, die durchweg als für die Gesamtwirtschaft bedeutsam interpretiert werden können und insoweit durch räumlich externe Effekte gekennzeichnet sind, die in der theoretischen Analyse als einer der wichtigsten Anlässe für diese Ausgestaltung der FZ vorgestellt worden waren. — Daneben sind aus Übersicht 6 einige strukturelle Verschiebungen zu erkennen. So dominierten bis zum Beginn der 70er Jahre die Zuweisungen für den Straßenbau, gefolgt vom (Aus-)Bildungswesen und — mit deutlichem Abstand — vom System der sozialen Sicherheit und Wohlfahrt. Bemerkenswert ist der bis dahin geringe Anteil der Zuweisungen für das Gesundheitswesen. Während der Expansionsphase stiegen diese aber mit den größten Wachstumsraten, so daß seit 1975/76 die „Gesundheits230 231
Vgl.: ebenda, S. 3 f. Vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 3.3.2.3.
201
2. Australien Übersicht 6 Zweckgebundene Finanzzuweisungen des Bundes an die Staaten, das Northern Territory und die Kommunen8)
1969-70 1972-73
Mio. A-$ 1975-76 1978-79 1979-80
1980-81 estimate
9 145 19
6 259 21
34 1.406 1.083
12 1.956 1.132
2 2.096 1.240
2 2.322 1.406
4 122
127 7
235 363
69 315
71 258
62 265
1 -
263 12
41 6
43 6
45 6
218
289
495
552
616
708
10
16
46
1
27
41
30
94
110
83
73
45
1 4 38 11
2 6 78
14 12 51 24
12 13 55 10
12
—
6 8 47 25
66 2
—
—
80
179
223
302
4.213
4.447
4.745
5.284
Defence Education Health Social security and welfare Housing Urban and regional development η. e. i. and environment Culture and recreation Economic services — Transport Water supply and electricity Industry assistance and development Labour and employment General public services Assistance for State debts Natural disaster relief Local government general purpose assistance
-
Total
611
-
906
a
) Wegen der geringen Bedeutung der kommunalen Ebene werden die an sie fließenden Zahlungen in den Statistiken nicht gesondert ausgewiesen, so daß diese Beträge in den Zweckzuweisungen des Bundes ebenfalls enthalten sind. Quelle: Mathews, R. L., 1982, S. 161.
Zuweisungen" hinter den „Bildungs-Zuweisungen" die zweitwichtigste A r t darstellen. Diese beiden G r u p p e n machen seither regelmäßig mehr als 60, z.T. sogar 70 v . H . der gesamten Zweckzuweisungen aus, so daß den übrigen i m Vergleich dazu nur eine untergeordnete Bedeutung z u k o m m t . Das drückt sich auch darin aus, daß der nominale Betrag der übrigen Programme i m Zeitablauf teilweise konstant blieb, teilweise aber sogar verringert wurde, so daß bei diesen Leistungen die Unterstützung i n realen Größen auf jeden F a l l s a n k . 2 3 2 Permanent positive Wachstumsraten 232
So auch: Mathews, R. L., 1978, S. 118.
202
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
haben außer den beiden dominierenden Gruppen nur noch die Zuweisungen für den Straßenbau und die Unterstützung an die Kommunen verzeichnen können. Alles in allem zeigt sich ein Trend zur Konzentration der zweckgebundenen Mittel auf wenige ausgewählte, dafür aber höher dotierte Aufgabenbereiche. Fragt man nach der Methode, mit der über die Vergabe der Zweckzuweisungen entschieden wird, so zeigen sich wiederum Parallelen zu der Praxis in anderen Staaten. So bedient sich der Bund hierbei einer ganzen Reihe von Sachverständigenkommissionen, die ihm Empfehlungen über die zu unterstützenden Aufgabenbereiche, den Umfang der notwendigen finanziellen Hilfe und die Verteilung auf die einzelnen Staaten unterbreiten. Als Beispiele können „the Cities Commission, the Schools Commission, the Technical and Further Education Commission, the Social Welfare Commission, the Hospital and Health Service Commission" 233 genannt werden. Anders als in der Bundesrepublik Deutschland 234 sind diese Kommissionen aber nicht verfassungsmäßig vorgesehen, sondern werden aufgrund einfacher Bundesgesetze eingerichtet. 235 Infolgedessen schwankten im Laufe der Zeit die Anzahl und die Untersuchungsobjekte solcher Kommissionen. Außerdem wurde ihnen z.T. vorgehalten, daß sie bei ihren Berechnungen wenig systematisch vorgingen. Dadurch „ist (in Australien) die Planung im Bereich öffentlicher Investitionen Stückwerk geblieben, die nichts Vergleichbares zu dem Konzept der Gemeinschaftsaufgaben bietet, das seit 1969 in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt wurde." 2 3 6 Allerdings ist diese Kritik durch die in den letzten Jahren betriebene Umschichtung von den zweckgebundenen zu den allgemeinen FZ insoweit hinfällig geworden, als bei den letztgenannten die Finanzbedarfsunterschiede durch systematische Verfahren beurteilt werden. Deswegen ist es auch seit dieser Zeit zu einer „abolition, consolidation or absorption into government departments of most of the statutory commissions" 237 gekommen. Schließlich ergeben sich weitere Parallelen dadurch, daß die Zweckzuweisungen teilweise mit, teilweise aber auch ohne Eigenbeteiligungsregeln für die unterstützte Gebietskörperschaft ausgestaltet sind. Im Bildungswesen werden fast ausschließlich matching grants geleistet, 238 während im Gesundheitswesen schon seit 1975/76 die Form der „block grants" dominiert, 239 bei denen ein 233
Martin, A. W , 1982, S. 42. A u f die durch Art. 91 a und b G G ins Leben gerufenen Planungsausschüsse für die Gemeinschaftsaufgaben und die gemeinsame Bildungsplanung und Forschungsförderung wird später einzugehen sein; vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.2.1.1. 235 Vgl.: Mathews, R. L., 1982, S. 162. 236 Hunter, J. S. H., 1976/77, S.445. 237 Mathews, R. L , 1982, S. 163. 238 Vgl.: Martin, A. W., 1982, S. 42. 239 Vgl.: ebenda, S. 44. 234
203
2. Australien
Pauschalbetrag für einen bestimmten Verwendungszweck zur Verfügung gestellt wird. Wegen der oben angesprochenen Probleme, die mit den jeweiligen Leistungen verbundenen externen Effekte zu quantifizieren, 240 knüpft dabei die geforderte Selbstbeteiligung an Finanzkraftindikatoren an, so daß die grundsätzliche allokationspolitische Ausrichtung dieser FZ durch eine verteilungspolitische Komponente überlagert wird. Daß von den zweckgebundenen FZ insgesamt auch ein Umverteilungseffekt zwischen den Staaten entsteht, zeigt ein Blick in Übersicht 7, in der für das Jahr 1977/78 sowohl die Verteilung des Gesamtbetrages als auch die jeweiligen Pro Kopf-Beträge ausgewiesen sind: Übersicht 7
Verteilung der Zweckzuweisungen auf die Staaten 1977/78a) Betrag (in Mio A-$)
Betrag je Einwohner (in A-$/Kopf)
New South Wales Victoria Queensland South Australia Western Australia Tasmania
1.554 1.159 661 462 456 162
308,7 305,2 307,6 360,7 377,3 391,5
insgesamt
4.432
320,9
a
) Quelle: Mathews, R.L., 1978, S. 120.
Während die drei bevölkerungsreichsten Staaten in ihren Pro Kopf-Einnahmen aus den Zweckzuweisungen praktisch übereinstimmen, fließen den weniger besiedelten und auch finanzschwächeren Staaten erheblich mehr Mittel pro Einwohner zu, die im Fall von Tasmania sogar um fast 30 v.H. über dem Durchschnitt der Pro Kopf-Zahlungen an die reichen Staaten liegen. Zusammenfassend kann zu den zweckgebundenen FZ in Australien festgehalten werden, daß ihnen im Vergleich zu den allgemeinen FZ ein deutlich geringeres Gewicht zukommt. Dies ist aber nur zu verständlich, wenn man sich vor Augen führt, mit welcher Akribie die unterschiedlichen Finanzbedarfssituationen im horizontalen Finanzausgleich berücksichtigt werden. Eine Unterstützung bestimmter Leistungen über Zweckzuweisungen ist um so weniger notwendig, je mehr es gelingt, den unterschiedlichen Belastungen der Staaten durch diese Aufgaben bereits bei der Verteilung der allgemeinen FZ Rechnung zu tragen. Ob dadurch allerdings erreicht werden kann, daß die zweckgebundenen vollständig in den allgemeinen FZ aufgehen werden, muß bezweifelt werden. Denn der Bund wird auch weiterhin ein Interesse daran haben, den 240
Vgl.: 1. Teil, Kap. 3.1.1.1.3.
204
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Einsatz der von ihm an die Staaten übertragenen Mittel — zumindest teilweise — in eine von ihm gewünschte Richtung zu beeinflussen. Außerdem werden die Staaten hierzu keine einheitliche Position vertreten, weil durch eine solche Umstellung einige im Vergleich zum status quo begünstigt und andere benachteiligt würden. Insoweit stehen einem (weiteren) Abbau der Mischfinanzierungen in Australien die gleichen Schwierigkeiten entgegen wie in der Bundesrepublik Deutschland. 241 2.3.3. Zwischenergebnis Das System der FZ im bundesstaatlichen Finanzausgleich Australiens ist vor allem durch zwei Charakteristika geprägt. Erstens kam (und kommt heute noch) dem Bund — auch im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland — eine fiskalisch dominierende Stellung zu, weil er seit jeher über die Gesetzgebungsund die Ertragshoheit bei sämtlichen quantitativ bedeutenden Steuern verfügt. Die Staaten mußten regelmäßig — zuerst über „tax reimbursement-", später über „financial assistance grants" — vom Bund finanziell unterstützt werden. Hieran änderte sich im Grunde auch nichts durch den formellen Übergang zum Steuerverbundsystem im Jahr 1976, das aufgrund der vereinbarten Garantieklauseln praktisch auf eine Beibehaltung der vorher bestehenden Regelungen hinauslief. Darüber hinaus ist die jüngste Reform—Erweiterung des Verbundes auf alle Bundessteuern bei gleichzeitiger Reduktion des Verbundsatzes — ein Beleg für die weiterhin dominierende Rolle des Bundes. Denn er hat dadurch erreicht, daß sich die Steuerverbundmasse für die Staaten nicht mit der Zuwachsrate des besonders reagiblen Einkommensteueraufkommens, sondern mit der (geringeren) seines gesamten Steueraufkommens entwickelt. Demnach ist auch in Zukunft von einer ausgeprägten „vertical intergovernmental fiscal imbalance" in Australien auszugehen. Zweitens ist der horizontale Finanzausgleich hervorzuheben, der auf einer umfassenden und theoretisch überzeugenden Berechnung von Finanzkraft- und -bedarfsunterschieden zwischen den Staaten beruht. Während dies früher sowohl im Rahmen der Verteilung der vertikalen FZ auf die Staaten als aber auch durch die zusätzlich gezahlten „special grants" erfolgte, laufen die gegenwärtigen Bestrebungen darauf hinaus, die Zahlung spezieller Ausgleichszuweisungen überflüssig werden zu lassen und den horizontalen Ausgleich ausschließlich durch unterschiedliche Anteile an der Verbundsteuermasse zu erreichen. Die hierzu durchgeführten Berechnungen der Finanzkraft- und -bedarfsunterschiede gehen auf das Konzept der CGC zurück, das seit nunmehr 50 Jahren im wesentlichen unverändert angewendet wird. Je nach den vorliegenden Informationen wird dabei mit mehr oder weniger aufwendigen Verfahren versucht, die Unterschiede zwischen den Staaten in immerhin 26 Einnahmen241
Vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 3.3.2.3.
2. Australien
205
und sogar 63 Ausgabenarten zu quantifizieren. Bei der Finanzkraft-Komponente werden lediglich Unterschiede in den Bemessungsgrundlagen und bei der Finanzbedarf-Komponente nur (objektivierbare) Kostenunterschiede erfaßt, so daß die Budgetentscheidungen der Staaten keinen Einfluß auf die Höhe des jeweils berechneten „financial need" haben. Wenngleich die Methode theoretisch überzeugend ist, ergeben sich Bedenken hinsichtlich ihrer Eignung für die Praxis des Finanzausgleichs. Die außerordentliche Fülle der berücksichtigten Einnahmen- und Ausgabenarten sowie darüber hinaus die unterschiedlichen Berechnungsverfahren führen dazu, daß nur wenige in der Lage sein dürften, die Ergebnisse im einzelnen zu durchschauen und ggf. zu überprüfen. Das gilt nicht zuletzt für die Politiker, die über die Gestaltung des Finanzausgleichs letztendlich entscheiden müssen und denen im Grunde nichts anderes übrig bleibt, als die Ergebnisse der CGC im wesentlichen ungeprüft zu übernehmen. Demzufolge bestätigt sich im australischen FZsystem eindrucksvoll eine Warnung W. Bichels, der schon vor knapp 30 Jahren auf die Gefahr hingewiesen hat, daß die genaue Ermittlung von Finanzkraft- und Finanzbedarfsunterschieden „zu außerordentlich komplizierten Verteilungsschlüsseln führen kann, die oft geradezu eine Geheimwissenschaft darstellen und deren ,Objektivität' zudem sehr problematisch ist." 2 4 2 Verstärkend kommt hinzu, daß durch die vollständige Integration des horizontalen in den vertikalen Finanzausgleich die Transparenz des Systems weiter verringert wird. Denn seither kann nicht mal mehr anhand des offensichtlichen Zuflusses von special grants erkannt werden, welchem Staat (oder Territorium) im Vergleich zu den anderen besondere Belastungen zugesprochen werden. Die zunehmende Intransparenz des Systems kann als ein Grund dafür angesehen werden, daß 1983 erstmals die Gefahr bestand, daß den Vorschlägen der CGC nicht gefolgt werden würde. 243 Alles in allem steht in Australien die Frage nach dem horizontalen Finanzausgleich zwischen den Staaten hinter dem Problem der vifi zurück. Die Staaten drängen insbesondere darauf, eigene Umsatzsteuern erheben zu dürfen, was ihnen bislang durch die Rechtsprechung des High Court verwehrt wird. Ein Abbau der vifi wäre für sie wesentlich attraktiver als eine mehr oder weniger geringfügige Verschiebung ihrer Anteile an der Verbundsteuermasse. Verständlicherweise stoßen sie dabei auf die massive Gegenwehr des Bundes, so daß eine Lösung des Konfliktes momentan nicht in Sicht ist.
242 243
Bickel, W., 1956, S. 754. Vgl.: CGC, 1983c, S. 135.
206
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
3. Bundesrepublik Deutschland 3.1. Charakterisierung des Landes Auch wenn die in der Bundesrepublik Deutschland erschienenen Studien über den hier praktizierten Finanzausgleich im allgemeinen keine Aussagen über die geographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes enthalten, weil dieses (Hintergrund-)Wissen als bekannt vorausgesetzt wird, empfiehlt es sich, im Rahmen der hier durchgeführten vergleichenden Analyse zumindest kurz auf die entsprechenden Gegebenheiten in der Bundesrepublik Deutschland einzugehen. Dadurch wird die Grundlage für den Vergleich mit den australischen Verhältnissen 1 geschaffen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Australien und der Bundesrepublik Deutschland liegt in der Besiedelungsdichte der Länder. Während in Australien im Durchschnitt etwa 2 Einwohner/km 2 anzutreffen sind, liegt dieser Wert in der Bundesrepublik Deutschland bei knapp 250 Einwohnern/km 2 . Die seit Mitte der 70er Jahre — abgesehen von kleineren Schwankungen — konstante Bevölkerungszahl von etwa 61,5 Mio. verteilt sich auf eine Fläche von 248700 km 2 . 2 Wie schon angedeutet wurde, 3 ist ein solcher Blick auf die Durchschnittswerte allerdings nicht unproblematisch, da aus ihnen keine Informationen über die Verteilung der Bevölkerung zu gewinnen sind. Dies gilt insbesondere für die Verhältnisse in Australien, wo riesige Flächen vollkommen unberührten Landes einer Konzentrierung der Bevölkerung vor allem in den Küstenregionen gegenüberstehen. In der Bundesrepublik Deutschland sind dagegen die Unterschiede nicht so dramatisch. Zwar liegt die Besiedelungsdichte in den drei Stadtstaaten mit etwa 1800 (Bremen), 2400 (Hamburg) und sogar fast 4000 Einwohnern/km 2 (Berlin) deutlich über dem Durchschnitt, was auch zu Konsequenzen in bezug auf den Finanzausgleich geführt hat. 4 In den acht Flächenländern schwankt sie dagegen nur zwischen knapp 500 (Nordrhein-Westfalen) und gut 150 Einwohnern/km 2 (Niedersachsen).5 Als besonderer Ballungsraum ist das Ruhrgebiet zu nennen, in dem über 5 Mio. Menschen ein Gebiet von etwa 4000 km 2 bevölkern. Demnach gibt es in der Bundesrepublik Deutschland von der Bevölkerungszahl und -dichte keine so ausgeprägte Dominanz einzelner Länder, wie sie in
1
Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.1. Vgl.: Statistisches Jahrbuch 1984, S. 52f.; beide Zahlenangaben einschließlich Berlin (West). Da in dieser Arbeit ausschließlich die Finanzausgleichsbeziehungen in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des West-Teils von Berlin zur Diskussion stehen, wird im folgenden auf den Zusatz „West" verzichtet. 3 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.1. 4 Vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2.2. 5 Vgl.: Statistisches Jahrbuch 1984, S. 53. 2
3. Bundesrepublik Deutschland
207
Australien für New South Wales und Victoria festgestellt wurde. 6 Gleichwohl unterscheiden sich auch die deutschen Länder in ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit in ihren wirtschafts- und sozialpolitischen Aufgabenstellungen. Ohne hier auf sämtliche Details eingehen zu können, 7 ist in der Bundesrepublik Deutschland tendenziell ein Süd-Nord-Gefalle der Länder in bezug auf ihre Wirtschaftskraft festzustellen, das sich sowohl im jeweiligen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt 8 als auch in der unterschiedlichen Höhe der regionalen Arbeitslosenquoten 9 niederschlägt. Die wirtschaftliche Situation der Bundesrepublik Deutschland ist zum einen durch den phänomenalen Aufschwung gekennzeichnet, den die deutsche Wirtschaft nach dem totalen Zusammenbruch infolge der militärischen und politischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg genommen hat („Wirtschaftswunder"). Zum anderen — und damit im wechselseitigen kausalen Zusammenhang stehend — sind die umfangreichen internationalen Handelsverflechtungen zu nennen, die die Bundesrepublik zu einer der größten Welthandelsnationen haben werden lassen. Das gilt sowohl für die Importe, die zu einem großen Teil aus für die industrielle Produktion notwendigen Rohstoffen bestehen, von denen die Bundesrepublik — mit wenigen Ausnahmen, z.B.: Kohle — nicht über ausreichende eigene Vorkommen verfügt. Zum anderen wird etwa M des deutschen Sozialproduktes für ausländische Märkte produziert und exportiert, was im wesentlichen auf das eingesetzte technische Know-how und die Qualität der Produkte zurückzuführen ist. Über die Entwicklung der deutschen Wirtschaftsstruktur geben sowohl die Beschäftigtenzahlen als auch die Beiträge zur (Brutto-)Wertschöpfung der einzelnen Sektoren Auskunft. Beide Indikatoren zeigen übereinstimmend, daß die Bedeutung des primären Sektors (Land- und Forstwirtschaft; Fischerei) im Vergleich zu den 50er Jahren auf weniger als die Hälfte geschrumpft ist. 1 0
6
Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.1. Vgl. dazu z.B.: Julitz, L., 1985, S. 14. 8 Den größten Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) lieferte 1982 NordrheinWestfalen mit 27 v. H. In den fünf südlich gelegenen Ländern werden immerhin fast 50 v. H. des BIP erstellt — wobei die Anteile noch zwischen 17,1 v. H. (Bayern) und 1,6 v. H. (Saarland) schwanken —, so daß der Beitrag der vier nördlich gelegenen Länder nur knapp 24 v.H. ausmacht — wobei die Beiträge der einzelnen Länder dort zwischen 1,5 v.H. (Bremen) und 10 v.H. (Niedersachsen) liegen; vgl.: Statistisches Jahrbuch 1984, S. 544. 9 Im Jahresdurchschnitt 1983 lagen die Arbeitslosenquoten der Länder SchleswigHolstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen über 10 v.H. M i t Ausnahme des Saarlandes, das mit 11,8 v.H. die höchste Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik aufweist — hierfür ist insbesondere die Monostruktur der dortigen Wirtschaft und die Krise der Stahlindustrie verantwortlich —, lagen die Quoten der übrigen, südlich gelegenen Länder zwischen 5,9 v.H. (Baden-Württemberg) und 8,5 v.H. (Rheinland-Pfalz) und damit z.T. deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 9,1 v.H.; vgl.: Statistisches Jahrbuch 1984, S. 110. So auch: Rudolf, W., 1985, S. 231. 7
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2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Allerdings ist bemerkenswert, daß gleichwohl immer noch 85 v.H. des Nahrungsmittelbedarfs der Gesamtbevölkerung aus der eigenen Landwirtschaft gedeckt werden können, 11 was auf die Produktivitätsfortschritte in diesem Sektor schließen läßt. Ebenfalls rückläufig ist die Bedeutung des sekundären Sektors (Energie und Bergbau; Verarbeitendes Gewerbe; Baugewerbe), wobei die Entwicklung allerdings nicht so dramatisch wie bei der Landwirtschaft war, so daß — ausgehend von Werten knapp über 50 v.H. — immer noch etwa 45 v.H. der Beschäftigten in diesem Bereich tätig sind und dabei gut 42 v.H. der Wertschöpfung erstellen. 12 Dementsprechend ist die Bedeutung des tertiären Sektors (Handel und Verkehr; Dienstleistungsunternehmen, vor allem Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen sowie Wohnungsvermietung; Staat; Private Haushalte) kräftig gestiegen, in dem mittlerweile sowohl der größte Teil der Arbeitnehmer beschäftigt ist als auch der größte Teil der Wertschöpfung produziert wird. 1 3 Insoweit hat sich die Bundesrepublik Deutschland mittlerweile „von der hochentwickelten Industriegesellschaft zur industriell hochentwickelten, weltwirtschaftlich orientierten Dienstleistungsgesellschaft" 14 gewandelt. Anfang der 80er Jahre betrug das jährlich in der Bundesrepublik erstellte Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung etwa 12000 US-$ und lag damit geringfügig über den entsprechenden australischen Werten. Dennoch können beide Staaten aufgrund dieses allgemeinen Wohlstandsindikators durchaus als vergleichbar eingestuft werden. 15 Gleiches gilt auch für die Bevölkerungsstruktur, da sich die deutsche Bevölkerung — ähnlich wie die australische — durch eine große Homogenität auszeichnet.16 Sprachliche, kulturelle und religiöse Unterschiede zwischen einzelnen Regionen fallen kaum ins Gewicht. Unter diesem Aspekt sind allenfalls die nach dem Krieg in das Land gekommenen Vertriebenen und Flüchtlinge zu nennen, die mit einer Gesamtzahl von 12 Mio. etwa 20 v. H. der Bevölkerung ausmachen.17 Mittlerweile sind diese Bevölkerungsgruppen aber weitgehend integriert, so daß die lange Zeit praktizierte besondere Berücksichtigung im Finanzausgleich18 obsolet geworden ist. Daneben sind noch die über 10 Während die jeweiligen Anteilszahlen für die Periode 1950-54 im Durchschnitt bei 20,7 v. H. (Beschäftigte) bzw. 8,9 v. H. (Wertschöpfung) lagen, waren sie für den Zeitraum 1970-74 auf 7,8 resp. 2,9 v.H. gesunken; vgl.: Lampert, H., 1980, S. 727. 11 Vgl.: ebenda, S. 728. 12 Vgl.: SVR, Jahresgutachten 1984/85, S. 263 und 268f. 13 So waren 1983 fast 54 v.H. der Beschäftigten in diesem Bereich tätig und erwirtschafteten immerhin gut 55 v.H. der Bruttowertschöpfung; vgl.: ebenda. 14 Lampert, H., 1980, S. 728. 15 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.1. 16 So auch: ACIR, 1981, S. 19. 17 Vgl.: Brockhaus Enzyklopädie, 16. Bd., 1973, S. 629. 18 Vgl. dazu: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2.2.
3. Bundesrepublik Deutschland
209
4 Mio. Ausländer zu nennen, die gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland leben. 19 Während diese Mitbürger in den 60er Jahren als zusätzliche Arbeitskräfte willkommen waren, mehren sich in den letzten Jahren die Probleme, da zum einen der Anteil der Ausländer an den Arbeitslosen überproportional groß ist und zum anderen die intensivierte Einwanderung der Familienangehörigen zu einem Öffnen der Schere zwischen ausländischer Wohnbevölkerung und ausländischen Erwerbstätigen geführt hat. 2 0 Die Landschaft der politischen Parteien in der Bundesrepublik ist zur Zeit geprägt durch ein Nebeneinander der beiden großen Volksparteien „Christlich Demokratische Union /Christlich Soziale Union" (CDU / C S U ) 2 1 und „Sozialdemokratische Partei Deutschlands" (SPD) und den beiden deutlich kleineren Zusammenschlüssen „Freie Demokratische Partei" (F.D.P.) und „Die Grünen". Versucht man — trotz der immensen Probleme einer solchen groben Zuordnung — die unterschiedlichen politischen Standorte zu umreißen, so folgt die C D U weitgehend konservativ-liberalem Gedankengut, während die SPD der staatlichen Planung und Lenkung ein größeres Gewicht beimißt. Die F.D.P. versteht sich als Partei der liberalen Kräfte, wobei sie vor allem in der Innen- und Außenpolitik — ζ. T. jedenfalls — andere Standpunkte als die C D U vertritt. „Die Grünen", die mit Abstand die jüngste der hier angesprochenen Parteien sind, 22 treten für einen an ökologischen, sozialen, basisdemokratischen und gewaltfreien Prinzipien orientierten grundlegenden Wandel von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ein. Während der Bund seit 1982 von einer CDU/CSU-F.D.P.-Koalition regiert wird, dominieren in den Länderparlamenten absolute Mehrheiten. So werden zur Zeit (1985) die Regierungen der Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern von der C D U bzw. CSU und die der Länder bzw. Stadtstaaten Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Saarland von der SPD gestellt. 23 Lediglich in Berlin regiert eine CDU-F.D.P.Koalition und in Hessen seit kurzem eine Koalition aus SPD und Grünen. Die kurze Charakterisierung der ökonomischen, soziologischen und politischen Rahmenbedingungen des Finanzausgleichs in der Bundesrepublik 19
Vgl.: SVR, Jahresgutachten 1984/85, S. 264f. Vgl.: ebenda. 21 M i t der CSU, die ihre Aktivitäten auf das Bundesland Bayern beschränkt, bildet die C D U im Deutschen Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft. 22 Während die anderen drei Parteien in ihrer heutigen Form alle in der unmittelbaren Nachkriegszeit gegründet wurden, existieren „Die Grünen" als Partei erst seit 1980, als sie aus Bürgerinitiativen zum Schutz der Umwelt und zur Verhinderung von Kernkraftwerken hervorgingen; vgl.: Informationen zur politischen Bildung, Nr. 185, 1980, S. 12ff. 20
23 Vgl.: Statistisches Jahrbuch 1984, S. 90. Die dort für das Saarland noch ausgewiesene Koalition von C D U und F. D. P. ist im Frühjahr 1985 nach dem Erreichen der absoluten Mehrheit der Mandatssitze durch die SPD in der Regierungsverantwortung abgelöst worden.
14 Fischer
210
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Deutschland hat deutlich gemacht, daß keine so gravierenden Divergenzen zu den australischen Verhältnissen bestehen, daß deswegen die aus dem Vergleich gezogenen Erkenntnisse in Frage gestellt werden könnten. Vielmehr sind beide Länder dadurch gekennzeichnet, daß sie über eine industriell hochentwickelte Wirtschaft verfügen, die der jeweiligen Bevölkerung ein ansehnliches Pro KopfEinkommen verschafft. Des weiteren bestehen in bezug auf die Bevölkerungsstruktur keine gravierenden Probleme, und im politischen Bereich liegen stabile demokratische Verhältnisse vor. 3.2. Föderative Organisation
Der Überblick über die föderative Organisation der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sich — entsprechend dem in dieser Arbeit analysierten Zeitraum und abgesehen von einigen Hinweisen auf in früheren Zeiten gelegte Grundlagen — auf die Regelungen, die mit dem Grundgesetz von 1949 ins Leben gerufen wurden und die in der Zwischenzeit einige bedeutende Änderungen erfahren haben. 24 Außerdem sei noch vorausgeschickt, daß im folgenden auf der Ebene der Bundesländer das Land Berlin wegen seines Sonderstatus nicht berücksichtigt wird. 2 5 Insoweit stehen in dieser Arbeit die Finanzausgleichsbeziehungen zwischen dem Bund, den acht Flächenländern und den beiden Stadtstaaten zur Diskussion. Auf die Regelungen für die kommunale Ebene wird im Rahmen dieses vorangestellten Überblicks jeweils kurz eingegangen, vor allem um die Unterschiede zum kommunalen Sektor in Australien deutlich werden zu lassen. Beginnen wir die Charakterisierung der Finanzausgleichsbeziehungen — dem „logischen Primat" 2 6 folgend — mit der Verteilung der Aufgaben, so sieht das Grundgesetz — abgesehen von den im wesentlichen durch die Finanzreform von 1969 grundgesetzlich verankerten Einrichtungen des sog. „kooperativen Föderalismus" —eine weitgehende Trennung der Aufgabenzuständigkeiten zwischen Bund und Ländern vor. Nach Art. 30 GG ist die „Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben . . . (grundsätzlich) Sache der Länder." Insoweit kommt ihnen eine besondere Rolle in bezug auf die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben zu. Das bedeutet nun aber nicht, daß ihnen auch die entsprechenden Auïgabenkompetenzen zufallen würden. 27 Vielmehr
24 Über die Entwicklung des deutschen Finanzausgleichs vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis zur Verabschiedung des Grundgesetzes informieren z.B.: Ehrlicher, W., 1980, S. 662ff.; Albers, W., 1961, S. 555ff. 25 Berlin nimmt nicht an den üblichen Regelungen des Finanzausgleichs teil, sondern wird durch besondere Zuschüsse des Bundes unterstützt, über die der jährlich vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebene „Finanzbericht" informiert; vgl. z.B.: Finanzbericht 1985, S. 103 ff. 26 27
Moll, B., 1924. Vgl. zu dieser Unterscheidung grundsätzlich: Peffekoven, R., 1980, S. 609 f.
3. Bundesrepublik Deutschland
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hat der Bund in weiten Bereichen von seinem Recht auf ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 71, 72 und 73 GG Gebrauch gemacht, so daß er — trotz der grundsätzlichen Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder nach Art. 30 G G 2 8 — über die größeren Aufgabenkompetenzen verfügt. Dies betrifft insbesondere die Bereiche der auswärtigen Beziehungen, der Landesverteidigung, des Währungs-, Geld- und Münzwesens sowie Teilbereiche des Verkehrs-, Polizei-, Kommunikations- und Sozialwesens. Die Länder verfügen über Kompetenzen vor allem in den Bereichen der Kulturpolitik, der Rechtspflege und der Wirtschaftsförderung sowie in Teilbereichen des Verkehrs·, Polizei-, Kommunikations- und Sozialwesens. Durch den Übergang zum sog. „kooperativen Föderalismus" ist es zu verfassungsmäßig sanktionierten gemeinsamen Aufgabenverantwortungen der beiden staatlichen Ebenen vor allem in den Bereichen der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a und b GG sowie in Fragen der Konjunktur- und Wachstumspolitik (insbesondere: Art. 104a und 109 GG) gekommen. Den Gemeinden, denen in der Bundesrepublik sowohl von der Anzahl als auch vom Anteil ihrer Ausgaben am öffentlichen Gesamthaushalt her ein deutlich größeres Gewicht zukommt als in Australien, steht nach Art. 28 Abs. 2 GG das Recht zu, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln." Dennoch ist der Umfang der Aufgaben, die von den Kommunen in eigener Verantwortung ausgeführt werden können, vergleichsweise gering. Vielmehr überwiegen die ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben sowie solche Angelegenheiten, die die Gemeinden im Auftrag von Bund und Ländern erfüllen. Dabei reicht der Aufgabenkatalog von Feuerwehr und Katastrophenschutz über Alters-, Jugend· und Sozialhilfe bis zur Müllbeseitigung und Einrichtungen von Freizeitund Erholungszentren. Die Verteilung der Ausgaben, die nicht notwendigerweise mit der Aufgabenzuordnung übereinstimmen muß, 2 9 war in der ursprünglichen Fassung des GG nicht explizit angesprochen. Allenfalls aus der damals geltenden Steuerverteilungsregel, nach der die Steuern entsprechend den Aufgaben aufzuteilen waren (Art. 107 GG a.F.), konnte indirekt abgeleitet werden, daß die Ausgaben- der Aufgabenverteilung folgen sollte. 30 Diese Lücke wurde im Rahmen der Finanzreform von 1955 geschlossen, mit der — wenn auch damals noch im (die Verteilung der Steuerertragshoheit betreffenden) Art. 106 GG — die Vorschrift aufgenommen wurde, daß grundsätzlich „der Bund und die Länder . . . gesondert die Ausgaben (tragen), die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben." In der Finanzreform von 1969 wurde diese „allgemeine Lastenvertei-
28 29 30
14*
Vgl.: Biehl, D , 1983, S.79; Frey, D., 1982, S. 19ff. Vgl.: Peffekoven, R., 1980, S. 617f. Vgl.: Biehl, D , 1983, S. 80.
212
2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
lungsregel" 31 mit dem neu geschaffenen Art. 104 a GG ihrer Bedeutung entsprechend an den Anfang der Verfassungsnormen über das Finanzwesen gestellt. Daß sich die Ausgabenverteilung dennoch in weiten Bereichen von der Aufgabenzuordnung unterscheidet, ist auf die zahlreichen Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Regelung zurückzuführen. So nennt Art. 104 a GG selber die Bundesauftragsverwaltung der Länder (Abs. 2), die sog. Geldleistungsgesetze (Abs. 3) und die Finanzhilfen des Bundes an die Länder (Abs. 4). Außerdem kommt es insbesondere durch die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und 91b GG zu einer Durchbrechung des Grundsatzes. 32 I m Zusammenhang mit der Verteilung der Einnahmen muß als erstes wiederum geklärt werden, welcher Ebene im Staatsaufbau die Gesetzgebungskompetenz für welche Steuern 33 zukommt. In bezug hierauf knüpft das G G an die eher zentralistischen Regelungen an, wie sie zu Zeiten der Weimarer Republik praktiziert wurden. 34 So wird dem Bund in Art. 105 Abs. 1 GG die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und die Finanzmonopole zugesprochen. Außerdem hat er nach Art. 105 Abs. 2 GG bei allen anderen Steuern das Recht auf konkurrierende Gesetzgebung, wenn ihm das Aufkommen einer Steuer ganz oder auch nur teilweise zusteht oder wenn die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG (Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung aufgrund mangelnder Wirksamkeit von Landesgesetzen, möglicher Interessenkonflikte zwischen den Ländern oder der Zielsetzung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse) vorliegen. Wegen der Spannbreite dieser Voraussetzungen überrascht es nicht, daß der Bund die Gesetzgebungskompetenz bei nahezu allen Steuern auf sich ziehen konnte. Demnach wird der weitaus größte Teil der Steuern in der Bundesrepublik Deutschland nach einheitlichem Bundesrecht erhoben, was sich sowohl auf die Steuerobjekte und -bemessungsgrundlagen als auch auf die Tarife bezieht. 35 Die einzige Ausnahme stellen die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dar, für die Art. 105 Abs. 2 a GG die Objekthoheit grundsätzlich den Ländern zuspricht. Bei diesen Steuern — die auch als Abgaben „mit örtlich bedingtem Wirkungskreis" bezeichnet werden 36 — handelt es sich in erster Linie um die 31
Ehrlicher, W., 1980, S. 675. Vgl. dazu im einzelnen: 2. Teil, Kap. 3.3.2.1.1. 33 Erneut wird wegen des quantitativen Gewichts dieser Einnahmenart bei dem Überblick über die föderative Organisation nur auf die Steuern abgestellt, obwohl auch andere Einnahmequellen für den Finanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland relevant sind; vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2.2. 34 Vgl.: Ehrlicher, W., 1980, S. 670 und 681. 35 Einschränkend ist aber daraufhinzuweisen, daß nach Art. 105 Abs. 3 GG Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen ganz oder zum Teil den Ländern (oder den Gemeinden) zufließt, der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Insoweit sind die Länder nicht ohne Einfluß auf die Steuergesetze. 36 Vgl.: Ehrlicher, W., 1980, S. 671; Biehl, D., 1983, S. 82. 32
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Hunde-, die Jagd- und Fischerei-, die Getränke-, die Schankerlaubnis-, die Vergnügung- und die Zweitwohnungsteuer. Allerdings können die Länder bei diesen Steuern auch auf eigene gesetzgeberische Aktivitäten verzichten und die Erhebung und Ausgestaltung dieser Abgaben ihren Gemeinden überlassen, denen ohnehin die Erträge aus diesen Steuern zufließen. Neben dem dadurch u. U. ermöglichten „Steuerfindungsrecht der Gemeinden" beschränkt sich deren Gesetzgebungskompetenz in bezug auf die Steuern auf das Recht, die Hebesätze bei den Realsteuern (Grund-, Gewerbesteuern) innerhalb bestimmter Grenzen festzulegen (Art. 106 Abs. 6 GG). Insoweit verfügen die Gemeinden im Vergleich zu den Ländern im Grunde über eine größere Objekthoheit, 37 da es ihnen — im Gegensatz zu den Ländern—möglich ist, über die Anspannung von Steuerquellen zu entscheiden, deren Erträge ihnen (weitgehend) selbst zufließen. 38 Aus der Betrachtung der Objekthoheit folgt, daß sich in der Bundesrepublik Deutschland — ähnlich wie in Australien — die Unterschiede in der Steueranspannung lediglich auf wenige (quantitativ kaum ergiebige) Steuerarten, nämlich die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, und (in bestimmten Grenzen) auf die Steuersätze der Realsteuern beziehen können. Zu welchen Konsequenzen das für die Konstruktion des Finanzausgleichs führt, wird später noch zu diskutieren sein. 39 Ganz analog zur Verteilung der Aufgabenkompetenzen folgte die Verteilung der Steuererträge in der ursprünglichen Fassung des GG prinzipiell dem Trennsystem. Dabei knüpften die Regelungen — im Gegensatz zu den zentralistischen Tendenzen bei der Steuergesetzgebung — an der föderalistischen Tradition des Kaiserreiches an. 4 0 Außerdem wurde dem Grundsatz gefolgt, daß dem Bund die (aufgrund der Erhebungsform als Produktionssteuern regional nicht radizierbaren) indirekten Steuern und den Ländern die direkten Steuern zustehen sollten. 41 Beschränkt man den Überblick auf die quantitativ ergiebigen Steuern, 42 so wurde dem Bund mit Art. 106GG, in dem auch heute noch die Verteilung der Steuerertragshoheit geregelt ist, das Aufkommen der Zölle, der Finanzmonopo37
So auch: Ehrlicher, W , 1980, S. 681. Allerdings ist dabei noch zu beachten, daß die Länder über den Bundesrat die Gesetzgebung bei den Steuern beeinflussen können, deren Aufkommen ihnen oder den Gemeinden (GV) ganz oder zum Teil zufließt; vgl.: Art. 105 Abs. 3 GG. 39 Vgl.: 2. Teil, Kap. 3.3.1.2.2.2. 40 Vgl.: Ehrlicher, W., 1980, S. 669 und 681; Kaltefleiter, W., 1980, S. 15. 41 Vgl.: Ehrlicher, W , 1980, S. 682; Biehl, D , 1983, S. 82. 42 Hier und im folgenden wird auf folgende Bundessteuern nicht eingegangen: Verkehrsteuern (Beförderungsteuer [bis 1967]; Straßengüterverkehrsteuer [bis 1971]; Börsenumsatzsteuer; Gesellschaftsteuer; Versicherungsteuer; Wechselsteuer; einmalige Vermögensabgaben und Ausgleichsabgaben; Ergänzungsabgabe zur Einkommen- [bis 1974] und zur Körperschaftsteuer [bis 1976]). Von den Landessteuern bleiben die 38
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2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
le, der meisten Verbrauchsteuern (Ausnahmen: Biersteuer; Verbrauchsteuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis) 43 und der Umsatzsteuer zugesprochen. Den Ländern standen — und hierin drückt sich das föderative Übergewicht aus — so ertragreiche Steuern wie die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer, daneben die Vermögensteuer, die Erbschaftsteuer, die Biersteuer und — soweit die Landesgesetzgebung keine Abführung an die Gemeinden vorsah — auch die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis zu. Das durch die aufkommensmäßige Dominanz der Einkommen- und der Körperschaftsteuer u.U. bedingte finanzielle Ungleichgewicht zwischen Bund und Ländern sollte nach den Vorstellungen des Verfassungsgebers dadurch beseitigt werden, daß der Bund bei Bedarf einen Teil des Aufkommens dieser beiden Steuern für sich beanspruchen konnte. Obwohl der Bund von diesem Recht ursprünglich keinen Gebrauch machen wollte, 44 dauerte es nur bis zum Jahr 1951, bis er mit Hilfe des sog. „Ersten Inanspruchnahmegesetzes" 27 v.H. des Aufkommens der Einkommen- und der Körperschaftsteuer zur Finanzierung seiner Ausgaben in Anspruch nehmen mußte. In den folgenden Jahren wurde die Bundesbeteiligung schrittweise auf 38 v.H. erhöht. 45 M i t der Finanzreform von 1955 wurde die quotale Verteilung von Einkommen- und Körperschaftsteuer zwischen Bund und Ländern in die Verfassung aufgenommen, so daß in der Bundesrepublik Deutschland der Übergang vom Trennsystem zu einem — auf einzelne Steuern bezogenen — Verbundsystem sowohl de facto als auch de jure gut 20 Jahre eher vollzogen wurde als in Australien, wo der entscheidende Schritt in diese Richtung auf das Jahr 1976 zu datieren ist. 4 6 Die Beteiligungsquote des Bundes wurde dabei auf 33^ v.H. (bis 31. 3.1958) bzw. 35 v. H. (ab 1. 4.1958) festgelegt. Außerdem wurden in Art. 106 Abs. 4 G G Bestimmungen aufgenommen, die die gegebenenfalls notwendig werdenden Änderungen des Beteiligungsverhältnisses betrafen. Obwohl das GG sowohl das Kriterium nannte, an dem die Notwendigkeit einer Änderung abgelesen werden sollte („unterschiedliche Entwicklung der Verhältnisse zwischen Einnahmen und Ausgaben des Bundes einerseits und der Länder andererseits"), als auch die bei einer Änderung zu beachtenden Grundsätze umschrieb (vor allem: gleichmäßiger Anspruch auf Deckung der notwendigen Ausgaben; Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse), konnten diese sehr allgemein gehaltenen BestimRennwett- und Lotteriesteuer, die Feuerschutzsteuer und die Spielbankenabgabe außer Betracht. 43 Der Kreis der dem Bund zufließenden Verbrauchsteuern umfaßt demnach — in der Reihenfolge ihres gegenwärtigen Beitrags zum Steueraufkommen — die Mineralölsteuer, die Tabaksteuer, die Branntweinabgaben, die Kaffeesteuer, die Schaumweinsteuer, die Zuckersteuer, die Leuchtmittelsteuer, die Teesteuer und die Salzsteuer; vgl.: Finanzbericht 1985, S. 172 f. 44 Vgl.: Ehrlicher, W., 1980, S. 682. 45 Vgl.: ebenda. 46 Vgl.: 2. Teil, Kap. 2.2.
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mungen gleichwohl nicht verhindern, daß es regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über das Beteiligungsverhältnis kam. 4 7 Insbesondere für den Bund erwies sich diese Steuerverbundregelung als nicht ergiebig genug. So flössen die Ertragszuwächse der besonders wachstumsreagiblen Einkommen- und Körperschaftsteuer zu etwa zwei Drittel den Ländern zu. Andererseits sah sich der Bund ständig steigenden Ausgabenverpflichtungen gegenüber (z.B.: Sozialausgaben; Verteidigungskosten; Verpflichtungen im Rahmen der EWG), die auch nicht durch die Zuwächse bei der ihm allein zustehenden Umsatzsteuer hinreichend gedeckt waren. Dennoch dauerte es bis zum Jahre 1969, bis dieser Entwicklung durch die sog. „Große Finanzreform" Rechnung getragen wurde und die Steuerverbundregelung grundlegend geändert wurde. Die mit der Finanzreform von 1969 in das GG aufgenommenen Regelungen sind auch heute noch gültig, so daß hierauf näher einzugehen ist. Zum einen wurde in Art. 106 Abs. 3 GG das Beteiligungsverhältnis von Bund und Ländern an der Einkommen- und der Körperschaftsteuer grundsätzlich 48 auf je 50 v.H. festgelegt, so daß die beiden staatlichen Ebenen seitdem zu gleichefi Teilen an der Entwicklung dieser Steuern partizipieren. Zum anderen wurde der Steuerverbund auf die Umsatzsteuer 49 ausgedehnt, so daß alleine hierdurch 50 seit dieser Zeit in der Bundesrepublik Deutschland über 70 v. H. des Gesamtsteueraufkommens der Gebietskörperschaften dem Verbundsystem unterliegen. 51 Im Gegensatz zur Verteilung von Einkommen- und Körperschaftsteuer wurde das Beteiligungsverhältnis an der Umsatzsteuer allerdings nicht im GG festgeschrieben. Vielmehr wird darüber mit Hilfe eines Bundesgesetzes entschieden, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Außerdem wurde mit der Finanzreform von 1969 die Revisionsklausel geändert, die sich nicht mehr wie bisher auf die Anteile an der Einkommen- und der Körperschaftsteuer, sondern auf die Umsatzsteuer bezieht, der damit die Rolle des „variablen Elements" in der vertikalen Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern zugekommen ist. Allerdings wurden sowohl das Kriterium, mit dem die Notwendigkeit einer Änderung beurteilt wird, als auch die bei einer Änderung zu beachtenden Grundsätze im wesentlichen unverändert übernommen, so daß es nicht überrascht, daß es auch weiterhin zu Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über das „richtige" Beteiligungsverhältnis, jetzt aber eben an der Umsatzsteuer, gekommen ist. 5 2 47
Vgl.: Ehrlicher, W , 1980, S. 682. Auf die hierbei noch zu berücksichtigende Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer wird anschließend eingegangen. 48
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Einschließlich der an der Grenze erhobenen Einfuhrumsatzsteuer. Darüber hinaus existieren weitere Elemente eines Steuervèrbundsystems, auf die im folgenden noch hingewiesen wird. 51 So auch: Ehrlicher, W., 1980, S. 683. 52 Zu den Problemen der Umsatzsteuerverteilung im einzelnen vgl.: Peffekoven, R;, 1985b, S. 53ff. 50
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2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Schließlich stellte die Finanzreform von 1969 einen Fortschritt in bezug auf die Steuerertragshoheit der Gemeinden (GV) dar. Denn in das GG von 1949 waren — abgesehen von dem Verweis auf die Landesgesetzgebung53 — überhaupt keine Bestimmungen über die Finanzausstattung der Kommunen aufgenommen worden. Erst 1956 wurde im neu eingefügten Art. 106 Abs. 6 GG festgelegt, daß das Aufkommen der Realsteuern (Grund- und Gewerbesteuern) den Gemeinden zusteht (sog. Realsteuergarantie). Allerdings änderte sich dadurch an der finanziellen Situation der Kommunen nichts, da hiermit nur die von den Ländern ohnehin geübte Praxis, das Aufkommen dieser Steuern an die Gemeinden abzuführen, verfassungsmäßig verankert wurde. Darüber hinaus wurde in diesem Jahr aber auch die Bestimmung in das GG aufgenommen, daß den Gemeinden (GV) insgesamt ein von der Landesgesetzgebung festzulegender Hundertsatz vom jeweiligen Landesanteil an der Einkommen- und der Körperschaftsteuer zufließt. Insoweit wurde damals ein — indirekter — obligatorischer Steuerverbund zwischen den Ländern und ihren Gemeinden ins Leben gerufen. M i t der Ausdehnung des Steuerverbundes zwischen Bund und Ländern im Jahre 1969 wurde entsprechend auch diese obligatorische Finanzausgleichsmasse um die Umsatzsteuer erweitert. Der wichtigste Fortschritt für die Gemeinden durch die 69er Reform bestand in ihrer unmittelbaren Beteiligung an einer der sog. Gemeinschaftsteuern und damit in ihrer direkten Teilnahme am Steuerverbund. Nach Art. 106 Abs. 5 GG erhalten die Gemeinden seitdem nämlich einen Anteil an der (aufkommensstärksten und wachstumsreagiblen) Einkommensteuer, wobei die Einzelheiten, vor allem die Teile der Einkommensteuer, auf die sich der Verbund bezieht, sowie die Beteiligungsquote für die Gemeinden, durch ein — wiederum zustimmungsbedürftiges — Bundesgesetz geregelt werden. Unter Berücksichtigung der zur Zeit (seit 1.1. 1986) geltenden Verteilungssätze ergibt sich dann folgendes Bild der Aufteilung der Gemeinschaftsteuern auf die drei Ebenen im Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland: 54 Gemeinschaftsteuern 1. Einkommensteuer — Lohnsteuer — veranlagte Einkommmensteuer — nicht veranlagte Steuern vom Ertrag 2. Körperschaftsteuer 3. Umsatzsteuer (einschließlich Einfuhrumsatzsteuer) 53
Bund (v.H.)
Länder (v.H.)
Gemeinden (v.H.)
42,5
42,5
15
42,5
42,5
15
50 50 65
50 50 35
-
Vgl.: dieses Kap., S. 214. Zusammengestellt nach: Finanzbericht 1986, S. 98 ff. So auch: Peffekoven, R., 1986a, S. 88. 54
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Wie schon angedeutet, beschränken sich die Verbundregeln nicht alleine auf die Gemeinschaftsteuern. Vielmehr mußten die Gemeinden ihre Beteiligung an der Einkommensteuer dadurch „erkaufen", daß im Gegenzug Bund und Länder über eine Umlage am Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden konnten (Art. 106 Abs. 6 GG). Während diese sog. Gewerbesteuerumlage in den 70er Jahren etwa 40 v.H. des Gewerbesteueraufkommens (ohne Lohnsummensteuer) ausmachte, ist ihre Bedeutung im Zusammenhang mit mehreren Steuerreformen auf etwa 17 v.H. des Aufkommens reduziert worden. 55 Aus all dem folgt, daß die Verteilung der Steuerertragshoheit in der Bundesrepublik Deutschland seit 1969 durch eine starke Betonung des Verbundsystems gekennzeichnet ist. Zwar wird auch weiterhin das Aufkommen einer ganzen Reihe von Steuern den verschiedenen Ebenen alleine zugewiesen.56 Aufgrund der überragenden Stellung der Einkommen- und der Umsatzsteuer, aber auch unter Berücksichtigung der Körperschaft- und der Gewerbesteuer unterliegen mittlerweile über 80 v. H. des Steueraufkommens 57 einer quotenmäßigen Verteilung auf die Körperschaften der verschiedenen Ebenen. Diese Relation fallt sogar noch größer aus, wenn die nach Maßgabe der Landesgesetze in die sog. fakultative Finanzausgleichsmasse eingestellten Landessteuern berücksichtigt würden, die von den Ländern in Form von allgemeinen oder zweckgebundenen FZ an ihre Gemeinden (GV) weitergeleitet werden. 58 Insoweit hat in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur auf der Aufgabenund Ausgabenseite, sondern auch auf der Einnahmenseite eine deutlich erkennbare Entwicklung von föderalistischen Prinzipien zu einem stärker auf Kooperation beruhenden Föderalismus stattgefunden. Vor allem auch im Vergleich zu Australien ist dabei die weitgehende Verankerung der Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenkompetenzen in der Verfassung hervorzuheben. 59 Inwieweit sich diese Kompetenzverteilung auf die Gestaltung des deutschen
55 Die Werte ergeben sich, indem der Umlagesatz, der als Prozentsatz vom sog. Grundbetrag von ursprünglich 120 v.H. auf mittlerweile 52 v.H. gesenkt wurde, auf den lange Zeit als Durchschnittsgröße geltenden Hebesatz von 300 v. H. bezogen wird. Geht man von dem tatsächlich geltenden durchschnittlichen Hebesatz aus, der zur Zeit bei etwa 340 v.H. liegt (vgl.: „Unsere Steuern von A bis Z", 1984, S. 77), ergeben sich noch niedrigere Werte. 56
Läßt man die im Laufe der Zeit in den Steuerverbund einbezogenen Abgaben außer acht, so ist die mit der ursprünglichen Fassung des GG vorgenommene Zuordnung im wesentlichen beibehalten worden (vgl.: dieses Kap., S. 213). Lediglich bei den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern hat sich eine erwähnenswerte Änderung ergeben, da diese seit 1969 nicht mehr nach Maßgabe der Landesgesetzgebung, sondern jetzt zwingend nach Art. 106 Abs. 6 GG den Gemeinden bzw. den GV zustehen. 57 Berechnet nach: Finanzbericht 1985, S. 179. 58 Außerdem wird in den meisten Ländern neben dieser Finanzausgleichsmasse auch das Aufkommen der Grunderwerbsteuer — zumindest teilweise — an die Gemeinden abgeführt; vgl.: „Unsere Steuern von A bis Z", 1984, S. 79. 59 So auch: ACIR, 1981, S. 35.
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2. Teil: Praktische Ausgestaltung der Finanzzuweisungen
Systems von FZ im bundesstaatlichen Finanzausgleich auswirkt, wird aus den folgenden Ausführungen deutlich werden. 3.3. Finanzzuweisungen im bundesstaatlichen Finanzausgleich
3.3 J. Allgemeine Finanzzuweisungen Wie die theoretische Analyse im ersten Teil der Arbeit deutlich gemacht hat, dienen die allgemeinen FZ in erster Linie dem Distributionsziel. Durch solche, nicht an Verwendungsauflagen gebundene Transferzahlungen versetzen die ^reicheren" Körperschaften die „ärmeren" in die Lage, ihren Aufgaben- und damit (im wesentlichen) Ausgabenverpflichtungen nachkommen zu können. Hierbei ist dann noch danach zu unterscheiden, ob sich der Einnahmenausgleich zwischen den Ebenen (vertikale Umverteilung), innerhalb einer Ebene (horizontale Umverteilung) oder als Kombination dieser beiden Formen (vertikale Umverteilung mit horizontaler Wirkung) abspielt. 3.3.1.1. Vertikale Umverteilung Ein (ausschließlich) vertikaler Einnahmenausgleich über FZ des Bundes an die Länder, also von oben nach unten, hat in Deutschland — im Gegensatz zu Australien — während des hier betrachteten Zeitraumes nicht stattgefunden. Das ist vor allem auf die historische Entwicklung zurückzuführen. Während in Australien der Bund traditionell alle ergiebigen Steuerquellen für sich beanspruchte und die Staaten deswegen bis zur Einführung des Steuerverbundsystems (1976) auf die finanzielle Unterstützung durch den Bund angewiesen waren, verlief der Prozeß in Deutschland umgekehrt. Denn infolge der Betonung des föderativen Prinzips war den Ländern in der Verfassung des Kaiserreichs von 1871 das Aufkommen der quantitativ wichtigsten Steuern zugesprochen worden. 60 Weil das Reich mit den ihm verbleibenden Erträgen vor allem der Zölle und der Verbrauchsteuern seine Ausgaben aber auf Dauer nicht decken konnte, wurde es über die sog. „Matrikularbeiträge" von den Ländern finanziell alimentiert, was auch zur Bezeichnung des Reiches als „Kostgänger der Länder" führte. 61 Diese traditionelle Aufteilung der Steuerertragshoheit wurde bei der Verabschiedung des GG beibehalten, so daß auch dann noch die Länder im Vergleich zum Bund über die ergiebigeren Steuerquellen verfügten. Demzufolge bestand keinerlei Bedarf, die Steuereinnahmen zwischen den Ebenen zugunsten der Länder umzuverteilen. Vielmehr war es der Bund, der weiterhin auf die finanzielle Unterstützung peiner Gliedstaaten angewiesen war. Allerdings wurde hierzu nicht mehr auf das fcstnunent der Matrikularbeiträge und damit auf allgemeine FZ zurückgegrif: » Vgl. dazu: Ehrlicher, W., 1980, S. 669ff. :