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German Pages [425] Year 2019
VON DEN RÄNDERN GEDACHT VISUELLE RAHMUNGSSTRATEGIEN IN HANDSCHRIFTEN DER IBERISCHEN HALBINSEL
KRISTIN BÖSE
SENSUS. STUDIEN ZUR MITTELALTERLICHEN KUNST
SENSUS. STUDIEN ZUR MITTELALTERLICHEN KUNST HERAUSGEGEBEN VON ULRICH REHM BRUNO REUDENBACH BARBARA SCHELLEWALD SILKE TAMMEN
BAND 8
VON DEN RÄNDERN GEDACHT VISUELLE RAHMUNGSSTRATEGIEN IN HANDSCHRIFTEN DER IBERISCHEN HALBINSEL
KRISTIN BÖSE
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Buchstabenlabyrinth FLORENTIVM INDIGNVM MEMORARE, Gregor d. Gr., Moralia in Iob, 945: Madrid, BNE, Ms. 80, fol. 3r ©Biblioteca Nacional de España Korrektorat: Elena Mohr, Köln Satz: Michael Rauscher, Wien
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-50696-4
Inhalt
I. Zugänge .................................................................................................................. 7 I.1 Nordspanische Handschriften als Phänomen des Randes ....................................... 18 I.2 Visuelle Rahmungen als ‚Zwischenraum‘ und ‚Schwelle‘ ........................................ 29 II. Auctor istorum librorum spiritus sanctus est – lebende Bücher und göttliche Signatur ............................................................................................................... 37 II.1 Lebende Bücher .................................................................................................... 38 II.2 Alpha und Omega – Anfang und Ende ................................................................. 48 III. Der Codex als heiliger Raum .............................................................................. 62 III.1 Das Kreuz als Zeichen asturischer Identität ......................................................... 67 III.2 Das Kreuz als Schwellenmotiv ............................................................................. 76 IV. Der Codex als Labyrinth ...................................................................................... 88 IV.1 Techniken der Verschlüsselung ............................................................................. 96 IV.2 Ordnung und Desorientierung ............................................................................ 103 IV.3 Muster und göttliche Ordnung ............................................................................ 108 IV.4 Erkenntnisgrenzen ............................................................................................... 113 V. Der Codex und seine mehrfache Rahmung .......................................................... 119 V.1 Der Weg in den Codex .......................................................................................... 119 V.2 Der Girona-Beatus – Eröffnung als ‚Übungsfeld‘ .................................................. 125 V.3 Der Codex Albeldense – Der Weg in den Codex als ‚Anlaufrückschritt‘ .................. 145 V.4 Binnenrahmungen ................................................................................................ 169 V.5 Der Codex als ‚Baustelle‘ – Zur Umarbeitung von Codices in Silos ....................... 180 VI. Codex – Raum – Grenze ..................................................................................... 202
6 Inhalt
Katalog der Handschriften ........................................................................................ 215 I. Handschriften mit gesicherter monastischer Provenienz .......................................... 216 Sahagún, Domnos Santos oder Santos Facundo y Primitivo (Prov. León) .............. 216 Saint-Sever-sur l’Adour (Département Landes) ..................................................... 219 San Martín de Albelda (La Rioja) .......................................................................... 221 San Millán de la Cogolla (La Rioja) ...................................................................... 224 San Salvador de Tábara (Prov. Zamora) ................................................................. 228 Santa María y San Martín de Albares (Prov. León) ................................................ 232 Kloster Valcavado (Prov. Saldaña) ......................................................................... 239 Valeránica oder San Pedro de Berlangas (Prov. Burgos) ......................................... 241 II. Handschriften unklarer Herkunft ........................................................................... 246 III. Handschriften im Besitz Alfons III., König von Asturien ....................................... 258 IV. Handschriften für Ferdinand I., König von León, und seine Frau Sancha .............. 260 Tafeln ......................................................................................................................... 265 Anhang ....................................................................................................................... 361 Abkürzungs- und Siglenverzeichnis ............................................................................. 361 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 362 Quellen ................................................................................................................. 362 Faksimiles ............................................................................................................. 363 Darstellungen ....................................................................................................... 364 Abbildungsnachweis .................................................................................................. 413 Abbildungen im Text ............................................................................................ 413 Tafeln ................................................................................................................... 413 Dank ......................................................................................................................... 415 Register ...................................................................................................................... 417
I have felt that special excitement which comes when we first open a new manuscript – as if we are entering a previously unexplored world. John Dagenais, That bothersome residue1
I. Zugänge
Omnium tamen librorum tecam hunc librum credas esse et clauiculam. Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin2
Im Prolog seines im späten 8. Jahrhundert fertiggestellten Kommentars zur Johannes-Apokalypse beschreibt der nordspanische Mönch Beatus de Liébana (701? –798) sein Werk als Schlüssel zu einer Welt des geschriebenen Wortes. Was sonst verstreut an verschiedenen Orten liege, sei hier in einem einzigen Buch zusammengefügt. Beatus’ Angebot an den Leser, mittels seines Kommentars auf Werke anderer Autoren zurückgreifen zu können, dient der Autorisierung eigener kompilatorischer Leistung. Tatsächlich stellt der Tractatus de Apocalipsin eine Kompilation und gleichzeitig eine Interpretation von Äußerungen verschiedenster spätantiker und frühchristlicher Autoren dar. Indem Beatus sich des Begriffs der theca3 bedient, die ein Behältnis, ein Kästchen oder einen Schrank meinen kann, entwirft er ein anschauliches Bild für sein Buch, durch das sich viele weitere Texte wortwörtlich erschließen (clavis) lassen. Diese mehrdimensionale Vorstellung, die Beatus von seinem Werk entwickelt, wird in einer weiteren Textpassage, die den Apokalypsekommentar in seinen handschriftlichen Überlieferungen abschließt, aufgenommen und weiterentwickelt. Der Text stellt ein Zitat aus den Etymologien des Isidor von Sevilla (um 560–636) dar, welcher eine Herleitung des Codex 1 Dagenais, Residue (1991), 247. 2 Quae tamen non a me, sed a sanctis patribus quae explanata repperi, in hoc libello indita sunt et firmata his auctoribus, id est Iheronimo Augustino Ambrosio Fulgentio Gregorio Abringio et Ysidoro, ut quae in aliis legens non intellexisti, quamuis plebeio sermone in aliquibus deriuata, tamen plena fide atque deuotione exposita recognosces. Omnium tamen librorum tecam hunc librum credas esse et clauiculam. Ed. Gryson, Beati Liebanensis Tractatus de Apocalipsin (2012), Prolegomena, 1, 5–7, nachfolgend: Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin. 3 Glossarium mediae et infimae latinitatis (1887), Bd. 8, 95; Mediae latinitatis lexicon minus (2002), Bd. 2, 1324.
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anbietet. Danach sei der Begriff auf den Baum zurückzuführen, denn gleich den Zweigen des Baums umfasse auch der Codex mehrere libri.4 Damit ist der Codex nicht nur als eine materielle Hülle für verschiedene abgeschlossene Texte zu denken, sondern er stellt ein vielgliedriges organisches Gebilde dar. Gleichsam von innen heraus wird er durch die Texte strukturiert, die im Einzelnen, nach mittelalterlicher Praxis, immer wieder in neue kodikologische Zusammenhänge überführt werden können. Isidors Zitat stellt Beatus’ einleitende Gedanken zur Funktion seines Kommentars in einen übergeordneten Zusammenhang, indem danach gefragt wird, was der Codex überhaupt sei und auf welche Weise er einen Zugang zu den darin verschlossenen Texten darbiete. Diesen Fragen werde ich mit Blick auf die buchmalerische ‚Rahmung‘ kodifizierter Texte (libri), das heißt auf ihre illuminierten Eröffnungs- und Schlussseiten, nachgehen. Der Begriff der ‚Rahmung‘ sei hier in dem Sinne verwendet, wie er die beziehungsstiftende Kraft betont, durch die illuminierte Eröffnungs- und Schlussseiten einen Zugang zum Gerahmten, dem Text, schaffen und diesen dabei zugleich nach ‚außen‘, zum Kontext des Codex hin, öffnen.5 Bisher sind bildliche oder visuelle Rahmungen dieser Art sowie ihre Leistungen wenig beachtet, häufig sogar ignoriert worden.6 Dabei wird in kunsthistorischen Beiträgen gerne von ‚Titelbild‘, ‚Titelblatt‘ oder von ‚Frontispiz‘ gesprochen,7 obwohl solche Denominationen der Analyse des gedruckten Buches entlehnt sind.8 Was im frühneuzeitlichen Buchdruck als Titelblatt oder Frontispiz gilt, gibt es in dieser Form im Mittelalter nicht. Mittelal4 Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber VI, cap. XIII,1 (= PL 82, col. 0241A): Codex multorum librorum est, liber unius voluminis. Et dictus Codex per translationem a caudicibus arborum, seu vitium, quasi caudex, quod in se multitudinem librorum quasi ramorum contineat. 5 Der Rahmen-Begriff profitiert von Jacques Derridas Überlegungen zum Rand des Textes („Rahmung“, „bordure“: Derrida, Gestade [1986, 1994], 129–130) sowie zum parergon (ders., Wahrheit [1978, 1992], 76–80), zu dessen begrifflicher Erläuterung er unter anderem den Bilderrahmen heranzieht. Einführend dazu Wirth, Vorwort (2004). Für die Beziehungen stiftende Funktion des Bilderrahmens interessierte sich schon Georg Simmel, Bilderrahmen (1902, 1995), 105–106. Simmel beschreibt den Bilderrahmen in Analogie zum Körper, welcher zwischen Seele und Welt vermittle: „Deshalb umgibt sich der Mensch in seinem kulturellen Niveau, das ihn von der bloß natürlichen Welt trennt, mit stilisierten Objekten, und deshalb ist für den Rahmen des Kunstwerks, das in seinem Verhältnis zur Umgebung das der Seele zur Welt wiederholt, der Stil, und nicht die Individualisierung, das rechte Lebensprinzip.“ 6 Möller, Entrée (2008), 9: „Im historischen Längsschnitt sind Titelblatt und Frontispiz nur Ausdruck eines Entwicklungsstandes in der Buchkunst, der in Europa etwa im späten 15. Jahrhundert erreicht wurde. Während zuvor mittelalterliche Handschriften und Inkunabeln mit dem Incipit begannen oder ganz ohne typographisches Signal mit dem Text einsetzten, markierte das Titelblatt jetzt den Beginn einer Phase, in der bald auch nichtliterarische Aspekte wie z. B. juristische Erfordernisse berücksichtigt wurden.“ 7 Vgl. den Titel des Kolloquiums „Titelbilder als Gesicht des Handschriftenkörpers“, Symposium des Internationalen Wissenschaftsforums der Universität Heidelberg unter der Leitung von Lieselotte E. Saurma und Markus Hilgert, 3.–5.2.2011: http://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/philosophie/zegk/ iek/forschung/titelbilder.html [letzter Zugriff: 11.7.2016]. 8 Allgemein enthält das auf den Schmutz- und Vortitel folgende Titelblatt die vollständige bibliographische Angabe, während auf jenem dem Titelblatt gegenüberstehenden Frontispiz die visuelle Gestaltung überwiegt, die ein Bildnis des Autors repräsentiert oder sich in anderer Form auf den nachfolgenden Text bezieht: vgl. Smith, Title-page (2000), 12–15. Vgl. auch Möller, Entrée (2008), 9–11, der darauf
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terliche Codices können, wenn sie Gegenstand bildlicher Gestaltung sind9, nicht nur eine, sondern mehrere illuminierte Eröffnungsseiten besitzen. Sie sind ferner, obwohl seltener der Fall, auch durch beschließende Illuminationen gekennzeichnet. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass visuelle Rahmungen häufig im Kontext eines Codex stehen, der mehrere kodifizierte Texte enthält, da Sammelhandschriften im Mittelalter die Regel darstellten. Dies trifft auch auf die handschriftliche Überlieferung von Beatus’ Werk zu, in welcher der Apokalypsekommentar durch die Hieronymus zugeschriebenen Kommentierungen zum Buch Daniel ergänzt ist.10 Daher stellt Isidors Zitat nicht nur den Abschluss eines Textes dar. Die etymologische Herleitung des Codex-Begriffs verbindet Beatus’ Kommentierung mit der des Hieronymus und hebt beide kodifizierten Texte in der übergreifenden Vorstellung des Codex als Organismus auf.11 Es gilt also zu überlegen, inwiefern sich das Potential illuminierter Eröffnungs- und Schlussseiten vor dem Hintergrund der bei Isidor anklingenden Mehrdimensionalität des Codex entfaltet. Diese Mehrdimensionalität findet gleichfalls in Beschreibungen frühchristlicher Autoren Ausdruck, in denen die Heilige Schrift als ein räumliches Gebilde in Erscheinung tritt.12 Das Phänomen der einen kodifizierten Text rahmenden Illuminationen lässt sich von den reich ornamentierten Blättern insularer13 oder merowingischer14 Handschriften, den Genesisseiten in karolingischen Bibeln15, den Bildnissen der Evangelisten in ottonischen Codices16 verweist, dass es sowohl von dem Titelblatt als auch dem Frontispiz Mischformen gibt, in denen die Medien Schrift und Bild stärker interagieren. 9 Es sollte nicht unterschlagen werden, dass das Gros der mittelalterlichen Handschriften wenig oder gar keine bildliche Gestaltung aufweist. 10 Wenn ich nachfolgend aus praktischen Gründen von Beatus-Handschriften oder Handschriften mit dem Apokalypsekommentar des Beatus spreche, so sind damit immer Codices gemeint, die auch Hieronymus’ Kommentar zum Buch Daniel enthalten. 11 Etwa in einem zwischen 940 und 945 wahrscheinlich in San Salvador de Tábara für das Kloster San Miguel de Escalada angefertigten Manuskript (New York, PML, Ms. M. 644, fol. 233v, nachfolgend: Morgan-Beatus, hier: Kat. I.8). Abb. in Beato de San Miguel de Escalada (1991), fol. 233v. 12 Während etwa Augustinus das Neue Testament als ein Haus beschreibt, weist Hieronymus in Rückgriff auf Eusebius auf die Bewegung des Lesers durch die Evangelien gleich einem Raum hin. Augustinus Hipponensis, De civitate dei contra paganos, Liber 18, cap. XLVIII (= PL 41, col. 0611): Haec autem domus ad novum pertinens Testamentum, tanto utique majoris est gloriae, quanto meliores sunt lapides vivi, quibus credentibus renovatisque construitur. Sed ideo per instaurationem templi illius significata est, quia ipsa renovatio illius aedificii significat eloquio prophetico alterum Testamentum, quod appellatur novum. Auf den durch Hieronymus vermittelten Gedankengang des Eusebius von Caesarea hat Reudenbach, Codex (2009), 64, aufmerksam gemacht. 13 Bspe. sind etwa das Book of Durrow, Evangeliar d. 7. Jh. (Dublin, Trinity College, A. 4. 5. [57]): vgl. Meehan, Book of Durrow (1996); oder die Lindisfarne Gospels, 715–20 (London, BL, Ms. Cotton Nero D.iv): vgl. Brown, Lindisfarne Gospels (2011). 14 Vgl. Tewes, Luxeuil (2011). 15 Vgl. Kessler, Genesis (1971). 16 Vgl. etwa die Eröffnung des Evangeliars der Sainte-Chapelle, um 984, durch eine Maiestas Domini sowie die bildliche und schriftbildliche Einführung in die vier Evangelien (Paris, BnF, Lat. 8851, fol. 1v, 15v–16v, 52v, 75v, 115v, 116v): vgl. Mayr-Harting, Ottonische Buchmalerei (1991), Abb. 36. Als ein angelsächsisches Beispiel sei hier das New Minster Charter von 966 genannt (London, BL, Cotton Ves-
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über die komplexen Layouts, die den Decretum Gratiani-Manuskripten17 voranstehen, sowie Bilderfolgen zum Leben Jesu Christi, die seit dem 12. Jahrhundert Psalterien18 eröffnen, bis in die spätmittelalterlichen Traktate19 und Romane20 verfolgen und taucht in unterschiedlichen geographischen Räumen sowie vielen Gattungs- und Funktionszusammenhängen auf. Die buchmalerische Rahmung handschriftlicher Texte ist damit Merkmal aller europäischen ‚Manuskriptkulturen‘ des lateinischen und volkssprachigen Mittelalters. Der insbesondere durch den Hamburger SFB ‚Manuskriptkulturen‘21 geprägte Begriff soll hier dem der ‚Buchkultur‘ vorgezogen werden, da er die materielle Offenheit und Veränderbarkeit mittelalterlicher Codices berücksichtigt, während ‚Buchkultur‘ vom modernen Buch als einer in sich geschlossenen Einheit ausgeht. Damit sind also kulturelle Praktiken angesprochen, die die Produktion und die Rezeption eines Manuskriptes bedingen.22 Anstatt einer zeitlich und räumlich breit angelegten phänomenologischen Studie zum Potential visueller Rahmungsmöglichkeiten, möchte ich mich auf eine bestimmte Handschriftengruppe konzentrieren, wofür Folgendes spricht: Versteht man die Illuminationen am Beginn und Ende eines kodifizierten Textes oder auch einer Summe kodifizierter Texte als einen Beziehungen stiftenden Rahmen, der sich sowohl dem ‚Innen‘ als auch dem ‚Außen‘, das heißt dem Kontext des Codex zuwendet, so ist jeweils dessen historische Einbettung zu berücksichtigen. Dies wäre an dieser Stelle für verschiedene Regionen und Zeiten kaum zu leisten, gerade weil sich mittelalterliche Codices durch eine jeweils eigene materielle und schrift-bildliche Komplexität sowie physische Einmaligkeit auszeichnen. Für eine Analyse unter der skizzierten Fragestellung bietet sich die frühmittelalterliche Manuskriptkultur jener Klöster an, die in den christlich dominierten Gebieten der seit 711 größtenteils muslimisch beherrschten Iberischen Halbinsel gelegen waren (Abb. 1, 2).23 Im Wesentlichen aus dem heutigen zentralen Nordspanien mit seinen Regionen León, Kastilien, Navarra und der Rioja hat sich eine Fülle an Handschriften erhalten, die nicht nur durch ähnliche Darstellungsweisen eingeleitet und abgeschlossen werden.24 Zuweilen stehen den pasian, A.viii, fol. 2v), welches ungewöhnlicher Weise in Form eines Codex gebunden wurde und in diesem Medium eine illuminierte Eröffnungsseite erhielt: vgl. Karkov, New Minster Charter (2008). 17 Vgl. Böse und Wittekind, Einleitung (2009). 18 Vgl. den Melisende-Psalter (London, BL, Ms. Egerton 1139): Folda, Melisende (2012). 19 Vgl. Coleman, Aural illumination (2005). 20 Vgl. Dauzier, Image-porche (1989). 21 SFB 950 „Manuskriptkulturen im Kulturvergleich“: http://www.manuscript-cultures.uni-hamburg.de/ [letzter Zugriff: 11.7.2016]. 22 Vgl. die von Martha Dane Rust, Medieval Books (2007), 191, Anm. 20, vorgeschlagene Definition: „By ‚manuscript culture‘, I mean the network of beliefs and practices – pedagogical, technological, economic, devotional, agricultural, among others – that constituted the milieu of medieval book production and use.“ 23 Einen Überblick über die frühmittelalterliche Geschichte Spaniens bieten: Glick, Spain (1979), 42–45; Vones, Geschichte (1993), Kap. II, 35–47; Herbers, Geschichte (2006), Kap. 1–4; Collins, Caliphs and Kings (2012). 24 Vereinfachend wird nachfolgend von ‚nordspanischen Handschriften‘ gesprochen, obwohl damit nur Codices gemeint sind, die aus den genannten Regionen stammen. – Hinsichtlich der Denomination ‚Spanien‘ gilt zu berücksichtigen, dass der spanische Staat in seinen Ausdehnungen nicht dem frühmit-
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kodifizierten Texten ganze Serien aufeinanderfolgender ganzseitiger Illuminationen voran.25 Diese umfassen Kreuzzeichen und Zierbuchstaben, verschiedene Formen visueller Poesie sowie figurativer Bildlichkeit und damit ein breites Spektrum typischer Elemente der frühmittelalterlichen Buchillustration. Die erhaltenen Manuskripte stehen zugleich exemplarisch für eine relative Breite an Textgattungen, in denen das Phänomen visueller Rahmungen virulent ist, wie etwa Rechtstexte, Texte für den liturgischen Gebrauch und das Gebet, Heiligenviten, die Bibel sowie Kommentare zu einzelnen Büchern der Bibel.26 In keiner anderen Region auf der Iberischen Halbinsel, weder aus dem westlichen Galizien noch aus den stärker dem Frankenreich zugewandten östlichen Regionen Aragón und Katalonien, ist ein vergleichbarer Befund zu erheben.27 Und auch die wenigen illuminierten Handschriften, die sich aus christlichen Kontexten in den muslimisch dominierten Gebieten, aus Al-Andalus28, erhalten haben, besitzen diese charakteristische Form der visuellen Auszeichnung von kodifizierten Texten nicht.29 telalterlichen Spanien entspricht, welches auch das heutige Portugal, das erst im 12. Jh. unabhängig wurde, umfasste. Nach der arabisch-berberischen Eroberung verlor die römische Bezeichnung Hispania ihre einheitsbildende Kraft. Im 9. Jh. wurde Spania sogar von den Christen verwendet, um allein die muslimisch dominierten Gebiete zu bezeichnen. So wird in der Adefonsi Tertii Chronica, 25,2–4, beschrieben, dass der asturische König Ordoños I. († 866) die Besiedlung eroberter Gebiete mit eigenen Leuten und jenen aus den muslimisch dominierten Territorien vollzog: […] popule partim suis partim ex Spania advenientibus implevit. Dennoch war die Tradition der antiken Bezeichnung der Iberischen Halbinsel als Hispania im frühen Mittelalter nicht vergessen und gewann seit der Mitte des 11. Jh. verbunden mit zunehmenden militärischen Erfolgen von Seiten der Christen gegen die Muslime wieder an Bedeutung: Henriet, Lettre (2004), 157 und Anm. 8. Vgl. das um 1100 entstandene Offizium des Hl. Dominicus, in dem beschrieben ist, wie Dominicus in Spanien erstrahlt: […] fulsit in Hyspania, zit. nach Lappin, Cult (2002), 214. 25 Als einführende Werke in die spanische Buchkunst des Mittelalters immer noch gültig: Bordona, Buchmalerei (1930) und ders., Manuscritos (1933); zuletzt Carrión Gútiez und Escolar Sobrino, Historia (1996). Zu den stilistischen Entwicklungen, die wichtigen Buchtypen und Produktionszentren des 10. und 11. Jh.: Williams, Buchmalerei (1977). Mentré, Buchmalerei (2006), führt hier kaum weiter: vgl. Klein, Rezension (2008). Zur bisher vernachlässigten spätmittelalterlichen Buchmalerei in Spanien siehe den Sammelband von Yarza Luaces, Miniatura medieval (2007). 26 Die für die Analyse berücksichtigten Manuskripte sind im anhängenden Katalog beschrieben und dort um die jeweilige Forschungsliteratur sowie ein Kurzporträt zum klösterlichen Entstehungsort, soweit bekannt, ergänzt. 27 Zu Galicien vgl. Villa-Amil y Castro, Códices (1874); Sicart, Miniatura (1978); Sánchez Sánchez und Díaz Fernández, Códices (2012); zu den aragonesischen und katalanischen Handschriften: Martínez Peñas, Manuscritos (2012); Bohigas, Panyella und Escobedo, Inventario (2000); Alturo i Perucho, Llibre (2000); Silva y Verástegui, Miniatura (2009). Zu den katalanischen Roda/Ripoll-Bibeln des 11. Jh.: Klein, Date (1972); Castiñeiras González, Imágines (2004); Contessa, Bibbie catalane (2004); Castiñeiras González, Bible de Ripoll (2009). 28 Al-Andalus ist die von den Arabern verwendete Bezeichnung für die unter ihrer Herrschaft stehenden Gebiete auf der Iberischen Halbinsel: Münzel, Feinde (1994), Glossar II. 29 In dem hier favorisierten Untersuchungszeitraum des 10./11. Jh. haben sich zwei illuminierte christliche Handschriften erhalten, die aus den muslimisch dominierten Gebieten stammen: die sogen. Biblia Hispalense, 10. Jh. (Madrid, BNE, Ms. Vitr.13–1), welche drei Zeichnungen mit Propheten enthält (Lowe, Date [1923]; García Villada, Nota [1924]; Millares Carlo, Paleografía [1925]; Williams, Buchmalerei [1977], 16–21; Reinhardt und Gonzálvez, Catálogo [1990], 395–398) sowie Ildefons von
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Das Zentrum der Manuskriptkultur lag klar bei den Männerklöstern, deren Anfänge eng mit der Expansionspolitik christlicher Herrscher verbunden waren.30 Die monastisch lebenden Gemeinschaften stellten entweder einen Zusammenschluss von Eremiten aus den christlich dominierten Gebieten dar oder wurden von Christen aus dem muslimisch geprägten Teil der Iberischen Halbinsel begründet,31 für die in der Forschung die problematische Bezeichnung ‚Mozaraber‘ geprägt wurde.32 Während diese Gemeinschaften wohl zunächst jeweils eigenen Gewohnheiten folgten, ist seit dem 10. Jahrhundert die Durchsetzung der Regula Benedicti greifbar.33 Für die seit dem 9. Jahrhundert einsetzenden Eroberungen, die von den nach der arabischen Invasion verbliebenen christlichen Regionen – das nordwestliche Galicien, baskische Toledo, De virginitate, E. 10. Jh. (Florenz, Biblioteca Laurenziana, Ms. Ashburnham 17), die zu Beginn ein Autorenbild, dann einige mit Textpassagen in Zusammenhang stehende Darstellungen enthält (Blanco, Manuscrito [1936]; Morandini, Biblioteca [1986], 74; zuletzt Piccardi, Itinerari [2010], 15–17 mit weiterf. Lit.). – Zeugnisse einer islamischen Buchkunst der Iberischen Halbinsel sind erst mit dem Ende d. 11. Jh. greifbar: Khemir, Libro (1992), 304, Kat. 74. Dass der heutige Befund täuscht und der Handschriftenbestand einst weitaus umfangreicher war, lassen zeitgenössische Äußerungen zur Bibliothek der Kalifen von Córdoba vermuten, die 400.000 Bände zu den unterschiedlichsten Themen umfasst haben soll: Ausst.-Kat. Les rois bibliophiles (1985), 17–18; Gladiss, Aspekte (1997), 55. 30 Allein bei einem illuminierten Beatus-Kommentar unbekannter Herkunft wird die Beteiligung einer Nonne (‚En‘ oder ‚Ende‘), ausgehend vom Kolophon, diskutiert (Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, nachfolgend: Girona-Beatus, hier: Kat. II.6). Wird ein weiblicher Name angenommen, so dient dieser als Beleg dafür, dass das Manuskript im Kloster San Salvador de Tábara entstanden ist, welches als Doppelkloster gegründet worden war: Regueras Grande und García-Aráez Ferrer, Skriptorium (2001), 29. 31 García de Cortázar und Aguirre, Feudalismo (1987), 270. So hatte der asturische König Alfons III. (866–910) für die Gründung von San Miguel de Escalada nahe León zu Beginn des 10. Jh. Mönche aus Córdoba kommen lassen: Martínez Tejera, Escalada (2012), 61–62. Auch das Kloster Domnos Santos in Sahagún wurde 904 nach einer Zerstörung durch die Muslime durch Mönche aus Córdoba neu gegründet: vgl. Herbers, Geschichte (2006), 115. Für das vor 937 gegründete Kloster Valeránica wird dies vermutet: García Molinos, Florencio (2004), 264–268. 32 In der Forschung des 19. und 20. Jh. sind mit ‚Mozaraber‘ zum einen die in den muslimisch dominierten Gebieten lebenden Christen und zum anderen die Emigranten, die in den christlichen Nordreichen siedelten, gemeint. Der Begriff selbst hat arabische Wurzeln und bedeutet ‚arabisiert‘, allerdings verwendeten ihn die Muslime nicht. Im 11. Jh. ist er dann im Königreich León greifbar und bedeutet ‚arabisiert‘; er steht jedoch nicht für ‚muslimisch‘: Hitchcock, Mozarabs (2008), XI-XVII, 59. 33 Die Einführung der Benediktregel auf der Iberischen Halbinsel ist begleitet von den Kommentierungen durch Smaragdus von Saint-Mihiel (García Turza, Albelda [2002], 24), und, nach Bishko, Frontier monasticism (1980), 568, mit den in den Grenzzonen gegründeten Klöstern verbunden. In Navarra ist die Benediktregel etwa für San Martín de Albelda seit der zweiten Hälfte des 10. Jh. dokumentiert: García Turza, Albelda (2002), 22. In den Regionen Kastilien und León sind ebenfalls im 10. Jh. eine hohe Anzahl von monastischen Gemeinschaften, wie Sahagún und Santo Domingo de Silos, belegt, die der Benediktregel folgten: Vivancos Gómez, Documentación (1988), LXII; Herrero Jiménez, Valcavado (2002), 44; Álvarez Palenzuela, Cenobio (2003). Für das in der Rioja gelegene Kloster San Millán de la Cogolla ist die Benediktregel erst in einer Urkunde von 1029 nachweisbar: vgl. Martínez Díez, San Millán (1998), 16–17. Allg. Linage Conde, Monacato benedictino (1973). Erst in der zweiten Hälfte des 11. Jh. lässt sich für die sich als Eremitengemeinschaften verstehenden Klöster im El Bierzo – eine Berglandschaft zwischen León und Lugo – die Übernahme der Benediktregel nachweisen: Martínez Tejera, Cenobios (2002).
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sowie kantabrische Gebiete und Asturien – ausgingen, wird in der Forschung der sowohl schillernde als auch problematische Begriff der ‚reconquista‘ verwendet (Abb. 2). Er bezeichnet einen über hunderte von Jahren andauernden Prozess der Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen auf der Iberischen Halbinsel, der mit der Vertreibung der letzten Muslime 1492 seinen Abschluss fand. Allerdings war dieser Prozess weitaus reicher an Schattierungen, als es der neuzeitliche Begriff zu vermitteln vermag.34 Dabei steht im Wesentlichen zur Debatte, inwieweit man in der Frühzeit christlicher Eroberungen bereits von religiös konnotierten Kämpfen sprechen kann. Insbesondere in der Historiographie des asturischen Reiches, das sich seit dem zweiten Viertel des 8. Jahrhunderts formierte, wurde die Vorstellung von einem in der Tradition der Westgoten stehenden Königreich entwickelt, das sein ‚Erbe‘ zu restaurieren suchte.35 Daher plädiert Thomas Deswarte dafür, im Hinblick auf die frühe Phase der Eroberung von ‚Restauration‘ zu sprechen.36 Die Gründe militärischer Aktion waren vielfältig; sie reichten von der Sicherung vorhandenen Besitzes bis zur sozio-ökonomisch motivierten Expansion.37 In diesem Sinne sind die frühen Eroberungen von den späteren zu unterscheiden, die seit dem 12. Jahrhundert durch die Vorstellung einer christlichen Wiedereroberung im Sinne eines Kreuzzugs geprägt waren.38 Die Grenze zwischen den christlich und muslimisch dominierten Gebieten stellte alles andere als eine Linie dar, sondern bildete zunächst vielmehr eine Zone, die schrittweise eingenommen sowie besiedelt wurde und die dennoch immer wieder auch Ort militärischer Auseinandersetzungen war.39 Während Claudio Sánchez-Albornoz, der den Begriff der ‚repoblación‘ für die Besiedlung prägte, noch davon ausging, dass die Landnahme in verlassenen Gebieten erfolgte, wird heute angenommen, dass die Gegenden zwischen Duero und Ebro zumindest teilweise bevölkert waren.40 Das zu besiedelnde Gebiet vermittelte aus Sicht der 34 „Like all ideas, however, the reconquest was not a static concept brought to perfection in the ninth century, but rather one that evolved and was shaped by the influences of successive generations.“ O’Callaghan, Reconquest (2003), 3–4. Glick, Spain (1979), 44, unterstreicht, dass diejenigen, die Spanien verloren hatten, nicht mit jenen kulturell identisch seien, die es zurückeroberten. – Zur ideologischen Inanspruchnahme von ‚reconquista‘ während des spanischen Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur vgl. Linehan, History (1993), 15–19. 35 Zur Historiographie des asturischen Reiches: Gil Fernández, Crónicas (1985); Rodríguez Muñoz, Colección (1990); in engl. Übers.: Wolf, Conquerors (1990). – Zur Rolle des westgotischen Reiches für die Legitimation der asturischen Monarchie, insbesondere unter Alfons III.: Deswarte, Restauration (2003). 36 Deswarte, Restauration (2003). Dennoch wird die Frage, inwiefern in dieser ersten Phase Glaubensfragen eine Rolle spielten, weiter debattiert: siehe die Reaktion von Bronisch, Guerra (2005), 22–23, auf Münzel, Feinde (1994), die die Ansicht vertritt, dass das durch die muslimischen Historiographen verwendete Vokabular zur Beschreibung von militärischen Auseinandersetzungen nicht religiös motiviert war. 37 Vgl. Laliena Corbera und Sénac, Musulmans (1991), 195–196; Herbers, Geschichte (2006), 112. 38 Vgl. O’Callaghan, Reconquest (2003), 17–22. 39 Zum Phänomen ‚Grenze‘ auf der Iberischen Halbinsel weiter unten. 40 Claudio Sánchez-Albornoz hat diese Überlegungen in verschiedenen Publikationen dargelegt. Siehe insbes. Sánchez-Albornoz, Depoblación (1966); ders., Repoblación (1976–1980). Eine zusammenhängende Darstellung der kritischen Aufarbeitung von Sánchez-Albornoz’ Thesen, die sicherlich auch im Zusammenhang mit seinem politischen Engagement in der spanischen Exilregierung während der Dik-
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christlichen Eroberer einen desorganisierten Eindruck.41 Vor allem in der Hofchronistik des asturischen Reiches42, die aus der Perspektive des späten 9. und frühen 10. Jahrhunderts verfasst ist, kommen die Grenzzonen dergestalt in den Blick, dass sie von Seiten der asturischen Eroberer erst besiedelt und strukturiert werden mussten.43 Letzteres umfasste den Bau oder die Wiedererrichtung von Befestigungsanlagen wie Mauern und Stadttoren sowie die Errichtung oder die Restaurierung von Kirchenbauten.44 Die Klostergründungen waren ein wichtiges politisches Instrument der Besiedlung und Sicherung eingenommener Gebiete.45 Es wundert daher nicht, dass im 10. und frühen 11. Jahrhundert muslimische Truppen auf ihren Beutezügen immer wieder auch Klöster zerstörten. Besonders eindrücklich zeigt dies die Geschichte des Klosters Domnos Santos in Sahagún. Dieses wurde 904 nach der Zerstörung durch muslimische Truppen vom asturischen König Alfons III. (866–910) wieder gegründet. In Folge der Raubzüge von al-Mansūr bi-llāh (938–1002), Heerführer unter Hišām II., Kalif von Córdoba (976–1000/1010–
tatur Francos gesehen werden müssen, bietet García de Cortázar, Sánchez-Albornoz (1993). Vgl. auch Herbers, Geschichte (2006), 113. Gegen die These verlassener Gebiete sprechen auch archäologische Erkenntnisse: Reyes-Téllez, Población (2001). 41 Vgl. Mestre Campi und Sabaté, Atlas (1998), 13. 42 Diese umfasst drei kurze Chroniken: die 883 endende Chronica Albendensia, sodann die Prophetische Chronik sowie die bis 866 aufzeichnende Chronik Alfons‘ III. [Adefonsi Tertii Chronica]. Einen kurzen Überblick über die drei Chroniken, die Problematik ihrer Datierung, ihren inhaltlichen Zuschnitt und die Überlieferungssituation bietet: Collins, Caliphs and Kings (2012), 52–58. Vgl. auch Rodríguez Muñoz, Colección (1990), Bd. I, 46–47 sowie Wolf, Conquerors (1990), insbes. 46–60. 43 Vielzählig sind die Passagen, die von der Besiedlung handeln, vgl. etwa zur Regierungszeit Ordoños I. (850–866): Legionem atque Asturicam […] populauit. Chronica Albendensia, XV, 11,2–3. 44 Zu den Leistungen Ordoños I. in einer anderen Fassung der Chronik: Ciuitatis ab antiquitus desertas, id est, Legionem, Astoricam, Tudem et Amagiam Patriciam murus circumdedit, portas in altitudinem posuit, populo partim ex suis, partim ex Spania aduenientibus. Adefonsi Tertii Chronica, 25,2–4. Zur Errichtung oder Wiederherstellung von Kirchenbauten vgl. den Bericht zu den Leistungen Alfons III.: Ab hoc principe omnia templa Domini restaurantur […]. Chronica Albendensia, XV, 12,41. – Et tempore populatur Asturias, Primorias, Liueria […] sicut Pamplonia [Degius est] atque Berroza. Hic vir magnus fuiit, Deo et ominibus amauilis extitit. Baselicas multas fecit. Adefonsi Tertii Chronica, 14. – Der Terminus restaurare bezieht sich auf die Restaurierung oder Wiedererrichtung zerstörter westgotischer Bauten. In einem Glossar aus dem Kloster San Millán de la Cogolla von 964 (Madrid, RAH, Ms. 31) wird restaurare mit innovare, reparare und reintegrare gleichgesetzt: vgl. Deswarte, Restauration (2003), 305–306. Zum Glossar: García Turza und García Turza, Codice émilianense (1997), 499; siehe auch Ruiz García, Catálogo (1997), 221–223. 45 Allg. zur Gründung und frühen Geschichte der Klöster in den eroberten Gebieten: García de Cortázar und Aguirre, Feudalismo (1989), 257–292; García de Cortázar, Sociedad (1993), 51–68; in Kastilien: García de Cortázar, Monasterios (2003). – Beispielsweise ist die Gründung des Klosters San Martín de Albelda im Jahre 924 in dem noch jungen Königreich Navarra eng mit der Eroberung der Rioja im Jahre 923 durch Sancho I. Garcés (905–925) verbunden. Zwar ist die Urkunde der royalen Gründung nur durch eine Abschrift des 11. Jh. nachweisbar, dennoch machen Schenkungen aus dem Königshaus Navarra eine Fundierung im Jahre 924 wahrscheinlich. Parallel dazu ist eine verstärkte Siedlungstätigkeit im Iregua-Tal nachweisbar: García Turza, Albelda (2002), 12–13.
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1013), wird das Kloster im Jahre 988 dann abermals beschädigt und musste wieder errichtet werden (Abb. 3).46 Die Klostergründungen fallen damit in eine Zeit, die sowohl durch die Expansion christlicher Reiche nach Süden als auch durch einen steten Prozess der Herrschaftsbildung in den eroberten Gebieten geprägt war. Neben dem im Jahre 914 aus dem asturischen Reich hervorgehenden Königtum León etablierte sich an dessen östlicher Grenze seit 923 das Königreich Navarra.47 Auch die in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts innerhalb des asturisch-leonesischen Herrschaftsbereichs entstandene Grafschaft Kastilien war eine zentrale Größe in der Expansions- und Besiedlungspolitik. Hinsichtlich ihres Feudalisierungsgrades nahm sie innerhalb des Königreiches eine Sonderstellung ein.48 Trotz der Unabhängigkeitsbestrebungen, die insbesondere unter Graf Fernán González (932–970) offensichtlich wurden und zu Konflikten mit den Königen in León führten, benötigten Letztere die kastilischen Grafen, um die südlichen Grenzen nach außen zu sichern. Nachdem die Grafschaft zu Beginn des 11. Jahrhunderts an Navarra gegangen war, wurde sie 1037 durch die Vereinigung mit León zum Königreich. Wenn man also bedenkt, dass die Klöster Instrumente der Besiedlungspolitik und Herrschaftssicherung waren, dann liegt es angesichts der überlieferten Kontexte nahe, dass ihre institutionelle Konsolidierung eng mit dem so charakterisierten Strukturierungsprozess verbunden war. Nachweisbare Blütephasen der Handschriftenproduktion werden dies deutlich belegen. Trotz der militärischen Erfolge von Seiten der Christen mit der Konsequenz von Landnahme und Besiedlung reichte das sozioökonomische und kulturelle Potential ihrer Herrscherhäuser nicht an das ihrer vermeintlich muslimischen Gegenspieler heran, denen sie mitunter dynastisch oder auch durch politische Allianzen verbunden waren.49 Roger Collins beschreibt die Königshöfe als klein und relativ ärmlich. Ihre Aristokratie, der Bildung nur begrenzt zur Verfügung gestanden habe, hätte sich für die Klöster vor allem aus ökonomischen Gründen engagiert.50 Dagegen steht das Bild einer hochkultivierten Gesellschaft, wel46 Der Wiederaufbau von 904 sowie die neuerliche Zerstörung 988 sind urkundlich belegt: vgl. Cuenca Coloma, Sahagún (1985), 14; Herráez Ortega, Patrimonio (2000), 24–25, 49. Vgl. auch das in der Rioja gelegene Kloster San Millán de la Cogolla, welches im ersten Viertel d. 10. Jh. gegründet und ebf. auf einem der Feldzüge von al-Mansūr bi-llāh gebrandschatzt wurde: vgl. Sénac, Al-Mansūr et la reconquête (2005); Sénac, Al-Mansūr (2006). – Auch für das Kloster Valeránica wird vermutet, dass es einem Raubzug durch muslimische Truppen zum Opfer gefallen ist: García Molinos, Florencio (2004), 272. 47 Dazu einführend Collins, Spain (1983), 249–253; ders., Caliphs and Kings (2012), 205–213. Das Königreich Navarra wurde 1076 unter Aragon und Kastilien-León aufgeteilt. 48 Vgl. Collins, Caliphs and Kings (2012), 238–256. 49 So war Toda, Königin von Navarra (928–959) und Ehefrau von Sancho I. Garcès von Navarra (905– 925), die Tante väterlicherseits von ’Abd ar-Rahmān III. (889–961), Kalif von Córdoba: vgl. Anderson, Sign (2014). 50 „These small, under-urbanized states could be regarded as being essentially frontier societies that developed largely on the basis of raiding and opposition to their larger and more powerful Muslim neighbour to the south. Their royal courts were small and relatively poor and the aristocracy newly emerged and concerned with developing profits from war and from land. Their needs for education were limited. Even their often extensive monastic patronage could be suspected of having an economic purpose to it in helping to develop the under-populated and waste frontier regions.“ Collins, Literacy (1998), 127.
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ches der Kunsthistoriker und Archäologe Oleg Grabar vom Kalifenhof entwirft: „Desde el punto de vista del tosco y frío Norte cristiano, [Al-Andalus vom 8.–11. Jh.] era un paraíso de calor, de perfección y de refinamiento en todas las facetas de la vida, desde la indumentaria hasta la arquitectura, desde el pensamiento hasta la ciencia.“51 Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rolle der Klöster für die Kultivierung eroberter Gebiete als bedeutend. Als ein wichtiger Schritt ist die seit dem ersten Viertel des 10. Jahrhunderts einsetzende Produktion von Handschriften anzusehen, die neben der Architektur zu einem entscheidenden Medium der Klosterüberlieferung avancierten.52 Namen einer Vielzahl von Mönchen, Angaben zur Aufgabenverteilung, zum Ausbildungsstand und zum Herstellungsprozess vermitteln den Eindruck straff organisierter Skriptorien.53 Wenn man bedenkt, dass die Ausstattung von asturischen Handschriften, die vor 900 entstanden, über die Initialornamentik kaum hinausgeht54 – gleiches gilt für die westgotische Zeit55 –, so ist bemerkenswert, dass von Anfang an die Codices ein großes Interesse an bildlicher Gestaltung, auch an der visuellen Rahmung von Texten, widerspiegeln. Die Frage nach einer ‚invention of tradition‘ wird deshalb an verschiedenen Punkten beschäftigen.56 Daraus ergibt sich der zeitliche Ausgangspunkt für eine Untersuchung visuell aufwendig gestalteter Eröffnungs- und Schlussseiten, die in Codices unterschiedlicher Textgattungen 51 Grabar, Islamic Spain (1992), 9. 52 Es gilt zu berücksichtigen, dass sich nicht zu jeder Gemeinschaft, für die ein Skriptorium nachgewiesen ist, auch Klosterbauten erhalten haben; dies betrifft etwa San Martín de Albelda, San Pedro de Berlangas/Valeránica oder das Kloster Valcavado. Umgekehrt haben sich Bauten von Klöstern, wie etwa das 919 restituierte Santiago de Peñalba, erhalten, aus dem keine Handschriften bekannt sind. Grundsätzlich fehlt es an einer aktuellen übergreifenden Untersuchung zur Architektur dieser Klöster. Zuletzt umfassend Gómez-Moreno, Iglesias (1919). Vgl. auch Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), deren Anspruch es jedoch ist, einen hinsichtlich der Gattungen und der Regionen breiten Überblick über die nordspanische Kunst des 9.–11. Jh. zu geben. Neuere Beiträge liegen zu einzelnen Klöstern vor: zu San Millán vgl. Caballero Zoreda, Iglesia (2004); zu Santiago de Peñalba vgl. Fidalgo Piensos, Transición (2001), Ito, Peñalba (2005), Martínez Tejera, Ecclesia (2010); zu San Miguel de Escalada vgl. Martínez Tejera, Escalada (2005). Für die unter Sancho III. Garcés „el Mayor“ (990–1035) geförderten Kirchenbauten im Königreich Navarra sollte man auf Mann, Architecture (2009), zurückgreifen. Zum Einfluss der arabischen Architektur auf jene des Duero-Tales: etwa Parrado del Olmo, Influencia (2004). Zur Architektur der Fortifikation stellvertretend: Montaña Conchiña, Frontera (1999). 53 Allg. Ruíz Asencio, Escribas (2000); zu den Schreibereinträgen: Villada, Vida (1926); Bordona, Diccionario (1957); zuletzt Brown, Bodies and Bookmaking (2011). Eines der wichtigsten Skriptorien befand sich im Kloster San Millán de la Cogolla: Menendez Pidal, Escritorio (1958); Pérez de Urbel, Escritorio de San Millán (1977); Cardenal Montero, Scriptorium (2000). 54 Daher ist fraglich, ob eine heute in der Abadia di Cava de’ Tirreni aufbewahrte Bibelhandschrift aus der Mitte des 9. Jh. in Asturien entstand (Cava de’ Tirreni, Biblioteca dello stato, Ms. 1 [14]): vgl. Rotili, Miniatura (1978). Zwar ist die Verbindung nach Spanien durch Paläographie, arabische Randnotizen und Buchschmuck wahrscheinlich, die fast programmatische bildhafte Auseinandersetzung mit den Medien Schrift und Pergament ist jedoch im Vergleich zur asturischen Überlieferung absolut singulär. 55 Schlunk, Observaciónes (1945); Werckmeister, Problems (1963); Williams, Buchmalerei (1977), 9–11. 56 Der Begriff, welcher konstruierte und in die Vergangenheit projizierte Rituale, Regeln oder symbolische Handlungen meint, die der jeweils gegenwärtigen Legitimierung dienen, ist gleichfalls auf kunsthistorische Phänomene anwendbar: vgl. Hobsbawm, Inventing Traditions (1984), insbes. 1–2.
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aus verschiedenen Klöstern bis um 1100 greifbar sind. So wie ihr Aufkommen letztlich eine Folge politischer Machtverschiebungen auf der Iberischen Halbinsel darstellt, so hängt auch ihr Verschwinden57 mit den weiter fortschreitenden christlichen Eroberungen zusammen, welche seit 1031 durch den Zerfall des Kalifats in verschiedene Taifenreiche begünstigt wurden.58 Die Expansion hatte Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der Klöster, ihre geographische Ausrichtung und vor allem auf die Beziehungen der monastischen Gemeinschaften untereinander. Einige Klöster, wie San Millán de la Cogolla, wussten sich geschickt in den Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen christlichen Machtbereichen sowie im Hinblick auf die weiter gen Süden wandernde Grenze zu behaupten, während andere, wie San Martín de Albelda, an Bedeutung verloren.59 Wie die zunehmenden Eroberungen veränderten auch die seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts geknüpften Verbindungen zu den Cluniazensern die Landkarte royal geförderter Klöster. An der Etablierung und Durchsetzung eines cluniazensischen Netzwerks hatten die Könige von Navarra und Kastilien-León großen Anteil, die damit nicht nur ihr Gebetsgedenken zu garantieren suchten. Sie versprachen sich ferner eine Stärkung ihrer Macht, eine bessere Absicherung ihrer Herrschaftsbereiche und den Ausbau transpyrenäischer Beziehungen.60 Für die kulturelle Entwicklung der Klöster eröffneten die neuen, weitreichenden monastischen Beziehungen andere Wege künstlerischen Austauschs, die sich nachfolgend als relevant für die bildliche Ausstattung von Handschriften erweisen sollten.61 Unmittelbaren Einfluss auf die Handschriftenproduktion hatten schließlich auch liturgische Veränderungen, die ebenfalls in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts fielen. 62 Im Jahre 57 Eine Ausnahme bilden einige wenige Beatus-Handschriften, in denen um 1200 erneut auf im 10. und 11. Jh. bekannte Bildtypen zurückgegriffen wurde; dabei scheint es sich jedoch um ein kurzzeitig greifbares Phänomen der Renaissance zu handeln, das zum Teil mit Klöstern des Zisterzienserordens zusammenhängt. Vgl. ein Ms. von 1220 aus dem Kloster Las Huelgas in Burgos (New York, PML, M. 429), für das ein Codex von 945 vorbildlich war (Madrid, AHN, Cod. 1097B, nachfolgend: Tábara-Beatus, hier: Kat. I.7); ferner eine Hs. von ca. 1175 (Manchester, John Rylands University Library, Ms. lat. 8); sowie von ca. 1180 wahrscheinlich aus San Pedro de Cardeña (Madrid, Museo Arqueológico Nacional, Ms. 2). Siehe Williams, Beatus (2003), Bd. 5: 19–23, 24–30, 38–42, mit Abb. 58 Herbers, Geschichte (2006), 133–136; Collins, Caliphs and Kings (2012), 201–204. 59 Zu San Millán de la Cogolla einführend: García Turza, Monasterio (1997). Der Bedeutungsverlust San Martín de Albeldas in der Rioja beginnt mit dem Ende des Königreiches Navarra 1076. Der neue Herrscher Alfons VI., König von Kastilien und León (1065/1072–1109), tritt nachfolgend als Förderer des Klosters Santa María la Real de Najera hervor: García Turza, Albelda (2002), 26. 60 Vgl. Vones, Geschichte (1993), 39–40. Zur cluniazensischen Reform auf der Iberischen Halbinsel vgl. Segl, Klosterreform (1974); Reglero de la Fuente, Cluny (2008). Die Beziehungen zu Cluny wurden auch dynastisch abgesichert, indem Alfons VI. Konstanze, die Tochter des Herzogs Robert von Burgund, Nichte des Abtes Hugo von Cluny, zur Frau nahm und auch seine Töchter in die Familie der Herzöge von Burgund einheirateten: Reglero de la Fuente, Cluny (2008), 198–201, 225–229. – Zu den künstlerischen Umbrüchen siehe Müller-Wiener, Al-Andalus (2004). 61 Allg. zu den stilistischen Besonderheiten und Veränderungen in der Kunst der christlich dominierten Gebiete auf der Iberischen Halbinsel im Verlauf des 11. Jh.: Arbeiter u.a. Hispaniens Norden (2009), mit den darin enthaltenen Beiträgen, u. a. zur Buchmalerei: Silva y Verástegui, Miniatura (2009). 62 Vgl. dazu die Überlegungen von Yarza Luaces, Miniatura (2007), 38, allerdings in Bezug auf den Stil der nordspanischen Buchkunst im 10. und 11. Jh.
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1080 wurde auf dem Kirchenkonzil von Burgos die Abschaffung der bis dahin auf der Iberischen Halbinsel gültigen westgotischen Liturgie (auch ‚altspanisch‘ oder ‚mozarabisch‘ genannt) beschlossen.63 Die Übernahme des römischen Ritus wurde durch die christlichen Herrscher, allen voran Sancho I. Ramírez von Aragón (1043?–1094) und Alfons VI. von Kastilien-León (1030–1109) gefördert.64 Mit dem Wechsel waren die traditionellen liturgischen Bücher, wie das Lektionar (Liber Commicus), der Liber Ordinum oder das Antiphonar der westgotischen Kirche, obsolet geworden und mussten ersetzt werden. Im Zuge dessen veränderte sich auch das Layout liturgischer Handschriften.65 Der liturgischen Reform, die ferner die Ablösung der westgotischen zugunsten der karolingischen Schrift katalysierte, wurde in einigen Klöstern, etwa in Sahagún und San Millan de la Cogolla, widerständig begegnet.66 In anderen, wie in Santo Domingo de Silos, löste sie hingegen eine neue Phase der Handschriftenproduktion aus.67 Damit ist das historische Spannungsfeld abgesteckt, in dem die Frage nach dem Potential visueller Rahmungen angesiedelt ist. Diese sollten vor dem Hintergrund eines Institutionalisierungsprozesses von Klöstern betrachtet werden, der sich angesichts von Eroberung, Besiedlung und Kultivierung sowie Grenzlage vollzog.
I.1 Nordspanische Handschriften als Phänomen des Randes Illuminierte Eröffnungs- und Schlussseiten als Möglichkeiten der visuellen Rahmung von Texten sind bisher kaum Gegenstand einer methodisch-theoretischen Auseinandersetzung sowie einer systematischen Aufarbeitung gewesen.68 Einzelne Deutungsvorschläge sind vor 63 Zum westgotischen Ritus vgl. etwa Franquesa, Messe (1960); Sants Gros, Liturgia (1988); Ferrer Grenesche, Curso (1995); eine Einführung zum liturgischen Buch der westgotischen Kirche bietet Fernández Catón, Libro (1996); eine ausführliche Beschreibung einer westgotischen Messe: DACL, Bd. XI, 674– 690 (H. Leclercq). 64 Zur Implementierung des neuen Ritus siehe den Sammelband Reilly, Santiago (1985), sowie den darin enthaltenen Beitrag von O’Callaghan, Integration (1985), aber auch Walker, Transition (1998), 23–34; ferner Vones, Substitution (2007). 65 Eine vergleichende Untersuchung der sich ändernden Inhalte und des sich gleichfalls wandelnden Erscheinungsbildes liturgischer Handschriften hat Walker, Transition (1998), vorgenommen. 66 Henriet, Défenseur (2009); Alfons VI. beschwerte sich bei Hugo, Abt von Cluny, über den Aufruhr, den der Liturgiewechsel in seinem Königtum verursacht hätte: Reglero de la Fuente, Cluny (2008), 200. Zu den Schwierigkeiten der Implementierung des neuen Ritus in den Eremitengemeinschaften des El Bierzo: Martínez Tejera, Cenobios (2002). 67 Vgl. dazu Kap. V.5. 68 Eine Ausnahme stellen marginale Illuminationen als eine spezielle visuelle Rahmungsmöglichkeit dar, deren buchgeschichtliche Grundlage sicherlich eine Neubewertung der Seite zur Ordnung und Anordnung von Wissen seit dem Hochmittelalter bildete: dazu Illich, Weinberg (2010). Gleichwohl gibt es auch zuvor schon Randillustrationen: Green, Marginal Drawings (1974); Pace, Cultura (1985); Boto Varela, Marginalia (2007). Die Forschung zu den spätmittelalterlichen Randgestaltungen ist umfangreich, daher sei hier stellvertretend auf Camille, Image (1992); Wirth, Marges (2008); für Spanien: Boto Varela, Marginalia (2007) und Villaseñor Sebastián, Iconografía (2009) verwiesen. Vgl. auch die kritische Revision der verschiedenen Deutungsvorschläge bei Klein, Rand- oder Schwellenphänomen
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allem im Hinblick auf die illuminierten Eröffnungsseiten erarbeitet worden. Da diese oft Architekturzitate zieren,69 wurde ihre räumliche Qualität als Zugang zum Codex im Sinne eines „Portikus“70 oder einer „image-porche“71 hervorgehoben. Für jene den Codex abschließenden Seiten arbeitete Lawrence Nees durch diagrammatische Strukturen erweiterte Kreuzzeichen als charakteristisch heraus. Er ist bislang der Einzige, der, ausgehend von irischen Handschriften des 8. und 9. Jahrhunderts, den Blick auf Markierungen am Ausgang von Manuskripten gerichtet hat.72 Insbesondere im Hinblick auf die Eröffnungsseiten wurde deren auktoriale Funktion betont. Am Beispiel französischer Romanhandschriften des 14. und 15. Jahrhunderts analysiert Martine Dauzier diese als einen Ort der Vermittlung zwischen Autorinstanz, Auftraggeber und Leser.73 Jeffrey F. Hamburger hat ferner angeregt, über die Analogien zum mittelalterlichen Prolog nachzudenken und als strukturelle Gemeinsamkeiten die programmatische Funktion sowie die Artikulation des auktorialen Selbstverständnisses identifiziert.74 Dabei macht er deutlich, dass man diese Merkmale auch anderen Layout-Elementen der Rahmung zuschreiben könnte. Doch lässt er offen, welche Bedeutung die visuelle Rahmung, die er als ein „critical counterpoint“ im Verhältnis zum Text begreift, für die Rezeption des Codex konkret hat.75 In seinem Beitrag „Openings“ hat Jeffrey F. Hamburger diesen Ansatz nicht weiterverfolgt. Darin macht er die Doppelseite für das Verständnis illuminierter Eröffnungsseiten in mittelalterlichen Handschriften stark und sucht dieses Dispositiv in den medialen Herstellungsbedingungen des Codex, in verschiedenen Modi der Darstellung (Diagramm, Narration) sowie gattungsübergreifend (Diptychon) zu fundieren.76 Gleichwohl stellen die hier untersuchten illuminierten Eröffnungs- und Schlussseiten weniger einmalig vor- oder auch nachgeblendete Ikonographien dar, vielmehr treten sie oft in Serie auf. Dabei sind sie mit dem Buchganzen verzahnt, so dass ein Ansatz vielversprechend erscheint, der sich gleichfalls als offen für rezente kunsthistorische Überlegungen zum Codex als Raum erweist. Denn jenseits einer sinnbildlichen Deutung rücken dabei die Bezie(2007), der jedoch einen breiteren Winkel anlegt, indem er ‚Randbilder‘ in den verschiedensten Gattungen, die als typisch für die romanische und gotische Kunst ausgemacht werden, in den Blick nimmt. 69 Beispielsweise Arkaden, vgl. etwa fol. 2r einer Handschrift vom Ende des 8. Jh. aus Tegernsee. Hier ist unter der Arkade ein Kreuz dargestellt (Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 19408). Vgl. Bierbrauer, Handschrift (1990), 46, Kat. 80; Ausst.-Kat. Pracht auf Pergament (2012), Kat. 1 (mit Abb.). 70 Debrais, Book (1996), 143. 71 Dauzier, L’image-porche (1989). 72 Nees, Colophon drawing (1983); für die islamische Buchillustration hat Grabar, Mediation (1992), 159, den Ausdruck des „Finispiz“ für die letzte illuminierte Seite einer Handschrift vorgeschlagen. 73 Vgl. Dauzier, L’image-porche (1989), 517. 74 Hamburger, Rewriting History (2005). Vgl. ferner Ganz, Medien der Offenbarung (2008), Teil I, der für eine dem Text vorausgeschaltete Bildnarration auf mehreren Blättern den Begriff des ‚Bildprologs‘ verwendet, und Tammen, Schluß (2002), 327, die den Eingangsminiaturen ebenfalls eine „prologartige Funktion“ zuweist. 75 Hamburger, Rewriting History (2005), 272. 76 Hamburger, Openings (2009). Wohl auch in ders., Ouvertures (2010). Diese Veröffentlichung ist nur in wenigen Bibliotheken vorhanden und war daher für mich nicht zugänglich.
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hungen zwischen den Einzelblättern in den Vordergrund, die gerade im Hintereinander des Buchganzen entstehen.77 Im Fokus stehen Strukturen der Verräumlichung, wie sie sich etwa an jenen in den ersten drei Dekaden des 13. Jahrhunderts am französischen Königshof entstandenen Handschriften der Bible moralisée erarbeiten lassen, in denen die Illuminationen am Anfang und Ende als „sensible Schwellensituationen“ und „bewusste Inszenierungen eines Ein- und Ausstiegs“ in Erscheinung treten.78 Um das beziehungsstiftende Potential von Codices auszuloten, erscheint ferner sinnvoll, visuelle Rahmungen auch in den Kontext von Überlegungen zu stellen, die die Rolle des Buchs als Körper erörtern.79 Während Otto Pächt mit dem Begriff des „Buchorganismus“ darauf abhebt, den Bildschmuck stets als Teil des Codex zu begreifen und in diesem Kontext zu deuten,80 verweist Felix Heinzer auf die Körperlichkeit des Codex als einer dinglichen, Raum bestimmenden Materialität.81 Der Vorstellung des Codex als Körper und seiner bildlichen Darstellung im hohen und späten Mittelalter sind schließlich die Arbeiten von Klaus Schreiner,82 Horst Wenzel83 und Silke Tammen84 gewidmet, die im Einzelnen dem vom göttlichen logos beschrifteten Buch Mariens, der Verkörperlichung Christi im Buch sowie dem Buch in seiner geschlechtlichen Kodierung nachgehen. Jüngst hat David Ganz die Metapher des Kleides für die Interpretation von Prachteinbänden liturgischer Handschriften fruchtbar gemacht. Ganz verbindet Fragen nach der Medialität des Einbands, welchen textile Qualitäten eignen, mit einer strukturellen Betrachtungsweise der zwischen ‚innen‘ und ‚außen‘ vermittelnden Hülle des Codex, die deshalb auch für diese Untersuchung von Relevanz ist.85 In der Forschung zur spanischen Buchmalerei sind die illuminierten Eröffnungs- und Schlussseiten bisher ausschließlich als isolierte Bildtypen gewürdigt worden, weil sie im zeitnahen Vergleich mit anderen europäischen Manuskriptkulturen einzigartig erschienen, so etwa die vielfarbigen Buchstabenlabyrinthe oder die ganzseitigen Alpha- und Omegabuchstaben.86 Als konstitutive Elemente eines Raum generierenden Darstellungssystems wurden 77 Dazu bes. Reudenbach, Psalterkarte (1998), hier 166. Zum Verständnis des Codex als Raum und der sich daraus ableitenden Analyseperspektiven sei auf den Tagungsband von Müller, Saurma-Jeltsch und Strohschneider, Raum (2008), verwiesen. 78 Tammen, Schluß (2002), 327. 79 Die Tagung „Titelbilder als Gesicht des Handschriftenkörpers“ (3.–5.2.2011), vgl. Anm. 7, war von einer solchen Vorstellung inspiriert, doch eine methodisch-theoretische Reflektion blieb aus. Hier wird der Tagungsband abzuwarten sein. 80 Pächt, Buchmalerei (1984), 32: „Einer der Grundbedingungen des Verstehens mittelalterlicher Buchmalerei ist es, eine klare Vorstellung davon zu gewinnen, wie das Bild oder der bildliche Schmuck im Organismus des Buches materiell wie geistig verankert ist.“ Weiter unten spricht Pächt dann vom „Existenzraum“ Buch, ein Begriff, an den Reudenbach, Psalterkarte (1998), 166 u. Anm. 6, seine Überlegungen zu den räumlichen Strukturen des Codex anknüpft. 81 Heinzer, Inszenierung (2008), geht es um die Inszenierung des Evangeliars in der Liturgie. 82 Schreiner, Maria (1971). 83 Wenzel, Schrift (2000). 84 Tammen, Verkörperungen (2000). 85 Vgl. Ganz, Kleider (2012); ders., Buch-Gewänder (2015). 86 Zu den ganzseitigen Kreuzdarstellungen: Vogel, Kreuz (1846); Menendez Pidal, Lábaro (1955); Bischoff, Kreuz (1967); Fernandez Pajares, Cruz (1969); Cid Priego, Relaciones (1990); Henriet, Mille
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sie nicht gesehen. Allein Michelle Mentré hat auf die Bedeutung dieser Seiten sowohl für das sinnbildliche Verständnis als auch für die Strukturierung der Codices verwiesen, ist diesen Beobachtungen allerdings nicht weiter nachgegangen.87 Fragt man hingegen nach der strukturellen und inhaltlichen Einbindung illuminierter Eröffnungs- und Schlussseiten in den Handschriftenzusammenhang, um daraus Erkenntnisse über das Verständnis und die Aufgaben des Codex zu gewinnen, so hilft eine ikonographische Betrachtung einzelner Illuminationen, wie sie bisher vorgenommen wurde, nur bedingt weiter. Mehr noch: Wurden ganze Ausstattungsprogramme einzelner Buchtypen aus ikonographischem Blickwinkel betrachtet, fielen die visuellen Rahmungen am Beginn und Ende kodifizierter Texte entweder unter den Tisch oder wurden fehlgedeutet. Dies lässt sich am Beispiel der illuminierten Beatus-Handschriften demonstrieren, auf die sich die Buchmalereiforschung bevorzugt fokussiert.88 Neben den Bibelhandschriften stellt der Apokalypsekommentar des Beatus de Liébana, ergänzt um Hieronymus’ Auslegung des alttestamentarischen Buchs Daniel, den am reichsten illuminierten Buchtyp aus den christlich dominierten Gebieten der Iberischen Halbinsel dar. Aus der Apokalypse und auch dem Kommentar wurde an Ostern während der Messe und des Stundengebets gelesen. Die Kommentarhandschriften dienten jedoch vor allem der individuellen und kollektiven Lektüre, worauf die Strukturierung des Textes von sich abwechselndem Auszug aus der Offenbarung (storia) und dessen Auslegung (explanatio) sowie ferner die Glossierungen in einzelnen Handschriften hindeuten.89 Ein jeweils umfangreicher Bildzyklus belegt, dass Lesen und Sehen gleichberechtigten Anteil an der monastischen lectio hatten.90 Mehr als zwanzig illuminierte Manuskripte mit den kombinierten Kommentaren zur Offenbarung und zum Buch Daniel haben sich erhalten, die zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert auf der Iberischen Halbinsel entstanden sind.91 Vor allem die umfangreichen, den Texten zur Seite gestellten narrativen Bildzyklen standen dabei im Mittelpunkt der Forschung.92 Jene die Kommentare eröffnenden und abschließenden Miniaturen, aber auch die formis daemon (2005); in Bezug auf die Buchstabenlabyrinthe: Bordona, Exlibris (1935); aus literaturwissenschaftlichem Interesse und im Kontext der visuellen Poesie: Ernst, Carmen figuratum (1991). 87 Mentré, Peinture (1984); dies., Buchmalerei (2006). 88 Auch Walker, Transition (1998), 37, weist auf die starke Konzentration der Forschung auf die illuminierten Apokalypsekommentare hin. 89 Dazu Williams, Purpose (1992), 225. Vgl. auch Galván Freile, Libros (2011), 96. – Beatus selbst äußert in seiner dem Text voranstehenden Widmung, dass dieser dem Studium der Mönche dienen solle: Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Prolegomena 1,23–25. 90 Vgl. Williams, Purpose (1992), 225; zuletzt Ganz, Medien der Offenbarung (2008), 93, der die Illuminationen der Beatus-Handschriften als „visuelle Muster für eine exegetisch angeleitete Lektüre des Bibeltexts“ deutet. 91 Yarza Luaces, Miniatura (2007), 37. – Zwei illuminierte Handschriften mit dem Apokalypsekommentar des Beatus stammen nicht von dort: der aus Saint-Sever-sur-l’Ardour (Département Landes) von 1060– 1072 (Paris, BnF, Ms. lat. 8878, nachfolgend: Saint-Sever-Beatus, hier: Kat. I.3), sowie jener aus Zen tralitalien, 12. Jh. (Berlin, Staatsbibliothek, Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. fol. 561). 92 Für die Fülle der kaum überblickbaren Beiträge zu den Bildzyklen der Beatus-Handschriften seien hier stellvertretend genannt: Actas del Simposio (1978-1980); Klein, Beatus-Kodex (1976); Bolman, De coloribus (1999); und insbesondere Williams, Beatus (1994–2003).
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illuminierte Binnengliederung wurden kaum in den Blick genommen.93 Maßgeblich Wilhelm Neuss, später Peter Klein und insbesondere John Williams kommt das Verdienst zu, die stilistischen und ikonographischen Zusammenhänge der erhaltenen Codices erarbeitet und in komplexen Stammbäumen veranschaulicht zu haben.94 Vorbild boten die aus den Textwissenschaften bekannten Stemma, mit deren Hilfe nicht nur Texttraditionen graphisch erfasst, sondern auch auf ein hypothetisches Urmodell zurückgeführt werden. Für die mittelalterliche Buchmalereiforschung erweist sich dieses Verfahren jedoch als nachteilig, wenn es darum geht, die jeweils spezifische Physis von Manuskripten zu berücksichtigen.95 Beispielsweise liegt mit dem Silos-Beatus eine Handschrift vor, der am Anfang Blätter aus mindestens zwei älteren Codices voranstehen. Die Genese der Manuskripte findet in den Stammbäumen keinen Platz, weil für deren Erstellung ein einmaliger und unveränderbarer (Erst)Zustand vorausgesetzt wird.96 Darüber hinaus machte die Suche nach einem Prototyp den illuminierten Beatus zu einem Leitmedium in der Erforschung der iberischen Buchmalerei, von dem Ausstattungskonzepte anderer illuminierter Textgattungen als gestalterisch abhängig begriffen wurden. So wurde eine Handschrift, die Gregors des Großen Kommentar zum Buch Hiob enthält, als Beleg dafür verwendet, dass die heute älteste illuminierte Beatus-Handschrift noch einen Vorgänger besitzt.97 Denn dem Moralia-Codex aus dem Jahre 945 steht eine ganzseitige Maiestas Domini-Darstellung voran, die in den Beatus-Handschriften eigentlich erst später überliefert ist. Angesichts der Tatsache, dass visuelle Rahmungen ebenso Handschriften anderer europäischer Manuskriptkulturen kennzeichnen, stellt sich die Frage, wie einzigartig die Befunde aus den Klöstern des heutigen zentralen Nordspanien sind. In diesem Zusammenhang gilt es, die generelle Bewertung dieser Buchmalerei einer kritischen Lektüre zu unterziehen. So haben Versuche ihrer Einordnung zu einer Diskursivierung künstlerischer „Sonderleistungen“98 beigetragen, die sich immer wieder und bis heute insbesondere am Stil 93 Eine Ausnahme bildet etwa die Dissertation von Sponsler, Boundaries (2009), die dem Girona-Beatus gewidmet ist (hier: Kat. II.6). Sie untersucht explizit jene bildlichen Darstellungen, die nicht die Kommentierungen zur Apokalypse und zum Buch Daniel begleiten. 94 Die von Neuss, Klein und William erstellten Stemma sind abgebildet bei: Williams, Beatus (1994), Bd. 1: 22, 23, 26. – Stammbäume wurden ferner für eine aus San Martín de Albelda erhaltene Rechtskodifizierung entwickelt (Escorial, Cod. D.I.2, nachfolgend: Codex Albeldense), um dem Manuskript einerseits einen Platz in der textlichen Überlieferungsgeschichte zuzuweisen und andererseits die ikonographischen Einflussnahmen der Handschrift auf andere Manuskripte zu verdeutlichen: Silva y Verástegui, Iconografía (1984), 126. 95 Insbesondere die postmoderne Kritik Jacques Derridas an der Metaphysik der Präsenz öffnete die Augen für die physisch-materielle Integrität des mittelalterlichen Codex: dazu Dagenais, Residue (1991), 248. 96 London, BL, Ms. Add. 11695, nachfolgend: Silos-Beatus (hier: Kat. I.11). Der illuminierte Apokalypsekommentar aus Santo Domingo de Silos entstand mindestens in zwei Phasen: 1091 und 1109. Die ihm zu einem unbekannten Zeitpunkt hinzugefügten illuminierten Pergamentblätter waren ursprünglich an den Anfang eines Antiphonars gebunden. Zur Genese dieser Handschrift: Boylan, Manuscript (1990), Appendix D. sowie hier Kap. V.3. 97 Williams, Moralia (1972–7–64), 231. Die angesprochene Moralia-Handschrift, die in San Pedro de Berlangas/Valeránica hergestellt wurde, liegt in Madrid, BNE, Ms. 80 (nachfolgend: Moralia in Iob aus Valeránica, hier: Kat. I.13). 98 Klein, Rezension (2008).
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orientieren und mit der geographischen (Halbinsel, Pyrenäen) und der politischen Isolation (arabische Eroberung weiter Teile der unter westgotischer Herrschaft stehenden Iberischen Halbinsel von 711) begründet werden.99 Kontrovers wurde und wird bis heute diskutiert, welche Einflüsse – westgotische, islamische, karolingische, byzantinische oder angelsächsische – für die Ausstattung der Handschriften im 10. und 11. Jahrhundert prägend waren. Sicherlich kann Manuel Gómez-Morenos Klassifizierungsversuch als ein Ausgangspunkt dieser Diskussion gelten. Gómez-Moreno hat den Begriff einer ‚mozarabischen‘ Kunst geprägt, weil er davon ausging, dass deren abstrakter, wenig naturalistischer Charakter auf jene aus Al-Andalus stammenden und in den wiedereroberten Gebieten monastische Gemeinschaften gründenden ‚Mozaraber‘ zurückging.100 Neuere Forschungen haben gezeigt, dass Gómez-Morenos These so nicht haltbar ist, weil längst nicht alle Produzenten und Rezipienten dieser Kunst aus Al-Andalus kamen.101 Hinzu kommt, dass gerade die aus Al-Andalus erhaltenen Manuskripte, die dort in einem christlichen Milieu im 10. und 11. Jahrhundert geschaffen wurden, sich stilistisch grundlegend von denen aus dem Norden unterscheiden.102 Dennoch kommt Gómez-Moreno das Verdienst zu, überhaupt das Phänomen eines künstlerischen Transfers zwischen den christlich dominierten und den muslimisch beherrschten Gebieten erkannt und zu einem Thema innerhalb der spanischen Forschung gemacht zu haben. Gegenüber den in der Vorkriegszeit erarbeiteten Zusammenhängen zwischen der islamischen Kunst in Al-Andalus und der Kunst der christlich dominierten Gebiete auf der Iberischen Halbinsel, ging es in der Franco-Ära primär darum, die Strahlkraft einer frühmittelalterlichen ‚spanischen‘ Kunst herauszuarbeiten. Belege dafür finden sich in den Veröffentlichungen José Camón Aznars, der in dieser Zeit nicht nur inhaltlich, sondern auch for99 Williams, Buchmalerei (1977), 7: „Vom Meer und Gebirgen umschlossen, verblieb die Halbinsel in einer Abgeschiedenheit, […]. Diese Isolation wurde durch den Einfall muselmanischer Eroberer verstärkt, […]. In der Zwischenzeit entwickelte Spanien eine eigene Parallele zur mittelalterlichen Kultur, die seine christlichen Nachbarn hervorbrachten.“ 100 Gómez-Moreno, Iglesias (1919), bes. XII-XXI, hier XIV: „El arte cristiano del siglo X parece asimismo una hijuela del cordobés, completándose la semejanza en punto al la imagenaria religiosa, que lo musulmán non hubiera podido inspirale, ya que igualmente fué ajeno a ella de antiguo al culto cristiano español. Pero, en general, revelase lo mozárabe del norte con un sello de inventiva que le presta siempre fisonomía propria respecto de los tipos califales. Las iglesias de entonces en territorio cristiano son, pues, un perfecto reflejo de un ambiente social determinado por el influjo absorbente de la España árabe, merced al contacto con los meridionales, antaño sometidos a ella, dándose lugar a un periodo historico propriamente mozárabe.“ Vgl. auch Gómez-Moreno, Arte árabe (1951), 394–409. Bordona, Buchmalerei (1930), 9, und Fontaine, Art-préroman (1977), 21–28, folgen ihm. – 1939 erschien eine Studie Manuela Churrucas, welche nochmals den Einfluss der islamischen Kunst auf die nordspanische Buchmalerei der Königreiche León und Navarra betont: Churruca, Influjo oriental (1939). Churruca versteht die nordspanische Buchmalerei als Vermittler islamischer Kunst in Europa. Zu dieser methodisch problematischen Arbeit: Yarza Luaces, Miniatura (2007), 31. 101 Vgl. Bango Torviso, Error (2007). Zur Kritik an der Verwendung des Begriffs ‚mozarabisch‘ siehe weiter oben Anm. 32. Dennoch wird der Begriff ‚mozarabisch‘ zur Bezeichnung der Buchmalerei aus dem Norden der Iberischen Halbinsel weiterhin benutzt: Mazal, Frühmittelalter (2003), Bd. 2, 233; auch Mentré, Buchmalerei (2006), 10–11. 102 Vgl. zuletzt Yarza Luaces, Miniatura (2007), 38.
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schungspolitisch die spanische Kunstgeschichtsschreibung dominierte. So suchte Camón Aznar 1960 einen „genio español“ gerade im ‚iberischen Stil‘ der Buchmalerei des 10. und 11. Jahrhunderts zu identifizieren.103 Insbesondere die illuminierten Beatus-Handschriften haben Camón Aznar dazu gedient, die Vorrangstellung des mittelalterlichen Spanien gegenüber dem gesamten Okzident dieser Zeit zu begründen. Camón Aznars’ Ansichten sind nicht nur aus der Perspektive eines nationalstaatlichen Einheitsgedankens formuliert. Ihnen liegt ein spanisches Sendungsbewusstsein zugrunde, welches typisch war für das Klima der Franco-Zeit.104 Bemühungen, die Buchmalerei als ein eigenständiges Phänomen zu verankern, welches nur marginal von außen (karolingische Buchkunst, islamische Kunst) beeinflusst war, sind verstärkt seit der Phase der ‚Transición‘, dem Übergang vom Franquismus zur parlamentarischen Monarchie, artikuliert worden. So hat Isidro Bango Torviso,105 ausgehend von den im 10. Jahrhundert restituierten westgotischen Kirchenbauten, aber auch der Buchmalerei in den Königreichen León und Navarra, deren ‚hispano-westgotischen‘ Charakter herausgestellt. Statt ‚mozarabisch‘ führte er den Begriff einer Kunst der ‚repoblación‘ ein, der auf die mittlerweile kritisch reflektierten Deutungen Sánchez Albornoz‘ zurückgreift. Dass Bango Torvisos Klassifizierung sicherlich aus nationalstaatlicher Perspektive erfolgt ist, der das damalige (und auch noch gegenwärtige) Ringen um die Einheit Spaniens entgegen separatistischen Bestrebungen einzelner Regionen am Herzen lag, verdeutlicht seine Ablehnung von Xavier Barral i Altets Bezeichnung der katalanischen Kunst des 10. Jahrhunderts als ‚präromanisch‘ und damit einer von Bango Torviso befürchteten Ausdifferenzierung der Künste auf der Iberischen Halbinsel.106 Allerdings war es gar nicht unbedingt Anliegen des Katalanen Barral i Altet, die katalanische Kunst terminologisch auszusondern. Vielmehr wollte er sich durch den globaler verstandenen Terminus „pre-romànic“ einer politischen, sozialen und/oder geographischen Zuspitzung entziehen, die er in Denominationen wie 103 Camón Aznar, Miniatura (1960), 18: „El espíritu árabe se filtró en estos tipos carolingos y los orientalizó produciendo este arte estraño […] y esta unión se consagra como un arte autóctonico por la actuación del genio español, que allí se manifesta […].“ Ebd., 21: „El genio español popula aflora en estas figuras cuyas estilizaciones rítmicas inspetuosidad expressiva se corresponde con los productos de la civilización ibérica y con las espontáneas ornamentaciones rurales intemporales.“ – Kritisch zu Camón Aznar auch Klein, Buchmalerei (1992), 75. 104 Vgl. Haubrich, Spanien (2011), 17. 105 Bango Torviso, Alta Edad Media (1989), 45, 80. Vgl. auch Bango Torviso, Neovisigotismo (1979), 36, Anm. 6: „Lo que no cabe duda es que si existe un fenómeno histórico que characterice este periódo, éste es la repoblación, y la mozarabía tan sólo una parte de ella; así, pues, lo que más define es el todo y no la parte.“ 106 Bango Torviso, Alta Edad Media (1989), 45, 46: „[..] no veo la razón de diferenciar del concepto de arte de repoblación dado al resto de la Península, la geografí catalana.“ – Auch in der „Historia General del Arte“, in der Bango Torviso 2001 den Band zur „Arte prerrománico hispano“ übernahm, wird die Kunst des 10./11. Jh. in den christlich dominierten Gebieten der Iberischen Halbinsel (ausdifferenziert in León, Kastilien, Navarra, Aragón und Katalonien) unter „Arte de la repoblación“ diskutiert. Bango Torviso, Arte prerrománico (2001), Teil 3. Bango Torviso nimmt hier auch Bezug auf die Dekonstruktion des ‚repoblación‘-Begriffs in der Forschung, möchte jedoch an dem Begriff festhalten, da seiner Meinung nach gerade die schrittweise Einnahme der Grenzzonen dieselben grundsätzlich verändert hätten. Ebd., 325.
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einer Kunst der ‚repoblación‘ oder einer ‚mozarabischen‘ Kunst zu erkennen glaubte.107 Gleichwohl macht das Etikett ‚präromanisch‘ die Kunst des 10. Jahrhunderts zu einer Vorstufe romanischen Stils und bindet sie an lang debattierte Thesen um die dominierende Rolle der französischen Romanik für die iberische Kunst zurück.108 Die Tendenz, die frühmittelalterliche Buchmalerei aus dem Norden des heutigen Spanien, insbesondere aus den einstigen Königreichen León, Kastilien und Navarra, gegenüber etwaigen äußeren, transpyrenäischen Einflüssen zu verteidigen, setzt sich bis heute fort.109 Dagegen stehen Positionen, die die Buchmalerei der Iberischen Halbinsel in Abhängigkeit von der karolingischen und insularen einerseits sowie der islamischen Kunst andererseits diskutieren und auf diese Weise zu demselben Ergebnis gelangen, dass nämlich die Merkmale dieser Bildkunst nur eingeschränkt vergleichbar sind.110 Zuletzt hat sich Joaquín Yarza Luaces bemüht, beide Positionen einander näher zu bringen, indem er das Gemenge von karolingischen, insularen und muslimischen Formen und Motiven als Charakteristikum dieser in der klassischen Tradition wurzelnden und ferner Beziehungen zur spätrömischen und nordafrikanischen Kunst aufweisenden Buchmalerei hervorhebt.111 Notwendig wäre eine grundlegende Revision des ‚Einfluss‘-Begriffs. Statt diesen allein auf stilistisch-ikonographische Transferprozesse im Sinne eines aktiv/passiv-Verhältnisses zu beziehen, sollte er breiter, im Hinblick auf die kreativen Aneignungsprozesse oder Einflussnahmen patronaler, politischer und sozialer Art auf die Produktion, Rezeption und Deutungsgeschichte illuminierter Handschriften Verwendung finden.112 Grundsätzlich stellt eine übergreifende kunsthistorische Darstellung zu den Manuskriptkulturen auf der Iberischen Halbinsel – und damit nicht nur jener Teil, den wir heute Spanien bezeichnen – ein Desiderat dar. Diese müsste jenseits einer Kontextualisierung stilistischer Entwicklungen auch die Produktionsbedingungen, 107 Im Unterschied zu Bango Torviso (Bango Torviso, Alta Edad Media [1989], 45) kann Barral i Altet, Art pre-romànic (1981), 9, die Restituierung einer als ‚westgotisch‘ denominierten Kunst im 10. Jh. nicht erkennen: „El terme més adequat per a definir l‘art de la alta Edat Mitjana a Cataluny és el d‘art pre-ròmanic. Les definicions d‘art mossàrab o d‘art carolingi corresponen a realitats socials i polítiques pròpies d‘altres països veïns, que si bé es poden reflectir a Catalunya, no en comprenen la situació artística global d‘aquella època. […] Hom ha proposat també el terme d‘art de repoblació, que cal marginar, en el cas de Catalunya almenys, car no correspon a la totalitat de la realitatartística del moment. Ni el mossarabisme de Gómez-Moreno ni el fast carolingi no s‘adapten a la realitat catalana dels segles IX i X. Per art pre-romànic s‘entén l‘art que cobreix l‘espai de temps, força llarg, comprès entre el món antic tardà i L‘edat Mitjana ja plenamente constituïda: l‘art que prepara i porta cap a les formes artístiques romàniques […].“ 108 Mann, Romantic identity (1997). 109 Vgl. Domínguez Rodríguez, Ilustración (1996), 269, die John Williams Herangehensweise folgendermaßen zusammenfasst: „Williams lo [die Kunst des 10. Jh., die Verf.] llama simplemente arte leonés y cada vez se tienden a considerar como más decisivas las aportaciones ultrapirenaicas.“ 110 Dabei wird in Einführungen gerne auf eine angeblich von Erwin Panofskys stammende Äußerung, in Spanien sei alles anders (‚Everything is different in Spain‘), zurückgegriffen: etwa Williams, Buchmalerei (1977), 7; dekonstruiert von: Dodds, Architecture (1990), 1, 117, Anm. 2. 111 Yarza Luaces, Miniatura (2007), 38. Yarza Luaces verweist in diesem Zusammenhang auf die kurz vor Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges erschienene Publikation von García Fuente, Miniatura (1936), die die verschiedenen Einflussnahmen breiter diskutiert. 112 Dazu Lowden und Bovey, Influence (2007), hier bes. die Einl. von Alixe Bovey, VII-XIII.
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Gattungs- und Funktionszusammenhänge sowie die Rezeption der Handschriften berücksichtigen und darüber hinaus die Debatte für kulturhistorische Fragestellungen öffnen. Eine umfassende Behandlung wäre ein wichtiger Schritt, um jene Sonderrolle zu problematisieren, die der iberischen Buchmalerei in den aus eurozentrischem Blickwinkel entwickelten Gesamtdarstellungen zur mittelalterlichen Buchkunst zugeschrieben wird und die sich auch dergestalt abbildet, dass ihr in den chronologischen Abrissen, wenn überhaupt, das letzte Kapitel vorbehalten wird.113 Zwar konzentriert sich die vorliegende Studie auf Manuskripte, die auf der Iberischen Halbinsel entstanden sind. Dennoch soll aus dem zuvor problematisierten Sachverhalt die Konsequenz gezogen werden, unter bestimmten inhaltlichen Aspekten Handschriften anderer europäischer Manuskriptkulturen, insbesondere die in ottonischer und salischer Herrschaftszeit entstandenen Codices, vergleichend heranzuziehen: im Hinblick auf verwendete Bildtypen, bevorzugte Textgattungen und Buchtypen sowie die Inszenierung der visuellen Rahmung als Zugang zum kodifizierten Text. Auf diese Weise kann das gemeinsame Anliegen visueller Rahmungen einerseits und der spezifische Charakter der nordspanischen Beispiele andererseits herausgearbeitet werden. Durch die Forschungen zur Kulturlandschaft,114 außerdem durch das angewachsene Interesse an interkulturellen Fragestellungen sind in den letzten Jahren alte Denkmuster von Zentrum und Peripherie aufgebrochen und kritisch beleuchtet worden. Dies eröffnet gerade für die multiethnischen und multireligiösen Gesellschaften auf der mittelalterlichen Iberischen Halbinsel, auf der christlich und muslimisch dominierte Gebiete über einen Zeitraum von fast 800 Jahren aneinanderstießen, die Möglichkeit, die Grenze in den Mittelpunkt zu rücken und als einen eigenen, Kulturen generierenden Raum zu befragen. Insbesondere in den letzten Jahren hat sich die historische Forschung zur Iberischen Halbinsel dem Phänomen der Grenze115 unter Berücksichtigung der Aspekte ‚Begriffsbildung‘, ‚Befestigung‘, ‚Krieg‘, ‚Siedlung‘, aber auch ‚Mentalität‘ zugewandt.116 Dabei konnte aufgezeigt werden, dass der Begriff der frontera im Sinne einer militärisch-politischen Linie, die zudem Religionen voneinander trennt, erst seit dem frühen 12. Jahrhundert fassbar wird.117 Davor, vom 9. bis zum 11. Jahrhundert, bildete die Grenze eine durchlässige, bewegliche, zunächst mal mehr, mal weniger stark bevölkerte, gering strukturierte Zone.118 Hier 113 Für die deutschsprachige Kunstgeschichtsschreibung stellvertretend Mazal, Frühmittelalter (2003), Bd. 2, Kap. 11, 232–238; Jakobi-Mirwald, Buch (2004), 246–249. 114 Czaplicka, Landscape (2000); als Fragestellung für die Kunstgeschichte: Kaufmann, Geography of art (2004); Kaufmann, Introduction (2005); Kurmann, Einführung (2008). 115 Constable, Frontiers (2006), 9, weist darauf hin, dass es im frühen Mittelalter keinen einheitlichen Terminus für ‚Grenze‘ gibt. – Zur Grenze auf der Iberischen Halbinsel: Bazzana, Guichard und Sénac, Frontière (1992); Linehan, Spanish frontier (2002); vgl. auch die allgemein die ‚Grenze‘ in den mittelalterlichen Gesellschaften in Blick nehmenden Tagungsbände: Bartlett und MacKay, Medieval frontier (1989); Herbers und Jaspert, Grenzräume (2007). 116 Vgl. Constable, Frontier (2006); Jaspert, Grenzen (2007); Bazzana, Guichard und Sénac, Frontière (1992); Manzano Moreno, Christian-Muslim frontier (1994). 117 Sénac, Islam (1999), 106. 118 Vgl. die Erkenntnisse zu jener Grenze, die die Normandie von der französischen Krondomäne trennte. Power, Norman frontier (2004), kann deutlich machen, dass die Grenze auch hier keine Linie darstellte, sondern aus Punkten herzoglicher Autorität (etwa Kastellen) bestand.
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kam es im Zuge der voranschreitenden Expansion und Besiedelung zur Herausbildung organisierter Einheiten religiöser und kultureller Mischgesellschaften.119 Daher war die Grenze weder eine sprachliche noch ökonomische Barriere, sondern sie war in Zeiten des Friedens durch den steten Transfer von Menschen, Wissen und Waren geprägt.120 Auf beiden Seiten wurde das Grenzgebiet jeweils verschieden wahrgenommen, wie Philippe Sénac am Beispiel Aragóns für das 10. und 11. Jahrhundert erarbeitet hat: Während von muslimischer Seite die Grenze als eine nach Norden offene Entität, als Mark oder „marche“ verstanden wurde, die durch Städte und Befestigungen gekennzeichnet war,121 war sie für die Christen im Norden mit Dynamik und mit Gefahr im Sinne einer „terre pionnière“ verbunden.122 Vor dem Hintergrund einer geographisch, sozial, politisch und militärisch dynamischen Grenzzone, die auch Anzeichen der Herausbildung eigener Grenzmentalität erkennen lässt, wurden die nordspanischen Manuskriptkulturen bisher nicht diskutiert. Zwar haben Otto Karl Werckmeister123 und John Williams124 den Zusammenhang zwischen der anfänglichen Grenzlage der Klöster und ihrer Handschriftenproduktion in den Blick genommen, allerdings diskutieren sie diesen ausschließlich im Sinne einer Abwägung von Einflüssen.125 Wobei die Fragen, warum islamische Formen und Motive im 10. und 11. Jahrhundert so sparsam in der nordspanischen Buchmalerei rezipiert wurden126 und warum sie sich ferner kaum in das Deutungsmuster einer religiös-politischen Aussage pressen lassen127, unbeantwortet bleiben. Einen anderen Ansatz verfolgte der Historiker Charles Bishko in einem bereits 1948 erschienenen Aufsatz zu den kulturellen Errungenschaften jener Klöster, die in den Königreichen Navarra sowie Kastilien an den Grenzen zu Al-Andalus von den jeweiligen Königshäu119 García de Cortázar, Sánchez Albornoz (1993), 37. – Zur Siedlungstätigkeit der jüdischen Bevölkerung in den Grenzgebieten, die allerdings durch Quellen erst seit dem späten 12. Jahrhundert greifbar wird, zuletzt: Ray, Sephardic frontier (2006). 120 Manzano Moreno, Christian-Muslim frontier (1994). 121 Für die Muslime bedeutete Grenze taġr (Mark). Sie bezeichnete ein an Feindesland grenzendes Gebiet, das, mit Burgen befestigt, der Verteidigung der muslimisch dominierten Territorien, aber auch dem Handel diente. Von dort aus wurden die Beutezüge in die christlichen Reiche organisiert. Unterschieden wurden die obere Mark (Zaragoza), die mittlere Mark (Toledo, später Medinaceli) und die untere Mark (Mérida): Münzel, Feinde (1994), Glossar, IX. 122 Sénac, Islam (1999), 93–94, 101; Bazzana, Guichard und Sénac, Frontière (1992), 55. 123 Werckmeister, Art at the Frontier (1993). 124 Williams, Contribution (1970), 248: „This movement, with its attendant opening of Spain to contacts with Christian culture beyond the Pyrenees, must be taken into account in an assessment of the sources of the art of the period.“ 125 Dieser Zugriff führt letztlich nicht weiter: „It remains an open question to what extent Mozarabic illumination was conditioned by the peculiar blend of early Christian monastic ideals, contemporary experiences, and commemoration of Christian steadfastness against Islam.“ Werckmeister, Art at the Frontier (1993), 131. 126 Werckmeister, Formen (1965); sodann Beckwith, Influences (1976). 127 Dies wird etwa an folgenden Äußerungen Werckmeisters deutlich: „It now seems more appropriate to state that during the tenth century monastic artists to the north of the frontier were able at times to adapt Islamic motifs in a context of both rivalry and confrontation.“ Werckmeister, Art at the Frontier (1993), 122. Zuletzt auch Sponsler, Boundaries (2009), in Bezug auf den Girona-Beatus.
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sern gegründet worden waren.128 Bishko, der dafür den Begriff des „frontier monásticism“ eingeführt hat, deutete die instabile Grenzsituation als eine Herausforderung für die monastischen Gemeinschaften, die darauf mit Formen der Institutionalisierung, genauer mit der Etablierung eines benediktinischen Lebensmodells, reagierten. Damit geht er zwar von einer reaktiven Haltung gegenüber bestehenden sozialen und politischen Umständen aus, dennoch lenkt er das Augenmerk stärker auf die Produktivität von Gemeinschaften, welche auf instabile Verhältnisse mit Selbstorganisation antworteten. Einen Schritt weiter ist zuletzt Janice Mann in ihrer Arbeit über die nordspanische Architektur des 10. und 11. Jahrhunderts gegangen. Diese ist für sie nicht nur das Resultat einer „frontier sensibility“ angesichts andauernder Grenzbewegungen und politischer Instabilität.129 Mann lenkt stattdessen den Blick auf die produktive Qualität der Architektur, der sie eine wichtige Rolle bei der Herausbildung kultureller Identitäten in den Grenzgebieten zuschreibt.130 Sie diskutiert ‚Grenze‘ als Phänomen, welches auf die Identität einer Grenzen ziehenden Gemeinschaft zurückwirkt.131 Manns Ansatz schließt damit an sozialhistorische sowie sozialanthropologische Studien an, die den Zusammenhang zwischen der Formierung von Identitäten und den Herausbildungen von Grenzen untersuchen, welche nicht nur politisch, sondern auch symbolisch und materiell definiert sein können.132 Formen visueller Rahmung in nordspanischen Handschriften sind also auf verschiedenen Ebenen, buchmalerisch, historisch und forschungsgeschichtlich ein Phänomen des Randes. Sie sind das Produkt einer Gesellschaft, die unter den Bedingungen sich geographisch, sozial, wirtschaftlich und kulturell verändernder Grenzzonen lebte. Sie sind ferner wesentlicher Bestandteil einer Buchmalerei, der bis heute nur ein marginaler Platz in der Erforschung der europäischen Manuskriptkulturen zugestanden wird. Ihre doppelte Randstellung macht dieses visuelle Phänomen zu einem Forschungsdesiderat. Dieses anzugehen, ist hier ein zentrales Ziel, wozu es zunächst notwendig ist, ein methodisch-theoretisches Instrumentarium für die Beschreibung und Analyse zu entwickeln.
128 Bishko, Frontier Monasticism (1980). 129 Mann, Architecture (2009). 130 Mann, Architecture (2009), 5: „[…], these monuments are all the result of a frontier sensibility. Built in the midst of a changing society, shifting boundaries, and political instability, they played a role in defining more clearly the culture that was coming into being.“ 131 Vgl. insbes. die Studie von Mann, Architecture (2009), Kap. 2, 46–7–64, die den vom navarresischen König Sancho III. Garcés „el Mayor“ restituierten und neu errichteten Klöstern am Rande seines Herrschaftsgebiets gewidmet ist. 132 Henriet, Espace (2003); Jaritz, Frontiers (2000); Helgeland, Time and Space (1980), beeinflusst durch die Sozialanthropologin Mary Douglas, Purity (1966). Vgl. auch Maser, Übersetzung (2007), der an zahlreichen Übersetzungen, die auf der Iberischen Halbinsel angefertigt wurden, zeigen kann, dass diese nicht nur als Beispiele einer interkulturellen Kommunikation anzusehen sind, sondern auch der Abgrenzung der eigenen kollektiven Identität nach außen dienten.
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I.2 Visuelle Rahmungen als ‚Zwischenraum‘ und ‚Schwelle‘ Um die visuellen Rahmungen nordspanischer Codices zu untersuchen, möchte ich an jene Überlegungen anknüpfen, die die Nähe zwischen illuminierten Eröffnungsseiten und Prologen, oder allgemein paratextuellen Elementen, betonen, und diese in Verbindung mit kulturphilosophischen und post-strukturalistischen Ansätzen weiterentwickeln. In seiner Untersuchung des Paratextes, „jenes Beiwerk, durch das ein Text zum Buch wird“133, misst Gérard Genette explizit auch den bildlichen Darstellungen einen paratextuellen Wert zu, ohne jedoch genauer auf diese einzugehen. Nach Genette handelt es sich beim Paratext weniger um „eine Schranke oder eine undurchlässige Grenze als um eine Schwelle oder – wie es Borges [Jorge Luis, d. Verf.] anlässlich eines Vorwortes ausgedrückt hat – um ein ‚Vestibül‘, das jedem die Möglichkeit zum Eintreten oder Umkehren bietet; um eine ‚unbestimmte Zone‘ zwischen innen und außen, die selbst wieder keine feste Grenze nach innen (zum Text) und nach außen (dem Diskurs der Welt über den Text) aufweist; […].“134 Wesen und Struktur von Paratexten, wie sie Genette beschreibt, bieten sich als Denkmöglichkeiten an, visuelle Rahmungen als einen ‚Zwischenraum‘ oder als eine ‚Schwelle‘ innerhalb des Codex zu begreifen, in dem sie mit den übrigen schriftlichen, textlichen und bildlichen Elementen einerseits und dem Außen des Codex, seinem Kontext, andererseits im Austausch stehen. Diese Überlegungen lassen sich damit insbesondere an rezente kunsthistorische Überlegungen knüpfen, mittelalterliche Handschriften unter räumlichen Aspekten zu betrachten. So werden Codices und ihre Ausstattungselemente darauf überprüft, inwiefern sie gebaute, imaginative, optische und akustische Räume erzeugen.135 Ferner wird das Manuskript selbst als ein Raum von Beziehungen zwischen den Einzelseiten im Hintereinander des Buchganzen diskutiert sowie nach der durch die Materialität des Codex und seine Beziehung zur Umgebung hergestellten Räumlichkeit gefragt.136 Damit rückt die Beziehungen stiftende Funktion in den Mittelpunkt einer Betrachtung visueller Rahmungen, die in der mittelalterlichen Rhetorik in Bezug auf den Prolog partiell zur Sprache kommt. Eine sich an die antike Rhetorik anlehnende Definition des Prologs137 findet sich in den Etymologien des Isidor von Sevilla, der diesen Begriff vom griechischen proemium ausgehend mit praefatio, praelocutio und exordium ins Lateinische überträgt.138 Für Isidor ist das der nar133 Genette, Paratexte (1987, 2008), 14. 134 Genette, Paratexte (1987, 2008), 10. 135 Was Kiening, Einleitung (2008), 13, hier auf die Schrift bezieht, die er als eine „Spur von Bewegung in einem Raum“ beschreibt, lässt sich gleichfalls auf die bildliche Ausstattung der Codices übertragen; denn ohnehin geht es Kiening auch um die Visualität von Schrift. 136 Siehe oben Anm. 77 u. 80. 137 Einen Überblick über den Prolog seit der Antike bietet: Art. Prolog, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 7 (Marqués López). Zu dem der antiken Rhetorik verpflichteten mittelalterlichen Prolog insbes. 204–206. 138 Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber sextus, cap. VIII, 9 (= PL 82, col. 0238C): Prooemium est initium dicendi. Sunt enim prooemia principia librorum, quae ante causae narrationem ad instruendas audientium aures coaptantur. Cujus nomen plerique Latinitatis periti sine translatione posuerunt; hoc autem vocabulum apud nos interpretatum praefatio nuncupatur, quasi praelocutio. [Hervorh. d. Verf.] – Für exordium vgl. die nachf. Anm.
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ratio voranstehende proemium der Beginn des Sprechakts, mit dem der Sprecher das Wohlwollen der Zuhörer durch Bitten, ihr Interesse an seinem Werk durch Belehrung und ihre Aufmerksamkeit durch Aufschrecken zu steigern suche. Dagegen diene die conclusio dazu, die Rede am Ende zusammenzufassen.139 Deutlich klingt hierin das den Prolog prägende Verhältnis zwischen Sprecher, Rede sowie Rezipient an, welches ebenfalls eine Perspektive für die analytische Betrachtung visueller Rahmungsmöglichkeiten darstellt; allerdings unter Berücksichtigung eines erweiterten Begriffs von Autorschaft, der auch die Produzenten der Handschriften miteinschließt.140 Denn die Schreiber und Illuminatoren erweisen sich als ausgesprochen sensibel für die Frage nach der Autorschaft und der Autorisierung der von ihnen kompilierten und illuminierten Texte, so dass sich die Handschriften durch auktoriale Referenzen auf verschiedenen Ebenen auszeichnen. Aus mediävistischer Perspektive hat Jacques Dalarun für die mittelalterlichen Prologe141, die sich für ihn als eine schwer zu klassifizierende Textgattung darstellen, noch einen weiteren rhetorischen Aspekt herausgearbeitet: En un mot, le prologue c’est ce moment incertain et délicieux où le lecteur n’est plus dehors mais pas tout à fait dedans, où l’auteur est pris dans les rets des topoi et reste pourtant libre de jouer avec eux, parfois sans eux, de parler de lui ou non, de parler de son œuvre comme il l’entend. Contrairement à l’idée reçue d’un prologue toujours attendu, contraint, nous lui avons découvert une dimension de liberté. C’est cette dialectique du prévisible et de l’imprévu qui fait son charme, son intérêt et de la difficulté même qu’il y a à s’en saisir.142
Nach Dalarun sind mittelalterliche Prologe durchaus im Hinblick auf die darin verwendeten topoi miteinander vergleichbar, dennoch wären Auswahl und Kombination immer wieder einzigartig. Dem Prolog scheint daher eine Dimension von Freiheit zugekommen zu sein, die gerade darin bestanden hätte, dass in dem zu erwartenden das Unerwartete auftreten könnte. Ein solcher Moment der Überraschung klingt schließlich auch in Isidors Herleitung von proemium an, der Aufmerksamkeit erregen und die Seele reizen oder provozieren sollte. Es wird also zu überprüfen sein, wie sich im Vergleich dazu die visuellen Rahmungsmöglich-
139 Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber secundus, cap. VII, 1–2 (=PL 82, col. 0127D–0128A): Partes orationis in rhetorica arte quatuor sunt: exordium, narratio, argumentatio, conclusio. Harum prima auditoris animum provocat; secunda res gestas explicat; tertia fidem assertionibus facit; quarta finem totius orationis complectitur. Inchoandum est itaque taliter, ut benivolum, docilem, vel attentum auditorem faciamus: benivolum, precando; docilem, instruendo; attentum, excitando. Narrandum est ita, ut breviter atque aperte loquamur. Argumentandum ita, ut primum nostra firmemus, dehinc adversa confringamus. Concludendum ita, ut concitemus animum audientis implere quae dicimus. 140 Ich greife hier auf einen weit gefassten Begriff von Autorschaft zurück, wie er bei Peters, Ordnungsfunktionen (2001), 392, oder Kleinschmidt, Autor (2004), 13, angewandt wird. 141 Bereits begrifflich erweist sich der Prolog im Mittelalter als ausgesprochen variantenreich. Die bei Isidor genannten lassen sich durch weitere Denominationen einleitenden Charakters wie praeambulum, principium, introitus, epistola, introductio, prolocutio, inceptio, accessus […] ergänzen. Art. Prolog, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 7 (Marqués López), 201–208. 142 Dalarun, Épilogue (2000), 655.
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keiten zwischen konventionellen Elementen sowie individuellen Lösungen der Ausstattung darstellen. Begreift man aber die visuellen Rahmungen als ‚Zwischenraum‘, so sollte die Frage der Beziehungen stiftenden Funktion auf verschiedenen Ebenen, nicht allein auf der rhetorischen, diskutiert werden. Notwendig ist, die buchmalerische Ausstattung der Manuskripte auf die Darstellungsmodi von Begrenzung, Durchlässigkeit und Übergang sowie die ihnen jeweils zugrundeliegenden Rezeptionsangebote hin zu analysieren. Dazu sind verschiedene Ebenen der Bildlichkeit in den Blick zu nehmen: ikonographisch etwa durch architektonische Bildformeln des Zugangs; strukturell im Hintereinander vollständig illuminierter Seiten; ferner bevorzugte figürliche und/oder anikonische Darstellungsformen; schließlich das Layout der Seite. Folglich stellt die Eröffnung als illuminierte Doppelseite nur eine Möglichkeit des Zugangs dar, die darüber hinaus im Hinblick auf ihre Einbettung in den Handschriftenzusammenhang zu befragen ist. Denn die Darstellungen stehen ja nicht nur als in sich geschlossene Blöcke dem Text voran oder sind ihm angeschlossen. Oft treten sie mit einleitenden oder abschließenden Textbausteinen vermischt in Erscheinung. Dieses Nebenund Ineinander von Schrift, Text und Bild verdeutlicht ferner, dass die Wahrnehmung der Inhalte des Codex nicht allein durch die Lektüre bestimmt, sondern maßgeblich durch das Sehen vorbereitet wird. Die Analogie zum Prolog lässt weitestgehend unbeantwortet, in welcher strukturellen Weise die Beziehungen zwischen den visuellen Rahmungsmöglichkeiten als ‚Zwischenraum‘ und dem Codex sowie seinem Text, aber auch dem, was mit dem ‚Außen‘ gemeint sein könnte, organisiert sind. Auch spielen jene den kodifizierten Text beschließenden Elemente keine Rolle, die Genette im Hinblick auf das Nachwort des modernen Romans nur als eine, zudem seltener vorkommende Variante des Vorwortes definiert.143 Jacques Derridas Überlegungen zum parergon-Begriff eröffnen weitere Denkmöglichkeiten sowohl für die einen Text eröffnenden als auch schließenden Illuminationen, weil er das strukturelle Verhältnis von Werk und Kontext an Beispielen der Kunst, an den Gewändern einer Statue, den Säulengängen sowie dem Bilderrahmen in den Blick nimmt.144 Dabei sind nicht nur parergon und ergon, oder, übertragen auf den Bildrahmen, Rahmen und Gerahmtes, inhaltlich fest miteinander verzahnt.145 Der Bilderrahmen steht auch mit dem ‚außen‘ – etwa der Wand, an der das Bild hängt, dem umgebenden Raum sowie dem „ganzen Feld der historischen, ökonomischen und politischen Einschreibung“ – in Beziehung.146 Auf diese Weise ist es möglich, Beginn und Schluss des Codex gemeinsam in einen breiteren Zusammenhang zwischen ‚innen‘ und ‚außen‘ zu stellen; wenn dies auch nicht davon entbindet, etwaige Spezifika beschließender gegenüber den eröffnenden Illuminationen zu erschließen. Zumindest auf quantitativer Ebene scheint ein Ungleichgewicht vorzuliegen. 143 Genette, Paratexte (1987, 2008), 228. – Zu den Kolophonen etwa: Zirlin, Colophons (1996); Brown, Bodies and Bookmaking (2011). Zum mittelalterlichen Epilog: Petit, Prologues (2001). 144 Derrida, Wahrheit (1978, 1992). 145 Derrida, Wahrheit (1978, 1992), 76: „Das Parergon schreibt etwas ein, das äußerlich zum eigentlichen Feld […] hinzu kommt, aber dessen transzendente Äußerlichkeit die Grenze selbst nur in dem Maße umspielt, säumt, reibt, bedrängt und ins Innere eindringt, wie das Innere fehlt.“ 146 Derrida, Wahrheit (1978, 1992), 80. Vgl. auch Simmel, Bilderrahmen (1902, 1995).
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Hier ist wichtig zu erwähnen, dass sich Prachteinbände für liturgische Handschriften, wie sie David Ganz etwa für die ottonische und salische Herrschaftszeit bearbeiten kann, aus den hier in den Blick genommenen Regionen im Norden Spaniens nicht tradiert sind.147 Wenn überhaupt, dann haben sich einfache, mit Leder überzogene Holzdeckel erhalten, deren einziger Schmuck in Metallschließen besteht.148 Gleichwohl lässt sich untersuchen, ob und auf welche Weise Darstellungen auf der Vorder- und Rückseite dergestalt semantisch aufgeladen sind, dass sie sich dem Textkörper zu- oder abwenden. Es wird sich insgesamt zeigen, dass für die illuminierten Eröffnungs- und Schlussseiten sowohl ähnliche als auch verschiedene Modi der Darstellung gefunden wurden. Immer dann, wenn es um die Frage des Weges in und aus dem Text oder das Buch geht, ist die Wahrnehmung des Codex als Raum und Struktur bestimmend. Gilt es, über den Codex hinausweisende Beziehungen zu thematisieren, so wird auf diagrammatische Formen der Darstellung zurückgegriffen. Schließlich dort, wo der Codex als Ganzes zur Diskussion steht, rückt sein Verständnis als somatischer Körper in den Vordergrund. Jacques Derrida bringt ferner noch einen anderen Aspekt ins Spiel, der in Bezug zu den in Serie auftretenden Eröffnungs- und Schlussilluminationen relevant ist. Mit Blick auf den Rahmen bleibe nämlich unklar, wo sein Ort, wo seine innere und seine äußere Grenze zu bestimmen sei.149 Für den mittelalterlichen Prolog präzisiert Jacques Dalarun: „S’il suffisait de dire, comme Aristote, que le prologue, c’est ce qui vient devant (ou avant?), ce qui précède (quoi?), ce serait déjà un acquis.“150 Dies lässt sich am Beispiel jenes Prologs oder jener Prologe exemplifizieren, welche dem Kommentar des Beatus de Liébana zum Buch der Offenbarung in seiner Handschriftenüberlieferung vorangestellt und damit auch Bestandteil einer Reihe der hier untersuchten Codices sind. Sowohl in seiner ersten als auch zweiten Edition gehen dem Apokalypsekommentar 147 Thomas, Bookbindings (1939), xiii; López Serrano, Encuandernación (1972), 11. Den ersten beiden kostbaren Exemplaren, die heute im Metropolitan Museum in New York aufbewahrt werden, fehlen die entsprechenden Manuskripte, so dass nur noch vermutet werden kann, dass sie Evangeliare schützten: Thomas, Bookbindings (1939), Kat. 5, 6, Taf. I u. II. Ihre Entstehung in der 2. H. d. 11. Jh. lässt zumindest die Vermutung aufstellen, dass etwaige Prachteinbände im Kontext der Liturgiereform an Bedeutung gewannen. Sicher zu einem Evangeliar gehörte ein in Santo Domingo de Silos hergestellter Buchdeckel (vergoldet und emailliert), der 1165–1175 dat., 24,5 x 13,8 cm (Madrid, Instituto Valencia de Don Juan, Inv. 4251): vgl. Ausst.-Kat. Alarcos 1995, Kat. 312, 154. – Dass etwaige Buchbestände in Klöstern und Kathedralen durch die muslimischen Angriffe minimiert wurden, stellt keine befriedigende Antwort dar, denn die Überlieferungslage aufwendig hergestellter und illuminierter Handschriften ist für den Norden Spaniens insgesamt bemerkenswert. So Thomas, Bookbindings (1939), xiv. 148 Vgl. die Untersuchung von Beny und Barbáchano, Encuadernación (2004), zu den Einbänden aus San Millán de la Cogolla, einem der großen Zentren der Handschriftenproduktion, von dem sie aufgrund struktureller Besonderheiten vermuten, dass hier ebenso die Bindungen und die Einbände hergestellt wurden. An der Bindung eines Liber Ordinum des 10. Jh. haben sich Reste einer roten Seide erhalten, die zumindest vermuten lassen, dass die nicht mehr vorhandenen Deckel des Manuskriptes einst damit bezogen waren: Beny und Barbáchano, Encuadernación (2004), 71–72. 149 Derrida, Wahrheit (1978, 1992), 84. Dieser Aspekt findet sich dann auch in Genettes Definition des ‚Paratextes‘ wieder: vgl. Anm. 133. 150 Dalarun, Épilogue (2000), 641.
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drei Prologe voraus. Die vorderste Stelle nimmt in beiden Editionen Beatus’ Widmung seines Werkes an Bischof Etherius von Osma ein.151 In der ersten Edition folgen darauf zwei Prologe, die jeweils Isidor zugeschrieben werden.152 Dagegen schließt in der zweiten Edition an Beatus’ Vorrede ein Prolog zur Apokalypse in der Vulgata153 sowie ein Brief des Hieronymus an Anatolius an, welcher ursprünglich Hieronymus’ Bearbeitung des Apokalypsekommentars von Victorinus von Pettau (2. H. 3. Jh.) einleitete.154 Jedoch setzt in beiden Editionen auch nach den Prologen der Kommentartext nicht ein, vielmehr werden zunächst die zwölf Bücher des Apokalypsekommentars zusammengefasst präsentiert.155 Hier ergibt sich eine weitere Analogie zwischen den verschiedenen, aufeinanderfolgenden Prologen und den ganzseitigen Illuminationen dergestalt, dass Letztere geschichtet dem Text vorgeblendet oder nachgestellt sein können. Im Gegensatz zum Frontispiz und Finispiz handelt es sich dabei also nicht um einmalig vor- oder nachgesetzte Bildseiten, sondern die visuellen Rahmungen entsprechen in einer räumlichen Dimension dem Codex. Beispielsweise gehen dem Haupttext im sogenannten Codex Albeldense, einer überwiegend Rechtstexte enthaltenden, 976 im Kloster San Martín de Albelda fertiggestellten Handschrift, insgesamt fünf ganzseitige Illuminationen ergänzt um acht weitere Seiten, die verschiedene Formen visueller Poesie enthalten, voraus. Als Abschluss des Codex und der darin enthaltenen Texte fungiert eine um zwei Gedichte ergänzte ganzseitige Miniatur.156 Vor dem Hintergrund, dass Codices mehr als einen Text enthalten können, fragt sich ferner, ob und auf welche Weise der Zusammenhang der Teile zum Ganzen sich in einer visuellen Binnenstrukturierung abbildet. Gemeint ist das Verhältnis zwischen jenen den Codex und seine einzelnen Texte rahmenden Illuminationen und ferner den Binnenrahmungen, die die Übergänge zwischen den Sinneinheiten eines einzelnen Textes markieren. Im Kontext der Beatus-Handschriften wurde dieser Aspekt dergestalt aufgegriffen, dass, wie eingangs thematisiert, der von Isidor in seinen Etymologien entwickelte Codex-Begriff gleichsam einer organischen Metapher als ein Sinn stiftendes Element zwischen den Texten fungierte. Inwiefern solche Vorstellungen auch für die visuellen Rahmungen aufgegriffen wurden, gilt es zu klären. Die verschiedenen Prologe im Apokalypsekommentar des Beatus de Liébana regen darüber hinaus an, visuelle Rahmungen nicht nur aus dem Blickwinkel von Raum und Körper zu betrachten, sondern über ihre Rolle im Kontext einer zeitlichen Strukturierung oder Genese des Manuskriptes nachzudenken. Denn die Prologe interpretieren die Apokalypse zu ganz 151 Inc. Quaedam quae diversis temporibus. Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, 1,1–9. 152 De ortu et obitu patrum, eine Vita des Johannes, sowie Proemia in libros Veteris et Novi Testamenti, ein kurzes Resumée der Apokalypse. Dazu Gryson, Tractatvs (2012), LXXXV-LXXXVI. 153 Prologvs in libro apocalipsin iohannis apostoli et evangelistae; Inc. Johannes apostulus et euangelista. Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, 1bis (1–21). Dieser Prolog wird Priscillian, Bischof von Avila (ca. 350–385), zugeschrieben: siehe Marqués Casanovas, Codex (1962), 64. 154 Incipit prologvs totivs libri; Inc. Iohannes primus scribere. Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, 1bis (34–60). 155 Incipivnt capitvlationes interpretis qvo facilivs per dvodecim capitvla libri primo cognoscantvr esse distincti. Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, 1bis (61)–5 §108. 156 Vgl. Kat. I.4.
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unterschiedlichen Zeitpunkten. Mit seinem an vorderster oder äußerster Stelle platzierten Widmungstext schreibt sich Beatus in eine frühchristliche exegetische Tradition ein, die damit aus seiner Perspektive ihren (vorläufigen) Abschluss findet. Folgt man Jacques Derridas Überlegungen zu den „Vorreden/Vorworte“ kann daher auch der Prolog des Beatus keinen Abschluss des gesamten Textes sowohl in räumlicher als auch zeitlicher Hinsicht markieren. Denn indem Beatus sein Tun rückblickend reflektiert, fügt er etwas Neues hinzu. 157 Demnach provoziert diese Form der Grenzziehung zugleich eine zukünftige Erweiterung. Der Mediävist und Philologe John Dagenais hat Derridas Überlegungen zum Vorwort zum Ausgangspunkt genommen, um auf die instabile materielle Grenze des mittelalterlichen Codex aufmerksam zu machen.158 Mittelalterliche Codices waren permanenten Veränderungen unterworfen, etwa durch neue Bindung, durch die Integration neuer Lagen oder den Verlust von Blättern, Texten und Bildern oder auch durch klimatische Einflüsse. Diese Prozesse der Nutzung belegen, dass die Vorstellung, eine mittelalterliche Handschrift hätte einen einzigen Anfang und ein einziges Ende, hätte ein Titelbild, ein Frontispiz, ein Finispiz, ahistorisch ist. Nimmt man folglich die Genese der Handschriften, konkret die nachfolgende Erweiterung und Ergänzung eines Codex um bildliche Darstellungen in den Blick, lässt sich der jeweils zeitgenössischen Reflektion über Möglichkeiten und Grenzen visueller Rahmungsstrategien näherkommen. Dagegen hebt Regís Debrais die materiale Geschlossenheit des Codex hervor, die die Grundlage für symbolische Kodierungen bildete: „The material delimitedness of the book as receptacle, whether or not finely bound, gives way to an unlimitedness, which puts the text closer to the indefinite than to infinite.“159 Angesichts der Tatsache, dass mittelalterliche Codices gerade hinsichtlich ihrer Physis keine unveränderlichen Gebilde darstellten, wie zuvor thematisiert, gilt es daher, die von Debrais aufgemachte Dialektik folgendermaßen zuzuspitzen: Wie sind überhaupt die visuellen Rahmungen in jenem Spannungsfeld zu positionieren, welches sich zwischen einer Geschlossenheit des Buches, auf die Debrais verweist und die etwa auch durch architektonische Bildzitate angezeigt wird, sowie der Fragilität des Codex durch materiale Veränderungen in Raum und Zeit auftut? Neben einer räumlichen Sensibilität, die in den nordspanischen Handschriften durch Schichtungen von eröffnenden und schließenden Miniaturen zum Ausdruck kommt, spiegeln sie darüber hinaus in hohem Maße ein Interesse an einer Verortung der Herstellung des Codex wider. So wird das Verhältnis von Autorschaft, Text und Codex sowie Kontext besonders auf den abschließenden Seiten durch Namensnennungen von Schreibern, Illuminatoren, Auftraggebern einerseits und einer exakten zeitlichen sowie örtlichen Bestimmung der Handschriftenproduktion andererseits zum Thema.160 Dies ist in einer solchen Dichte in keiner anderen frühmittelalterlichen Manuskriptkultur wiederzufinden. Vergleichbare Konkretisierungen sind dagegen aus den zeitgenössischen Bildkulturen des islamischen Al-Andalus 157 Vgl. Derrida, Dissemination (1972, 1995), 35, Anm. 15. 158 Vgl. Dagenais, Residue (1991). 159 Debrais, Book (1996), 147. 160 Dazu Brug, Signatur (2007), 52–56; zuletzt Brown, Bodies and Bookmaking (2011); vgl. auch Clark, Collectanea Hispanica (1920), und Villada, Vida (1926).
Visuelle Rahmungen als ‚Zwischenraum‘ und ‚Schwelle‘ 35
bekannt.161 Daher ist generell zu überlegen, in welchem Zusammenhang die visuelle Gestaltung der Handschriften zu den historischen Bedingungen von in Grenzzonen gegründeten monastischen Gemeinschaften steht. Eine Denkmöglichkeit bietet Janice Mann, die am Beispiel der Architektur im Königreich Navarra die produktive Rolle der Kunst im Spannungsfeld von Identitätsbildungsprozessen und Grenzsituationen plausibel gemacht hat.162 Übertragen auf den hier untersuchten Gegenstand ist jeweils zu differenzieren: zwischen einer Raum bildenden Schichtung illuminierter Eröffnungs- und Schlussseiten, den immer wieder gleichen und doch oft in eine neue Anordnung überführten Bildtypen sowie der sozialen und zeitlichen Verortung des Codex und seiner Produzenten. Gerade wenn man die visuellen Rahmungsmöglichkeiten als einen Beziehungen stiftenden ‚Zwischenraum‘ bewertet, der zudem durch unterschiedliche Rezeptionssituationen geprägt und überformt ist, ist davon auszugehen, dass zeiträumliche Diskurse reflektiert und verhandelt werden. Die diskutierten, die Analyse leitenden Fragen lassen sich nicht an alle hier berücksichtigten Manuskripte gleichermaßen richten, deren jeweilige Physis in einem angehängten Katalog porträtiert und um die relevante Forschungsliteratur ergänzt ist. Einige Codices zeichnen sich durch eine umfangreichere und visuell komplexere Ausstattung aus als andere. Zu ihnen gehören der im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts entstandene Codex Albeldense, der eine Sammlung von Rechtstexten enthält, sowie zwei Beatus-Handschriften, der Girona-Beatus von 975 und der Ende des 11. Jahrhunderts begonnene Silos-Beatus. Sie bieten sich als Leitbeispiele an, weil an ihnen verschiedene Aspekte diskutiert werden können. Eine Analyse der ersten und letzten Seiten muss sich ferner dem Problem stellen, dass in mittelalterlichen Codices insbesondere die ersten und letzten Lagen beansprucht worden sind, ihr Zustand mitunter als besonders kritisch einzustufen ist. Daher liegt es nahe, die Diskussion einzelner typischer Gestaltungsweisen mit einer beispielhaften Analyse von Choreographien visueller Rahmungs- und Schichtungsstrategien zu kombinieren. Letztere erfolgt an Handschriften, deren kodikologischer Zustand als frühmittelalterlich angesehen und deren Genese historisch nachvollzogen werden konnte. Entsprechend ist die erste Hälfte des Buchs einzelnen typischen Gestaltungselementen gewidmet, die kodifizierte Texte rahmen. Zunächst, im ersten Kapitel, werden jene Anfang und Ende markierenden Zusätze auktorialen Charakters in den Blick genommen. Dabei geht es zum einen um Darstellungen der Verkörperlichung von Gottes Wort und damit um jene mit der Handschriftenproduktion sowie -rezeption verbundenen somatischen Denkmuster. Zum anderen stehen jene die Manuskripte umschließenden Buchstaben Alpha und Omega zur Diskussion, mit deren Hilfe der Zusammenhang von irdischer und göttlicher Autorschaft in eine Beziehungen stiftende Ordnung überführt wird. Nachfolgend, im zweiten Kapitel, werden ganzseitige Kreuzdarstellungen besprochen, die zumeist nach ‚innen‘, zum Codex hingewendet sind. Sie zeichnen den Codex als geheiligten Bezirk und als virtuellen Raum aus, in dem verschiedene Zeiten und Ereignisse gleichzeitig erfahrbar werden. Eine weitere Besonderheit nordspanischer Handschriften stellen die aus Buchstaben sowie Farb161 Grabar, Islamic Art (2005), 271. 162 Vgl. Anm. 129.
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kästchen oder Ornamenten gebauten Labyrinthe dar, die Thema des dritten Kapitels sind. Die oft den Kreuzminiaturen direkt gegenübergestellten Buchstabenlabyrinthe generieren eine weitere Schwelle am Zugang zum Text. Als kryptographisch-ornamentale Meditationsfiguren reflektieren sie Lektüreerfahrungen, die auf die innere Einstellung des Rezipienten zielen. Serien illuminierter Eröffnungs- und Schlussseiten aus der Perspektive einer inneren Gliederung des Codex und insbesondere das Zusammenspiel der Buchseiten im Verhältnis zum Buchganzen stehen in der zweiten Hälfte des Buchs zur Diskussion. Ausgehend von kodikologisch gut erschlossenen Handschriften können hier, im vierten Kapitel, zunächst verschiedene Choreographien visueller Rahmungen ergründet werden. Vor dem Hintergrund der bei Isidor formulierten organischen Vorstellungen vom Codex soll auch die innere Gliederung von Manuskripten nicht nur an jenen den Text eröffnenden und schließenden Illuminationen, sondern im Zusammenhang visueller Binnenrahmungen besprochen werden. Inwiefern lässt sich hier tatsächlich von einer sich in der visuellen Struktur des Codex abbildenden Durchgliederung sprechen? Oder muss nicht vielmehr davon ausgegangen werden, dass für die Rezeption der darin enthaltenen Texte die Frage der Zugänglichkeit, das heißt des Weges, ein größeres Gewicht zukam als übergreifenden Ordnungssystemen, für die es genügte, sie an ausgewählten Stellen der Handschrift aufzurufen? Ferner gilt es, die Beund Überarbeitung von Codices als eine gängige mittelalterliche Praxis zu würdigen, weil sie selbstverständlich auch auf die visuelle Rahmung zielte. Im Mittelpunkt steht der 1091 begonnene Silos-Beatus, an dessen Anfang Eröffnungsminiaturen aus älteren Handschriften gebunden sind. Geht man diesen Praktiken nach, so wird deutlich, dass der ‚Moment‘ der Produktion und der gemeinschaftlichen Kompilation den Gedanken vom Codex als ein abgeschlossenes Projekt in den Hintergrund treten lässt. Das Schlusskapitel schlägt sodann einen Bogen von den Büchern zu den Klöstern: Hier wird nach dem identitätsstiftenden Potential von illuminierten Eröffnungs- und Schlussseiten gefragt, die sich, vor dem Hintergrund sich stetig verändernder, instabiler politischer Räume, als ein ausgesprochen stabiles Merkmal verschiedener Buchtypen und Codices aus unterschiedlichen Klöstern erweisen.163
163 Alle Handschriften, die Bestandteil des Katalogs sind, werden im Fließtext und in den Anmerkungen nur bei Erstnennung mit der zugehörigen Bibliotheks- bzw. Archiv-Signatur versehen. Alle nachfolgenden Nennungen umfassen zur weitergehenden Identifizierung den Titel, wobei oft ein künstlicher, in der Forschung jedoch gebräuchlicher Kurztitel verwendet wurde, sowie die entsprechende Nummer des Handschriftenkatalogs, in dem die Kurzporträts der Handschriften und Klöster abgelegt sind. – Die lateinischen Zitate orientieren sich, wenn auf keine Edition zurückgegriffen werden konnte, in der Regel am Erscheinungsbild von Schrift und Text, d.h. etwaige umfangreiche Normierungen wurden nicht vorgenommen (der vorgefundene Wechsel von V und U folgt zumeist keiner Logik).
II. Auctor istorum librorum spiritus sanctus est – lebende Bücher und göttliche Signatur
Obwohl die erste Lage einer im Jahre 960 im Kloster Valeránica hergestellten Bibelhandschrift164 nicht vollständig ist, vermitteln die erhaltenen Blätter dennoch einen Eindruck von der einst aufwendigen Gestaltung am Beginn des Codex: Auf eine ganzseitige Darstellung der Maiestas Domini (fol. 2r) folgt der Titulus der Handschrift, der sich über drei ganze Seiten erstreckt (fol. 3r–4r) (Abb. 29–32). Auf farblich alternierenden Streifen künden die sich davon abhebenden leuchtenden Majuskeln vom Beginn des Alten und Neuen Testaments.165 Ihren Abschluss findet die Eröffnung auf folio 4 verso in der Darstellung einer Doppelarkade, in der die biblischen Bücher in roten Minuskeln aufgelistet sind (Abb. 33). In den Bogenfeldern stehen sich zwei Mönche gegenüber, die jeweils einen Kelch erheben und sich damit einer darüber platzierten Engelsfigur zuwenden. Die Mönche repräsentieren die Schreiber und Illuminatoren der Handschrift, Florentius und Sanctius, die in fast identischer Pose noch einmal am Ausgang der Handschrift auf folio 504 recto dargestellt und dort durch Inschriften benannt sind (Abb. 34). Die figürlichen Darstellungen über den roten Schriftspalten lassen dabei fast einen Schriftzug übersehen, der abseits am unteren Rand der Seite den eigentlichen Autor der Bücher in braunen Majuskeln festhält: AUCTOR ISTORUM LIBROR(U)M SP(IRITU)S S(AN)C(TU)S EST. Der Schriftzug bezieht sich auf die biblischen Bücher und ist dennoch davon separiert, weil er nicht innerhalb der Arkade, sondern unterhalb ihrer Säulenbasen platziert ist. Die Gestaltungsweise der Seite weist Autorschaft als ein Phänomen aus, an dem verschiedene Instanzen oder Autorfiguren beteiligt sind. So bestand die Leistung der Mönche Florentius und Sanctius darin, ein Medium dafür zu erschaffen, dass der eigentliche Autor des Inhalts, der Heilige Geist, darin lesbar und zugleich sichtbar werden kann. Wie hier ist auch in anderen illuminierten nordspanischen Handschriften nicht klar, wer als Schreiber und wer als Buchmaler fungierte, weshalb nicht ausgeschlossen ist, dass einige Mönche beide Aufga-
164 León, Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 2 (nachfolgend: Bibel aus Valeránica). Zur Handschrift und zum Kloster vgl. Kat. I.15. 165 IN NOMINE / DOMINI / NOSTRI / IHV XPI INCIPIT LIBER // BIBLIOTECA / IN QUO CON/TINENTUR / LIBRI SEP/TUAGINTA / DUO // EX VETERI / ET NOVO TES/TAMENTO QUORUM / HEC NOTITIA / EST.
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ben gleichermaßen übernahmen.166 Die Position des den Heiligen Geist als Autor nennenden Schriftzugs unterhalb der Arkade erscheint nicht zufällig gewählt. Die Auflistung der biblischen Bücher lässt sich dadurch als eine dem göttlichen Willen entsprechende Ordnung deuten. Eigentümlich bleibt die Platzierung des Schriftzugs dennoch, da er in die Nähe der Marginalspalte gerückt wurde, also jener Platz, der oft von Schreibern oder auch Rezipienten für Notizen und Kommentierungen genutzt wurde. Geht man von Überlegungen Lena Rohrbachs und Christian Kienings aus, nach denen die Aura der als heilig verstandenen Schrift auf dem Schriftträger durch bedeutungsgenerierende Gegenständlichkeit, etwa durch die besondere Ausgestaltung der Buchstaben, vermittelt werden konnte, dann erweist sich der Schriftzug in der Bibel aus Valeráncia im Verhältnis zu seinem ihm zugeschriebenen Inhalt als wenig ‚erhaben‘.167 Allenfalls die Verwendung einer Majuskel ließe sich als herausragendes Merkmal anführen. Die rote Farbe ist hingegen dem Index vorbehalten, der auf diese Weise das Erscheinungsbild der Seite dominiert. Kann es also sein, dass sich die Aura dieses Schriftzugs gerade dadurch vermittelt, dass dieser den Erwartungen an eine Inszenierung heiliger Schrift entgegensteht? Es hat den Anschein, als schöpfte die Plausibilität einer göttlichen Signatur gerade aus ihrer marginalen, eigentlich den Schreibern und Buchmalern vorbehaltenen Platzierung. Die Frage öffnet den Blick für das Zusammenspiel von irdischer und göttlicher Autorschaft und damit für ein wesentliches Thema, welches die ersten und letzten Seiten nordspanischer Handschriften bestimmt.
II.1 Lebende Bücher Im Zentrum der Betrachtung stehen zunächst nicht die Bibel oder allgemein Buchtypen, die in der Liturgie gebraucht wurden, sondern zwei Rechtshandschriften aus der Rioja-Gegend, die sich durch Darstellungen von lebendigen Büchern auszeichnen. Der sogenannte Codex Albeldense wurde zwischen 974 und 976 im Kloster San Martín de Albelda von den Mönchen Vigila, Sarracino und Garsea gefertigt. Er enthält überwiegend Rechtstexte, wozu an erster Stelle der Liber Canonum, eine Sammlung von Beschlüssen spätantiker und frühchristlicher Konzile zählt, sowie der Liber Iudicium, das zivile Recht der Westgoten.168 Die Handschrift bildete die unmittelbare Vorlage für Inhalt und visuelle Ausgestaltung des sogenann-
166 Dennoch gibt es auch Beispiele klarer Aufgabenverteilung. Vgl. den Kolophon im Liber Psalmorum Ferdinands I. und seiner Frau Sancha von 1055: […] PETRVS ERAT SCRIPTOR / FRVCTOSVS DENIQ(UE) PICTOR. Santiago de Compostela, Biblioteca Universitaria (Biblioteca Xeral), Ms. 609 (Res.1), fol. 208v (nachfolgend: Liber Psalmorum, hier: Kat. IV.3). Vgl. ferner den Tábara-Beatus, fol. 170r (hier: Kat. I.7): Ego vero emeterius presuiter et a magister m(eu)s magi presbiteri nutritus […]. 167 Zur ‚erhabenen‘ Schrift und zur ‚Aura‘ der Schrift: Kiening, Einleitung (2008), 19; Rohrbach, Aura (2008), 199–200. Beide verweisen auf die Materialität, welche die Schrift als ein besonderes göttliches Medium herausstellt. Zur Vorstellung des göttlichen Ursprungs der Schrift: Schreiner, Buchstabensymbolik (2000), 59–61; vgl. auch ders., Heilige Buchstaben (2002). 168 Zur Handschrift ausführlich: Kap. V.3; vgl. auch Kat. I.4.
Lebende Bücher 39
ten Codex Aemilianense, der im vierzig Kilometer entfernten Kloster San Millán de la Cogolla entstand und dessen Ausführung in den Händen der Mönche Belasco und Sisebuto lag.169 Im Codex Albeldense, dem älteren der beiden Manuskripte, bildet die Darstellung eines lebendigen Codex auf folio 20 verso den Auftakt der Excerpta Canonum, in dem die Beschlüsse spätantiker und frühchristlicher Konzile systematisch erfasst sind (fol. 20v–55v) (Abb. 78).170 Der Text erleichtert den Zugriff auf die Canones, die sich in dem auf die Excerpta folgenden Liber Canonum nur innerhalb einer historischen Ordnung der Konzile erschließen lassen. In der oberen Hälfte der Seite sitzen sich ein inschriftlich als CODEX ausgewiesenes Buch sowie eine menschliche, als LECTOR bezeichnete Figur gegenüber, die in ein Gespräch vertieft zu sein scheinen. Der ‚Codex‘, der auf einem Möbel mit der Beischrift ANALOGIVM abgelegt ist, zeichnet sich durch eine rasterartige Gestaltung von Viererschlaufen aus. Das Buch ist mittig durch ein in sich gedrehtes Band gegliedert, aus dessen oberem Ende eine Hand mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger einem Segensgestus gleich hervorragt. Diese Geste ist auf den gegenübersitzenden ‚Lector‘ gerichtet, der in ein langes Gewand mit Mantel gekleidet auf einem Stuhl mit Rückenlehne Platz genommen hat. Er ist durch seine Körperhaltung sowie den ausgestreckten Finger seiner rechten Hand dem ‚Codex‘ zugewandt. In seiner linken Hand hält er einen Stab, eine ferula oder ein baculum, der nach dem Liber Ordinum der westgotischen Kirche den Archidiakonen oder Archipresbytern aus Anlass ihrer Ordination verliehen wurde.171 Die Darstellung im Codex Albeldense steht in der Tradition jener Autorenbilder, in denen zwei Gelehrte in ein Gespräch vertieft sind.172 Entsprechend ergänzt sie einen schriftlich festgehaltenen Dialog, der sich zwischen einem ‚Codex‘ und einer nicht näher bezeichneten 169 Escorial, Cod. D.I.1, nachfolgend: Codex Aemilianense (hier: Kat. I.5). 170 Dazu Silva y Verástegui, Iconografía (1984); zuletzt Böse, Recht sprechen (2009). 171 Vgl. Benedictio ad ordinandum archidiaconum sowie den Ordo de archipresbitero ordinando im Liber Ordinum der westgotischen Kirche: Liber Ordinum (nachfolgend: LO), XV, 51,18; 52,8; XVIII, 57,10. – Innerhalb der bildlichen Ausstattung des Codex Albeldense taucht diese Form des Stabes mehrfach auf: Zum einen ist er dem ostarius beigegeben, der in einer Illumination zum Ordo de celebrando concilio als derjenige dargestellt ist, dem die Schlüsselgewalt übertragen wurde. Zum anderen wird ein solcher Stab von Herrschern getragen. Codex Albeldense (hier: Kat. I.4), fol. 344r (hier: Abb. 85) und fol. 71v (Abb. in Silva y Verástegui, Iconografia [1984], Abb. 127). 172 Zum Gelehrtengespräch als Variante des Autorenbildes: Lutz, Modelle (2003); Meier, Autorbild (2005), hier 506–515. – Als einziges Vergleichsbeispiel für die Iberische Halbinsel lässt sich die Eröffnungsdarstellung auf fol. 2r in der vermutlich in Toledo entstandenen Handschrift von 1067 anführen, die den Traktat De virginitate perpetua Sanctae Mariae von Ildefons von Toledo enthält (Florenz, Biblioteca Laurenziana, Ms. Ashburnham 17). Der Beginn des Prologtextes ist durch den stehenden und gestikulierenden Ildefons auf der linken Seite sowie einem ihm zugewandten leeren Stuhl auf der rechten Seite gerahmt. Darüber am oberen Rand des Blattes ist die Gottesmutter in einem Clipeus als Erscheinung oder Vision inszeniert. Da der Prolog mit einem Gotteslob Ildefons’ beginnt, ist anzunehmen, dass der leere Stuhl auf Gott verweisen soll: Deus lumen uerum, qui illuminas omnem hominem uenientem in hunc mundum […]. Ildefonsus Toletanus, De virginitate perpetua Sanctae Mariae, 43. – Zur Ikonographie des Autorenbildes stellvertretend: Bloch, Autorenbild (1994); Art. „Autorenbild“, in: RDK, Bd. 1, 1309–1314 (Dorothee Klein); Art. „Authorportrait“, in: DA, Bd. 1, 835–837 (Don Denny); aus philologischem Blickwinkel: Wenzel, Autorenbilder (1998); Meier, Ecce auctor (2000); zuletzt Meier und Wagner-Egelhaaf, Autorschaft (2011).
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Schülerfigur entspinnt. Auch den nachfolgenden vier der insgesamt zehn Bücher umfassenden Excerpta Canonum geht ein solcher Dialog voraus; stets begleitet durch eine vergleichbare, nun weniger detailreiche Illustration des Gesprächs (Abb. 79, 80).173 Im Codex Aemilianense folgte man diesem Ausstattungskonzept, wenn auch das Bildthema weniger stringent entwickelt wurde als im Codex Albeldense (Abb. 97).174 Wendet man sich zunächst den dialogischen Texten zu, um mehr zum Status und zur Rolle der Gesprächspartner und zum Sinn des Gesprächs zu erfahren, so ist insbesondere der erste aufschlussreich. Der ‚Codex‘ ist hierin als lebendige Ordnung, ordo vitalis, und als Buch des himmlischen Reiches, coelestis, beschrieben, worunter eine durch Gott autorisierte Rechtsordnung der Welt gemeint sein könnte.175 Jedoch wird er auch als ein Körper beschrieben, dessen Worte wie Samen in der gesamten Welt wirken, dennoch aber vermittelt werden müssen.176 Diese Vermittlungsleistung wird dem Schüler übertragen, welcher erklärt, die verstreuten Erfindungen im Inneren aufnehmen und zu einem neuen Körper, novum corpus, mit den ursprünglichen Gliedern zusammenfügen zu wollen. Als dramaturgische Klammer des Gesprächs fungiert der Erkenntnisgewinn. Zu Beginn des Gesprächs gibt sich der Schüler als vollkommen unwissend bezüglich der Beschaffenheit des ‚Codex‘ und seiner Aufgabe zu erkennen. Daher fordert der ‚Codex‘ den Schüler auf, durch Zuhören die Geheimnisse zu erkennen, welche durch die Zeichen (Buchstaben) hervorgeholt werden können: Ausculta iam quid possunt mea promere signa. / Et si posse subest tibi sic agnosce secreta […].177 Das Gespräch endet mit der Versicherung des Schülers, sich nun Erkenntnis erworben zu haben, die ihn zugleich motiviere, noch mehr wissen zu wollen.178 Lebendige Bücher, wie sie in den beiden nordspanischen Rechtskodifizierungen auftreten, sind bisher vor allem in Bezug auf spätmittelalterliche Darstellungen besprochen worden. Die Zeit vor 1200 kam daher gar nicht in den Blick.179 In der Wolfenbütteler Sachsenspiegel-Handschrift, die zwischen 1365 und 1367 entstanden ist, und wie der Codex 173 So dem Liber Secundus (De Institutionibus Monasteriorum Et Monachorum Atque Ordinibus Poenitentium), fol. 35r; dem Liber Tertius (De Institutionibus Iudiciorum Et Gubernaculis Rerum), fol. 37v (Abb. in García Turza, Codice Albeldense [2002], 74); dem Liber Quartus (De Institutionibus Officiorum Et Ordine Baptizandi), fol. 43v (Silva y Verástegui, Iconografía [1984], Abb. 125) sowie dem Liber Quintus (De Diversitatibus Nubtiarium et Scelere Flagitiorum), fol. 47v. 174 Codex Aemilianense, fol. 19v, 31v, 34r, 40r, 44r. – Silva y Verástegui, Iconografía (1984), Taf. XVI, Abb. 124, 126. Für fol. 44r liegt keine Abb. vor. 175 Interrogatio: […] Quia tu es vitalis ordo, quid inest tibi nomen? Responsio: Coelestis dicor sanctorum regni a voce. Int.: Qui sunt hi quibus hoc titulo censere iuberis? Resp.: Totius orbis ius imperiale tenentes. Colección canónica, Bd. 2, 43, 1–3 (nachfolgend: Collectio Hispana). 176 Collectio Hispana, 45, 51–59: Et si scire Deus dederit scrutare profunda, / Sicque per orbem verborum te semina sparsum / Sinibus aggregare meis, ut acumine mentis / Te aggressus stringa distentum corpore multo, / Dispersaque trahens nec iam commenta sub uno / Quo dum iudicium quaeret sententia discors, / Quisquid velle libet totum concordia praestet: / Sicque novum corpus primaevis artubus implens / In genus brevia formem compendia tardis. 177 Collectio Hispana, 44, 13. 178 Collectio Hispana, 45, 48–50: Postquam te nosse valui et cognoscere quivi / Ac sublime tuum posse mihi nosse dedisti, / Appeto plane satis tua mecum volvere iussa. 179 Wenzel, Hören und Sehen (1995), 366–367; ders., Schrift (2000), 42–44; Tammen, Verkörperungen (2000).
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Albeldense und der Codex Aemilianense Rechtstexte enthält, begleitet den Epilog ein auf dem Rücken stehendes Buch, aus dem Christus herausragt.180 Unter dem Buch, welches den Sachsenspiegel symbolisieren soll, liegt, wie von der Last seines Werkes erdrückt, dessen Autor Eike von Repgow (um 1180 – nach 1230). Die von ihm in seinem Epilog befürchteten Anfeindungen des Rechtstextes kommen in Gestalt zweier Männer ins Bild, die den Autor und das Buch mit Gewalt attackieren (Abb. 158). Horst Wenzel bezeichnet diese Darstellung eines verlebendigten Buchs als Besonderheit, weil sich der logos als „Repräsentation des Körpers […] ausschließlich auf das Recht bezieht.“181 Hier wie auch in anderen Varianten dieses Themas tritt der ‚Codex‘ deshalb als lebendig in Erscheinung, weil Christus als Bestandteil desselben inszeniert ist, was sicherlich auf die veränderte Wahrnehmung Christi und seines Körpers in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit zurückzuführen ist.182 Während in der Darstellung des Sachsenspiegels Christi Kopf aus dem Buch herausragt, so ist es in einer Miniatur der um 1230 entstandenen Wiener Bible moralisée sein ganzer Körper, der im Buch liegt.183 Während also in den spätmittelalterlichen Darstellungen das Buch den zur Schrift gewordenen logos umhüllt und damit eine Differenz zwischen Körper und Buch angezeigt ist,184 tritt es im Codex Albeldense und Codex Aemilianense durch die Geste als handelnd auf, ist daher eher als eine Personifikation der göttlich autorisierten, universalen Rechtsordnung zu deuten.185 Dies wird etwa in der ersten Gesprächsszene des Codex Aemilianense dergestalt anschaulich, dass die segnende Hand des Buchs gleichsam inspirierend jene des Schülers berührt (Abb. 97). Die sich hier vermittelnde göttliche Autorität des Buches als Körper findet ihr Äquivalent im Kontext frühmittelalterlicher Synoden und Konzile, während derer ein Evangeliar in Vertretung Christi auf den Bischofsstuhl gelegt wurde.186 In den beiden Rechts180 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 3.1 Aug. 2°, fol. 85r. Zur Sachsenspiegel-Handschrift aus Wolfenbüttel: Schmidt-Wiegand, Sachsenspiegel (2006). 181 Wenzel, Hören und Sehen (1995), 366; auch ders., Schrift (2000), 42. 182 Vgl. Rubin, Corpus Christi (1991). 183 Bible moralisée, dat. 1230 (Wien, ÖNB, Cod. 2554, fol. 16r). Abb. in Guest, Bible moralisée (1995), Bd. 1. Zuletzt Haussherr, Bible moralisée (2009). Zur Darstellung des Buchkörpers der Philosophia und der Ecclesia in der Bible moralisée vgl. Tammen, Verkörperungen (2000). 184 Hierfür sind sicherlich gewandelte Vorstellungen von Buch, Text und Seite seit dem Hochmittelalter verantwortlich. Eine bildliche Inszenierung des fleischgewordenen, sodann geopferten logos als Schrift findet sich in einem spätmittelalterlichen Andachtsbuch von 1480–1490 aus England (London, BL, Ms. Egerton 1821, fol. 6v–7–6r, 8v, 9v). Es ist bezeichnend, dass die ‚Lebendigkeit‘ hier nicht durch den Codex (etwa durch den Einband oder eine selbstreferentielle Darstellung) zum Ausdruck gebracht wird, sondern durch die Seiten. Jene auf den rot gefärbten Pergamentseiten aufgetragenen und dabei Blut darstellenden Farbtropfen sind so angeordnet, dass eine beschriftete Seite assoziiert wird. – Vgl. Tammen, Rot sehen (2012). 185 Damit heben sich diese Darstellungen von denen in anderen nordspanischen Handschriften ab, in denen je nach Darstellungskontext mit Buch etwas anderes gemeint ist: vgl. die den illuminierten Beatuskommentaren voranstehende Serie der Evangelistenbildnisse, in denen mitunter das Buch als wertvoller Kasten inszeniert ist (Abb. 48). Verwiesen sei ferner auf die chiffrenhaften Buchdarstellungen, die z. B. im Codex Albeldense das Buch des Lebens repräsentieren: fol. 16v (hier: Kat. I.4, Abb. 70). 186 Vgl. etwa die Darstellung des zweiten Konzils von Konstantinopel in einer byzantinischen Handschrift von um 880, die Gregors von Nazianz’ Homilien enthält (Paris, BnF, Ms. graec. 510, fol. 355r). Im Zentrum der Miniatur ist hier auf einem Thron ein aufgeschlagenes Evangelienbuch abgelegt, welches
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kodifizierungen tritt das lebendige Buch nur in Verbindung mit den Excerpta Canonum auf, dennoch ist ein Codex als Autoritätssymbol auch an anderen Stellen der bildlichen Ausstattung präsent. Ein Beispiel dafür ist jene Miniatur, die sowohl im Codex Albeldense als auch im Codex Aemilianense dem jeweils darin enthaltenen Konzilsordo voransteht und in der ein Buch die kompositorische Mitte einer Konzilsdarstellung bildet (Abb. 85).187 Dass der ‚Codex‘ spricht, wird nicht nur durch die Geste der Hand im Darstellungskontext einer Gesprächsszene deutlich gemacht. In jener Dialogszene, die dem zweiten Buch der Excerpta Canonum im Codex Albeldense voransteht (fol. 35r), ist das Buch geöffnet dargestellt und mit folgenden Worten beschriftet: LOCU/UTIO CODI/CIS APVD / LECTOREM / IN EXCERPTIS / CANONI(S) (Abb. 79).188 Locutio kann in diesem Zusammenhang mit ‚Ansprache‘ oder auch ‚Sprachgewalt‘ übersetzt werden.189 Insbesondere die elaborierte Ini tialornamentik in ihrer ambivalenten Rolle als Schriftzeichen und Element der Bildlichkeit schlägt eine Brücke zwischen jener, einen Sprechakt darstellenden Dialogszene und dem dialogischen Text. Sie überträgt damit jene Kraft, „die den heiligen (geheiligten) Worten innewohnt.“190 Der enge Zusammenhang von Bild, Schrift und Text wird im Codex Albeldense auf folio 20 verso durch eine Reihe formaler Bezüge erzeugt (Abb. 78). So schließt jene die Illumination rahmende Doppelarkade auch das doppelspaltige Schriftlayout mit ein, indem das Flechtwerk, welches die äußeren Säulen bildet, bis an den unteren Rand herabgezogen ist. Die Zierinitiale C(elsa), die den Auftakt des Textes in der ersten Spalte bildet, ist Bestandteil des Wortes, welches der ‚Lector‘ an den ‚Codex‘ richtet. Damit würdigt er den erhabenen Eindruck des Buches, den dieses, auf einem Sitz aufgestellt, vermittelt: Celsa terribilis codex qui sede locaris.191 Der Satz lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters zurück auf das Bild; zugleich werden durch die Formen und die Farbe der C-Initiale Bezüge zwischen bildlicher Darstellung und Schrift hergestellt. Die Initiale dominiert ein gelbes Flechtband, von den Bischöfen als Konzilsteilnehmern und Kaiser Theodosius flankiert wird. Abb. in Stammberger, Scriptor (2003), 131. – Zu den schriftlichen Nachweisen vgl. Dinzelbacher, Bedeutung des Buches (1983), 279. 187 Ordo de celebrando concilio. Codex Albeldense, fol. 344r; Codex Aemilianense, fol. 347v (hier: Kat. I.4, I.5; Abb. in Silva y Verástegui, Iconografía [1984], Taf. XVIII). – In einer aus dem Kloster Domnos Santos in Sahagún stammenden Handschrift, die ebenfalls eine Sammlung von Konzilsbeschlüssen enthält, wurde eine andere jedoch nicht minder wirksame Bildlösung gefunden. Die Konzilskirche ist hier durch das architektonische Motiv eines Hufeisenbogens markiert, der von einer männlichen Figur getragen wird. Innerhalb des Bogenfeldes trägt ein Engel ein Buch vor sich her, welches er zugleich mit einem Palmenwedel berührt (Madrid, BNE, Ms. 1872, fol. 65v). 188 Codex Albeldense, fol. 35r (hier: Kat. I.4). 189 Vgl. Mediae latinitatis lexicon minus (2002), Bd. 1, 809. 190 Wenzel, Schrift (2000), 51. – Die Deutung der Initiale als eine an das gesprochene Wort gebundene Ausdrucksform findet sich schon bei Jantzen, Wort (1940), insbes. 510, im Kontext der Bildwerdung von Schrift; vgl. auch Sauerländer, Initialen (1994). Zuletzt hat Rehm mit dem Ziel einer Neubewertung der historisierenden Initiale die Bedeutung der an den Klang gebundenen Schrift besprochen: Rehm, Körper der Stimme (2002). Hingegen verfolgen Kendrick, Letter (1999), und KrasnodebskaD’Aughton, Decoration (2002), in ihren Beiträgen zur visuellen Ausstattung frühmittelalterlicher Handschriften den Gedanken der Verkörperlichung von Schrift und der Gleichsetzung des Buchstabens mit Christus. 191 Collectio Hispana, 43,1.
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aus dem gleichfalls die Bild und Text umfassende Doppelarkade sowie das als ‚Analogium‘ ausgewiesene liturgische Möbel gebildet sind. Ferner ergeben sich Korrespondenzen zu den Viererschlaufen des Codex, deren Farben zwischen einem hellen und einem dunklen Gelb changieren. Noch deutlicher greifen Bild und Schrift im Codex Aemilianense ineinander (Abb. 97). Die Darstellung des Gesprächs auf der Eröffnungsseite der Excerpta Canonum zwischen dem ‚Codex‘ und der männlichen Figur, die hier nicht als ‚Lector‘ bezeichnet ist, bildet den Kopf der Titelspalte zum Liber Canonum192 und steht dem Beginn des Dialogtextes in der Nachbarkolumne direkt gegenüber (fol. 19v). Auf beiden Seiten ist die Darstellung durch Zierinitialen gerahmt, deren Ornamentik auf die Illumination auszugreifen scheint: links durch die Flechtbänder der I(n)-Initiale und rechts durch die der C(elsa)-Initiale. Ferner bestehen farbliche und motivische Korrespondenzen: Während etwa die C-Initiale dominiert wird durch blauen Grund und gelbes Flechtwerk, besteht der ‚Codex‘ aus abwechselnd gelben und blauen Flechtknoten, die durch ein gelbes in sich gedrehtes Band zusammengehalten werden. Auch entspricht das Motiv der Stammfüllung der C-Initiale, welches aus einem engmaschigen hellgelben Flechtwerk besteht, jenem, welches das liturgische Möbel binnenstrukturiert. Hinzu kommt, dass die beiden Eckgeflechte der C-Initiale mittig ein Kreuz aussparen – ein Motiv, welches sich häufig in der Initialornamentik der insularen Buchmalerei findet.193 So dem dialogischen Text vorangestellt, lässt es sich als Kreuz-Invocatio deuten, wie sie häufig den Beginn von Urkundentexten oder auch von Inschriften auf Schatzkunstobjekten kennzeichnet.194 Der erste Satz des ‚Lectors‘ ist auf diese Weise mit einer Anrufung Christi verbunden, die zugleich den gesamten Dialogtext in eine sakrale Sphäre erhebt.195 Im Gegensatz also zum eingangs diskutierten Schriftzug aus der Bibel von Valeránica, die den Heiligen Geist als Autor benennt, tragen hier Position, Größe, Form und Farbe der Schriftzeichen dazu bei, eine Aura zu erzeugen, die der Sakralität des dargestellten Dialogs entspricht. Gerade weil der Codex Albeldense und der Codex Aemilianense nicht die Heilige Schrift enthalten, bedurften sie, anders als die Bibelhandschrift, einer besonderen Autorisierung, zu der in beiden Manuskripten vor allem die visuelle Gestaltung beiträgt. Im Unterschied zum Codex Aemilianense geben die Inschriften im Codex Albeldense den Gesprächsdarstellungen einen liturgisch-sakralen Rahmen. In den Etymologien des Isidor von Sevilla ist analogivm, mit dem das Möbelstück bezeichnet ist, auf dem in der Darstellung der ‚Codex‘ liegt, ein dem Ambo ähnliches Möbel, von dem aus die Lesungen im Gottesdienst erfolgen.196 Auch die Beischrift ‚Lector‘ erhält in Bezug zum liturgischen Geschehen ihren Sinn. Sie entspricht einer wiederum durch Isidor überlieferten Funktionsbezeichnung 192 Codex Aemilianense, fol. 19v: IN N(O)M(IN)E TRIPLO / SIMPLO DIVINO / INCIPIT LIBER CANONU(M) / A TOTIUS ORBIS / IUS IMPERIALE / TENENTIBUS / VEL A S(AN)C(T)OR(UM) PATR(U)M / [INTERLINEAR: ABTISSIME NAMQ(UE)] / EDITUS. 193 Dazu Tilghman, Insular Display Lettering (2011), 299. 194 Vgl. etwa die Urkunden und Schatzkunstobjekte des 9. Jh., die unter asturischer Herrschaft entstanden: Anm. 293. 195 Art. „Invocatio“, in: LexMA (2003), Bd. 5, 483–484 (W. Koch). 196 Analogium dictum, quod sermo inde praedicetur; nam λόγος Graece sermo dicitur, quod et ipsum altius situm est. Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber XV, cap. IV, 17 (= PL 82, col. 0545C).
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für denjenigen, der in den Gottesdiensten der westgotischen Liturgie für die Lesungen aus dem Alten und Neuen Testament, der Apokalypse sowie den Episteln verantwortlich zeichnet.197 Demnach stellen die Inschriften die Gesprächsdarstellungen im Codex Albeldense in den Kontext einer lectio divina. Indem sie den Moment liturgischer Lesung aufrufen, wird die visuelle Wahrnehmung um die des ‚Hörens‘ erweitert mit dem Ziel, den ‚Codex‘ auf dem ‚Analogium‘ als ein lebendiges Wort Gottes zu inszenieren. Die akustische Wahrnehmung ist gleichfalls Thema des ersten Dialogtextes, in welchem der ‚Codex‘ den ‚Lector‘ auffordert, das zu ‚hören‘, was seine Buchstaben hervorholen198 – eine Passage, die an Isidors Auffassung von Buchstaben erinnert, nach der diese die Rede der Abwesenden ohne Stimme zu Gehör zu bringen vermögen.199 In seiner Schrift De ecclesiasticis officiis erläutert Isidor von Sevilla, welche kognitiven und vor allem auch sprachlichen Anforderungen an einen ‚Lector‘ als Klangkörper der Heiligen Schrift gestellt werden: Dieser müsse von Büchern inspiriert sein sowie über ein Wissen um die Wörter und ihre Bedeutungen verfügen,200 um den Sinn der Heiligen Schrift zu transportieren mit dem Ziel, tiefe Spuren im Geist und in den Sinnen der Zuhörer zu hinterlassen.201 Dazu müsse der ‚Lector‘ etwa auf die richtige Betonung oder auch die Qualität seiner Stimme achten.202 Genau darauf kommt es auch Alkuin (735–804) in einem Gedicht an, das Bestand-
197 Lectores a legendo; PSALMISTAE, a psalmis canendis vocati; illi enim praedicant populis quid sequantur; isti canunt ut excitent ad compunctionem animos audientium, licet et quidam lectores ita miseranter pronuntient, ut quosdam ad luctum lamentationemque compellant. Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber VII, Cap. XII, 24: De clericis (= PL 82, col. 0292C). Pulpitum, quod in eo lector, vel psalmista positus in publico conspici a populo possit, quo liberius audiatur. Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber XV, cap. IV, 15: De edificiis sacris (= PL 82, col. 0545B). Dem Lector hat Isidor auch ein eigenes Kapitel in seiner Schrift über die kirchlichen Dienste gewidmet: Isidorus Hispalensis, De ecclesiasticis officiis, Liber II, cap. XI: De lectoribus (= PL 83, col. 0791A–0792A). Dazu Art. „Messe mozarabe“, in: DACL, Bd. XI/1, 674–690, hier: 675, 676 (H. Leclerq). – Der Liber Ordinum der westgotischen Kirche kennt die Bezeichnung des lector hingegen nicht; Lesungen werden hierin stattdessen vom Presbyter übernommen: LO, LXXXV, 204,27–28: Ordo die sabbato celebrandvs. Da jedoch Isidors Schriften im Kontext anderer nordspanischer Codices als ein autorisierendes Referenzwerk herangezogen wurden, überrascht der Rückbezug auf die durch ihn hergeleiteten Termini nicht. Vgl. die Beatus-Handschriften (etwa den Morgan-Beatus, hier: Kat. I.8), in denen Isidors Herleitung des Codex-Begriffs zwischen dem Apokalypsekommentar und dem Kommentar zum Buch Daniel Platz gefunden hat. 198 Collectio Hispana, 44,12: Ausculta iam quid possunt mea promere signa. 199 Litterae autem sunt indices rerum, signa verborum, quibus tanta vis est, ut nobis dicta absentium sine voce loquantur. Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber I, cap. III, 1 (= PL 83, col. 0074B). 200 Qui autem ad hujusmodi provehitur gradum, iste erit doctrina et libris imbutus. Isidorus Hispalensis, De ecclesiasticis officiis, Liber II, cap. XI, 2 (= PL 83, col. 0791B). 201 Sicque expeditus vim pronuntiationis tenebit, ut ad intellectum omnium mentes sensusque promoveat, […]. Isidorus Hispalensis, De ecclesiasticis officiis, Liber II, cap. XI,2 (= PL 83, col. 0791B). 202 […] discernendo genera pronuntiationum, atque exprimendo sententiarum proprios affectus, modo indicantis voce, modo dolentis, modo increpantis, modo exhortantis, sive his similia secundum genera propriae pronuntiationis. […] Propterea et accentuum vim oportet scire lectorem, ut noverit, in qua syllaba vox protendatur pronuntiantis. […] Porro vox lectoris simplex erit, et clara, et ad omne pronuntiationis genus accommodata, plena succo virili, agrestem, et subrusticum effugiens sonum, non humilis, nec adeo sublimis, non fracta, vel tenera, nihilque femineum sonans, neque cum motu corporis, sed tantummodo cum gravitatis
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teil einer touronischen Bibelhandschrift ist.203 Nach Alkuin erschöpft sich die Bedeutung von Bibeln nicht allein in der Ornamentierung der Kirche. Vielmehr diene sie dazu in der Kirchengemeinschaft laut vorgelesen zu werden. Folgt man Alkuin weiter, dann ist es die Aufgabe des ‚Lectors‘, den Codex, dessen heiliger Körper die Gaben Gottes enthalte, durch das Wissen um Bedeutungen, Titel oder Kommata zu vermitteln. Im Unterschied zu den bildlichen Darstellungen rückt der dialogische Text, welcher dem ersten Buch der Excerpta Canonum vorausgeht, noch eine weitere Facette der lectio divina in den Vordergrund, nämlich den der meditatio.204 In der abschließenden Textpassage des ersten Dialogs äußert sich der Schüler zunächst darüber, dass das Gespräch mit dem Codex ihm Erkenntnisse beschert und ferner in ihm das Verlangen nach mehr Wissen ausgelöst hätte: Postquam te nosse valui cognoscere quivi / Ac sublime tuum posse mihi nosse dedisti, / Appeto plane satis tua mecum volvere iussa.205 Der Erkenntnisgewinn, der als dramaturgische Klammer des Dialogs fungiert, verweist auf die Rolle der lectio zur Vervollkommnung des Einzelnen. Ferner beschreibt der Schüler die Aneignung des Wissens als körperliche Betätigung und Inkorporieren. So wolle er die Worte des ‚Codex‘, die wie Samen in der ganzen Welt verstreut sind, mit seinem Verstand pflücken und in seinem Innern aufnehmen: […] Et si scire Deus dederit scrutare profunda, / Sicque per orbem verborum te semina sparsum / Sinibus aggregare meis, ut acumine mentis / Te aggressus stringam distentum corpore multo.206 Der in somatischen Gedankenbildern beschriebene Rezeptionsakt erinnert an Beschreibungen der sinnlichen Aufnahme der Schrift im Kontext der lectio, wie sie wiederum bei Gregor dem Großen und anderen Autoren bis in das hohe Mittelalter zu verfolgen sind.207 Der Text des Dialogs sowie die bildlichen Darstellungen des Gesprächs zwischen dem ‚Codex‘ und dem ‚Lector‘ knüpfen damit an komplementäre Erfahrungen der auf die Heilige Schrift zielenden lectio. Während der Dialogtext den Akzent auf die meditatio legt, die der Einschreibung der Heiligen Schrift in den Körper des Lesenden dient, evozieren die bildlichen Darstellungen den Moment liturgischer Lesung, das heißt der Verkündigung von Gottes Wort. Auf einen Text kirchlichen Rechts wie den Liber Canonum übertragen, scheint es dabei vor allem um dessen sakrale Aufladung zu gehen. Diese bezieht sich nicht allein auf den Text, sondern zielt auch auf seinen Träger, das heißt das vorliegende Manuskript. Ausgangspunkt sind jene Analogien, welche zwischen dem sprechenden ‚Codex‘ sowie jenem Buch bestehen, welches am Beginn des Codex Albel-
specie. Isidorus Hispalensis, De ecclesiasticis officiis, Liber II, cap. XI, 2, 4, 5 (= PL 83, col. 0791B–0791D). 203 Continet iste uno sancto sub corpore codex / Hic simul hos totos, munera magna Dei; / Quisque legat huius sacrato in corpore libri / Lector in ecclesia verba superna Dei / Distinguens sensus, titulos, cola, commata voce / Dicat ut accentus ore sonare sciat. Zit. in: Ganz, Mass production (1994), 56. Vgl. Dümmler, Poetae latini (1997), Bd. 1, 288–292 (Carmen 69). 204 Dazu Leclercq, Amour des lettres (1990), 72. 205 Collectio Hispana, 45,48–50. 206 Collectio Hispana, 45,51–54. 207 Vgl. Calati, Lectio divina (1981), 423–424; Leclercq, Amour des lettres (1990), 21; Illich, Weinberg (2010), 57–59.
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dense im Kontext eines Schreiberbildnisses dargestellt ist.208 Auf der Rückseite des ersten Blattes ist unter einer Arkade der Schreiber Vigila sitzend an einem Schreibpult wiedergegeben (Abb. 65).209 Geschildert ist, wie Vigila an einem Manuskript arbeitet, mit dem der vorliegende Codex Albeldense gemeint sein muss. Dieses Manuskript ist ebenso mit Viererschlaufen gestaltet wie Darstellungen des sprechenden ‚Codex‘ auf folio 20 verso (Abb. 78). Allerdings sind diese hier nicht dicht an dicht gesetzt, sondern treten jeweils gerahmt und isoliert in Erscheinung. Identisch ist das gedrehte Band, welches Vigilas Manuskript mittig gliedert. Was genau der Mönch gerade fertigstellt, ob die äußere Hülle des Codex oder Illuminationen, bleibt in der Schwebe. Der Vergleich zu den ‚sprechenden‘ Büchern legt nahe, dass es sich um den Einband handeln könnte. Denn das gedrehte Band scheint als Bildchiffre für die Bindung zu stehen, was gerade jene Dialogszene vermuten lässt, in der der sprechende ‚Codex‘ aufgeklappt auf das ‚Analogium‘ abgelegt ist (fol. 35r; Abb. 79). Im geöffneten Zustand markiert eine feine senkrechte Linie die Mittelachse des Manuskriptes, die sich erst oberhalb und unterhalb des Buches in einem kordelartigen Band fortsetzt. Gegen die Vermutung, dass Vigila an den Buchdeckeln arbeitet, spricht hingegen, dass er ein Instrument des Schreibens oder Malens in der Hand hält; keinesfalls ist er schnitzend gezeigt.210 Deutlich sind die Zusammenhänge, die zwischen der Darstellung des ‚Codex‘ am Beginn der Handschrift sowie den Illuminationen sprechender Bücher bestehen. Sie erzeugen eine Aufwertung des Codex Albeldense dergestalt, dass nicht nur der sprechende ‚Codex‘ auf der Ebene des Bildes, sondern darüber hinaus auch sein Bildträger, das vorliegende Manuskript, als göttlich autorisiert zu begreifen ist. Auf der Ebene der Texte lässt sich ferner ein Zusammenhang zwischen Vigila und der Schülerfigur in den Dialogen der Excerpta Canonum herstellen. Vigila und seinem Gehilfe Garsea geht es nicht nur um das Verständnis des Buchkörpers als Person, wie sich es in der Darstellung des sprechenden ‚Codex‘ widerspiegelt, es geht ihnen auch um den corpus im Sinne einer compilatio.211 In seinem ersten, dem Codex Albeldense voranstehenden Gedicht, dient Vigila der Begriff corpus dazu, seine kompilatorische Leistung herauszustellen (fol. 1r; Abb. 66). Hierin listet er all jene Werke auf, die ihm eine Inspirationsquelle seiner Kompilation waren: die Bücher der Propheten, der Evangelisten, der Kirchenväter und die Taten der Apostel. All diese, gemeinsam mit den süßesten Worten des Alten und Neuen Testaments hätte er dem corpus eines einzigen Buchs eingeprägt: […] sic radians acta apostolorum alioquin / vernantia florens suabissima verba vbi / vobi ac ueteris et 208 Im Codex Aemilianense findet es sich nicht. 209 Vgl. Kat. I.4. 210 Da das Schreibinstrument dem der schreibenden Konzilsteilnehmer gleicht, wie sie im Codex Albeldense dargestellt sind, ist unwahrscheinlich, dass Vigila hier schnitzend dargestellt ist (Abb. 68); zu frühmittelalterlichen Darstellungen von Schreibgeräten in den Bildnissen der Evangelisten: Mazhuga, Instruments (2000). Prachteinbände haben sich für die hier untersuchten Manuskripte nicht erhalten: vgl. Anm. 147 u. 148. Zwar hat in San Millán de la Cogolla eine Werkstatt für Elfenbeinarbeiten möglicherweise schon im 11. Jh. bestanden, die erhaltenen Einbände bestehen jedoch aus mit Leder bezogenen Deckeln: vgl. Beny und Barbáchano, Encuadernación (2004). Zu den Elfenbeinarbeiten und zur Werkstatt in San Millán de la Cogolla: Harris, Arca (1999); dies., Resistance (2014). 211 Zum Corpus-Begriff im Sinne einer Einheit, die verschiedene Bücher umfasst: Thesaurus linguae latinae, Bd. IV, 1020–1021.
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sacratvm dogmaq(ue) illvt / inprimens almi uniusue in corpore libri.212 Vigila scheint seine Tätigkeit bewusst in die Tradition jenes Vorhabens zu stellen, welches der Schüler in seinem Gespräch mit dem ‚Codex‘ am Beginn der Excerpta Canonum erläutert: Dieser wolle nämlich die über die Welt wie Samen verstreuten Wörter in seinem Innern aufnehmen und daraus einen neuen Körper mit den ursprünglichen Gliedern bilden: Sicque novum corpus primaevis artibus implens.213 Die Passage erinnert an jene durch Gregor den Großen (um 540–604) erschlossene Facette der Lebendigkeit im Kontext der lectio, dass nämlich die göttliche Schrift im Prozess ihrer Rezeption wachse.214 Vigila stellt seine kompilatorische Leistung in die Nähe der lectio, denn auch die Herstellung des Codex dient der Vermittlung von Gottes Wort und damit einer somatisch wahrgenommenen Produktion von Erkenntnis. Somit wird nicht nur die Rezeption, sondern auch die Produktion der Handschrift, die Kodifizierung, als Akt der Verkörperlichung begriffen. Dass diese Verkörperlichung von Gottes Wort im umgekehrt proportionalen Verhältnis zur rhetorisch eingespielten körperlichen Belastung der Schreiber steht, ist häufig Thema der Kolophone. Ein Beispiel dafür ist der umfangreiche Schreibereintrag des Mönchs Florentius, der im Jahre 945, und damit bereits vor der eingangs zitierten Bibel, eine Handschrift mit Gregors des Großen Moralia in Iob fertiggestellt hatte215 – ein Text, der im frühen Mittelalter auf der Iberischen Halbinsel vielfach kompiliert wurde.216 Florentius beschreibt, wie der Schreibprozess systematisch seinen Körper, seine Augen, seinen Rücken, seine Rippen, seine inneren Organe ruiniert hätte. Umso eindrücklicher fällt der Hinweis für den Leser aus, sorgfältig mit dem Codex umzugehen, der den Leser nähren möge.217 Denn dem geschundenen Körper des Schreibers respektive Illuminators, der sich für die Materialisierung des Textes aufopfert, steht ein Leser gegenüber, dem sich die Möglichkeit bietet, sich zu nähren, das heißt Erkenntnis zu gewinnen.218 Der Kolophon weist hier ganz deutlich auf das Spannungsfeld zwischen Gottes Wort, Schrift und Buch hin. Denn Florentius’ körperlicher Verfall im 212 Codex Albeldense, fol. 1r: DIVINA VIRTVS CRISTE LVX LUMINIS FABE TVO / EN FAMVLO PIVS ATQ(UE) MITIS MICI ESTO NVNC / INCIPIE(N)S OPVS NUNC PRECOR TE O PIE PATER / PORRIGAS SOLAMEN SIC CLEME(N)S UT MISERO MICI / ALTITONANS EXIGUOQ(UE) UIGILANI DEVS / TO[N]GILLATIM EDIGERE(N)S EDERE UALEAM UT TOT / REDOLENTES LIBRI CANONUM PATRUM PRECLARIQUE / INFOLA UATUMUE EVANGELISTARUM DIUINI / SIC RADIANS ACTA APOSTOLORUM ALIOQVIN / VERNANTIA FLORENS SUABISSIMA UERBA VBI / NOBI AC UETERIS ET SACRATVM DOGMAQ(VE) ILLVT / INPRIMENS ALMI UNIUSUE IN CORPORE LIBRI CORUSCANS HEC ALFA ATQ(VE) TVA IUBATUS MANV / ENIXE ACTUM MEREAR PERUENIRE AD PORTVM. – Vgl. Kat. I.4. 213 Collectio Hispana, 45,58. 214 Scriptura sacra […] aliquo modo cum legentibus crescit. Gregorius Magnus, Moralia in Iob, Lib. XX, cap. I (= PL 76, col. 0135C); dazu Calati, Lectio divina (1981), 420–422. 215 Moralia in Iob aus Valeránica, fol. 500v (hier: Kat. I.13). 216 Vgl. Serrano, Obra Morales (1911); Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 202, Anm. 152; ders., Libros (1991), 333–334 u. Anm. 1; Millares Carlo und Díaz y Díaz, Corpus (1999), Bd. 1, 177–199. – Abb. in Brown, Bodies and Bookmaking (2011), Taf. 2. 217 Ideo tu lector lente folias / uersa longe a litteris digitos tene. Hier: Kat. I.13. 218 Labor scribentis refectio est legentis. Hier: Kat. I.13. – Brown, Bodies and Bookmaking (2011), 272, verweist auf einen nachträglichen Eintrag unterhalb des Kolophons, in dem der Erkenntnisgewinn thematisiert wird: ad concupiscendum regnum perdisti sensum. Aperi sensum et adquires regnum. – Aufge-
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Prozess der Kodifizierung lenkt ex negativo die Aufmerksamkeit darauf, dass die Verkörperung göttlichen Wortes eben nicht materiell verfügbar, sondern geistiger Natur ist.
II.2 Alpha und Omega – Anfang und Ende An den Rechtskodifizierungen ließ sich die Vorstellung vom Buch als ein Medium der Verkörperung göttlichen Wortes besprechen. Vielmehr wird im Folgenden am Beispiel der ganzseitigen Darstellungen von Alpha- und Omega-Buchstaben deutlich, wie sehr das Buch auch als ein Beziehungen stiftendes Medium wahrgenommen und gestaltet wurde. Alpha und Omega entsprechen der Selbstbezeichnung Gottes in der Apokalypse (Off 1,8; 21,6; 22,13). Sie sind Ausdruck dafür, dass Gott Anfang und Ende, der Erste und der Letzte ist.219 Ganzseitige Alpha- und Omega-Zierbuchstaben, die in den unterschiedlichen Buchtypen den kodifizierten Texten voran- bzw. nachstehen oder diese umschließen, machen die Einbettung des Codex in die alles umschließende Existenz Gottes anschaulich und stellen dergestalt einen Zusammenhang zwischen dem Buch, dem Konvent mit seinen Schreibern und Buchmalern sowie Gott her. Erstmals sind beide Buchstaben in jener Handschrift überliefert, aus welcher der bereits besprochene Kolophon des Mönchs Florentius stammt. Hierin befindet sich das die Seite füllende Alpha auf der Rückseite des ersten Blattes (Abb. 15). Es ist Bestandteil einer Serie ganzseitiger Darstellungen, die zusätzlich eine Maiestas Domini (fol. 2r), ein Christus-Monogramm (fol. 2v), ein Buchstabenlabyrinth (fol. 3r) und einen Pfau (fol. 3v) umfassen (Abb. 16–19). Hingegen kommt der Text, abgesehen von der Initialornamentik, ganz ohne Buchschmuck aus. Ein ganzseitiger Omega-Buchstabe steht am Ende des Codex (fol. 501r; Abb. 20).220 Während die Platzierung des Omegas innerhalb der letzten Lage als ursprünglich angenommen werden kann,221 sind die einleitenden ganzseitigen Illuminationen auf Einzelblättern gestaltet, die zudem an ihrer jeweiligen Einbindung Restaurierungsspuren aufweisen. Dennoch kann an der initialen Position des Alphas kein Zweifel bestehen, denn diese ist auch für andere Manuskripte, etwa den im Jahre 975 fertiggestellten Girona-Beatus, gesichert (Abb. 58).222 Der Girona-Beatus, der eine regelmäßige Lagenstruktur aufweist, zeigt dabei, dass der Alpha-Buchstabe nicht zwingend auf dem allerersten Blatt platziert gewesen
fordert wird, den Verstand/die Empfindung in korrekter Art und Weise zu gebrauchen, um das Königreich zu erlangen. 219 Ego sum Α et Ω principium et finis dicit Dominus Deus qui est et qui erat et qui venturus est Omnipotens. Off 1,8. Ego sum Α et Ω initium et finis […]. Off 21,6. Ego Α et Ω primus et novissimus principium et finis […]. Off 22,13. Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem (1983), Bd. 2, 1882, 1903, 1905. 220 Der Buchstabe ist auf der Vorderseite des vorletzten Blattes platziert. Das letzte Blatt dieser Lage ist auf beiden Seiten leer, also ungestaltet geblieben. 221 In der letzten Lage der Moralia in Iob-Handschrift aus Valeránica (fol. 494–502) fehlt ein Blatt. Der Text weist jedoch keine Verluste auf. Zum Zustand hier: Kat. I.13. 222 Der Girona-Beatus ist in einem hervorragenden Zustand. Allein der ersten Lage (fol. 1–7) fehlt ein Blatt, das sich jedoch rekonstruieren lässt (hier: Kap. V.2, sowie Kat. II.6).
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sein musste, sondern Bestandteil einer Serie einleitender Illuminationen war.223 Hingegen bildet der Omega-Zierbuchstabe stets den Abschluss eines Codex (Abb. 63).224 Die erhaltenen Handschriften zeigen zwei Ausstattungsmuster: Entweder treten beide Buchstaben den/die Textkörper an ihrem Anfang und Ende gleichsam umschließend in Erscheinung225 oder nur das Alpha ist Bestandteil des Codex geworden.226 Obwohl die Forschung zur spanischen Buchmalerei wie so oft ihren Fokus auf die Tradition der illuminierten Beatus-Handschriften gelegt hat und bei diesen die Anfänge der Alpha- und Omega-Zierseiten ausmachen wollte227, ist die Tradition, wie die Moralia in IobHandschrift zeigt, deutlich älter. Erst später, und zwar seit dem dritten Viertel des 10. Jahrhunderts, treten die ganzseitigen Zierbuchstaben in einem Apokalypsekommentar auf.228 Nachfolgend werden sie zu einem wichtigen Ausstattungselement dieses Buchtyps, vor allem im kastilisch-leonesischen Herrschaftsraum, bleiben jedoch nicht auf diese Textgattung beschränkt.229 Der direkte Bezug zu einem Text apokalyptischer Thematik kann also nicht als der einzige Grund für das Entstehen und die weitergehende Rezeption dieser Bildlösung angesehen werden, für die zudem bisher keine Vorbilder benannt werden können.230 Übersehen wurde, dass Alpha und Omega Thema der literarischen Überlieferung des Mittelalters sind, allerdings nicht nur auf der Iberischen Halbinsel. François Chatillon konnte eine Fülle an Buchstaben- und Wortspielen aus der mittellateinischen Poesie zusam223 Als Bestandteil einer umfangreichen Serie einleitender Illuminationen befindet sich das Alpha auf fol. 19r und steht damit Beatus’ Kommentierung zur Apokalypse voran. 224 Girona-Beatus, fol. 284r. Eine dem Kloster Domnos Santos in Sahagún zugewiesene Beatus-Handschrift von 1086, die heute in Burgo de Osma, Archivo de la Catedral, Cod. 1, liegt (nachfolgend: Osma-Beatus), ist ebenfalls mit einer Alpha-Zierseite am Anfang (fol. 1r) und einer Omega-Zierseite am Ende (fol. 163r) ausgezeichnet: Williams, Beatus (2002), Bd. 4, Abb. 1, 81. Die Handschrift weist aber ebendort eine Reihe von Unregelmäßigkeiten auf: Shailor, Beatus (1992), insbes. 38. 225 Dieses lässt sich auch für jene Handschriften rekonstruieren, in denen zwar nur einer der beiden Buchstaben erhalten ist, der Zustand des Manuskripts das jeweilige Pendant aber vermuten lässt. Vgl. die Bibel aus Valeránica, fol. 514r (Omega), in der die erste Lage, die unregelmäßig ist, verkürzt erscheint: Suárez González, Arqueología (1999), 90 (hier: Kat. I.15, Abb. 34); ferner den Tábara-Beatus, fol. 170r (Omega), auch hier ist der Beginn fragmentarisch, nachträgliche Restaurierungen erschweren die Möglichkeit einer Rekonstruktion (hier: Kat. I.7, Abb. 40); schließlich das Antiphonar in León, fol. 4v (Alpha), hier: Kat. II.3, Abb. 23. 226 Vgl. die für die leonesische Königsfamilie entstandene Beatus-Handschrift von 1047 (Madrid, BNE, Vitr. 14–2, fol. 6r [Alpha], nachfolgend: Beatus-Handschrift Ferdinands I., hier: Kat. IV.2, Abb. 97), die aufgrund des jeweiligen kodikologischen Zustands eher vermuten lässt, dass die Omega-Zierseite von Anfang an nicht eingeplant gewesen war. Ebenso ist zu vermuten, dass für den einzigen, in unserem Untersuchungszeitraum nicht im zentralen Nordspanien, sondern in der Gascogne entstandenen illuminierten Apokalypsekommentar, den Saint-Sever-Beatus, fol. 14r (Alpha), eine Omega-Zierseite nicht vorgesehen war (hier: Kat. I.3): Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 387. 227 Guilmain, Influences (1978), 79. 228 Tábara-Beatus, fol. 170r (hier: Kat. I.7, Abb. 40). 229 Vgl. Bibel aus Valeránica, fol. 514r (hier: Kat. I.15) und das Antiphonar in León, fol. 4v (hier: Kat. II.3); Liber Psalmorum, fol. 1r (hier: Kat. IV.3). 230 Guilmain, Influences (1978), 73–74, führt zwar die Tatsache, dass Buchstaben monumental gestaltet werden, auf die franco-insulare Buchmalerei zurück, möchte jedoch die Idee einer Inszenierung von Alpha und Omega in den nordspanischen Klöstern verankern.
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mentragen, in denen die Buchstaben Alpha und Omega in ihrer lateinischen Übertragung als A und O oft am Anfang oder Ende eines Gedichtes, ferner als Übergang von einem Vers oder von einem Wort zum nächsten auftreten.231 In einem vor 795 entstandenen Psalter, den Karl der Große Papst Hadrian widmete, fand das Buchstabenspiel auch einen visuellen Niederschlag.232 Im Anschluss an das Widmungsgedicht folgt hier auf folio 4 verso ein in goldene Schrift gefasstes Gedicht des Schreibers Dagulf. Der Beginn des Gedichtes ist durch eine A-Initiale für aurea dergestalt hervorgehoben, dass die Majuskel auf die zweite Zeile gezogen ist und dort neben dem Buchstaben O für ornari Platz findet.233 Ausgehend von der Position solcher Buchstabenspiele am Beginn oder am Ende eines Gedichtes deutet Chatillon diese als Segnung des Dichters und seines Werkes.234 Während also Alpha und Omega häufig Gegenstand literarischer Auseinandersetzung waren, sind sie als ein eigenständiges Bildthema in der frühmittelalterlichen Buchmalerei außerhalb der Iberischen Halbinsel kaum aufgegriffen. Eine Ausnahme stellt eine westfränkische Handschrift des 9. Jahrhunderts dar. Die in das 9. oder 10. Jahrhundert datierte Zeichnung gibt ein Dachgebälk in Form eines Dreiecks wieder, welches durch die Beischrift ADAM als eine versteckte Anspielung auf den ersten Buchstaben des griechischen Alphabets gelesen werden kann.235 Ob damit der Kompilator oder Adam als erster Mensch gemeint ist oder es sich um beide handelt, bleibt unklar.236 Die genannten Beispiele deuten darauf hin, dass die an den Anfang oder das Ende platzierten griechischen Buchstaben ebenso dazu dienten, die Anwesenheit Gottes herzustellen und ihn als Autor des jeweiligen Werkes zu benennen. Dies trifft gleichfalls auf die nordspanischen Handschriften zu, in denen das Thema elaborierter entfaltet wurde. Beispiel dafür sind die Omega-Zierbuchstaben, welche sich einmal in der Moralia in Iob-Handschrift, zum anderen in einer Bibel erhalten haben, die im Kloster Valeránica hergestellt wurden (Abb. 20, 34).237 In beiden Codices rahmt, strukturiert und hierarchisiert der Zierbuchstabe die Gestaltungsweise der gesamten Seite von innen heraus. Ihm sind jeweils menschliche Figuren 231 Vgl. Chatillon, Arbiter omnipotens (1955), insbes. ab 27 sowie 319–320, der das Phänomen von der Spätantike bis in die Neuzeit in den unterschiedlichen Textgattungen verfolgt. 232 Wien, ÖNB, Cod. 1861, fol. 4v. Vgl. Abb. in Holter, Dagulf-Psalter (1980); zuletzt Mettauer, Orthokratie (2005). 233 Aurea Daviticos en pingit littera cantus: / ornari decuit tam bene tale melos. Mettauer, Orthokratie (2005), Abb. 11. 234 Chatillon, Arbiter omnipotens (1955), 32. 235 Sélestat, Bibliothèque Humaniste, Ms. 14, fol. 69r. Die Miszellenhandschrift enthält unter anderem eine Kapitulariensammlung des Abtes Ansegis von Fontanella († 830), der diese Zeichnung voransteht. Zur Ausdeutung der Zeichnung vgl. ferner Ausst.-Kat. 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit (1999), 77–78, Kat. II. 39 (Eintrag: Alois Zettler). 236 Verwiesen sei hier ebenfalls auf das A-förmige Reliquiar im Schatz der Kathedrale von Conques, das aus der Zeit vor 1107 stammt, allerdings nachträglich, vielleicht im 13. Jh. verändert wurde: Ausst.Kat. Trésor (2001), 50–52, mit Abb. Es besteht die Vermutung, dass Abt Brégon III. dieses zur Verbreitung einer Legende hat schaffen lassen, nach der Karl der Große Buchstaben aus Edelmetall jenen Klöstern habe zukommen lassen, die von ihm protegiert wurden. Dass der lateinische Buchstabe aber zugleich auch als griechischer gelesen werden kann und sich dadurch weitere Deutungsmöglichkeiten eröffnen, so die durch die Form vermittelte Anwesenheit Gottes, welche die Bedeutung der Reliquien unterstreicht, liegt auf der Hand. 237 Moralia in Iob aus Valeránica, fol. 501r; Bibel aus Valeránica, fol. 514r (hier: Kat. I.13, I.15).
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untergeordnet: Während in der Moralia in Iob-Handschrift Figuren unterhalb des Zierbuchstabens platziert sind, auf den sie durch ihre Körperhaltung und die Gesten ihrer Hände verweisen, wenden sich in der Bibel insgesamt vier als die Kompilatoren und Illuminatoren Florentius und Sanctius zu identifizierende Personen dem Buchstaben paarweise zu. Die zentrale Achse der Buchstaben wird jeweils unten durch ein angesetztes Palmettenelement sowie oben von einem in Gelb und Gold glänzenden Blatt oder Bäumchen hervorgehoben. Dieses Bäumchen, mit dem der mittlere Cornu des Omega-Zierbuchstabens in der Moralia in Iob-Handschrift sowie in der Bibel bestückt ist, gleicht der Gestaltung von Surenteilern.238 Solche Surenteiler sind seit dem 7. Jahrhundert als ein Element der visuellen Gestaltung und Strukturierung von Koranhandschriften überliefert.239 Zwar haben sich vor dem Jahr 1000 keine Koranhandschriften aus den muslimisch dominierten Gebieten der Iberischen Halbinsel erhalten, jedoch lassen sich Vergleichsbeispiele aus späterer Zeit anführen.240 Im Unterschied zum Moralia in Iob-Codex ist das Motiv hier um neunzig Grad zum Schriftspiegel gedreht, was seiner eigentlichen Funktion für das Layout einer Koran-Handschrift entspricht, in der es der Hervorhebung der Suren diente.241 Die Übernahme eines aus den Koranhandschriften bekannten Layout-Motivs in die Gestaltung eines durch den Text der Apokalypse semantisch aufgeladenen Buchstabens erfolgte nicht allein aus der Wertschätzung für die aus Al-Andalus stammende Kunst. Nicht nur der neue Darstellungszusammenhang, in dem das nun in die Senkrechte aufgerichtete Bäumchen in Erscheinung tritt, sondern auch die Art und Weise, wie es prominent als Bekrönung des Buchstabens Verwendung findet, lassen das bezweifeln. Vielmehr steht zu vermuten, dass dieses Bäumchen gerade aufgrund seiner Funktion als visuelle Auszeichnung der göttlichen Offenbarung rezipiert wurde. Denn in einer Koranhandschrift steht der Surenteiler stets der Basmala-Formel („Im Namen des gnädigen und barmherzigen Gottes“) voran oder folgt ihr nach – eine Formel, die nicht nur als Gotteslob gedacht war. Im Akt des Sprechens konnte man sich der Anwesenheit Gottes vergewissern und dergestalt eine Beziehung zu Gott initiieren.
238 So schon Werckmeister, Formen (1965), 944–945; Fontaine, Art-préroman (1977), 351. Williams, Buchmalerei (1977), 61, weist darauf hin, dass insbesondere der Omega-Buchstabe in der Bibel aus Valeránica durch weitere Ornamente ausgezeichnet ist – etwa die sich aufrollenden und gespaltenen Palmettenblätter, die durch die islamische Kunst inspiriert worden sind. Zum Vergleich etwa in AlAndalus produzierte Elfenbeinkästchen, 10. Jh.: Ecker, Caliphs (2004), 26, Abb. 18 (aus Madīnat-azZahrā, ca. 966); sodann das sogen. Pamplona-Kästchen, dat. 1004/5: Ausst.-Kat. Al-Andalus (1992), 198–201, Kat. 4; ferner die Ornamentik einer Basis und eines Kapitells aus Córdoba oder Madīnat-azZahrā, Mitte des 10. Jh.: Ecker, Caliphs (2004), 23, Abb. 8, 10. 239 Zu den Surentrennern allg.: Bothmer, Ohlig und Puin, Koranforschung (1999), hier 43, 44; im Kontext von Handschriften aus den muslimisch dominierten Gebieten der Iberischen Halbinsel: Khemir, Libro (1992), 121. 240 Ein solches ornamentales Bäumchen oder Blatt ziert etwa die Titel- und Kolophonseite in einer Koranhandschrift, die 1143 in Córdoba entstand (Istanbul, Universitätsbibliothek, A6755, fol. 3r, 146r): Ausst.-Kat. Al-Andalus (1992), 304–305, Kat. 75 (Eintrag: S. Khemir). 241 Vgl. Koranhandschrift von 1172–1173 (Rabat, Bibliothèque Royale, Ms. 1810). Ausst.-Kat. Al-Andalus (1992), 307, Kat. 77 (Eintrag: S. Khemir).
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Es ist nicht ausgeschlossen, dass den Mönchen aus dem Kloster Valeránica, wo in den von ihnen produzierten Handschriften arabische Glossen auftreten, dieser Zusammenhang bekannt war. Daher ließe sich vermuten, dass die Rezeption des Surenteilers auf die Stiftung göttlicher Präsenz zielte, weil das Baum-Motiv gestalterisch mit dem Omega als Bestandteil des Gottesnamens verbunden wurde. In der Bibel aus Valeránica wird diese Präsenz Gottes, des Christus-Logos, im Buchstaben zusätzlich mit dem Verweis auf seinen sakramentalen Körper erzeugt. Denn die beiden, sich als Florentius und Sanctius zu erkennen gebenden Kompilatoren und Illuminatoren strecken dem Zierbuchstaben jeweils Kelche entgegen, die auf den zentralen Moment der Messe, der Verwandlung von Wein in das Blut Christi, verweisen.242 In einem Mitte des 10. Jahrhunderts entstandenen Antiphonar zielte der Bezug zur Urkundenpraxis darauf, Gottes Präsenz als Autor, genau genommen als den Aussteller des Manuskriptes darzustellen. Das Antiphonar wurde von Abt Totmundo, Gründer und Vorsteher des Klosters San Cipriano de Porma bei León, für Abt Ikila um die Mitte des 10. Jahrhunderts geschrieben.243 In den 60er Jahren des 11. Jahrhunderts muss sich das Manuskript hingegen am Hof der Könige von Léon befunden haben, was Monogramme von Mitgliedern der Königsfamilie sowie weitere Einträge von Klerikern aus jener Zeit nahelegen. Während sich Ferdinand I. (1016/18–1065) auf der Vorderseite des ersten Blattes verewigt hat (Abb. 21), sind die anderen drei Monogramme, jenes seiner Frau Sancha (1013–1067) sowie der Söhne García (1045–1090) und der spätere Alfons VI. (1030–1109), rechts neben der ganzseitigen Darstellung eines Alpha-Buchstabens auf folio 4 verso platziert (Abb. 23).244 Die an die Praxis des Ausstellens von Urkunden erinnernden Monogramme geben den Deutungsrahmen für das monumentale Alpha vor. Denn innerhalb von Urkunden fungierten sie als Zeichen des Herrschers, drückten seinen Willen aus und belegten die Echtheit des Dokuments.245 Weil die Monogramme zum Alpha in Beziehung gesetzt sind, dessen monumentale, farbliche und ornamentale Präsenz göttliche Autorität erzeugt,246 ist der griechische Buchstabe gleichzeitig als ein signum manus Gottes aufzufassen.247 Das Manuskript erweist sich damit als ein von Gott berührtes Dokument. Darüber hinaus können die königlichen Signaturen noch auf einen anderen eschatologischen Beweggrund zurückgeführt werden: Sie waren sicherlich mit der Hoffnung auf eine Eintragung in das Buch des Lebens verbunden, 242 Die beiden den Figuren zugeordneten Inschriften preisen Gottchristus als Himmelskönig. Vgl. Kat. I.15. 243 Zur Handschrift und zum Widmungsgedicht siehe Kat. II.3. 244 Zu den Einträgen vgl. Kat. II.3. – Auf die Einträge geht Cordoliani, Comput (1954), 282, ein. Etwa zeitgleich, d.h. vor 1070 wurde dem Antiphonar eine Lage mit ausschließlich komputistischen Texten hinzugefügt (fol. 20–27), unter anderem der Computus Cottonianus (Ed. Gomez Pallares, Textos [1989]; Beschreibung des Inhalts und Analyse der Texte auch bei Cordoliani, Comput [1954], 268– 278), als dessen Schreiber sich Arias zu erkennen gibt (fol. 26v). Arias, der 1073 von Ferdinands I. Sohn und Nachfolger auf den Thron Alfons VI. zum Bischof von Oviedo ernannt wurde, scheint in den späteren 1060er Jahren als Kleriker am Hof in León tätig gewesen zu sein: vgl. Pérez de Urbel, Antifonario (1954), 120. 245 Vgl. Ostolaza, Validación (1996), 459–461. 246 Vgl. die Überlegungen zur Aura von Schrift bei Rohrbach, Aura (2008), 199–200. 247 Zur Tradition der Handschrift Gottes: Schreiner, Buchstabensymbolik (2000), 60–61.
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von dem man, bezogen auf den Offenbarungstext (20,12-13), annahm, dass es am Ende der Tage als ein richterliches Dokument zur Beurteilung der Menschen fungieren würde.248 Die Darstellungen des Alphas und Omegas stellen nicht nur aufgrund ihrer monumentalen Erscheinung im Layout der Seite eine Besonderheit dar. Ebenso auffallend ist, dass sie in einigen Handschriften den Inhalt des Codex umschließen. In diesem Sinne sind sie der Position und Wirkung eines Fenstergitters vergleichbar, das sich in der Kirche des einstigen Klosters San Miguel de Escalada erhalten hat (Abb. 175). Dieses Kloster, für das sehr wahrscheinlich eine Beatus-Handschrift in San Salvador de Tábara angefertigt wurde, war im Jahre 904 durch Alfons III. auf erobertem Gebiet in der Nähe von León wiedergegründet worden. Das Fenstergitter aus der im Jahre 913 geweihten Kirche gibt die Form eines Omegas wieder, dem ein Alpha einbeschrieben ist.249 Da es oberhalb des ursprünglich im Westen liegenden Eingangs der in das 10. Jahrhundert zu datierenden Kirche situiert ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Alpha/Omega-Darstellung des Fenstergitters der Dämonenabwehr diente. Denkbar ist auch ein Zusammenhang mit dem Ritus der Kirchweihe. Wenn auch konkret für Escalada kein spezifischer Ordo überliefert ist und ferner auch die entsprechenden Rubriken im Liber Ordinum der westgotischen Kirche keine Hinweise auf die griechischen Buchstaben enthalten, so sind Kirchweihordines, in denen Alpha und Omega eine Rolle spielen, andernorts belegt. Neben der weit verbreiteten Praxis, das griechische und lateinische Alphabet kreuzförmig im Inneren der Kirche auf den Boden zu schreiben, haben sich etwa aus Katalonien Weiheriten erhalten, in denen das Alphabet auch auf die Fassade gleichsam einer Auszeichnung des Kirchenraums als heiligen Bezirk geschrieben wurde.250 Allerdings war das Fenstergitter nicht nur Bestandteil der Fassadengestaltung, das heißt es wendete sich nicht nur nach außen. Durch den Lichteinfall war es als apotropäisches und heiligendes Zeichen zugleich im Inneren des Kirchenraums erfahrbar und konnte dergestalt Wirksamkeit entfalten. In seinen Etymologien bietet Isidor von Sevilla auch eine Deutung der griechischen Buchstaben Alpha und Omega an. Isidor versucht, die durch die Buchstaben symbolisierte Rolle Gottes, der alles umfässt, in einem räumlichen Bild zu beschreiben. Danach laufen Alpha und Omega aufeinander zu, ist das Alpha zum Omega gewendet, wie das Omega an das Alpha gebunden ist. In sich würde Gott diesen Weg, vom Anfang zum Ende und umgekehrt, offenbaren.251 Daher wäre denkbar, dass auch die den kodifizierten Text umschließen248 Curtius, Schrift- und Buchmetaphorik (1942), 373. Zum Verzeichnis Gottes, in das die Lebenden eingetragen sind, vgl. auch Ps 69,29; Jes 4,3; Dan 12,1. – Zugleich machen die Monogramme die Königsfamilie während des Kathedraloffiziums präsent, in der das Antiphonar Verwendung fand. 249 Vgl. Martínez Tejera, San Miguel de Escalada (2005), 197–199. 250 Vgl. Schreiner, Abecedarium (2006), insbes. 156, zum Pontifikale der Bischofskirche von Roda und Vic, um 1000. – An diese Praxis erinnern die eingeritzten Abecedarien an den Außenfassaden (Haupteingang bzw. Apsis) zweier südwestfranzösischer Kirchen des 12. Jh., Saint-Blaise de Bauzon bei Bollène sowie Saint-Sépulcre in Beaumont-de Ventoux, beide Département Vaucluse, dazu Codou, Consecration (2008), 259–261, Abb. 7, 10. 251 Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber I, cap. III, 9 (= PL, col. 0076C–0077A): Ipse enim principium, ipse finis, dicens: Ego sum alpha et ω: concurrentibus enim in se invicem alpha ad ω usque devolvitur, et rursus ω ad alpha replicatur: ut ostenderet in se Dominus, et initii decursum ad finem, et finis decursum ad initium.
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den Alpha und Omega den Codex ähnlich dem Fenstergitter als einen geheiligten Bezirk ausweisen, in dem Gott als anwesend zu denken ist. Für die zeitlich und räumlich begrenzte Existenz des Menschen stellt die Aussage, dass Gott überall, vor allem und nach allem ist, ein Paradox dar. Dem entspricht, dass die ganzseitigen Zierbuchstaben nicht nur als ein den Codex begrenzendes Zeichen zu deuten sind. Zugleich treten sie als ‚entgrenzende‘ Darstellungen in Erscheinung, die den Codex dergestalt ‚öffnen‘, dass sie ihn in einer höheren göttlichen Ordnung verankern. Tatsächlich schlägt sich dieses Thema auf der bildlichen Ebene wieder, wenn auch nicht in systematischer Weise: zum einen indem Alpha und Omega einer historisierenden Initiale252 vergleichbar in ihrem Innern Darstellungsräume eröffnen; zum anderen indem das die Gestaltung des Buchstabens charakterisierende Wechselspiel zwischen Rahmen und Gerahmtsein durch Momente der Rahmenüberschreitung gekennzeichnet ist. Ein Beispiel dafür ist die bereits genannte Alpha-Zierseite aus dem Girona-Beatus von 975 (Abb. 58). Auf folio 19 recto thront im Buchstaben oberhalb des Querbalkens Christus als Weltenrichter, der mit seiner linken Hand die Kugel als Symbol der Welt und mit seiner rechten das Buch des Lebens hält. Die blaue Hintergrundfarbe inszeniert den von dem Alpha umschlossenen Bildraum als eine Realität, die verschieden von der außerhalb des Buchstabens ist. Von der Mitte des Querbalkens, auf dem die Füße Christi ruhen, führt ein breites Flechtband hinab, das ein Vogelpaar mit seinen Schnäbeln so aufzuspannen scheint, als würde erst dadurch der Blick auf Christus ermöglicht. Der Buchstabe ist damit sowohl Bildgegenstand der Seitengestaltung als auch Rahmen, weil er in seinem Innern eine endzeitliche Vision, die Wiederkunft des Messias am Ende der Tage, hervorbringt.253 Dass es hierbei nicht nur um das ‚Sehen‘ geht, sondern die Wahrnehmung auch mit der des ‚Hörens‘ in Verbindung zu bringen ist, belegt die das Schriftzeichen seitlich rahmende Inschrift ego sum / A et Ω, die den Buchstaben an den göttlichen Sprechakt knüpft. Die ambivalente Auffassung der Schrift als Bildgegenstand und als Rahmen gleichermaßen kennzeichnet eine weitere Darstellung des Alphas, die sich in einer von Ferdinand I., König von León, und seiner Frau Sancha in Auftrag gegebenen Beatus-Handschrift von 1047 befindet (Abb. 103).254 Auch hier fungiert der Buchstabenkörper als ein Rahmen, in dem die Darstellung des stehenden Christus, der mit der linken Hand den Betrachter auf den Buchstaben hinweist und mit der rechten ein kleines Omega emporhält, platziert ist.255 252 Zum Begriff: Jakobi-Mirwald, Initiale (1998); zuletzt Rehm, Körper der Stimme (2002), der den Begriff der historisierten Initiale einer kritischen Revision unterzieht und insbesondere die Rolle des Textes als intoniertes Wort herausarbeitet. 253 Vgl. auch die Öffnung, welche den Omega-Zierbuchstaben in der Bibel aus Valeránica kennzeichnet (fol. 504r): Die bauchförmigen Binnenfelder sind durch Palmettenblätter gestaltet, die sich nach außen einem Vorhang gleich öffnen und den Blick auf das dahinterliegende stilisierte Pflanzenwerk lenken (Abb. 34). 254 Beatus-Handschrift Ferdinands I., fol. 6r (hier: Kat. IV.2). 255 Dies ist im einige Jahre später durch Sancha beauftragten und 1055 fertiggestellten Liber Psalmorum, fol. 1r, anders. Hier erscheint der Zierbuchstabe ebenfalls vor purpurfarbenem Hintergrund, ist jedoch von dieser Fläche vollständig umgeben (hier: Kat. IV.3, Abb. 110). Siehe dazu auch den Osma-Beatus von 1086, der sowohl eine Alpha- (fol. 1r) als auch eine Omega-Zierseite (fol. 163r) enthält (hier: Kat. I.2): Williams, Beatus (2002), Bd. 4, Abb. 1, 81.
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Darüber hinaus liegt hier erstmals die Darstellung eines gerahmten Alpha-Buchstabens vor. Dieser wird somit zum Gegenstand der Rahmung, die er zugleich zu sprengen und zu beherrschen scheint. Denn jene den Kopf und die Endstellen des Buchstabens charakterisierenden Flechtknoten überlappen die Rahmenleisten. Ferner sind die aus dem Flechtknoten am Kopf des Alphas herauswachsenden und sich sodann einrollenden Ranken mit der oberen Rahmenleiste verklammert. Diese Verklammerung wird ebendort auf der Ebene der figurativen Bildlichkeit anschaulich, wo ein Raubtier in den Hals einer Ente beißt. Durch die Überschreitung des Rahmens wird also eine Lebendigkeit des Schriftzeichens erzeugt, die dessen auratische Wahrnehmung bedingt.256 In anderer, und zwar schematischer Darstellungsform wird die Einbettung des Codex sowie der Moment oder Zeitraum seiner Herstellung in die alle Zeiten und Räume umfassende Existenz Gottes in den Darstellungen des Omegas am Ausgang des Codex wieder aufgegriffen. Zugleich wird hierin das Verhältnis zwischen irdischer und göttlicher Autorschaft elaboriert entfaltet, welches ebenso Thema der durch Chatillon bearbeiteten literarischen Überlieferung ist. Den Ausgangspunkt bildet hier erneut der Girona-Beatus, in dem sich das monumentale, überwiegend gelb gehaltene und durch Flechtwerk akzentuierte Omega auf folio 284 recto befindet (Abb. 63). Die Gestaltung der Seite wird durch den mittig platzierten Buchstaben bestimmt. Auf zwei dunkelblauen Farbstreifen, die den Buchstaben oben und unten rahmen, sind in blauen und roten Majuskeln jene Personen dokumentiert, die an der Herstellung des Manuskriptes Anteil hatten. Während oben der Name des Auftraggebers, Abt Dominicus, festgehalten ist, werden unten die Illuminatoren der Handschrift En oder Ende sowie Emeterius genannt.257 Darunter ist in roten Minuskeln der Zeitpunkt der Fertigstellung des Codex festgehalten und zugleich politisch verortet, indem auf die in jenen Tagen tobenden Kämpfe zwischen Fredenando Flaginiz und muslimischen Truppen verwiesen wird.258 Gleichsam auf einem Tableau werden hier also die Daten zur Entstehung der Handschrift in Abhängigkeit zum hierarchisch stärker gewichteten OmegaBuchstaben im Zentrum der Seite angeordnet. Ähnliches lässt sich für die monumentale Darstellung des Omegas in der einige Jahre zuvor entstandenen Bibel aus Valeránica feststellen, welche in dieser Hinsicht die in demselben Kloster entstandene Moralia in Iob-Handschrift zum Vorbild hatte. Um den zentral platzierten Buchstaben sind unterhalb die Kompilatoren und Buchmaler Florentius und Sanctius dargestellt, die sich dem Buchstaben jeweils mit einem auf das eucharistische Opfer Christi verweisenden Kelch huldigend zuwenden
256 Zur Erzeugung von Lebendigkeit durch die „Selbstüberschreitung“ von Schrift: Kiening, Schrift (2008), 21–22. 257 Girona-Beatus, fol. 284r: D(OMI)NICVS ABBA LIBER FIERI PRECEPIT / EN DEPINTRINX [oder: Ende pintrinx] ET D(E)I AIUTRIX FR(A)T(E)R EMETERIVS ET PR(E)S(BITE)R / INUENI PORTUM VOLUMINE VIa F IIa N(O)N(A)S IULIAS. IN IS DIEBUS ERAT FREDENANDO FLAGINIZ A UILLAS / TOLETA CIUITAS AD DEUELLANDO MAURITANIE. DISCURRENTE ERA M(I)LLESIMA XIIIa. Zum Kolophon siehe Kap. V.2. 258 Der Name lässt sich bisher nicht eindeutig zuweisen. Zu den Deutungsmöglichkeiten vgl. Marqués Casanovas, Codex (1962), 72.
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(Abb. 34).259 Ihre Haltung entspricht jenem an dieser Stelle schriftlich in zwei Textblöcken fixierten Dialog, der sich zwischen beiden, dem Meister und seinem Schüler, entspinnt. Der kurze Text stellt im Kern einen göttlichen Lobpreis dar und gibt ferner über die Fertigstellung der Handschrift Auskunft. Oberhalb des Buchstabens stehen sich in kompositorischer Entsprechung zu Florentius und Sanctius unten wiederum zwei Mönche, dieses Mal unbezeichnet, gegenüber. Ihre Hände verweisen auf ein zwischen ihnen angeordnetes, ebenfalls einem Surenteiler vergleichbares Blatt, welches das Omega bekrönt.260 Mit der Darstellung desselben Buchstabens im Girona-Beatus verbindet jene in der Bibelhandschrift die wohldurchdachte Anordnung der Bild- und Schriftelemente um eine klar formulierte Mitte in Gestalt des überdimensionierten Buchstabens. Diese relationale Anordnung von Bildelementen ist den Maiestas Domini-Darstellungen vergleichbar, in denen, wie auf folio 2 recto der Bibel aus Valeránica, die vier einem Kreis einbeschriebenen Wesen um ein Zentrum, den in einen größeren Kreis platzierten Christus-Gott, gruppiert sind (Abb. 29). Nicht an den Anfang, sondern an das Ende einer Handschrift ist die ganzseitige Darstellung einer Maiestas Agni im sogenannten Codex Aemilianense gebunden (Abb. 100).261 Das von einer Mandorla umgebene Lamm, welches die Beischrift initium et finis ergänzt, ist vor den Schnittpunkt eines Kreuzes gesetzt. Das Kreuz unterteilt die gerahmte Bildfläche in vier gleichgroße Segmente, in denen die apokalyptischen Wesen Platz gefunden haben und auf diese Weise dem Lamm unter- bzw. zugeordnet sind. Es wird also deutlich, dass in der Weise, wie die bildlichen und schriftlichen Elemente im Verhältnis zu den Alpha- und Omega-Buchstaben im Layout der Seite platziert sind, nicht nur Hierarchien zum Ausdruck gebracht, sondern auch Beziehungen in den Dimensionen von Zeit und Raum abgebildet werden. Während die Informationen zur materiellen Fertigstellung des Codex – im Girona-Beatus sogar zu Entstehungsort und Entstehungszeit – in die Randbereiche verlegt werden, ist der Gedanke des alle Zeiten und Räume umfassenden Gottes, symbolisiert durch das Omega, in das Zentrum der Seite gerückt. Auf diese Weise wird das Paradox von göttlicher und menschlicher Existenz auf der letzten Seite des Codex in eine sinnvolle Ordnung überführt, die diagrammatischen Zuschnitts ist – versteht man unter Diagramm eine relationale Anordnung geometrischer Grundform, welche das Verhältnis verschiedener Raum- und Zeitebenen simultan zu veranschaulichen hilft.262 Wirft man einen Blick auf die wenigen Codices aus anderen frühmittelalterlichen Manuskriptkulturen, die sich durch eine visuelle Gestaltung auf einem ihrer letzten Blätter aus259 Bibel aus Valeránica, fol. 504r: Florentius c(on)f(essor) / k(arissi)mo / miciq(ue) dilecto / discipulo atque gau/dio retaxando sanctioni pr(es)b(ite)ro benedicamus celi / quoq(ue) regem nos qui ad istius / libri finem venire p(er)misit / incolomes amen // Et iterum / dico magister / benedicam(u)s d(omi)n(u)m n(o)s(tru)m / Ih(es)um Xptum in secula seculor(um) / que nos perducat / ad regna celor(um) amen. Hier: Kat. I.15. 260 Auch hier sind unterhalb des Buchstabens zwei auf das zentral platzierte Omega verweisende Figuren dargestellt, die allerdings nicht namentlich bezeichnet sind. Die in den vier Ecken des Blattes platzierten Buchstaben ergeben zusammen den Schriftzug FINIS (hier: Kat. I.13, Abb. 20). 261 Codex Aemilianense, fol. 454r (hier: Kat. I.5). Hier gilt zu berücksichtigen, dass eine Überprüfung der Lagenstruktur nur begrenzt möglich war, da die Handschrift in einer sehr festen Bindung vorliegt. 262 Vgl. die Definition von Kathrin Müller, Diagramme (2008), 12–15; Obrist, Cosmologie (2004), 21–23.
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zeichnen, so findet sich auch hier die Tendenz zu schematischen Bildentwürfen.263 Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Theodulf-Bibel in der Pariser Bibliothèque nationale, die zwischen 800 und 825 datiert.264 Sie enthält eine Bibelredaktion, welche dem aus Spanien stammenden und für den karolingischen Hof wirkenden Theologen Theodulf von Orléans (760–821) zugeschrieben wird. Eine der letzten Seiten der Handschrift wird von einer überdimensionierten doppelten Kreisform dominiert, in die das Explicit Liber eingetragen ist (fol. 347r; Abb. 149). Der Kreis, dessen Rahmen mehrfarbige Blattornamente schmücken, wird jeweils oben und unten von einem zweizeiligen Text in goldener Schrift flankiert, in der Theodulf um seine Memoria bittet, das Ende seines Werkes festhält sowie dem Leser einen Segenswunsch mit auf den Weg gibt.265 Das Verhältnis zwischen dem Werk (die Bibel und ihre vorliegende Redaktion), dem Kompilator Theodulf, dem Leser sowie Gott ist, vergleichbar den Omega-Darstellungen aus den nordspanischen Handschriften, vom Zentrum der Seite, das heißt vom Kreis aus organisiert, der auch als O gelesen und damit als Omega gedeutet werden kann. Dass der vorliegende Text in der alle Zeiten und Räume umfassenden göttlichen Existenz aufgehoben ist, die letztlich auch als Autor der Schrift fungiert, wird in jenem, dem Kreis einbeschriebenen Explicit anschaulich. Als ein besonderes Moment dieses schematischen Bildentwurfs kann gelten, dass sich der Leser durch die Kraft seiner Vorstellung mit der zentralen Figuration ins Benehmen setzen kann: Denn die Buchstaben des Explicits sind innerhalb des Kreises so angeordnet, dass sie in Gedanken verbunden eine Kreuzform ergeben. Eine andere nun kartografische Lösung, um das Verhältnis von Codex, Kompilator und göttlicher Existenz zu beschreiben, ist auf der Schlussseite eines irischen Evangeliars, dem sogenannten Book of Mulling, entworfen (Abb. 150).266 In dieser in der zweiten Hälfte des 8. oder ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts im irischen Kloster St. Mullins entstandenen Handschrift findet sich auf der Rückseite des letzten Blattes im Anschluss an ein Kolophon und an eine Reihe von Gebeten eine heute kaum noch lesbare Federzeichnung:267 Innerhalb und außerhalb eines doppelten Kreises sind verschiedene Kreuze hierarchisch angeordnet und jeweils durch Beischriften mit alt- und neutestamentarischen Personen in altirischer Sprache verbunden. Während diejenigen im Zentrum mit Christus, den Aposteln, dem Heiligen Geist und den Engeln gleichgesetzt sind, wurden die außerhalb platzierten Kreuze, deren 263 Ich kann hier auf die Arbeit von Lawrence Nees, Colophon drawing (1983), zurückgreifen, der bisher Schlussdarstellungen in frühmittelalterlichen Handschriften in den Blick genommen hat. 264 Paris, BnF, Ms. lat. 9380. Vgl. zuletzt Ausst.-Kat. Trésors carolingiens (2007), 161–162, Kat. 38 (Eintrag M.-P. Laffitte); weiterhin: Vieillard-Troiekouroff, Bibles de Théodulphe (1968); dies., Bibles de Théodulphe (1975). 265 ViVE DEO FeLiX PeR PLvRiMa TeMPoRa LEcToR / THEODvLFi NEc SIS IN MeMoR ORo TUi // FiNiS ADeSt OPeRi HiS QviBvs Est Per AGeNTiBvs AcTvM / SiT PaX ViTa SaLvS Et TiBi LEcToR AVE. 266 Das Manuskript, welches 165 x 118 mm misst, liegt in Dublin, Trinity College, Ms. 60. Zur bildlichen Ausstattung gehören ferner drei Evangelistenbildnisse. Die Handschrift entstand entweder im Kloster St. Mullins (County Carlow), welches der Hl. Moling († 697) gegründet hatte, oder in einem Kloster, das diesen Heiligen als Patron führte: vgl. Nees, Colophone drawing (1983). 267 Die Zeichnung befindet sich auf fol. 94v. Auf der Vorderseite, fol. 94r, endet das Evangelium des Johannes, welches durch ein Kolophon abgeschlossen ist. Die liturgischen Gebete folgen auf fol. 94v oben. Die Handschrift ist überwiegend in Latein abgefasst.
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Position an den Himmelsrichtungen ausgerichtet ist, den Evangelisten und den vier großen Propheten (Jeremiah, Daniel, Ezechiel, Isaiah) zugeordnet. Demnach ist in der Zeichnung die himmlische Hierarchie in eine spirituelle Topographie überführt.268 Am Ende des Codex ist also eine ideelle Landschaft entworfen, zu der sich die Klostergemeinschaft, repräsentiert durch das Evangeliar, ins Verhältnis setzt, denn im Kolophon auf der Seite zuvor gibt sich nicht ein Mönch als Schreiber zu erkennen, sondern vielmehr der Klosterpatron, der Hl. Moling, selbst. Lawrence Nees geht davon aus, dass das Evangeliar aufgrund seiner Größe zu mobilen Zwecken diente. In diesem Sinne erweist sich das mit der Karte versehene Buch gleich einem Kompass, welcher dem reisenden Mönch die Möglichkeit bot, sich als Mitglied einer monastischen Gemeinschaft an jedem irdischen Platz spirituell, in ein und derselben himmlischen Topographie zu verorten. Die Vergleichsbeispiele aus der Theodulf-Bibel sowie dem Book of Mulling sind nicht dazu gedacht, eine ikonographische Genese von abschließenden Zeichnungen und Miniaturen zu erarbeiten. Gleichwohl zeigt sich in diesen wie in den nordspanischen Manuskripten das Interesse, gerade auf den letzten Blättern den Codex in übergeordnete Zusammenhänge einzubinden: Mithilfe schematischer oder kartographischer Bildlösungen wird ein Gedankengebäude entworfen, in das der Codex abgelegt und eingeräumt werden kann; wobei dieser nur das Medium für diejenigen ist, die für seine Herstellung verantwortlich zeichnen. In den Handschriften aus den Klöstern des heutigen zentralen Nordspaniens ist diese Einbettung nicht nur Bildthema, sondern sie erschließt sich auch aus dem Medium des Codex, wenn dessen Texte durch die Alpha- und Omega-Zierseiten umschlossen sind. Ganzseitige Figurationen des Alphas und Omegas kennzeichnen nur einen Teil der hier ausgewählten nordspanischen Handschriften. Gleichwohl zeigen auch jene individuelle Lösungen anbietende Gestaltungsweisen, dass der Abschluss eines Manuskriptes immer auch mit einer Öffnung für übergeordnete Zusammenhänge einhergeht. Der Liber Psalmorum Ferdinands I. von León und seiner Frau Sancha beschließt ein Kolophon, in dem die Namen der Auftraggeberin Sancha, des Illuminators Fructosus und des Schreibers Petrus sowie eine Datierung in goldenen Majuskeln auf einem gerahmten Purpurfeld dokumentiert sind (Abb. 113).269 Die Verbindung von goldenen Buchstaben und Purpur, die die Ausstattung des Liber Psalmorum generell kennzeichnet, weist auf karolingische und ottonische Handschriften als Vorbilder, denn Purpur wird in der Regel in den hier untersuchten nordspanischen Handschriften nicht verwendet und selbst Gold nur sparsam eingesetzt. Das leonesische Königspaar stellt sich damit deutlich in die Tradition karolingischer und ottonischer Herrscher als Auftraggeber und Stifter von Handschriften. Die insgesamt sechs Textzeilen des Eintrags sind von einem goldenen Flechtwerk umrahmt, welches in regelmäßigen Abständen Flächen dergestalt ausspart, dass verschiedene 268 Nees, Colophone Drawing (1983), 81, hat in diesem Zusammenhang auf die strukturellen Parallelen zwischen der Anordnung der Kreuze zueinander und der Komposition von Maiestas Domini-Darstellungen in karolingischen Handschriften aufmerksam gemacht: vgl. die Art und Weise, wie die Evangelisten und vier großen Propheten um die zentral platzierte Maiestas Domini auf fol. 329v in der Bibel Karls des Kahlen od. Vivian-Bibel aus der Mitte des 9. Jh. platziert sind (Paris, BnF, Ms. lat. 1). Abb. in Williams, Bible (1999), 142, Abb. 10. 269 Liber Psalmorum, fol. 208v (hier: Kat. IV.3).
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Formen, vor allem Kreuzformen, entstehen – eine Darstellungstradition, die sich bis in die insulare Buchmalerei zurückverfolgen lässt. Während ein zentral positioniertes Kreuz golden ausgefüllt ist, sind alle anderen als geformte Leerstelle erhalten, deren Kontrast aus dem goldenen Flechtwerk und einem dunklen, annähernd blauen Hintergrund entsteht. Auf diese Weise kennzeichnet die Gestaltung der Seite zugleich Durchlässigkeit und Schließung. Der Liber Psalmorum steht in diesem Sinne für eine Vermischung verschiedener Traditionen. Zwar orientierte man sich an Gestaltungsweisen karolingischer und ottonischer Manuskripte. Allerdings ist der Gedanke, das Ende eines Codex visuell hervorzuheben und darüber hinaus in den beschließenden Strukturen zugleich Öffnungen mit weitergehenden Assoziationsangeboten bereitzuhalten, für die nordspanischen Handschriften ausgesprochen typisch. Dies trifft auch auf den Codex Albeldense aus dem Jahre 976 zu, dessen letzte Illumination sich auf dem vorletzten Blatt befindet (fol. 428r; Abb. 88).270 Die ganzseitige Miniatur wendet sich dem Codex und damit dem letzten darin kompilierten Text, dem Liber Iudicium, zu, der das zivile Recht der Westgoten enthält. In der dem Ende des Liber gegenüberstehenden ganzseitigen Miniatur sind auf drei Registern all jene versammelt, denen man offensichtlich die Beteiligung an der Entstehung des Liber Iudicium und ihrer nachfolgenden Überlieferung zuschrieb.271 Die jeweiligen Aufgaben der dargestellten Personen, die innerhalb der Miniatur namentlich gekennzeichnet sind, werden durch zeitgleiche Beischriften in der Marginalspalte erläutert. So treten im unteren Register die Kompilatoren Vigila, Sarracino und Garsea zusammen, denen die Herstellung des Codex übertragen wurde: SARRACINUS SOCIUS / VIGILA SCRIBA / GARSEA DISCIPULUS. In der Marginalspalte sind sie als diejenigen angesprochen, die den Liber ‚hervorgebracht‘ haben.272 Während in der Gruppe der Mönche Sarracino als Gefährte des Vigila firmiert, tritt Garsea als Schüler in Erscheinung. Hingegen ist Vigila in der Mitte der unteren Bildzeile als Bezugsperson dargestellt, was vermuten lässt, dass er das Buchprojekt verantwortete. Über den Mönchen sind die ebenfalls durch Beischriften identifizierbaren Mitglieder des Königshauses von Navarra dargestellt: URRACA REGINA / SANCIO REX / RANIMIRUS REX. Sie werden als diejenigen bezeichnet, in deren Regierungszeit die Entstehung des vorliegenden Werkes fiel.273 Über allen thronen schließlich im oberen Register drei westgotische Herrscher des 7. Jahrhunderts, CINDASUINCTUS REX / RECESUINCTUS REX / EGICA REX, die die Randnotiz als die Urheber der im Liber Iudicium gebündelten Gesetze ausweist.274 Den insgesamt sechs Protagonisten ist jeweils ein eigenes farbiges Feld zugewiesen, welches in den Ecken durch kleine 270 Zur Handschrift vgl. Kat. I.5. Zur letzten Lage siehe das Schema Abb. S. 146. 271 Zur Darstellung vgl. auch Kap. V.3. 272 In der Marginalspalte wird nicht socius gewählt, um Sarracinos Status zu definieren, sondern sodalis. Uigila scriba cum sodale sarracino presbitero pariterque cum garsea discipulo suo edidit hunc librum mementote memorie eorum semper in benedictione. In dem Glossar aus San Millán de la Cogolla (Madrid, RAH, Ms. 31; vgl. Anm. 44) wird edidit mit peperit, hervorbringen, und mit scribsit, schreiben, gleichgesetzt: Códice emilianense, 321 (fol. 50v). 273 In tempore horum regum atque regine perfectum est opus libri hujus discurrente era TXIIII. 274 Hii sunt reges qui abtaverunt Iudicium. Eine Urkunde aus dem Jahre 976 nennt Reccesvinth einen legum magister: Rucquoi, Création du droit (2002), 133, Anm. 61.
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Kreise, die an Nägel- oder Nietenköpfe erinnern, gleichsam fixiert scheint.275 Es wurde also für die letzte, dem Codex zugewandte Darstellung eine Gestaltungsweise gewählt, die an die mit Platten beschlagenen Oberflächen von Schatzkunstobjekten276 oder auch Prachteinbänden erinnert.277 Zwar markiert die Miniatur das Ende des Liber Iudicium und auch des Codex sowohl durch Position und Gestaltungsweise, jedoch folgen noch zwei Gedichte, die Vigila, dem Kompilator des Codex, zugeschrieben werden und den eigentlichen Abschluss der Handschrift bilden. Wenn in anderen Handschriften auf bildlicher Ebene eine Einordnung in übergeordnete göttliche Zusammenhänge erfolgt, so wird dies hier auf literarischer Ebene vollzogen, wobei der Schwerpunkt deutlich auf den Schreibern und den Konvent gelegt wird. So geht es Vigila im ersten Gedicht auf folio 428 verso darum, seine kompilatorische Leistung in den Vordergrund zu rücken.278 Diese ist mit der selbstbewussten Feststellung verbunden, dass sein Werk ihm und seinem Schreiberkollegen Sarracino verhelfen wird, in das Buch des Lebens eingetragen und in die ‚Hallen des Himmels‘ aufgenommen zu werden.279 Im letzten Gedicht auf folio 429 recto richtet sich hingegen die Aufmerksamkeit auf den Konvent (Abb. 89). Vigila beschreibt diesen als ‚heilige Halle des Hl. Martin‘, wodurch ein direkter Bezug zu den ‚Hallen des Himmels‘ in dem vorangehenden Gedicht hergestellt wird. So wie ferner der Glanz Gottes die ‚Maschine der Welt‘ erfülle, so soll Christus, das Wort Gottes, dafür Sorge tragen, dass auch die ‚Hallen des Hl. Martin‘ im Glanz erstrahlen.280 Das so erwünschte Aufgehobensein der monastischen Gemeinschaft wird schließlich 275 Hierauf hat Silva y Verástegui, Papel (1987), 32, hingewiesen und überlegt, ob den Darstellungen bemalte Bildnis-Tafeln zugrunde liegen. Weil es für solche Tafeln überhaupt keine Vergleichsbeispiele gibt, ist das zu bezweifeln. 276 Vgl. etwa ein von Alfons III. und seiner Frau Jimena um 900 in Auftrag gegebenes und mit vergoldeten Silberplatten beschlagenes Kästchen in Astorga, Museo de la Catedral, 16 x 30 x 19,5 cm: Ausst.-Kat. The Art of Medieval Spain (1993), 142–143, Kat. 70 mit Abb. (Eintrag C.T. Little); ferner ein späteres Kästchen, in das Elfenbeinplatten eingelassen sind und das als Reliquiar des Hl. Pelagius diente, dat. 1059 oder früher, heute León, Real Colegiata de San Isidoro, 30,5 x 48 x 26,2 cm: ebd., 236–238, Kat. 109 mit Abb. (Eintrag D. Walker und J. Williams). 277 Zum Problem fehlender Prachteinbände aus dieser Zeit vgl. Anm. 147 u. 148. 278 VIRTVS NEMPE CRISTI MICI SOLACIUM VIGILANI PREBENS HVMILLIMO SEPE / INCEPTA CANONIS SACRI HUI(VS) LIBRI AD CALCEM OPERA PERDUXI NABITER / GLOBANS EN VIVIDA ALMORUM FLORIDA PATRUM ORIENTUM CLARA CONCILIA / INGENTIA DEHINC NE(C)TENS ALMIFICA REGUM AC PRESULUM OCCIDENTALIUM […]. Vgl. Abb. in García Turza, Codice Albeldense (2002), 106. 279 INLUSTRI MERITO UNA CUM OPERE TURMIS SIDEREIS ATQ(VE) CELICOLIS / NOSTROR(VM) NOMINA LIBRO UITE SCRIBTA COUNEMUR IPSIS IN ATRIA CELI / VERNANTIA PURA ATQ(VE) FLORIGERA UIBORUM FRUENTES CVMULATO FRUCTV / SARRACINVS SALBI IPSEQ(VE) VIGILA MAGISTRI OBTIMI ADIUBATI PRECE / QUOR(VM) DIGESSIM(VS) CLARA NUNC NOMINA S(C)RIBTORES GEMINIQUE TENET LIBER HIQ / UNATIM POST ILLUC UNITI IUGITER IPSIS CONLETEMUR ANGELOR(VM) CETU […]. 280 O DEI VERBUM PATRIS ORE PRODITUM / RUTILANT NUTU CUI(VS) MUNDI MACINA / ETERNVM TUUM UT FRUAMUR DULCITER / XPE ORAMUS NOBIS IAM ADUENIAT / GAUDIUM MAGNU(M) SERBIENTIB(VS) TIBI / ENIXE CUNCTI PETIM(VS) UT MUNIMEN /
Alpha und Omega – Anfang und Ende 61
auch in einem Akrostichon und Telestichon zum Thema, in dem Gott, der das Kloster beschützen möge, als der Anfang und das Ende beschrieben ist.281 Zwar stellt die letzte Miniatur des Codex in gestalterischer Hinsicht einen Schlusspunkt dar. Gleichwohl ist kein Schlusspunkt gesetzt. Indem die nachfolgenden Gedichte Schreiber und Konvent in einen übergeordneten Zusammenhang einordnen, wird deutlich, dass das eigentliche Ende nicht auf der letzten Seite eines Codex oder seinem rückseitigen Deckel zu suchen, sondern bei Gott zu finden ist.
NABUM HIC PRESTES TUI ALMI MARTINI / IUBAR ENITE(N)S SEMPER IN HIS ATRIIS / TUA ET ALMA FULGEAT HIC GLORIA / ET GLORIOSU(M) ADSPIRET UER(VM) LUMEN […]. 281 O REX GENITE INITIUM FINISQUE // CRISTE INGENITI PATRIS LVMEN – MARTINI SANCTISSIMI ATRIUM T//VERE AC SALVA MONACORUM AMEN.
III. Der Codex als heiliger Raum
1572 reiste der Hieronymitaner Ambrosio de Morales (1513-1591) im Auftrag König Philipps II. (1527–1598) nach Galicien, León und Asturien, um sich in den dortigen Kathedral- und Klosterbibliotheken einen Überblick über den Bestand von Reliquien, Königsgräbern, vor allem aber mittelalterlichen Manuskripten spanischer Provenienz zu verschaffen und gegebenenfalls einzelne Werke für die Bibliothek der seit 1563 errichteten Klosterresidenz, den El Escorial, zu sichern.282 Seine Reisebeschreibungen spiegeln ein besonderes Interesse an frühmittelalterlichen Codices wider, die in westgotischer Schrift verfasst waren. Dabei bemühte sich Morales, die Inhalte der Handschriften, ihre zeitliche Einordnung sowie ihre Ausstattungsmerkmale zu erfassen. Als eine Art Markenzeichen treten in den Beschreibungen Kreuzdarstellungen hervor, die stets den Beginn der Manuskripte markieren. In Bezug auf eine ihm im Kloster Sahagún vorgelegte Handschrift kanonischen Rechts schrieb Morales: […] es de letra Gothica, y tiene luego al principio pintada la Santa Cruz de Oviedo, y luego la cifra ordinaria en que dice: Theodemiri Abbatis Liber. Digo la cifra ordinaria que suelen tener estos Libros Gothicos, que se lee à todas partes […].283 Neben dem Kreuz, das am Beginn der Handschrift illuminiert ist und den Hieronymitaner an jenes Kreuzreliquiar erinnert, das der asturische König Alfons II. (791–842) 808 der Kathedrale in Oviedo gestiftet hatte, wird mit cifra ordinaria ein weiteres wichtiges Ausstattungsmerkmal dieser und anderer Manuskripte genannt. Damit können nur die vielfarbigen Buchstabenlabyrinthe gemeint sein, welche die Namen von Klosterpatronen, Äbten und Schreibern respektive Illuminatoren enthalten und die innerhalb der Codices häufig den Kreuzminiaturen direkt gegenüber angeordnet sind. Was Ambrosio de Morales’ Aufmerksamkeit im 16. Jahrhundert weckte, entspricht auch dem heutigen Befund: Ganzseitige Kreuzdarstellungen und die ihnen oft gegenüber platzierten Buchstabenlabyrinthe bestimmen die visuelle Gestaltung nordspanischer Handschriften, die aus dem 10. und 11. Jahrhundert überliefert sind (Abb. 12, 13). Sie sind hierin zumeist an den Beginn, in seltenen Fällen auch an das Ende des Codex gesetzt. Hier seien zunächst
282 Im Einzelnen ist die Erwerbungspolitik erarbeitet bei: Andrés, Historia (1972–1974); ders., Códices (1992). Vgl. auch García Oro, Reyes (1994), Kap. III. 283 Ambrosio de Morales, Viaje, 32.
Der Codex als heiliger Raum 63
die Kreuzdarstellungen284 herausgegriffen und nach ihrer Funktion innerhalb der Codices befragt, wobei insbesondere zwei bereits durch Morales benannte Eigenheiten beschäftigen werden: zum einen der Bezug der Kreuzminiaturen zu den älteren asturischen Metallkreuzen, zum anderen ihre Platzierung am Beginn des Codex, die strukturelle und inhaltliche Zusammenhänge zum gebauten Kirchenraum und seiner Ausstattung erkennen lässt. Die ganzseitigen Kreuzminiaturen in den nordspanischen Handschriften stellen kein singuläres Phänomen dar, sondern gehören auch in anderen europäischen Manuskriptkulturen zur bildlichen Standarderöffnung verschiedener Textgattungen: Monumentale Kreuzminiaturen gehen etwa den Bibelkommentaren in einer Gruppe nordfranzösischer Handschriften des 8. Jahrhunderts voraus,285 oder sie leiten normative Texte ein, wie die zeitgleich entstandene Benediktregel aus einem süddeutschen Kloster (Abb. 142).286 In angelsächsischen Handschriften des 7. und 8. Jahrhunderts sind sie am Beginn von Evangeliaren platziert oder aber den einzelnen hierin enthaltenen neutestamentarischen Büchern vorgeblendet, wie das Book of Durrow oder die Lindisfarne Gospels belegen.287 Im Vergleich zu diesen frühen Beispielen lassen sich die Kreuze in den nordspanischen Handschriften erst zu einem Zeitpunkt nachweisen, als sie anderorts im lateinischen Europa kaum mehr auftraten. Stattdessen waren sie dort bereits von der Darstellung des Gekreuzigten abgelöst worden, während die Kreuzigung in den Königreichen León, dem späteren León-Kastilien, sowie Navarra bis in das 12. Jahrhundert hinein kaum eine Rolle spielte.288 Auch in anderen Medien wurden sie nur zögerlich aufgegriffen.289 Eine andere darstellungsgeschichtliche Tradition des Kreuzes kennzeichnet die Herrschaftsbereiche des östlichen Mittelmeerraums: Schon seit dem 7. Jahrhundert sind ganzsei284 Ein Großteil der handschriftlichen Beispiele findet sich zusammengestellt bei: Fernández Pajares, Cruz de los Angeles (1962); Bischoff, Kreuz (1967); Cid Priego, Relaciones (1990). Zu den Kreuzdarstellungen zuletzt: Böse, Schwelle (2012). 285 Vgl. Augustinus’ Quaestiones in Heptateuchum, Laon, 750–770 (Paris, BnF, Ms. lat. 12168, fol. Cv); Gregorius in Ezechielem, letztes V. 7. Jh. (St. Petersburg, Russische Nationalbibliothek, Ms. lat. Q. v. I. 14, fol. 1v, 2r, 2v), hier sind monumentale Kreuze auf drei hintereinanderfolgenden Seiten platziert: Tewes, Luxeuil (2011), 52–78, 171–174, Kat. 15. 286 Regula S. Benedicti, Tegernsee, E. 8. Jh. (Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 19408, fol. 2r), vgl. Anm. 69. Vgl. auch ein Lektionar aus Freising, um 815–825 (Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 6424, fol. 3v); Bierbrauer, Handschrift (1990), 27–28, Kat. 32. 287 Book of Durrow, 2. H. 7. Jh. (Dublin, Trinity College, Ms. A. 4. 5. [57]); Lindisfarne Gospels, ca. 715–720 (London, British Library, Ms. Cotton Nero D.iv). Lit. vgl. Anm. 13. – Im Unterschied dazu rücken Kreuze in den Sakramentaren weiter nach hinten bzw. sind über den Codex verteilt, wo sie die drei Hauptabschnitte des Textes markieren: Bischoff, Kreuz (1967); Pächt, Buchmalerei (1984), 38. 288 Vgl. Bischoff, Kreuz (1967), 301. Singulär für das 10. Jh. ist die Darstellung eines Gekreuzigten auf fol. 16v des Girona-Beatus (hier: Kat. II.6): vgl. Yarza Luaces, Iconografía (1974), 18–26. 289 In diesem Sinne stimulierend erwies sich der Königshof in León: vgl. den Elfenbeinkruzifixus von ca. 1063, der von Ferdinand I. und seiner Frau Sancha für die Kollegiatskirche San Isidoro in León gestiftet wurde. Ein weiterer Elfenbeinkruzifixus, der zugleich als Reliquiar diente, dat. ins letzte V. d. 11. Jh., wird gleichfalls nach León verortet: Ausst.-Kat. The Art of Medieval Spain (1993), 244, Kat. 111; 248, Kat. 114. Vgl. ferner die Darstellung einer Kreuzigung in den Ende des 11. Jh. ausgeführten Wandmalereien im Panteón de los Reyes, Begräbnisstätte der leonesischen Königsfamilie, die an der Westseite von San Isidoro in León errichtet wurde: Walker, Panteón de los Reyes (2000), Abb. 1.
64 Der Codex als heiliger Raum
tige Kreuzminiaturen in syrischen und armenischen, aber auch griechischen Handschriften zu finden, in denen sie den jeweiligen Inhalten sowohl voran- als auch nachstehen.290 Während sie in den syrischen Codices zunächst im 6. und 7. Jahrhundert verbreitet waren, dann wieder im 11. Jahrhundert eine Renaissance erfuhren, sind sie in armenischen und griechischen Manuskripten konstant überliefert. Berücksichtigt man also, dass an der östlichen Peripherie des Mittelmeerraums ähnliche Phänomene auftraten wie an der westlichen Peripherie, so stellt sich die Frage, inwiefern nicht gerade die Iberische Halbinsel als Zentrum eines Kulturtransfers zu werten ist. Vereinzelt sind Kreuzdarstellungen bereits in asturischen Manuskripten des 9. Jahrhunderts erhalten, die am Königshof in Oviedo entstanden sind.291 Dies belegen die um 900 für den asturischen König Alfons III. kompilierten Etymologien des Isidor von Sevilla.292 Hierin steht das Kreuz auf folio 6 verso wie eine Invokation dem Incipit des Textes direkt voran (Abb. 5).293 Davon unterscheiden sich jedoch die Kreuze in den späteren Codices des 10. und 11. Jahrhunderts vor allem durch ihre monumentale Größe, aber auch durch ihre formalen Eigenheiten signifikant. Im Unterschied zu den jeweils individuell gestalteten, filigranen Zeichen in den asturischen Manuskripten sind die späteren Kreuzfigurationen durch eine Reihe gemeinsamer Merkmale gekennzeichnet: Zumeist entsprechen die Kreuze dem griechischen Typus. Nur einige wenige Beispiele, die ausnahmslos in das 10. und frühe 11. Jahrhundert datieren, treten mit einer klaren lateinischen Kreuzform in Erscheinung.294 Indem alle Darstellungen mit einem Fuß ausgestattet sind, evozieren sie tragbare, in der 290 Vgl. ein syrisches Evangeliar, 6. od. 7. Jh. (London, BL, Ms. Add. Or. 12137, fol. 1v, 214r). Leroy, Manuscrits Syriaques (1964), 119, Anm. 4; Nees, Syriac Manuscripts (1980–1981), 132. 291 Vgl. die Kreuzdarstellungen in drei Handschriften, die heute in der Bibliothek des El Escorial aufbewahrt werden: Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Cod. P.I.8, fol. 6r, dat. 9. Jh. (hier: Kat. II.1); und Cod. P.I.7, fol. 6v, dat. um 900 (nachfolgend: Etymologien Alfons III., hier: Kat. III.2); ferner Isidorus Hispalensis, Sententiarum, Cod. T.II.25, fol. 2r, letztes V. 9. Jh. (hier: Kat. III.1). 292 Etymologien Alfons III., fol. 6v (hier: Kat. III.2) – Alfons III. ist der erste der asturischen Könige, aus dessen Besitz Codices überliefert sind. Zu seinen Bücherschenkungen: Ausst.-Kat. Les rois bibliophiles (1985), 19. 293 In Cod. P.I.8 (hier: Kat. II.1) ist das Kreuz vor jene die Etymologien einleitende Widmung Isidors an den Westgotenkönig Sisebut (reg. 612–621) gerückt; in Cod. T.II.25 (hier: Kat. III.1), der nachweislich Alfons III. gehörte, bildet das in der Marginalspalte platzierte Zeichen den Auftakt der Capitula de libro sententiarum. – Zu den Kreuzinvokationen vgl. auch die Inschriften auf asturischen Schatzkunstobjekten: bspw. auf der Bodenplatte der Caja de las Ágatas, dat. 910, 17 x 42 x 27 cm, Oviedo, Cámara Santa: Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), Taf. 53b; ferner in asturischen Urkunden, bspw. die Schenkungsurkunde Alfons II., ausgestellt für die Kathedrale von Oviedo, 16.11.812 (im Orig. in d. Kathedrale v. Oviedo): Floriano Cumbreño, Diplomatica (1949), Bd. 1, 118–131, Nr. 24, mit Abb. 294 Etwa Gregor d. Gr., Moralia in Iob (Toledo, Biblioteca Capitular, Ms. 11–4, fol. 1v, nachfolgend: Moralia in Iob in Toledo, hier: Kat. II.4, Abb. 12) – Kreuze, deren Formen sich nicht eindeutig dem griechischen oder lateinischen Typus zuordnen lassen, weil jeweils der untere Kreuzarm nur leicht verlängert ist, finden sich in folgenden Hss.: Antiphonar in León, fol. 5v (hier: Kat. II.3); ein illuminierter Apokalypsekommentar, Kloster Valcavado, dat. 970 (hte. Valladolid, Universidad, Ms. 433, fol. 1v, nachfolgend: Valcavado-Beatus, hier: Kat. I.12); Bibel, Santa María y San Martín de Albares, 920 (hte. León, Archivo Catedralicio, Ms. 6, fol. 1v, nachfolgend: Bibel aus Albares, hier: Kat. I.9); ein illuminierter Apokalypsekommentar aus San Millán de la Cogolla, dat. um 1000/E. 11. Jh. (Madrid, RAH, Ms. 33, fol. 3v, nachfolgend: San Millán-Beatus, hier: Kat. II.8); Codex Albeldense, fol. 18v (hier: Kat. I.4).
Der Codex als heiliger Raum 65
Liturgie und in Prozessionen verwendete Metallkreuze. Während der Kreuzungspunkt oft durch ein Medaillon hervorgehoben ist, sind die seitlichen Arme, die nach außen hin breiter werden, mit Pendilien in Form der Buchstaben Alpha und Omega ausgestattet. Zumeist werden die Kreuzdarstellungen durch Inschriften ergänzt, die in zwei oder vier Teile gegliedert in jene durch die Arme ausgesparten Bildräume platziert sind. Die ganzseitigen Kreuzminiaturen vergegenwärtigen die herrschaftliche und richterliche Rolle Christi am Ende der Tage. Es sind insbesondere die Pendilien Alpha und Omega, welche auf den eschatologischen Moment und damit auf die hier thematisierte Bedeutung des Kreuzes verweisen – als das Zeichen, das dem Erscheinen des Weltenrichters und damit dem secundus adventus als Lichtzeichen vorausgeht (Mt 24,29-30). Auf die Erscheinung als Lichtzeichen deuten die oberhalb der seitlichen Arme dargestellten Flammenschalen hin, die sich manchmal als so stilisiert erweisen, dass sie als solche kaum mehr zu identifizieren sind. Dem eschatologischen Kontext entsprechend sind die Kreuze häufig durch das Lamm sowie die vier Wesen ergänzt. Manchmal ersetzt das Lamm den Kreuzfuß dergestalt, dass es das Zeichen auf einem seiner Vorderläufe mit Leichtigkeit zu balancieren scheint – ein Motiv, das bereits in der asturischen Schatzkunst vorgebildet war.295 Es haben sich ferner Kreuzminiaturen erhalten, in denen das Lamm das zentrale Medaillon im Kreuzungspunkt ziert.296 In einer durch Ferdinand I., König von León, und seiner Frau Sancha in Auftrag gegebenen Handschrift, die Beatus’ Kommentar zur Apokalypse und Hieronymus’ Auslegung des Buchs Daniel enthält, ist das kreuztragende Lamm von je drei als Heilige ausgezeichneten und ein Saiteninstrument spielenden Figuren flankiert (Abb. 104).297 Sie verweisen möglicherweise auf jene Stimmen, die Johannes beim Anblick des Lamms an Harfenmusik erinnern (Off 14,1-2).298 Den Erscheinungscharakter des Kreuzes unterstreichen ferner Engel, die in zwei aus dem Kloster San Millán de la Cogolla stammenden Handschriften zu beiden Seiten des Kreuzes in den Bogen der das Kreuz rahmenden Arkade greifen (Abb. 91).299 In den nordspanischen Handschriften treten sie oft in Darstel-
295 Vgl. die Unterseite eines Kästchens, welches Alfons III. und seine Frau Jimena Genadio, dem Bischof von Astorga, schenkten, dat. 900–910, 31 x 26 x 19 cm, Astorga, Museo de la Catedral: Ausst.-Kat. The Art of Medieval Spain (1993), 142–143, Kat. 70, mit Abb., vgl. auch Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 183, Taf. 52. – Dieses Motiv findet sich in folgenden Handschriften des 10./11. Jh.: Liber Commicus, 1073, Madrid, RAH, Ms. 22, fol. 3v (nachfolgend: Liber Commicus aus San Millán, hier: Kat. I.6), Abb. in Ruiz García, Catálogo (1997), Abb. 10; Silos-Beatus, fol. 2v (hier: Kat. I.11, Abb. 131). 296 Vgl. die Kreuzdarstellung im San Millán-Beatus, fol. 1v: die Enden der Kreuzarme schmücken die vier apokalyptischen Wesen (hier: Kat. II.8) – Für die Abb. vgl. http://bibliotecadigital.rah.es/dgbrah/es/ consulta/resultados_busqueda_restringida.cmd?presentacion=mosaico&idOrigen=115810&tipoResul tados=BIB&busq_materiasumario=C%C3%B3dices&descrip_materiasumario=C%C3%B3dices [letzter Zugriff: 27.2.2017]. 297 Beatus-Handschrift Ferdinands I., fol. 6v (hier: Kat. IV.2). 298 Et vidi et ecce agnus stabat […] et vocem quam audivi sicut cithareodorum citharizantium in citharis suis. Biblia Sacra (2007), 1895. 299 Liber Commicus aus San Millán, fol. 3v (hier: Kat. I.6), Abb. in Ruiz García, Catálogo (1997), Abb. 10; sowie Codex Aemilianense, fol. 16v (hier: Kat. I.5, Abb. 91).
66 Der Codex als heiliger Raum
lungen visionärer Thematik300 auf und lassen sich motivgeschichtlich bis in die frühchristliche Zeit zurückverfolgen.301 Auch wenn die Gestaltungsweise der Kreuze variiert, an ihrer inhaltlichen Ausrichtung – der Vergegenwärtigung des endzeitlichen Gerichts – änderte sich im 10. und 11. Jahrhundert kaum etwas. Gleichwohl können vereinzelt andere Aspekte hinzukommen: Im Codex Albeldense könnte man die Gestaltung der Arkade, die das Kreuz auf folio 18 verso rahmt, für dessen Deutung als Lebensbaum heranziehen (Abb. 73).302 Hier tragen die Tierköpfe, die sich aus jenem die Basen und Kapitelle bildenden Flechtwerk emporranken, Pflanzenzweige in ihren Schnäbeln oder Mäulern. Die Vorstellung jenes das neue Paradies offenbarenden Lebensbaums ist mehrfach im Liber Ordinum der westgotischen Kirche nachweisbar.303 Im etwa zeitgleich entstandenen Girona-Beatus wird das goldfarbene Kreuz auf folio 1 verso von der Lanze des Longinus und dem mit einem Schwamm bestückten Stab des Stephaton als Zeichen der Passion Christi flankiert. Diese für die hier untersuchten nordspanischen Codices einzigartige Bildlösung erklärt sich aus dem Handschriftenzusammenhang, denn der Girona-Beatus wird durch einen Zyklus zum Leben und zur Passion Jesu Christi eröffnet (Abb. 43).304 Jene die Kreuzminiaturen begleitenden Inschriften unterstreichen den Bezug zum visionären Weltgericht und ergänzen die Bildaussage um weitere Aspekte: Im 10. Jahrhundert sind die Kreuzminiaturen durch die Inschrift Hoc signo tuetur pius – in hoc signo vincitur inimicus dominiert (Durch dieses Zeichen wird der Fromme geschützt, in diesem Zeichen
300 Vgl. eine Maiestas Domini-Darstellung auf fol. 2r in der Moralia in Iob-Handschrift aus Valeránica, dat. 945 (hier: Kat. I.13, Abb. 16). Hier halten zwei Engel den zentralen Clipeus, in dem ChristusGott erscheint. Siehe auch eine in San Millán zusammengestellte Handschrift, hte. Madrid, RAH, Ms. 39, deren erster Teil, Homilien enthaltend, ein in einem Clipeus eingeschlossenes Brustbild Christi auf fol. 5r enthält. Der Clipeus wird von Engeln über dem Haupt des Apostels Johannes gehalten und ist hier als dessen Vision zu deuten: vgl. Ruiz García, Catálogo (1997), 257–264, mit weiterf. Lit. 301 Vgl. Clipeus oder Kranz, von zwei Engeln gehalten, in dem ein Kreuz eingeschlossen ist: Textilfragment, 5.-frühes 6. Jh.; ferner ein Elfenbeintäfelchen, Syrien, 6.–8. Jh.: Ausst.-Kat. Age of Spirituality (1977), 510, 535–536, Abb. 458. – Auch in der westgotischen Kunst finden sich von Engeln getragene Clipei: vgl. die Reliefs in der Kirche Quintanilla de las Viñas (E. 7. Jh.), die sich am Eingang zur Apsis erhalten haben, auf denen jeweils Sonne und Mond in einem von zwei geflügelten Wesen getragenen Clipeus dargestellt sind. Die Villa Quintanilla wurde von Sancho Garcés, Graf von Kastilien (reg. 995–1017) im Jahre 1001 San Millán de la Cogolla geschenkt: vgl. García de Cortázar, Dominio (1969), 136; Cartulario de San Millán de la Cogolla (1976), Nr. 123, 128–129. 302 Vgl. Kat. I.4. 303 Vgl. den Messordo für Gründonnerstag: LO, LXXXIIII, 202,2: Ipse perducat ad arborem vite, que eruit de lacu miserie. 304 Dazu ausführlich Kap. V.2. An die für die Beatus-Handschriften typischen genealogischen Tafeln, die die Abkunft Jesu Christi diagrammatisch erörtern (fol. 18v–15ra), schließen folgende Darstellungen an: die Verkündigung an Maria (fol. 15rb), die Anbetung der Könige, die Verfolgung Jesu durch Herodes, dessen Krankheit (alle fol. 15v), Jesus vor Kaiphas, die Leugnung Petri (fol. 16r), die Kreuzigung (fol. 16v), Judas’ Tod, die Frauen am leeren Grab (fol. 17r), die Höllenfahrt Christi (fol. 17v), die Erlösten (fol. 18r).
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wird der Feind besiegt).305 Sie erinnert an jenen Schriftzug, welcher das dem Kaiser Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahre 312 erschienene Christogramm ergänzt haben soll: In hoc signo vinces (Durch dieses Zeichen siege).306 Der Gedanke eines visionären Schutz- und Siegeszeichens für die Gläubigen bestimmt ebenso eine andere Beischrift, die in zwei weiteren Kreuzdarstellungen des ausgehenden 10. Jahrhunderts vorkommt: Crux alma ecce annet. Defendensque agmina perenniter beatorum fulget (Siehe, das gütige Kreuz möge herankommen; und es strahlt ständig verteidigend die Scharen der Seligen; Abb. 73).307 Beide Inschriften ergänzen die eschatologische Dimension des Kreuzes, indem sie die endgerichtliche Scheidung zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen vergegenwärtigen, wie sie etwa in Römer 8 zwischen den nach dem Geist strebenden Menschen sowie jenen dem Fleisch verfallenen ausformuliert wird.308 Mit der die Kreuzdarstellungen im 11. Jahrhundert überwiegend begleitenden Inschrift Pax, Lux, Rex, Lex tritt dagegen die konkrete Ansprache von Gläubigen oder Seligen sowie Ungläubigen in den Hintergrund, gleichwohl bleibt in diesem Wortspiel die herrschaftliche und richterliche Bedeutung Christi präsent (Abb. 107).
III.1 Das Kreuz als Zeichen asturischer Identität In der Forschung ist immer wieder der Bezug zwischen den handschriftlichen Kreuzen und den aus Edelmetallen gearbeiteten Kreuzen der asturischen Kunst hervorgehoben worden. Bernhard Bischoff spricht etwa von der „Illusion einer metallischen Struktur“, welche durch die Kreuze erweckt würde, und bezieht sich in diesem Zusammenhang auf jene Steinschmuck ‚evozierende‘ Gestaltung der Kreuzminiaturen.309 Konkret hat man dabei das durch Alfons II. im Jahre 808 der Kathedrale von Oviedo gestiftete Reliquienkreuz vor Augen, für 305 Bei einigen Inschriften ist das ‚Zeichen‘ in den Nominativ gesetzt, etwa im San Millán-Beatus, fol. 1v: Hoc sign(u)m tVetVr pius / Hoc sign(u)m vincitVr inimicVs (hier: Kat. II.8). – Für die Abb. vgl. http://bibliotecadigital.rah.es/dgbrah/es/consulta/resultados_busqueda_restringida.cmd?presentacion= mosaico&idOrigen=115810&tipoResultados=BIB&busq_materiasumario=C%C3%B3dices&desc rip_materiasumario=C%C3%B3dices [letzter Zugriff: 27.2.2017]. 306 Eusebius Caesariensis, Vita Constantini, 182–185. Die Vita ist auf der Iberischen Halbinsel mehrfach überliefert: vgl. etwa zwei Hss. aus dem Escorial, Cod. A.I.13 (11. Jh.) und Cod. A.II.9 (E. 10. Jh.): vgl. Antolín, Catálogo (1910–1923), Bd. 1, 21–25, 42–45; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 102, 380. 307 Codex Albeldense, fol. 18v, und Codex Aemilianense, fol. 16v (hier: Kat. I.4, I.5). 308 […] nam prudentia carnis mors prudentia autem Spiritus vita et pax quoniam sapientia carnis inimicitia est in Deum legi enim Dei non subicitur nec enim potest qui autem in carne sunt Deo placere non possunt vos autem in carne non estis sed in Spiritu si tamen Spiritus Dei habitat in vobis si quis autem Spiritum Christi non habet hic non est eius. Röm 8,6–9. Biblia Sacra (2007), 1758. 309 Bischoff, Kreuz (1963), 298; vgl. auch Fernández Pajares, Cruz de los Angeles (1962), 300. – Der Begriff der ‚Evokation‘ erscheint hier passend. Denn im Prozess eines gattungsübergreifenden Bezugs geht es nicht um ‚Imitation‘, sondern es werden Assoziationen ‚hervorgerufen‘, die mit der Wahrnehmung jenes Objektes verbunden sind, auf das man sich bezieht. Dazu Kupfer, Edge of Narrative (1998), die den Begriff in Anlehnung an Grabar, Ornament (1992), 191–193, weiterentwickelt.
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das zu einem späteren Zeitpunkt die Bezeichnung ‚Cruz de los Ángeles‘ zur Gewohnheit wurde (Abb. 163, 164).310 Nun hat sich diese Bezeichnung auch für die handschriftlichen Kreuzzeichen etabliert und wird selbst dann verwendet, wenn ein etwaiger Bezug zum genannten, goldgefassten Reliquienkreuz wenig nachvollziehbar ist.311 Beispiel dafür ist das Kreuz in einer Handschrift, die Gregors des Großen Moralia in Iob enthält und ins 10. Jahrhundert zu datieren ist.312 Obwohl das Zeichen in seiner Form dem lateinischen Typus folgt, wird es in der Literatur als ‚Cruz de los Ángeles‘ bezeichnet.313 Die so miteinander ins Verhältnis gesetzten buchmalerischen Kreuze mit der ‚Cruz de los Ángeles‘ wurden als „lábaro primitivo de la reconquista“314, als ein gegen die Muslime gerichtetes Zeichen, interpretiert. In Folge der zunehmend kritischeren Bewertung des ‚reconquista‘-Begriffs ist in der jüngeren Forschung, insbesondere durch Patrick Henriet, diese These widerlegt und stattdessen die identitätsstiftende Funktion der Kreuzdarstellungen für die christliche Gesellschaft herausgestrichen worden.315 So weist Henriet darauf hin, dass eine negativ konnotierte biblische Terminologie auf die Muslime erst seit dem 11. Jahrhundert angewendet wurde.316 Dies entspricht jenen Forschungsergebnissen, nach denen eine religiöse Vorstellung der sich zwischen den christlichen und den muslimisch dominierten Gebieten ausbreitenden Grenzzone frühestens im 12. Jahrhundert greifbar wird.317 Auch stellt der für die These eines ‚reconquista‘-Zeichens angeführte Messordo Quando Rex cum exercitu ad proelium egreditur, der Bestandteil des Liber Ordinum der westgotischen Kirche ist, kein überzeugendes Argument dar. Während dieser Messe wurde dem in den Krieg ziehenden westgotischen König ein goldenes Reliquienkreuz übergeben.318 Unter asturischer Herrschaft ist der Liber Ordinum, der auf der Iberischen Halbinsel bis zur Liturgiereform im Jahre 1080 in Gebrauch war, mehrfach kompiliert worden. Dabei wurde die besagte Messe um weitere Rubriken, möglicherweise auf Anweisung Alfons II., erweitert.319 Allerdings enthalten diese Rubriken keinen Hinweis auf ein zeitgenössisches Feindbild. Der Ordo stellt sich allgemein als ein Übergangsritus dar, in deren Zusammenhang dem Reliquien310 Die Bezeichnung geht zurück auf eine E. d. 11./A. d. 12. Jh. wahrscheinlich im Kloster Silos begonnene Chronik der westgotischen, asturischen und leonesischen Monarchie, die sogen. Historia Silense, §29, 139–140. 311 Erstmals ist bei Ambrosio de Morales eine Übertragung der Bezeichnung ‚Cruz de los Ángeles‘ (= ‚Cruz de Oviedo‘) auf die handschriftlichen Kreuzdarstellungen belegt: vgl. Anm. 283. 312 Moralia in Iob in Toledo, fol. 1v (hier: Kat. II.4). 313 Reinhardt und González, Catálogo (1990), 284. 314 Zuerst Menendez Pidal, Lábaro (1955). Übernommen von Bischoff, Kreuz (1963), 299, der von einem „Symbol einer neuen Siegesgewissheit im Glaubenskampf“ spricht. Nach Williams, Moralia (1972– 1974), 226, gehören die spanischen Kreuzminiaturen zur Ikonographie der Rückeroberung. Weiterhin Cid Priego, Relaciones (1990), hier 519; Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 134. Zuletzt Franco, Illustrations (2003), 76. 315 Vgl. Henriet, Croix (2005), 169, 180. 316 Vgl. Deswarte, Restauration (2003), 298–301. 317 Vgl. Sénac, Islam (1999), 106. 318 Vgl. LO, XLVII, 149–153. Folgt man den westgotischen Rubriken, so fand diese Messe in der Kirche SS. Pedro y Pablo in Toledo statt. 319 Zur Erweiterung der Rubriken in Bezug auf diesen Ordo: Janini, Ordo (1985), 147.
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kreuz eine den Heerführer und sein Vorhaben göttlich legitimierende Funktion zugesprochen wurde.320 Ob die Rubriken tatsächlich als Zeichen dafür zu werten sind, dass die Messe im asturischen Reich gefeiert wurde, sei dahingestellt. Sicherlich lassen sie sich als Ausdruck für ein historiographisches Interesse am Ordo von Seiten der asturischen Könige werten, die das westgotische Reich in politischer, spiritueller und moralischer Hinsicht als vorbildlich ansahen.321 Folglich erscheint die Deutung der asturischen Reliquienkreuze und damit auch der späteren buchmalerischen Kreuze als Zeichen der ‚Reconquista‘ mehr als fraglich. Die Frage bleibt also bestehen, in welcher Hinsicht sich die Kreuze in den Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts auf die älteren Metallkreuze bezogen. Ein formaler Vergleich mit der ‚Cruz de los Ángeles‘ macht deutlich, dass die illuminierten Kreuze jene nicht kopieren, sondern dieser vielmehr in konzeptioneller Hinsicht nahestehen.322 An das 46 x 47 cm große Kreuzreliquiar erinnert in vielen Handschriften die griechische Kreuzform mit den breiter werdenden, trapezförmigen Armen, den seitlich herabhängenden Alpha- und Omega-Buchstaben sowie den durch ein Medaillon hervorgehobenen Kreuzungspunkt (Abb. 163, 164). Zwar sind für die ‚Cruz de los Ángeles‘ keine Pendilien mehr erhalten, jedoch die dazu notwendigen Ösen. Einige der in den Codices enthaltenen Kreuze sind durch die Verwendung von Silber und Gold ausgezeichnet, was allerdings weniger ein spezifisches Objekt, sondern generell Metallkreuze in Erinnerung ruft.323 Unklar ist, ob die ‚Cruz de los Ángeles‘ mit einem Fuß ausgestattet war, der alle buchmalerischen Kreuzdarstellungen auszeichnet. Ein solcher Fuß ist für ein späteres Goldkreuz, die sogenannte ‚Cruz de la Victoria‘, überliefert (Abb. 165). Dieses Prozessionskreuz wurde von Alfons III. und seiner Frau Jimena im Jahre 908 der Kathedrale in Oviedo geschenkt. Beide knüpften damit ganz bewusst an die hundert Jahre zuvor getätigte Stiftung von Alfons II. an.324 Gegenüber der ‚Cruz de los Ánge320 Die Übergabe des Kreuzes ist mit einer Antiphon verbunden, in der das Kreuz als uneinnehmbares Schild der moralischen Gerechtigkeit und der Hilfe Gottes sowie als Schwert göttlichen Ruhms zur Bestrafung des Feindes benannt wird: Accipe de manu Domini pro galea iudicium certum, et armetur creatura ad ultionem inimicorum tuorum. Sume scutum inexpugnabile equitatis. […] Scutum auxilii tui et galdius glorie tue. LO, XLVIII, 152,17–29; vgl. auch die den Ordo abschließende lange bischöfliche Segnung Signum salutaris claui et ligni, quod deuotis manibus, sacrate princeps, suscepisti, sit tibi ad tutelam salutis et incrementum perpetue benedictionis. […] Vt per victoriam sancte Crucis et ceptum abhinc iter feliciter peragatis […]. LO, XLVIII, 153,7–11; 153,21–22. 321 Vgl. Deswarte, Restauration (2003), 46–60. Zur Historiographie im asturischen Reich einleitend: Wolf, Chroniclers (1990). 322 Die Literatur zur ‚Cruz de los Ángeles‘ ist umfangreich: zuletzt García Castro Valdés, Signum salutis (2008), 121–126, Nr. 15, mit weiterführender Literatur. Stellvertretend seien hier zudem Schlunk, Cruces de Oviedo (1985); Cid Priego, Inventario (1993/1994); Restauración (2002) genannt. 323 Mit Goldfarbe ist der Steine evozierende Dekor des Kreuzes in der Moralia in Iob-Handschrift aus Toledo (hier: Kat. II.4, Abb. 12) sowie im Codex Aemilianense (fol. 16v, hier: Kat. I.5, Abb. 91) gestaltet; ferner die Füllung der Kreuzminiatur im Girona-Beatus (fol. 1v, hier: Kat. II.6, Abb. 43); sodann die Kontur des Kreuzes im Codex Albeldense (fol. 18v, Kat. I.4, Abb. 73), welches zusätzlich mit silberfarbenen Ornamenten ausgezeichnet ist; goldfarbenes Flechtwerk kennzeichnet schließlich auch das Kreuzzeichen in der Beatus-Handschrift Ferdinands I. (fol. 6v, hier: Kat. IV.2, Abb. 104). 324 Vergleichbar dem Engelskreuz ist die Literatur zum Siegeskreuz umfangreich: zuletzt García Castro Valdés, Signum salutis (2008), 157–165, Kat. 24, mit umfassender Bibl.; vgl. ferner Fernández Avello, Cruz de la Victoria (1982); Schlunk, Cruces de Oviedo (1985). – Die Bezeichnung ‚Cruz de la Victo-
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les‘ unterscheidet sich dieses Reliquienkreuz, das keine Pendilien besaß, signifikant. So besitzt es eine lateinische Form, ist größer (92,5 x 72,7 cm) als sein Vorbild und zeichnet sich auf seiner Vorderseite durch eine spezifische Gestaltung aus Edelsteinen und Emailplatten aus. Die meisten Parallelen bestehen zu einer kleinen Gruppe von Handschriften, denen die Provenienz aus León und Umgebung sowie ihre Entstehung im 10. Jahrhundert gemeinsam sind. Hierzu zählen die Bibel von León, die im Jahre 920 entstand, ferner ein Antiphonar aus der Mitte des 10. Jahrhunderts sowie der 970 im Kloster Valcavado (Saldaña) fertiggestellte Kommentar zur Apokalypse und zum Buch Daniel (Abb. 8, 24, 35).325 In diesen Zusammenhang gehört ferner die heute in Toledo aufbewahrte Moralia in Iob-Handschrift von um 950, deren Herkunft aus dem Königreich León nicht vollends geklärt ist (Abb. 12).326 Im Unterschied zu den anderen Codices tritt hierin die Kreuzdarstellung auf folio 1 verso allerdings mit einer klaren lateinischen Form in Erscheinung. Die Kreuze dieser Gruppe zeichnen sich dadurch aus, dass sowohl der Kreuzungspunkt als auch die Enden der Arme durch farbige, an Steinschmuck erinnernde Medaillons betont sind. Dieses Gestaltungsmuster weist Parallelen zum jeweils rückseitigen Steinschmuck der asturischen Reliquienkreuze auf, während deren schmuckvolleren Vorderseiten keinen Eindruck auf die Kreuzminiaturen hinterlassen zu haben scheinen. Insgesamt spiegelt die Art und Weise, wie der Steinschmuck im Medium der Buchmalerei evoziert wird, einen sehr eigenständigen Umgang mit den Anregungen aus der Schatzkunst wider. Eine verwandte Gestaltung zeigen die Kreuzdarstellungen im Antiphonar aus León und im Valcavado-Beatus: Die auf den Enden der Arme platzierten Scheiben werden jeweils zum Mittelpunkt des Kreuzes durch ellipsenförmige Motive vermittelt. Bei beiden Darstellungen ist ferner der durch ein Medaillon gekennzeichnete Kreuzungspunkt von einem rosettenartigen Motiv hinterfangen. Das Kreuz ist auf einen in sich gedrehten zweigliedrigen Stab gesetzt, der in einem aus Flechtwerk gebildeten Fuß sitzt.327 Auffallend ist, dass die Armspitzen beider Kreuze jeweils mit tropfen- oder herzförmigen Ornamenten geschmückt sind, die sich in stilisierter Weise möglicherweise auf die ‚Cruz de la Victoria‘ beziehen. Denn deren Arme enden jeweils in dreiteiligen Ausbuchtungen, welche zusätzlich durch Steine akzentuiert sind – ein eigenwilliges Gestaltungselement, mit dem an spätantike und byzantinische Darstellungstraditionen angeknüpft wurde.328 ria‘ beruht auf einer mündlichen Tradition, die erstmals durch Ambrosio de Morales im 16. Jh. greifbar wird. Danach wäre Pelayo († 737), dem der erste Sieg gegen die Muslime in der legendären Schlacht von Covadonga (718 oder 722) zugeschrieben wird, vergleichbar Konstantin in einer Vision vor der Schlacht das Kreuz erschienen: Cid Priego, Cruz de la Victoria (1997), 53. – Abb. der Rückseite in Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), Taf. 50. 325 Bibel aus Albares, fol. 1v (hier: Kat. I.9); Antiphonar in León, fol. 5v (hier: Kat. II.3); Valcavado-Beatus, fol. 1v (hier: Kat. I.12). 326 Vgl. Kat. II.4. 327 Ungewöhnlich ist die Kreuzdarstellung in einem Liber Commicus (Liber Scintillarum), Madrid, RAH, Ms. 26, fol. 3v. Denn das Kreuz in lateinischer Form, dessen Dekor ebenfalls Steinschmuck evoziert, wird von Maria und Johannes flankiert. Das Manuskript wird ins 9. Jh. datiert und stammt aus San Millán de la Cogolla: Ruiz García, Catálogo (1997), 177–179. 328 Kreuze mit jeweils zwei tropfenförmigen Armspitzen sind schon aus der frühen byzantinischen Kunst bekannt, vgl. ein Bsp. aus dem 6. Jh.: García Castro Valdés, Signum salutis (2008), 47–50, Kat. 3.
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Hingegen findet sich unter den gemalten Kreuzdarstellungen des 11. Jahrhunderts kein Beispiel, dessen Ausstattung ausschließlich Steinschmuck evozieren würde. Stattdessen dominiert eine großflächige Ranken- und Flechtwerkornamentik. Während in den frühen leonesischen Illuminationen nur die Kreuzfüße auf den unteren Rahmenleisten aufsitzen, allenfalls mit diesen durch Flechtwerk verschmelzen, sich ansonsten aber kaum auf die Rahmenornamentik beziehen,329 sind später Kreuz und Rahmen sowohl kompositionell, ornamental als auch farblich stärker aufeinander abgestimmt oder sogar durch Flechtwerk miteinander vernetzt.330 So erscheint etwa das Kreuzzeichen im Silos-Beatus vom Ende des 11. Jahrhunderts über gelbe, verschlungene Flechtbänder wie in den Rahmen eingespannt (Abb. 140).331 Folglich tritt damit die materielle Präsenz der Kreuzminiaturen in den Hintergrund. Denn diese ist nicht nur durch gattungsübergreifende Bezüge in den frühen Kreuzminiaturen bedingt. In dem Moment, in dem das Gerahmte auf den Rahmen ausgreift, verliert es seine eigene, ihm durch die Rahmung zugewiesene bildräumliche Realität. Auch im Hinblick auf die begleitende Inschrift erweisen sich die Kreuzdarstellungen des 10. und 11. Jahrhunderts als verschieden. Nur in den frühen leonesischen und auch navarresischen Handschriften wird ein Text zitiert, der erneut einen engen Bezug zur asturischen Kunst belegt.332 Die Inschrift Hoc signo tuetur pius – hoc signo vincitur inimicus, die die Schutzkraft des Kreuzzeichens gegenüber den Frommen und seine Schlagkraft gegenüber den Feinden zum Thema macht, wird dabei dergestalt über das Bildfeld verteilt, dass ihre einzelnen Abschnitte zwischen den Kreuzarmen Platz finden.333 In Asturien lässt sich dieses Wortspiel bis zur ‚Cruz de los Ángeles‘ zurückverfolgen, bei dem es die rückseitig platzierte Stifterinschrift beschließt.334 Nachfolgend wird dieser Text nicht nur in der ‚Cruz de la Vic329 Vgl. etwa das Kreuz im Valcavado-Beatus, fol. 1v (hier: Kat. I.12, Abb. 35); im Antiphonar in León, fol. 5v (hier: Kat. II.3, Abb. 24), oder in der Moralia in Iob-Handschrift in Toledo, 1v (hier: Kat. II.4, Abb. 12). 330 Beispiele für eine ornamental-farbliche Übereinstimmung zwischen Kreuzminiatur und Arkadenrahmung: Codex Aemilianense, fol. 16v (hier: Kat. I.5, Abb. 91); Silos-Beatus, fol. 2v, 3v (hier: Kat. I.11, Abb. 131, 132); Liber Commicus aus San Millán, fol. 3v (hier: Kat. I.6) – Abb. in Ruiz García, Catálogo (1997), Abb. 10; ferner eine Handschrift, die Isidors Etymologien enthält, dat. 1047 (Escorial, Cod. &.I.3, fol. 6v, nachfolgend: Etymologien Sanchas, hier: Kat. IV.1, Abb. 107). 331 Silos-Beatus, fol. 277r (hier: Kat. I.11). 332 Im Girona-Beatus, fol. 1v (hier: Kat. II.6, Abb. 44); Valcavado-Beatus, fol. 1v (hier: Kat. I.12, Abb. 35); San Millán-Beatus, fol. 1v (hier: Kat. II.8), vgl. Anm. 296; sowie im Antiphonar in León, fol. 5v (hier: Kat. II.3, Abb. 24). 333 Im Codex Albeldense, fol. 18v, und Codex Aemilianense, fol. 15v, ist die jeweilige Kreuzdarstellung durch die Inschrift CRUX ALMA ECCE ANNET / DEFENDENSQUE AGMINA PERENNITER (Siehe, das gütige Kreuz möge herankommen; und es strahlt ständig verteidigend die Scharen der Seligen) ergänzt, in der in ähnlicher Weise das Kreuz als Schutzzeichen angesprochen ist. Zu den Hss. vgl. Kat. I.4, I.5, Abb. 73, 91. 334 Inschrift in aufgelöteten Lettern: SVSCEPTVM PLACIDE MANEAT HOC IN HONORE DNI / OFFERT ADEFONSVS HUMILIS SERVVS XPI // QVIQVIS AUFERRE PRESUMSERIT MIHI / NISI LIBENS VBI VOLVNTAS DEDERIT MEA // FULMINE DIVINO INTEREAT IPSE / HOC OPUS PERFECTVM EST IN ERA DCCCXLVI // HOC SIGNO TVETVR PIVS / HOC SIGNO INVINCITVR INIMICVS. Vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 133; García de Castro Valdés, Signvm salvtis (2008), 121.
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toria‘ rezipiert,335 sondern ist seit der Herrschaft Alfons III. vielfach Bestandteil asturischer Bauinschriften.336 Dort begleitet der Hoc signo-Spruch bauplastische Kreuzzeichen, die sich in ihrer Form bevorzugt auf die ‚Cruz de la Victoria‘ Alfons III. beziehen. Dagegen dominiert in den Handschriften des 11. Jahrhunderts eine Inschrift, die keinerlei Bezug zur Tradition der asturischen Kunst erkennen lässt. Das Wortspiel Pax, Lux, Lex, Rex findet sich insgesamt in sechs Codices, in denen es vergleichbar der älteren Inschrift wiederum portioniert zwischen die Kreuzarme platziert ist.337 Robert Favreau deutet das in der rheinländischen Schatzkunst sowie in der südwestfranzösischen Bauplastik verbreitete Wortspiel als karolingische Erfindung.338 Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass insbesondere in den frühen Handschriften des 10. Jahrhunderts, die in oder nahe León entstanden, ein engerer Bezug zur Darstellungstradition asturischer Goldkreuze bestand. Dieser umfasste die jeweilige Verwendung der Hoc signo-Inschrift sowie konzeptionelle Parallelen in der Form und in der Schmuckgestaltung. Den entsprechenden Klöstern als Träger dieser Handschriftenproduktion schien es daher in einer frühen Phase ihrer Existenz wichtig gewesen zu sein, sich künstlerischer Traditionen des asturischen Königreichs zu versichern. Insbesondere im Königreich León verwundert der Vergangenheitsbezug nicht, ging diese Monarchie doch im Zuge weiterer Gebietseroberungen aus der asturischen hervor.339 In diesen Zusammenhang einer bewussten Fortführung asturischer Stiftungstraditionen ist dann auch die royale Schenkung eines Metallkreuzes, der sogenannten ‚Cruz de Peñalba‘, einzuordnen. Dieses 49 x 49 cm große Messingkreuz wurde höchstwahrscheinlich durch Ramiro II. (um 900–950/951), der in der Nachfolge der asturischen Könige stand und seit 931 über das Königreich León herrschte, im zweiten Viertel des 10. Jahrhunderts dem Kloster Santiago y San Martín de Peñalba geschenkt (Abb. 166).340 Das Kloster war in den ersten Jahrzehnten des 10. Jahrhunderts im El Bierzo, einer abgelegenen und seit dem 4. Jahrhundert
335 Inschrift in aufgelöteten Lettern: SVSCEPTUM PLACIDE MANEAT HOC IN HONORE DIE QVOD OFFERVNT / FAMVLI XPI ADEFONSVS PRINCEPS ET SCEMENA REGINA // QVISQVIS AUFERRE HOC DONARIA NOSTRA PRESVMPSERIT / FVLMINE DIVINO INTEREAT IPSE // HOC OPVS PERFECTVM ET CONCESSVM EST / SANTO SALVATORI OVETENSE SEDIS // HOC SIGNO TVETVR PIVS HOC SIGNO VINCITVR INIMICUS / ET OPERATVM EST IN CASTELLO GAVZON ANNO REGNI N(O)S(TR)I XLII DISCVRRENTE ERA DCCCCXLVI. Vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 182; García de Castro Valdés, Signvm salvtis (2008), 157, Abb. der Rückseite: 161. 336 Dazu weiter unten. 337 Inhaltlich verwandt ist SIGNV(m) CRVCIS / XRISTI REGIS. Jene die Herrschaft Christi hervorhebende Inschrift begleitet die Kreuzdarstellungen in zwei Handschriften: Liber Commicus aus San Millán, fol. 3v (hier: Kat. I.6, Abb. in Ruiz García, Catálogo [1997], Abb. 10); Silos-Beatus, fol. 3v (hier: Kat. I.11, Abb. 132). 338 Favreau, Rex (1003), insbes. 628–630. 339 Vgl. Herbers, Geschichte (2006), 115; Collins, Caliphs and Kings (2012), 141–142. 340 Heute im Museo de León, der Steinschmuck ist nicht mehr original. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 426–427, Taf. 129a; García Castro Valdés, Arte prerrománico (2002), 166–171, Kat. 25, mit Bibl.
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als Rückzugsort für Eremiten dienenden Gegend, durch Genadio, Bischof von Astorga (899–920), gegründet worden.341 Obwohl die ‚Cruz de Peñalba‘ in ihrer Materialität und Machart einfacher ist als ihre asturischen Vorbilder, steht sie durch ihre griechische Form mit trapezförmigen Armen sowie seitlichen originalen Ösen für Pendilien, das zentrale, heute durch unechten Steinschmuck hervorgehobene Medaillon sowie die rückseitig platzierte Inschrift in der Tradition der ‚Cruz de los Ángeles‘.342 Das ursprünglich wohl mit einem Fuß versehene Kreuz343 war allerdings nicht zur Aufbewahrung von Reliquien gedacht. Zudem fehlt der rückseitig angebrachten Inschrift, die Stifter und Adressat der Stiftung nennt, der bekannte Hoc signo-Spruch. Möglicherweise war das Kreuz Bestandteil einer größeren Schenkung Ramiros an das Kloster, die für das Jahr 940 belegt ist.344 Mit Ramiros Stiftung scheint zwar die Tradition royaler Kreuzstiftungen abzubrechen, dennoch lassen sich weiterhin Metallkreuze benennen, die formale Bezüge zu den älteren asturischen Vorbildern aufweisen.345 Damit stellt die ‚Cruz de Peñalba‘ 341 Zur Geschichte des zwischen 909 und 919 gegründeten Klosters vgl. Quintana, Peñalba (1963); zuletzt Martínez Tejera, Ecclesia (2010), hier 95. Das Kloster verlor bereits im 12. Jh. an Bedeutung. Genadio, der in Dokumenten seit der zweiten Hälfte d. 11. Jh. schon als Heiliger auftaucht, war möglicherweise mit der asturisch-leonesischen Königsfamilie verwandt. Es wurde auch vermutet, dass er ein Onkel von Ramiro II. gewesen sein könnte: Martínez Tejera, San Genadio (2003), 20. 342 Inschrift in gepunzten Buchstaben: IN NOMINE DOMINI N(O)S(TR)I / IHV XPI OB ONOREM / SANCTI IACOBI / APOSTOLI RANEMIRVS REX OF(FE)RT. Vgl. García de Castro Valdés, Signvm salvtis (2008), 166. 343 Weil die Inschrift der ‚Cruz de Peñalba‘ am unteren Arm verkürzt in Erscheinung tritt sowie dort der umlaufende Randschmuck unterbrochen ist, nehmen Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 427, an, dass das Kreuz einen Fuß besaß. Dagegen García Castro Valdés, Signum salutis (2008), 166– 169, Kat. 25. 344 Urkunde vom 11.4.940, Madrid, AHN, Cod. 992, fol. 194–196. Vgl. Rodríguez Fernández, Ramiro II. (1972), Appendix Nr. 37. 345 Zwei weitere Metallkreuze des 10. u. 11. Jh. belegen ein Fortleben der durch das Engelskreuz initiierten Kreuzform in den wiedereroberten Gebieten. Allerdings lassen sie sich nicht mit einer königlichen Schenkung in Verbindung bringen. Im Museo Catedralicio-Diocesano von León wird ein Bronzekreuz des 10. Jh. in griechischer Form und trapezförmigen Armen aus der Pfarrkirche von Fuentes de Peñacorada in der Prov. León aufbewahrt (León, Museo Catedralicio-Diocesano, Inv. 462, h 39 cm, Armlänge 15,2/16,1 cm). Das Kreuz mit zentralem Medaillon, dessen Steinschmuck verloren gegangen ist, besitzt eine rückseitige Inschrift, welche den Stifter Alfons nennt und die Gottesmutter, der das Kreuz gewidmet ist: †OB HONOREM S(ANCT)E MARIE // COELI REGINA S(AN)C(T)OR(UM) SPERATI / ET MARINE OFFERT FAMVLVS // DEI ADEFON(SUS) […]. Die Formel famulus dei erinnert dabei an die Inschriften Alfons III., in denen er sich ebenso beschreiben lässt (vgl. die ‚Cruz de la Victoria‘). Im libro de fábrica der Pfarrkirche aus dem Jahre 1777 wird das Bronzekreuz als Prozessionskreuz aufgeführt und ferner erwähnt, dass es aus der Eremita San Juan de Tisierra stamme: vgl. Gómez Rascón, Museo (1983), 48; García Castro Valdés, Signum salutis (2008), 171, Kat. 26. – Aus der Pfarrkirche Mansilla de la Sierra in der Rioja hat sich ferner ein silbernes Kreuz in griechischer Form von 1109 erhalten: h (mit dem Fuß) 73,8 cm, b 52,1 cm. Der Kreuzungspunkt ist vorderseitig durch ein zentrales, mit einem Kristall geschmücktes Medaillon hervorgehoben. Auf die Enden der breiter werdenden Arme sind die vier Wesen platziert, wodurch das Kreuz jener Kreuzminiatur im San Millán-Beatus, fol. 1v (hier: Kat. II.8), vgl. Anm. 296, nahesteht. Die Inschrift, die sich auf dem zentralen Medaillon befindet, nennt das Volk von Mansilla als Stifter und hält ferner fest, dass die Stiftung zu Ehren Marias erfolgt: VIR LEO BOS ET AVIS DEVS EST AGNVS Q. SVAVIS / POPVLVS MAXILLE IVSSIT
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eine Brücke in die neu eroberten Gebiete dar; allerdings mit dem kategorialen Unterschied, dass die Stiftung nicht an eine Kathedrale, sondern an ein Kloster erfolgte. Die Rezeption asturischer Vorbilder im neuen Königreich León beschränkte sich nicht nur auf die Schatzkunst, sondern ist auch in der Bauplastik nachweisbar. Wiederum in die Regierungszeit Ramiros II. fällt die Entstehung einer Sandsteinplatte, die sich heute in der Pfarrkirche San Salvador des zwischen Astorga und León gelegenen Ortes Destriana befindet, ursprünglich aber wohl aus dem nahe gelegenen Michaelskloster stammte (Abb. 173). Diese Gegend war bereits unter Alfons III. erobert worden.346 In die Platte ist ein Stabkreuz in lateinischer Form mit seitlich hängenden Alpha- und Omega-Pendilien eingearbeitet. Insbesondere die Ausbuchtungen, welche die Enden der Arme kennzeichnen, bringen die Darstellung in die Nähe der in der Tradition der ‚Cruz de la Victoria‘ stehenden Kreuze an asturischen Bauten. Der aus der asturischen Kunst bekannte Hoc signo-Spruch ist Bestandteil einer längeren Inschrift, die unterhalb des Kreuzes eingeritzt ist.347 Wahrscheinlich war die Platte in der Außenfassade der Klosterkirche vermauert, wie es von den asturischen Kirchenbauten bekannt ist.348 Um das bewusste Anknüpfen an die asturische Kreuztradition zu bewerten und damit auch einen Ankerpunkt für die Deutung der Kreuzminiaturen des 10. Jahrhunderts zu haben, gilt es die mit den royalen Schenkungen Alfons III. verbundenen Intentionen genauer zu betrachten. Denn insbesondere seine Stiftungen spiegeln das Bewusstsein für die zeitliche und räumliche, historische und geographische Dimension eigener Herrschaft wider.349 FIERI HANC CRVCEM IN HONORE SANCTE MARIAE VIRGINIS / HEC CRVX FUIT / FACTA IN ERA M.C.XLVII. Puertas Tricas, Cruz (1973); Ausst.-Kat. El Cid (2007), 148, mit Abb. 346 Destriana, San Salvador, in der Wand vermauert, 108 x 36 cm: vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 214, Taf. 65b. 347 Zur Inschrift weiter unten Anm. 364. – In diesen Kontext ist gleichfalls eine Reliefplatte (28 x 28 cm) einzuordnen, die aus der Eremita Santa Cruz in Montes de Valdueza (Prov. León) und damit eben jenem Gebiet stammt, in dem auch Santiago de Peñalba gegründet worden war. Die Platte zeigt ein Kreuz in griechischer Form mit den seitlich herabhängenden Pendilien Alpha und Omega. Sie stammt wahrscheinlich aus dem 905 errichteten Vorgängerbau: vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 295, Abb. 192. 348 Daneben sind Kreuzdarstellungen überliefert, die in ihrer Gestaltungsweise bereits Parallelen zu den handschriftlichen Kreuzminiaturen erkennen lassen. Vgl. die Grabplatte in der Pfarrkirche von Tábara (Prov. Zamora). Die Steinplatte gibt ein über einem Stab aufgerichtetes Kreuz wieder, das durch ein Medaillon im Kreuzungspunkt sowie die Buchstaben Alpha- und Omega als Pendilien charakterisiert ist. Es besitzt solcherart geschweifte Arme, wie sie etwa in der Kreuzminiatur der Etymologien Sanchas von 1047 im Escorial (hier: Kat. IV.1, Abb. 107) zu sehen sind. Die Platte wird dem in Tábara fundierten Kloster San Salvador zugeschrieben, aus dem zwei illuminierte Beatus-Codices des 10. Jh. erhalten sind: Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 257, Abb. 173; Regueras Grande und GarcíaAráez Ferrer, 55, Abb. 53. – Vgl. ferner ein gekerbtes und geritztes Prozessionskreuz auf einem Altarstipes aus Bamba (Prov. Valladolid), Mitte oder drittes V. 10. Jh., welches gestalterisch Ähnlichkeiten insbesondere zur Kreuzminiatur im Valcavado-Beatus von 970, fol. 1v (hier: Kat. I.12, Abb 35) aufweist. Vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 228, Abb. 154; 288, Abb. 188; 295, Abb. 192. 349 Bereits die westgotischen Könige traten als Stifter von elaborierten Ausstattungsstücken, wozu auch Metallkreuze gehörten, für den Sakralraum auf. Mit Steinen besetzte vergoldete Kreuze kleineren Formats, die westgotische Votivkronen schmückten, haben sich etwa mit dem Schatz von Guarrazar erhal-
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Bereits im Jahre 874 hatte Alfons III. ein goldenes Reliquienkreuz für die über dem Grab des Hl. Jakobus errichtete Kirche in Compostela gestiftet (Abb. 167). Anders als die spätere ‚Cruz de la Victoria‘, mit der er einen eigenen Akzent durch die lateinische Form und den Emailschmuck setzte, lehnte sich die 46 x 44,5 cm große ‚Cruz de Santiago‘ in ihren Maßen und in ihrer Ausstattung ganz eng an die ‚Cruz de los Ángeles‘ Alfons II. an. Dies machen die erhaltenen Fotografien des 1906 aus dem Kathedralschatz geraubten Kreuzes deutlich. 350 Eine rückseitige Inschrift benennt nicht nur den Stifter, die Entstehungszeit des Kreuzes und den Adressaten der Stiftung, sondern enthält auch den asturischen Hoc Signo-Spruch.351 Allein das zentrale Medaillon mit Reliquienfach war im Vergleich zur ‚Cruz de los Ángeles‘ verschieden gestaltet. Während die Vorderseite im 17. Jahrhundert verändert worden war, zeigte die Rückseite eine emaillierte Platte. Indem Alfons III. auf diese Weise die Bedeutung des Apostelgrabes für die Monarchie herausstrich, stellte er sich dezidiert in die Tradition Alfons II. Denn Alfons III. erweiterte den Bau der Kathedrale, die ursprünglich von seinem gleichnamigen Vorgänger errichtet worden war.352 Die Stiftungen der ‚Cruz de Santiago‘ von 874 sowie der ‚Cruz de la Victoria‘ von 908 durch Alfons III. belegen sein Interesse, eine Tradition royaler Kreuzschenkung im asturischen Reich zu etablieren. Darüber hinaus bestand die Funktion dieser Kreuze darin, Alfons Herrschaft konkret räumlich abzubilden. Während der König mit der ‚Cruz de la Victoria‘ Oviedo als den Sitz der Monarchie stärkte, begünstigte er mit der ‚Cruz de Santiago‘ das zentrale Pilgerziel seines Reiches in Galicien, dessen Gebiete insbesondere durch seine Eroberungen für das asturische Reich gesichert werden konnten.353 Dies lässt sich an Thomas Desten, welcher 1858 in Guadamur bei Toledo gefunden wurde. Allerdings handelt es sich dabei stets um lateinische Kreuze, die nicht stehend, sondern hängend gedacht waren: vgl. García Castro Valdés, Signum salutis (2008), 73–84, Nr. 6.1.–6.8., mit Abb. 350 Zur Stiftung des Königs und seiner Frau Jimena nach Compostela gehörten auch urnas aureas, die Reliquien enthielten: vgl. Gonzalez Millan, Cruz de Santiago (1993), 303. 351 Inschrift in aufgelöteten Lettern: OB HONOREM S(AN)C(T)I IACOBI APOSTOLI / OFFERVNT FAMVLI DEI ADEFONSVS PRINCEPS CVM CONIVGE SCEMENA REGINA / HOC OPVS PERFECTVM EST IN ERA DCCCCA DVODECIMA / HOC SIGNO TVETVR PIVS HOC SIGNO VINCITVR INIMICVS. Vgl. Gonzalez Millan, Cruz de Santiago (1993), 311. – Abb. in García de Castro Valdés, Signvm salvtis (2008), 149. 352 Die neue Kathedrale konnte 899 geweiht werden: vgl. López Alsina, Sede compostelana (1993), 31–32; Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 216–225, hier 217. – Alfons Stiftungstätigkeit für Compostela ist mit seiner Machtübernahme 866 kontinuierlich belegt: Floriano Cumbreño, Diplomática (1951), Bd. 2, 165, Nr. 136 (24.4.866: Stiftung einer Saline); 193–194, Nr. 144 (25.7.893: Stiftung einer villa); 260–261, Nr. 161 (30.12.899: Stiftung von verschiedenen villae). Die Urkunden sind in Abschriften des 12. Jh. überliefert: Catedral de Santiago, Archivo, Tumbo A, fol. 3v–4v. 353 Seine Eroberungen reichten über Porto (868) hinaus bis zum Fluss Mondego: vgl. López Alsina, Sede compostelana (1993), 33. – Ein weiteres Bsp. belegt, dass unter Alfons III. Herrschaft das für die asturische Identität zentrale Motiv des Kreuzes in die ferner gelegenen Gebiete des Reiches ‚wanderte‘. Aus der Kapelle der galicischen Festung Torres de Oeste (Catoira), welche an der Mündung des Rió Ulla bei Catoira gelegen ist, hat sich eine Steinplatte mit einem Kreuzrelief erhalten. Das Kreuz ist um den Hoc signo-Spruch ergänzt und entspricht dem aus der asturischen Bauplastik der Herrschaftszeit Alfons III. bekannten lateinischen Kreuztypus. Achim Arbeiter und Sabine Noack-Haley vermuten, dass die Platte Bestandteil eines Vorgängerbaus war, der zwischen dem 9. und 12. Jh. von strategischer Bedeu-
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wartes Beobachtungen anschließen. Deswarte hat am Beispiel der asturischen Hofchronistik, deren Entstehung in die Regierungszeit Alfons III. fällt, plausibel gemacht, dass sich unter diesem Monarchen patria als ein zentraler Begriff der Herrschaftsauffassung etablierte, worunter das Bemühen um die Integrität und Einheit des Königtums zu verstehen ist. Gemessen an der heutigen Überlieferungslage ist die asturische Kreuztradition im noch jungen Königreich León in den neu gegründeten Klöstern vor allem im Medium der Buchmalerei fortgeführt worden. Insbesondere an den frühen Illuminationen, die noch einen engen Bezug zur Schatzkunst erkennen lassen, verdichtet sich die Erinnerung an jene mit der asturischen Monarchie verbundenen Kreuzrepräsentationen. Die Kreuzminiaturen schlagen ferner eine Brücke zum Königreich León, das aus dem asturischen hervorgegangen ist, und symbolisieren folglich auch die Expansion christlichen Herrschaftsraums. In Navarra, das heißt, abseits des Zentrums der leonesischen Monarchie, wird dennoch eine Rückbesinnung auf das asturische Königreich greifbar, wenn auch nicht im Bereich der bildenden Kunst. Beispiel dafür sind die unter Alfons III. entstandenen Chroniken, deren frühe handschriftliche Überlieferung in der Fassung der sogenannten Chronica Albendensia in die Rioja weist. Diese ist erstmals in den beiden Rechtskodifizierungen, dem Codex Albeldense und dem Codex Aemilianense, nachweisbar.354 Das unterstreicht noch einmal jenen Anteil, den die hier untersuchten Handschriften an der nachfolgenden Rezeption des asturischen Königtums als Nukleus oder Wiege der Eroberungen hatten.355
III.2 Das Kreuz als Schwellenmotiv Auch wenn die materielle Präsenz der illuminierten Kreuzzeichen seit dem Ende des 10. Jahrhunderts stärker in den Hintergrund tritt, bleibt der Kreuzfuß als Ausstattungsmerkmal des Zeichens bestehen. Der Zusammenhang zur asturischen Kunst erklärt also nur zum Teil, warum jene in der Liturgie und in Prozessionen verwendeten Metallkreuze evoziert werden. Durch ihren Kreuzfuß treten die Kreuze in den Handschriften als ein ‚instrumentelles‘ Kreuz in Erscheinung – ein Begriff, mit dem Beatrice Kitzinger jene auf die Gegenwart der Kirche bezogene materielle Präsenz sowie verortende Funktion von Kreuzen in frühmittelalterlichen Handschriften zu erfassen sucht.356
tung zur Sicherung des asturischen Herrschaftsraums und auch des Kultortes gewesen sein könnte: Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 215, Abb. 145. 354 Dazu hier Kap. V.3. 355 Bereits seit der zweiten Hälfte des 14. Jh. war dem Infante des Königreichs Kastilien das Fürstentum Asturien übertragen – eine Tradition, die das Haus Bourbon fortführte. So trägt der heutige Kronprinz bzw. die Kronprinzessin von Spanien den Titel eines Prinzen/einer Prinzessin von Asturien. 356 Vgl. Kitzinger, Cross and Book (2012), 3–9, insbes. 3: „I call this ‚present‘, Church-time form of the cross ‚instrumental‘. This form of the sign allows for a particular individual or community to situate itself within the Church, and in turn within the larger span of Christian history.“ – Ich danke Beatrice Kitzinger, dass sie mir eine Kopie ihrer Dissertation zur Verfügung gestellt hat, die bisher nur über UMI erworben werden kann. Vgl. auch dies., Instrumental Cross (2014).
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Eine solche Perspektive lenkt die Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang von Buch und Liturgie, in der das Kreuz als ein den Ritus strukturierendes Objekt fungiert. Diese Funktion lässt sich etwa am Beispiel des Ordo quando rex cum exercitu ad proelium egreditur illustrieren, jenem bereits zitierten westgotischen Übergangsritus, in dessen Zentrum ein goldenes Reliquienkreuz steht.357 In den Rubriken wird zunächst beschrieben, wie der König mit seinem Heer am Eingang zur Kirche durch zwei Diakone empfangen wird, die das Kreuz bei sich tragen.358 Im Anschluss ziehen die Diakone, gefolgt vom König und seinen Hofklerikern, in die Kirche ein, in dessen Chor sich der episkopale Klerus versammelt hat. Nun wirft sich der König auf den Kirchenboden und bittet um göttlichen Beistand für sein Vorhaben.359 Nachdem der Bischof diese Bitte angenommen und Gott durch ein Gebet vermittelt hat, erhebt der Diakon das Kreuz, in das er zuvor eine Kreuzreliquie eingeschlossen hat, und übergibt es dem Bischof.360 Am Schluss der Messe wird das Kreuzreliquiar an den König übertragen,361 der dieses dann vor der Kirche an seine Kleriker weiterreicht. Über jene das liturgische Geschehen gliedernde Rolle des Kreuzes hinaus werden Beziehungen zwischen dem Reliquienkreuz und dem Kreuz als Zeichen des über den Tod triumphierenden Christus sowie zwischen Klerikern, König, Bischof und Gott hergestellt.362 Eine Beziehungen stiftende Funktion übernimmt auch das illuminierte Kreuz am Beginn des Manuskripts, in dem es die Gegenwart des Betrachters mit dem zu erwartenden Weltgericht in Verbindung bringt. Dass sich dieser Bezug sogar buchräumlich artikulieren kann, belegt die bildliche Ausstattung einiger Beatus-Handschriften. In ihnen steht dem ganzseitigen Zeichen am Anfang des Codex im letzten Drittel der Handschrift ein im Maßstab kleineres Kreuz gegenüber. Dieses Kreuz ist der doppelseitigen Darstellung des Weltgerichts (Off 20,9–10) vorangestellt, die einen Höhepunkt innerhalb der bildlichen Ausstattung des Apokalypse-Kommentars bildet. Entscheidend für die Wahrnehmung eines inhaltlichen Bezugs zwischen beiden Kreuzen ist, dass diese in ihrer visuellen Gestaltung aufeinander abgestimmt sind, wie die entsprechenden Darstellungen im Valcavado-Beatus deutlich machen (Abb. 35, 39). Auf diese Weise wird der Ablauf heilsgeschichtlicher Ereignisse in der räumlichen Struk-
357 Dazu Janini, Ordo (1984); LO, XLVIII, 149–153. 358 Quando rex ad ostium ecclesie accesserit, duo diacones albis induti regi incensum offerunt. Omnes tamen diacones sive clerus albis induti in choro stabunt, exceptis ilis qui cum cruce ante regem precessuri sunt. LO, XLVIII, 149,42–150,3. 359 In primis, cum ingressus fuerit rex in ecclesia et prostratus in orationem. LO, XLVIII, 150,4–5. 360 Post hec non statim absoluitur; sed mox accedit diaconus ad altare, et leuat crucem auream, in qua lignum beate Crucis inclusum est, que cum rege semper in exercitu properat, et adducit eam ad episcopum. Tunc epsicopus, lotis manibus, tradit eam regi, et rex sacerdoti, qui eam ante se portaturus est. LO, XLVIII, 152,8–13. 361 Die Übergabe des Kreuzes ist mit einer Antiphon verbunden, in der das Kreuz als uneinnehmbares Schild der moralischen Gerechtigkeit und der Hilfe Gottes sowie als Schwert göttlichen Ruhms zur Bestrafung des Feindes benannt wird: Accipe de manu Domini pro galea iudicium certum, et armetur creatura ad ultionem inimicorum tuorum. Sume scutum inexpugnabile equitatis. […] Scutum auxilii tui et galdius glorie tue. LO, XLVIII, 152,17–20; 152,28–29. 362 LO, XLVIII, 153,8–23.
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tur des Codex, das heißt im Ablauf der Seiten, veranschaulicht und im Prozess der Rezeption erfahrbar gemacht.363 Ihre Platzierung am Beginn des Codex verbindet die ganzseitigen Kreuzminiaturen mit der Darstellung des Zeichens in anderen Manuskriptkulturen. Was die nordspanischen Manuskripte hingegen auszeichnet, ist nicht nur, dass die Kreuze auch den Codex abschließen können, sondern dass sie sich, egal ob am Beginn oder Ende platziert, immer dem Textkörper zuwenden. An dieser Stelle lohnt es sich, einen Blick auf die bauplastische und wandmalerische Ausgestaltung von Bauten am Beispiel der insgesamt gut überlieferten asturischen Kunst des 9. und frühen 10. Jahrhunderts zu werfen, um die Funktionsweise der Kreuzdarstellungen in den Codices zu präzisieren. Denn Kreuze sind in den erhaltenen asturischen Bauten ein verbreitetes Phänomen und zudem in der Nähe von Fenstern und Eingängen angebracht, worin ein struktureller Zusammenhang zu den an den Rändern des Codex platzierten Kreuzminiaturen besteht. Stellvertretend für die Bauplastik sind etwa die unter Alfons III. entstandenen Gebäude zu erwähnen, bei denen Platten mit Kreuzreliefs in den Außenfassaden vermauert sind. Dies trifft auf eine überbaute Wasserstelle in Oviedo364 ebenso zu wie auf die Bauplastik zahlreicher Kirchenbauten, etwa die 893 geweihte Kirche San Salvador de Valdediós (Abb. 171).365 Die Steinplatten mit dem Kreuzzeichen werden dabei jeweils in die Außenfassaden oberhalb des Eingangs eingelassen. Wenn die reliefierten Kreuze um den Hoc signo-Spruch ergänzt sind, so kommt manchmal noch eine Antiphon hinzu.366 Sie ist im westgotischen Liber Ordinum Bestandteil eines
363 Valcavado-Beatus, fol. 1v (ganzseitige Kreuzminiatur), fol. 180r (Kreuzzeichen am Ende der zweiten Spalte), fol. 180v/190r (Weltgericht), hier: Kat. I.12. Silos-Beatus, fol. 2v, 3v, 5v (ganzseitiges Kreuz), fol. 205r (Kreuzdarstellung am Ende der zweiten Spalte), fol. 205v/206r (Weltgericht), hier: Kat. I.11. Schließlich besitzt auch der Morgan-Beatus (hier: Kat. I.8) eine kleinere Kreuzdarstellung vor dem Weltgericht (fol. 219r–220r). Eine ganzseitige Miniatur am Beginn des Codex ist hierin nicht enthalten. Allerdings scheint die erste Lage nicht dem ursprünglichen Zustand zu entsprechen: vgl. Williams, Beatus (1994), Bd. 2: 31. 364 Die unter Alfons III. (866–910) errichtete Wasserstelle ist mit einer Inschrift versehen: (HOC SIGN)O TVETVR PIVS HOC SIGNO VI(NCITVR INIMICVS) (SIGNVM SALVTIS PO)NE DOMINE IN FONTE (ISTO VT NON PERMITTAS) INTROIRE ANGELVM PERCVTIENTEM. Ebenso haben sich Kreuzplatten aus der frühmittelalterlichen, unter Alfons III. errichteten Stadtbefestigung von Oviedo erhalten, deren ursprüngliche Position aber heute nicht mehr sicher bestimmt werden kann: dat. 875, Sandstein, 83 x 81 cm bzw. 56 x 95 cm, Oviedo, Museo Archeológico de Asturias: vgl. Diego Santos, Inscriptiones (1994), 103, 104, Nr. 75, 76; Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 188, 190. 365 Zu Valdediós: Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 192–203. Vgl. auch den im Jahre 951 fünfundvierzig Kilometer westlich von Oviedo erneuerten Kirchenbau San Martín de Salas. Aus diesem haben sich Kalksteinplatten mit Kreuzdarstellungen erhalten, welche um die Hoc signo-Inschrift erweitert sind. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 212–213; García Castro Valdés, Signum salutis (2008), 142. 366 Signum Salutis pone, Domine, in domibus istis, ut non permitas introire angelum percutientem. LO, II, 20,6–8. Auch im Liber ordinvm episcopal, 22. Im westgotischen Antiphonar ist diese Antiphon Bestandteil von Bittgesängen, die bei Katastrophen angestimmt werden: Responsuria letanias de clade dicendi – Signum salutis ponde domine in ianuis istis ut non permittas introire angelum percutientem. Antifonario Visigótico, fol. 256v (427). Die Antiphon zitiert aus dem 2. Buch Samuel 24,16.
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Rituals, welches der liturgischen Reinigung eines Hauses gewidmet ist.367 Die Antiphon trägt die Bitte an Gott vor, durch das Zeichen des Heils dafür Sorge zu tragen, dass der tötende Engel nicht in das Haus eindringen oder durch die Türen eintreten möge. Weil der Liber Ordinum eine gesonderte Kirchweihe nicht vorsieht, fand die Segnung wohl gleichermaßen für die verschiedensten Bautypen Anwendung. Jene die Kreuzdarstellungen begleitende epigraphische Inschrift hält daher für alle Zeiten den Moment fest, in dem das entsprechende Gebäude als ein von äußeren Einflüssen unabhängiger, heiliger Bezirk ausgezeichnet wurde. An diese epigraphische Tradition wurde dann im späteren Königreich León angeknüpft: Denn auch auf der schon besprochenen Steinplatte aus Destriana wird das Kreuz neben der Hoc signo-Inschrift um den genannten Auszug aus der Antiphon ergänzt (Abb. 173).368 Die Segnung des Liber Ordinum schließt zugleich die Bewohner und im Falle eines Kirchenhauses die Gläubigen mit ein: In domibus in quibus uos habitatis pono signum meum, dicit Dominus, et protegam uos […].369 Auf den Kreuzplatten konkretisiert sich dieser Bezug, wenn in der Inschrift zugleich auch die Bitte um den Schutz des Bauherrn vorgebracht wird.370 So wird in einer aus der Kirche San Martín de Salas stammenden Kalksteinplatte mit Kreuzzeichen die Bitte des Bauherrn Alfons festgehalten, dass Gott ihn erlösen möge.371 Die 367 Für die asturischen Bauten vgl. die Inschrift im Giebelfeld der oben genannten überbauten Wasserstelle aus der Herrschaft Alfons III.: Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 190–192; ferner die Kreuzplatten aus der frühmittelalterlichen Stadtbefestigung von Oviedo: Diego Santos, Inscriptiones (1994), 104, Nr. 76; García Castro Valdés, Arqueología (1995), 89; Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 190. Weiterhin siehe eine aus der 951 fertiggestellten Klosterkirche San Martín de Salas stammende Steinplatte, die heute im Torre del Castillo de Valdés-Salas in Salas vermauert ist. Die Bitte um die göttliche Segnung ist hier beidseitig des auf einem Stab sitzenden Kreuzzeichens, dessen Arme in Ausknospungen enden, in die Kalksteinplatte geritzt. García Castro Valdés, Arqueología (1995), 136–137, Nr. 68, Abb. 83: SIGNV(M) SALVTIS PONE D(O)M(IN)E / IN DOMO ISTO VT NON / PERMITAS INTROIRE / ANGELVM PERCVCIENTE(M). Die ursprüngliche Position der Platte ist nicht mehr zu bestimmen, da die Kirche erneuert wurde. Im Bau des 15. Jh. befand sich die Platte oberhalb des Apsisfensters. 368 SIGNVM SANTVM PONE D(OMI)NE IN DOMO ISTA VT NON PERMITTAS INTROIRE ANGELVM PERCVTIENT(EM) AMEN. Zit. nach Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 214, Taf. 65b. Vgl. auch García Castro Valdés, Arqueología (1995), 89. – Vgl. Anm. 364 für die Inschrift an der Wasserstelle in Oviedo, die zwischen 866 und 910 errichtet wurde. 369 LO, 20,8–9. Vgl. auch: Benedic, Domine, domum istam et omnes habitantes in ea […]. LO, 20,26–27. 370 Die epigraphische Nennung des Bauherrn hat bereits westgotische Tradition. In San Juan in Baños de Cerrato (Prov. Palencia) begegnet ein plastisches Kreuzzeichen sowohl oberhalb des Eingangs in das Kirchenhaus als auch in der Mitte des Apsisbogens. Darüber ist eine Steinplatte mit Inschrift eingelassen, in der dem Patron der Kirche, Johannes der Täufer, im Jahre 661 der Bau durch König Reccesvinth als Geschenk dargebracht wird: PRECURSOR D(O)M(IN)I MARTIR BABTISTA IOHANNES / POSSIDE CONSTRUCTAM / IN ETERNO MUNERE SEDE(M) QUAM DEUOTUS EGO REX RECCESUINTHUS AMATOR NOMINIS IPSE TUI / PROPRIO DE IURE DICAUI TERTII POST DEC(E)M / REGNI COMES INCLITUS ANNO SEXCENTUM DECIES / ERA NONAGESIMA NOBEM. Schlunk und Hauschild, Denkmäler (1978), 204, vgl. auch Taf. 102, 103. 371 Eine genauere Position der Platte, ob in Verbindung mit einem Fenster oder einer Türöffnung, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. (H)OC SIGNO TVETVR PIVS / (H)OC SIGNO VINCITVR INIMICVS / ALDEFONSVS FECIT / SALVA EUM DEVS: vgl. García Castro Valdés, Arqueología (1995), 95. – Abb. in Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), Taf. 64b.
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hier nicht allgemein, sondern namentlich vorgebrachte Bitte ist ebenso für das Verständnis der Kreuzdarstellungen in den Handschriften relevant. Wie erwähnt, sind den Kreuzzeichen häufig Buchstabenlabyrinthe gegenübergestellt, die den Namen eines Abtes erinnern, in oder für dessen Gemeinschaft der Codex entstanden ist. Ferner können darin die Namen der Kompilatoren respektive Illuminatoren oder auch die Widmung an den Patron des Klosters gespeichert sein. Den Kirchenbauten vergleichbar diente möglicherweise auch hier das Kreuz als apotropäisches Zeichen für jene monastische Gemeinschaft, welche stellvertretend durch ihre Namenseinträge in den Buchstabenlabyrinthen als anwesend zu denken war. Die Hoffnung der Gemeinschaft auf die schützende Kraft des Kreuzes konnte bei jedem Öffnen des Codex vergegenwärtigt werden und ermöglichte zugleich dem Rezipienten, sich mit seinen Bitten anzuschließen.372 Vor dem Hintergrund struktureller Parallelen zu den bauplastischen Kreuzen lässt sich argumentieren, dass ebenso die illuminierten Zeichen den Codex als einen geheiligten Bezirk kenntlich machen.373 Gleichwohl ließe sich einwenden, dass hier weder die genannte Antiphon eine Rolle spielt noch das Kreuz, wie in der Bauplastik der Fall, nach ‚außen‘ weist; vielmehr wendet es sich nach ‚innen‘. Dies ist hingegen bei jenen Kreuzdarstellungen der Fall, die Bestandteil der Wandmalereien in den asturischen Kirchenbauten, vereinzelt auch in den Klosterkirchen der später eroberten Gebiete, sind. Prominentes Beispiel für die asturische Wandmalerei ist die Ausmalung der unter der Herrschaft König Alfons II. in Oviedo zwischen 812 und 842 errichteten Kirche San Julián de los Prados (Santullano).374 Deren Bildprogramm umfasst den gesamten Innenraum der dreischiffigen Basilika samt ihres monumentalen, durchlaufenden Querhauses und den sich daran anschließenden drei Apsiden.375 Die in das Bildprogramm eingebetteten Kreuze, die eine lateinische Form aufweisen, entsprechen dem Typus der crux gemmata. Ihre Kreuzarme weisen Ausbuchtungen an den
372 Zur Sinnstiftung durch das Öffnen und Schließen von Codices: Schneider, Geschlossene Bücher (2000). 373 Auch Leroy, Manuscrits syriaques (1964), 113, vergleicht die Platzierung der Kreuzdarstellungen in syrischen Handschriften mit der Markierung von Türschwellen im gebauten Raum und leitet daraus ihre apotropäische Funktion ab. Nees, Syriac Manuscripts (1980–1981), 134, ergänzt, dass dieser apotropäische Schutz die Schreiber miteinschließt, deren Namen nebst anderer Informationen zur Herstellung der Handschrift auf den illuminierten Kreuzzeichen erscheinen. 374 Zu den Wandmalereien vgl. Schlunk und Berenguer, Pintura mural (1957), 173–177; Noack-Haley, Ästhetik und Ikonographie (1995); Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 126–132; Arias Páramo, Pintura mural (1999), 21–109; Arias Páramo, García Guinea und Peridis, Asturias (2007). 375 Die Fresken wurden von Fortunato de Selgas und Vicente Lampérez y Romea entdeckt, die zwischen 1912 und 1915 den ursprünglichen Bauzustand wiederherzustellen suchten: Selgas, Basílica (1916). Erst in den 1970er und 80er Jahren wurden die Fresken restauriert: vgl. Arias Páramo, Pintura mural (1999), 25–26. Dabei ergab sich, dass sie offensichtlich auf der Grundlage eines Liniengerüstes aufgetragen wurden, welches aus Ritzungen in den Putz bestand, die relativ genau sowohl die Anlage der Register und Bildfelder als auch die geometrische Proportion der hier dargestellten Architekturen erfassten. Technische Erörterungen und Zeichnungen der Ritzungen finden sich bei Arias Páramo, Pintura mural (1999), 47–53. – Jede Visualisierung und Analyse der Wandmalereien ist immer noch auf die Zeichnungen von Marín Berenguer in: Schlunk und Berenguer, Pintura mural (1957), angewiesen.
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Enden auf und tragen Alpha- und Omega-Pendilien.376 Daher verbinden die Kreuze unterschiedliche Zeiten miteinander: die Gegenwart der Kirche durch die Evokation liturgischer Kreuze sowie die Zukunft mit dem Weltgericht, symbolisiert durch die Buchstaben Alpha und Omega. Die Kreuzdarstellungen sind zentral an verschiedenen Übergangssituationen platziert: oberhalb des Eingangs im Westen, auf der Ostwand des Langhauses, ferner auf der Westwand des Querhauses und schließlich auf der Apsisstirnwand (Abb. 168). Diese Schwellenposition wird auf der Bildebene dergestalt aufgenommen, dass die Kreuze unterhalb einer Arkade zu schweben scheinen, die den Blick auf einen dahinterliegenden Bildraum eröffnet. Darin sind überdachte Viererarkaden platziert, deren zurückgeraffte Vorhänge wiederum Durchgänge suggerieren. Die Anordnung der Kreuze im Kirchenraum betont demnach jene zentrale Achse, die vom Eingang im Westen durch das Mittelschiff und Querhaus zum Sanktuarium der mittleren Apsis führt. Die Kreuze heben auf diese Weise die Staffelung des Kirchenraums hervor, der jener für die Liturgie relevanten Strukturierung entspricht, nach der einzelne Raumkompartimente nur bestimmten Personen vorbehalten waren. Die Kreuze markieren die Trennung zwischen den Laien im Kirchenschiff, dem Klerus im Querhaus sowie den Apsiden, die während der Messe allein vom Priester betreten werden durften.377 Zugleich erweist sich die immer gleiche Kreuzdarstellung aber auch als ein alle Raumkompartimente sowie alle Beteiligten der Messe verbindendes Zeichen. Die Kreuzdarstellungen sind Bestandteil eines Bildprogramms, das vor allem von Bildfeldern mit Architekturdarstellungen dominiert wird (Abb.169). Diese bedecken die Wände überwiegend in zwei Registern im Lang- und Querhaus. Im unteren Register wechseln sich Vorhallen mit kunstreichen Überdachungen und zurückspringenden überkuppelten Säulennischen ab. Vorhallen und Säulennischen besitzen gemeinsam ein reich gegliedertes Gebälk und sind darüber hinaus miteinander durch einen mehrfach profilierten Sockel verbunden. Die Vorhallen mit gerafften Vorhängen geben nun den Blick auf dahinterliegende Architekturen frei und greifen auf diese Weise das Motiv des Zugangs und Durchblicks auf, welches auch jene Bildfelder prägt, in denen die Kreuze dargestellt sind. Davon unterscheidet sich das obere Register, in dem links und rechts des Kreuzes Felder mit heruntergelassenen Vorhängen und Architekturdarstellungen abwechseln. Letztere sind aus einer U-förmigen Säulenhalle gebildet, deren äußere Interkolumnien erneut den Blick auf geöffnete, mit Vorhängen versehene Zugänge lenken. In der Forschung wurde das Bildprogramm aufgrund der Architekturen in Verbindung mit dem Kreuzmotiv vor allem als ‚Himmlisches Jerusalem‘ gedeutet, wenn auch immer die Schwierigkeit bestand, dieses an dem Bildbefund festzumachen.378 Weder sind die Architektu376 Abb. in Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), Taf. 18e, f. 377 Vgl. Godoy Fernández, Arqueología (1995), 50–65, hier auch zu den zeitgenössischen Begriffen für die jeweiligen Funktionsräume des Kirchenbaus; ferner Rodriguez G. Ceballos, Liturgia (1965), 311. 378 Schlunk und Berenguer, Pintura mural (1957), 100–102; auch Arias Páramo, Pintura mural (1999), 86–87, der die hinter dem Kreuz sichtbaren Palastarchitekturen als Bethlehem und Jerusalem deutet; ferner Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 128–129; Dodds, Architecture (1990), 41, versteht das Programm als Opposition Alfons II. gegen die adoptionistische Häresie. Dagegen interpre-
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ren zu einer komplexen städtischen Form verbunden noch wird auf die bekannte Zahlensymbolik zurückgegriffen, nach der sich das ‚Himmlische Jerusalem‘ durch zwölf Stadttore auszeichnet.379 Eine ikonographische Lektüre stösst dort an Grenzen, wo sich Gebäudetypen wiederholen und sich damit einer Identifikation entziehen.380 An dieser Stelle geht es nicht um eine Neubewertung des Freskenprogramms, allerdings lassen sich mit Blick auf die Funktion des Kreuzes strukturelle Merkmale benennen, die Möglichkeiten einer Neulektüre aufzeigen. So erweist sich das Kreuz innerhalb des auf Wiederholung und Rhythmus angelegten Bildprogramms als ein narrativer Höhepunkt und als ein alle Bildfelder in eine Ordnung überführendes Zeichen. Dies wird besonders im obersten Register anschaulich, in dem das Kreuz die zentrale Achse einer sich daran orientierenden, spiegelbildlichen Anordnung von Vorhang- sowie Architekturmotiven bildet. Zum anderen sticht das vielfach verwendete Vorhangmotiv ins Auge, das durch den Wechsel von Durchblicken (geraffte Vorhänge) im unteren Register und von Sichtbehinderungen (heruntergelassene Vorhänge) im oberen Register charakterisiert ist. Führt man beide Beobachtungen zusammen, so scheint es hier weniger um die Darstellung des ‚Himmlischen Jerusalems‘ oder eines paradiesischen Zustands zu gehen, sondern vielmehr um den Zugang zum Himmelreich. Folglich veranschaulicht das Spiel mit den geöffneten und heruntergelassenen Vorhängen, dass dieser Zugang beschränkt und nicht für alle möglich sein wird.381 In einigen weiteren Kirchen Asturiens haben sich im Format kleinere Kreuzdarstellungen erhalten, die bevorzugt in Apsiden und oft oberhalb eines Fensters platziert sind. Dies trifft auf die bereits erwähnte, unter Alfons III. errichtete Kirche San Salvador de Valdediós zu, in der jeweils drei Kreuzdarstellungen oberhalb des Apsisfensters im Osten sowie des Fensters an der westlichen Eingangsseite gegenüber gestaltet sind (Abb.172).382 In ihrem Erscheinungsbild erinnern sie an Metallkreuze und stehen daher den späteren Kreuzminiaturen nahe. Insbesondere die jeweils mittig platzierten treten durch ihre Größe, ihre farbliche Gestaltung sowie durch Medaillon-Verzierungen, die Steinschmuck evozieren, hervor. Das zentrale Zeichen oberhalb des Apsisfensters ist zudem mit den charakteristischen Alpha- und
tiert Bango Torviso, Ordo Gothorum (1985), 16–17, das Programm als Himmlisches Paradies und verweist auf das Testament Alfons II., in dem von Gott als verborgene, nicht sichtbare Instanz gesprochen wird. 379 Vgl. Kurmann, Jerusalem (2002). 380 So konstatiert Noack-Haley, Ästhetik und Ikonographie (1995), 339, dass „[…] offensichtlich um den vorhandenen Raum zu füllen, einige Bilder mehrfach wiederholt wurden. Das ikonographische Programm wurde also anscheinend nach kompositorischen Gesichtspunkten erweitert und damit zugunsten visueller Wirkung in gewisser Weise außer Kraft gesetzt.“ 381 Die Deutung einer gesteigerten Zugangsbeschränkung schließt auch jene für asturische Kirchenbauten typische ‚blinde‘ Aufstockungskammer mit ein, die über der zentralen Apsis von außen zwar durch ein Fenster als zugänglich angezeigt wird, von innen aber keinerlei Zugang bietet: vgl. dazu Anm. 754. – In reduzierter Form wurde das Bildprogramm von San Julián de los Prados in der 921 geweihten Kirche San Salvador in Priesca übernommen: vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 207– 210; Arias Páramo, Pintura mural (1999), 168–177. 382 Vgl. Arias Páramo, Pintura mural (1999), 144, 155–156, mit. Abb.
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Omega-Behängen versehen.383 Die jeweils zu einer Gruppe angeordneten Kreuzdarstellungen verbinden demnach verschiedene Zeiträume miteinander: durch ihre an Golgatha erinnernde Dreizahl die vergangene Passion, durch ihre metallische Präsenz das liturgische Geschehen in der Gegenwart des Betrachters sowie durch Alpha und Omega die Wiederkunft Christi am Ende der Tage. In den eroberten Gebieten lässt sich eine Fortsetzung dieser Tradition nur noch vereinzelt sowie fragmentarisch sichern, etwa im Kloster Santiago de Peñalba im leonesischen Herrschaftsgebiet, für das das Messingkreuz Ramiros’ II. bestimmt war. Reste erhaltener Wandmalereien belegen Kreuzdarstellungen an der Nord- und Südwand sowie oberhalb des Apsisfensters.384 Das Kreuz oberhalb des Apsisfensters erinnert mit seiner lateinischen Form, den sich verbreiternden Kreuzarmen und dem zentralen Medaillon an das zentrale Wandmalereikreuz in San Salvador de Valdedíos. Die Darstellung eines einfachen lateinischen Kreuzes, welches – auf Golgatha hindeutend – auf einem Hügel steht, schmückt schließlich die Apsisstirnwand der kleinen galicischen Kirche San Salvador in Samos.385 Die Kirche gehörte zu einem Benediktinerkloster und war, wie Santiago de Peñalba, in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts errichtet worden. Daraus lässt sich schließen, dass der mit den bauplastischen Kreuzen verbundene Gedanke des apotropäischen Schutzes auch für die Wandmalereikreuze gültig ist, wofür spricht, dass sie oft an Eingängen und über Fenstern platziert sind. Darüber hinaus wurde im Medium der Wandmalerei die Möglichkeit genutzt, mittels der Ikonographie des Kreuzes und seiner Einbindung in ein größeres Bildprogramm den Kirchenraum und die sich darin vollziehenden Rituale in einen breiten zeitlichen Zusammenhang zwischen der Passion und der Wiederkunft Christi einzuordnen. Dies erscheint mir für die Deutung der Kreuzdarstellungen in den Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts relevant. Zum einen transformiert das Kreuz die Handschrift in einen virtuellen Raum, in dem verschiedene vergangene, gegenwärtige und zukünftige Ereignisse zusammen gedacht werden können. Zum anderen zeichnet das Kreuz den Codex als einen heiligen Bezirk aus, dessen Schutz für all jene erbeten wurde, die den Codex produzierten, besaßen und rezipierten. Architekturelemente wie Arkaden, unter denen in einigen Handschriften die Kreuzzeichen platziert sind, unterstreichen dies. Den Codex auf diese Weise zu eröffnen und damit seiner räumlichen Rezeption Vorschub zu leisten, ist auch für andere frühmittelalterliche Manuskriptkulturen belegt, wenn auch das Motiv der Arkade in verschiedene Bildlösungen eingebunden sein kann. Das Benediktionale für Æthelwold († 984), Bischof von Winchester, etwa, welches wohl in den 970er Jahren entstanden ist, wird durch sieben ganzseitige Miniaturen eröffnet, die jeweils durch eine von einem breiten Bogen überfangene Doppelarkade gerahmt sind.386 Darunter sind jeweils verschiedene Gruppen von Heiligen versammelt, die in der Summe die himmlischen 383 Vgl. auch die Kreuzdarstellung oberhalb des Apsisfensters in San Salvador de Priesca: Arias Páramo, Pintura mural (1999), 174, mit Abb. 384 Vgl. Guardia Pons, Peñalba de Santiago (2007), 131, Anm. 43, mit Abb. 385 Vgl. Casal Chico, Capilla (2002), Abb. 2, 22; auch Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 227–228. 386 London, BL, Ms. Add. 49598; 119 Bl., 29,2 x 22,5 cm. Wormald, Benedictional (1959); Alexander, Benedictional (1975); Deshman, Benedictional (1995); Prescott, Benedictional (2002).
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Hierarchien bilden. Den verschiedenen Arkadenlösungen am Beginn des Codex (fol. 1r–4r) antwortet die Darstellung eines Kirchenhauses am Ende (fol. 118v), wodurch die himmlische und die irdische Kirche miteinander in Bezug gesetzt werden (Abb.151, 152). Es handelt sich dabei um die letzte ganzseitige Miniatur, die dem bischöflichen Segen aus Anlass einer Kirchweihe voransteht. Statt einer aus einzelnen architektonischen Elementen gebildeten Rahmung, wie sie zu Beginn des Manuskriptes das Erscheinen der Heiligen kennzeichnet, ist hier die Architektur einer Kirche gezeichnet, die zugleich einen Blick in das Innerste ermöglicht. Unterhalb einer zentral platzierten Arkade hat hier ein Bischof dem mit Kelch und Patene ausgerüsteten Altar den Rücken zugewendet, um aus einem Buch, wahrscheinlich einem Benediktionale, den Segen an die Gemeinde, eine Gruppe von Mönchen, Klerikern und anderen Gläubigen, vorzutragen. Im Hinblick auf ihre farbliche Ausgestaltung erscheint die ganzseitige Miniatur nicht vollendet. Jedoch wurden wesentliche Elemente der Bildaussage – jene den Bischof rahmende Arkade, der Bischof selbst, ferner der für die eucharistische Wandlung zugerichteten Altar und das Buch – bereits farblich hervorgehoben. Diese farbliche Akzentuierung betont den Zusammenhang zwischen der abschließenden Miniatur und den anfänglichen ganzseitigen Darstellungen. Schließlich ist es die Messe, die die Teilhabe der Gläubigen an der Gemeinschaft mit Jesus Christus und den Heiligen ermöglicht. Im Benediktionale des Bischofs Æthelwold dient insbesondere das Motiv der Arkade dazu, den Codex als Raum wahrzunehmen und darüber hinaus die himmlische und die gegenwärtige Kirche zusammenzudenken. Jenseits vergleichbarer räumlicher Konzepte, die etwa an das Motiv der Arkade geknüpft sein können, fällt jedoch auf, dass Kreuzdarstellungen in Handschriften, die aus den westeuropäischen Regionen nördlich der Alpen stammen, ausgesprochen häufig auf einer Vorderseite platziert sind. In den nordspanischen Manuskripten ist dies jedoch grundlegend anders. Die den heiligen Bezirk begrenzenden Kreuze wenden sich immer nach innen, wodurch ein semantischer Unterschied zum Außen des Codex im Rezeptionsvorgang wahrnehmbar wird. Dafür spricht die Beobachtung, dass die abschließenden ganzseitigen Illuminationen – und nicht nur die wenigen Kreuzdarstellungen an dieser Stelle – auf einer Vorderseite platziert sind und sich damit auch hier dem Inhalt des Codex zuwenden. Erinnert sei an den bereits besprochenen Omega-Zierbuchstaben, der, wie im Girona-Beatus von 975 auf folio 284 recto, typischerweise an das Ende der Handschrift gerückt ist (Abb.63).387 Den visuellen Einstieg in das Manuskript bildet ein ganzseitiges Kreuz (fol. 1v), welches, wie das Omega, auf der Fleischseite eines Pergaments und damit der für den Farbauftrag höherwertigen Seite gestaltet wurde (Abb. 43). Dementsprechend weist die Haarseite, zu erkennen an der dunkleren Farbe des Pergaments und der von den Haarwurzeln herrührenden feinen Punktierung der Oberfläche, nach außen. Die Konsequenz, mit der in nordspanischen Handschriften vor allem Kreuzminiaturen so angeordnet wurden, dass sie sich dem Inhalt des Codex zuwenden, zeigt, dass es dabei um mehr als den Schutz von Illuminationen ging. Denn auch dann, wenn die ganzseitige Kreuzdarstellung am Beginn des Codex nicht auf dem allerersten Blatt aufgetragen worden war, wurde das Zeichen dennoch einer Rückseite zugeordnet, während die Vorderseite ungestaltet blieb. Das ist in dem im Jahre 976 fertiggestellten Codex Albel387 Vgl. Kat. II.6, zum Zustand der Lagen vgl. Kap. V.2.
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dense der Fall, in dem das entsprechende Blatt die Mitte einer regelmäßigen Lage bildet. Daher ist es wenig wahrscheinlich, dass hier ein Fehler in der Konzeption, sondern dass vielmehr eine bewusste Entscheidung vorliegt, die darauf zielt, den Rezipienten mit einer fast ungestalteten Seite zu konfrontieren.388 Denn die sich nach innen wendenden Darstellungen schimmern, wie der Girona-Beatus zeigt, hindurch und stellen auf diese Weise bereits einen visuellen Kontakt her (Abb. 42). Folglich bleibt die Wendung der Kreuzdarstellung nach ‚innen‘ nicht ohne Wirkung nach ‚außen‘. Statt der Markierung einer Grenze wird eine Schwelle erzeugt, da der Rezipient weder drinnen noch draußen ist.389 Damit sei nicht behauptet, dass die semantische Kodierung von Vorder- und Rückseite, zumal auf dem ersten Blatt eines Codex, ein übergreifendes Phänomen darstellt. Es ist eher zu erwarten, dass nur in bestimmten zeitlichen und geographischen Kontexten die Funktion des ersten Blattes Gegenstand einer gestalterisch greifbaren Reflektion wurde. Beispiel dafür sind einige Evangeliare, die in den ersten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts im Rhein-MoselGebiet entstanden sind und die ich hier kontrastierend den nordspanischen Beispielen gegenüberstellen möchte. Auch an ihnen lässt sich ein bewusster Umgang mit der Gestaltung der Vorder- und Rückseite auf dem ersten Blatt belegen. Schlägt man etwa das um 1030 datierte Evangeliar aus St. Maria ad Gradus in Köln auf,390 so tritt einem auf der Vorderseite des ersten Blattes eine gerahmte purpurfarbene Fläche entgegen (Abb. 153).391 Diese Fläche, die in etwa die Größe des Schriftspiegels der Handschrift einnimmt,392 ist weitgehend ungestaltet. Es gibt auf ihr nichts, was die Aufmerksamkeit des Betrachters erregen könnte. In ihrer Verschlossenheit erinnert sie an die mit Porphyrplatten versiegelten Tragaltäre.393 Die purpurfarbene Bildfläche weist demnach nicht hinein in den 388 Vgl. Kat. I.4, Kap. V.3, Abb. S. 146. 389 Ausgehend von der Innengestaltung römischer Sarkophage: Didi-Huberman, Phasmes (1998, 2001), 239, von denen sich jedoch die Handschriften dergestalt unterscheiden, dass auf der ‚Außenseite‘ bereits die nach innen gewendete Darstellung erkennbar wird. 390 Köln, Erzbisch. Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 1001a. 222 Bl., 317 x 225 mm/308 x 225 mm. Bloch und Schnitzler, Kölner Malerschule (1970), Bd. I, 69–75, Kat. X; Ausst.-Kat. Glaube und Wissen im Mittelalter (1998), 369–382, Nr. 78. – Zum Verhältnis von bildlicher Darstellung und Inschrift in den ottonischen Handschriften aus Köln: O’Driscoll, Image and inscription (2015). 391 So auch in einem Evangeliar in Bamberg (Staatsbibliothek, Msc.Bibl.94, fol. 1r), dat. Mitte 11. oder 3. V. 11. Jh. Bloch und Schnitzler, Kölner Malerschule (1970), Bd. I, 80–86, Kat. XII. Im Evangeliar aus St. Gereon, dat. kurz nach 996 (Köln, Hist. Archiv, Ms. W 312, fol. 13r), sind die gerahmten Farbfelder vor die ersten beiden Evangelien gesetzt, ferner ist ein gerahmtes Purpur-Feld der Maiestas DominiDarstellung gegenübergestellt: vgl. Bloch und Schnitzler, Kölner Malerschule (1970), Bd. I, 25–31, Kat. II. 392 Das Purpurfeld misst 22,5 x 15,5 cm. Es entspricht in etwa der Vertiefung im originalen Holzeinband (20,1 x 11,7 cm), der allerdings seines Schmucks beraubt ist. Dass diese Vertiefung sich heute auf dem Rückendeckel findet, scheint einer späteren fehlerhaften Bindung geschuldet zu sein. Im Abgleich mit anderen erhaltenen ottonischen Einbänden ließe sich für die Vertiefung ein Elfenbein rekonstruieren. Vgl. den Vorderdeckel des Perikopenbuchs Heinrichs II. von 1012, dessen Elfenbein aus dem 9. Jh. stammt und u. a. eine Kreuzigung zeigt (München, BStB, Clm 4452): Krenn und Winterer, Pinsel (2009), 12. 393 Vgl. Tragaltar aus Hildesheim, um 1000 dat., 26 x 15 x 10,5 cm, Dom- und Diözesanmuseum Hildesheim, Inv.-Nr. DS 26: vgl. Ausst.-Kat. Bernward von Hildesheim (1993), 478–479, Kat. VII–22, mit
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Codex, sondern vielmehr hinaus und rückt dessen materielle Begrenzung in den Vordergrund. Dass es sich bei dieser Fläche um eine andere Realitätsebene handelt, darauf deutet der gestufte Rahmen hin, durch den eine Differenz zwischen dem ‚hier‘, dem Raum des Betrachters, und dem ‚dort‘, dem Bildraum, erzeugt wird. Farbsymbolisch kann die zentrale Purpurfläche mit Jesus Christus als König und Opfer in Verbindung gebracht werden. Diese Farbsymbolik war seit karolingischer Zeit gleichermaßen im theologischen Diskurs wie in der Bildlichkeit der Handschriften verankert.394 Entsprechend nimmt eine auf der Rückseite des Blattes (fol. 1v) gestaltete Maiestas Domini in ihren Ausmaßen genau jenen Seitenraum ein, der auf der Vorderseite dem Purpurfeld reserviert ist (Abb. 154).395 Der Sinn dieser ersten Seite erschließt sich rückblickend im weiteren Handschriftenverlauf. Von besonderem Interesse sind im Vergleich jene den einzelnen Evangelien vorausgehenden Schriftzierseiten. Ähnlich dem Bildfeld auf folio 1 recto handelt es sich dabei jeweils um gerahmte purpurfarbene Felder (Abb. 155).396 Dieser formale Zusammenhang macht zugleich die Unterschiede augenfällig, die zwischen dem unbeschriebenen Bildfeld an der äußeren materiellen Begrenzung des Codex und den beschrifteten Farbfeldern innerhalb des Textkörpers bestehen. Hinzu kommt, dass allein dem Hl. Lukas in dem ihm gewidmeten Bildnis eine purpurfarbene Schriftrolle zugeordnet ist, auf der sich seine göttliche Inspiration in goldenen Lettern materialisiert (Abb. 156). Als Grund dafür ist sicherlich anzuführen, dass die Inkarnation des Gotteswortes im Fleisch Thema seines Evangeliums ist. Wenn auf diese Weise ein Bezug zwischen dem Akt der Inkarnation und der Schriftwerdung hergestellt wird, dann lässt sich das ungestaltete Purpurfeld als dessen Ankündigung oder Versprechen deuten, das sich erst dann, wenn der Codex geöffnet ist, in seinem Innern erfüllen wird.397 Abb. Allerdings kann hier nicht von einer Evokation des Materials gesprochen werden, die man etwa durch das Zitat farblicher Einsprengsel, die Porphyr auszeichnen, hätte erreichen können. 394 Godescalc, Schreiber eines Evangelistars für Karl den Großen, dat. 781–783, bringt in seinem einleitenden Widmungsgedicht Purpur gefärbte Seiten mit dem Blut Christi und goldene Schrift mit dem göttlichen Licht in Zusammenhang (Paris, BnF, Ms. N.a.l. 1203): Reudenbach, Godescalc-Evangelistar (1998), 98–101. In der im frühen 9. Jh. entstandenen Pariser Theodulf-Bibel (Paris, BnF, Ms. lat. 9380) treten jene Abschnitte durch Purpurfärbung als eigener Körper innerhalb der Handschrift hervor, die den Psalmen und Evangelien gewidmet sind: Lit. vgl. Anm. 264. – Zur ‚Farbe des Bluts‘ in mittelalterlichen Hss.: Carmassi, Purpurismum in martyrio (2011). 395 Die einleitende Darstellung einer Maiestas Domini ist mit den karolingischen Handschriften erstmals überliefert: vgl. das sogen. Lothar-Evangeliar, Saint-Martin de Tours, dat. 849–851 (Paris, BnF, Ms. lat. 266, fol. 2v): vgl. Ausst.-Kat. Trésors carolingiens (2007), 102, Kat. 12, mit Abb. 396 In diese sind jeweils Vorreden, das Incipit des nachfolgenden Evangeliars bzw. die Initiale mit dem Beginn des Evangelientextes eingetragen. Vgl. die Abb. in Bloch und Schnitzler, Kölner Malerschule (1970), Bd. 1, Taf. 271–278, 280–287. 397 In anderer Weise wird der Weg des Gotteswortes ins Buch etwa im Sakramentar Heinrichs II. zum Thema, das am Beginn durch eine Reihe von Schriftzierseiten ausgezeichnet ist (München, BStB, Clm 4456; vgl. Pippal, Ausstattung [2010]). Kennzeichen einiger Schriftzierseiten sind durch vegetabile Ornamentik verstellte und durch Rankenwerk umschlungene Buchstabenkörper, wodurch die Lesbarkeit der wie verschleiert wirkenden Lettern erschwert wird (fol. 13v mit der Präfation, fol. 14r mit dem Vere dignum). Dabei bleibt es jedoch nicht. Denn auf diese die Schrift verschleiernde Zierseiten folgen solche, in denen Buchstaben und Ornament dergestalt getrennt sind, dass Zeilen mit goldenen Buch-
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Die Gründe für eine inhaltliche Reflektion über das Potential des ersten Blattes sind in den ottonischen respektive frühsalischen Beispielen andere als in den nordspanischen Handschriften. Geht es dort um die Inszenierung der Inkarnation Gottes im Medium der Schrift, spielt hier die Wahrnehmung des Codex als ein eigener, nach außen beschirmter und beschützter heiliger Bezirk eine zentrale Rolle. Dennoch stellen die Kreuze keine „Zeichen der Abgrenzung“398 dar, vielmehr sind sie als ein Phänomen der Schwelle zu begreifen: Erst durch ihre Wendung nach innen, in deren Folge die bildlichen Darstellungen auf der nach außen gerichteten Seite des Pergaments hindurchschimmern, wird die Vorstellung von einem Übergang von außen nach innen geweckt. Dieser Eindruck eines Übergangs muss jedoch nicht zwingend auf dem ersten Blatt der Handschrift erzeugt werden. Er kann ebenso gut, wie die Kreuzdarstellung im Codex Albeldense auf folio 18 verso zeigt, auch an späterer Stelle im Handschriftenverlauf erweckt oder sogar durch zwei aufeinanderfolgende Kreuzminiaturen, wie im Codex Aemilianense auf folio 15 und 16 verso, noch verstärkt werden (Abb. 90, 91).
staben auf farbigem Grund mit solchen, die mit Ranken gefüllt sind, alternieren (fol. 14v mit dem Sanctus). Den Zierseiten ist demnach eine zunehmende Lesbarkeit ihrer Schriftzeichen eigen, die programmatisch erscheint. 398 Elbern, Zierseiten (1971), 349.
IV. Der Codex als Labyrinth
In Jean-Jacques Annauds Verfilmung von Umberto Ecos Il nome della rosa spielt im Unterschied zur Romanvorlage ein frühmittelalterliches nordspanisches Buchstabenlabyrinth eine wichtige Rolle.399 Die Bibliothek eines italienischen Benediktinerklosters droht in Flammen aufzugehen. Der Franziskanerminorit William von Baskerville, der zur Lösung von Mordfällen in das Kloster gerufen wurde, versucht verzweifelt, Handschriften vor dem Feuer zu retten und so viele zu ergreifen, wie er tragen kann – angesichts der unglaublichen Menge von 6000 Bänden, die laut Roman das aedificium bergen soll, eine physisch und psychisch unlösbare Aufgabe. Der letzte Codex, nach dem der völlig entkräftete William greift, steht aufgeschlagen auf einem Bücherpult (Abb. 159, 160). Auf der illuminierten Doppelseite stehen sich ein Pfau und ein vielfarbiges Buchstabenlabyrinth gegenüber. Dabei handelt es sich jeweils um leicht abgewandelte Kopien von der Vorder- und Rückseite ein und desselben Blattes, welches Bestandteil einer Handschrift aus dem Kloster Valeránica ist. Dieser Codex, der Gregors des Großen Moralia in Iob enthält, wurde von dem Mönch Florentius 945 geschrieben und illuminiert.400 Das Buchstabenlabyrinth, welches die Vorlage der filmischen Umsetzung darstellte, enthält Florentius’ Bitte, sich seiner zu erinnern: FLORENTIVM INDIGNVM MEMORARE (Abb. 18).
399 Während die Literatur zum Buch Ecos umfangreich ist (stellvertretend: Kerner, Mediävistische Notizen [1988]; Coletti, Naming the Rose [1988]; Stauder, Name der Rose [1988]), sind Arbeiten zum Film weniger zahlreich: Baumann und Sahihi, Film (1986), und vor allem Pittrof, Weg der Rose (2002). – Der im Film gezeigte Codex spielt im Roman keine Rolle. Handschriften aus den christlich dominierten Gebieten der Iberischen Halbinsel werden an anderer Stelle in der Romanvorlage zum Thema, nämlich dann, wenn William von Baskerville und sein Gehilfe Adson ein zweites Mal das aedificium betreten und dort unter anderem eine Sammlung verschiedener illuminierter Apokalypsekommentare vorfinden. In diesem Zusammenhang werden auch die „Signaturen einiger Buchmaler, die […] zu den größten des Reiches Asturien zählen: Magius, Facundus und andere mehr“ genannt: Eco, Name der Rose (1996, 1982), 417. – Klein, Buchmalerei (1992), 65–66, der Ecos Einlassungen zu den illuminierten Apokalypsekommentaren nicht als literarische Fiktion auffassen möchte, sondern diese nach wissenschaftlichen Kriterien bewertet, identifiziert einen im Roman beschriebenen illuminierten Apokalypsekommentar mit der Beatus-Handschrift Ferdinands I. und seiner Frau Sancha (vgl. Kat. IV.2). 400 Moralia in Iob aus Valeránica, fol. 3r, 3v (hier: Kat. I.13).
Der Codex als Labyrinth 89
Das Buchstabenlabyrinth gehört zur Gattung der visuellen Poesie.401 Auch Kreuzwortlabyrinth oder Kubus genannt,402 repräsentiert es einen labyrinthisch aufgewundenen Text, der sich nicht auf den ersten Blick ermitteln lässt. Das Buchstabenlabyrinth in der Moralia in Iob-Handschrift ist dafür typisch: Ein aus Flechtwerk gebildeter rechteckiger Rahmen umgibt ein Gitter aus über Eck gestellten Kästchen, die abwechselnd mit westgotischen Minuskeln und Farben verschiedenster Töne ausgefüllt sind. Innerhalb dieses Gitters nimmt jeder Buchstabe eine unverwechselbare Position ein. Die Leseerwartung desorientierend lässt sich der Schriftsinn nur von einem bestimmten Punkt aus, dann aber in einer Fülle von Lesemöglichkeiten ermitteln. In diesem Fall bietet der in der Mitte der obersten Schriftzeile platzierte Buchstabe F den Einstieg in den versteckten Eintrag. Von hier aus kann dieser nun entlang der zentralen vertikalen Achse, aber auch über die horizontale Achse sowohl in als auch entgegen der Leserichtung von links nach rechts erschlossen werden. Ausgehend von diesen Hauptachsen sind ferner durch Richtungswechsel weitere Wege einer Enträtselung denkbar, während eine Lektüre entlang diagonaler Achsen keinen Sinn ergibt. Die Suche nach dem richtigen Lösungsweg rückt das Buchstabenlabyrinth in die Nähe des Labyrinths – einer geometrischen Form, der die „choreographische Fixierung“ einer „sinnenbestimmenden Bewegungsfigur“ inhärent ist.403 Von diesem in der mittelalterlichen Kunst dominierenden Typ des Einweglabyrinths, wie er vor allem in Handschriften und Fußböden verbreitet ist,404 unterscheidet sich das an der Schnittstelle zwischen Bildlichkeit und Schriftlichkeit angesiedelte Buchstabenlabyrinth grundlegend, weil es mehr als eine Möglichkeit darbietet, den Eintrag zu entschlüsseln.405 Das Buchstabenlabyrinth verfügt also über eine 401 Zu den Buchstabenlabyrinthen in nordspanischen Handschriften vgl. Böse, Lesbarkeit (2012). Zur visuellen Poesie umfassend: Ernst, Carmen figuratum (1991). 402 Eine zeitgenössische mittelalterliche Bezeichnung dieser Form visueller Poesie liegt nicht vor. Spätestens seit der Renaissance ist der Begriff Cubus in Gebrauch. Vgl. etwa Ambrosio de Morales’ Beschreibung eines epigraphischen Buchstabenlabyrinthes in Santianes de Pravia/Asturien aus dem 9. Jh. (vgl. hier Anm. 406), in der er den Bezug zu den Buchstabenlabyrinthen in der nordspanischen Buchkultur herstellt: […] se començo poco despues a usar mucho en Castilla. Assi todos los mas de los libros, que hallamos escritos en España de seyscientos o quinientos años a tras, tienen al principio alguna escritura o cifra destas cubicas. Assi las llamo, porque quadran por todos quatro lados los escrito. [Hervorhebung d. Verf.] Ambrosio de Morales, Los cinco libros posteros de la cronica general de Espana, Córdoba 1586, 40r–40v, zit. nach: Rodríguez Suárez, Ambrosio de Morales (2010), 50. Dennoch verwendet Morales den Begriff des Cubus bezogen auf die Handschriften nicht, sondern spricht stattdessen von cifra ordinaria, um dann die in den Labyrinthen überlieferten Namen anzugeben: vgl. […] y luego la cifra ordinaria en que dice: Theodemiri Abbatis Liber oder Dice en la ciffra ordinaria Super Abbatis liber. Ambrosio de Morales, Viaje, 32, 38. 403 Definition bei Kern, Labyrinthe (1999), 13. 404 Zum Labyrinth in den visuellen Kulturen einführend mit einer Fülle von Bildmaterial: Kern, Labyrinthe (1999); zum gebauten architektonischen Labyrinth: Pieper, Das Labyrinthische (1987). Zu den mittelalterlichen Bildzeugnissen: Doob, Labyrinth (1990), 121–144; ausgehend von Chartres zu den Labyrinthen in mittelalterlichen Kirchenpavimenten: vgl. den Kongressband Fil d’Ariane (1999). Zu Labyrinthzeichnungen in Handschriften: Batschelet-Massini, Labyrinthzeichnungen (1978); Haubrichs, Error inextricabilis (1980). 405 Penelope Reed Doob betont den Gegensatz zwischen den Einweglabyrinthen in der Kunst und den Vielweglabyrinthen in der Literatur: Doob, Labyrinth (1990), 41. Aus dieser Perspektive erschließt
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Fülle an Lektüremöglichkeiten. Fügt man etwa in Florentius’ Buchstabenlabyrinth alle diese Lektüremöglichkeiten im Geiste zusammen, so ergibt sich vor dem inneren Auge die Form eines T, welches sich auch als T-Kreuz interpretieren ließe. Die Frage, wie leicht und mit welchem Aufwand ein Eintrag erschlossen werden konnte und ob eine Entschlüsselung intendiert war, die auf eine Aufdeckung aller Lektüremöglichkeiten zielte, Ambrosio de Morales zählte in einem Fall 300 verschiedene Möglichkeiten,406 ist berechtigt, lässt sich jedoch aus historischer Perspektive kaum klären. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die Buchstabenlabyrinthe der Reflexion über das Labyrinthische dienten und damit auf abstrakter Ebene das Ver- und Enträtseln zum Thema machten.407 Jenseits des optischen Effekts, den die Kopie von Florentius’ Buchstabenlabyrinth an zentraler Stelle der filmischen Umsetzung von Il nome della rosa erzielt, sprechen weitere Gründe für das Close-up dieser Form visueller Poesie. Das Labyrinth ist ein Leitmotiv von Il nome della rosa: Zum einen fungiert es als Metapher für die rätselhafte Mordserie in der Benediktinerabtei, zum anderen begründet es die Bauform der Klosterbibliothek, die den von den Mönchen heiß begehrten Traktat des Aristoteles über das Lachen in sich verschließen soll.408 Der Brand der Bibliothek, in deren Verlauf William von Baskerville die Moralia in Iob-Handschrift mit dem Buchstabenlabyrinth ergreift, setzt den dramaturgischen Endpunkt hinter einen Prozess, in dem William die Mordfälle teilweise dem aus Spanien stammenden Mönch und Bibliothekar Jorge von Burgos zuschreiben kann – eine leicht erkennbare Anspielung auf den argentinischen Schriftsteller und Autor labyrinthischer Texte Jorge Luis Borges (1899-1986). Die Suche nach dem Täter ist zugleich verbunden mit jener nach dem geheimnisvollen Aristoteles-Traktat in den Tiefen des aedificium, einem Irrgarten des Wissens. Am Ende brennt die Bibliothek, und damit wird auch der Traktat vernichtet. Beide werden der Auflösung der Mordfälle geopfert. Damit ist die labyrinthische Idee auch für die Frage nach dem Zugang zu Wissen und Erkenntnis zentral, die die Protagonisten des Films
sich die Zwitterstellung der Buchstabenlabyrinthe als visueller Poesie zwischen Literatur und bildhafter Anschaulichkeit. 406 Am Beispiel des epigraphischen Buchstabenlabyrinths in der asturischen Kirche Santianes de Pravia: Lo que dize no es mas que esto, Silos princeps fecit y leese de dozientas y setenta maneras como dixo Vaseo, mas yo creo que passan de trezientas. Ambrosio de Morales, Los cinco libros posteros de la cronica general de Espana, Córdoba 1586, 40r–40v, zit. nach: Rodríguez Suárez, Ambrosio de Morales (2010), 50. Zum Kubus in Santianes de Pravia vgl. hier: Abb. 162. 407 Vgl. das abgeschlossene Projekt des Literaturwissenschaftlers Stephan Müller an der Universität Wien zur Geheimschrift mit Beispielen, die eben nicht darauf zielten, nur von wenigen gelesen zu werden, sondern vielmehr das Rätselhafte und Geheimnisvolle thematisierten. Das „Handbuch der deutschen Glossen und Texte des Mittelalters in Geheimschrift“ ist im Erscheinen begriffen. Siehe https://germanistik.univie.ac.at/institut/projekte/handbuch-der-deutschen-glossen-und-texte-des-mittelalters-ingeheimschrift/ [letzter Zugriff: 13.6.2016]. 408 In seiner Nachschrift zum Buch bestätigt Eco, dass sein Roman Geschichten von Labyrinthen enthält: Eco, Nachschrift (1984), 64–66. Rolf Köhn widerspricht Eco und definiert die Bibliothek, wie sie in der Romanfassung beschrieben ist, nicht als Labyrinth, sondern als Irrgarten und arbeitet dessen gesellschaftspolitischen Bezüge zum Zeitpunkt der Entstehung des Romans heraus: Köhn, Bibliothek (1988).
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jeweils unterschiedlich beantworten.409 Und schließlich stellt das nordspanische Buchstabenlabyrinth aus der Moralia in Iob-Handschrift auch eine Verbeugung vor dem eigentlichen Urheber der Romanvorlage, Umberto Eco, selbst dar, der bereits einige filmische Einstellungen zuvor als jener Umberto da Bologna in Erscheinung tritt, der angeblich eine nordspanische illuminierte Handschrift mit dem Apokalypsekommentar des Beatus de Liébana glossiert habe. Eco, der seine Leidenschaft für das Mittelalter bescheiden als „hobby“ und „ossessione segreta e metodica cartina di tornasole“ – als eine geheime Obsession und einen methodischen Lackmustest – bezeichnete,410 hatte in der Tat sieben Jahre vor dem Erscheinen des Romans die Kommentierung der faksimilierten Ausgabe eines nordspanischen Apokalypsekommentars übernommen, welcher im Auftrag Sanchas, Frau von Ferdinand I., König von León, und ihres Sohns Sancho (später Sancho II., König von Kastilien und León) entstanden war.411 Der bibliophile Eco kannte die nordspanischen Handschriften gut; dass er auch Annaud bei der Auswahl der im Film präsenten Codices beriet, ist also durchaus denkbar. Die Repräsentation und die Zugänglichkeit von Wissen sind Themen, mit denen das Buchstabenlabyrinth im Film verbunden ist und die auch die nachfolgende Diskussion bestimmen werden. Die Buchstabenlabyrinthe sind eine Besonderheit nordspanischer Handschriften. In anderen europäischen Manuskriptkulturen sind sie kaum überliefert. Stattdessen ist dort das Einweglabyrinth verbreitet, welches auf der Iberischen Halbinsel erst ab dem 12. Jahrhundert nachgewiesen werden kann.412 Zumeist stehen die Kuben den kodifizierten Texten voran; seltener sind sie ihnen nachgestellt. Wie die ganzseitigen Kreuzdarstellungen, denen sie oft gegenüberstehen, sind sie auch dann Bestandteil einer Handschrift, wenn diese ansonsten keine weitere bildliche Ausstattung erfahren hat. Offensichtlich wurden Buchstabenlabyrinthe als ein selbstverständlicher Bestandteil des Codex angesehen, wofür auch die Tatsache spricht, dass einige nicht ausgefüllt worden sind.413 Auch daran wird noch einmal
409 Zu den Labyrinthmetaphern in Buch und Film: Pittrof, Weg der Rose (2002), 51–54. 410 „Ma è che, rimastomi come hobby nel momento de l’ho abbandonato come mestiere, il medio evo mi è [nachfolgend durchgestrichen und überschrieben mit:] è sopravvissuto come ossessione segreta e metodica cartina di tornasole.“ Aus einem Brief an Franco Maria Ricci, abgedruckt in: Miniature del Beato de Ferdinand I (1973), 167. 411 Eco, Beato de Liébana (1973). Interessanterweise äußert er sich zu dem in der Beatus-Handschrift Ferdinands I. auf fol. 7r dargestellten Buchstabenlabyrinth nicht. Zur Handschrift siehe Kat. IV.2. 412 Eine Ausnahme bilden katalanische Handschriften, in denen sich schon früher Einweglabyrinthe finden: Barcelona, Arxiu de la Corona d’Aragó, Ms. Ripoll 42, fol. 1r (enthält Boethius, De consolatione philosophiae): vgl. Castiñeiras González, Imágines (2004), 48, Abb. 1. Die Handschrift wird ins 2. V. d. 11. Jh. datiert. – Die Zeichnung eines Einweglabyrinths in einer aus Silos stammenden EtymologienHandschrift d. 11. Jh. (heute Paris, BnF, Ms. N.a.l. 2169, fol. 17r; hier: Kat. I.10, nachfolgend: Etymologien aus Silos) stellt eine spätere Ergänzung dar. 413 Im Fall von drei Handschriften blieben die Buchstabenlabyrinthe unausgefüllt: eine Handschrift in León, die Gregors d. Gr. Kommentar zu Buch Iob enthält und 951 fertiggestellt wurde (Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 1, fol. 1v; hier: Kat. II.5, Abb. 26, nachfolgend: Moralia in Iob in León); im SilosBeatus, fol. 6r (hier: Kat. I.11, Abb. 136) sowie im Codex Aemilianense, fol. 17r–18v (hier: Kat. I.5, Abb. 92–95).
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deutlich, dass es nicht so sehr um die Darstellung eines unlösbaren Rätsels, sondern wohl vielmehr um eine intellektuelle Auseinandersetzung über das Ver- und Enträtseln ging. In der Forschung haben die nordspanischen Buchstabenlabyrinthe bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren, und wenn hat ihr aufwendiges vielfarbiges Erscheinungsbild sowie ihre Einbettung in den Handschriftenverlauf kaum zur Diskussion gestanden. Als Besonderheit nordspanischer Buchmalerei wurden sie erstmals 1935 von J. Domínguez Bordona gewürdigt. Bordona hat sich um die Zusammenstellung des Materials, eine erste Typisierung und die Bestimmung möglicher spätantik-nordafrikanischer sowie frühmittelalterlich-asturischer Vorbilder verdient gemacht.414 Irritierenderweise bezeichnete er die Kuben allgemein als ‚Exlibris‘. Selbst wenn, wie es keinesfalls bei allen Labyrinthen der Fall ist, der Intext eine Person als Eigentümer nennt, so bleibt dennoch unklar, ob Besitz im heutigen Sinn angezeigt ist. Gleichwohl ist die Bezeichnung der Buchstabenlabyrinthe als ‚Exlibris‘ in der kunsthistorischen Literatur geläufig.415 Auch der Begriff der ‚Teppichseite‘ – der in der älteren Forschung allgemein für ganzseitige nicht-figürliche Illuminationen Verwendung fand – kann nicht überzeugen.416 Dahinter ist nicht nur die moderne Reduktion ornamentaler Gestaltungsweisen auf schmückenden Zusatz,417 sondern auch die generelle Unterbewertung textiler Künste aus einer an traditionellen Gattungshierarchien orientierten Perspektive wirksam. Die von Mireille Mentré zusammengestellten Bezüge nordspanischer Buchstabenlabyrinthe zu mongolischen Textilien, koptischen Stoffen und Bucheinbänden sowie zu spätantiken und orientalisch-frühislamischen Fußböden lassen insgesamt eine medienkritische Betrachtung vermissen, denn es bleibt unklar, auf welche Weise und vor allem mit welchen Implikationen diese erfolgt wären.418 Innerhalb seines grundlegenden Werks zu den Figurengedichten in Antike und Mittelalter hat der Literaturwissenschaftler Ulrich Ernst den nordspanischen Buchstabenlabyrinthen ein eigenes Kapitel gewidmet und diese erstmals gattungsgeschichtlich eingeordnet.419 Ernst erweitert die möglichen Vorbilder um Verbindungen zu den merowingischen und karolingischen Manuskriptkulturen. Als Erster überhaupt fragt er nach den historischen Gründen dieses zeitlichen und geographisch einschränkbaren Phänomens, indem er die Buchstabenlabyrinthe als Bestandteil einer Blüte der Schriftkultur einordnet, die „vielleicht auch als Antwort auf die Herausforderung der hochstehenden arabischen Kalligraphie“420 zu verstehen seien. Weitere Anhaltspunkte gibt es dafür kaum. Zwar enthalten einige nordspanische Handschriften arabische Schrift, diese ist hierin jedoch nicht zum Gegenstand ästhetischer
414 Bordona, Diccionario (1957). 415 Mentré, Peinture (1984), 223; dies., Illuminated Manuscripts (1996), 99. Für die unveränderte dt. Ausgabe dieses Titels: dies., Buchmalerei (2006), 85. 416 Etwa Mentré, Illuminated Manuscripts (1996), 228. 417 Dazu Kendrick, Letter (1999), 91, 104, für die dieser Begriff „an anachronistic and inappropriate analogy“ darstellt und den falschen Eindruck einer „sheer decoration“ erweckt. 418 Mentré, Illuminated Manuscripts (1996), 99. 419 Ernst, Carmen figuratum (1991), 406–420. 420 Ernst, Carmen figuratum (1991), 491.
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Reflexion geworden, sondern erfüllt in Form von Textglossen eine pragmatische Funktion.421 Die visuelle Gestaltung der nordspanischen Kuben interessiert Ernst nur am Rande. So beobachtet er, dass das „üppige, polychrome und pittoreske Design […] auf der Ebene des Dekors mit der textuellen Labyrinthform korreliert“422. Jedoch ist unklar, was unter der „Ebene des Dekors“ zu verstehen ist und worin die Korrelation zu den Buchstaben und dem im Letternfeld versteckten Text besteht. Gerade im Hinblick auf das Potential nicht-figürlicher Darstellungsweisen gilt es neuere Überlegungen zu Begriff und Funktion mittelalterlicher Ornamente zu berücksichtigen. Insbesondere Jean-Claude Bonne sucht, jenseits einer ikonographischen Deutung des Ornaments als Motiv, dessen modale Qualität, die er mit dem Begriff des ‚Ornamentalen‘ fasst, herauszuarbeiten. Nach Bonne dient das Ornament der inneren Organisation des Bildes,423 indem es durch das Stiften von Beziehungen Bildlichkeit erzeugt. Vergleichbar hat bereits einige Jahre zuvor Nikolaus Luhmann in Kunst als Gesellschaft argumentiert. Als „Infrastruktur des Kunstwerks“424 bestimme das Ornament die Medien von Raum und Zeit, in denen die Kunst erst in Erscheinung treten könne. Ausgehend vom Morgan-Beatus aus der Mitte des 10. Jahrhunderts zeigt Jean-Claude Bonne ferner, dass auch der Farbe ornamentale Qualität zukommt: „(…) les valeurs colorées servent directement à construire l’image, (…) elles lui confèrent un rythme et une organisation syntaxique en rapport avec les valeurs figuratives et symboliques.“425 Gerade weil die Buchstabenlabyrinthe eine Vielfalt an Farben kennzeichnen, sind seine Überlegungen für die Untersuchung besonders relevant. Die Beiträge von Marcia Kupfer und Laura Kendrick weisen in eine ähnliche Richtung, legen jedoch den Akzent auf die Wirkungsästhetik des Ornaments. Laura Kendrick erörtert am Beispiel von Handschriften, wie Ornamente, die sowohl die Schrift als auch die Gestaltung ganzer Seiten bestimmen, die lectio-Erfahrung zu verzögern und damit zugleich die Präsenz Gottes in den Buchstaben zu betonen vermochten.426 Hingegen nimmt Marcia Kupfers Beitrag die transmediale Potenz des Ornaments am Beispiel der Wandmalerei in den
421 Vgl. etwa die heute in Toledo aufbewahrte Moralia in Iob-Handschrift (hier: Kat. II.4). Diese enthält am Rande des Textes Bibel-Quotierungen und ferner kurze, den Leser ansprechende Verweise auf den Text. Dazu Koningsveld, Glossary (1977), 48. In der Bibel aus Valeránica (hier: Kat. I.15) werden einzelne Wörter ins Arabische übersetzt bzw. der Inhalt eines Textabschnitts kurz paraphrasiert: López López, Glosas (1999), 308–311. 422 Ernst, Carmen figuratum (1991), 420. 423 „Autrement dit, l’ornemental appelle moins une interprétation qui le fonderait qu’il ne fonde luimême une pensée de l’ordre ou même de l’organisation […].“ Bonne, Ornemental (1996), 237. 424 „Sieht man genauer hin, dann bleibt allerdings das Ornamentale auch in einer pointiert repräsentierenden Kunst immer die Infrastruktur des Kunstwerks, weil, wenn man überhaupt Raum und Zeit als Medium verwendet (und wie anders sollte ein Kunstwerk erscheinen können), es unerläßlich ist, auch diese Medien zu ordnen – was immer dann in ihnen repräsentiert wird.“ Luhmann, Kunst (1995), 186. 425 Bonne, Couleurs (2002), 377. 426 Kendrick, Letter (1999), 109.
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Blick. Indem dem Ornament die Eigenschaft zukommt, andere Gattungen zu evozieren, beeinflusst es in erheblichem Maße die Wahrnehmung des Betrachters.427 Doch Bonnes Ansatz führt insofern gegenüber Kendrick und Kupfer weiter, als er die Wirkungsweise des Ornaments an das Verhältnis von Muster und Grund rückbindet – ein Thema, welches die Kunstgeschichte zum Ornament schon viel früher interessierte und mit Namen wie Otto Pächt und Alois Riegel verbunden ist.428 Dabei ging es um nichts weniger als um die Frage, wie sich einzelne Elemente zu einer Form und bildlichen Darstellung zusammenschließen und welcher Anteil gerade dem Ornament bei der Form- und Bildwerdung zukommt:429 „L‘ornamentalité […] peut être un véritable mode de construction de l‘art et en affecter à des degrés variables les formes les plus divers, y compris figuratives.“430 Daher erscheint es mir wichtig, den Anteil des Ornaments an der Bildlichkeit der Buchstabenlabyrinthe und ihrer Funktion genauer in den Blick zu nehmen. Als ebenso entscheidend für die Deutung der Buchstabenlabyrinthe erweist sich ferner ihre Einbindung in den Handschriftenzusammenhang, worauf die zwar lückenhafte, dennoch aussagekräftige frühmittelalterliche Darstellungstradition verweist. Zwar sind die Buchstabenlabyrinthe hinsichtlich ihrer Farbigkeit und Ornamentik einzigartig, dennoch greifen sie auf eine eigene, im Norden Spaniens ausgebildete Tradition zurück, die wiederum in die Herrschaftszeit Alfons III. zurückführt. Sie unterstreichen damit den Rückbezug zum asturischen Reich, wie er bereits durch die ganzseitigen Kreuzdarstellungen hergestellt wird. In der Bibliothek des Escorial haben sich zwei Handschriften aus dem Besitz König Alfons III. erhalten, dessen Exlibris, ADEFONSI PRINCIPIS LIBRVM, jeweils auf der Rückseite des ersten Blattes zur Darstellung gelangt (Abb. 4).431 Damit nahmen die Exlibris bereits jene initiale Stellung innerhalb des Codex ein, die dann auch für die späteren nordspanischen Buchstabenlabyrinthe typisch sein werden. In beiden Handschriften – ein um 900 zu datierendes Manuskript, welches Isidors’ Etymologien enthält, und eine aus dem späten 9. oder frühen 10. Jahrhundert stammende Abschrift von Isidors Sentenzen – ist der Besitzeintrag Alfons III. in ein aus 23 senkrechten sowie waagerechten Zeilen bestehendes Buchstabengitter eingetragen und vom Zentrum aus kreuzförmig zu lösen. Im Unterschied zu den späteren Kuben sind die asturischen Labyrinthe ausschließlich aus Buchstaben gebaut. Eine farbliche Gestaltung besteht allein in der Rubrizierung einzelner Lettern, so dass aus dem Letternfeld in beiden Handschriften mehrere ineinander geschachtelte und über Eck gestellte Quadrate hervortreten. Diese tragen jedoch nicht dazu bei, den jeweiligen Eintrag zu entschlüsseln, welcher ausschließlich über die vertikalen und horizontalen Achsen ermittelt werden kann.
427 Kupfer, Edge of Narrative (1998), 179. 428 Dazu grundlegend Dobbe, Konzept (2002). Zu Riegel: Körner, Riegel (2004), hier: 132–133. Auffallend ist, dass Bonne weder Riegel noch Pächt zitiert. 429 Vgl. Dobbe, Konzept (2002), 318–319, 322–324. 430 Bonne, Couleurs (2002), 362. 431 Etymologien Alfons III., fol. 1v (hier: Kat. III.2), sowie Isidorus Hispalensis, Sententiarum, fol. 1v (hier: Kat. III.1). Eine weitere Handschrift, in der sich ein Labyrinth mit dem Namenseintrag Alfons III. befand, ist nur durch spätere Kopien überliefert: zuletzt Alberto, Venancio Fortunato (2002), 261– 262, Anm. 53, mit weiterführender Literatur.
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Die asturischen Beispiele ähneln den Kuben in einigen merowingischen Codices, ohne dass ein direktes Abhängigkeitsverhältnis rekonstruierbar wäre.432 Am nächsten kommt ihnen jener gerahmte und am oberen Ende mit einem Vogelpaar geschmückte quadratische Kubus, welcher auf folio 2 recto einem im 8. Jahrhundert entstandenen Evangeliar aus Echternach voransteht (Abb. 143).433 Das Labyrinth bezieht sich mit seinem Eintrag, EVANGELIA VERITATIS, buchstäblich auf den Inhalt des Manuskriptes. Damit wird das Labyrinth zur Metapher der hinter den Buchstaben versteckten göttlichen Wahrheit. Auch hier ist der Kubus von der Mitte aus kreuzförmig zu erschließen, wobei durch eine zusätzliche farbliche Hervorhebung des zentral platzierten Buchstabens der Einstieg markiert wurde. Vergleichbar den Exlibris’ Alfons III. treten die Buchstaben farblich verschieden in Erscheinung, so dass auf die Spitze gestellte Quadrate im Letternfeld hervortreten. Allerdings alternieren die Farbwerte nicht von Buchstabe zu Buchstabe.434 Als Besonderheiten kommen hinzu, dass die Buchstaben an den Ecken des quadratischen Letternfeldes herausgezogen wurden und ihre jeweilige Platzierung an eine „dynamische auf Drehung angelegte Lesestruktur“435 angepasst wurde. Jenseits der handschriftlichen Überlieferung ist schließlich ein Buchstabenlabyrinth anzuführen, welches sich aus der lapidaren Epigraphik erhalten hat. Bereits in das 8. Jahrhundert datiert das Fragment einer aus der asturischen Kirche Santianes de Pravia stammenden, ursprünglich 53 x 42 cm großen Tafel, die den labyrinthisch aufgewundenen Namen des Bauherrn, des asturischen Herrschers Silo (reg. 774–783), in Erinnerung ruft: SILOS PRINCEPS FECIT (Abb. 162). Das Labyrinth besteht aus einem in Stein geritztes Gitter, in das Unzialen so eingetragen sind, dass sich der Eintrag vom zentral platzierten Buchstaben S aus in alle vier Himmelsrichtungen erschließen lässt.436 Es bleibt zu vermuten, dass Silo damit an epigraphische Vorbilder der römischen Kaiserzeit angeknüpft hat, auch wenn auf der Iberischen Halbinsel keine in dieser Hinsicht vergleichbare Inschriftenplatte erhalten ist.437 Bis zur Zerstörung der Platte aus Santianes de Pravia im 17. Jahrhundert war sie über dem Triumphbogen angebracht und befand sich folglich auf der Schwelle zwischen Langhaus und Chor an einem prominenten Platz.438 432 Auch aus dem byzantinischen Reich sind Buchstabenlabyrinthe, allerdings erst seit dem 11. Jh., mit dem Namen des Auftraggebers überliefert, in denen die Farben der Buchstaben dergestalt alternieren, dass auch hier im Letternfeld auf die Spitze gestellte Quadrate erkennbar werden: Homilien des Gregor von Nazianz, 2. H. 11. Jh. (Sofia, Nationalbibliothek, D. gr. 282, fol. 3v): vgl. Dzurova, Miniaturen (2002), 241. 433 Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I.2.4° 2, 2r: vgl. Ernst, Carmen figuratum (1991), 397–403 mit Abb. 434 Die beiden anderen erhaltenen Kuben einer Handschrift von 699/700, eine vermutlich in der Region Reims entstandene Abschrift der Chronik des Hieronymus, weisen keine farbliche Akzentuierung auf. Die Labyrinthe, die den Abschluss des chronikalischen Textes markieren, enthalten vom Zentrum aus erschließbare Schreibernamen (PALLAGIUS und RAINFREDVS). Hieronymi Chronicon (Berg, Burgerbibliothek, Cod. 219, fol. 76v): Ernst, Carmen figuratum (1991), 403–406. 435 So Ernst, Carmen figuratum (1991), 388. 436 Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 103–105, Taf. 8c. 437 Die römischen Kuben überliefern Künstlernamen: Ernst, Carmen figuratum (1991), 390. 438 Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 103.
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Die vielfarbigen Buchstabenlabyrinthe in den nordspanischen Handschriften knüpfen demnach an eine Tradition im asturischen Reich an, in dem Kuben entweder kodifizierten Texten vorangestellt oder aber in der Bauplastik, die Gliederung des Kirchenraums unterstreichend, an einem Übergang platziert wurden. Im Unterschied dazu zeichnen sich die späteren Buchstabenlabyrinthe des 10. und 11. Jahrhunderts dadurch aus, dass sie ausschließlich im Medium des Codex überliefert sind, dass sie dort auf mehreren Seiten hintereinander platziert sein können und dass ihr Erscheinungsbild durch verschiedenste Farben und Ornamente geprägt ist. Zugleich sind sie Bestandteil eines breiteren, in den Handschriften zum Ausdruck kommenden Interesses an Formen der Kryptographie sowie der visuellen Poesie.
IV.1 Techniken der Verschlüsselung Die bis zum späten 11. Jahrhundert überlieferten handschriftlichen Kuben enthalten die Namen von Heiligen, Äbten, Bischöfen und Königen, von Kompilatoren und Buchmalern. Handelt es sich um Heilige, so sind die Namen stets Bestandteil einer Widmungsformel.439 Hingegen bitten die Kompilatoren und Buchmaler in ihren Einträgen den Leser darum, sich ihrer zu erinnern, oder äußern, für die Produktion der Handschrift verantwortlich gewesen zu sein.440 In der Mehrzahl der Einträge geben sich ein Abt oder ein Bischof als Besitzer der Handschrift zu erkennen.441 Wobei es wenig wahrscheinlich ist, dass ein persönlicher Besitz im heutigen Sinne gemeint ist, sondern damit vielmehr auf die Finanzierung des Buchprojekts angespielt wird. Dies wird besonders im Kontext einer monastischen Provenienz der Handschriften deutlich: Selbst wenn das Buchstabenlabyrinth das Exlibris eines Abtes enthält, die Mönchsgemeinschaft ist dennoch präsent: Entweder der Kubus ist zusätzlich um die Namen der Schreiber oder Illuminatoren erweitert oder aber Letztere treten innerhalb des Codex in anderer Form in Erscheinung. Deshalb muss von einer mit den Manuskripten verbundenen kollektiven Identität ausgegangen werden. Dafür sprechen schließlich auch jene Labyrinthe, in denen die Namen der jeweiligen Klosterpatrone eingetragen sind. Wenn Patrick Henriet also vermutet, dass die Kreuzdarstellungen im Verlauf des 11. Jahrhunderts auf die Ablösung eines kollektiven Verständnisses zugunsten einer persönlichen Interzession hindeuten, so kann diese These gerade mit Blick auf die Buchstabenlabyrinthe, die den Kreuzen oft gegenüberstehen, nicht überzeugen.442 439 Etwa in der Etymologien Sanchas, fol. 7r (hier: Kat. IV.1): OB HONOREM SANCTE MARIE VIRGINIS. 440 Vgl. Moralia in Iob aus Valeránica, fol. 3r (hier: Kat. I.13): FLORENTIVM INDIGNVM MEMORARE. 441 Allein mit der Beatus-Handschrift Ferdinands I. (hier: Kat. IV.2, Abb. S. 99) liegt ein Buchstabenlabyrinth vor, das die Mitglieder eines Königshauses – Ferdinand I., König von León, und seine Frau Sancha – als Besitzer überliefert: fol. 7r: FREDENANDVS REX DEI GRA(TIA) M(EMO)R(I)A LIBER / SANCIA M(EMO)R(IA) L(I)B(E)R. 442 Henriet, Mille formis daemon (2005), 173–174.
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Vor allem dort, wo das Buchstabenlabyrinth mehr als einen Eintrag enthält oder aber mehrere Kuben aufeinanderfolgen, wird ein sozial-religiöses Beziehungsgefüge entworfen, welches in der karolingischen oder ottonischen Buchmalerei in Form von Dedikationsbildern zum Ausdruck kommt.443 Insbesondere in den ottonischen Handschriften, wie dem Hornbacher Sakramentar oder dem Lektionar des Erzbischofs Erverger von Köln (984–999), beide gegen 990 entstanden, wird die Dedikation auf mehrere Szenen verteilt und gibt dergestalt Auskunft über die Beziehung der dargestellten Personen.444 Es ist bezeichnend, dass sich in den nordspanischen Handschriften nur zwei Dedikationsbilder erhalten haben, in denen die Übergabe durch den Schreiber oder den Illuminator an den oder die jeweiligen Auftraggeber erfolgt: Im Antiphonar aus León, das in der Mitte des 10. Jahrhunderts entstand, ist dargestellt, wie der Schreiber Trasmundo dem Abt Ikila ein Buch überreicht (Abb. 22).445 Eine Buchübergabe ist außerdem im Liber Psalmorum von 1055 wiedergegeben, dessen Ausstattung, wie bereits erwähnt, an karolingischen und ottonischen Handschriften orientiert ist. Hier ist es Ferdinand I., König von León, der in der linken Bildhälfte stehend den Codex aus den Händen einer bedeutungsperspektivisch kleiner dargestellten Person, entweder des Schreibers Petrus oder des Illuminators Fructosus, entgegennimmt. Indem der Schreiber oder Buchmaler zugleich hinter sich in jene durch den Fingerzeig des Königs vorgegebene Richtung blickt, in der Königin Sancha mit einer darbietenden Geste dargestellt ist, wird bereits an dieser Stelle bildlich zum Ausdruck gebracht, was ein Kolophon auf einer der letzten Seiten auch schriftlich festhält, dass nämlich Sancha die Handschrift in Auftrag gegeben hatte (Abb. 112).446 Die Dedikation als figurative Darstellung spielt demnach in den hier untersuchten nordspanischen Handschriften eine verschwindend geringe Rolle. Die weitaus häufiger nachweisbaren Buchstabenlabyrinthe bieten in dieser Hinsicht keinen Ersatz. Denn sowohl im Antiphonar, welches in León verwahrt wird, als auch im Liber Psalmorum – beide Handschriften enthalten ja jeweils eine Dedikationsdarstellung – ist Auftraggeberschaft zusätzlich und prominent in ganzseitigen unfigürlichen, mit Buchstaben verschränkten Gestaltungsweisen aufgehoben. Allerdings ging es dabei nicht allein darum, soziale Verhältnisse abzubilden. In der Art und Weise, wie einer oder mehrere verschlüsselte Einträge angeordnet sind, erweisen sich die Buchstabenlabyrinthe als ausgesprochen vielseitig. Es gibt keinen einheitlichen Schlüssel, nach dem sich die Kuben auflösen ließen. Viele Buchstabenlabyrinthe 443 Allg. Prochno, Dedikationsbild (1929); Art. Dedikationsbild, in: RDK, Bd. III, 1189–1197 [Eva Lochner]; Ottesen, Dedication (1987). 444 Im Hornbacher Sakramentar (Solothurn, St. Ursus, Cod. U1, fol. 7v, 8v, 9v, 10v) überreicht zunächst der Mönch Eburnant den Codex an Abt Adalbert von Hornbach, der ihn an den Hl. Pirmin weitergibt. Danach präsentiert ihn dieser dem Hl. Petrus, welcher ihn schließlich Christus darbietet: vgl. Bloch, Sakramentar (1956), Taf. 1–4. Zum Everger-Lektionar (Köln, Erzbisch. Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 143fol. 3v, 4r), in dem auf einer Doppelseite links Everger in Proskynese dargestellt ist, während rechts die Hll. Petrus und Paulus thronen: Bloch und Schnitzler, Kölner Malerschule (1970), Bd. 1, 13–25, Taf. I, II. 445 Antiphonar in León, fol. 1v (hier: Kat. II.3). 446 Liber Psalmorum, fol. 6v (Dedikationsbild), fol. 208v (Kolophon): SANCIA CEV UOLVIT / Q(uo)D SV(m) REGINA P(E)REGIT / ERA MILLENA NOVIES / DENA QVOQVE TERNA: / PETRVS ERAT SCRIPTOR / FRVCTOSVS DENIQ(ue) PICTOR. Vgl. Kat. IV.3.
98 Der Codex als Labyrinth
erschließen sich vom Zentrum aus, wobei – würde man alle Lektüremöglichkeiten zusammenfassen – sich die Lösungswege an den vier Achsen der Himmelsrichtungen orientieren. Dies lässt sich an einem Kubus auf folio 19 recto des sogenannten Codex Albeldense aus dem Jahre 976 veranschaulichen, in den eine Widmung an den Hl. Martin, den Patron des in der Rioja gelegenen Klosters, eingetragen ist: OB HONOREM SANCTI MARTINI (Abb. 75, 76). Hier ermöglicht ein in der Mitte des Gitters platziertes, farblich hervorgehobenes O den Einstieg in den labyrinthisch aufgewundenen Text, der von hier aus vertikal und horizontal erschlossen werden kann. Zugleich ist es möglich, die zentralen Achsen an jedem Punkt zu verlassen, indem man die Lektüre auf einem um neunzig Grad ansetzenden Weg fortsetzt. Führt man alle stets über die Hauptachsen beginnenden Lektürewege vor dem inneren Auge zusammen, so ergibt sich die Form eines Kreuzes. In anderen Kuben, wie im Buchstabenlabyrinth der Moralia in Iob-Handschrift aus Madrid mit dem Eintrag des Florentius, liegt den Lektürewegen die T-Form zugrunde (Abb. 18).447 Nur eine geringe Zahl an Einträgen lässt sich von dem ersten Kästchen der ersten Zeile aus horizontal oder senkrecht ermitteln.448 Besonders verwirrend erscheinen dem heutigen Betrachter Buchstabenlabyrinthe, in denen zwei Einträge nebeneinanderstehen, wie das in der durch Ferdinand I. und seiner Frau Sancha in Auftrag gegebenen Beatus-Handschrift der Fall ist.449 Die beiden jeweils an die Auftraggeber erinnernden Texte450 sind dergestalt in einem Kreisgitter labyrinthisch aufgewunden, dass sie zwar zwei eigenständige übereinanderplatzierte Kuben darstellen, allerdings ohne Leerzeile oder irgendeine erkennbare formale Absetzung als ein einheitliches FarbOrnament-Text-Gewebe in Erscheinung treten (Abb. 105). Da beide Labyrinthe aus einer geraden Anzahl von Kästchen in der Vertikalen wie Horizontalen gebildet sind, ist der jeweilige Buchstabe, von dem aus sich die Namen des Königspaares erschließen, nicht genau mittig platziert. Entsprechend werden die versteckten Texte durch Umstellung von Wörtern oder durch den variablen Einsatz von Ligaturen leicht abgewandelt.451 Der Rezipient ist also gefordert, sich auf die zeitintensive Entschlüsselung eines Labyrinths einzustellen, das immer wieder andere Textlösungen parat hält oder sogar gar keinen sinnvollen Eintrag anbietet. 447 So auch in den Etymologien Sanchas im Escorial, fol. 7r (hier: Kat. IV.1, Abb. 108). 448 Vgl. etwa das zweite Buchstabenlabyrinth im Codex Albeldense, fol. 19v (hier: Kat. I.4, Abb. 76); ferner in einer Beatus-Handschrift, die nur noch durch Kopien einiger Seiten erhalten ist (New York, PML, Ms. M. 1079, fol. 11r; hier: Kat. II.9, Abb. 114; nachfolgend: Fanlo-Beatus). Vergleichbar ist jenes Buchstabenlabyrinth, welches einer Sammlung von Heiligenviten voransteht (Madrid, BNE, Ms. 494, fol. 3r; hier: Kat. II.7, Abb. 102, nachfolgend: Vitae Sanctorum). Es handelt sich hier um ein auf die Spitze gestelltes Letternfeld in Form einer Raute. Der Eintrag erschließt sich vom Kästchen in der oberen Spitze aus und dann jeweils diagonal über die äußerste Zeile des Labyrinths. 449 Vgl. die Bibel aus Albares, fol. 2r (hier: Kat. I.9, Abb. 9). Das Buchstabenlabyrinth enthält das Exlibris des Abtes und den Namen des Kompilators bzw. Schreibers oder Illuminators. Eines der beiden Buchstabenlabyrinthe im Silos-Beatus, fol. 267r (hier: Kat. I.11, Abb. 139), umfasst sogar drei verschiedene Einträge. Überliefert sind hierin der Name des Abtes, des Kompilators und eine Widmung an den Klosterpatron. 450 FREDENANDVS REX DEI GRA(TIA) M(EMO)R(I)A LIBER sowie SANCIA M(EMO)R(IA) L(I)B(E)R. Beatus-Handschrift Ferdinands I., fol. 7r (hier: Kat. IV.2). 451 Etwa FREDENANDVS GRA(tia) DEI REX M(emo)R(i)A oder FREDENANDVS REX DEI GRA(tia) M(emo)R(i)A.
Techniken der Verschlüsselung 99
A L M X X M A R M X E R X X M R A L X X M R B
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Schema des Buchstabenlabyrinths FREDENANDVS REX DEI GRA(TIA) M(EMO)R(I)A LIBER und SANCIA M(EMO)R(IA) L(I)B(E)R, Beatus-Handschrift Ferdinands I., 1047: Madrid, BNE, Ms. Vitr. 14-2, fol. 7r
Eine ungewöhnliche Lösung bietet ein weiteres Buchstabenlabyrinth auf folio 7 recto in einer im Jahre 1047 vollendeten Handschrift an, die vornehmlich die Etymologien des Isidor von Sevilla enthält und im Auftrag von Sancha von León und ihrem Sohn Sancho entstand (Abb. 108).452 Der Ausgangspunkt des Eintrags, eine Widmung an die Jungfrau Maria, OB HONOREM SANCTE MARIE VIRGINIS, befindet sich in der Mitte der obersten Zeile und lässt sich dem eingangs besprochenen Florentius-Buchstabenlabyrinth vergleichbar erschließen. Im Unterschied zu allen anderen überlieferten Kuben repräsentiert das Letternfeld jedoch keine quadratische oder rechteckige Form, vielmehr läuft es nach unten hin in einer Spitze aus, sprich: Die Anzahl der Buchstaben nimmt ab der 23. Zeile bis zur abschließenden 28. Zeile stets um zwei Lettern auf beiden Seiten ab, mit der Folge, dass Buchstaben 452 Etymologien Sanchas im Escorial, fol. 7r (hier: Kat. IV.1).
100 Der Codex als Labyrinth
übrigbleiben, die keinen Sinn ergeben.453 Denkbar ist also, dass hiermit eine gezielte, den Bemühungen der Entschlüsselung entgegenstehende Störung der Lektüre intendiert ist, wie für die an unterschiedlichen Achsen ausgerichteten Buchstaben im Buchstabenlabyrinth des Silos-Beatus auf folio 276 recto (Abb.139). Das sich in den Buchstabenlabyrinthen widerspiegelnde Interesse, Lesbarkeit zu erschweren, muss im Kontext weiterer Formen der Kryptographie sowie der visuellen Poesie beleuchtet werden, die die nordspanischen Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts charakterisieren. Dazu gehören auf den Kopf gestellte Schriftzüge, wie in einer Moralia in Iob-Handschrift unklarer Provenienz, die sich heute in San Isidor in León befindet (Abb. 26). Oberhalb eines nicht ausgefüllten Kubus auf folio 1 verso wurde hier der Name eines Mönches, welcher möglicherweise als Eintrag in das Labyrinth fungieren sollte, um 180 Grad gedreht angeordnet.454 Daneben ist eine Reihe von Schreibereinträgen in der im Jahre 920 entstandenen Bibel-Handschrift in Mikroschrift abgefasst.455 In diesen Kontext gehören ferner jene Darstellungen von Blumen, die das Ende des Kolophons im Silos-Beatus auf folio 278 recto markieren (Abb. 141). Hier sind in zwei von drei Blumen die Schreibernamen dergestalt eingetragen, dass jedem Blütenblatt zwei Buchstaben zugeordnet sind.456 Solcherart kryptographische Spiele, die ebenso wie die Buchstabenlabyrinthe dazu dienten, dass Botschaften nur verzögert entschlüsselt werden konnten, sind auch aus anderen frühmittelalterlichen Manuskriptkulturen bekannt.457 453 E/TI/GCS/EIT/NSI/EX/TR/RI. 454 Darauf deutet jene um die Memoria des Schreibers bittende Form hin: AVSTRVLFIMEMORIa. Moralia in Iob aus León (hier: Kat. II.5). 455 Bibel aus Albares, fol. 216ra: Ioannis diaconus scripsit qui legerit oret pro eo ad Deum; fol. 217rb: Obsecro uos qui in hunc librum legeritis / ut me indignum et peccatrem in uestris sacris / pecibus commendabilem habeatis ut eruar / a nexu pecaminum et sim uobiscum et cum omnibus / sanctis quo eres in celum ut quando caruero hac uita / perducere me Dominus meus Ihesus Christus dignetur ad celestia / regna amen / Johannes diaconus scripsit / Quisquis quis legerit oret pro peccatore / si Deum habeat protectorem; fol. 233vb: Obsecro qui hec legeritis vimarani peccatori memeneritis quando Dominum nostrum Ihesum Christum rogaveritis. Vgl. Kat. I.9. 456 Die jeweils zwei Einträge sind kreisförmig und im Uhrzeigersinn angeordnet, allerdings nur noch teilweise dechiffrierbar. Die im Innersten platzierte Inschrift lautet: SCRIBANO. Die jeweils äußere scheint dem Schreibernamen vorbehalten zu sein. Auf der mittleren Windrose lassen sich die Buchstaben DIIO entziffern, die möglicherweise als Dominico zu deuten sind. In der rechten Windrose wäre dann evtl. MNI zu Munnius zu ergänzen. Vivancos, Silos Beatus (2003), Anm. 120, ergänzt hier: SCRIBANO MONNIO sowie SCRIBANO DOMINICO. So auch Boylan, Manuscript Illumination (1990), 215. Relativierend: Williams, Beatus (1998), Bd. 3: 31, der in Bezug auf die mittlere Windrose kein ‚D‘ erkennen kann. 457 Glaser, Geheimnis (2008), 135. Den Stellenwert des Rätselns in monastischen Gemeinschaften belegen so genannte Rätselhandschriften. So enthält etwa Cod. Sang. 196 der Stiftsbibliothek Sankt Gallen aus dem 2. Drittel des 9. Jh. Gedichte und Figurengedichte des merowingischen Dichters Venantius Fortunatus sowie die Versrätsel (Aenigmata) des Symphosius’: http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/ one/csg/0196 [letzter Zugriff: 13.6.2016]. Eine Vielzahl dieser Beispiele finden sich in: Kiening, Schrifträume (2008), 129–195. Zu den mikrographischen Texten in den spätmittelalterlichen Handschriften des Dominikanerinnenkloster Paradies bei Soest: Hamburger und Marti, Hypertext (2011). – Symphosius’ Aenigmata überliefert auch eine Sammelhandschrift des 11. Jh. aus San Millán de la Cogolla: Madrid, RAH, Cod. 39, fol. 260r–262v. Vgl. Ruiz García, Catálogo (1997), 257–264.
Techniken der Verschlüsselung 101
Akrosticha und Telesticha sowie Gittergedichte sind Bestandteil des 976 vollendeten Codex Albeldense.458 Den darin enthaltenen Rechtstexten stehen insgesamt fünf Gittergedichte voran, in denen in schriftbildlich verschlüsselter Form der Kompilatoren und Illuminatoren, der Mönchsgemeinschaft, jedoch vor allem der navarresischen Könige als Klostergründer gedacht wird (Abb. 67). In einer gitterartigen Struktur sind dergestalt Buchstaben eingetragen, dass sie in Leserichtung einen sinnvollen Text ergeben. Darüber hinaus lassen sich einige Lettern, deren Kästchen farblich hervorgehoben sind, zu einem eigenständigen Text, dem sogenannten Intext,459 verbinden. Im Fall des Codex Albeldense enthält der Intext Anrufungen an Christus, Maria und verschiedene Heilige. In der Summe bringen die Farbkästchen im Letternfeld eine Raute oder ein Kreuz in Erscheinung. Diese bildlichen Formen, ferner den Text und den Intext, gilt es aufeinander zu beziehen, will man das Gedicht in all seinen Dimensionen erfassen.460 Dies trifft gleichermaßen auch auf die insgesamt drei Gedichte am Anfang und Ende des Codex Albeldense zu, in denen die Anfangs- und Endbuchstaben einer jeden Gedichtzeile, die zugleich farblich hervorgehoben sind, einen eigenen Sinn, die Akrosticha und Telesticha, generieren (Abb. 66, 89).461 Und schließlich sei hier auf jenen in Kreuzform angeordneten Prolog des Mönchs Florentius hingewiesen, den dieser Smaragdus’ Collectiones in Epistolas et Evangelia, einer zwischen 953 und 960 im Kloster Valeránica kompilierten Handschrift, vorangestellt hat (Abb. 28).462 Der Text ist dabei zeilenweise alternierend in brauner und roter Tinte abgefasst. Die durch die Kreuzform ausgesparten Bereiche sind mit stilisierten Bäumen gefüllt. Die Beispiele aus dem Codex Albeldense belegen ein bewusstes Anknüpfen an eine mit den Namen eines Venantius Fortunatus (ca. 540 – ca. 600) und Optatianus Porphyrius (ca. 260–335) verbundene frühchristliche Tradition visueller Poesie, die unter den Karolingern mit den Werken Alkuins und Hrabanus Maurus’ († 856) in breitem Maßstab fortgeführt wurde. Nach der textlichen und handschriftlichen Überlieferung zu urteilen, waren etwa Gedichte des Venantius’ Fortunatus auf der Iberischen Halbinsel seit dem Ende des 7. Jahrhunderts bekannt.463 Mit der Heiligenvita Eulogius’ von Córdoba (ca. 810–859) ist zudem die Kenntnis von Handschriften überliefert, die das poetische Werk Optatianus Porphyrius’ und Aldhelmus’ von Malmesbury († 709) enthielten.464 Möglicherweise erklärt auch die Tatsache, dass der im Norden Spaniens gebürtige spätantike Dichter Prudentius (348 – nach 458 Codex Albeldense, fol. 1v–3v (hier: Kat. I.4), vgl. García Turza, Codice Albeldense (2002), Abb. 125, 128, 213. 459 Auch ‚versus intexti‘: Jakobi-Mirwald, Buchmalerei (1991), 32. 460 Vgl. Díaz y Díaz, Vigilán (1981). 461 Codex Albeldense, fol. 1r, 428v, 429r (hier: Kat. I.4). Abb. von fol. 428v in García Turza, Codice Albeldense (2002), Abb. 106. 462 Córdoba, Biblioteca Capitular, Ms. 1, fol. 3v (hier: Kat. I.14, nachfolgend: Codex Smaragdus). 463 Zur Rezeption der Werke von Venantius Fortunatus auf der Iberischen Halbinsel des frühen Mittelalters siehe Alberto, Venancio Fortunato (2002). – Auf der Rückseite eines Blattes, welches auf der Vorderseite ein Buchstabenlabyrinth enthält und in eine Handschrift des 11. Jh. eingebunden wurde, finden sich zwei Kreuzhymnen von Venantius Fortunatus: Vitae Sanctorum, fol. 3v (hier: Kat. II.7). Diese Hymnen wurden nach westgotischem Ritus an Karfreitag gesungen: vgl. Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 417–418; Alberto, Venancio Fortunato (2002), 259, Anm. 42. 464 Vgl. die Diskussion der Quellen bei: Díaz y Díaz, Vigilán (1981), 60, 66, Anm. 1.
102 Der Codex als Labyrinth
405) in der Rioja, in der San Martín de Albelda situiert war, besonders verehrt wurde, die im Codex Albeldense fortgeführte dichterische Tradition.465 Die Vielfalt der Buchstabenlabyrinthe deutet ferner darauf hin, dass diese dazu dienten, die Kunstfertigkeit ihrer Erbauer, einen Text labyrinthisch aufzuwinden, unter Beweis zu stellen. Im Vergleich zu anderen europäischen Manuskriptkulturen ist das mönchische Selbstbewusstsein, das sich in den vielfachen Namensnennungen äußert, ohne Vergleich.466 Gleichwohl lassen sich die häufig dafür gewählten Formen der Kryptographie oder der visuellen Poesie dergestalt deuten, dass man dem Topos der humilitas, der Demut des Kompilators und des Illuminators, entsprechen wollte.467 In den Buchstabenlabyrinthen geht es aber vor allem um die Lesbarkeit, die die Mönche auch an anderer Stelle beschäftigten. Zur Standardausstattung jener Handschriften, die Beatus’ Kommentar zur Apokalypse und Hieronymus’ Auslegung des Buchs Daniel enthalten, gehören die diagrammatisch aufbereiteten sieben Namen des Antichristen.468 In den je zwei Tafeln werden die einzelnen Buchstaben des jeweiligen Namens in einen Zahlenwert übersetzt, der dann addiert stets einen Wert von 666 ergibt oder ergeben soll (Abb. 38).469 Im Gegensatz zu den Buchstabenlabyrinthen wird der Text hier nicht versteckt. Vielmehr geht es darum, ihn durch die Auflösung in Buchstaben und deren Überführung in Zahlenwerte berechenbar und damit eindeutig lesbar zu machen.470 Dabei verbindet insbesondere die erste 465 So behauptete die Klostergemeinschaft von San Prudencio de Laturce, eine Dependance von Kloster Albelda in der Rioja, im Jahre 950 Reliquien des Prudentius zu besitzen: Cartulario de Albelda, 29, Nr. 19. 466 Dazu zuletzt Brown, Bodies and Bookmaking (2011). Einen Überblick bietet: Bordona, Diccionario (1957). Vergleichbar sind in dieser Hinsicht vielleicht die Figurengedichte des Hrabanus Maurus, die, so vermutet es Ferrari, Liber (1999), 413, ebenfalls der Selbstdarstellung seines Erbauers dienten. 467 Zum Humilitas-Topos im Kontext der Handschriftenproduktion: Eberlein, Miniatur (1995), 167. 468 Nach Off 13,18. Beatus gibt eine Erklärung bzw. Deutung zu den Tafeln ab: Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Lib. VI, 5 §1–4. 469 Als Beispiel dafür seien hier die ersten Tafeln im Valcavado-Beatus, fol. 142r, erörtert (hier: Kat. I.12): In ihnen sind in die vertikale Spalte eines Gitters die sieben Namen des Antichrist (Antichristum, Teitan, Diclux [2x], Gensericus, Evantas, Damnatus, Antemus [Aexyme fehlt]) eingetragen. Zeilenweise ist nun jedem Buchstaben ein Zahlenwert zugeordnet. Am Ende der Spalte werden die Zahlenwerte zur Summe 666 (DCLXVI) (allerdings nicht immer korrekt) addiert. Im Zentrum der Tafel ist ein rechteckiges Feld ausgespart, in dem um das zentral platzierte Monogramm Christi (XP) jeweils diagonal viermal die Bezeichnung DCLXVI NOMEN ANTICHRISTI (666 Namen des Antichrist) angeordnet ist. In der entsprechenden Legende wird zunächst der Antichrist charakterisiert als derjenige, der im siebten Reich mit acht Namen verkündet wird, und als das Biest mit sieben Häuptern und zehn Hörnern. Sodann wird der Leser aufgefordert, die Namen des Antichrist in Nummern zu überführen, zu addieren, zu subtrahieren, um die Zeitspanne der Regierungszeit des Antichristen zu ermitteln. – Abb. der zweiten Tafel im Valcavado-Beatus, fol. 142v in Williams, Beatus (1994), Bd. 2, Abb. 196. 470 Vgl. die dazugehörige Legende: Si scire uis hunc numerum, si latinus es, per litteras latinas ingredere primum et collige rationem quantas uel quales litteras latinas facit in numero, qui per latinam supputationem in cuncto uoluuntur calculo, et in ipsas repperies nomen antichristo. Quod sunt numero sex, id est Diclux, quod diriuato uocabulo dicitur dic lux, quia per septem regna septem nuncupabitur nomina, et suum nomen interpretantur sancti per numerum litterarum, unusquisque per sua lingua, ut sicut Latinus per latinas, Grecus per grecas, ita cuncti per singulas, et dum tu Latinus numerum per latinas cognoueris, sic per singulas recognoscas et in cuncta nomina in alfabeto sedecim reperies litteras, id est a c d e g h i k l m n r s t u x, quia
Ordnung und Desorientierung 103
Antichrist-Tafel mit den Kuben, dass die Buchstaben jeweils in ein Gitter eingetragen sind. Die Buchstabenlabyrinthe unterscheiden sich jedoch in einem wesentlichen Punkt: in ihrer Farbigkeit und in ihrer ornamentalen Gestaltungsweise, die, so scheint es, erheblichen Anteil an der Verschleierung des Intextes nimmt.
IV.2 Ordnung und Desorientierung Mehr noch, als es die unterschiedliche Anordnung der versteckten Einträge bereits andeutet, trägt gerade die visuelle Gestaltung der Buchstabenlabyrinthe dazu bei, dass jeder Kubus als ein einzigartiges Gebilde in Erscheinung tritt. Dennoch lassen sich einzelne Typen isolieren, die hier zunächst beschrieben werden sollen. Dazu eine kurze terminologische Erläuterung: Das nicht-figürliche Erscheinungsbild der Buchstabenlabyrinthe ließe sich auf zwei Ebenen als Ornament bezeichnen – im Hinblick auf die gesamte Bauform sowie bezogen auf ihr ‚Baumaterial‘. Diese kleinste Einheit stellen verschiedenfarbige Kästchen, aber auch Verzierungsmotive dar, die nachfolgend als Ornamente bezeichnet werden. Die mit den Buchstaben zusammengefügten Farbkästchen oder Ornamente bilden nun eine Art Gewebe aus, das sich ebenfalls mit dem Begriff des Ornaments definieren ließe, hier jedoch der Unterscheidbarkeit halber ‚Muster‘ genannt werden soll.471 Bei einer Mehrzahl der Labyrinthe besteht das Muster aus über Eck gestellten Kästchen, in denen gleichfarbige Buchstaben sowie unterschiedlichste Farbwerte alternieren. Beispiel dafür ist das Buchstabenlabyrinth des Florentius in der Moralia in Iob-Handschrift aus dem Kloster Valeránica (Abb. 18).472 In welchem Rhythmus die Farbwerte dabei wechseln, ist von dem einen Kubus zum anderen verschieden. Auffallend ist die Verwandtschaft dieser schachbrettartigen Muster zu spätantiken Mosaikfußböden, wie man sie, auch in der Nähe der Klöster, im Norden Spaniens finden kann. Natürlich kann nicht immer gesichert werden, dass die Fußböden zum Zeitpunkt der Entstehung der Handschriften tatsächlich auch zugänglich waren. Für die Mosaiken aus einer römischen Villa in Baños de Valdearados (Burgos), die in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts datieren und im Jahre 1972 entdeckt wurden, ist dies jedoch zu vermuten, denn Teile der Villa wurden im 9. und 11. Jahrhundert als Begräbnisstätte genutzt.473 Eines der beiden erhaltenen figurativen Mosaike ist durch eine et sexto decimo anno legimus decepisse in paradiso Eua. Reliquas septem litteras in sua non inuenimus nomina, id est b f o p q m z, quia et priuatum eum cognoscimus esse a septiforme gratia, quas litteras, ut promisimus, karitati uestrae explanemus, et has abicidarias litteras in septem partibus faciemus esse distinctas. In quas partes septem nomina bestiae recognoscas, excepto Acxime in quo facturus est notam et scripturas ad Asiam, et ubi in has abicidarias eRA cum duplices repperis litteras, ibi nomen et numerum esse intellegas, quae nomina singillatim ita denuntiamus. Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Lib. VI, 5 §§1– 4. 471 Nicht zu verwechseln mit Otto Pächts Begriff des Bildmusters, worunter jene „ästhetisch relevante Ordnung“ zu verstehen ist, die sich aus der Anordnung von gegenständlichen Formen auf dem Grund ergibt: Dobbe, Konzept (2012), 334. 472 Moralia in Iob aus Valeránica, fol. 3r (hier: Kat. I.13). 473 Zuletzt Rueda Roigé, Temas (2001), 30; vgl. auch Guárdia Pons, Mosaicos (1992), 119–120.
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Zusammenstellung verschiedenster Muster gerahmt, wovon einige allein aus Farbkästchen gebildet sind und damit Ähnlichkeiten zu Florentius’ Kubus aufweisen. Parallelen sind sogar bis in die Anordnung der Farbkästchen festzustellen; etwa wenn durch über Eck gestellte Kästchen derselben Farbigkeit diagonale Linien ausgebildet sind, wie sie das Buchstabenlabyrinth des Fanlo-Beatus kennzeichnen.474 Ebenso lässt sich das aus rautenförmigen Kästchen bestehende Muster, wie es das Buchstabenlabyrinth im Silos-Beatus zeigt, in der spätantiken musivischen Kunst aus dem Norden der Iberischen Halbinsel verorten (Abb. 136).475 Hinzu kommt eine weitere Gruppe, die durch den Wechsel von Buchstabe und Ornament charakterisiert ist. Auch dafür lassen sich spätantike Fußbodenmosaike als Vorbilder heranziehen, die sodann durch die westgotische und asturische Kunst vermittelt wurden. Das erste Buchstabenlabyrinth im Codex Albeldense besteht aus gelben und blauen, rhomboiden Formen, die jeweils um ein Quadrat herum angeordnet sind (Abb. 75).476 Ein vergleichbares Muster prägt die Kalksteinplatte vom Ende des 5. oder Anfang des 6. Jahrhunderts aus der Kirche Cabeza de Griego.477 Es findet sich ferner in den Gewölbemalereien der Nebenapsiden in der asturischen Kirche San Julián de los Prados in Oviedo wieder (Abb. 170). 478 Die netzartige Binnenrahmung der einzelnen Quadrate und rhomboiden Formen erweckt den Eindruck, dass diese aus einzelnen Steinchen bestünden, und erinnert dergestalt an die Technik des Mosaizierens.479 Neben diese Labyrinthe, deren Muster aus verschiedenfarbigen Ornamenten gebildet sind, treten Lösungen aus dicht nebeneinandergesetzten Kreisen, in die jeweils Buchstaben eingetragen sind. Die Zwischenräume sind dergestalt mit verschiedenen Farben gefüllt, dass
474 Fanlo-Beatus, fol. 11r (hier: Kat. II.9): vgl. Rueda Roigé, Temas (2001), 57, Abb. 20 und 61–69, Abb. 20, 22–24. 475 Silos-Beatus, fol. 6r (hier: Kat. I.11). Vgl. das Rautenmuster in einem Mosaik aus einer Villa Romana de Liédena, 1. u. 2. Jh.: Blázquez, Mosaicos (1985), Taf. 31. 476 Codex Albeldense, fol. 19r (hier: Kat. I.4). Ein vergleichbares Ornament findet sich im Codex Aemilianense, fol. 17r (hier: Kat. I.5, Abb. 92). – Für die Spätantike vgl. die Pavimente der spätrömischen Villa in Pedrosa de la Vega (Palencia): Guárdia Pons, Art chrétien (2008), 270, Abb. 7; ferner das Mosaik aus einer römischen Villa in Uxama (nahe Burgo de Osma), vermutlich 2. Jh.: Blázquez und Ortego, Mosaicos romanos (1983), 95, Abb. 5. Auch die Viererschlaufe, die das Muster des zweiten Buchstabenlabyrinths im Codex Albeldense (fol. 19v) dominiert, war in spätantiken Fußbodenmosaiken weit verbreitet: Blázquez, Mosaicos (1985), Taf. 31; Guárdia Pons, Mosaicos (1992), 157–158. 477 Uclés, ehem. Ordensschloss der Ritter von Santiago: Schlunk und Hauschild, Denkmäler (1978), 154, Taf. 47. Die von den Rhomben umgebenen Quadrate sind jeweils mit einer Blüte ausgefüllt. 478 Zu San Julián de los Prados: vgl. Anm. 374. Siehe auch die Gewölbemalereien in der nördlichen Nebenapsis der Kirche San Salvador de Valdediós, gegen 893 datiert: Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 176, Abb. 113. 479 Ebenso wurden die ineinanderverschlungenen Kreise, wie sie das Buchstabenlabyrinth in dem 1047 illuminierten Apokalypsekommentar von Ferdinand I. und seiner Frau Sancha, fol. 7r (hier: Kat. IV.2, Abb. 105), zeigt, durch die asturische Wandmalerei aus der spätantiken musivischen Kunst vermittelt. Siehe etwa die Gestaltung der Westwand im Querschiff von San Julián de los Prados: Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), Taf. 18b. Für die spätantike Verbreitung sei ein Fußbodenmosaik aus der Nähe von Soria vom Ende des 4. Jh. genannt: Blázquez und Ortego, Mosaicos romanos (1983), 100, Abb. 12.
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sich übergreifende geometrische Formen ausbilden, wie sie das Buchstabenlabyrinth in der Vitae Patrum-Handschrift von 902 zeigt (Abb. 7).480 Auch kommt es vor, dass verschiedene Muster in einem Labyrinth miteinander kombiniert werden, wie im sogenannten Silos-Beatus (fol. 6r; Abb. 136).481 Hier tritt zu einem Gitter aus rosettenförmigen Motiven ein Schachbrettmuster dergestalt hinzu, dass innerhalb des Kubus die Form eines Andreaskreuzes ausgebildet wird. Ferner sind großflächige Rankenmotive integriert. Da das Labyrinth nicht ausgefüllt worden ist, kann nur vermutet werden, dass dieser Mustermix dazu diente, verschiedene Einträge aufzunehmen. Schließlich wird auch die Tradition der Kuben aus asturischen Manuskripten fortgeführt, in denen allein Buchstaben unterschiedlicher Farbe alternieren. Den asturischen Labyrinthen vergleichbar sind sowohl im Morgan-Beatus als auch im Valcavado-Beatus auf die Spitze gestellte Quadrate oder Rauten mittels verschiedenfarbiger Buchstaben im Letternfeld ausgebildet (Abb. 36).482 Hingegen bleibt das Buchstabenlabyrinth des Saint-Sever-Beatus einfarbig (Abb. 121).483 Ein grundsätzlicher Unterschied zu den asturischen Vorbildern besteht insgesamt darin, dass alle drei Labyrinthe eine elaborierte Rahmung aufweisen, auf die ich später noch zurückkommen werde. Für die Ornamente und die Muster ihrer Buchstabenlabyrinthe ließen sich die Mönche also möglicherweise davon inspirieren, was sie an spätantiken und westgotischen Relikten vorfanden, oder aber sie griffen auf asturische Vorbilder zurück. Der Motivschatz der islamischen Kunst spielte dagegen keine Rolle. Die Ornamente und Farbkästchen nehmen einen großen Einfluss auf die Wirkung der Buchstabenlabyrinthe. Durch sie wird eine Ordnung produziert, die im Hinblick auf die Entschlüsselung desorientierend oder zumindest nicht hilfreich ist. So sind die Ornamente dergestalt in rhythmischer Anordnung zusammengefügt, dass sie in Konkurrenz zum Buchstaben treten. Gleich Vektoren lenken sie die Wahrnehmung des Betrachters von der Suche nach dem Detail und nach dem Einstieg in die Lektüre des Eintrags auf die übergreifende Struktur eines polychromen Musters um. In diesem Sinn sind sie jenen Wegen und Dingen vergleichbar, die den Suchenden im Labyrinth des Daedalus, wie es Isidor von Sevilla in seinen Etymologien beschreibt, von der Suche abbringen.484 Oftmals sind durch die gezielte Anordnung der Ornamente übergreifende Formen im Muster ausgebildet. Anders als etwa in den Figurengedichten, geben diese jedoch keinerlei Orientierung im Buchstabenfeld, was das Labyrinth in der für Sancha von León und ihren Sohn Sancho hergestellten Etymologien-Handschrift im Escorial anschaulich belegt (Abb.
480 Vitae Patrum (Madrid, BNE, Ms. 10007, fol. 263v, hier: Kat. II.2, nachfolgend: Vitae Patrum). Ferner in den Vitae Sanctorum, fol. 2r (hier: Kat. II.7, Abb. 101), in einer Handschrift kirchlichen Rechts, die aus dem Kloster Domnos Santos in Sahagún stammt (Madrid, BNE, Ms. 1872, fol. 1r, hier: Kat. I.1, Abb. 6, nachfolgend: Collectio Conciliorum) oder der Bibel aus Albares, fol. 2r (hier: Kat. I.9, Abb. 9). 481 Silos-Beatus, fol. 6r (hier: Kat. I.11). 482 Morgan-Beatus, fol. 1r (hier: Kat. I.8): S(AN)C(T)I MICAELI L(I)B(RUM), Abb. in Williams, Beatus (1994), Bd. 2, Abb. 3; Valcavado-Beatus, fol. 2r (hier: Kat. I.12): SEMPRONIVS ABBA LIBRVM. 483 Saint-Sever-Beatus, fol. 1r (hier: Kat. I.3): GREGORIVS ABBA NOBIL(I). 484 Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber XV, cap. II: De aedificiis publicis (= PL 82, col. 0539C–0540A).
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108).485 Der Eintrag OB HONOREM SANCTE MARIE VIRGINIS erschließt sich von der Mitte der obersten Zeile aus. In dem aus Kästchen verschiedener Farben gebildeten Muster sind geometrische Formen nur fragmentarisch angedeutet, die weder den Einstieg in den versteckten Text noch den Verlauf von Lektürewegen berücksichtigen. Aus diesen angedeuteten Formen müssen gedanklich drei an der vertikalen Achse orientierte, wie Glieder einer Kette aneinandergesetzte Rauten ergänzt werden. Das Buchstabenlabyrinth macht demnach ein ‚imaginatives Sehen‘ erforderlich, das dem verwandt ist, was Ben C. Tilghman am Beispiel der insularen Buchmalerei als ‚mentale Manipulation‘ beschrieben hat. Tilghman geht dabei von stark abstrahierten Buchstaben aus, die, um ihre eigentliche symbolische Bedeutung zu entschlüsseln und damit die Stufe des körperlichen Sehens zu übersteigen, gedanklich ergänzt werden müssen.486 Das harmonische Wechselspiel von Ornamenten und Buchstaben erinnert in einigen Buchstabenlabyrinthen an die Struktur eines Rasters, nämlich dort, wo das Muster bis an den Rahmen geführt ist und damit den Blick darüber hinausträgt. Dieser Eindruck entsteht vor allem bei jenen Mustern, bei denen die Farbkästchen, wie in einer Etymologien-Handschrift des 11. Jahrhunderts aus Santo Domingo de Silos, am linken und rechten Rand angeschnitten sind (Abb. 119).487 Auch in einem Labyrinth des Silos-Beatus ist dies der Fall: Die Bauform besteht aus einem schräg geführten, einfarbigen und durch Verknotungen gekennzeichneten Streifen einerseits sowie verschiedenfarbigen, treppenartig zusammengefügten Kästchen andererseits (Abb. 139).488 Hier eröffnet Rosalind Krauss’ Analyse des Rasters in der modernen Kunst auch Perspektiven für die mittelalterlichen Buchstabenlabyrinthe.489 Krauss beschreibt den Effekt des über den Rahmen hinausweisenden Rasters ausgehend von der kubistischen Malerei als eine „Entmaterialisierung der Oberfläche, die Auflösung der Materie in ein Flimmern der Wahrnehmung […]“490. Ähnliches lässt sich für die Buchstabenlabyrinthe konstatieren. So können die Regelmäßigkeit und Gleichförmigkeit der Musterbildung wie im Codex Albeldense, das Fehlen einer achsensymmetrischen Akzentuierung im Binnenfeld wie in den Etymologien Königin Sanchas sowie sich im Muster ausbildende, ineinander verschachtelte Rauten wie in den Etymologien aus Santo Domingo de Silos den Eindruck erwecken, dass das Muster nach außen strebt und jenseits des Rahmens als fortgesetzt zu denken ist (Abb. 75, 108, 119).491 Verwiesen wird demnach auf eine nicht erfassbare Vollständigkeit des Musters jenseits des Rahmens, das folglich im Pergament nur im Ausschnitt in Erscheinung treten kann. Vergleichbare Effekte, jedoch auf andere Art und Weise, werden auch in jenen Labyrinthen erzielt, deren Musterbildungen einen anderen Bauplan aufweisen. Gleich auf folio 1 recto einer Handschrift kirchlichen Rechts aus dem 9. und 10. Jahrhundert befindet sich ein 485 Etymologien Sanchas, fol. 7r (hier: Kat. IV.1). 486 Tilghman, Insular Display Lettering (2011), insbes. 300. 487 Etymologien aus Silos, fol. 21v (hier: Kat. I.10): ERICONI PRESVITERI INDIGNI MEMENTO. 488 Silos-Beatus, fol. 276r (hier: Kat. I.11). 489 Krauss, Avantgarde (1985, 2000), Bd. 2, 51–66. 490 Krauss, Avantgarde (1985, 2000), Bd. 2, 65. 491 Codex Albeldense, fol. 19r (hier: Kat. I.4); Etymologien Sanchas, fol. 7r (hier: Kat. IV.1); Etymologien aus Silos, fol. 21v (hier: Kat. I.10).
Ordnung und Desorientierung 107
aus horizontal und vertikal nebeneinander gesetzten Kreisen gebildetes Labyrinth (Abb. 6).492 Den Zugang zum versteckten Text ermöglicht der mittig platzierte und farblich akzentuierte Buchstabe S. Von hier aus kann das Exlibris, SVPERI ABBATI LIBRVM, in vertikaler und horizontaler Richtung lesend durchschritten werden. Das Gitter ist aus Kreisen gebildet, die mit roten Buchstaben gefüllt sind. Nur die freien Flächen zwischen den Kreisen sind vielfarbig gestaltet, so dass sich in der Summe übergreifende geometrische Formen ergeben: Zu erkennen ist im Mittelfeld die Struktur eines von innen nach außen gelb, rot und grün gerahmten Quadrates. Oberhalb und unterhalb des Quadrates stoßen rechtwinklige, rote und grüne Dreiecke mit ihren Spitzen an die äußere Grenze des Labyrinths und bestimmen dessen Muster. Anders als jene Gruppe von Buchstabenlabyrinthen, in denen Motive und Buchstaben alternieren, sind hier weder das Kreisgitter noch das dahinterliegende Muster bis an den Rahmen geführt. Das übergreifende Muster tritt hinter dem Raster, das heißt dem Kreisgitter, zurück, wodurch Kreisgitter und Farbfelder getrennt wahrgenommen werden und eine Differenz zwischen der fehlenden Kontur des Musters und dem aus regelmäßigen Zirkelschlägen gebildeten Buchstabenraster augenfällig wird. Doch auch hier stellt sich der Eindruck einer nur fragmentarisch erfassbaren Ordnung ein, und zwar dergestalt, dass das Buchstabenraster die Sicht auf das aus verschiedenen Farben und geometrischen Formen gebildete Muster verbirgt. Durch das Zusammenspiel zwischen Ornamenten oder Farbkästchen auf der einen und dem übergreifenden Muster auf der anderen Seite entstehen paradoxe Verhältnisse im Buchstabenlabyrinth, die den Betrachter herausfordern. Denn die einzelnen Bestandteile des Musters konstituieren eine Ordnung, welche zugleich Desorientierung stiftet: einerseits durch die Gleichförmigkeit sowie rhythmische Anordnung der einzelnen Motive, andererseits durch im Muster ausgebildete geometrische Formen. Letztere bieten eigene, dem Prozess der Entschlüsselung zuwiderlaufende Orientierungspunkte der Wahrnehmung und des ‚imaginativen Sehens‘ an. Ferner wird im Verhältnis von Muster, Buchstabengitter und Rahmung die Vorstellung vermittelt, dass die dargestellte Ordnung nur begrenzt und fragmentarisch erfasst werden kann. Das Muster des Labyrinths ist demnach der Kontrolle des Betrachters entzogen, womit sich auf visueller Ebene jener Eindruck verstärkt, der auch im Durchschreiten des Letternfeldes erweckt wird: Die von einem spezifischen Punkt in verschiedene Richtungen weisenden Lektürewege sind niemals gleichzeitig, allenfalls nacheinander, erfassbar. Der Gedanke einer nicht vollständig zu erfassenden Struktur verbindet die Buchstabenlabyrinthe auch mit den Einweglabyrinthen, die ausschließlich in der bildenden Kunst verwirklicht wurden. Denn die graphisch-linearen Strukturen, etwa im Medium mittelalterlicher Fußbodenmosaike, lassen sich im Versuch sie zu durchschreiten ebenfalls nicht in ihrer inneren Logik überblicken. Umgekehrt verliert man den Weg aus den Augen, sobald man das Labyrinth verlässt: Zum Nachteil von Struktur und Bauprinzipien rückt stattdessen die harmonische Gesamterscheinung in den Vordergrund, wie bereits Heinz Ladendorf anschaulich beschrieben hat: „In immer neuen Bildungen kann der gleiche Grundgedanke einer 492 Collectio Conciliorum, fol. 1r (hier: Kat. I.1).
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scheinbar völlig regelmäßigen Gestalt variiert werden, die sich mit einem Blick wohl als ein schönes Muster überschauen, aber nicht erfassen lässt […].“493
IV.3 Muster und göttliche Ordnung Ausgehend von der Beobachtung, dass das Verhältnis von Ordnung und Desorientierung, von Ganzem und Fragmentarischem den Eindruck einer nicht vollständig erfassbaren Komplexität vermittelt, ist zu überlegen, ob mit der labyrinthischen Bauform das Wirken Gottes zum Ausdruck gebracht werden sollte. In diesem Sinne möchte ich an Ulrich Ernsts Überlegungen zum Figurengedicht anknüpfen, der dieses als Ausdruck des ordo mundi deutet, womit er die harmonisch strukturierte göttliche Schöpfung meint.494 Ich verstehe das Buchstabenlabyrinth aber nicht allein als eine auf das Schöpferwirken Gottes zurückgehende Struktur des Universums. Vielmehr stellt sie eine Denkfigur dar, in der das Verhältnis des menschlichen Daseins zur göttlichen Ordnung der Welt, genau genommen zu einer göttlichen Ordnung des Wissens, thematisiert werden kann. Es lassen sich einige Argumente dafür anführen, warum der Bezug zum ordo mundi plausibel ist. Eine Vielzahl der erhaltenen Buchstabenlabyrinthe zeichnet sich, wie erwähnt, durch über Eck gestellte Quadrate, aber auch Rauten aus, die durch die Ornamente und Farbkästchen im jeweiligen Muster generiert werden. Bereits in karolingischen Handschriften bildet die Form des Quadrates oder der Raute, die auf die Herrschaft Gottes über den Kosmos verweist, den Rahmen von Maiestas Domini-Darstellungen.495 Ebenso ist in den beiden nordspanischen Rechtskodifizierungen, dem Codex Albeldense und dem Codex Aemilianense, die Figur der Maiestas Domini von einer Raute umschlossen (Abb. 70).496 Eine Raute ist gleichfalls Bestandteil des Buchstabenlabyrinths im Liber Psalmorum (Abb. 111).497 Ungewöhnlich ist, dass hier Kreuz und Kubus zu einer Darstellung verschmolzen sind: Einem rechteckigen Rahmen ist eine Raute einbeschrieben, welche wiederum den Rahmen für ein Kreuz bildet. Den goldenen Schnittpunkt des Kreuzes hebt ein Kreis hervor, der wie in das Zeichen eingeflochten erscheint. Gleichfalls gehen aus dem Schnittpunkt des Kreuzes zwei spitzwinklige Dreiecke hervor, deren Schenkel mit der Raute verflochten sind. Der Ein493 Ladendorf, Labyrinth (1963), 771. 494 Ernst, Carmen figuratum (1991), 831. – Zum ordo-Begriff im Mittelalter vgl. Art. Ordnung, in: HWP, Bd. VI, 1251–1254 [H. Reinhardt], vor allem zu Augustinus, der die Ordnung als Instrument Gottes in seiner Schöpfung begreift, u. a. in: De ordine libri duo, Liber II, cap. 1,2 (= PL 32, col. 0993–0994). Ausgangspunkt bildet Weish 11,20, wo das harmonische Bauprinzip der Schöpfung Gottes nach Zahl, Maß und Gewicht hervorgehoben wird. Vgl. auch Art. Ordo, in: LexMA, Bd. VI, 1436–1437 [O. G. Oexle]; Niehoff, Ordo (1985). 495 Kühnel, Time (2003), 225–235. – Vgl. die Maiestas Domini-Darstellungen in jenen Handschriften, die aus dem Skriptorium von Tours stammen: vgl. die Bibel Karls des Kahlen od. Vivian-Bibel (Paris, BnF, Ms. lat. 1, fol. 329v). Abb. in: Ausst.-Kat. Trésors carolingiens (2007), 104. 496 Codex Albeldense, fol. 13v (hier: Kat. I.4); Codex Aemilianense, fol. 16v (hier: Kat. I.5). 497 Liber Psalmorum, fol. 6r (hier: Kat. IV.3).
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trag des Exlibris erfolgt sowohl in die vier Schenkel des Kreuzes als auch in die Figur der Raute.498 Auch aus der Einbindung einiger Buchstabenlabyrinthe in den Handschriftenzusammenhang ist die Deutung eines die göttliche Ordnung versinnbildlichenden Musters denkbar, vor allem dort, wo kosmologische und chronographische Gesichtspunkte in unmittelbarer Nähe der Kuben zur Darstellung gelangen. Dabei handelt es sich um komputistische Diagramme und Tabellen zur Berechnung des Ostertermins.499 Der Computus erfüllte nicht allein eine praktische Funktion. Mit ihm wurde zugleich die Bewunderung für die Schöpfung Gottes ausgedrückt.500 Bereits in der im Auftrag Alfons III. entstandenen Etymologien-Handschrift stehen Buchstabenlabyrinth und komputistisches Diagramm direkt nebeneinander (Abb. 4). Der Kubus auf folio 1 verso ist oben und unten durch je drei Kreise gerahmt.501 In jedem Kreis sind die Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge von je zwei Monaten notiert, so dass die Kreise in der Summe das gesamte Jahr abbilden. Die Diagramme führen das Thema der im Verhältnis zum Lichttag berechneten Temporalstunden im Verlauf eines Jahres detailliert aus, das in den Etymologien Isidors nur angedeutet wird.502 Ebenfalls dort, wo in späteren Handschriften die Anordnung der Seiten als original eingeschätzt werden kann, lässt sich eine Verbindung zwischen Buchstabenlabyrinthen und Kosmologie nachweisen, wenn auch der Zusammenhang nicht auf einer Seite, sondern aus dem Handschriftenverlauf erkennbar wird. So folgt in der Bibel aus Albares von 920 auf das Buchstabenlabyrinth und auf eine leere Seite die Darstellung eines Sonnendiagramms (Abb. 9, 10).503 In diesem ist in Anlehnung an eine Passage aus Isidors De natura rerum der Lauf der Sonne illustriert.504 Das Diagramm ist bekrönt durch ein gleichschenkliges, um die griechischen Buchstaben Alpha und Omega ergänztes Kreuz, das dem in der ganzseitigen Darstellung des Zeichens auf folio 1 verso in derselben Handschrift gleicht. Im Antiphonar aus León steht das Buchstabenlabyrinth auf folio 6 recto dem Computus (fol. 6v–27r) sogar direkt voran. Augenfällig ist schließlich der Bezug zwischen Buchstabenlabyrinth und Computus in dem nur noch in Kopien des 17. Jahrhunderts erhaltenen Fanlo-Beatus.505 Hier findet sich auf folio 12 recto eine gänzlich ungewöhnliche Lösung, um den Memorialeintrag des Kopisten zu verrätseln (Abb. 115). Der Eintrag SANCIVS PRESBITER NOTARIVS MEMENTOTE ist dergestalt in das Gitter eingetragen, dass jedes Kästchen ein ganzes Wort, diagonal platziert, ausfüllt. Der Eintrag erschließt sich demnach diagonal über alle im Gitter verfüg498 Der Eintrag erschließt sich vom Kreuzungspunkt aus entlang der Arme: (F )REDENANDI REGIS SVM LIBER. Diese Inschrift wird sodann in der Raute ergänzt durch: (F )REDENANDI REGIS NECNON ET SANCIA REGINA SVM LIBER (LIBRUM). 499 Zum Computus grundlegend: Borst, Computus (1991). 500 Vgl. Borst, Computus (1991), 30. 501 Etymologien Alfons III., fol. 1v (hier: Kat. III.2). 502 Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber V, cap. XXXIV: De solstitiis et aequinoctiis (= PL 82, col. 0220B–0220C). 503 Bibel aus Albares, fol. 2r, fol. 3r (hier: Kat. I.9). 504 Isidorus Hispalensis, De natura rerum, cap. XVII: De solis cursu. Ed. Fontaine, Traité (1960), 233–237. 505 Fanlo-Beatus, fol. 12r (hier: Kat. II.9).
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baren Kästchen hinweg. Wobei die eine Hälfte des Eintrags von oben rechts nach unten links und die andere von unten rechts nach oben links gelesen werden kann. Auf diese Weise kreuzen sich die Zeilen immer wieder, so dass eine Art Text-Gitter entsteht. Hinzuzufügen ist, dass die Zeilen auf dem Kopf stehen und die Handschrift daher zur Lektüre gedreht werden muss.506 Der Aufbau des Labyrinths ist inspiriert durch Diagramme, wie sie sich in komputistischen Zusammenhängen finden. Zum Vergleich sei hier ein Diagramm in der Etymologien-Handschrift aus Santo Domingo de Silos angeführt, in dem die einzelnen Sternzeichen in Form sich diagonal kreuzender Texte eingetragen sind (Abb. 118).507 Ein solcher Zusammenhang zum Computus ist auch für die in anderen Manuskriptkulturen verbreiteten Einweglabyrinthe, bevorzugt in Handschriften aus dem ost- und westfränkischen Raum seit dem 9. Jahrhundert, charakteristisch.508 Ähnlich den Buchstabenlabyrinthen sind sie häufig an Schwellensituationen des Handschriftenkörpers platziert; so am Anfang und am Ende eines Codex oder eines einzelnen Traktats. 509 Auffallend ist eine Gruppe von Manuskripten, in denen das Einweglabyrinth in den unmittelbaren räumlichen Kontext von Texten, Diagrammen, Tabellen und auch bildlichen Darstellungen gebracht ist, die chronographische, kosmologische, historiographische Aspekte beleuchten sowie enzyklopädischen Charakter haben. Nicht selten handelt es sich um Sammelhandschriften, in denen verschiedene Texte dieses Inhalts zu einem Volumen zusammengefasst sind. Beispiel dafür ist etwa ein um 850 wahrscheinlich in St. Gallen entstandener Codex, der ein Martyrologium des Mönchs Wandalbert von Prüm (813–870?) sowie Gedichte zu den sieben Planeten, den Monaten und Tagen des Jahres, den Gestirnen, den Darstellungen der Sonnenwende, der Arche Noah, der Philosophie und der Planetenkreise enthält.510 Das Labyrinth des nur 36 Blätter zählenden Codex ist hierin an das Ende auf folio 35 verso platziert. Ähnlich den
506 Im Manuskript steht diesem Eintrag ein Kolophon gegenüber, das, in ein farbiges Gitter platziert, ebenfalls durch Drehung der Handschrift um 90 Grad erschlossen werden kann: vgl. Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 355. 507 Etymologien aus Silos, fol. 17v (hier: Kat. I.10). 508 Siehe das Material bei Batschelet-Massini, Labyrinthzeichnungen (1978); Haubrichs, Error inextricabilis (1980). 509 Mit dem christlichen Labyrinth erfolgt eine Umdeutung des antiken Daedalus-Baus, der nunmehr als Hölle nicht mehr durch Minotaurus, sondern durch den Teufel bewacht wird. Erst Christus-Theseus vermag, den Teufel zu besiegen und die menschliche Seele zu erlösen: vgl. Stolz, Randphänomene (2011), 20. – Prominentes Beispiel dafür ist Otfried von Weißenburgs sogenannte Evangelienharmonie von 870/871, die in einer Handschrift in Wien (ÖNB, Cod. 2687) erhalten ist. Hierbei handelt es sich um eine deutschsprachige Nacherzählung und Deutung der Evangelien. Insbesondere weil, wie schon Haubrichs, Error inextricabilis (1980), 157–158, bemerkt, das Kreuz in der Darstellung der Kreuzigung auf fol. 153v kodikologisch genau in jenes Labyrinth passt, was dem Codex auf einem Vorsatzblatt voransteht, repräsentieren beide Darstellungen den Weg, der „aus der Dunkelheit des Labyrinths zum Licht des fleischgewordenen Logos“ führt. Zuletzt Stolz, Randphänomene (2011), 47. 510 Rom, BAV, Ms. Vat. Reg. lat. 438. Beschreibung des Inhalts nach Batschelet-Massini, Labyrinthzeichnungen (1978), 46–47, Nr. 4; Haubrichs, Error inextricabilis (1980), 68–69, Nr. 2, Abb. 9. Vgl. auch eine Sammelhandschrift des 9. Jh. aus dem Kloster Saint-Germain-des-Prés, in der das Labyrinth komputistischen Berechnungen voransteht, auf die Bedas De natura rerum folgt (Paris, BnF, Ms. lat. 13013, fol. 1r): Batschelet-Massini, Labyrinthzeichnungen (1978), 50, Nr. 1, mit weiteren Beispielen.
Muster und göttliche Ordnung 111
Buchstabenlabyrinthen erscheint auch für die Einweglabyrinthe eine Deutung als schwer durchschaubare göttliche Wissensordnung plausibel.511 Für das Verständnis des Musters aus regelmäßig angeordneten Ornamenten oder Farbkästchen als eine Ordnung, durch die das Wirken Gottes wahrnehmbar wird, spricht ferner jene gestalterische Lösung, die in einigen Beatus-Handschriften für die halbstündige Stille im Himmel gefunden wurde. Das Schweigen im Himmel umfasst jenen von Beatus als kontemplativ gedeuteten Moment, den der Seher Johannes zwischen der Öffnung des siebten Siegels und dem Ton der ersten Posaune erlebt und in dessen Folge ein heftiger Hagel- und Feuersturm auf der Erde einsetzt.512 In insgesamt sechs Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts wird dieser Moment illuminiert. In einigen ist die Stille oder das Schweigen im Himmel als eine regelmäßige und harmonische Anordnung von stilisierten Blüten wiedergegeben. Während in einer um 1000 entstandenen Beatus-Handschrift aus San Millán de la Cogolla drei mal vier Blüten mit roten und gelben Blättern vor Pergamentgrund erscheinen, sind im Morgan-Beatus aus der Mitte des 10. Jahrhunderts hellgelbe Rosetten auf einem goldgelben Grund aufgetragen (Abb. 14).513 Die Anzahl der Blüten ergibt sich aus der Anzahl der Buchstaben von Silentium est. Entsprechend wird im Morgan-Beatus jede einzelne Blüte durch einen Buchstaben ergänzt. Im 1086 fertiggestellten Osma-Beatus wurde statt des rechteckigen Feldes die Kreisform gewählt.514 Hier treten die zu einem auf die Spitze gestellten Quadrat angeordneten zwölf weißen Blüten, mit denen sich Sterne assoziieren lassen, vor einem blauen Grund in Erscheinung. Auch kann die Stille als gerahmtes, leeres bzw. ungestaltetes Feld auftreten515 (Abb.157) oder aber durch die Hervorhebung der Buchstaben von Silentium est vermittelt werden (Abb. 106)516. Insbesondere die gestalterische Lösung der Stille im Himmel in einer wahrscheinlich aus dem Kloster Valcavado (Saldaña) stammenden Beatus-Handschrift rückt das Thema in die Nähe der Kuben (Abb. 37).517 Denn Silentium est bildet hierin den Eintrag eines Buchstabenlabyrinths, das auf farbigem Grund erscheint, ansonsten jedoch keine weitere farbliche oder ornamentale Gestaltung erfahren hat.518 Derart wird das durch den Menschen nur begrenzt zu durchdringende göttliche Wirken und Planen 511 Zur Deutung des Einweglabyrinths als Zeichen der komplexen göttlichen Ordnung: Batschelet-Massini, Labyrinthzeichnungen (1978), 61; Doob, Labyrinth (1990), 142–143. 512 Et cum aperuisset sigillum septimum, factum est silentium in celo. Sed partem silentii uidit, quia eadem uisionem adhuc plus plenius uisurus erat, quod in hoc septimo signo non uidit tantum quantum adhuc futurus erat uidere, et ut ei apertius multa ostenderentur, interruptum est silentium. Quod si esset iugis locutio, non esset finis uerbi. Hic uidendum est narrandi findem facere; nunc uero recapitulat a Christi passione eadem aliter dicturus. Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Lib. IV, 7 §§1–2. – Vgl. dazu Prado-Vilar, Silentium (2013). 513 Escorial, Cod. &.II.5, fol. 91v: vgl. Williams, Illustrations (1992), 29–33; Morgan-Beatus, fol. 133r (hier: Kat. I.8). 514 Osma-Beatus, fol. 101v: Williams, Beatus (2002), Bd. 4, Abb. 22. 515 Urgell, Museu Diocesà, Cod. 501, fol. 122v; ferner im Silos-Beatus, fol. 125v (hier: Kat. I.11): Williams, Beatus (2002), Bd. 4, Abb. 263. 516 So in der Beatus-Handschrift von Ferdinand I., fol. 162r (hier: Kat. IV.2, Abb. 106). 517 Valcavado-Beatus, fol. 112v (hier: Kat. I.12). 518 Dieselbe Handschrift enthält eingangs (fol. 2r) ein rein aus Lettern gebautes Labyrinth, das den Namen des Abtes überliefert.
112 Der Codex als Labyrinth
im Kontext der Apokalypse anschaulich gemacht und erweist sich als eine geeignete Lösung, den Moment der Kontemplation nicht nur abzubilden, sondern vor allem den Betrachter aktiv daran zu beteiligen. Nicht zuletzt die Polychromie der Buchstabenlabyrinthe unterstützt das Verständnis ihrer Muster als Darstellung des ordo mundi. Diese Vielfarbigkeit ist auch für jene narrativen Bildzyklen charakteristisch, die Bestandteil der Beatus-Handschriften sind. In diesen, so konnte es Elizabeth S. Bolman konkretisieren, ist gemäß mittelalterlicher Farbwahrnehmung Farbe als Wert bezogen auf ihre Aufhellung und Abdunkelung wiedergegeben.519 Ähnlich verhält es sich mit den Buchstabenlabyrinthen, in denen ein breites Farbspektrum zwischen dunkleren und helleren Tönen aufgewendet wurde. Folgt man Bolman, so spiegeln die „patterns of color“, welche durch die Anordnung und Verteilung der Farben in den figurativen Programmen entstehen, das seit der Spätantike bekannte ästhetische Prinzip der varietas wider. Zuletzt hat Mary Carruthers auf die Bedeutung von varietas für mittelalterliche Konzepte von Schönheit aufmerksam gemacht. Mit der varietas ist eine polyfokale Wahrnehmung verbunden, wie sie etwa in den Beschreibungen der Hagia Sophia von Prokopios († um 562) zum Ausdruck kommt und dabei durchaus an die Vielfalt farblicher Akzente in den Buchstabenlabyrinthen erinnert.520 Diese Vielfalt farblicher Akzente erweckt schließlich den Eindruck einer Harmonie, indem jedes Detail die Aufmerksamkeit bindet und damit zu einem sprunghaften Sehen herausfordert. Besonders markant tritt in den Buchstabenlabyrinthen die Farbe Gelb in Erscheinung. Berücksichtigt man, dass Gold in den nordspanischen Handschriften seltener verwendet wurde, so scheint es möglich, das Gelb in den Buchstabenlabyrinthen als Inszenierung göttlichen Lichtes zu deuten.521 Licht spielte in der westgotischen Liturgie eine zentrale Rolle, insbesondere an Ostern, wenn sich die Segnung und das Entzünden der Osterkerze in einem Sakralraum abspielen sollten, in dem alle Fenster und Türen verhängt waren.522 Im westgotischen Antiphonar ist Lux das erste Wort der ersten Messe.523 Das Verständnis von Lux als Licht göttlichen Ursprungs findet dementsprechend in der bildlichen Ausstattung der Antiphonare eine sinnfällige Umsetzung.524 Im Silos-Beatus hat sich am Beginn der Handschrift ein Blatt aus einem älteren Antiphonar erhalten, welches auf seiner Rückseite das Wort Lux aus reich mit Ornamenten verzierten Buchstaben zeigt.525 Auf der Vorderseite ist ein ganzseitiges Vespertinum-Monogramm (VPR) dargestellt, welches den Beginn eines jeden Offiziums im Antiphonar markiert (Abb. 133, 134). Auffallend ist nun die aufeinander abge519 Bolman, De coloribus (1999), 22–24. Zur Farbigkeit in den Beatus-Handschriften: vgl. Gage, Moses und Opstelten, Farbe (1994), 63. 520 Vgl. Carruthers, Beauty (2013), 151. Das Erzeugen einer polyfokalen Wahrnehmung im Kontext der varietas als einen ästhetischen Wert lässt sich bis ins 12. Jh. verfolgen: ebd., 153. 521 Vgl. etwa das Labyrinth des Florentius in der Moralia in Iob-Handschrift aus Valeránica, fol. 3r (hier: Kat. I.13, Abb. 18) oder das in den Etymologien aus Silos, fol. 21v (hier: Kat. I.10, Abb. 119). 522 Vgl. Ordo die sabbato in vigilia pasche. LO, LXXXVI, 208,11–217,27. Zum westgotischen Osterfest: Sants Gros, Fiesta (1988), 17–18. 523 Lux orta est iustis et rectis corde letitia. Antiphonario Visigótico, fol. 29r (11). 524 Brou, Antiphonaires (1954), 75–80. 525 Silos-Beatus, fol. 4r, 4v (hier: Kat. I.11).
Erkenntnisgrenzen 113
stimmte farbliche Gestaltung beider Schriftzüge auf der Vorder- und Rückseite des Blattes. Während auf der Vorderseite die Farbe Gelb die Buchstaben des Monogramms ausfüllt, tritt sie rückseitig im Wort Lux nach außen und umspielt als Flechtwerk die einzelnen Lettern. Ganz deutlich wurde hier versucht, die Erscheinung göttlichen Lichtes in der Abfolge beider Illuminationen erfahrbar zu machen. Lässt man die vielfarbigen Buchstabenlabyrinthe als Ausdruck der göttlichen Wissensordnung gelten, so ergibt sich für die Entschlüsselung als performativer Akt, in dem die Stiftung des Buches memoriert wird, ein konkreter Bezugsrahmen. Denn die dahinterstehende Person kann sowohl als Bestandteil als auch im Verhältnis zum übergreifenden Muster, verstanden als abstrakt-sinnliche Ebene des ordo mundi, begriffen werden. Damit lässt sich durch den versteckten Namenseintrag in ein polychromes Muster etwas zum Ausdruck bringen, was auch Anliegen der chronographischen Diagramme und Tabellen des Computus ist, nämlich Mikrokosmos und Makrokosmos miteinander in ein Verhältnis zu setzen. Schließlich, und dies scheint mir eine Besonderheit des Buchstabenlabyrinths im Vergleich zu anderen Ausdrucksformen der Memoria zu sein, bietet das Entschlüsseln des Eintrags auch dem Rezipienten die Möglichkeit, sich selbst in Beziehung zu Gott zu stellen.
IV.4 Erkenntnisgrenzen Bezogen auf den Codex und seine Inhalte erzeugen die Buchstabenlabyrinthe durch Verweis auf eine begrenzt zu erfassende Ordnung eine Schwelle am Beginn der Handschrift. Diese Schwelle hat letztlich zur Konsequenz, dass der nachfolgende Text in der Wahrnehmung des Betrachters eine Aufwertung erfährt. Im Codex Albeldense sind die auf der Vorder- und Rückseite eines Blattes gestalteten Buchstabenlabyrinthe formal und inhaltlich aufeinander abgestimmt (Abb. 75, 76).526 Das erste Labyrinth folgt dem schon bekannten Schema, nach dem die Summe der Lektürewege vor dem inneren Auge eine Kreuzform erzeugt. Im nachfolgenden sind in dem aus Viererschlaufen und Buchstabenkästchen gebildeten Muster einzelne Ornamente durch eine rote Binnenlinie farblich so hervorgehoben, dass im Zentrum des Labyrinths tatsächlich ein Kreuz sichtbar wird.527 Dabei gelangt das Zeichen genau dort zur Darstellung, wo zuvor auf folio 19 recto im Leseprozess eine Kreuzform allein imaginiert werden konnte. Folglich liegen beide Kreuze, sowohl das durch den Betrachter imaginierte als auch das tatsächlich dargestellte, auf der Vorder- und Rückseite des Blattes direkt übereinander. Das entscheidende ist jedoch, dass eben dort, wo das Kreuz im Muster sichtbar ist, es keinesfalls dem Lektüreweg entspricht. Stattdessen erschließt sich der Eintrag MAVRELLIS ABBATIS LIBRVM von 526 Vgl. Kat. I.4. 527 Vergleichbar ist die Inszenierung des Kreuzes in der Bilderdecke von St. Martin in Zillis, die im späten 12. Jh. entstand. In die Bildordnung einer historisch-linearen Abfolge von Szenen der Verkündigung bis zur Dornenkrönung, ergänzt um Episoden aus der Vita des Hl. Martin, ist ein Kreuz eingeschrieben, das erst nach längerem Hinsehen durch den rahmenden doppelten Ornamentstreifen hervortritt: vgl. Kemp, Bildsysteme (1989), hier 127–128.
114 Der Codex als Labyrinth
dem Buchstabenkästchen in der linken oberen Ecke aus. Kreuzform und Lektüreweg sind nicht kongruent. In der Abfolge beider Labyrinthe wird also etwas auf die Spitze getrieben, was auch Thema der übrigen Buchstabenlabyrinthe ist. Denn was die Wahrnehmung der Kuben vor allem erschwert, ist, dass der Akt des Sehens und der des Lesens nie ganz überein gehen oder in Einklang zueinander gebracht werden können. Auf diese Weise wird ein Schwebezustand erzeugt und das Buchstabenlabyrinth als eine zwischen Zugänglichkeit und Unzugänglichkeit situierte Zone erfahrbar gemacht. Es wundert demnach nicht, dass die Buchstabenlabyrinthe vergleichbar den Einweglabyrinthen nicht nur in Handschriften, sondern auch in anderen künstlerischen Gattungen in Übergangssituationen begegnen. Das epigraphische Buchstabenlabyrinth des asturischen Königs Silo, welches in der Kirche Santianes de Pravia ursprünglich am Triumphbogen platziert war, hatte ich bereits erwähnt (Abb. 162). Das nachfolgende ältere Beispiel weist in den Norden Afrikas. Hier haben sich zwei Fußbodenmosaike erhalten, die im Jahre 324 und damit in zeitlicher Nähe zum Mailänder Toleranzedikt von 313 für die Reparatus-Basilika von Orléansville (Ech Cheliff/Algerien) entstanden sind. Direkt hinter dem Eingang am westlichen Ende des nördlichen Seitenschiffs ist hier ein 2,5 x 2,5 m großes schwarz-weißes Mosaik gestaltet, welches in einzigartiger Weise ein Buchstabenlabyrinth mit einem Einweglabyrinth verbindet.528 Das Buchstabenlabyrinth, dessen Eintrag die Heilige Kirche feiert (SANCTA ECLESIA), ist von einem Einweglabyrinth umgeben, durch das ein Ariadnefaden führt und dessen Öffnung dem Kircheneingang zugewandt ist (Abb. 161). Ein zweites, dem Priester Marinus gewidmetes Buchstabenlabyrinth (MARINUS SACERDOS) war als Fußbodenmosaik vor dem liturgischen Chor verlegt worden.529 Beide Buchstabenlabyrinthe sind damit an einer Schwelle platziert und heben auf diese Weise die Gliederung des sakralen Raums hervor. Sie wenden sich explizit an denjenigen, der den Raum betritt und regen ihn dazu an, Relationen zwischen verschiedenen Räumen und Funktionsbereichen sowie der Institution Kirche und Personen herzustellen. Zugleich entsteht ein Moment der Aufmerksamkeit, in dem die Wahrnehmung für den jeweils zu betretenden Raum als heiliger Ort geschärft wird. Vergleichbar ließe sich auch für die Buchstabenlabyrinthe, wie etwa jene im Codex Albeldense, argumentieren, dass die in ihnen thematisierte Zugänglichkeit einer Reflexion über den Status des nachfolgenden Textes und dessen sakrale Aufladung dienen könnte – ein Gedanke, der bereits bei den ganzseitigen Kreuzdarstellungen vermittelt wird. Vor allem aber bestimmen sie die Wahrnehmung des nachfolgenden Textes dergestalt, dass sie seine Komplexität und begrenzte Zugänglichkeit dem Betrachter vor Auge führen. Bereits seit frühchristlicher Zeit diente das Labyrinth als Metapher, um komplexe Zusammenhänge zu veranschaulichen. In Boethius’ De consolatione philosophiae etwa wird die Komplexität einer argumentativen Struktur, mit der die Philosophie versucht, dem Autor Gott als 528 Vgl. Prevost, Reparatus (1852), mit. Abb.; Kern, Labyrinthe (1999), 119, Nr. 116–117. 529 Inwiefern ein Zusammenhang angenommen werden kann zwischen dem frühchristlichen Beispiel und dem ersten und einzigen lapidaren Buchstabenlabyrinth des 8. Jh. in Asturien kann angesichts der großen Zeitspanne, die dazwischenliegt, sowie fehlender Vergleichsbeispiele nicht beantwortet werden. – Zumindest für die Literatur ist eine Rezeption christlich-afrikanischer Autoren auf der Iberischen Halbinsel im Frühmittelalter belegt: vgl. Alberto, Venancio Fortunato (2002), 251, mit weiterführender Lit.
Erkenntnisgrenzen 115
das vollkommen Gute und das wahre Glück näherzubringen, als ein Labyrinth beschrieben.530 Ferner dient es als sprachliches Bild für das durch den Menschen nicht zu durchschauende Mysterium Gottes: Folgt man Hieronymus, so stellt die Heilige Schrift ein Labyrinth dar, weil es an einem Anhaltspunkt fehle, sich diese zu erschließen.531 Die Muster einiger Buchstabenlabyrinthe evozieren die Technologie gewebter Strukturen, das Zusammenspiel von Kette und Schuss, ohne das hier an einen bewussten Rückgriff auf bestimmte Textilien als Vorlage zu denken wäre.532 Auf diese Weise spiegeln sie den Gedanken einer komplexen textlichen Struktur wider.533 Die diesem Zusammenhang zugrundeliegende etymologische Nähe von Text und Textil wurde bereits von einigen frühmittelalterlichen Autoren wie Venantius Fortunatus oder Milos von St. Amand (* nach 809) bewusst eingesetzt, um die Verknüpfung von Texten, Intexten und bildlichen Formen zu beschreiben. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Analogie von Gittergedicht und Gewebe auch in den nordspanischen Klöstern bekannt war.534 Ein an der textilen Technik des Webens orientiertes Buchstabenlabyrinth findet sich im Codex Aemilianense (Abb. 94).535 Hier sind gelbe Streifen zu einem Gitter verwoben, in dessen Kreuzungspunkte verschiedenfarbige Scheiben eingearbeitet scheinen. Solcher Art Flechtgitter kennzeichnen zwei weitere Buchstabenlabyrinthe in einer Handschrift, die die Vitae Sanctorum enthält (Abb. 101, 102).536 Sie stehen dem Text auf zwei einzelnen Blättern voran, die wohl ursprünglich Bestandteil einer anderen Handschrift waren. Während eines der beiden Buchstabenlabyrinthe auf folio 3 recto als rautenförmiges dunkelgrün-braun-gelbes Gitter angelegt ist, dessen gelbe Flechtbänder an den Rändern in großen Schlaufen enden, sind
530 Ludisne, inquam, me inextricabilem labyrinthum rationibus texens, quae nunc quidem, qua egrediaris, introeas, nunc vero, quo introieris, egrediare, ad mirabilem quendam divinae simplicitatis orbem complicas? Boethius, De consolatione philosophiae, Lib. III. Ed. Neitzke (1997), 190. – Zu den mittelalterlichen Handschriftenzeugen, die eine entsprechende Labyrinth-Illustration an dieser Stelle enthalten: vgl. Kern, Labyrinthe (1999), 176–177. 531 Siehe Hieronymus in seinem Ezechiel Kommentar (Commentariorum in Hiezechielem libri XIV), Liber 14, 562 (= PL 25, col. 0448D), worauf Lemoine, Labyrinthe (1999), 80–81, hingewiesen hat. Aufgegriffen wurde Hieronymus’ Gedanke durch den Regularkanoniker Petrus Riga († 1209) in Bezug zum Hohelied IV,15: Est Libanus ‚candor‘, signans baptismatis undam, / Que niueam faciunt animam sine crimine mundam. / Impetus hos latices agitat, quia gratia Sacri / Pneumatis accipitur in sancti fonte lauacri, /Per quam scripturas pia mens intelligit intus, / Scriptureque sacre foris apparet laberintus. Petrus Riga, Cantica Canticorum, 631–636. 532 Dies ließe sich ohnehin kaum nachweisen, da die erhaltenen Stoffe des 10. Jh., insbesondere Seiden, aus den Werkstätten der muslimisch dominierten Gebiete der Iberischen Halbinsel stammen: vgl. Lewis May, Silk (1957). In der westgotischen Liturgie kamen Textilien vielfach zum Einsatz: vgl. Gómez-Moreno, Iglesias (1919), 332–334; Rodriguez G. Ceballos, Liturgia (1965), 319–320. 533 Darstellungen vernetzter Ornamente als Metapher der Textproduktion bespricht Erika Greber bezogen auf slawische Handschriften: Greber, Textile Texte (2002). 534 Darauf hat Ulrich Ernst hingewiesen: Ernst, Carmen figuratum (1991), insbes. 59–61. Zur Gewebemetapher in Bezug auf hagiographische Texte vgl.: Röckelein, Text (2006), 77–110. 535 Codex Aemilianense, fol. 18r (hier: Kat. I.5). 536 Vitae Sanctorum, fol. 3r, mit dem Eintrag BELASCONIS AEPISCOPI LIBRVM; fol. 1r mit dem Eintrag IULIANI ABBATIS LIBRVM (hier: Kat. II.7).
116 Der Codex als Labyrinth
im anderen auf folio 1 recto horizontale und vertikale Streifen erneut wie Kette und Schuss zu einem rechteckigen Gittergewebe zusammengefügt.537 Weniger das Verflechten bildlicher Strukturen als Metapher des Textens als vielmehr der Übergang zwischen Schrift und Ornament dominiert das Buchstabenlabyrinth des SaintSever-Beatus.538 Es handelt sich dabei um die erste nicht im Norden Spaniens entstandene Beatus-Handschrift. Sie wurde zwischen 1060 und 1072 im Benediktinerkloster Saint-Sever in der Gascogne (heute Département Landes) fertiggestellt. Von Interesse ist hier nicht das Labyrinth selbst, welches ein rein aus Buchstaben gebildetes, auf die Spitze gestelltes Quadrat darstellt, sondern sein raumgreifender, reich ornamentierter Rahmen: Innerhalb eines stilisierten Flechtwerks, das von Tieren bewohnt ist und den äußeren Ring des Labyrinths veranschaulicht, sind ein rautenförmiger und ein rechteckiger Rahmen, die wiederum aus verschiedenen Bordüren bestehen, miteinander verschränkt (Abb. 121). Auffallend ist nun, dass diese mit Zeichen ausgestattet sind, die an arabische Schrift erinnern. Während der rechteckige Rahmen abstrahierte Kufi-Schrift enthält, charakterisiert den rautenförmigen Rahmen eine Bordüre mit arabischer Pseudo-Schrift. Dieses vielfarbige und mehrgliedrige Rahmenwerk, welches die Seite mehr zu dominieren scheint als das einfarbige Buchstabenlabyrinth im vergleichsweise kleinen Format, dreht auf diese Weise das Verhältnis von Zentrum und Peripherie um. Das Thema der Verrätselung von Text und damit dessen Lesbarkeit wird so in den Rahmen verlagert, dass die Grenzen zwischen Schrift und Ornament verschwimmen. Diese Rahmengestaltung lässt denkbar erscheinen, dass in der Gascogne, anders als in den christlich dominierten Gebieten der Iberischen Halbinsel, der arabischen Schrift ein ästhetischer Wert zugesprochen wurde.539 Dagegen erfüllte sie in den nordspanischen Handschriften eher eine pragmatische Funktion. So wird aus der Distanz zur muslimisch dominierten Iberischen Halbinsel eine eigene Perspektive auf die Schriftkultur der islamischen Welt entwickelt, in deren Folge arabische Schriftzeichen an auratischer Qualität gewinnen. Anders als in der Gascogne findet in den Buchlabyrinthen nordspanischer Handschriften weniger eine Auseinandersetzung um Schrift als vielmehr um den Buchstaben, um den Text und damit um das ganze Buch statt. Der Gedanke seiner komplexen, nur begrenzt zu erfas537 Der breite Rahmen des Buchstabenlabyrinths im Antiphonar in León, fol. 4r (hier: Kat. II.3, Abb. 25), ist durch miteinander verwobene und vernetzte Ornamente gekennzeichnet. Auf einem blaugrundigen rechteckigen Feld ist der Eintrag (LIBRVM IKILANI AB[BAT]I) so angeordnet, dass das abgekürzte Wort ABBATI den Schnittpunkt eines aus dem Namen des Abtes gebildeten Kreuzes darstellt. Das Wort LIBRVM ist wiederum so zwischen die Schenkel des Kreuzes platziert, dass es die Kreuzform zu einem rechteckigen Rahmen verschließt. Das Exlibris ist nun umschlossen durch einen Rahmen, der aus ineinander verschlungenen Bändern besteht. In diese sind Kreise eingewoben, in denen blaue Flechtbänder Swastika-Motive ausbilden. 538 Zum Saint-Sever-Beatus: vgl. Kat. I.3. 539 Daher lassen sich eher Gemeinsamkeiten mit den Manuskriptkulturen des zentralen Westeuropas feststellen. Eine ästhetische Auseinandersetzung mit arabischen Schriftzeichen wird hier jedoch erst später greifbar. Vgl. das Evangeliar aus St. Ägidien in Braunschweig, 3. V. d. 12. Jh. (Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, MA 55), in dem für die Darstellung auf fol 92r ein byzantinischer Seidenstoff evoziert wird, über den eine Zierleiste mit pseudo-kufischer Schrift gelegt ist. Ausst: Heinrich der Löwe (1995), Bd. 1, Nr. F 31, 389–390; Klössel, Buchmalerei (1995), 452–456; Wittekind, Geschichte (2009), Kat. 30, Abb. S. 233.
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senden Materie wird hierin auch im Akt der Rezeption selbst erfahrbar gemacht, und zwar dort, wo, wie in der Rechtshandschrift aus San Millán de la Cogolla, dem Codex Aemilianense, mehrere Buchstabenlabyrinthe aufeinanderfolgen.540 Diese Serie wird erst aus ihrer Anordnung und Einbettung in den Handschriftenzusammenhang verständlich. Jedes der aufwendig gerahmten Labyrinthe im Codex Aemilianense weist ein anderes aus polychromen Ornamentmotiven gebildetes Muster auf: Auf folio 17 recto besteht das Gitter aus sich abwechselnd blauen, braunen sowie gelben sechseckigen Ornamenten (Abb. 92). Das daraus entstandene Muster hat seinen Schwerpunkt in der Mitte des Labyrinthes, wo gelbe Sechsecke dominieren und ein bis an den Rahmen stoßendes Kreuz vorgeben. Auf folio 17 verso stellen alternierende Viererschlaufen und gerahmte Kästchen das Muster (Abb. 93). Im Vergleich zum vorangehenden Labyrinth fehlt hier eine klare achsensymmetrische Gliederung. Mehrere gelbe Viererschlaufen bilden in der Vertikalen zwei Achsen, die leicht nach rechts verschoben die zentrifugale Wirkung des Musters betonen. Der asymmetrische Aufbau wird in der Gestaltung des gegenüberliegenden Labyrinths auf folio 18 recto wieder aufgenommen (Abb. 94). Ihr liegt ein farblich ebenfalls unregelmäßiges Flechtwerk aus gelben Bändern zugrunde, in dessen Knotenpunkte unterschiedlich farbige Scheiben eingearbeitet sind. Auch hier liegt das Schwergewicht der Vielfarbigkeit auf der rechten Hälfte des Labyrinths, in der blaue und stahlblaue Scheiben zusätzlich mit roten alternieren. Diese Achsenverschiebung von der Mitte in die rechte Hälfte des Musters unterstützt den Eindruck einer Erweiterung des Bildraumes in einen unbestimmten Raum jenseits des Rahmens. Im nachfolgenden Buchstabenlabyrinth auf folio 18 verso wird nun das Muster des ersten Kubus wieder aufgegriffen, jedoch durch weitere Binnenstrukturen ergänzt und verkompliziert (Abb. 95). Alle vier Buchstabenlabyrinthe fordern den Rezipienten dazu heraus, sich immer wieder auf ein neues Muster einzulassen und in diesem den Einstieg in den verschlüsselten Text zu finden. Daher bleibt zu vermuten, dass die Kuben in Entsprechung zur Rhetorik des Prologs auch dazu dienten, die Aufmerksamkeit des Betrachters durch ihre überraschende Vielgestaltigkeit zu steigern.541 Darauf zielt gleichfalls das diese Labyrinth-Serie beschließende ganzseitige Flechtmuster auf folio 19 recto: Im Gegensatz zur geometrischen Regelmäßigkeit der vorangehenden Labyrinthe besticht das Muster durch ein einzigartiges, ungeordnetes Flechtwerk aus gelben, immer wieder ineinanderverschlungenen Bändern (Abb. 96).542 Die Zwischenräume sind entweder pergamentfarben belassen oder mit grüner Farbe ausgefüllt. An einigen Stellen treten verschieden große, in das Netz der gelben Schlaufen eingehängte goldfarbene Kreuze hervor. Wenn zuvor jedes der Buchstabenlabyrinthe die Idee einer zumindest teilweise zu erfassenden Ordnung vermittelte, so ist diese nun zugunsten eines unregelmäßigen, unproportionierten, durchaus komplexen und nicht leicht zu entwirrenden Geflechts aufgegeben, welches sich darüber hinaus einer labyrinthischen Zugänglichkeit komplett zu 540 Dies ist ebenso im Codex Albeldense (fol. 19r, 19v) der Fall, der zwei Buchstabenlabyrinthe enthält. 541 Vgl. Dalarun, Épilogue (2000), 655, der dem mittelalterlichen Prolog eine „dialectique du prévisible et de l‘imprévu“ zuschreibt. 542 Die Gestaltung erinnert an das scheinbar undurchdringliche Flechtwerk auf einer Bursa im Domschatz von Chur, die in die zweite H. d. 8. Jh. datiert wird. Steine sind hier in die Zwischenräume des in vergoldete Kupferplatten getriebenen Flechtwerks gesetzt. Ausst.-Kat. Unterwegs (2014), 26, Abb. 18.
118 Der Codex als Labyrinth
verschließen scheint. Und selbst wenn hierin der Eintrag von Buchstaben geplant gewesen wäre, die Binnenstruktur des Musters hätte die Suche nach einem sinnvollen Eintrag erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Dieser Moduswechsel wird gleichfalls durch die Rahmengestaltung angedeutet, indem statt Flechtknoten nun vegetabile Ranken die ornamentale Gestaltung begrenzen. Die gesteigerte Verschlossenheit, die die Gestaltung auf folio 19 recto kennzeichnet, erscheint als Abschluss einer Serie von Buchstabenlabyrinthen und in Bezug auf den nachfolgenden Rechtstext von Bedeutung. Sie spitzt auf visueller Ebene die Frage nach der begrenzt zu erfassenden göttlichen Wissensordnung noch weiter zu und verbindet diese mit dem Rechtstext, der zugleich eine sakrale Aufwertung erfährt – ein Gedanke, der auf der Rückseite des Blattes (fol. 19v), nun in der figurativen Darstellung des göttlich inspirierten lebendigen Buchs, wieder aufgegriffen wird. Der hier beginnende erste Dialog der Excerpta Canonum zwischen dem Codex und einer Schülerfigur stellt sich als eine Fortschreibung des Themas um Wissenserwerb und Erkenntnisgewinn dar.543 Es liegt daher nahe, die Anordnung der diesem Kapitel vorausgehenden Zierseiten als eine Choreographie zu deuten, die in abstrakt-bildlicher Form den Rezipienten an die Grenzen des Textverständnisses erinnert und ihn auf diese Weise mental auf die Mühsal der Erkenntnisgewinnung einstimmt. Wobei nicht nur der Codex Aemilianense, sondern jeder andere Codex auch als Weg, genauer Labyrinth göttlicher Wissensordnung zu begreifen ist, durch den die Annäherung an Gott möglich ist. Die Buchstabenlabyrinthe dienen folglich nicht nur der Memoria der Buchstiftung, sondern sie tragen auch zum Verständnis des Buchganzen bei, das dem Rezipient als ein Labyrinth des Wissens vor Augen tritt. Es geht also nicht so sehr um die Semantik von Schrift, die möglicherweise in einem gezeichneten Einweglabyrinth ein geeigneteres Medium gefunden hätte als in den bildhaften Kuben, sondern um die Rolle des Codex. Es erscheint mir hier nochmals wichtig hervorzuheben, dass für den Untersuchungszeitraum keine Prachteinbände, wie wir sie aus anderen Manuskriptkulturen des mittelalterlichen Zentraleuropas kennen, überliefert sind, deren Bildprogramme die metaphorische Bedeutung des Codex reflektieren würden. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, dass gerade solche Überlegungen in den nordspanischen Handschriften in die Bildlichkeit der ersten und letzten Seiten verlegt sind und etwa in den Buchstabenlabyrinthen verhandelt werden. Keinesfalls jedoch beschränkt sich deren Aufgabe auf eine Kompensation nicht vorhandener Prachteinbände, wie der nachfolgende Blick auf das Zusammenspiel erster und letzter Seiten zeigt, gerade weil diese einen Raum zwischen innen und außen markieren.
543 Vgl. Kap. II.1.
V. Der Codex und seine mehrfache Rahmung
V.1 Der Weg in den Codex Seit den Kirchenvätern und bis in das späte Mittelalter lässt sich die Vorstellung greifen, dass sich der Leser durch den Codex einem Raum gleich bewegt. In Anlehnung an Eusebius beschreibt Hieronymus in seiner Vorrede zu den Evangelien Letztere als einen schrittweise zu durchschreitenden Raum.544 In einer Bibelhandschrift des 14. Jahrhunderts wird der Leser im Kolophon darauf hingewiesen, dass die erste Seite des Codex mit einem Atrium zu vergleichen sei.545 Von diesem aus könne man durch verschiedene Türen, die jeweils unterschiedlich mit revelatio, auctoritas, invocatio, continentia überschrieben seien, treten, und würde dann, wenn man schließlich die vierte durchschritten habe, auf weitere Türen stoßen. Die Darstellung von architektonischen Elementen, etwa Arkaden, eingangs einer Handschrift nehmen diesen Gedanken auf.546 Die bisher besprochenen unterschiedlichen Typen einer visuellen Rahmung kodifizierter Texte in nordspanischen Handschriften spiegeln diese Vorstellung gleichfalls wider. Sie zeichnen den Codex als einen heiligen Bezirk aus, in dem Gott als gegenwärtig zu denken ist. Sie erzeugen Übergänge, eröffnen Sinnräume und lassen 544 Vgl. den Brief des Eusebius von Caesarea an Karpanios, in dem er das System der Kanontafeln beschreibt. Der Text geht den Kanontafeln in den mittelalterlichen Evangeliaren voraus. Die Art und Weise, wie Eusebius den Gebrauch der Tafeln schildert, spiegelt Vorstellungen vom Buch als Raum wider. Dazu Reudenbach, Codex (2009), 64. De Bruyne, Péfaces (1920), 157: Etenim per singula loca euangeliorum quidam numerus uidetur adpositus paulatim incipiens a primo deinde secundo, postremo tertio et per ordinem librorum ad finem usque progrediens. 545 Biblia sacra, 14. Jh., Escorial, Cod. A.III.10 (Vorsatzblatt): Initio autem ex hibetur schema multiplici constans circulo spherae armillas in morem, in quo libri omnes veteris ac novi testamenti loculis sive areolis suis attributi conspiciuntur, quod nec vacat describere, neque id fortassis exequi operae pretium fuerit. Ego certe quid illud tandem sibi velit nullus assequor. In prima autem codicis pagina quatuor portae rudi opere adumbratae sunt et super eas titulus: Memento frater ut scias in atrium sacrae scripturae per has portas ingredi sunt scriptum est in psalmis. Portae autem his nominibus inscriptae sunt: 1ª revelatio; 2ª auctoritas; 3ª invocatio; 4ª continentia; et pergit per quaterna item septa quator portarum ad sacram scripturam editus explicare. Zit. nach Antolín, Catálogo (1910–1923), Bd. I, 84. 546 Dazu Reudenbach, Codex (2009). Vgl. die Eröffnungsminiaturen im Benediktionale des Bischofs Æthelwold, hier: Abb. 151 sowie Anm. 386.
120 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
die Inhalte des Codex als einen labyrinthisch aufgewundenen Weg erscheinen. Im Unterschied zu den eingangs zitierten Textpassagen, in denen die Lektüre als Weg durch die Heilige Schrift beschrieben ist, sind die ganzseitigen Alpha- und Omegabuchstaben, die Kreuzdarstellungen und die Buchstabenlabyrinthe nicht allein Ausstattungsmerkmale der Bibel oder jener für die Liturgie relevanten Handschriften. Genau genommen trifft dies nur auf einen kleineren Teil der hier untersuchten nordspanischen Handschriften zu.547 Stattdessen sind es ganz unterschiedliche Textgattungen, die visuell aufwendig eingeführt und manchmal auch abgeschlossen werden: Heiligenviten, Rechtstexte, Isidors Etymologien und vor allem Kommentare zu Büchern der Bibel. Dies ist verschieden von anderen frühmittelalterlichen Manuskriptkulturen: Denn dort ist festzustellen, dass das Hauptaugenmerk einer visuellen Eröffnung, sei es des Codex oder, um bei Isidors Codex-Begriff zu bleiben, seiner einzelnen libri, zuvorderst auf den biblischen Büchern sowie ferner jenen in der Liturgie verwendeten Texten lag. In der Buchmalerei des frühmittelalterlichen Irland sowie England sind es insbesondere die Evangeliare, denen eine besondere gestalterische Aufmerksamkeit zuteilwurde. Prominentes Beispiel dafür ist das sogenannte Book of Durrow aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts. Ornamental aufwendig gestaltete Seiten markieren hierin sowohl den gesamten Textkörper als auch die einzelnen Bücher des Neuen Testaments.548 Auch die in den zentralen Gebieten des karolingischen Reiches entstandenen Evangeliare zeichnet eine Betonung einzelner Bücher verbunden mit einer buchmalerischen Markierung am Beginn des Codex aus.549 So stehen in einer in das frühe 9. Jahrhundert datierten Handschrift von Saint-Médard aus Soissons dem jeweiligen Evangeliar das Bildnis des Evangelisten und eine Initialzierseite voran,550 während das Manuskript insgesamt durch die Darstellung der Anbetung des Lammes (fol. 1v) und des Lebensbrunnens (fol. 6v) eröffnet wird.551 Dabei wird in der Darstellung der Anbetung des Lammes bereits auf die vier nachfolgenden 547 Bibel aus Albares (hier: Kat. I.9); Bibel aus Valeránica (hier: Kat. I.15); Antiphonar in León (hier: Kat. II.3); Liber Commicus aus San Millán de la Cogolla (hier: Kat. I.6); Codex Smaragdus (hier: Kat. I.14). 548 Vgl. Anm. 13. Die Ausstattung umfasst ornamental gestaltete Seiten, die am Beginn und Ende des Codex platziert sind (fol. 3v, 248r). In ihnen sind verschiedenste Formen von Kreuzen eingearbeitet (fol. 1v, 2r). Ferner werden die jeweiligen Evangelien durch die ganzseitige Darstellung des Evangelistensymbols (fol. 21v, 84v, 124v, 191v), eine ornamental gestaltete Seite (fol. 85v, 125v, 192v) sowie eine Incipitseite (fol. 86r, 126r, 193r) eingeleitet: vgl. Meehan, Book of Durrow (1996), Abb. S. 18, 34, 42, 48, 49, 56, 58, 59, 62, 64, 65, 79. 549 Vgl. Brenk, Schriftlichkeit (1994), insbes. zu den Evangelistenbildnissen und den Initialzierseiten. 550 Anders im Schatzkammer-Evangeliar, Anf. 9. Jh. (Aachen, Domkapitel, Inv.-Nr. 4, fol. 14v), in dem alle vier Evangelistenbildnisse gebündelt den Evangelien vorausgehen: Ausst.-Kat. 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit (1999), Bd. II, 706–710, Kat. X.12, Abb. S. 708. 551 Paris, BnF, Ms. lat. 8850, fol. 17v, 18r für Mt, fol. 81v, 82r für Mk, fol. 123v, 124r für Lk, fol. 180v, 181r für Joh. Abb. in Ausst.-Kat. Trésors carolingiens (2007), 97, 98. In den die Evangelisten umgebenden Rahmengestaltungen haben Passionsszenen in Miniaturformat Platz gefunden. – In einigen im Umkreis des karolingischen Hofes entstandenen Evangeliaren kommt am Anfang des Codex das Bildnis des Herrschers hinzu: Lothar-Evangeliar, 849–851 (Paris, BnF, Ms. lat. 266, fol. 1v: Kaiser Lothar): Mütherich und Gaehde, Karolingische Buchmalerei (1976), Abb. 25; Codex Aureus aus St. Emmeram/ Evangeliar Karls des Kahlen in Regensburg, 870 (Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 14000, fol. 5v: Kaiser Karl d. Kahle): Mütherich und Gaehde, Karolingische Buchmalerei (1976), Abb. 37.
Der Weg in den Codex 121
Evangelien verwiesen, indem die vier Wesen vor einer Art Gebälk, welches von vier Säulen getragen wird, zu schweben scheinen. Ein sich davon unterscheidendes Ausstattungskonzept spiegeln die Evangelistare wider, in denen den Evangelien insgesamt die vier Evangelistenbildnisse sowie häufig die Darstellung des thronenden und segnenden Christus vorangestellt sind, wie im Falle des zwischen 781 und 783 entstandenen Godescalc-Evangelistars.552 Neben den Evangelien und Evangelistaren erfahren auch die Bibel-Handschriften eine auf den Anfang des Codex oder der einzelnen biblischen Bücher zielende gestalterische Auszeichnung. Als Beispiel dafür sei die für Karl den Kahlen geschaffene, sogenannte ViviansBibel von 845/846 angeführt. So sind die Vorreden des Hl. Hieronymus am Beginn der Handschrift Szenen aus dessen Vita, angeordnet zu drei Registern, vorangestellt.553 Ferner sind als wesentlich erachtete Bücher des Alten und Neuen Testaments jeweils durch Bildnarrationen eingeleitet.554 Auch in dem unter ottonischer und salischer Herrschaft stehenden ostfränkischen Reich sind es vor allem die Evangeliare, die sich durch illuminierte Eröffnungsseiten auszeichnen. Neben den schon genannten Bildtypen wie den Evangelistenbildnissen oder der Darstellung der Maiestas Domini lag das Augenmerk auf der Gestaltung der Schrift, was in mehreren Schriftzierseiten zum Ausdruck kommt. Beispiel dafür ist das eingangs besprochene Evangeliar aus St. Maria ad Gradus, in dem die Eröffnung der einzelnen Evangelien eine Schriftzierseite mit der Kurzvita des jeweiligen Evangelisten, dessen Bildnis, eine Incipit- sowie eine Initialzierseite umfasst (Abb. 153, 154).555 Eingangs vergleichbarer Codices kommt, abgesehen von den Kanontafeln und der alle vier Evangelien verbindenden Maiestas DominiMiniaturen,556 oft noch das Bildnis des Hieronymus (dem die Revision der lateinischen Übersetzung des Neuen Testaments zugeschrieben wird) sowie Widmungsbilder hinzu. Als 552 Paris, BnF, Ms. N.a.l. 1203. Die Evangelistenbildnisse befinden sich auf fol. 1r–2v, die Darstellung Christi auf fol. 3r, hinzu kommt eine Lebensbrunnen-Darstellung auf fol. 3v: Reudenbach, GodescalcEvangelistar (1998), zuletzt Crivello, Denoël und Orth, Godescalc-Evangelistar (2011). – Das sich von den Evangeliaren unterscheidende Ausstattungsmuster liegt im liturgischen Gebrauch der Evangelistare begründet. – Auch im ostfränkischen Reich in ottonischer Herrschaftszeit wurden Evangelistare reich ausgestattet: etwa der zwischen 977 und 993 entstandene Codex Egberti mit Widmungstext und Widmungsbild (fol. 1v, 2r), gefolgt von den Evangelistenbildnissen (fol. 2v–4r): Trier, Stadtbibliothek, Cod. 24. Vgl. Teilfaks.: Codex Egberti (1983), 78–83. 553 Paris, BnF, Ms. 1, fol. 3v: Mütherich und Gaehde, Karolingische Buchmalerei (1976), Abb. 21. 554 Autorenbildnis Davids vor den Psalmen (fol. 215v), Maiestas Domini vor den Evangelien (fol. 329v): Mütherich und Gaehde, Karolingische Buchmalerei (1976), Abb. 22, 23. – Vgl. auch eine Bibel aus Marmoutier bei Tours, ca. 834–843 (Bamberg, Staatsbibliothek, Msc.Bibl.1), in der dem Beginn des Alten Testaments die ganzseitige Bildnarration mit der Genesis (fol. 7v) bzw. dem Neuen Testament die Darstellung einer Maiestas Agni (fol. 339v) vorangestellt ist: Ausst.-Kat. 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit (1999), 815–818, Kat. XI.23, Abb. S. 816, 817; Suckale-Redlefsen, Handschriften (2004), Bd. 1, 29–30, Kat. 19. 555 Eine bildliche Darstellung der Berufung des Matthäus findet sich bereits in einem Evangeliar aus SaintVaast, spätes 9. Jh. (Prag, Kapitulini Knihovna, Cim. 2, fol. 23v): Mütherich und Gaehde, Karolingische Buchmalerei (1976), Abb. 39. 556 Vgl. Maiestas Domini auf fol. 1v des Sainte-Chapelle-Evangeliars, wahrscheinl. 984 (Paris, BnF, Ms. lat. 8851); ferner auf fol. 2v im Codex Aureus von Echternach, ca. 1031 (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Ms. 156142): Mayr-Harting, Book Illumination (1991), 189, Abb. 120, 122.
122 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
Eröffnungsminiaturen fungierende Dedikationsdarstellungen sowie Bildnisse von Autoren und Stiftern waren dagegen nicht auf das Evangeliar beschränkt, sondern in Handschriften verschiedenster Textgattungen schon seit karolingischer Zeit präsent.557 In dieser Quantität und ikonographischen Vielfalt finden sie sich in den nordspanischen Codices nicht. Schließlich sei auf die reich ausgestatteten ottonischen Sakramentare verwiesen, in denen sowohl die Anfänge mit dem Canon missae als auch die Hauptfeste wie Weihnachten und Ostern durch ganzseitige, oftmals nicht-figürliche Illuminationen, hervorgehoben sein können.558 Fragt man also nach der visuellen Rahmung in Handschriften des frühen Mittelalters, so liegt der Schwerpunkt insbesondere auf dem Evangeliar, sodann auf der Bibel, dem Evangelistar und dem Sakramentar.559 Dies ist im Norden Spaniens nicht der Fall: Gerade das Evangeliar spielte bis zur Einführung der römischen Liturgie in den Königreichen Kastilien-Léon und Navarra im Jahre 1080 keine wesentliche Rolle.560 Die Lesungen der Messe aus den prophetischen Büchern, den Episteln und den Evangelien wurden in erster Linie dem Liber Commicus entnommen, der ebenso wenig wie das Antiphonar zu den bevorzugten Handschriftentypen gehörte, die durch illuminierte Eröffnungs- und Schlussseiten charakterisiert sind.561 Und auch die erhal557 Dedikationsbilder sind in verschiedenen Buchtypen belegt: vgl. Prochno, Dedikationsbild (1929); Beuckers, Stifterbild (2001), 63–102. 558 Vgl. etwa ein Sakramentar von der Reichenau, um 978–983 (Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale, B.R. 231), mit ornamentalen Zierseiten am Beginn des Codex (fol. 1v, 2r), ebenso zu Karsamstag (fol. 91v), ferner die Initialzierseiten zum Vere dignum (fol. 3r), zum Te igitur (fol. 4r) und zu anderen Hochfesten: Labusiak, Ruodprechtgruppe (2009), 249–258, Abb. 321–333. – Die im fränkischen Reich unter den Karolingern entstandenen Sakramentare sind im Vergleich dazu weniger reich ausgestattet: Sakramentar aus Metz (Fragment), um 870 (Paris, BnF, Ms. lat. 1141), mit der Darstellung des Hl. Gregor d. Gr., der Maiestas Domini am Beginn des Codex (fol. 3r, 5r), gefolgt von der Te igiturZierinitiale (fol. 6v): Mütherich und Gaehde, Karolingische Buchmalerei (1976), Abb. 32–34. 559 In dieser Hinsicht singulär erscheinen die um 1000 vermutlich im Auftrag Ottos III. kompilierten und illuminierten Bamberger Kommentare, die heute getrennt in einem Jesaja-Kommentar sowie einem Daniel- bzw. Hoheliedkommentar vorliegen. Sie waren wohl ursprünglich zu einem Manuskript zusammengebunden. Den Kommentaren gehen jeweils auf die Gottesvision zugeschnittene Illuminationen, ergänzt um eine Initialzierseite voraus: Bamberg, Staatsbibliothek, Msc.Bibl.22 und 76: Suckale-Redlefsen, Handschriften (2004), Bd. 1, 85–88, 88–90, Kat. 63, 64, Farbabb. 18–23; Winterer, Meditatio (2001), 125; zuletzt Ganz, Medien der Offenbarung (2008), 30. 560 Bezeichnenderweise findet ein Evangeliar im Liber Ordinum nur dort Erwähnung, wo es um das Begräbnis eines Bischofs geht, dem ein evangelium plenarium auf die Brust gelegt wird: LO, XLIII, 142, 6. 561 Vgl. Pinell i Pons, Textos (1965), 110, 111; einen Überblick über die liturgischen Bücher im westgotischen Ritus bietet auch Fernández Catón, Libro litúrgico (1996), 412–420. – Hier lassen sich drei Beispiele anführen: Dazu zählt der 1073 beendete Liber Commicus aus San Millán de la Cogolla (hier: Kat. I.6), der auf fol. 3v eine ganzseitige Kreuzdarstellung zeigt (vgl. Ruiz García, Catálogo [1997], Abb. 10). Zur weiteren Bildausstattung gehört das Opfer Abrahams (fol. 93r) und die Darstellung Christi mit seinen Jüngern (fol 104r), ferner in der Marginalspalte ein Krieger oder Soldat (fol. 68v). Dazu Ruiz García, Catálogo (1997), 177–180. Ferner ist der sogen. Codex Smaragdus aus Kloster Valeránica (hier: Kat. I.14) zu nennen. Der Textsammlung stehen eine Kreuzminiatur auf fol. 2v (hier: Abb. 27) sowie drei Prologe voran, wovon zwei in Kreuzform bzw. in Form eines Doppel-T gestaltet sind (fol. 3v [hier: Abb. 28], 4r). Schließlich ist das Antiphonar in León zu berücksichtigen (hier: Kat.
Der Weg in den Codex 123
tenen Bibelhandschriften bilden nicht den Schwerpunkt, auch wenn etwa die im Jahre 960 fertiggestellte Bibel aus dem Kloster Valeránica ansonsten reich illuminiert ist.562 Statt einleitender Miniaturen zu einzelnen biblischen Büchern, wie sie die karolingische Vivians-Bibel besitzt, wird hier der Text fortlaufend von einem narrativen Zyklus begleitet, der ohne rahmende Auszeichnung vor die Textspalten gerückt oder in diese integriert ist. Eine den Evangelien vergleichbare Hervorhebung einzelner Bücher findet sich hingegen in jener Bibelhandschrift, die im Jahre 920 wahrscheinlich in dem einst südlich von León gelegenen Kloster Albares fertiggestellt wurde.563 Der Codex enthält den zweiten Teil einer Vollbibel. Während dem Evangelium des Johannes ein Adler zugeordnet ist, markieren die übrigen Evangelienberichte eine Engelsfigur, die einem Medaillon einbeschrieben ist.564 Bei Markus und Lukas ist der Kopf des Engels zusätzlich durch das entsprechende Wesen überhöht (Abb. 11). In diesen drei Darstellungen sind an den kreisrunden Rahmen der Engelsfigur vier kleinere, jeweils mit einer Rosette gefüllte Dreiviertelkreise angesetzt, die an mehreren Stellen von stilisierten Fischleibern durchbrochen sind. Kompositorisch erinnert diese Zusammenstellung eines zentralen Medaillons mit darum angeordneten Kreisen an die Darstellung des vom Tetramorph umgebenen thronenden Christus, wie sie sich etwa im westfränkischen Gundohinus-Evangeliar von 754 findet, nur dass dort die vier Wesen in vollständig voneinander getrennten Kreisen Platz gefunden haben.565 Die inhaltliche Breite der kodifizierten Texte, die in den nordspanischen Handschriften durch ganzseitige Illuminationen eröffnet und beschlossen werden, deutet darauf hin, dass es weniger um den Stellenwert eines spezifischen Textes ging. Vielmehr galt es, die Autorität des göttlich inspirierten Codex auszudrücken. Ferner bleibt zu vermuten, dass die oft in Serie auftretenden Eröffnungs- und Schlussminiaturen mit der monastischen lectio und damit dem Durchdringen der als göttlich verstandenen Wissensordnung verbunden sind, die sich in den Rechtskodifizierungen oder den Etymologien des Isidor gleichermaßen artikuliert. Dafür spricht insbesondere, dass die größte Gruppe der Handschriften, die durch illuminierte Eröffnungs- und Schlussminiaturen ausgezeichnet sind, die Heilige Schrift kommentierende Texte, wie etwa Beatus’ Tractatus de Apocalipsin sowie Gregors des Großen‘ Moralia in Iob enthalten. Gerade die Kommentare spiegeln ein intensives Ringen um das richtige Verständnis der Heiligen Schrift wider, wofür der als Prolog seiner Moralia in Iob fungierende Brief Gregors des Großen an Bischof Leander beispielgebend ist. Gregor legt hierin nicht nur ausführlich seine sich an dem dreifachen Schriftsinn orientierenden Analysemethoden dar, um das Mys-
II.3). Den Beginn des Codex kennzeichnen ganzseitige Miniaturen vermischt mit verschiedenen Texten sowie Diagrammen und Tabellen zum Computus. 562 Vgl. die unter Kat. I.15 angegebene Literatur zur Handschriftenausstattung. 563 Bibel aus Albares, vgl. Kat. I.9. 564 Bibel aus Albares, fol. 202r, fol. 209r, fol. 211r, fol. 214r; vgl. Williams, Bible (1999), 181. 565 Autun, Bibliothèque Municipale, Ms. 3, fol. 12v. Zum Evangeliar vgl. Nees, Gundohinus Gospels (1987). Auch in der Bibel aus Kloster Valeránica (fol. 2r) wird auf diese Darstellungstradition zurückgegriffen (hier: Kat. I.15, Abb. 29).
124 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
terium der Heiligen Schrift zu erschließen.566 Auch reflektiert er eindringlich die Mühsal der Revisionsprozesse und legt alle Unsicherheiten und Probleme offen, die das Unterfangen, den göttlichen Text zu erhellen, mit sich bringen.567 Mit dem Bild eines fließenden Gewässers wird die Tätigkeit des Kommentators göttlicher Schriften eindrücklich vor Augen geführt: Die Sprache gleicht einem Fluss, dessen Wasser zuweilen über die Ufer treten und damit die vorbeiziehenden Landschaften berühren, um dann, einer sprachlichen Fokussierung folgend, wieder zielgerichtet zu fließen.568 An anderen Stellen dient ihm der Fluss als Metapher für die Heilige Schrift schlechthin, in dessen Tiefen alle Geheimnisse verborgen sind, die zu heben dem Mensch nur bedingt möglich sein wird.569 Catherine Brown hat anhand der in den nordspanischen Handschriften überlieferten Kolophone gezeigt, wie sehr sich die Kompilatoren mit Gregor bis hin zu den körperlichen Belastungen der Schreibarbeit identifizierten.570 Daher kann mit gutem Grund angenommen werden, dass gerade jene Illuminationen, die in nordspanischen Handschriften den Texten voran- und nachgestellt sind, immer auch im Kontext einer Reflektion über die Möglichkeiten und Grenzen, den in den Texten verborgenen göttlichen Sinn zu erhellen, zu bewerten sind. Die Buchstabenlabyrinthe, insbesondere ihre serielle Anordnung im Codex Aemilianense, könnten in diesem Sinne gedeutet werden. Dass also die verschiedenen Handschriften ein gemeinsames Thema verbindet, drückt sich letztlich auch darin aus, dass die einleitenden und beschließenden Illuminationen immer wiederkehrende Bildtypen wie ganzseitige Kreuzzeichen, Alpha- und Omega-Buchstaben, Buchstabenlabyrinthe oder Maiestas Domini-Darstellungen repräsentieren. Der Bibel aus Valeránica steht etwa auf folio 2 recto eine Maiestas Domini voran, die ebenso den Beginn der im gleichen Kloster kompilierten Moralia in Iob-Handschrift oder auch des überwiegend Rechtstexte enthaltenden und in San Martín de Albelda fertiggestellten Codex Albeldense markiert (Abb. 16, 29, 70).571 Der in der Bibelhandschrift auf die Maiestas Domini folgende 566 Tunc eisdem fratribus etiam cogente te placuit, sicut ipse meministi, ut librum beati Iob exponere importuna me petitione compellerent et, prout ueritas uires infunderet, eis mysteria tantae profunditatis aperirem. Sancti Gregorii Magni Moralia in Iob, Epistola 1, 43–46 (S. 2). 567 Z. B. Vnde mox eisdem coram positis fratribus priora libri sub oculis dici et, quia tempus paulo uacantius repperi, posteriora tractando dictaui, cimque mihi spatia largiora suppeterent, multa augens pauca subtrahens atque ita, ut inuenta sunt, nonnulla drerelinquens ea, quae me loquente excepta sub oculis fuerant, per libros emendando composui, quia et cum postrema dictarem, quo stilo prima duxeram, sollicite attendi. Sancti Gregorii Magni Moralia in Iob, Epistola 2, 73–79 (S. 3). 568 Sacri enmi tractator eloquii morem fluminis debet imitari. Fluuius quippe dum per alueum defluit, si ualles ex latere concausas contingit, in eas protinus sui impetus cursum diuertit, cumque illas suficienter impleuerit, repente sese in alueum refundit. Sic nimirum, sic diuini uerbi esse tractator debet, ut, cum de qualibet re disserit, si fortasse iuxta positam occasionem congruae aedificationis inuenerit, quasi ad uicinam uallem linguae undas intorqueat et, cum subiunctae instructionis campum sufficienter infuderit, ad sermonis prospositi alueum recurrat. Sancti Gregorii Magni Moralia in Iob, Epistola 2, 96–105 (S. 4). 569 Vgl. Spitz, Metaphorik (1972), 123–125, mit den entsprechenden Quellenbelegen. 570 Brown, Bodies and Bookmaking (2011), 276–277. 571 Moralia in Iob aus Valeránica, fol. 2r (hier: Kat. I.15); Codex Albeldense, fol. 16v (hier: Kat. I.4). Als weitere Beispiele seien hier genannt die Schwesternhandschrift des Codex Albeldense, der Codex Aemilianense, fol. 13v (hier: Kat. I.5), sowie der Silos-Beatus, fol. 7v (hier: Kat. I.11).
Der Girona-Beatus – Eröffnung als ‚Übungsfeld‘ 125
Stammbaum Jesu Christi (fol. 5v–10r) ist hingegen wesentlicher Bestandteil illuminierter Apokalypsekommentare.572 Gleichwohl zeichnen sich einzelne Codices durch besondere Ikonographien aus. Auch die Zusammenstellung der Bildtypen im Hintereinander der Seiten ist einzigartig. Eine Ausnahme stellen lediglich die oft auf einer Doppelseite sich gegenüberstehenden Kreuzdarstellungen sowie vielfarbigen Buchstabenlabyrinthe dar. Dieser Befund einer jeweils individuellen Zusammenstellung von Bildtypen aus dem hier skizzierten Kanon ruft die Beobachtungen Jacques Dalaruns zum Wesen mittelalterlicher Prologe in Erinnerung, demzufolge eine Klassifizierung dieser Textgattung kaum möglich sei. Zwar griffen die Prologe auf die gleichen topoi zurück, variierten aber in deren Auswahl und Anordnung.573 Das nachfolgende Kapitel richtet den Blick auf das jeweils individuelle Erscheinungsbild der visuellen Rahmung, insbesondere auf die Zusammenstellung und das Zusammenspiel einleitender Illuminationen. Der Codex Albeldense und der Girona-Beatus zeigen in diesem Sinne ganz unterschiedliche Choreographien, wie ich im Folgenden aufzeigen möchte. Im Mittelpunkt steht daher die Frage, wie die Annäherung an den Text formuliert ist und was sich daraus weitergehend über die Rolle der Bilder für das Verständnis der nachfolgenden Textlektüre und des Codex generell gewinnen lässt. Diese Annäherung an den Text möchte ich als einen Parcours begreifen, weil dieser den Raum erst „eröffnet“ und „ausrichtet“.574 Auf diese Weise wird der Akzent auf die Rezeption gelegt: die Bewegung auf einem Weg, einer Strecke, die durch Stationen und Hindernisse gekennzeichnet sein kann.575 Sowohl der Girona-Beatus als auch der Codex Albeldense bieten sich für diese Fragestellung an, weil mit ihnen ein annähernd ursprünglicher Lagenbefund vorliegt.
V.2 Der Girona-Beatus – Eröffnung als ‚Übungsfeld‘ Eine heute in der Kapitularbibliothek von Girona aufbewahrte illuminierte Handschrift, die den Kommentar Beatus’ de Liébana zur Apokalypse und den Hieronymus’ zum Buch Daniel enthält, zeichnet sich, verglichen mit anderen Beatus-Codices, durch eine Reihe einzigartiger Miniaturen am Beginn des Codex aus.576 Ein Kolophon auf folio 284 recto informiert über die Vollendung der Handschrift am 6. Juli 975, über den Abt Dominicus als Auftraggeber und über En oder Ende sowie Emeterius als Illuminatoren und Schreiber.577 Vielleicht han572 Vgl. den Girona-Beatus, fol. 8v–15v (hier: Kat. II.6), Abb. in Williams, Beatus (1994) Bd. 2, Abb. 268–276. 573 Dalarun, Épilogue (2000), 655. 574 Böhm, Kulturwissenschaft (2009), 198. 575 Parcours, frz. Strecke, Durchgang, Weg, Hindernislauf, oder parcourir, frz. durchlaufen, kreuz und quer laufen, durchsuchen (Le petit Robert, 1357, 2), kommt von percurrere, lat. in Bewegung sein, in Raum und Zeit (Mediae Latinitatis Lexicon Minus, Bd. 2, 1024, 2). 576 Die Handschrift ist bereits 1078 im Archiv der Kathedrale von Girona nachgewiesen: vgl. Marqués Casanovas, Codex (1962), 74. 577 Fol. 284r: D(OMI)NICVS ABBA LIBER FIERI PRECEPIT / EN DEPINTRINX [oder: Ende pintrinx] ET D(E)I AIUTRIX FR(A)T(E)R EMETERIVS ET PR(E)S(BITE)R / INUENI PORTUM
126 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
delt es sich bei En oder Ende um eine Nonne, was die Denomination PINTRIX oder DEPINTRIX sowie DE(I) AIUTRIX nahelegt.578 Mit dem Eintrag SENIOR PRESBITER SCRIPSIT auf folio 283 verso ist ferner ein weiterer Schreibername überliefert. Allgemein wird vermutet, dass die Handschrift in San Salvador de Tábara entstanden ist.579 Begründet wird dies zum einen mit den Schreibernamen: Mönche namens Senior und Emeterius waren unter der Ägide des Magius’ an einer weiteren Beatus-Handschrift beteiligt, deren Entstehung in eben diesem Kloster verortet wird.580 Zum anderen war San Salvador de Tábara ein Doppelkloster, was die Beteiligung einer Nonne an der Herstellung des Girona-Beatus erklären könnte.581 Bisher wurden die illuminierten Seiten am Anfang des Codex sowie jene die Handschrift abschließende Miniatur, die ein ganzseitiges Omega zeigt, kaum nach ihrem formalen, strukturellen und inhaltlichen Zusammenhang und ihrem Bezug zu den Texten – die Kommentare zur Apokalypse und zum Buch Daniel – befragt. Eine Ausnahme bildet Jessica Sponslers Dissertation, deren Arbeit explizit jenen Darstellungen gewidmet ist, die nicht direkt mit der Apokalypse in Verbindung gebracht werden können. Sponsler deutet diese als einen visuellen anti-muslimischen Kommentar der an der Grenze nach Al-Andalus lebenden monastischen Gemeinschaft, für die die Handschrift entstanden sein soll. Darauf werde ich später noch zurückkommen.582 Die Frage nach dem formalen und inhaltlichen Zusammenhalt der ganzseitigen Illuminationen, vor allem am Beginn des Codex, spielt auch in ihrem Beitrag keine vordergründige Rolle.
VOLUMINE VIA F IIA N(O)N(A)S IULIAS. IN IS DIEBUS ERAT FREDENANDO FLAGINIZ A UILLAS / TOLETA CIUITAS AD DEUELLANDO MAURITANIE. DISCURRENTE ERA M(I) LLESIMA XIIIA. Das Datum der Fertigstellung weist eine Unregelmäßigkeit auf, denn der 6. Juli 975 fiel nicht auf die VI Feria, den Freitag, sondern die III Feria, welche ein Dienstag war: dazu Neuss, Apokalypse (1931), 48. 578 Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten: Während Neuss, Apokalypse (1931), 48, ‚Ende‘ als Frauenname liest, plädiert Jaime Marqués Casanovas, indem er dem Abstand zwischen EN und DEPINTRIX Bedeutung beimisst, dagegen für ‚En‘, der ein zu dieser Zeit typischer Männername sei: Marqués Casanovas, Codex (1962), 68. Williams, Beatus (1994), Bd. 2: 51, geht wiederum von einem weiblichen Namen aus und vermutet, dass ENDE eine Nonne war. 579 Zum Skriptorium in Tábara vgl. Regueras Grande und García-Aráez Ferrer, Scriptorium (2001); zur möglichen Herstellung des Girona-Beatus in diesem Kloster: ebd., 159–162. 580 Tábara-Beatus, vgl. Kat. I.7. 581 Regueras Grande und García-Aráez Ferrer, Scriptorium (2001), 29. Darüber hinaus ist die Vorbereitung des Pergaments jenen im Kloster Tábara zugeschriebenen Handschriften ähnlich, wozu neben dem sogen. Tábara-Beatus (hier: Kat. I.7) noch ein weiterer heute in New York aufbewahrter Codex gehört: Der sogen. Morgan-Beatus (hier: Kat. I.8) entstand im Auftrag von San Miguel de Escalada, einem Kloster in der Nähe von León. Ob der Auftraggeber Abt Dominicus jener ist, der auch in Dokumenten aus San Miguel de Escalada auftritt, wie Williams, Beatus (1994), Bd. 2: 27, vermutet, kann bisher nicht verifiziert werden. Allerdings hebt sich der Girona-Beatus stilistisch und kompositorisch von den zuvor genannten Handschriften ab, so Sponsler, Boundaries (2009), 19–20. 582 Sponsler, Boundaries (2009), etwa 156, 157.
Der Girona-Beatus – Eröffnung als ‚Übungsfeld‘ 127
Schema der ersten und letzten Lagen des Girona-Beatus
Der Girona-Beatus ist in einem sehr guten Zustand.583 Allein die erste aus sieben Blättern bestehende Lage ist unregelmäßig. Ein Pergamentstumpf zwischen folio 4 verso und 5 recto deutet darauf hin, dass hier in der Mitte der Lage ein Blatt herausgetrennt wurde, so dass sich nun eine Haar- und eine Fleischseite gegenüberstehen. Dass es sich dabei um das Bildnis eines Evangelisten sowie die Darstellung zweier Engel mit einem Evangelium gehandelt haben muss, ist aus der Serie von Evangelistenbildnissen an dieser Stelle (fol. 4v–7r) zu schließen. Sie ist typisch für die Beatus-Handschriften und müsste eigentlich acht Seiten
583 Die Handschrift besitzt einen modernen Einband, der von 2002 stammt. Ein erstmaliger Wechsel des Einbands ist für das Jahr 1512 nachgewiesen: vgl. Marqués Casanovas, Codex (1962), 76 und Anm. 2.
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umfassen.584 Die sich anschließenden Lagen sowie jene, die den Abschluss des Codex bildet, sind wiederum regelmäßig organisiert.585 Der illuminierte Eröffnungsparcours besteht aus neunzehn illuminierten Seiten. Er umfasst im Überblick eine Kreuzminiatur (fol. 1v), gefolgt von der Darstellung einer Maiestas Domini (fol. 2r), sodann eine doppelseitige Miniatur des Himmels (fol. 3v, 4r), die Bildnisse der Evangelisten mit den Zeugen und den Engeln (fol. 4v–7r), die genealogischen Tafeln, die der Abkunft Jesu Christi gewidmet sind (fol. 8v–15r), ferner einen christologischen Zyklus (fol. 15r–18r), die Darstellung eines Kampfes zwischen einem Pfau und einer Schlange (fol. 18v) sowie schließlich ein ganzseitiges Alpha (fol. 19r). Den Abschluss der Handschrift bildet ein ebenfalls ganzseitiger Omega-Zierbuchstabe (fol. 284r). Typisch für die Ausstattung illuminierter Beatus-Handschriften sind die Serie der Evangelistenbildnisse mit den Zeugen und Engeln sowie die genealogischen Tafeln. Ganzseitige Kreuzminiaturen, Darstellungen der Maiestas Domini, der Alpha- und Omegabuchstaben, ferner des Kampfes zwischen einem Vogel und einer Schlange finden sich hingegen auch in anderen Buchgattungen der Zeit wieder.586 Geht man von dem heutigen Überlieferungszustand aus, dann sind mit der Handschrift aus Girona diese Bildthemen für die illuminierten Beatus-Apokalypsekommentare implementiert worden, in denen sie nachfolgend öfter auftreten.587 Gänzlich ungewöhnlich ist die Darstellung des Himmels auf folio 3 verso sowie folio 4 recto. Und auch der sieben Seiten umfassende christologische Zyklus ist für einen Beatus-Codex einzigartig. Bereits der Aufbau der Lagen, insbesondere der Lagengrenzen, betont eine inhaltliche Strukturierung des Vorspanns, der aus thematisch unterschiedlichen Illuminationen besteht. So endet die zweite Lage mit den Darstellungen der Evangelisten (fol. 7r), während die neue mit den genealogischen Tafeln (fol. 8v) einsetzt. Dagegen wurde im Hinblick auf den christologischen Zyklus (fol. 15r–18r), der auf dem letzten Blatt der zweiten Lage beginnt, keine Rücksicht auf die Lagengrenze genommen. Dies deutet Jessica Sponslers dergestalt, dass
584 Irritierend ist, dass das letzte Evangelistenbildnis (fol. 6v) eigentlich Johannes darstellen müsste. Diesem ist jedoch im darüberliegenden Bogenfeld der den Evangelisten rahmenden Architektur nicht ein Adler, sondern eine geflügelte männliche Figur mit Buch als Attribut zugeordnet. 585 Die zweite Lage ist ein regelmäßiges Quaternio (fol. 8–15). Die dritte Lage bildet, wie die allerletzte der Handschrift, ein regelmäßiges Binio (fol. 16–19; 281–284). 586 Prägend für diese Bildthemen sind die Codices, die der Mönch Florentius für das Kloster Valeránica herstellte: Maiestas Domini, Alpha und Omega sind Bestandteil der Moralia in Iob-Handschrift, fol. 1v, 2r und 501r. Auf fol. 3v findet sich ebendort auch die ganzseitige Miniatur eines Pfaus; der Kampf zwischen Vogel und Schlange ist hier allerdings nicht dargestellt. Die von Florentius und Sanctius kompilierte und illuminierte Bibel wird durch die ganzseitige Darstellung eines Omegas abgeschlossen. Die erste Lage dieser Handschrift ist nicht mehr vollständig (Suárez González, Codice [1999], 90). Möglich ist, dass sich hier ursprünglich die Darstellung eines Alphas befunden hat. 587 Der Kampf zwischen Schlange und Vogel findet sich ferner im Saint-Sever-Beatus, fol. 13r (hier: Kat. I.3) und in einer Beatus-Handschrift von 1175 unklarer Provenienz (Manchester, John Rylands University Library, Ms. lat. 8, fol. 14r): Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 385, Bd. 5, Abb. 31. Zu den Alpha- und Omegazierbuchstaben und ihrer Verbreitung in den nordspanischen Handschriften vgl. Kap. II.2.
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damit eine inhaltliche Brücke zwischen den genealogischen Tafeln einerseits und dem Apokalypsekommentar andererseits geschlagen werden solle.588 Bemerkenswert ist die fast verschwenderische Vielzahl an leeren Seiten, die schwerlich nur auf Probleme in der Herstellung zurückgeführt werden können. Um die Darstellungen des Kreuzes und der Maiestas Domini (fol. 1v, 2r) sowie des Himmels (fol. 3v, 4r) auf jenen für den Farbauftrag höherwertigen Pergamentfleischseiten zu platzieren, könnte man also leere Seiten in Kauf genommen haben. Jedoch spricht einiges dafür, dass die leeren Seiten bewusst dafür eingesetzt wurden, um den Eröffnungsparcours als eine binnenstrukturierte Einheit erkennbar zu machen. Auf diese Weise werden inhaltlich motivierte Brücken, aber auch Zäsuren zwischen den Illuminationen, etwa dem Übergang zwischen der Serie der Evangelistenbildnisse (fol. 4v–7r) am Ende der ersten Lage und den genealogischen Tafeln (fol. 8v–15r) zu Beginn der zweiten Lage, erkennbar. Als eine inhaltlich motivierte Zäsur muss auch der Übergang zwischen den illuminierten Eröffnungsseiten und dem ersten Text des Apokalypsekommentars gedeutet werden. So fällt auf, dass das ganzseitige Alpha auf folio 19 recto, welches im Unterschied zu den übrigen Eröffnungsilluminationen inhaltlich stets dem Text zugeschlagen wurde,589 sich stattdessen der vorausgehenden Illumination, dem Vogel-Schlangen-Kampf auf folio 18 verso, zuwendet. Folglich ist die Lagengrenze zwischen dem bebilderten Eröffnungsparcours und dem Prolog als eine weitestgehend ungestaltete Doppelseite gegeben. Während auf folio 19 verso die Legende des Vogel-Schlangen-Kampfes platziert ist, blieb die gegenüberliegende Seite leer. Beispielhaft zeigt sich hier, was etwa auch für die Kreuzminiatur (fol. 1v) und die Darstellung der Maiestas Domini (fol. 2r) gilt: Die leeren Seiten heben die Doppelseite als ein Strukturprinzip des illuminierten Vorspanns im Girona-Beatus hervor. Nachfolgend möchte ich dieser Binnenstrukturierung folgen und danach fragen, inwiefern diese inhaltlich motiviert ist, welche Rolle sie für die Vorstellung und das Verständnis der Texte spielt und was sich daraus für den Status der einleitenden Darstellungen ableiten lässt.
Der Anfang als ‚Illumination‘ Eine ganzseitige Kreuzminiatur sowie die Darstellung Christi in der Mandorla stellen das erste Paar sich gegenüberliegender und inhaltlich aufeinander beziehender Illuminationen des Girona-Beatus dar (Abb. 43, 44). Im Vergleich zu anderen Kreuzdarstellungen in nordspanischen Handschriften des 10. Jahrhunderts ist diese in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich: Das von der Hoc signo-Inschrift begleitete Kreuz, welches vom Lamm Gottes getragen wird, ist sowohl durch Lanze und Schwamm als auch durch zwei der vier apokalyp588 „The Christological cycle is a crucial bridge from the prefatory images in the preceding folios to the illustrated Commentary text itself. Leading directly from the genealogical tables, the images of Christ’s life prepare the manuscript’s audience for the text of the Commentary.“ Sponsler, Boundaries (2011), 107. 589 García-Tejedor, Analysis (2004), 72, 75, behandelt die Darstellung im Kontext der Illuminationen zum Apokalypsekommentar, in dem sie seiner Meinung nach dessen Start markiert.
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tischen Wesen ergänzt. Während auf der linken Seite der Kopf des Adlers als Symbol des Evangelisten Johannes zu deuten und mit IOANES auch inschriftlich identifiziert ist, müsste die gegenüber erscheinende Inschrift LVCAS durch einen Stier ergänzt sein. Stattdessen ist hier der Markus-Löwe dargestellt.590 Der durch die Arma Christi betonte Bezug zur Passion Christi ist für die Kreuzminiaturen in den nordspanischen Handschriften untypisch. Er erklärt sich aus der Tatsache, dass den Kommentartexten im Girona-Beatus ein einmaliger christologischer Zyklus vorausgeht. Auch durch den ungewöhnlichen dunkelblauen Hintergrund, vor dem das Kreuz erscheint, wird der Zusammenhang augenfällig. Denn auch die Kreuzigung Christi als Bestandteil der Narration um Geburt, Passion und Auferstehung wird durch eben diese Hintergrundfarbe dominiert.591 Im Kontext der Kreuzigung ist die dunkelblaue Farbe als Verdunkelung des Himmels im Moment des Todes zu deuten, wie sie in den verschiedenen Evangelien beschrieben wird (Mt 27,45; Mk 15,33; Lk 23,44; Joh 19,28). Dies bestätigen jene Inschriften, die seitlich des Gekreuzigten die dort wiedergegebenen Personifikationen von Sonne und Mond begleiten. In ihnen wird von der Verdunklung der Sonne sowie der Unfähigkeit des Mondes, Licht zu spenden, gesprochen.592 Die Dunkelheit in der Darstellung des Kreuzes zu Beginn des Codex, welches durch seine durchgehend goldene Farbe als Lichtzeichen inszeniert ist, lässt sich hingegen mit der Beschreibung der Parusie durch den Evangelisten Matthäus in Verbindung bringen. Denn bei Matthäus tritt das leuchtende Himmelszeichen, welches dem Weltenrichter vorausgeht, in der Dunkelheit (Mt 24,29–30) hervor.593 In diesem Sinne ist auch die dunkelblaue Farbe zu deuten, vor der sich im Binnenkörper des Alpha auf folio 19 recto Christus als Kosmokrator abhebt und die dergestalt einen eigenen Bildraum erschafft.594 Den Charakter einer Himmelserscheinung in der ersten Illumination des Girona-Beatus unterstreichen schließlich die goldenen Sterne in der oberen Rahmenleiste und die zum Kreuz hinaufschauenden Wesen deutlich. Dieser Aufblick von der irdischen in die himmlische Sphäre erklärt womöglich die ungewöhnliche halbkreisförmige Ausbuchtung, die die Rahmung der Darstellung an ihrem unteren Rand kennzeichnet. Entsprechend sind hier gleichsam als Pendant zu den Sternen in der oberen Rahmenleiste stilisierte Pflanzen dargestellt. Durch die Wahl der Farbe Blau werden demnach Passion und Eschatologie aufeinander bezogen. Der Ankündigung des Weltenrichters mittels eines Lichtzeichens wird auf der gegenüberliegenden Seite durch die Erscheinung desselbigen auf seinem Thron entsprochen (Abb. 44). 590 Die Inschriften, insbesondere in der oberen Bildhälfte, sind kaum noch lesbar. Einige erscheinen zudem leicht versetzt in zweifacher Ausführung. Daher ist anzunehmen, dass Inschriften bereits eingetragen worden waren, bevor man sich dazu entschied, den Hintergrund der Darstellung blau zu färben und damit die Schrift zu übermalen. 591 Es handelt sich hier um die erste Darstellung einer Kreuzigung Christi im Medium der Buchmalerei im Norden Spaniens. 592 LVNA NON DEDIT LVMEN / SVVM; SOL OBSCVRATVS. 593 Vielleicht sind die in der oberen Rahmenleiste dargestellten Sterne ein Hinweis auf die vom Himmel fallenden Sterne beim Kommen des Messias, die gleichfalls bei Matthäus beschrieben sind (24,29). 594 Blau tritt im Codex in verschiedenen farblichen Abstufungen auf. Nicht immer ist damit ein himmlischer Kontext verbunden. Vgl. etwa jene die Evangelistenbildnisse bestimmenden Farbstreifen.
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Den in seiner linken Hand ein Buch, in seiner rechten eine als mundus beschriebene Kugel haltenden Christus umgibt eine achtförmige Mandorla, die ihrerseits einer Raute einbeschrieben ist. In diese ist ein wellenförmiges Band geschlungen, das die in die Ecken angeordneten Evangelistensymbole mit der zentralen Maiestas verbindet. Die in der Tradition karolingischer Maiestas Domini-Darstellungen stehende Miniatur nimmt zunächst den Gedanken der von Licht begleiteten Erscheinung des Weltenrichters auf, indem der Raum zwischen Mandorla und Raute mit einer kräftigen gelben Farbe gefüllt ist.595 Diese Farbe mag das Fehlen des Sonnensymbols als Pendant zur dargestellten Mondsichel seitlich des Weltenherrschers erklären. Den Auftakt des Girona-Beatus kennzeichnet demnach das Erscheinen Gottes als Lichtphänomen, das in der Gegenüberstellung von Kreuz und Maiestas Domini sowie Dunkelheit und Licht anschaulich wird. Eine solche Inszenierung des Lichts, welche über zwei aufeinanderfolgende und aufeinanderabgestimmte Darstellungen entfaltet wird, kennzeichnet gleichfalls jenes Blatt im Silos-Beatus von 1091/1109, das wohl ursprünglich am Beginn eines älteren Antiphonars gestanden hatte (Abb. 133, 134).596 Ein vorderseitiges Vespertinum-Monogramm sowie der rückseitige Schriftzug LVX sind dergestalt farblich aufeinander bezogen, dass dem Gedanken einer Lichterscheinung Ausdruck verliehen wird. Bianca Kühnel hat bezüglich der verschiedenen, die Maiestas Domini rahmenden Formen auf die Verbindung zu kosmologischen Diagrammen, wie sie für den Computus Verwendung fanden, aufmerksam gemacht. Sie begründet die komputistische Anspielung mit der Rolle, welche die Apokalypse in der mozarabischen Liturgie spielte.597 Überzeugender erscheint mir der Gedanke, dass die diagrammatische Gestaltung der in der Schöpfung Gottes verwirklichten kosmologischen Ordnung visuell Ausdruck verleiht.598 In diesem Sinne lassen sich auch die geflügelten nackten Figuren einordnen, die Atlanten vergleichbar die äußere, die Maiestas rahmende Schleife zu tragen scheinen, sowie das zuunterst dargestellte Meerweibchen. So ist auffallend, dass der rechte Atlant durch rote Punkte an den Fuß- und Kniegelenken sowie am Bauchnabel markiert ist. Eine solche Markierung erinnert an die Darstellungen von Sternzeichen in den mittelalterlichen Handschriften, in denen an antike Traditionen angeknüpft wurde – auch wenn der Atlant im Girona-Beatus keinem bestimmten Sternzeichen entspricht.599 Kosmologischen Charakters ist gleichfalls das zuunterst dargestellte Meerweibchen, welches auch als Attribut des Meeres in mittelalterlichen Weltkarten Eingang gefunden hat.600 Im Anschluss an zwei leere Seiten tritt dem Betrachter auf folio 3 verso und folio 4 recto die doppelseitige Darstellung des Himmels in der Form eines Kreises entgegen (Abb. 45). Erneut wird damit an komputistische Kreisdiagramme erinnert, die oft eine ganze Doppel595 Inbesondere die Beziehungen zur Schule von Tours sind offensichtlich, vgl. Vivians-Bibel (Paris, BnF, Ms. lat. 1, fol. 329v). Erstmals Cook, Painting (1923), 52–53; ferner Williams, Beatus (1994), Bd. 2: 52; García-Tejedor, Analysis (2004), 29. 596 Vgl. Kap. IV.3. 597 Kühnel, Time (2003), 220. 598 Vgl. Bogen, Körper des Diagramms (2006), 78. 599 Vgl. die Sternbilder bei Blume, Haffner und Metzger, Sternbilder (2012). 600 LCI, Bd. 3, 240–241.
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seite einnehmen,601 und dergestalt der kosmologische Gedanke der Maiestas Domini-Darstellung neu entfaltet. Thematischer Schwerpunkt der Himmelsdarstellung ist das Verhältnis zwischen Christus-Gott und den tugendhaft lebenden Menschen.602 Von einem im Zentrum des Kreisdiagrammes thronenden Christus, der, anknüpfend an frühchristliche Darstellungstraditionen, als Soldat mit Lanze und Schild wiedergegeben ist,603 führen vier leuchtend gelbe, durch Inschriften ausgezeichnete Streifen wie Strahlen zu acht männlichen Figuren in kurzen Tuniken, die auf der vorletzten Kreisbahn platziert sind. Nach ihren Beischriften zu urteilen, stehen sie für unterschiedliche tugendhafte Eigenschaften, wie Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit und Freigiebigkeit, welche durch Gott entsprechend entlohnt werden.604 Mithilfe einiger Passagen aus Isidors von Sevilla De natura rerum lässt sich der Zusammenhang erhellen.605 Isidor beschreibt hier im 12. Buch den Himmel im spirituellen Sinne als Kirche, die von den Tugenden der Heiligen erstrahlt. Zugleich wird Christus im 15. Buch mit der Sonne gleichgesetzt, die die Gläubigen am Ende der Tage illuminiert.606 Diese Belohnung der Tugenden wird dabei nicht nur durch die gelben Balken zum Ausdruck gebracht, die Zentrum und Peripherie miteinander verbinden. Die Erleuchtung der Tugenden war auch als Überfließen gedacht, weil zu Füßen einiger dieser Personifikationen Wasserwellen angedeutet sind. Auf den übrigen Bahnen sind Sterne (lumen stelle et lumen stelle), sodann geflügelte Löwen, die als Engelslegionen identifiziert sind (legiones angelorum), ferner Bücher tragende und Weihrauchfässer schwingende Engel (volumina portantes et aromata hodorantes) zu identifizieren. Die letzte Kreisbahn, in welche die mit tugendhaften Eigenschaften identifizierten Figuren hineinragen, zeigt wiederum Engel, die als vermittelnde Wesen, als Boten Gottes, sicherlich im Sinne der Tugenden, fungieren.607 601 Beispiel dafür ist das Antiphonar in León, fol. 16v, 17r (hier: Kat. II.3, Abb. in Liber Antiphonarium [2011], fol. 16v, 17r); vgl. auch den komputistischen Traktat, der auf fol. 15v, 16r der EtymologienHandschrift aus Silos vorangestellt ist (hier: Kat. I.10). 602 Zur Deutung dieser Himmelsdarstellung vgl. Williams, Beatus (1994), Bd. 2: 52; Kühnel, Time (2003), 213–215; García-Tejedor, Analysis (2004), 31–35. 603 Dazu García-Tejedor, Analysis (2004), 35. 604 Durch die Neubindungen des Codex sind die jeweils oben und unten auf der Mittelachse des Kreises platzierten Figuren nicht mehr erkennbar. Zu den erhaltenen Inschriften rechte Seite oben: NON IN SOLO PANE UIBIT OMO // IN OMNI UERUO QUOD PROCEDIT EX ORE DIE (Matt 4,4); Mitte: INUENIT ESCA ET POTUS TRIBUIT // UIA GAUDIUM ET PAX SEMPER; unten: PROPUGNATOR AD SALUANDUM // PAX ET LETICIA IN LETICIA IN SPIRITU SANCTO; linke Seite unten: MERCEDEM IUSTI ACCIPIET // UIA QUI RECIPIT IUSTUM IN NOMINE IUSTI (Mt 10,41); Mitte: DANTI / ET ACCIPIENTI // UIA DE ELEMOSINA QUI EXTINGUIT PECCATA; oben: HOMO PETATIS // UIA SICUT AQUA QUI EXTINGUIT IGNE. 605 Darauf weist Kühnel, Time (2003), 215, hin. 606 Caelum spiritaliter ecclesiae est, quae in huius uitae nocte sanctorum uirtutibus quasi claritate siderum fulgit. Isidorus Hispalensis, De natura rerum, XII,1. At uero iuxta spiritalem intellegentiam sol Christus est, […] Ita et Christus credentes fidei spiritu uegetante inluminat, negantes se aeterni ignis ardore torrebit. Isidorus Hispalensis, De natura rerum, XV,18–19, 25–26. Isidore de Seville, Traité de la nature, 217, 229. 607 ANGELI LITORES ET DOMINO RESMISSI SVNT ANGELI LITORES ET DOMINO PORTATORES MISSIVNT.
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Ambivalent erscheinen die geflügelten Wesen, welche der Ebene zugeordnet sind, in der die Tugendpersonifikationen stehen, jedoch aufgrund der alternierenden Hintergrundfarbe räumlich von diesen getrennt sind. Bekannt aus der Darstellung der Maiestas Domini zuvor werden sie hier als jene fliegenden Geister angesprochen, die den Allerhöchsten auf dem Thron anbeten.608 Obwohl durch die Inschriften positiv konnotiert, lässt ihr Erscheinungsbild eher das Gegenteil vermuten. Die nackten und halbnackten männlichen und weiblichen Wesen sind durch weit geöffnete Münder, zum Teil mit verdrehten Armen gestikulierend gestaltet. Daher sei hier zunächst vermutet, dass mit ihnen ein Moment des Widerständigen und Ungebändigten innerhalb der durch das Kreisschema etablierten Ordnung Eingang gefunden hat. Ich werde darauf später zurückkommen. Sicherlich sollte diese Doppelseite für sich betrachtet werden. Dennoch ergeben sich nicht nur aufgrund der geflügelten Wesen Anknüpfungspunkte zu den vorausgegangenen Illuminationen. Während dort das Licht auf den secundus adventus verweist oder als eine Begleiterscheinung des Weltenherrschers zu verstehen ist, fließt es hier von Christus-Gott im Zentrum des Kreisdiagramms auf die tugendhaft Lebenden über.609 Darüber hinaus rückt etwas ins Blickfeld, was nachfolgend, in den Bildnissen der Evangelisten mit Zeugen und Engeln, zum zentralen Thema wird: der Codex. Goldene Codices sind in der Darstellung des Himmels sowohl den geflügelten Löwen als auch den Engelslegionen in der Kreisbahn darüber attributiv zugeordnet. Beide Gruppen sind für sich überwiegend paarweise angeordnet. Zu erkennen ist eine tendenzielle Ausrichtung dieser Paare an den vom Zentrum ausgehenden gelben Balken, vermutlich, um eine Analogie zwischen dem Übergehen des Lichts und dem vermittelten göttlichen Wort, symbolisiert durch das Buch, herzustellen. Bücher, genauer die Evangelien, stehen nun nachfolgend ganz im Mittelpunkt jener sich direkt anschließenden sechs Seiten, die den Evangelisten und ihren Zeugen gewidmet sind. Insofern ließe sich argumentieren, dass die Absicht bestand, einen Bezug zwischen der Quelle des göttlichen Wortes und seiner Übermittlung herzustellen. Der Weg in den Codex, so ließe sich vorerst als ein die ersten Eröffnungsminiaturen verbindendes Thema benennen, führt vom göttlichen Licht zum Wort, das durch das Evangelium symbolisiert wird.610 In der Serie der Evangelistenbildnisse611, die zur Standardausstattung der illuminierten Beatus-Handschriften gehören, stehen sich jeweils auf einer Doppelseite zwei Bildtypen gegenüber: Auf der linken Seite, wie im Girona-Beatus zu sehen, treten je zwei mit Buchrolle oder Codex ausgestattete heilige Personen auf, wovon die eine stets thronend dargestellt ist (Abb. 46). Diese Figuren, die hier unter einer Arkade mit seitlich gerafften Vorhängen erscheinen und über denen im Bogenfeld eines der vier apokalyptischen Wesen gestaltet ist,
608 SPIRITUS VOLANT SPIRITUS VOLANT SPIRITUS VOLANT ET ALTISIMO IN TRONO MAGNIFICANT SPIRITUS VOLANTET ALTISIMO ADORANT SPIRITUS VOLANT ET SEDENTI IN TRONO MAGNIFICANT. 609 Zur Emanation des Göttlichen im Kontext von Licht und seiner Metaphorik: Wandhoff, Erleuchtung (2008). 610 Wandhoff, Erleuchtung (2008), 28, verweist auf Augustinus’ Überlegungen, nach denen das göttliche Licht das Erkennen der Wahrheit erst ermöglicht. 611 Bezogen auf den Girona-Beatus: García-Tejedor, Analysis (2004), 36–42.
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werden gemeinhin als Evangelist und als Zeuge gedeutet.612 Auf der gegenüberliegenden Seite wird das Kompositionsschema der Arkaden mit Bogenfeld fortgeführt, nur dass hier stets ein mit Lanzen ausgestattetes Engelspaar das jeweilige Evangelium präsentiert (Abb. 47). Im Unterschied zu den Evangelistenbildnissen in jenen Evangeliaren und Evangelistaren, die im fränkischen Reich unter karolingischer und ottonischer Herrschaft entstanden, spielen die göttliche Inspiration sowie der Schreibprozess in den hier untersuchten Codices keine Rolle. Das jeweilige Evangelium wird als Rotulus, zumeist aber als Codex präsentiert oder gesegnet. Im Girona-Beatus sind die Codices in silberne oder goldene Farbe gefasst (Abb. 48). Zuweilen erinnern sie in ihrer haus- oder schreinartigen Form an die Bundeslade oder auch an das ‚ewige Evangelium‘ (nach Off 14,6), wie es in den illuminierten Apokalypsekommentaren zur Darstellung gelangt.613 Der so hergestellte Bezug zwischen den Evangelistenbildnissen und dem den Apokalypsekommentar begleitenden Bildzyklus zielt auf eine Autorisierung des Kommentartextes, als dessen Quelle die Evangelien ausgewiesen werden. Zugleich erweist sich die Darstellungsweise als aussagefähig für die Wahrnehmung der Heiligen Schrift und damit auch ihrer Kommentierung. Anders als im Codex Albeldense und Codex Aemilianense tritt das Buch hier nicht als ‚lebend‘ in Erscheinung. Stattdessen ist seine Aura in der materiellen Präsenz eines silbernen oder goldenen Objektes, eines geschützten und geschlossenen Gefäßes fundiert. Die Serie der Evangelisten, Zeugen und Engel, genau genommen das hier dargestellte Buch lässt sich als ein inhaltliches Scharnier zwischen der Kreuzigung, der Maiestas Domini und dem Himmel einerseits sowie den genealogischen Tafeln mit dem sich anschließenden christologischen Zyklus andererseits interpretieren. Das Buch verbindet an dieser Stelle das aus dem Licht hervorgehende göttliche Wort sowie die Fleischwerdung des Logos miteinander. Deutlich wird, dass die Anordnung der illuminierten ersten Blätter des Girona-Beatus zu Doppelseiten zwar einer argumentativen Zuspitzung dient. Dennoch treten diese Doppelseiten mit dem Davor und Dahinter in Beziehung, sind somit Bestandteil eines Spannungsbogens, der von der ersten bis zur letzten Seite des Vorspanns geschlagen wird.
612 Neuss, Illustrationen (1962), 116–119, geht noch davon aus, dass die jeweils thronende Gestalt Christus darstellt. Da diese jedoch kein Kreuznimbus auszeichnet, wird mittlerweile vermutet, dass es sich bei dem Thronenden um einen der Evangelisten handelt, während die andere Figur als Zeuge gedeutet wird. Vgl. Williams, Beatus (1994), Bd. 1: 56, Abb. 88, der als Vergleichsbeispiel ein koptisches Evangeliar heranzieht. Für die ungewöhnliche Ikonographie paarweise angeordneter Figurengruppen vgl. auch die Darstellungstradition stehender Evangelistenpaare in byzantinischen und armenischen Handschriften des frühen Mittelalters: vgl. eine byzantinische Handschrift des 11. Jh. mit den Apostelakten, Episteln und der Apokalypse (Rom, BAV, Ms. Vat. gr. 1208); Evangeliar von Etschmiadzin, dat. 989 (Etschmiadzin, Bibliothek des Patriachats, Ms. 229): Friend, Portraits I (1927), Abb. 92–94; ders., Portraits II (1929), Abb. 20, 21. 613 Vgl. auch die hausförmigen Bücher in den Evangelistenbildnissen des Morgan-Beatus, fol. 1v–4r (hier: Kat. I.8): Williams, Beatus (1994), Bd. 2, Abb. 7; die Darstellung der Bundeslade im Kontext der Öffnung des Tempels nach dem Schall der siebten Posaune (von Off XI,19) im Girona-Beatus, fol. 170r (hier: Kat. II.6): Williams, Beatus (1994), Bd. 2, Abb. 341. – Zur Darstellung des ewigen Evangeliums, das in der Offenbarung von drei Engeln verkündet wird vgl. Girona-Beatus, fol. 192r: Williams, Beatus (1994), Bd. 2: 352.
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Glaube und Unglaube – Erzählen in Antithesen Die nachfolgenden genealogischen Tafeln, die durch eine Lagengrenze sowie eine leere Doppelseite von den Evangelistenbildnissen getrennt sind, bilden zusammen mit dem sich daran anschließenden christologischen Zyklus eine Einheit. Denn die der Abkunft Jesu Christi gewidmeten genealogischen Tafeln, an deren Beginn die Darstellung Adams und Evas steht, enden mit der Geburt Jesu, die zugleich den Auftakt des christologischen Zyklus bildet: Verkündigung und Geburt (fol. 15r); Anbetung der Könige, Flucht nach Ägypten und Verfolgung durch Herodes, Krankheit des Herodes (fol. 15v); Christus vor Kaiphas und dreimalige Leugnung Petri (fol. 16r); Kreuzigung (fol. 16v); Christus erscheint den beiden Marien, Tod Judas, zwei Marien am leeren Grabe (fol. 17r); Höllenfahrt (fol. 17v) sowie die Darstellung derjenigen, die sich an der Glorie Gottes und seiner Auferstehung erfreuen (fol. 18r). Das Erzählen in Gegensätzen erweist sich als ein wesentliches, den christologischen Zyklus strukturierendes Motiv. Die erste Antithese besteht auf folio 15 recto und 15 verso in der Gegenüberstellung zwischen dem Jesuskind und König Herodes (Abb. 50, 51). Der formale Zusammenhang in der ersten Sequenz besteht in der einem architektonischen Gehäuse vergleichbaren Krippe, in die das Jesuskind auf folio 15 recto gelegt ist, und dem herrschaftlichen Bett auf folio 15 verso, auf dem der kranke Herodes lagert. Die aus den Apokryphen bekannte Episode614 der Erkrankung des Herodes ist im Bildzyklus als Konsequenz seiner Verfolgung Jesu hoch zu Pferde und mit Lanze bewaffnet in dem darüberliegenden Register inszeniert.615 Ferner lassen sich die Gefangennahme Jesu und die Verleumdung durch Petrus auf folio 16 recto aufeinander beziehen (Abb. 52). Eine dritte Antithese erschließt sich aus der Gegenüberstellung der Kreuzigung auf folio 16 verso und dem erhängten Judas auf dem gegenüberliegenden Blatt, auf dessen zur Seite gesunkenen Kopf ein kleines Teufelchen aufmerksam macht (Abb. 53, 54).616 Und schließlich lassen sich auch die nachfolgenden beiden Seiten, auf denen auf folio 17 verso die Höllenfahrt Jesu Christi sowie auf der rechten Seite auf folio 18 recto die Erlösten gezeigt sind, aufeinander beziehen (Abb. 55, 56). Die Höllenfahrt ist in drei Zonen aufgebaut, deren Grenzen durchlässig gestaltet sind: Im oberen, durch einen beschrifteten Bogen gerahmten Feld findet sich Christus, der mit seiner Hand aus der mittleren Zone eine nackte Seele rettet. In dieser mittleren Ebene, die als eine Art Zwischenraum aufzufassen ist, streben einerseits die Erlösten der Öffnung und damit Christus zu. Andererseits werden aus dieser Zone zwei Verdammte durch einen Dämon sowie durch eine drachenähnliche Gestalt in die untere Zone hinabgezogen. Hier sitzt der Teufel mit nachträglich ausgekratzten Augen617 inmitten einer Gruppe von Verdammten, die teilweise durch Schlangen gepeinigt werden. Die Durchlässigkeit der sich scheinbar gegeneinander bewegenden Zonen, deren dynamische Grenzen in den unregelmäßig konkav gebo614 Flavius Josephus, De bello Iudaico, Lib. I, cap. XXXIII,5. Den Sturz Herodes’ vom Pferd beschreibt er jedoch nicht. Dazu García-Tejedor, Analysis (2004), 55. 615 Zur Reiterfigur: vgl. Werckmeister, Islamic Rider (1997). 616 Mit der Inschrift IVDAS / LAQVE/O SE / SVS/PENDIT sowie ZABVLE INIMICVS versehen. 617 Vermutlich aus Furcht vor dem bösen Blick: vgl. Art. Böser Blick, in: LexMA, Bd. 2, 470–472 (A. Vöbus).
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genen Linien zum Ausdruck kommen, steht in Kontrast zur Darstellung der Erlösten in der gegenüberliegenden Miniatur als einer klar in drei Registern strukturierten Architektur. Hier sind im obersten fünf gekrönte Figuren thronend unter Arkaden wiedergegeben. Im mittleren ist eine Gruppe von Heiligen mit Kelchen versammelt, die sich der Höllendarstellung gegenüber zuwenden. Das untere Register nimmt die Unterteilung mittels Arkaden wieder auf, in denen nun stehende Figuren mit kurzen Gewändern und Mänteln erscheinen.618 Der Bezug der Miniaturen beider Seiten lässt sich als eine weitere Gegenüberstellung von Gläubigen und Ungläubigen interpretieren und bildet gleichsam die finale Antithese des christologischen Zyklus. In diesem wird ausgebreitet, was bereits gleichsam einer Devise ganz zu Beginn des Codex auf folio 1 verso in der polarisierenden Hoc signo-Inschrift präludiert wurde, in der zwischen den Gläubigen und Feinden geschieden wird. So weist der christologische Zyklus zurück auf den Anfang des Codex mit der Kreuzminiatur, in der zugleich das Ende, das Weltgericht vorweggenommen wird. Dieses wiederum wird in epischer Breite im Apokalypsekommentar und den ihn begleitenden Illuminationen aufgeblättert. Somit stellt sich der christologische Zyklus auch als ein Kommentar zur Apokalypse dar, weil er zeigt, dass die Konsequenzen von Glauben und Unglauben bereits eine bis zu Adam und Eva, repräsentiert durch die genealogischen Tafeln, zurückreichende Vorgeschichte haben. Geknüpft wird diese Auseinandersetzung um Glauben und Unglauben an das göttliche Wort, als dessen Übermittler sich der Apokalypsekommentar, das heißt der Text des Codex, aber auch die vorliegende Handschrift selbst erweist. Im letzten Bildpaar, welches dem Incipit des Kommentars vorausgeht, stehen sich der Kampf zwischen einem Vogel und einer Schlange sowie die Darstellung eines ganzseitigen Alphas auf einer Doppelseite gegenüber (Abb. 57, 58). Der Kampf zwischen einem Vogel, der hier als Pfau zu erkennen ist,619 und einer Schlange wird im Girona-Beatus erstmalig zum Thema und findet sich nachfolgend auch in anderen Handschriften, die Beatus’ Apokalypse- sowie Hieronymus’ Daniel-Kommentar enthalten, wieder.620 Die dazugehörige Legende orientalischen Ursprungs findet zwei Seiten weiter auf folio 19 verso und damit auf der Rückseite des ganzseitigen Alphas in einer kreuzförmigen Anordnung des Textes Platz.621
618 Im oberen Register: POST RESVRREC/TIONIS (DOMI)NI / ISTI SVNT FVLGENTIS / IN GLORIA; im mittleren Register: GAVDENTES VIBIT EX VIRTVTE SVA; im unteren Register: SE LETANTE / DE VISIONIS / DOMINI /ET VIBIT ET VIRTVTE SVA. 619 In der Forschung ist man sich nicht einig, ob der Vogel einen Adler oder einen Pfau darstellt. Wittkower, Eagle (1939), 317, und Cid Priego, Águila (1990), 342–344, erkennen hier einen Adler. Dagegen deuten Bord und Skubiszewski, Babylone (2000), 98–107, den Vogel als Pfau, ebenso García-Tejedor, Analysis (2004), 71. In der die Illumination ergänzenden Legende auf fol. 19v wird nur von einem Vogel gesprochen. Der Text ist abgedruckt bei: Bord und Skubiszewski, Babylone (2000), 99. 620 Ein einzelner Pfau taucht zuvor als ganzseitige Miniatur in der Madrider Moralia in Iob-Handschrift (fol. 3v) auf, die Florentius im Jahre 945 schrieb und illuminierte (hier: Kat. I.13, Abb. 19). 621 Zu den orientalischen Wurzeln des legendarischen Kampfes, der in seiner ursprünglichen Variante zwischen einem Adler und einer Schlange ausgetragen wird: vgl. Wittkower, Eagle (1939).
Der Girona-Beatus – Eröffnung als ‚Übungsfeld‘ 137
Die Gegenüberstellung des Pfau-Schlangen-Kampfs mit dem ganzseitigen Alpha erscheint aus formalen Gründen zunächst wenig einsichtig.622 Mit Kenntnis der Legende ergibt sich jedoch eine thematische Verknüpfung beider Darstellungen. In ihr erweist sich der Kampf zwischen dem Pfau und der Schlange als Allegorie der Überwindung des Bösen durch Gott in seiner menschlichen Gestalt. So wie der Pfau dadurch die Schlange zu täuschen und zu überlisten vermag, weil er sein vielfarbiges Erscheinungsbild mit Schmutz bedeckt, so begegnet Gott seinem Feind verkleidet im Fleisch.623 Denkbar ist, dass in der bildlichen Darstellung des Girona-Beatus jenes braune und wellenförmige Band, welches den Schwanz des Vogels umschließt, die zur Täuschung dienende Verkleidung zum Ausdruck bringen sollte. Denn die in blauen und braunen Tönen gehaltene Gestaltung des Federkleides unterscheidet sich von jenem Pfau, der in der Moralia in Iob-Handschrift aus Valeránica ohne den Kontext des Vogel-Schlangen-Kampfes zur Darstellung gelangt ist (Abb. 19).624 Der dort isoliert auf einer ganzen Seite präsentierte und stolz seine Federn ausbreitende Vogel besitzt ein farblich in verschiedenen blauen, roten und gelben Tönen schillerndes Kleid. Die Darstellung erinnert an Cassiodors wunderbare Beschreibung des Pfaus in De institutione divinarum, worin ihm die Schönheit des Pfaus, seine Federaugen und seine Farbenpracht dazu dienen, auf die kosmische Dimension des Psalters zu verweisen.625 Im Girona-Beatus lässt sich der an den christologischen Zyklus anschließende VogelSchlangen-Kampf als kondensierte, allegorische Kommentierung des darin ausgebreiteten Themas von Glauben und Unglauben begreifen, das damit in der Gegenüberstellung Jesus Christus als inkarnatorisch ‚verkleideter‘ Logos auf der einen und Herodes, Judas sowie des Teufels auf der anderen Seite anschaulich wird. Ferner wird in der Legende die Inkarnation an das Wort Gottes zurückgebunden: So wie der Pfau mit seinem Schnabel die Schlange attackiere, so vermöge Gott mit dem Wort zu besiegen.626
622 Auch im Saint-Sever-Beatus, fol. 13r, 13v, geht der Alpha-Miniatur die Darstellung des Kampfes voraus, gleichwohl kommt es hier nicht zu einer Gegenüberstellung (hier: Kat. I.3, Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 385). 623 Quedam esse avis in regione orientis asse(ri)tur […] cuius volutabro tetro habitu infecta sordescit et diversorum gemmas colorum quibus eam indulgentias natura depinxit. Ut humili despecta vestita ita hostem nobitate deterreat et quasi vilitatis suae securitate decipiat cudam velut scutum ante faciem suam quedam arte bellatoris opponit […] item dominus hac redemptor noster contra spiritum serpentis antique humani generis supplantatorem in forma hominis […]. Zit. nach Bord und Skubiszewski, Babylone (2000), 99. – In der frühchristlichen und frühmittelalterlichen Kunst tritt der Pfau häufig im Kontext von Paradiesdarstellungen auf. Als christologisches Motiv steht er für die Überwindung des Todes und das ewige Leben: vgl. LCI, Bd. 3, 410. 624 Moralia in Iob-Handschrift aus Valeránica, fol. 4v (hier: Kat. I.13). 625 M. Aurelii Cassiodori, De institutione divinarum litterarum, cap. IV (= PL 70, col. 1115C–1115D): Psalterium est enim quaedam coelestis sphaera, stellis densa micantibus, et (ut ita dixerim) quidam pavo pulcherrimus, qui velut oculorum orbibus et colorum multiplici et decora varietate depingitur […]. 626 […] et tamquam rostro fortissimo venenatam veteris homicide malitiam verbo sui oris extinxit unde et apostolus dixit verbo oris sui interficiet impium. Zit. nach: Bord und Skubiszewski, Babylone (2000), 99.
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Das Wort ist nun zentrales Thema der Inszenierung des Alphas auf der dem VogelSchlangen-Kampf gegenüberliegenden Seite.627 Folio 19 recto des Girona-Beatus wird dominiert von einem ganzseitigen Buchstaben, auf dessen Querbalken jene die Apokalypse und das Endgericht vergegenwärtigende Maiestas Domini thront. In den Händen hält ChristusGott das geöffnete Buch des Lebens sowie eine Kugel als Ausdruck seiner Weltherrschaft. Das obere Drittel der Seite wird hingegen bestimmt durch acht namentlich bezeichnete Gelehrte, die in der Horizontalen zu Zweiergruppen arrangiert sind. Ihre Redegesten deuten an, dass sie in ein Gespräch über Bücher vertieft sind, die zwischen ihnen aufgeschlagen auf Pulten liegen. Neben den Kirchenvätern gehören die spanischen Bischöfe Isidor, Leander von Sevilla († 599/601) sowie Fulgentius von Écija († 630) dazu. Dabei handelt es sich um jene Autoren, welche Beatus de Liébana in seinem den Kommentar einleitenden Prolog als diejenigen aufzählt, auf die er sich in der Zusammenstellung seines Kommentars inhaltlich beruft.628 Die Bildgestaltung der Seite vereint demnach den Kommentar, genau genommen seine im Prolog verankerte Geschichte der Kompilation, und das Thema des Kommentars selbst, die Apokalypse. Beide Aspekte verwebt sinnstiftend miteinander das zentral platzierte, aus Flechtwerk bestehende Alpha. Zum einen gewährt die Gestaltung des Buchstabens einen Blick auf die in ihrem Binnenfeld thronende, dem Betrachter zugewandte Maiestas Domini, der als Einziger durch den blauen anstatt Pergament belassenen Hintergrund ein eigener und damit als andere Realitätsebene ausgewiesener Bildraum zugestanden wird. Der visionäre Charakter des Bildthemas wird dergestalt eingefangen, dass ein Vogelpaar den jenseitigen Raum aus der Ornamentik des als Thron fungierenden Querbalkens erst hervorzubringen scheint, indem es an einem daraus hervorgehenden Flechtband zieht. Diese im Binnenkörper der Initiale dargestellte endzeitliche Vision ist zugleich mit einem auditiven Moment verbunden: An den Seiten endet der Querbalken in sich öffnenden und nach oben schwingenden stilisierten Trieben, die auf diese Weise nicht nur den Blick auf die Maiestas Domini lenken, sondern zugleich einen weiteren Darstellungsraum eröffnen, in dem der eschatologische Ausruf des Schöpfergottes, Anfang und Ende zu sein, inschriftlich festgehalten ist. Gottes Worte werden damit in dreifacher Hinsicht manifest: durch seine Präsenz im Bild, durch die auf seine eigene Aussage verweisende Inschrift und ferner durch die Initiale als syntaktischer Bestandteil dieser Inschrift. Schließlich wird durch das Alpha eine Beziehung zwischen der endzeitlichen Vision und seiner hier im Codex überlieferten Kommentierung hergestellt, indem es durch einen aufwendigen Flechtknoten in das obere Streifenbild mit den Darstellungen der Autorengespräche hineinragt. Auf diese Weise bringt es sich selbst ins Spiel und macht sich zum Thema der Gelehrtengespräche. Gleichsam von innen heraus verklammern und durchdringen das hier dargestellte Alpha und sein Gegenstück, das ausgangs des Codex auf folio 284 recto positio627 Zu dieser Darstellung: Steinhauser, Generic Saints (1995), der primär die Zusammenstellung der Autoren im Verhältnis zu den verschiedenen Versionen des Beatus-Prologs diskutiert. 628 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Prolegomena, 1,5: Quae tamen non a me, sed a sanctis patribus quae explanata repperi, in hoc libello indita sunt et firmata his auctoribus, id est Iheronimo Agustino Fulgentio Gregorio Abringio et Ysidoro […].
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nierte Omega, als buchstäbliche Zeichen des göttlichen Wortes die Apokalypse, ihre Kommentierung und sogar die vorliegende kodifizierte Form. Wiewohl die Kodifizierung erst durch den Kolophon zum Thema wird, der den Omega-Zierbuchstaben am Ausgang der Handschrift ergänzt. Der Weg in den Codex ist demnach bestimmt durch den auf die Apokalypse hinführenden Diskurs von Glauben und Unglauben, der sich innerhalb der christologischen Bildserie durch das Erzählen in Antithesen oder Oppositionen artikuliert – eine von Augustinus als besonders wirkungsvoll erachtete rhetorische Strategie.629 Dieser Diskurs von Glaube und Unglaube wird jedoch nicht entlang einer heilsgeschichtlichen Chronologie entfaltet, sondern vielmehr zunächst, repräsentiert durch die Darstellung des dem secundus adventus vorausgehenden Kreuzes sowie der Maiestas Domini, ‚vom Ende her‘ aufgerollt. Damit ist neben dem Erzählen in Doppelseiten auf ein weiteres noch viel wichtigeres Strukturprinzip der Zusammenstellung der Eröffnungsilluminationen verwiesen. Jenseits der Abfolge der mitunter zu Doppelseiten gefügten Blätter erweist sich die aus inhaltlich sinnvollen Einheiten bestehende Binnenstruktur durch übergreifende Bezüge als überaus verschachtelt. Der Eröffnungsparcours des Girona-Beatus ist darauf angelegt, den Bezügen nachzugehen und den Sinn der sich auf diese Weise gegenseitig kommentierenden Illuminationen aufzudecken.
Zentrum und Peripherie In ihrer Dissertation widmet sich Jessica Sponsler jenen Illuminationen des Girona-Beatus, die nicht in unmittelbar inhaltlichem Zusammenhang mit den Kommentaren stehen und die in der Mehrzahl den Texten vorangestellt sind. Sie deutet diese als eine sich gegen den Islam richtende Bildlichkeit und gründet ihre Interpretation insbesondere auf eine 854 von dem in Al-Andalus lebenden Álvarus von Córdoba verfasste Streitschrift gegen den Islam, den Indiculus luminosus, in dem Mohammed als Antichrist gedeutet wird.630 Ihrer Meinung nach haben die Mönche für die Konzeption ihrer Handschrift auf diesen Traktat zurückgegriffen.631 Allerdings bleibt dessen Überlieferungsgeschichte in den christlich dominierten 629 Carruthers, Beauty (2013), 60. 630 Eine Üs. liegt mit Delgado León, Alvaro de Córdoba (1996) vor. 631 Allgemein zum Zyklus: „By emphasizing the persecutions of the Infancy, the sacrifice of the Passion, and the glories of the Resurrection, the Christological cycle reminds the monastic reader why he must strive for a pure Christian existence without the taint of Islam. If he would have continuing doubts, the inclusion of the Baptism of Christ on folio 189 reminds the audience of the sanctity of the Christian Church and Christ’s role in defeating the Antichrist and his cohorts. The images of Christ are a call to arms, theologically and perhaps literally, for the monastic communities on the border with Islamic alAndalus.“ Sponsler, Boundaries (2009), 108; zur Rolle der Maria: „The makers of the Girona Beatus warn against such permeability between the religions. One either accepts the divinity of Christ and Mary’s role as Theotokos or one denies Christian dogma and becomes, like Herod, an enemy of Christ and his followers thus inviting divine retribution.“ Ebd., 121; zur Darstellung Christi vor Kaiphas: „The scene of Christ before Caiaphas would have been repeated in Córdoba with monks and Christian
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Gebieten der Iberischen Halbinsel unberücksichtigt.632 Der Girona-Beatus stellt eine der wenigen nordspanischen Handschriften dar, in denen Motive auftreten, die wohl durch die Kunst in Al-Andalus vermittelt wurden. Daher dient der Codex stets als Hauptbeispiel für eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem muslimisch geprägten Süden.633 Genau das hebt ihn jedoch von den anderen dem Skriptorium von San Salvador de Tábara zugeschriebenen Beatus-Handschriften ab, für die Sponsler als Entstehungsort des Girona-Beatus plädiert.634 Deshalb erscheint eine Verortung des Codex in San Salvador de Tábara aus dieser Perspektive weniger wahrscheinlich. Gleichwohl stimmen die Namen der Schreiber und Illuminatoren mit denen im Tábara-Beatus überein. Fragt man zunächst allgemein nach der Wahrnehmung al-andalusischer Kunst in jenen, in den Grenzzonen begründeten Gemeinschaften, so fällt auf, dass im Unterschied zu den illuminierten Handschriften eine intensivere Auseinandersetzung in der Architektur erfolgt ist. Besonders eindrücklich zeigen dies die aus dem 10. Jahrhundert erhaltenen Kirchen San Miguel de Escalada und Santiago de Peñalba. Als ein markantes Element der Ausstattung erweist sich hier jeweils der Einsatz hufeisenförmiger Bögen, die durch die Bauten in AlAndalus inspiriert zu sein scheinen.635 In der in der Nähe von León gelegenen, ehemaligen Klosterkirche San Miguel de Escalada, die 913 geweiht wurde, kennzeichnen Hufeisenbögen jene die Schiffe trennenden Arkaden, die Zugänge zu den Apsiden und ferner die als Dreierarkade gegebene Schranke, welche den Zugang zur Vierung im zentralen Mittelschiff lay people standing before a qadi or judge and being condemned for their faith while the ecclesiastical authority did nothing or even actively collaborated with the sentence.“ Ebd., 129. 632 Der Traktat lässt sich im Norden Spaniens in einer Handschrift des 10. Jh. nachweisen: Córdoba, Biblioteca Capitular, Ms. 123, die laut Díaz y Díaz, Circulación (1969), 227–228, in Kastilien oder der Rioja entstanden ist. 633 Beckwith, Islamic Influences (1976), 57–59; eine umfangreiche Diskussion aller Beispiele bei: Werckmeister, Formen (1965). – Es bleibt ein methodisches Problem, dass die nordspanischen Manuskripte im Kontext verschiedenster aus Al-Andalus erhaltener Gattungen (Textilien, Elfenbeinarbeiten, Architektur) zu diskutieren sind, da sich zeitgleich kaum Handschriften und wenn, nur aus christlichem Zusammenhang, erhalten haben. Gleichwohl ist belegt, dass die Kalifen von Córdoba eine bis über die Grenzen des Kalifats bekannte Bibliothek besaßen: Ausst.-Kat. Les rois bibliophiles (1985), 17. 634 So der sogen. Tábara-Beatus, 968–970 (hier: Kat. I.7); ferner der Morgan-Beatus, 945–950 (hier: Kat. I.8). 635 In der Forschung wird darüber diskutiert, inwiefern diese Hufeisenbögen eher westgotischen oder islamischen Vorbildern folgen: vgl. Bango Torviso, Arte prerrománico (2001), 336, der den ‚Einfluss‘ andalusischer Vorbilder für weniger prägend hält; dagegen Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 268, 297. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich die Araber und Berber hinsichtlich der Form des Hufeisenbogens von den westgotischen Kirchenbauten hatten inspirieren lassen, deren Raumeindruck durch die Hufeisenbögen geprägt war. Vgl. etwa San Juan de los Baños, 661 im Auftrag des westgotischen Königs Reccesvinth († 672) errichtet: Hauschild und Schlunk, Denkmäler (1978), Taf. 108, 109. Der Hufeisenbogen wurde nachfolgend zum prägenden Element der Architektur von Al-Andalus und dabei zu komplexeren Systemen, wie die sich überkreuzenden Bögen, weiterentwickelt (Ewert, Islamische Systeme [1968]). – Da sich in den Klosterkirchen wie etwa San Miguel de Escalada und Santiago de Peñalba auch andere Ausstattungselemente nachweisen lassen, die in den zentralen Bauten in Córdoba und Umgebung vorgebildet waren, ist wohl eher davon auszugehen, dass auch die Hufeisenbögen für eine diesbezügliche Orientierung stehen.
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begrenzt (Abb. 176).636 Ebenso ist auch die etwas später, zwischen 930 und 940 entstandene Südportikus als Arkade mit Hufeisenbögen errichtet (Abb. 174). Die Bögen sind darüber hinaus von einem ebenfalls aus der islamischen Baukunst bekannten Alfiz überfangen, der auch jenes Zwillingsfenster auszeichnet, das die Portikus vom Westen her beleuchtet. Erstmals wurde ein solcher Alfiz für das 855/856 neu gestaltete Westtor (Bāb al-Wuzarā, heute Puerta de San Esteban) der bereits 785 gegründeten Moschee von Córdoba verwendet und ist nachfolgend zum prägenden Gestaltungselement aller Ein- und Übergänge des Betsaals geworden.637 Von einem Alfiz gerahmte Hufeisenbögen prägen gleichfalls das Erscheinungsbild der ehemaligen Klosterkirche Santiago de Peñalba, die zwischen 931 und 947 entstanden ist.638 Hier sind der im Süden gelegene Eingang in das Kirchenhaus, der als Doppelarkade gestaltet ist, sowie der Zugang zur Apsis jeweils durch einen Alfiz hervorgehoben (Abb. 179, 180). Ferner haben sich an der Hochwand am Zugang zum Presbyterium Farbreste erhalten, die einen im rot-weißen Farbwechsel gestalteten Hufeisenbogen im Medium der Wandmalerei evozieren.639 Dieser Farbwechsel kennzeichnet wiederum fast alle Arkaden der Moschee von Córdoba und ist dann auch in den Bauten der unter ’Abd ar-Rahmān III. (889–961) seit 936 errichteten Palaststadt Madīnat-az-Zahrā bei Córdoba zu finden.640 Während die Zweifarbigkeit in der Moschee vornehmlich dadurch entsteht, dass Lagen von Ziegel- und Sandstein alternieren, ist sie in Madīnat-az-Zahrā durch unterschiedlich farbigen Stuck erzeugt. In diesem Sinne wurden Charakteristiken der al-andalusischen Architektur für zentrale Aufgaben wie Eingänge, Fenster oder für die Auszeichnung bestimmter Raumkompartimente dergestalt in den Kirchenbau übertragen, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur räumlichen Durchgliederung leisteten – wenn es auch, worauf Yoshihiko Ito hingewiesen hat, weniger um einen materialen oder technischen Rückgriff, sondern vielmehr um eine Evokation visueller Effekte ging.641 Die Qualität einer Auseinandersetzung mit der al-andalusischen Kunst hing also davon ab, in welcher Gattung, mit welchen Aufgaben und für welches Publikum sie erfolgte. Während die Kirchenbauten einem breiteren Rezipientenkreis zugänglich waren, richteten sich die Handschriften in erster Linie an die Mönche selbst und waren vor allem für das Studium gedacht. Und in diesem Zusammenhang orientierte man sich tendenziell an christlichen Traditionen, während die Bildkultur der südlichen Nachbarn eine geringe Rolle spielte. In den Handschriften lassen sporadische Übernahmen al-andalusischer Motive in den seltensten Fällen den Schluss zu, dass damit eine Herabwürdigung von Muslimen beabsich636 Zur Klosterkirche: Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 262–270, Taf. 77a; Martínez Tejera, Cenobios (2002); dies., Escalada (2005). 637 Zur Moschee von Córdoba stellvertretend: Ewert, Golzi und Gladiss, Denkmäler (1997), 70–87; Sezgin, Ehrig-Eggert und Neubauer, Umayyad Mosque (2008); Calvo Capilla, Ampliación califal (2008); zum Bāb al-Wuzarā zuletzt: Fernández-Puertas, Mezquita (2009). 638 Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 295–300; Martínez Tejera, Cenobios (2002). 639 Dazu Guárdia Pons, Peñalba (2007). 640 Vallejo Triano, Madīnat-az-Zahrā (2005), 17, 114, 115. 641 Am Beispiel von Santiago de Peñalba konnte Ito, Peñalba (2005), zeigen, dass Material und Konstruktion der Hufeisenbögen mit ihrer jeweiligen Alfiz-Rahmung auf lokale Bautraditionen verweisen.
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tigt war. Ein Beispiel dafür ist das Gastmahl des babylonischen Königs Belsazar, welches Bestandteil des den Danielkommentar begleitenden Bildzyklus ist. Die Szene erfährt sowohl im Valcavado-Beatus wie im Tábara-Beatus als auch im Morgan-Beatus durch die Darstellung eines Divans sowie durch einen an die zweifarbigen Bögen der Arkaden in der Moschee von Córdoba erinnernden rot-weiß gestreiften Hufeisenbogen eine kritische Note.642 Die göttliche Prophezeiung vom drohenden Untergang eines Königreichs (Dan 5,25), dessen Schriftbild der König nach dem biblischen Bericht nicht zu entziffern vermochte, hat in den besagten Handschriften sogar auf dem Hufeisenbogen Platz gefunden. Folglich ist eine Anspielung auf den Kalifenstaat zu vermuten. In der Summe stehen jedoch die hier untersuchten Codices weder für eine konsequente Auseinandersetzung mit der al-andalusischen Kunst, noch lässt sich aus den wenigen Übertragungen stets auch eine politische oder gar religiöse Aussage ableiten.643 Insbesondere eine religiöse Konnotation ließe sich zu diesem Zeitpunkt kaum historisch rechtfertigen: Wie erwähnt, wurde im 10. Jahrhundert aus christlicher Perspektive die Grenze zu den muslimisch dominierten Gebieten noch nicht religiös gewertet.644 In Jessica Sponslers These von einer islamfeindlichen Bildlichkeit im Girona-Beatus wird der reitende Herodes, welcher, das Jesuskind verfolgend, auf folio 15 verso dargestellt ist, als ein wichtiges Argument angeführt (Abb. 51). Eine solche Reiterfigur taucht ein weiteres Mal auf folio 134 verso unterhalb des Explicits zum siebten Buch der Apokalypse auf, in dem von den vier die Winde der Erde festhaltenden Engeln Gottes berichtet wird (Abb. 60). Ein Bezug zum Text ist nicht gegeben. Otto Karl Werckmeister hat für die Reiterfigur, die eine Schlange als christliches Symbol des Bösen tötet, einen Kontext erarbeitet, der christlichkoptische Bildtraditionen sowie islamische Formen miteinander verbindet.645 Kann man bei dem reitenden Herodes davon ausgehen, dass die Übernahmen islamischer Formen dazu dienten, gegen den muslimischen Glauben zu polemisieren, so ist dies für jenen die Schlange tötenden Reiter auf folio 134 verso weniger eindeutig zu entscheiden.646 Und auch andere Motive, denen ein orientalischer Ursprung vermittelt durch die alandalusische Kunst zugeschrieben werden kann, lassen eine solche Einschätzung kaum zu: Gemeint ist etwa auf folio 165 verso die Darstellung eines Simurgh oder Senmurv, eines persischen Fabelwesens, sowie eines Adlers, der eine Gazelle ergriffen hat (Abb. 62).647 Diese 642 Valcavado-Beatus, fol. 204r (hier: Kat. I.12): Williams, Beatus (1994), Bd. 2: 38–42; Tábara-Beatus, fol. 143r (hier: Kat. I.7): Williams, Beatus (1994), Bd. 2, Abb. 256; Morgan-Beatus, fol. 255v (hier: Kat. I.8): Dodds, Menocal und Balbale, Intimacy (2008), 85, Abb. S. 87. 643 Dazu schon Werckmeister, Formen (1965), 946–950. 644 Vgl. Kap. I.1. 645 Werckmeister, Formen (1965), 941–944. 646 So auch Boto Varela, Marginalia (2007). Dagegen Williams, Beatus (1994), Bd. 2: 66, der den Reiter als das ideale Porträt eines Kriegers der Reconquista deutet. Er verweist dazu auf die Verwandtschaft des Motivs mit dem reitenden Herodes und argumentiert ferner, dass Christen im Norden Spaniens die Kleidung von Muslimen kopiert hätten. Zuletzt hat Werckmeister, Islamic Rider (1997), in Rückgriff auf den Physiologus die Idee der Schlange als standhaftes Wesen zum Ausgangspunkt genommen, um sie als Symbol christlichen Martyriums in Al-Andalus zu lesen. 647 Die Inschrift lautet: corevs et aquile in venatione. Williams, Beatus (1994), Bd. 1: 155–156, führt diese Darstellungen auf Objekte der islamischen Kunst zurück, die für den höfischen Kontext Verwendung
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Wesen erscheinen unterhalb des Explicit zum elften Buch der Apokalypse, welches von der Tötung der Zeugen handelt.648 Zwar scheint das Motiv des die Gazelle niederkämpfenden Adlers den im Text beschriebenen Gewaltakt zu kommentieren, allerdings scheint mir auch hier eine klar formulierte anti-muslimische Ausrichtung der Darstellung nicht gegeben. Dies trifft gleichfalls auf die Paare geflügelter Mischwesen auf folio 175 verso und 176 recto zu, die an die Tiere im Relief eines Wasserbeckens der Kalifenzeit aus Sevilla erinnern.649 Auch sie sind zwischen storia und der explanatio platziert, die in diesem Fall gemeinsam jener das apokalyptische Weib verfolgenden Bestie gewidmet sind. Sponsler übersieht, dass die islamische Kunst nicht die einzige Quelle darstellt, aus der geschöpft wurde, um den Übergang zwischen storia und explanatio zu markieren. Hinzu kommen Figuren, die aus christlichen Darstellungskontexten bekannt waren. Beispiel dafür ist die Darstellung einer dämonenhaften nackten Figur mit heraushängender Zunge, die sich einer aus Vogel und Ziegenkopf gebildeten Mischgestalt auf folio 106 verso zuwendet. Beide Figuren bilden den visuellen Abschluss der storia zur Vision des Gottesthrones (Off 4,1–6).650 Bemerkenswert ist ferner auch die Rezeption antiker Motive, wie die auf eine Art Meeresdrachen reitende halbnackte Figur auf folio 157 verso, deren Kopf ein Flügelpaar schmückt (Abb. 60).651 Während der Reiter an einen Poseidon erinnert,652 bringt das tierische Wesen mittelalterliche Darstellungen des Sternbildes Ceteus in Erinnerung.653 Gar nicht berücksichtigt wurde, dass sowohl die einem Poseidon ähnliche Figur als auch das seitlich platzierte Pferd, dessen Reiter mit Lanze und phrygischer Mütze ausgestattet ist, mit genau jenen roten Punkten versehen sind, die auch den geflügelten Atlas unterhalb der Maiestas Domini am Beginn des Codex auszeichnen (Abb. 44). Auch wenn weder das Pferd, dessen Kopf als Hand wiedergegeben ist, noch die anderen Figuren sich mit tatsächlichen Sternbildern identifizieren lassen, wird dennoch dieser Kontext hier aufgerufen. All diesen Figuren, die eben nicht allein aus einem orientalisch-islamischen Bilderfundus schöpfen, ist ihre Platzierung zwischen dem Explicit einer storia des Offenbarungstextes und deren Kommentierung, der explanatio, gemeinsam.654 Oft am unteren Rand der Seite und fanden, und verweist darauf, dass solche Objekte im mediterranen Raum breit rezipiert wurden. 648 Werckmeister, Formen (1965), 945, erörtert, dass es sich hierbei um eigentlich iranische Tiermotive handelt. Zu den Vergleichsbeispielen in der Kunst aus Al-Andalus: Boto Varela, Marginalia (2007), 466–467, Anm. 117. Siehe auch Grabar, Elements (1950). 649 Vgl. Gómez-Moreno, Arte mozárabe (1951), 186, Abb. 246. – Für die Mischwesen im Girona-Beatus: Williams, Beatus (1994), Bd. 2, Abb. 337. 650 Williams, Beatus (1994), Bd. 2, Abb. 313. 651 Vor der explanatio zur sechsten Posaune: Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Lib. V, 8. 652 García-Tejedor, Analysis (2004), 126. 653 Auch Boto Varela, Magnalia (2007), 464. Vgl. etwa das Ungeheuer mit Klauen und Fischschwanz in einer Handschrift in London (BL, Ms. Harley 647, fol. 1r), die die Übersetzung der Aratea, ein astronomisches Gedicht, enthält (dat. um 830–840). Siehe Blume, Haffner und Metzger, Sternbilder (2012), Taf. 25. – Williams, Beatus (1994), Bd. 2: 58, verweist auf karolingische Handschriften, genauer die Darstellung eines Seeungeheuers in der Vivians-Bibel (Paris, BnF, Ms. 1, fol. 327r). 654 Bei den weiteren zwischen storia und explanatio platzierten Darstellungen handelt es sich um: Vogel, Hund und zwei Ziegen (?) in einer Ranke (fol. 156r); Hasen unter Pflanzen (fol. 159r); Kampf zwischen zwei Hunden oder Wölfen (fol. 223r).
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damit eher peripher angeordnet, gehen sie den ebenfalls die Schwelle zwischen storia und explanatio markierenden Bildfeldern des umfangreichen apokalyptischen Zyklus voraus, von denen sie sich allerdings im Hinblick auf ihren Modus der Darstellung grundsätzlich unterscheiden. Während die Bildfelder des Zyklus stets gerahmt erscheinen, sind die phantastischen Figuren und Mischwesen stets ohne Rahmung auf das Pergament gebracht. Aus rezeptionsästhetischer Perspektive ergibt sich dadurch eine Nähe zum Betrachter, die bezogen auf die Bildfelder apokalyptischer Thematik gar nicht gegeben ist, da deren Rahmung eine andere Realitätsebene zu evozieren vermag. Diese Nähe zum Betrachter wird etwa durch den reitenden Mann mit phrygischer Mütze auf folio 157 verso noch unterstrichen, der sich dem gegenüberliegenden Bildfeld betrachtend zuwendet und damit die Position des Betrachters auf der Buchseite einnimmt (Abb. 61). In dieser ihnen zugewiesenen Position zwischen storia und explanatio folgen die marginalen Motive einer Systematik und erfüllen damit eine ordnende Funktion bezogen auf die visuelle Gliederung und Wahrnehmung des Textes in Offenbarung und Kommentierung. Die ordnende Wirkung der phantasievollen, marginalen Wesen im Hinblick auf den Kommentar und seine Illuminierung resultiert jedoch nicht nur aus ihrer Platzierung zwischen storia und explanatio, sondern gerade auch daraus, dass sie sich einer klaren Deutung entziehen.655 Daher sind auch die aus der al-andalusischen Kunst vermittelten Motive keinesfalls als Beleg einer anti-muslimischen Polemik im Girona-Beatus zu werten. Vielmehr steht die Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen wird, für einen Prozess der Einbettung von aus anderen Kulturzusammenhängen stammenden Traditionen in den eigenen, christlich geprägten Bilderkosmos. Und in diesem Zusammenhang bestätigen die wortwörtlich randständigen Motive gerade durch ihre uneindeutige und Verwirrung stiftende Gestalt die Ordnung des zentralen Apokalypsekommentars und des ihn begleitenden Bildzyklus. So bereichern und bekräftigen die Mischwesen, die mal dämonisch und gefahrvoll, mal harmlos erscheinen und dann wieder kaum einzuordnen sind, vom Rande her den Diskurs um Unglauben und Glauben, der sowohl im Bildzyklus zur Apokalypse als auch in der christologischen Bildnarration zu Beginn des Codex entfaltet wird. Vergleichbar der Strukturierung des Textes in storia und explanatio ist damit auch für die bildliche Ausstattung ein diskursives Darstellungsschema entwickelt, das letztlich auf den Gebrauch dieser Handschrift für das Lesen und Sehen als jeweils gleichberechtigte Elemente der monastischen lectio zugeschnitten ist. Folglich ist der Parcours eröffnender Illuminationen im Girona-Beatus aufgrund der sich immer wieder inhaltlich aufeinander beziehenden und kommentierenden Darstellungen als ein Übungsfeld zu begreifen, welches auf eine Steigerung der Aufmerksamkeit für die Struktur der Textgattung zielt.
655 Diesen Gedanken entwickelt in ähnlicher Weise Boto Varela, Marginalia (2007), 480, ohne ihn in Bezug auf den Girona-Beatus weiter zu verfolgen.
Der Weg in den Codex als ‚Anlaufrückschritt‘ 145
V.3 Der Codex Albeldense – Der Weg in den Codex als ‚Anlaufrückschritt‘ Im Unterschied zu den unbebilderten Gesetzestexten heute sind mittelalterliche Rechtssammlungen mitunter illuminiert worden.656 Dies gilt auch für den sogenannten Codex Albeldense, einer Sammlung verschiedener Rechtstraktate sowie anderer Textsorten, die zwischen 974 und 976 im Kloster San Martín de Albelda in der Rioja von den Mönchen Vigila, Sarracino und Garsea geschrieben und illuminiert wurde. Dennoch ist die Fülle der Illuminationen auch für einen frühmittelalterlichen Codex einzigartig, woran gerade die Vielzahl ganzseitiger Eröffnungsminiaturen einen entscheidenden Anteil hat. Vergleichbar ist ihr der sogenannte Codex Aemilianense, der 992 im benachbarten Kloster San Millán de Cogolla nach dem Vorbild des Codex Albeldense entstanden ist. Daneben weiß man von fünf weiteren Handschriften ähnlichen Inhalts aus dem 10. Jahrhundert, die illuminiert waren, jedoch heute nicht mehr erhalten sind.657 Aus kodikologischem Blickwinkel erweist sich die 433 Blätter umfassende Handschrift als vollständig und relativ regelmäßig im Aufbau sowie in der Anordnung der Lagen, so dass sie sich anbietet, das Zusammenspiel der Eröffnungsseiten detailliert zu betrachten. Der Codex gelangte 1571 aus dem Besitz des Grafen von Buendía in die Bibliothek des El Escorial und bekam aus diesem Anlass einen neuen Einband, den er bis heute besitzt.658 Philipp II. brachte dem Codex Albeldense ein besonderes Interesse entgegen, denn er betraute seinen Hofchronisten, den Hieronymiten Ambrosio de Morales, mit der Aufgabe, über Inhalt und Relevanz Bericht zu erstatten. Diesem Umstand ist eine Beschreibung der Handschrift zu verdanken, die 1793 in den Opúsculos castellanos bei D. Benito Cano in Madrid abgedruckt wurde.659 Zwar hat Morales nicht jede Seite beschrieben, jedoch werden besonders die Seiten am Beginn und Ende des Manuskriptes in der Reihenfolge besprochen, wie man sie heute noch vorfindet.660 Im Zuge einer Faksimilierung wurde der Codex jüngst kodikologisch genauer untersucht. Er besteht aus 57 Lagen, wovon 84 Prozent die für nordspanische Handschriften der Zeit typischen Quaternionen darstellen. Die meisten Lagen beginnen und enden gemäß der 656 Vgl. Böse und Wittekind, Einleitung (2009). – Zu den illuminierten Rechtshandschriften stellvertretend Mordek, Gesetzgeber (1995), zu den frühen Handschriften; L’Engle, Legal Manuscripts (2000), zur Ausstattung des Decretum Gratiani; Hayduk, Rechtsidee (2010), insbes. zum Behem-Codex, aber auch zum Sachsenspiegel; Bertram und Di Paolo, Decretales pictae (2012), zu den Dekretalen. 657 Silva y Verástegui, Illustration (1989), 249. – Zur visuellen Ausstattung der frühmittelalterlichen Rechtshandschriften auf der Iberischen Halbinsel: dies., Iconografía (1984); Imágenes (1986); Contribución (1991). 658 Wann und wie die Grafenfamilie, die ihren Sitz in der Rioja hatte, in den Besitz der Handschrift gelangte, ist unklar. San Martín de Albelda war bereits 1435 aufgelöst worden. In der Folge gingen die Besitztümer, möglicherweise auch die Bibliothek, an die Colegiata de La Redonda in Logroño über: Lázaro Ruiz, Monasterio (1997), 353 u. Anm. 1 u. 2. 659 Ambrosio de Morales, Opúsculos castellanos, 71–74. 660 Dazu gehört das Autorenbild auf fol. XXIIv (Ambrosio de Morales, Opúsculos castellanos, 71); die Gittergedichte (fol. 1–4) (Ambrosio de Morales, Opúsculos castellanos, 72); die Texte und Diagramme zum Computus (fol. 7–11); ganzseitige Miniaturen und Indices (fol. 14, 15, 17, 18, 20); sowie die Illumination und die Gedichte am Ausgang des Codex (fol. 428, 429).
146 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
Schema der ersten und letzten Lagen des Codex Albeldense
Gregory-Regel mit einer Haarseite.661 Hingegen weisen die ersten vier Lagen, die für meine Fragestellung von Interesse sind, Unregelmäßigkeiten auf, die sich aber zum großen Teil erklären lassen. Den Auftakt des Codex bildet auf der Rückseite des ersten, stark beschnittenen Pergamentblattes ein Bildnis des Mönchs Vigila, der gemeinsam mit Sarracino und Garsea die Kompilierung und Illumination der Handschrift verantwortet hatte (Abb. 65). Das Blatt ist Bestandteil der ersten Lage, in der es mit folio 4 ein Bifolium bildet. Es besitzt dennoch eine römische Folierung, die es im Zuge der Neubindung im Jahre 1571 erhalten hat, als dem Codex ein Index (fol. I–VIII) von Ambrosio de Morales und Júan Vázquez de Mármol vor-
661 Der Begriff geht auf den Neutestamentler Caspar René Gregroy (1846–1917) zurück. Er erkannte, dass die Anordnung der Blätter in den Lagen mittelalterlicher Handschriften der Farbtongleichheit folgte. Entsprechend stehen sich zwei Haarseiten bzw. zwei Fleischseiten gegenüber: vgl. Rück, Pergament (1991), 17.
Der Weg in den Codex als ‚Anlaufrückschritt‘ 147
Schema der ersten und letzten Lagen des Codex Albeldense
angestellt wurde. Dass es zu diesem Zeitpunkt das erste Blatt des Codex darstellte, ist durch einen Vermerk von Vázquez de Mármol im Index belegt.662 Die erste, dritte und vierte Lage sind insofern unregelmäßig, als in ihnen jeweils ein Blatt kein Gegenüber im Sinne eines vollständigen Bifolium besitzt.663 Nach José A. Fernández Flórez und Marta Herrero de la Fuente, die sich eingehend mit dem materiellen Zustand der Handschrift beschäftigt haben, lässt sich aus diesem Befund nicht zwingend schließen, dass nachträgliche Veränderungen stattgefunden haben. Für einen originalen Zustand spricht die regelmäßige Anordnung von Fleisch- und Haarseiten in insgesamt gut vorbereiteten Lagen.664 662 Fol. I: Primum quidem omnium. Folii primi, facie secunda, Vigila est depictus, scribentis habitu […]. Zit. nach: Fernández Flórez und Herrero de la Fuente, Albeldense (2002), 45. Dazu vgl. die handschriftlichen Notizen von Vazquéz de Mármol in: Razón de códices conciliares, recogidos por Juan Bautista Pérez, Vázquez de Mármol y otros autores para una edición de concilios; reunidos por el P. Andrés Marcos Burriel, XVI-XVIII. Madrid, BNE, Ms. 12742, fol. 164r–166v, hier: fol. 165r: En la I hoja esta pintando un ombre escriviendo sobre una mesa de un pie […] un libro en que esta pintando con una pluma […]. 663 Die erste Lage ist ein irreguläres Ternio (fol. XXII–4), in der fol. 3 ein einzelnes Blatt darstellt. Bei der III. Lage, ein irreguläres Binio, bildet fol. 13 das Einzelblatt. Und schließlich ist in der IV. Lage (fol. 16–20), wiederum ein unregelmäßiges Ternio, fol. 20 als einzelnes Blatt erhalten. Dagegen ist die II. Lage regelmäßig (Quaternio). 664 Fernández Flórez und Herrero de la Fuente, Albeldense (2002), 57.
148 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
In der Forschung gilt der Codex Albeldense als Rechtshandschrift. Den größten Umfang nimmt die Collectio Hispana ein.665 Diese umfasst den Liber Canonum (222 folia), das heißt die Beschlüsse (canones) spätantiker und frühchristlicher Kirchenkonzile bis in das Jahr 681, und die Dekretalen (91 folia), päpstliche Antwortschreiben auf die die spanische Kirche betreffenden Probleme und Fragen. Ferner enthält der Codex den Liber Iudicium (62 folia), das zivile Recht der Westgoten. Damit sind nachweislich erstmals in einem Band Kirchenrecht und westgotisches Recht zusammengefügt. Mit einem Ritus zur Durchführung von Konzilen, dem Ordo de celebrando concilio (fol. 334–335), einem Penitentiale (fol. 357–358) sowie Auszügen aus der Regel des Hl. Benedikt (fol. 350–352) sind weitere normative Schriften der Handschrift benannt. Darüber hinaus enthält der Codex eine Reihe von Traktaten unterschiedlichster Textgattungen, die es ebenso berechtigt erscheinen lassen, von einer Sammel- oder Miszellanhandschrift zu sprechen: Dazu gehört eine Sammlung verschiedenster historiographischer Texte die Iberische Halbinsel betreffend (Chronicon Albeldense, fol. 238– 248), eine Sammlung von Kurzbiographien unterschiedlicher Autoren (De viris illustribus, fol. 341–345), sodann dem Hl. Augustinus und anderen Autoren zugeschriebene Sermones (fol. 352–357) sowie ferner eine Gruppe von komputistischen, mathematischen und die Sprachen betreffenden Texten am Beginn der Handschrift (fol. 4–15). Dieses vielschichtige Konglomerat erweckt den Eindruck, man habe eine kleine Bibliothek vor sich. Daher ist denkbar, dass der Zuschnitt pragmatischen Erwägungen folgte, das heißt einige wissenschaftliche Texte dem Studium der Mönche dienten. Für den Liber Iudicium ist vielfach belegt, dass auf ihn in der zeitgenössischen Rechtspraxis zurückgegriffen wurde.666 Dies lässt sich für die Collectio Hispana nicht nachweisen, die gleichwohl, wie der Liber Iudicium, auf der Iberischen Halbinsel zirkulierte und sogar Mitte des 10. Jahrhunderts ins Arabische übersetzt wurde.667 Vor allem ist davon auszugehen, dass der Codex Albeldense eine repräsentative Funktion erfüllte: Mit der Zusammenfügung von kirchlichem und zivilem Recht wurde ein herrschaftliches Selbstverständnis postuliert, mit dem sich das Königshaus von Navarra in die Tradition westgotischer Herrscher stellte. Dies wird durch die Chronica Albendensia bestätigt. Denn dieser ist eine Liste der Könige von Navarra angehängt, durch welche sich das Königshaus von Navarra über die asturischen auf die westgotischen Herrscher zurückführt. Dem Codex stehen insgesamt neunzehn Blätter mit ganzseitigen Miniaturen, verschiedenen Formen visueller Poesie, Diagrammen sowie einer Reihe von kürzeren Texten zu Fragen von Zeit, Zahl und Schrift voran. Den Vorspann kennzeichnet demnach eine Vermischung von bild- und textbasierten Teilen. Den Abschluss der Handschrift bilden eine ganzseitige Miniatur auf folio 428 recto, die dem Codex zugewandt formal dem hier endenden Liber Iudicium zugehört, sowie zwei Gedichte auf der Vorder- sowie Rückseite des letzten Blattes. Es stellt sich also zum einen die Frage, ob die einzelnen libri des Codex Albeldense durch die einleitenden Illuminationen sowie durch die Abschlussgestaltung des Codex zusammengeschlossen und als ein einziges Werk erkennbar gemacht werden sollten. Zum anderen gilt zu
665 Vgl. die Beschreibung bei Antolín, Catálogo (1910–23), Bd. 1, 369–404. 666 Vgl. Collins, Literacy (1998), 129; Rucquoi, Création de droit (2005), insbes. 127–129. 667 Koningsveld, Manuscripts (1994); Rucquoi, Création de droit (2005), 125.
Der Weg in den Codex als ‚Anlaufrückschritt‘ 149
untersuchen, wie der Eröffnungsparcours den Betrachter auf den ersten zusammenhängenden und umfangreichsten Traktat des Codex Albeldense, den Liber Canonum, vorbereitet. Diesem gehen verschiedene Indices und einleitende Texte voraus (vgl. Kat. I.4). So ist ihm der schon bekannte Traktat, die Excerpta Canonum, vorangestellt (fol. 20–56), welcher in zehn Büchern einen systematischen Zugriff auf die geographisch sowie historisch geordneten Konzilsakten bietet.668 Dem Liber Canonum stehen ferner ein Index (fol. 56v–70r), das heißt eine Auflistung der in den einzelnen Konzilen verhandelten Canones, voran, die vergleichbar den Kanontafeln der Evangelien-Handschriften in Doppelarkaden angeordnet sind. Anders als ihr Vorbild stellen sie jedoch keine Konkordanz dar. Ein Prolog (fol. 70v) schließt diese textbasierten Präliminarien ab. Betrachtet man die dem Liber Canonum vorausgehenden Seiten am Beginn des Codex, so fällt auf, dass dieser mehrfach angekündigt wird. Erstmals wird auf ihn in jenem Gedicht auf folio 1 recto hingewiesen, welches von dem Schreiber und Illuminator der Handschrift, Vigila, stammt (Abb. 66). In dem Gedicht wird der Liber Canonum als ein zentraler Traktat herausgehoben, als ein duftendes Werk (redolentes libri canonum) und als ein Körper, in den die süßen Worte des Alten und Neuen Testaments eingeprägt sind.669 Sodann ist der Liber Canonum auf der Doppelseite folio 15 verso und folio 16 recto Thema. Auf folio 15 verso ist in einen mit Flechtwerk geschmückten Rahmen ein Titulus eingetragen, in dem auf die CAPITVLA LIBRI CANONIS verwiesen wird, worunter die einzelnen Bücher der EXCERPTA CANONUM zu verstehen sind (Abb. 69).670 Diese Capituli werden dann auf der gegenüberliegenden Seite in einer Tabelle im Einzelnen aufgelistet. Unterhalb des Titulus auf folio 15 verso findet sich ein weiterer Index, der annähernd zeitgleich entstanden sein muss.671 In diesem Index sind noch einmal die verschiedenen Bücher der Collectio Hispana, einschließlich der Dekretalen aufgelistet und sogar, in fortlaufender Nummerierung, der Liber Iudicium erfasst.672 Damit handelt es sich um das einzige Verzeichnis, mit dem der Versuch einer über den Liber Canonum und sogar die gesamte Collectio Hispana hinausführenden Inhaltsangabe des Codex Albeldense unternommen wird. Allerdings wird auf diese Nummerierung im weiteren Verlauf der Handschrift nicht mehr zurückgegriffen. Ein weiterer Titulus, nun zum 668 Dieses wurde der zweiten und dritten Rezension der Collectio Hispana hinzugefügt. Siehe Martínez Díez, Hispana (2002), 144. 669 […] UBI NOBI AC UETERIS ET SACRATVM DOGMAQ(VE) ILLVT INPRIMIENS ALMI UNIUSUE IN CORPORE LIBRI […]. 670 CAPITVLA LIBRI CANONIS UT UALEAS / QUOD REQUIRIS CITO IN HOC ARGU/MENTO INUENIRE HEC TIBI LECTOR / PAGINA RECTIUS INDICAT QUALITER / INSINGULIS SINODIS A SACERDOTIB(US) / ORTODOXISQ(UE) SCISSIMIS OBTIME / CONSTITUTUM EST NAMQUE / OBSERBARI INCO(M)BVLSU(M) DECRETU(M). – Zu vermuten ist, dass eine solche Ankündigung im Codex Aemilianense (hier: Kat. I.5) auf fol. 12r, 12v erfolgen sollte, gleich im Anschluss an den komputistischen Traktat. Wohl im Sinne einer Textauszeichnung wurde hier jeweils ein ornamentaler Rahmen vorbereitet. 671 Es ist dieselbe Handschrift, in der die Kommentierungen zu den Gedichten auf fol. 1r, fol. 429r/v und zur abschließenden ganzseitigen Miniatur auf fol. 428r in der Marginalspalte erfolgt sind. 672 I De om(n)ium canoni(s) indicationib(u)s / II De ex cerptis canonis capitulis / III De capitulationib(u)s canonis / IV De om(n)ib(u)s sinodis / V De om(n)i concilio ut primo toletano / VI De ep(i)st(u)lis pontificum / VII De initio sinodi / VIII De libro iudico.
150 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
Liber Canonum, findet sich schließlich auf folio 20 recto (Abb. 77). Allerdings folgen hier noch nicht die Konzilsakten, sondern zunächst ihr systematischer Index, die Excerpta Canonum.673 Innerhalb des Eröffnungsparcours wird demnach der Liber Canonum mehrfach angekündigt, ohne dass die Konzilsakten tatsächlich beginnen würden. Dieses auffällige Verzögern, ein wiederholtes Anmoderieren des eigentlichen Inhalts, ohne jedoch zu diesem selbst zu gelangen, lässt sich wohl am besten mit der Denkfigur des ‚Anlaufrückschritts‘ erfassen, die sich im Werk des Soziologen Georg Simmel findet. Simmel verwendet den Begriff zunächst in seiner Einlassung zur Ästhetik des Bilderrahmens aus dem Jahre 1902: Dort beschreibt er die Wirkung, die durch die Geschlossenheit und Einheit des gerahmten Kunstwerks entsteht. Diese Geschlossenheit erzeuge zwar Distanz, würde aber zugleich umso stärker in das Bewusstsein eindringen: „[…] jenes für Für-Sich-Sein [bezogen auf das Kunstwerk, d. Verf.] ist der Anlaufrückschritt, mit dem es umso tiefer und voller in uns eingeht.“674 In einem Artikel über die Gemeinsamkeiten zwischen religiösem und künstlerischem Verhalten von 1907 greift Simmel erneut auf den Begriff des ‚Anlaufrückschritts‘ zurück. Hier dient er ihm, um das zwischen Gott und der Seele bestehende Doppelverhältnis zu beleuchten: „Aber der Gott, in dieser Distanz verbleibend, bleibt zugleich nicht in ihr, sondern als wäre jene nur ein Anlaufrückschritt, bemächtigt sich die Seele seiner als des Nächsten und Vertrautesten, bis zur mystischen Einswerdung mit ihm.“675 Gerade das Distanzverhältnis zu Gott, steigere also paradoxerweise die Empfindung von dessen Nähe. Simmels Deutungsmuster lässt sich nicht unbesehen auf das hier untersuchte Phänomen übertragen. Der Eindruck der Distanz entsteht nicht durch die ‚In-Sich-Geschlossenheit‘ des Liber Canonum als der erste zusammenhängende Text im Codex Albeldense. Ebenso wenig wird sie dadurch hervorgerufen, dass der Text sich als der Wirklichkeit entziehende Entität darstellt. Begreift man Distanz hingegen topologisch, bezogen auf den Ablauf der Seiten, so wird sie dadurch erzeugt, dass sich der Beginn des Textes im Raum des Codex immer wieder ‚verschiebt‘. Auf diese Weise wird einer durch die Ankündigung geweckten Erwartung nicht entsprochen, wohl mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit und das Empfinden für den Liber Canonum und dessen Bedeutung zu steigern. Dieser Prozess wird durch die visuelle Gestaltung, die die ersten neunzehn Blätter des Codex dominiert, sogar noch verstärkt.
673 I(n) N(o)M(i)NE PATRIS ET FILII / ET SP(iritu)S S(an)C(t)I INCIPIT LIBER / CANONVM IVS IMPERIALE/ AT TOTIVS ORBIS TEN/ENTIBVS ABTISSIME / NAMQ(ue) EDITVS. 674 Simmel, Bilderrahmen (1902, 1995), 102. – Ich danke der Lyrikerin Barbara Köhler, die während meines Aufenthaltes an der Cornell-University in einem Vortrag meine Aufmerksamkeit auf den Begriff lenkte. 675 Simmel, Christentum (1907, 1995), 264. Und schließlich wirft Simmel den Begriff in einem Beitrag zum Wesen menschlicher Aversionen auf: „Man könnte auf die paradoxe Vermutung kommen, daß bei Naturen, die zu dem allerengsten Gefühlsverhältnis bestimmt sind, dieser Turnus durch eine instinktive Zweckmäßigkeit hervorgerufen wäre, um dem definitiven Gefühl durch sein entgegengesetztes Präludium – wie durch einen Anlaufrückschritt – die leidenschaftliche Zuspitzung und Bewusstsein dessen, was man nun gewonnen hat, zu verschaffen.“ Simmel, Mensch (1908, 1995), 343.
Der Weg in den Codex als ‚Anlaufrückschritt‘ 151
Genealogie der Gelehrsamkeit Die ersten und letzten Seiten des Codex Albeldense sind vor allem jenen gewidmet, die für seine Kompilierung und Illuminierung verantwortlich zeichnen. Auf der Rückseite des ersten Blattes (fol. XXv) eröffnet den Codex eine Darstellung Vigilas, die um einen Schreibereintrag ergänzt ist. Diesem Bildnis steht auf folio 1 recto ein Gedicht Vigilas gegenüber. Daran schließen fünf Gittergedichte an (fol. 1v–3v), in denen in schriftbildlich verschlüsselter Form der Illuminatoren und Kompilatoren sowie der navarresischen Königsfamilie gedacht wird: König Sancho II. Garcés von Navarra (970–994), seiner Frau Urraca sowie Sanchos Bruder Ramiro Garcés, König von Viguera (935–981).676 Sowohl das Bildnis des Vigila, eines der wenigen Schreiber- und Buchmalerbildnisse in der nordspanischen Buchkunst,677 als auch das Gedicht thematisieren den Prozess der Handschriftenproduktion. Der Herstellungsakt tritt demnach in Parallele zum Beginn der Rezeption; will heißen, im Aufschlagen der Handschrift vollzieht sich für den Rezipienten die Entstehung des Codex noch einmal neu. Unter einer Arkade, deren Binnenfeld durch die gelbe Farbe als eigener Raum in Erscheinung tritt, sitzt Vigila nach rechts gewandt an einem Schreibpult, welches mit zwei Tintenfässern ausgestattet ist (Abb. 65). Gebeugt über einen Codex ist er gerade dabei, eine Viererschlaufe zu gestalten, anders, als es in dem Bogenfeld darüber im zwölfzeiligen Schreibereintrag festgehalten ist.678 Denn dieser ist dem Schreibprozess gewidmet, der zudem aus der Rückschau, das heißt aus der Perspektive des vollendeten Werkes, geschildert wird.679 Vergleichbar wird auch in jenem dem Bildnis gegenübergestellten Gedicht, in dem erstmals der Liber Canonum Erwähnung findet, der Beginn des Schaffensprozesses betont, begleitet von formelhaften Bitten um göttliche Unterstützung (Abb. 66).680 676 Zu den Gittergedichten: Díaz y Díaz, Vigilán (1981); Ernst, Carmen figuratum (1991), 474–491. – Es ist unklar, ob das Königreich Viguera ein unabhängiges oder ein von Navarra abhängiges darstellte: Collins, Caliphs and Kings (2012), 212. 677 Zu den Bildnissen von Schreibern oder Illuminatoren vgl. Silva y Verástegui, Retrato del artista (1986); Cid Priego, Retratos (1989); zuletzt Brown, Bodies and Bookmaking (2011). Eine weitere Darstellung schreibender oder illuminierender Mönche findet sich im Tábara-Beatus, fol. 167v (hier: Kat. I.7, Abb. 41). Bei Mentre, L’enlumineur (1986), Abb. 4, findet sich eine Nachzeichnung der nur noch schlecht erhaltenen Miniatur. 678 Vigila ist sicherlich nicht schnitzend gezeigt. Zu Schreibgeräten in Evangelistenbildnissen vgl. den Beitrag von Mazhuga, Instruments d’écriture (2000). 679 In exordio igitur hui(us) / Libri oriebatur scribendi uotu(m) / mici uigilani scribtori sed fusorem / pargament(um) nimis uerebar. Tamen quid / mici olim conueniret agere nisi duuietate [dubietate] post/ posita ut in n(o)m(in)e mei Ih(es)u Christi incoasse scribendum / Inito au(te)m affectu certatim cepi edere ceu iconia / subinpressa modo ostendit, et ad ultim(um) nitens perueni / Idcirco grates ipsi d(omi)no qui mici dignatus est auxiliari / Demumq(ue) post peracto hui(us) uite cursu / dignetur largiri premia eterna cum / celipolis in regno polor(um) amen. Zum Verhältnis von Text und Bild in dieser ersten Illumination des Codex Albeldense: Böse, Recht sprechen (2009). 680 DIVINA VIRTVS CRISTE LVX LUMINIS FABE TVO / INCIPIE(N)S OPVS PRECOR TE O PIE PATER […]. Und der Abschluss: […] CORUSCANS HEC ALFA ATQ(UE) TVA IUBATUS MANV / ENIXE ACTUM MEREAR PERUENIRE AD PORTVM. Der Vergleich zwischen Schreibprozess und Schiffsreise findet sich auch in den Kolophonen anderer nordspanischer Handschriften: Girona-Bea-
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Dem Inhalt des Gedichtes entspricht eine besondere Form. Der metrische Text (trochäische Verse) ist in Auszeichnungsschrift (Majuskeln) abgefasst, die zeilenweise zwischen roter und blauer Farbe wechseln. Die Anfangs- und Endbuchstaben, welche senkrecht gelesen einen eigenen Sinn (Akrostichon und Telestichon) ergeben, sind rot aufgetragen und durch gelbe Farbe zusätzlich hervorgehoben. Zudem sind den einzelnen Silben des Textes prosodische Zeichen hinzugefügt, die dem in der Marginalspalte etwa zeitgleich annotierten Versmaß entsprechen.681 Die Eröffnung des Codex durch ein gerahmtes Gedicht in einer besonderen Schriftgestaltung erinnert an jene Epigramme, die seit dem 11. Jahrhundert in byzantinischen Handschriften überliefert sind und dort, vor allem Manuskripten religiösen Inhalts vorangestellt, die Heiligkeit der nachfolgenden Texte zum Ausdruck bringen sollten.682 Auf dieses Gedicht folgen fünf Gittergedichte (carmina cancellata; fol. 1v-3v), von denen angenommen wird, dass sie nicht Vigila, sondern der Mönch Sarracino konzipiert hat (Abb. 67).683 Die Position solcher Gittergedichte eingangs eines überwiegend Rechtstexte enthaltenden Codex ist ungewöhnlich, da sie eher in selbstständigen Gedichtsammlungen684, wie sie seit der Spätantike überliefert sind, oder verbunden mit Texten für den monastischen Schulgebrauch zu erwarten gewesen wären.685 Bereits an anderer Stelle war thematisiert worden, dass die Gedichte im Codex Albeldense wohl der Darstellung der Kunstfertigkeit von Schreibern oder Buchmalern dienten, die damit zugleich an eine bereits unter karolingischer Herrschaft wiederbelebte Tradition spätantiker und frühchristlicher Dichtkunst anknüpften. Dieser Rückgriff wird verständlich, wenn man berücksichtigt, dass das Kloster Albelda zum Zeitpunkt der Herstellung der Handschrift eine noch relativ junge monastische Gemeinschaft darstellte, die ihre Existenz sicherlich auch intellektuell zu begründen suchte. In den Gittergedichten werden Momente der Heilsgeschichte, auch Anrufungen Christi, Marias und der Heiligen mit den Fürbitten für die Schreiber Sarracino, Vigila, die Mönche tus, fol. 284r (hier: Kat. II.6); Tábara-Beatus, fol. 170r (hier: Kat. I.7). – Das erste Blatt im Codex Aemilianense, fol. Xr, Xv ist auf beiden Seiten durch einen ornamentalen Rahmen vorbereitet, der allerdings nicht ausgefüllt wurde. Denkbar ist, dass hier dem Codex Albeldense vergleichbare Gedichte eingetragen werden sollten. 681 Metrum trocaicum / quod ex troceo nomen accepit / locis omnibus ponitur / et in septimo cum catalecton / huius exemplum / Psallat altitudo celi / (p)sallant omnes angeli. Vgl. Díaz y Díaz, Libros (1991), 352. 682 Diesen Hinweis verdanke ich Karin Krause, die eine schriftliche Auswertung der byzantinischen Epigramme vorbereitet. Es ist denkbar, dass die Gedichte in beiden Kulturräumen an eine gemeinsame Tradition anknüpfen. 683 Dies wird geschlossen aus dem Intext des ersten Gittergedichtes (fol. 1v), in dem Sarracino den Leser bittet, sich seiner zu erinnern: Sarracini mementote. Siehe Díaz y Díaz, Vigilán (1981), 63; Ernst, Carmen figuratum (1991), 480. – Abb. in García Turza, Códice Albeldense (2002), 125, 128, 212, 213. 684 Vgl. etwa die Überlieferung der Gittergedichte des Venantius Fortunatus in einer Handschrift in Sankt Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 196, fol. 38v, 39r: http://www.e-codices.unifr.ch/de/ csg/0196/38/0/Sequence–382 [letzter Zugriff: 16.8.2016]; ferner Alkuins Gittergedichte neben denen anderer im Codex Bernensis (Burgerbibliothek Bern, Cod. 212, fol. 123r, 125v). Und siehe auch jene Manuskripte, die Hrabanus Maurus’ Liber de laudis sanctae crucis enthalten. Reudenbach, Imago-figura (1986); Ferrari, Liber sanctae crucis (1999); Ausst.-Kat. Rabanus Maurus (2006). 685 Vgl. zwei aus dem Kloster Ripoll stammende Codices: Barcelona, Arxiu de la Corona d’Aragó, Ripoll 46, fol. 26; Ripoll 74, fol. 14.
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des Klosters Albelda und für das navarresische Königshaus verbunden.686 Dabei ergeben sich die Fürbitten aus jenen Buchstabenkästchen, die farblich hervorgehoben sind und in der Summe zumeist ein Kreuz darstellen. Eine Ausnahme bildet das Gittergedicht auf folio 2 recto, in dem stattdessen ein abstrahierter Palmenwedel farblich im Buchstabengitter hervortritt (Abb. 67). Dieses Gedicht ist ein Beispiel dafür, wie Haupttext und Intext inhaltlich verzahnt sind. Während im Haupttext von einer siegreichen Palme die Rede ist, die für König Sancho II. Garcés und seinen Bruder Ramiro erbeten wird, steht diese in jenem Text, der sich aus den Buchstabenkästchen der Mittelachse des Palmenblattes bildet, für den Paradiesbaum.687 In den symmetrisch angeordneten Zweigen wird ferner von oben nach unten in hierarchischer Abstufung Sanchos, Urracas und Ramiros gedacht.688 Die aus den Letternfeldern hervortretenden Symbole von Kreuz, Palme und Raute lassen sich ferner in Bezug zu den Inhalten der Gedichte setzen: So enthält das erste, durch ein farbiges Kreuz gestaltete Gedicht auf folio 1 verso ein Lob an dasselbige, während im letzten Gedicht auf folio 3 verso die Raute als Symbol der geschöpften Welt mit dem im Gedicht als Erneuerer der Welt angesprochenen Christus in Beziehung gesetzt wird.689 Die Darstellung der Fürbitten in einer gegenstandsbildenden Letternfolge bestärkt ferner die heilsvermittelnde und heilsstiftende Funktion dieser Gittergedichte, die sowohl im Prozess der Herstellung als auch der Rezeption ihre Wirkung entfalten konnten. Die Gittergedichte repräsentieren eine enge Verbindung zwischen dem Kloster San Martín de Albelda und dem navarresischen Königshaus. Inwiefern dieses die Entstehung der Handschrift finanziell unterstützte, ist nicht bekannt. In jedem Fall erklärt sich die Nennung im Codex Albeldense aus der Tatsache, dass der Großvater von Sancho II. Garcés, Sancho I. Garcés († 925), das Kloster Albelda gründete und auch danach die Königsfamilie den Besitz des Klosters durch Stiftungen mehrte.690 Auf diese enge Beziehung zwischen Kloster und Königsfamilie verweisen Text und Bild in den letzten beiden Blättern des Codex Albeldense. Innerhalb des irregulären Quaternio der 57. und letzten Lage des Manuskriptes stellen folio 428 und 429 Einzelblätter dar.691 Allerdings ist davon auszugehen, dass sie schon immer an 686 Während das zweite Gittergedicht der Königsfamilie und das vierte ausschließlich der Klostergemeinschaft vorbehalten ist, werden in den übrigen drei Gittergedichten das navarresische Königshaus einerseits und die Mönche bzw. die Schreiber des Codex Albeldense gleichermaßen berücksichtigt und auf diese Weise deren Beziehung schriftbildlich manifestiert. 687 ARBOR PARDIS TENSA RAMIS HINCVE SIVE ET HINC. 688 SALBATOR SANCIONI DA VICTORIAE PALMAM. / SANCTA MARIA VRRACAM ANCILLAM RESPICE TVAM. AGIE FABE ANGELO, MICAEL RANIMIRO […] TVO. / VARUM FRVANTVR PRECATVR FAMILIE PALMAS. 689 Vgl. Zeile 28: DEI FILIUS VERVM LVMEN EMICAT MUNDO REPLETO E LUCE AC NOVA ORBE TOTO. Abb. von fol. 3v in: García Turza, Códice Albeldense (2002), 213. 690 Die jeweiligen Könige vermehrten vor allem den Landbesitz des Klosters: Andrés Valero und Jiménez Martínez, Dominio (1985), 346–348. 691 Auch wenn die Lage auf einer Fleischseite endet, erfolgt innerhalb der Lage der Wechsel von Fleischund Haarseite entsprechend der Gregory-Regel regelmäßig. Die Position der letzten beiden Blätter wird durch die Beschreibung Ambrosio de Morales bestätigt. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass es zwischen fol. 427 und fol. 428 ein weiteres Blatt gegeben hat. So auch Fernández Flórez und Herrero de la Fuente, Albeldense (2002), 60.
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das Ende gebunden waren. Die beiden Seiten des letzten Blattes geben Gedichte von Vigila wieder, in denen die Vollendung des Werkes und seine zeitliche und räumliche Verortung – Letztere durch den Bezug zu den in der Rioja herrschenden Königen – zum Thema wird.692 Wie am Beginn der Handschrift so wird also auch hier die enge Verbindung zum Königshaus deutlich gemacht, wenn etwa im zweiten Gedicht auf folio 429 verso Fürbitten und Wünsche für den König Sancho II. Garcés und Ramiro vorgetragen werden (Abb. 89).693 Die letzte bildliche Darstellung des Codex Albeldense findet sich auf folio 428 recto (Abb. 88). Mit ihr werden noch einmal die engen Beziehungen zwischen dem navarresischen Königshaus und dem Kloster, vertreten durch die Illuminatoren und Schreiber, herausgestellt. Gemeinsam mit drei westgotischen Königen sind sie in einem Gitter von drei mal drei Bildfeldern eingetragen.694 Daher bezieht sich die Miniatur zunächst auf den Liber Iudicium, der hier auf der gegenüberliegenden Seite endet (fol. 427v). Im oberen Register des mehrteiligen Gitters sind die westgotischen Könige Cindasvinth (642–653), Reccesvinth (653–672) und Egica († 702) wiedergegeben, die als Legislatoren des Liber Iudicium gelten, was eine zeitgleiche Notiz in der Marginalspalte festhält: Hii sunt reges qui abtauerunt librum judicum. Doch die Anwesenheit Sancho II. Garcés, Urracas und Ramiros im mittleren Register ermöglicht ebenso, diese abschließende Miniatur auf den gesamten Codex zu beziehen. In der Marginalspalte sind sie als diejenigen aufgeführt, in deren Regierungszeit die Vollendung der Handschrift fällt: In tempore horum regum atque regine perfectum est opus libri hujus discurrente era TXIIII. Im untersten Register treten sodann Vigila, Sarracino und Garcea in Erscheinung, die das Buch herausgegeben haben: Uigila scriba cum sodale sarracino presbitero pariterque cum garsea discipulo suo edidit hunc librum mementote memorie eorum semper in benedictione.695 Im Gegensatz zum Bildnis des Vigila am Eingang des Codex Albeldense, in dem der Herstellungsprozess der Handschrift zum Thema wird (Abb. 71), markiert diese Miniatur die Vollendung des Kodifizierungsprojektes und hält Urheber, Traditionspfleger und Überlieferer des Rechts in einer diagrammatischen Struktur bildlich und namentlich fest. 692 Fol. 428v, Zeile 1–2: VIRTUS NEMPE CRISTI MICI SOLACIUM VIGILANI PREBENS HUMILIMO SEPE / INCEPTA CANONIS SACRI HUIUS LIBRI AD CALCEM OPERA PERDUXI NABITER. Zeilen 23–25: DECIES CENTENA AC UNUM DECIES QUARTA ERA LABENS PERNOTA QUE ABID / ET NOTARUM TEMPUS KALENDARUM MAII QUITUS UICESIMUS SEU CURSUS LUNE, /RANIMIRE FRATRE REGNANTE SANCIO REGE ORTODOXO SCRIBTUS EST LIBER HIC / UNA CUM REGINA VRRACA PRECLARA SEXTO ANNO OBITUS REGIS GARSEANI […]. Eine zeitliche Verortung findet sich gleichfalls im Akrostichon und im Telestichon: VIGILA SARRACINUSQUE EDIDERUNT / ERA MILLESIMA SIVE QUARTA DECIMA. – Abb. für fol. 428v in: García Turza, Códice Albeldense (2002), 106. 693 Vgl. fol. 429v, Zeilen 36–40, vgl. Kat. I.4. 694 Zu dieser Miniatur vgl. auch Silva y Verástegui, Retratos reales (1980), 257–261; dies., Iconografía (1987), 537–558; wenig hilfreich Cid Priego, Retratos (1989), 19–21, der die Darstellung unter dem Porträt-Aspekt untersucht; zuletzt Böse, Recht sprechen (2009). 695 Zu edidere im Sinne von ‚herausgeben‘ und ‚herausbringen‘ vgl. Mittellateinisches Wörterbuch, Bd. 3, 2007, 1098. – Unklar ist, ob mit ‚liber‘ hier der Liber Iudicium als einzelner Text oder der gesamte Codex gemeint ist. Jene die Königsfamilie von Navarra erläuternde Notiz verweist wohl auf die ganze Sammlung: opus libri.
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Für nordspanische Rechtskodifizierungen ist diese Miniatur einzigartig.696 Eine vergleichbare Bildlösung findet sich hingegen in einer zwischen 803 und 814 vermutlich im LoireGebiet entstandenen Handschrift, die das Breviarium Alarici enthält.697 Darin sind neben der Lex Romana Visigothorum Volksrechte, wie die Lex Alamannorum, die Lex Salica und die Lex Ripuaria überliefert (Abb.144, 145).698 Auf einer Doppelseite, die dem Traktat zum römischen Recht vorangestellt ist, stehen sich auf folio 1 verso der oströmische Kaiser Theodosius II. (408–450) mit den ost- respektive weströmischen Kaisern Marcianus, Maiorianus und Valentinianus sowie auf folio 2 recto die römischen Juristen Gaius, Julius Paulus, Aurelius Hermogenianus sowie der weströmische Kaiser Libius Severus gegenüber. Im Verhältnis zur nachfolgenden Sammlung römischer Gesetzestexte ist die Darstellung von Personen, die teilweise zu unterschiedlichen Zeiten wirkten, erklärungsbedürftig. Die Anwesenheit Kaiser Theodosius’ auf folio 1 verso lässt sich mit der Tatsache begründen, dass die ersten Bücher des Codex Theodosianus den Auftakt des Breviarium Alarici bilden. Auf die im Verhältnis kleiner dargestellten, dem oströmischen Kaiser mit Büchern zugewandten Marcianus, Maiorianus sowie Valentinianus, die namentlich bezeichnet sind, gehen nach dem Inhalt des Breviarium Alarici die Novellen zurück, die dem Codex Theodosianus angefügt sind.699 Die auf der gegenüberliegenden Seite in einer gitterartigen Struktur wiedergegebenen römischen Juristen, ergänzt um den weströmischen Kaiser Libius Severus, stehen wiederum für weitere zu unterschiedlichen Zeiten abgefasste Rechtstexte, die von Beginn an Bestandteil des Breviarium Alarici waren.700 Die Illuminationen auf folio 1 verso und 2 recto, die sicherlich zusammenhängend betrachtet werden sollten, setzen daher historisch und bedeutungsperspektivisch eigene Akzente. Das größte Gewicht wird jenem, dem Betrachter frontal zugewandten Kaiser Theodosius zugemessen, dessen Gestalt die gesamte Seite einnimmt. Ihm sind die weitaus kleiner dargestellten Kaiser Marcianus, Maiorianus und Valentinianus dergestalt untergeordnet, dass sie ihm gleichsam zuarbeitend erscheinen. Hingegen sind die römischen Juristen sowie Kai696 Davon ausgenommen ist der Codex Aemilianense, fol. 453r (hier: Kat. I.5, Abb. in Silva y Verástegui, Iconografía [1984], Taf. XXVII), dem für die entsprechende Darstellung die Miniatur im Codex Albeldense als Vorbild diente. 697 Paris, BnF, Ms. lat. 4404. Vgl. Mütherich, Rechtshandschriften (1994), 83, Abb. 5; Mordek, Gesetzgeber (1995), 1026–1029; Ausst.-Kat. Trésors carolingiens (2007), 164–165, Nr. 40. 698 Vgl. auch eine Abschrift von Lupus von Ferrières, Liber legum vom E. d. 10. Jh. (Modena, Biblioteca Capitulare, Ord. I.2), in der den einzelnen Rechtstexten Darstellungen der Gesetzesgeber mit Schreibern vorangestellt sind, denen sie diktieren: Mordek, Gesetzgeber (1995), 1038–1047; Ausst.-Kat. 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit (1999), Bd. 1, 56–57, Kat. II.13. – Vgl. ferner eine kanonistische Sammelhandschrift in Vercelli, Biblioteca Capitulare, Cod. CLXV, 1. Hälfte 9. Jh. Den Rechtstexten sind hier zwei Doppelblätter vorangestellt, auf denen Konzile (fol. 2v–4v), die Kreuzauffindungslegende (fol. 2r), Petrus und Paulus (fol. 3r) sowie der thronende Christus (fol. 5r) dargestellt sind: Ausst.-Kat. 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit (1999), Bd. 1, 59–60, Kat. II.15 (Eintrag: Katharina Bierbrauer). 699 Paris, BnF, Ms. lat. 4404, ff. 115v–133v. 700 Libius Severus, Novellae constitutiones (im Pariser Codex ff. 133v–134r); Gaius, Institutionum epitome (hier ff. 114v–175r); Julius Paulus, Sententiarum libri cinque (hier ff. 175r–178v), hier auch Auszüge aus dem Codex zwischen ff. 179r–197r.
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ser Libius Severus gleichwertig behandelt und sich in einem fiktiven Gespräch befindend wiedergegeben. Auf diese Weise wird Theodosius zu dem alles überragenden Initiator der nachfolgenden Sammlung römischen Rechts, des Breviarium Alarici, stilisiert, während die eigentlich zu verschiedenen Zeiten lebenden römischen Juristen nebst dem Kaiser Libius Severus, als diejenigen ausgezeichnet sind, die im Gespräch die Gesetzestexte herausarbeiten. Im Unterschied zu dieser Hierarchien und Aufgaben festschreibenden doppelseitigen Illumination erscheinen die westgotischen Könige, das navarresische Königshaus sowie die Schreiber und Illuminatoren des Codex Albeldense in einer gitterartigen Komposition, die trotz einer historisch und sozial begründbaren Anordnung zwischen oben und unten eine relative Ausgewogenheit zwischen den einzelnen Parteien herzustellen vermag. Anders als im Breviarium Alarici, in dem den einzelnen Personen Bücher als Ausdruck für das kodifizierte Recht beigegeben sind,701 tragen die Mönche ebensolche Schriftrollen wie die westgotischen Herrscher. Als Bildformel der Gelehrsamkeit zeichnen die zusammengerollten rotuli auch die in den Decretalen dargestellten Päpste sowie einige Konzilsteilnehmer aus, die im Liber Canonum in verschiedene Gesprächsszenen eingebunden sind.702 Das sich hier widerspiegelnde Selbstverständnis der Mönche als Gelehrte lässt sich ferner der Bezeichnung Vigilas als scriba entnehmen. In einem 964 entstandenen Glossar aus dem Kloster San Millán de Cogolla wird scriba mit legis periti, also ein Rechtskundiger, gleichgesetzt.703 Die Mönche wollten also, so ließe sich schließen, ihre Tätigkeit der Kompilation als Ausdruck ihrer Gelehrsamkeit aufgefasst wissen. Die abschließende Miniatur des Codex Albeldense stellt sich in diesem Sinne als eine ‚Genealogie der Gelehrsamkeit‘ dar. Innerhalb dieser wird den Schreibern respektive Buchmalern ein ebenso schöpferischer Anteil an der Herstellung der Rechtstexte zuerkannt wie den westgotischen und navarresischen Herrschern. Bereits in seinem ersten Gedicht auf folio 1 recto hatte Vigila auf diesen Aspekt seiner kompilatorischen Tätigkeit aufmerksam gemacht.704 Somit verbindet das Thema der Autorschaft die Text/Bild-Gestaltungen der ersten und letzten Blätter des Codex Albeldense und gibt dem an Inhalten vielgestaltigen Buchkörper einen einheitlichen Rahmen. Bemerkenswert ist, dass diejenigen, die für die Text- und 701 Mütherich, Rechtshandschriften (1994), 84. 702 Eine andere Lösung wird im Codex Aemilianense, fol. 453r, dargeboten (Abb. in Silva y Verástegui, Iconografía [1984], Taf. XXVII). Auch hier schließt die Miniatur den Liber Iudicium ab. Ebenfalls ist sie als gitterartige Komposition gegeben, in der die westgotischen Herrscher, das navarresische Königshaus in Gestalt von Sancho II. Garcés, Urraca und Ramiro Garcés, sowie diejenigen versammelt sind, die die materielle Herstellung der Handschrift verantworteten. Anders als im Codex Albeldense sind die Mönche hier nicht mit Schriftrolle dargestellt. Stattdessen ist der zentral thronende Bischof Sisebuto als ein Initiator der Handschriftenherstellung in Szene gesetzt, der den Schreibern und Illuminatoren des Codex, Belasco und seinen Schüler Sisebuto, zu diktieren scheint. Beide Mönche tragen eine Wachstafel. Auch hier begleiten die Miniatur Randnotizen: Hii sunt reges qui abtauerunt librum Iudicium. / In tempore horum regum atque regine perfectum est opus libri huius. Dicurrente era TXXX. / Sisebutus eps. cum scriba belasco presbitero pariterque cum sisebuto discipulo suo edidit hunc librum mementote memorie eorum semper in benedictione. 703 Códice emilianense, 514 [fol. 139v]; zum Glossar vgl. Anm. 44 – Im frühmittelalterlichen Irland diente scriba als ehrender Beiname für Bischöfe: vgl. Dinzelbacher, Bedeutung (1983), 263. 704 Vgl. S. 46f.
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Handschriftenproduktion verantwortlich zeichnen, das heisst die Schreiber, Buchmaler und Mitglieder der navarresischen Herrscherfamilie, allein in der ersten sowie letzten Miniatur des Codex figurativ auftreten. Nachfolgend jedoch, also im weiteren Verlauf der Handschrift und damit in nächster Nähe zum Rechtstext, sind sie kryptographisch präsent gemacht.
Die heilsgeschichtliche Verortung des Codex Zwischen diese auf die Instanzen der Handschriften- und auch Textproduktion verweisenden figurativen Darstellungen und Gedichte sowie der ersten Incipitseite zu den Capituli Libri Canonis auf folio 15 verso ist ein sechs Blätter umfassender Abschnitt geschoben, der überwiegend komputistischen Inhalts ist. Für eine Rechtshandschrift ist dieses Thema, das vielmehr in einem Codex liturgischen Inhalts zu erwarten wäre, eher ungewöhnlich.705 Als Beispiel dafür ist ein Antiphonar aus der Kathedralbibliothek in León anzuführen, welches Mitte des 10. Jahrhunderts entstanden ist und dem Codex Albeldense vergleichbare Traktate, Tabellen und Diagramme enthält.706 Der Computus707 beginnt mit einer Berechnung wichtiger liturgischer Termine der Jahre 976 bis 1151 für die Iberische Halbinsel. Darauf folgen ein mozarabisches Sanktorale (fol. 4v–5r), ferner Tabellen über Alter und Zustand des Mondes im Laufe eines Jahres (fol. 6v), die Illustration der Länge von Tagen und Nächten während der Aequinoktien (fol. 7v; Abb. 68), Berechnungen zum Schaltjahr (fol. 8v, 9v, 13v) sowie Tabellen zur Berechnung des Fasten- und Ostertermins (fol. 10r, 12r). Angeschlossen ist ein Arithmetiktraktat, das die erste Darstellung von arabischen Ziffern im lateinischen Westen enthält. Es folgt eine Tabelle über das lateinische, griechische und hebräische Alphabet, sodann über grundsätzliche zeitliche Divisionen (fol. 13r), ferner ein Winddiagramm (fol. 14v) und schließlich der Arbor und die Tabula consanguinitatis (fol. 15r), an denen sich Grade der Blutsverwandtschaft ablesen lassen.708 Dieser etwa zwei Lagen umfassende Abschnitt verschiedenster Themen und unterschiedlichster Formen der Darstellung lässt dennoch das Bemühen erkennen, ihn von innen heraus mit Hilfe von Auszügen aus den Etymologien des Isidors von Sevilla flankierend zu kommentieren und zu strukturieren.709 So stehen der Berechnung wichtiger liturgischer Termine 705 Findet sich aber auch im Codex Aemilianense, fol. 1r–11v (hier: Kat. I.5). 706 Cordoliani, Textes (1954). – Auch in einer heute in Paris aufbewahrten Handschrift mit den Etymologien aus Santo Domingo de Silos (hier: Kat. I.10) ist ein umfangreicher Computus enthalten, der allerdings sehr wahrscheinlich aus einer älteren Handschrift stammt, deren ursprünglicher Zusammenhang nicht mehr rekonstruiert werden kann: Avril, Manuscrits (1982), 19. 707 Eine genaue Beschreibung der Texte, Diagramme und Tabellen bei: Cordoliani, Textes (1954). 708 Zur ikonographischen Tradition des Winddiagramms und des Arbor consanguinitatis in nordspanischen Handschriften: Silva y Verástegui, Iconografía (1984), 452–458. – Abb. des Winddiagramms und der Diagramme zur Blutsverwandtschaft auf fol. 15r in García Turza, Códice Albeldense (2002), 217, 220. 709 Die Etymologien sind wesentliches Referenzwerk spanischer Autoren, wie auch der Apokalypsekommentar von Beatus Liebanensis belegt, der dieses und auch andere Werke Isidors vielfach zitiert: vgl.
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für die Iberische Halbinsel und dem mozarabischen Sanktorale Texte Isidors aus dem fünften Buch voran, die, ausgehend von der Erschaffung der Welt, die Geschichte der Menschheit darlegen.710 Indem den arithmetischen Traktat Isidors Ausführungen zu den Urhebern der arithmetischen Wissenschaft und zum Wesen der Zahlen aus dem dritten Buch der Etymologien einleiten, wird die Darstellung arabischer Zahlen in die christliche Wissensordnung eingebettet.711 Eine Blütenlese verschiedener Kapitel aus dem fünften Buch der Etymologien, welche die Berechnung der Zeit zum Thema haben, bildet die Einführung für eine Tabelle der grundsätzlichen zeitlichen Größeneinheiten auf folio 13 recto. Und schließlich ist dem Winddiagramm auf folio 14 verso ein Kapitel aus dem dritten Buch der Etymologien über die Winde, De ventis, vorangestellt.712 Auf diese Weise bilden Isidors Etymologien einen autorisierenden Referenzrahmen für eine wissenschaftliche Sammlung über die Themen von Zeit, Zahl und Buchstabe. Dass sowohl das Winddiagramm als auch die Tabula und der Arbor consanguinitatis713 gleichfalls Bestandteil der Handschriftenausstattung der Etymologien sind, lässt sich als ein weiteres Argument für den engen Bezug zu Isidors Werk werten.714 Die Tabelle und das Baumdiagramm zu den Graden der Blutsverwandtschaft finden sich zugleich auch in anderen kodifizierten Rechtssammlungen, weshalb ihre Aufnahme in den Codex Albeldense nicht ungewöhnlich erscheint.715 In der Summe lässt der thematisch vielschichtige Abschnitt ein enzyklopädisches Interesse erkennen, verschiedenste Wissensgebiete zu sichern und diese in eine an den Etymologien orientierte Ordnung zu überführen. Das trifft letztlich auch auf die Rechtstexte des Codex Albeldense zu, die damit in einen größeren Wissenszusammenhang gestellt werden. Den komputistischen Inhalten ist zudem ein symbolischer Wert zuzuschreiben. Gerade im Kontext der Illustration zeitlicher Phänomene wird das Verhältnis zwischen der göttlichen Schöpfung und dem menschlichen Bedürfnis anschaulich, sich als Teil der selbigen zu verstehen und zu repräsentieren. In diesem Sinne werden Passagen zur Schöpfung aus den Etymologien Isidors ausgewählt, um in die Berechnungen der Fastenzeit und des Ostertermins für die Iberische Halbinsel bis zum Jahre 1113 einzuführen (fol. 4r–5r). Es ist sicherlich kein Zufall, dass gerade an dieser Stelle auf folio 4 recto die Datierung und damit zeitliche VerorGryson, Beatus Liebanensis Tractatus de Apocalipsin (2012), Bd. 1, CXXXV, Kap. VI. 710 Codex Albeldense, fol. 4r. Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber V, cap. 29: De annis et seculis (= PL 82, col. 0214C–0215A). 711 Codex Albeldense, fol. 12v. Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber III, cap. 1, 3, 4: Incipit Ars Proficua arithmetice (= PL 82, col. 0153D–0156B). 712 Codex Albeldense, fol. 14v. Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber XIII, cap. 11 (= PL82, col. 0479B–0481B). 713 Für den Arbor consanguinitatis vgl. Isidorus Hispalensis, Etymologiae, lib. IX, cap. VI. 714 Madrid, RAH, Ms. 25, fol. 145v, 146r (dat. 945, San Millán de Cogolla?); Ms. 76, fol. 73v (dat. 954): Silva y Verástegui, Iconografía (1984), Abb. 195, 196; zu den Handschriften: Ruiz García, Catálogo (1997), 193–197 und 385–387. 715 Vgl. etwa ein Manuskript vom Ende des 9. oder Anf. 10. Jh. nordspanischer Provenienz, das den Liber Iudicium enthält. Die Darstellung ist dort relativ am Anfang, nach einer Übersicht über die einzelnen Bücher, zu finden (Madrid, RAH, Ms. 34, fol. 14r): Ruiz García, Catálogo (1997), 241–242; Abb. in Silva y Verástegui, Iconografía (1984), Abb. 194. Allg. zu den Arbor consanguinitatis-Darstellungen in Rechtskodifizierungen: Schadt, Arbores (1982).
Der Weg in den Codex als ‚Anlaufrückschritt‘ 159
tung der Entstehung des Codex erfolgt. Der Eintrag nimmt sogar auf die Schöpfung Bezug, indem die Zeitspanne zwischen Adams Erschaffung und der Fertigstellung des Codex Albeldense (976, spanische Ära: 1014) errechnet wird.716 Der folglich hergestellte Zusammenhang zwischen der Heilsgeschichte und der Fertigstellung des Codex weckt den Eindruck einer Vorherbestimmung des Codex Albeldense, der als ein dem göttlichen Plan entsprechendes Werk in Erscheinung tritt.
Sündenfall und neuer Bund – Legitimation irdischer Rechtsprechung Der Abschnitt zu den Phänomenen von Zeit, Zahl und Buchstabe fällt mit dem Ende einer Lage auf folio 15 recto zusammen. Daran schließt sich, noch auf der alten Lage platziert, der Titulus zu den Capitula Libri Canonis an, dem auf folio 16 recto und damit am Beginn der neuen Lage (fol. 16–20) eine Auflistung der Bücher der Excerpta Canonum antwortet. Die Lagenbegrenzung wird hier also genutzt, um mit dem Liber Canonum den ersten und umfangreichsten Rechtstext des Codex Albeldense in Erinnerung zu rufen und für diesen eine Struktur anzubieten. Doch, wie bereits erwähnt, folgen nicht die Excerpta Canonum, vielmehr ein weitestgehend aus ganzseitigen Miniaturen bestehender Abschnitt, in dem schlaglichtartig die wesentlichen Momente der Heilsgeschichte aufgerufen werden: die endzeitliche Vision des allumfassenden Schöpfergottes (fol. 16v), die ersten Menschen und der Sündenfall (fol. 17r), ferner die Darstellung des irdischen Paradieses sowie Noahs und seiner Nachfahren, ergänzt um eine mappa mundi (fol. 17v).717 Alle drei Seiten lassen sich zu einer inhaltlichen Sequenz zusammenschließen, weil in ihnen im Anschluss an den Abschnitt wissenschaftlicher Thematik das Verhältnis von menschlicher und göttlicher Natur erneut aufgegriffen wird. Zugleich lässt sich erstmals ein engerer inhaltlicher Bezug zum Liber Canonum konstatieren. Den Auftakt der Sequenz bildet der im Himmel zwischen den Sternen thronende Schöpfergott, dessen zeitliche und räumliche Umfassendheit einerseits durch die ihn oben und unten flankierenden Buchstaben Alpha und Omega, andererseits durch die die Welt symbolisierende Raute zum Ausdruck kommt (Abb. 70).718 Als Symbol seiner Weltenherrschaft trägt Christus-Gott in seiner rechten Hand die Erdkugel. In seiner Linken hält er, wie es in der die Darstellung rahmenden Umschrift zu lesen ist, das Buch des Lebens auf den Knien, wodurch in Verbindung mit den ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alphabets ein Bezug zum endzeitlichen Weltgericht hergestellt ist.719 Die Raute ist einem rechteckigen 716 Ab adam usque Era M.XIIIIa in qua est editum opus huius codicis fiunt anni VI.C.L.XV. – Es sind wohl 6165 Jahre gemeint. 717 Auch im Codex Aemilianense, fol. 13v–14v (hier: Kat. I.5). 718 Die Darstellung rahmende Inschrift lautet: DOMINVS IN TRIBVS DIGITIS DEXTERE / MOLEM ARBE[orbe] LIBRAVIT. FERENSQUE CODICEM INLEBA VITAE / OM(ni)A ENIM IN CELO ET IN TERRA ET / SVBTVS TERRA EQUANIMITER PER IPSVM DOMINATA SVNT. 719 Silva y Verástegui, Iconografía (1984), 213, Abb. 7, verweist auf Parallelen zur Apsisausmalung in Katalonien (etwa Santa Eulalia de Estaon, heute in Barcelona, Museo de Arte de Cataluña) insbesondere bezüglich jenen, den Schöpfergott begleitenden Erzengeln sowie Seraphim und Cherubim.
160 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
Rahmen einbeschrieben, in dessen Zwickeln Vertreter der Engelshierarchien – Cherub (CERVFIN) und Seraph (SERAFIN) sowie Michael (MICAHEL) und Gabriel (GABRIEL) – Platz gefunden haben.720 Der Darstellung des Schöpfergottes ist auf folio 14 recto eine Illumination von Adam und Eva gegenübergestellt (Abb. 71).721 Vor allem in den Handschriften, die die Kommentare zur Apokalypse und zum Buch Daniel enthalten, ist das erste Menschenpaar gängiges Thema der Ausstattung. Es bildet dort den Auftakt für die jeweils vierzehn Seiten umfassende Genealogie Christi, die den Kommentierungen des Beatus vorausgeschickt ist.722 Dort sind Adam und Eva nebeneinander in einer kleineren Miniatur dargestellt, die Bestandteil einer größeren, diagrammatisch aufgebauten Komposition ist. Außerdem verfügt die Darstellung nicht über jene narrative Qualität, die die Illumination des Codex Albeldense auszeichnet, in der der Fokus explizit auf dem Sündenfall liegt. Denn Eva wendet sich der um den Baum gewundenen Schlange zu, um aus deren Maul den Apfel zu empfangen.723 Diesen Moment hebt auch die in den Rahmen verlagerte Inschrift hervor.724 Eine fast identische Gestaltung des Rahmens weist darauf hin, dass die Miniaturen auf folio 14 recto und 14 verso zusammen betrachtet werden sollen. Göttliche Herrschaft und göttliches Gericht sowie der Sündenfall, mit dem das Unrecht in die Welt kommt, bilden hierbei den inhaltlichen Nexus. Eine Begründung für die Darstellung des Sündenfalls in einem Codex, der verschiedenste Rechtstexte enthält, liefern frühchristliche Autoren, nach denen der Sündenfall dazu diente, weltliche Herrschaft, Rechtsordnung und verschriftlichtes Recht zu legitimieren.725 Dieser Aspekt wird auf der Rückseite mit den Darstellungen des verschlossenen und bewachten Paradieses, Noahs und seiner Söhne sowie einer mappa mundi wieder aufgegriffen (Abb. 72). Mit dem von den Cherubim bewachten Garten Eden, der von einem durch die Gestirne ausgezeichneten Bogen gerahmt ist und außerdem durch dessen Beschreibung in den Etymologien des Isidor ergänzt wird, ist zunächst ein Rückbezug auf den Sündenfall
720 In Bibeln und Evangeliaren, die im fränkischen Reich in karolingischer und ottonischer Herrschaftszeit entstanden, bildet häufig die Maiestas Domini den visuellen Auftakt. Vgl. etwa die den Evangelien voranstehende Maiestas Domini in der Vivians-Bibel, 9. Jh. (Paris, BnF, Ms. lat. 1, fol. 329v) oder ein zwischen 1000 und 1020 entstandenes Evangeliar (Gießen, Universitätsbibliothek, Cod. 660, fol. 1v): Bloch und Schnitzler, Kölner Malerschule (1970), Bd. 1, 54–59, Abb. 172. 721 Auch im Codex Aemilianense, fol. 14r (hier: Kat. I.5). 722 Zu den genealogischen Tafeln: Williams, Beatus (1994), Bd. 1: 58. 723 Eine Ausnahme bildet die ganzseitige Darstellung Adams und Evas in einer im Escorial (Cod. &. II.5, fol. 18r) aufbewahrten Beatus-Handschrift. Allerdings wurde auch hier auf das narrative Moment der Übergabe des Apfels an Eva verzichtet. Dazu Silva y Verástegui, Iconografía (1984), 164–167, Taf. 2. Der Codex entstand um 1000 in San Millán de la Cogolla: Williams, Beatus (1998), Bd. 3: 29–33. 724 VBI INTER LIGNA PARADISI AD POMV(m) / EVA MANVM PORREXERAT SUMENSQ(ue) ID DE SERPENTIS ORE / PERNICITER ADE CONTVLERAT POST / FOLIA FICI CONSVERUNT SIBIQ(Ue) PERIZOMATA NAMQ(Ve) FECERVNT. 725 Dazu Landau, Sündenfall (2000), 47 (etwa die Argumentation des Kirchenvaters Ambrosius), weiterhin 207, 208. Vgl. auch Schreiner, Sündenfall (1992), bes. 41–48.
Der Weg in den Codex als ‚Anlaufrückschritt‘ 161
gegeben.726 Links darüber ist gezeigt, wie Noah seinen drei Söhnen im Gespräch gegenübertritt, wobei eine Bildlösung gewählt wurde, die typisch ist für jene Darstellungen der Konzilsteilnehmer, die den einzelnen Konzilen im Liber Canonum jeweils vorangestellt sind.727 Und auch hier ergibt sich ein Bezug zum Thema der Rechtsordnung. Denn ebenso wie der Sündenfall ist Noahs Fluch über seinen Sohn Cham, der seinen Brüdern von der Nacktheit des betrunkenen Vaters berichtete, Ausgangspunkt für frühchristliche Autoren, die Knechtschaft des Menschen zu begründen und damit Herrschaft wie Rechtsprechung zu legitimieren.728 Die Darstellung Noahs und seiner Söhne, ergänzt um die rechts daneben gestaltete mappa mundi, verweisen jedoch weniger auf die Cham-Episode, sondern vielmehr auf die biblisch überlieferte Aufteilung der Kontinente durch Noah unter seinen Söhnen Sem, Jafeth und Cham. Dies legt der Auszug aus den Etymologien des Isidors nahe, der den Illuminationen vorangestellt ist.729 Die einzelnen Erdteile in der mappa mundi werden zudem inschriftlich den drei Söhnen zugeordnet, wie es gleichfalls aus dem Genesistext zu erschließen ist. Damit ist das biblische Thema des neuen Bundes Gottes mit den Menschen nach der Sintflut angesprochen.730 Es entsteht ein heilsgeschichtlicher Spannungsbogen, welcher durch die Themen Schöpfung, Sündenfall und Verschlossenheit des irdischen Paradieses, aber auch Aufbruch im Sinne eines neuen Bundes mit Gott gekennzeichnet ist. Erstmals ergibt sich hier, das heißt im Anschluss an die erste Titelseite zum Liber Canonum, ein Zusammenhang zu den Rechtstexten des Codex, die bildargumentativ eine heilsgeschichtliche Begründung erfahren.
Distanz und Nähe Die Mitte dieser Lage kennzeichnet eine leere Seite. Diese weist weder auf einen Fehler im Herstellungsprozess noch auf einen solchen in einer späteren Neubindung hin.731 Vielmehr 726 Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber XIV, cap. III, 2–4 (= PL 82, col. 0496C): Paradisus est locus […], vel spiritui transgressionis aditus Paradisi pateat. Die Darstellung des Paradieses im Codex Albeldense gibt der Beschreibung Isidors ein Bild: Die Gewächse nebst dem Baum des Lebens, die zentrale Quelle und die daraus hervorgehenden vier Hauptströme, die aus Feuer bestehende Mauer und die wachenden Cherubim finden sich gleichermaßen bei Isidor. 727 Vgl. hier etwa Abb. 82. 728 Gen 9,18–27. Vgl. die Diskussion bei Lactanz, Johannes Chrysostomos, Ambrosius, Augustinus, Isidor, ausführlich erörtert von Landau, Sündenfall (2000), 32, 40–42, 47, 61–63, 90–91. 729 Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber XIV, cap. II, 1–3 (= PL 82, 3–4, col. 0459C–0495D): Orbis a rotunditate circuli dictus […], in altera vero Europa et Africa. 730 Gen 9,1–17. Auch in den illuminierten Apokalypsekommentaren ist Noah innerhalb der Genealogie Jesu Christi durch eine Miniatur präsent, wenn auch hier nicht seine Nachkommenschaft, sondern stets das Taubenopfer gestaltet ist. Vgl. etwa eine in San Salvador de Tábara entstandene Kommentarhandschrift, 940–945 (New York, PML, Ms. M. 644, fol. 5v): Williams, Beatus (1994), Bd. 2, Abb. 12. 731 Folio 18 bildet mit jenem, auf dem vorderseitig der Sündenfall und rückseitig Noah und seine Söhne dargestellt sind, ein Bifolium.
162 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
geht es darum, dass sich das Kreuz auf folio 18 verso nach innen, also dem Textkörper zuwendet, wie es auch in den anderen hier berücksichtigten Handschriften der Fall ist (Abb. 73). Im Codex Aemilianense, dem der Codex Albeldense als Vorbild diente, sind an dieser Stelle sogar zwei ganzseitige Kreuzdarstellungen mit jeweils leerer, ungestalteter Vorderseite hintereinander angeordnet.732 Das Kreuz fungiert als Beschirmung und damit zugleich als Aufwertung des nachfolgenden Textes, weil es den Codex als eine geheiligte Sphäre auszeichnet. In einer solchen räumlichen Wahrnehmung des Codex ist der mit dem Kreuzzeichen verbundene Schutz auch auf all die zu beziehen, die sich sowohl in Schrift als auch im Bild innerhalb des von ihm markierten Raumes befinden, in erster Linie der Konvent von San Martín de Albelda. Dieser ist stellvertretend durch den Abt Maurellus (971–979) und den Klosterpatron vertreten, deren Namen in den nachfolgenden beiden Buchstabenlabyrinthen (fol. 19r/v) gespeichert sind (Abb. 75, 76).733 Die Bitte um den göttlichen Schutz des Klosters wird auch an anderer Stelle des Codex Albeldense, wiederum mittels des Kreuzzeichens, formuliert: In der Chronica Albendensia, die vornehmlich der Geschichte Asturiens und seiner Regenten gewidmet ist, erscheint in der Marginalspalte genau dort ein Kreuz, wo Albelda – Albueldam, urbem fortissimam – erwähnt wird.734 Die Wendung des Kreuzes nach innen, also in den Codex ‚hinein‘ – wodurch die vorangehende Seite ungestaltet bleibt –, konstituiert für den Betrachter einen Übergang, der zusätzlich durch die Darstellung des Kreuzes unter einer Arkade angezeigt wird. Dieses Motiv erinnert an jene durch das Zeichen beschützten Durchgänge, wie sie tatsächlich in der gebauten Architektur des 9. und 10. Jahrhunderts in den heutigen Regionen Asturien, Galizien und Kastilien anzutreffen sind (Abb. 171). Das dortige Erscheinen des Kreuzes an gebauten Schwellen wird nun dergestalt in den nachfolgenden zwei Buchstabenlabyrinthen des Codex Albeldense aufgegriffen und weiterentwickelt, dass in ihnen eine Distanz zum Kreuz im Rezeptionsprozess erzeugt wird. Denn während auf folio 19 recto sich ein Kreuz im Akt des Lesens aus der Summe der Lektürewege im Buchstabenlabyrinth ergibt und damit allein vor dem inneren Auge formiert, ist es im Kubus auf der Rückseite des Blattes zwar sichtbar, entspricht jedoch keinesfalls der Anordnung der Intexte (Abb. 74–76).735 Hierauf lässt sich erneut Georg Simmels Begriff des ‚Anlaufrückschritts‘ anwenden, weil das Kreuzzeichen in jedem der beiden Kuben nicht gleichermaßen durch Betrachtung und Lektüre verfügbar ist. Vielmehr entzieht es sich jeweils partiell der Wahrnehmung des Betrachters. Es wird eine Distanz erzeugt, die wiederum, argumentiert man mit Simmel, das Bedürfnis, sich des Schutzes durch das Kreuz zu vergewissern, noch verstärkt. Das Kreuz befindet sich gleichsam zwischen den Seiten in einem ‚Schwebezustand‘, weil es weder hier noch dort, 732 Codex Aemilianense, fol. 15, 16 (hier: Kat. I.5, Abb. 90, 91). Das erste Kreuz besteht nur als Vorzeichnung. Allerdings sind auch andere Darstellungen der Handschrift, etwa die Darstellung Adams und Evas auf fol. 14r und das Buchstabenlabyrinth auf fol. 18v, nicht vollendet bzw. vorbereitete Rahmen nicht ausgefüllt worden. 733 Fol. 19r: OB HONOREM SANCTI MARTINI; fol. 19v: MAVRELLI ABBATIS LIBRVM. 734 Codex Albeldense, fol. 241r. Es handelt sich um ein kleines rotes Kreuz mit nach außen schwingenden Armen. Über der Kreuzdarstellung ist de ciuitate albuelda notiert, um auf die entsprechende Textpassage aufmerksam zu machen: García Turza, Monasterio (2002), 22–23, mit Abb. 735 Vgl. Kap. IV.4.
Der Weg in den Codex als ‚Anlaufrückschritt‘ 163
weder in dem einen noch dem anderen Labyrinth vollständig zu erfassen ist. Die den Buchstabenlabyrinthen vorausgehende Kreuzminiatur steckt dabei den heilsgeschichtlichen Rahmen ab, in dem dieser ‚Schwebezustand‘ zu deuten ist, weil die Inschrift auf der Arkade, CRVX ECCE ANNET, auf das endzeitliche Erscheinen des Zeichens verweist. Indem diese drei Seiten, in denen jeweils das Kreuz auf unterschiedliche Weise inszeniert wird, dem Titulus des Liber Canonum auf folio 20 recto voranstehen, bietet es sich an, das Zeichen auf den Rechtstext zu beziehen (Abb. 77). Denn vermutlich dient diese kurze Sequenz einer Auseinandersetzung um das Erscheinen des Kreuzes auch dazu, auf die Anwesenheit Gottes im Rechtstext hinzuweisen. Und genau dieser Gedanke wird auf der Rückseite der Titelseite, die dem Beginn der Excerpta Canonum gewidmet ist, durch die Darstellung des ‚lebendigen‘ und ‚sprechenden‘ Codex aufgegriffen (Abb. 78).736 Zusammengefasst erweist der sich über zwanzig Blätter erstreckende Eröffnungsparcours des Codex Albeldense als ein Weg, der mehr als einmal durch einen Anlaufrückschritt gekennzeichnet ist. Der inhaltlichen Struktur des Parcours entspricht zugleich eine bewusste kodikologische Ordnung: So beginnt der Computus auf folio 4 recto und damit auf dem letzten Blatt der ersten Lage. Die Titelseite zu den Capituli des Liber Canonum nimmt die letzte Seite der dritten Lage ein (fol. 15v). Und auf der letzten Seite der vierten Lage hat schließlich der Titulus zum Liber Canonum Platz gefunden (fol. 20r). Anders als beim Girona-Beatus, in dem einzelne Lagen bestimmten Themen vorbehalten waren, wird demnach im Codex Albeldense das letzte Blatt oder die letzte Seite einer Lage dazu genutzt, für ein neues Thema zu sensibilisieren. Die Organisation der Lagen spiegelt demnach die Absicht wider, den Eindruck eines inhaltlichen Durchlaufs zu erzeugen – was hier jedoch nicht heißen soll, dass die Herstellung des Codex Albeldense dem übergeordneten Bauplan einer in seiner inhaltlichen Zusammenstellung sowie äußeren Erscheinung durchdachten Architektur gefolgt wäre. Im Eröffnungsparcours lassen sich verschiedene Facetten eines Phänomens benennen, die mit Georg Simmels Begriff eines ‚Anlaufrückschritts‘ fassbar werden: So wird der Beginn des Liber Canonum trotz mehrfacher Ankündigung an kodikologischen Schnittstellen (fol. 1r, 15v–16r, 20r) im Raum des Codex immer wieder ‚nach hinten‘ verschoben. Dies führt dazu, dass sich der Rezipient gleich einem Umweg immer wieder auf neue Themen einlassen muss. Denn auch auf den Titulus zum Liber Canonum auf folio 20 recto folgen die Konzilsbeschlüsse nicht unmittelbar, vielmehr beginnen die Excerpta Canonum, die einen systematischen Zugriff auf die Canones darstellen. Am Beispiel der Buchstabenlabyrinthe wurde der partielle Entzug des Kreuzzeichens zum Thema, der im Umblättern der Seite der Erzeugung von Distanz zuträglich war. Und schließlich erfordern auch die verschiedenen Formen der visuellen Poesie eine intensive Auseinandersetzung, eine Versenkung in das Zusammenspiel von Text und Bild, und leisten damit einer verzögerten Rezeption Vorschub. Diese distinkten Strategien einer Distanzerzeugung im Ablauf der Seiten regen an, über Analogien zur zeitgenössischen Sakralarchitektur nachzudenken, da, wie zuletzt Jens Rüffer noch einmal betonte, im Mittelalter die Vorstellung von einem physikalischen Einheitsraum
736 Vgl. Kap. II.1.
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nicht bestand, folglich sich Raumgebilde aus der Bewegung erschlossen.737 An dieser Stelle möchte ich auf Charakteristiken der Klosterkirchen in den eroberten Gebieten eingehen, die mir in Bezug auf jenen immer wieder durch einen ‚Anlaufrückschritt‘ gekennzeichneten Eröffnungsparcours vergleichbar erscheinen. Gleichwohl sei betont, dass diese Merkmale innerhalb der frühmittelalterlichen Baukulturen des europäischen Mittelalters nicht als singulär zu bewerten sind. Vor allem interessiert mich die Präsentation des Allerheiligsten, des Altarraums oder eines als heilig verehrten Ortes innerhalb des Kirchenraums. An den Bauten möchte ich exemplarisch die Erzeugung von Distanz und Nähe an zwei Strängen verfolgen: zum einen an der Raumgliederung, Raumorganisation sowie Wegeführung innerhalb der Architektur, zum anderen an den überwiegend durch liturgische Quellen rekonstruierbaren, zum Teil temporären Abschrankungen im Kirchenraum. Einige Klosterkirchen in den eroberten Gebieten des heutigen zentralen Nordspaniens kennzeichnet die auffallende Höhenstaffelung ihrer Baukörper. Beispiel dafür ist die zwischen 931 und 937 in der Nähe von Montes entstandene einschiffige Klosterkirche Santiago de Peñalba, für die König Ramiro II. von León das bereits erwähnte Metallkreuz anfertigen ließ.738 Im Außenbau bildet das der Apsis vorgelagerte Chorquadrat den höchsten Baukörper und überragt sogar das Laienschiff, während die Apsis und die beiden nördlich und südlich an das Chorquadrat angeschlossenen Räume sich jeweils als die niedrigsten erweisen (Abb.177).739 Das auf diese Weise hervorgehobene Chorquadrat fungierte als Mönchschor der Klosterkirche. Der Eindruck einer Aufgipfelung wird im Inneren durch dessen starke räumliche Gliederung unterstützt, so dass die Kirche weniger als einheitlicher Raum, sondern vielmehr aus einzelnen Kompartimenten bestehend erfahrbar wird (Abb. 178).740 Beispiel dafür sind die schon aus den asturischen Kirchen bekannten, im Norden und Süden jeweils an das Presbyterium anschließenden Nebenräume, die aufgrund ihrer schmalen Zugänge als selbstständige Einheiten auftreten.741 737 Rüffer, Werkprozess (2014), 279–283, und die dort angegebene Literatur. Vgl. auch Zumthor, Mesure du monde (1993), 36–37. 738 Vgl. Gómez-Moreno, Iglesias (1919), 224–237; Puente, Peñalba (1984), 27–31; Arbeiter und NoackHaley, Denkmäler (1999), 295–300; Bango Torviso, Arte prerománcio (2001), 358–361; Ito, Santiago de Peñalba (2005); Martínez Tejera, Ecclesia (2010). 739 Vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 308, Taf. 89. Auch in San Cebrián de Mazote bildete der Vierungsturm den höchsten Punkt der einstigen in der Nähe von Valladolid gelegenen Klosterkirche (vermutlich vor 916), auf die in absteigender Reihenfolge das Langhaus, sodann Hauptund Gegenapsis sowie die den Nebenapsiden vorgelagerten Presbyteriumsräume auf gleicher Ebene folgen: vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), Abb. 183, Taf. 84. Siehe auch die kantabrische Klosterkirche Santa María de Lebeña (930er–940er), bei der das zweijochige Mittelschiff Seitenschiffe, Apsiden und Vestibül überragt: dies., 307–310, Taf. 95c, 96. – Die Höhenstaffelung ist auch in kleineren Einheiten, wie der aus Vestibül, Langhaus und Apis bestehenden einschiffigen Kirche des nach 936 gegründeten Klosters San Miguel de Celanova (Prov. Ourense) umgesetzt: Vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), Taf. 92. 740 Vgl. auch Guárdia Pons, Peñalba (2007), 121. 741 Besonders eindrücklich in dieser Hinsicht ist die wahrscheinlich aus der Regierungszeit Ordoños I. (850–866) stammende Kirche Santa Christina de Lena, die neben den seitlichen vom Kirchenschiff aus zugänglichen quadratischen Nebenräumen zusätzlich zwei rechteckige Kammern unterhalb der Westempore besitzt. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 168, Taf. 42, 43, vermuten, dass
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Einen sich gegenüber dem Chorquadrat abgrenzenden Eindruck vermitteln die beiden Apsiden, die das zweijochige Kirchenschiff einmal nach Osten, das andere Mal nach Westen hin abschließen. Während die Ostapsis als Altarraum fungierte, wurde die Westapsis als Grablege genutzt. Denkbar ist, dass hier die Überreste des Klostergründers, des Hl. Gennadius, bestattet wurden.742 Beide Apsiden weisen den für diese Region und Zeit typischen hufeisenförmigen Grundriss mit rechteckiger Ummantelung auf. Die Betonung der Ostwestachse, etwa durch jene Apsiden und Chorquadrat auszeichnende Zeltwölbung,743 ergänzt um die Höhenstaffelung744 deuten auf eine auf das Allerheiligste ausgerichtete Raumorganisation hin (Abb. 178). Die Architektur wartet also mit einer Steigerung auf, der dann jedoch am Übergang zur Apsis nicht nur durch das unterschiedliche Höhenniveau, sondern auch durch die Abgrenzung der Apsis entgegengewirkt wird. Der den Zugang zur Apsis markierende Hufeisenbogen auf angestellten Säulen, der jeweils auch die Übergänge zwischen den anderen Baukörpern markiert, an dieser Stelle jedoch besonders eng ausfällt, unterstreicht den Eindruck der Abgrenzung. Auch hier wird also eine Distanz erzeugt, die umso mehr die Heiligkeit des Ortes hervorzuheben vermag. Ein solcher Eindruck konnte noch dadurch verstärkt werden, dass Schrankenplatten und Vorhänge zum Einsatz kamen, die Partizipation und Ausgrenzung am Vollzug der Liturgie regulierten. Insgesamt neun intakte Schrankenplatten sind aus der Kirche des Klosters San Miguel de Escalda überliefert, für das eine in San Salvador de Tábara hergestellte BeatusHandschrift bestimmt war.745 Fundamente belegen, dass Schranken am Eingang zur südlichen Nebenapsis, unter den Scheidbögen des Querhauses sowie den Gurtbögen zwischen den Schiffen und dem Transept angebracht waren. Eine dreibogige Chorschranke hat sich auf der Schwelle von Mittel- und Querschiff erhalten.746 Einer zusätzlichen Sichtbehindesie den statischen Anforderungen durch das Tonnengewölbe des Kirchenschiffes zu verdanken sind. – In den liturgischen Quellen, dem Liber Ordinum und dem Antiphonar werden Nebenräume sacrarium, thesaurum oder preparatorum genannt. Anzunehmen ist, dass diese Nebenräume zur Aufbewahrung der Vasa Sacra sowie von Reliquien dienten. Dazu im Detail Rodriguez G. Ceballos, Liturgia (1965), 310, und Godoy Fernández, Arqueología (1995), 88–101. – Zu thesaurum als Ort der Aufbewahrung einer Reliquie vom Kreuz Christi im westgotischen Antiphonar, Ordo VI feria, ad tertia, fol. 166v (272); LO, LXXXIIII, 199,33. Dass das sacrarium möglicherweise zur Aufbewahrung der Gewänder diente, darauf weist Godoy Fernández, Arqueología (1995), 100, mit Verweis auf den Ordo ad ordinanda abbatissam hin, währenddessen die Bekleidung im sacrarium stattfand: LO, XXIII, 66,19. 742 Dass die Gegenapsis als Grablege diente, ist kein Einzelfall. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 298, weisen hier auf San Salvador de Palat de Rey in León hin. 743 Die 913 geweihte Klosterkirche San Miguel de Escalada, nahe León gelegen, weist etwa ein einbeschriebenes Querhaus auf. In der dreischiffigen Basilika, die in einer dreiteiligen Apsidenanlage endet, ist das letzte Joch vor dem Chor fast doppelt so breit wie die Joche des Langhauses: vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), Abb. 177, Taf. 77; Martínez Tejera, Escalada (2005), 159–165. 744 Vgl. auch die galizische Klosterkirche San Salvador de Celanova (Prov. Ourense). Vestibül, Versammlungsraum und Apsis stellen hinsichtlich Planimetrie, Gewölbeformen und Höhenstaffelung klar voneinandergetrennte Raumformationen dar. Dazu Núñez Rodríguez, San Rosendo (1994), 42. 745 Vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 271. 746 Eine solche dreibogige Chorschranke findet sich bereits in der asturischen Kirche Santa Cristina de Lena: vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 168. Hier ist das höher gelegte Presbyterium, zu dem seitliche Treppen führen, durch eine dreifache Bogenstellung begrenzt. Die Arkade
166 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
rung dienten schließlich Vorhänge, die in schriftlichen Quellen vielfach belegt sind.747 Sie wurden bevorzugt vor die Hauptapsis aufgespannt, über einen dort befestigten Balken gelegt oder, wie für San Miguel de Escalada zu vermuten, über die Arkaden der Chorschranke gehängt.748 Besonders anschaulich schildern die Rubriken des Liber Ordinum der westgotischen Kirche, wie Partizipation und Exklusion der Laien am Vollzug der Liturgie mithilfe textiler Vorhänge organisiert wurde. Am Beispiel der Segnung und des Entzündens der Osterkerze am Karsamstag lässt sich eine Vorstellung davon gewinnen.749 Aus Anlass dieser Zeremonie sollten alle Fenster und Türen mit Stoffen verhängt werden, damit kein Licht von außen eindringen konnte: Et clausis ostiis uel fenestris a uelis, ut nec modicum quidem lumen foris uideatur […].750 Zunächst war vorgeschrieben, dass weiß gekleidete Diakone sowie der Klerus, sodann die Presbyter sowie das ganze Volk an den auf einem Stuhl sitzenden Bischof herantreten sollten, um von ihm das Wachs zu empfangen.751 Nachdem die Laien wieder ihren Platz eingenommen hatten, zog der Bischof mit Diakonen und Presbytern in einen als thesaurus, aber auch sacrarium bezeichneten Nebenraum.752 Hier sollte das Feuer durch den besteht aus zwei übereinandersitzenden Bögen, deren Zwischenraum gemauert und nur aufgrund der darin eingelassenen Transennen – eine Wiederverwendung älterer Marmorplatten – Durchlässigkeit erfährt. Ferner haben sich, wie auch in anderen asturischen Kirchenbauten, Schrankenplatten erhalten: in Santianes de Pravia Fragmente einer Schranke; in San Julián de los Prados Vorrichtungen, um Schranken am Übergang zur Hauptapsis einzusetzen sowie Kommunionsnischen; in Santa María de Bendones Verankerungen für Schranken am Übergang zur Hauptapsis, Fragmente von Schrankenplatten; in Liño Schrankenpfeiler und Schrankenpostamente, Schrankenplatten; in Valdediós Vorrichtungen für den Einsatz von Schranken an Pfeilern zwischen Mittelschiff und Chorjoch sowie zwischen Seitenschiff und Chorjoch; in San Salvador de Priesca eine Schranke zwischen Chorjoch und Hauptapsis. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 170–171, Taf. 9, 24, 25, 33, 56a, 57c, 63a. – Mehr noch als Schranken behindern Trennwände die Sicht auf das Allerheiligste. Eine solche Wand mit mittlerem Durchgang und seitlichen Fenstern hat sich aus der kleinen Saalkirche San Esteban de Viguera (Rioja) erhalten, wo sie den trapezförmigen Versammlungsraum von der Apsis trennt. Die Kirche datiert in das 2. V. 10. Jh. – 3. V. 11. Jh.: vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 358–359, Taf. 111e. 747 Vgl. Gómez-Moreno, Iglesias (1919), 332–334; Rodriguez G. Ceballos, Liturgia (1965), 319–320. 748 Martínez Tejera, Escalada (2005), 90, Abb. 53. In San Miguel de Liño (Asturien), 848 geweiht, hat sich etwa eine Holzrolle mit Gefach für die Laufrolle eines Seils erhalten, wodurch ein Vorhang vor der Westempore hinab- bzw. hinaufgezogen werden konnte: vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 145, Abb. 84. 749 Ordo die sabbato in vigilia pasche. LO, LXXXVI, 208–217. Ordo sabbato in vigilia paschae. Antifonario Visigótico, fol. 172r–176r (280–287). Dazu Sants Gros, Liturgia (1988), 12–20, hier: 17 f. 750 Ordo die sabbato in vigilia pasche. LO, LXXXVI, 208. 751 Wo der Bischof in diesem Moment gesessen hat, bleibt unklar. Sowohl im LO als auch im Antiphonar ist von einem conscensorium die Rede: Ordo die sabbato in vigilia pasche. LO, LXXXVI, 208,16; Ordo sabbato in vigilia paschae. Antifonario Visigótico, fol. 172r (280). Puertas Tricas, Iglesias hispánicas (1975), 138, vermutet, dass der Sitz, der nur in diesem Zusammenhang erwähnt wird, hinter dem Altar positioniert war. 752 Während im LO beide Bezeichnungen verwendet werden: Ordo die sabbato in vigilia pasche. LO, LXXXVI, 208,20, ist im Antiphonar nur das thesaurus/tesauro erwähnt: Ordo sabbato in vigilia paschae. Antifonario Visigótico, fol. 172r (280). Daher ist es eher unwahrscheinlich, dass während der Zeremo-
Der Weg in den Codex als ‚Anlaufrückschritt‘ 167
Bischof entzündet sowie nach der Segnung von lucerna (Lampe) und cereus (Wachs) die Osterkerze zum Brennen gebracht werden. Dieser Teil des Ritus durfte für die Gemeinde nicht sichtbar sein, das heißt den Eingang zum thesaurus oder sacrarium galt es, durch einen Vorhang zu verschließen. Nach dem Anzünden der Osterkerzen und aller anderen durch den Klerus mitgeführten Kerzen sollte der Vorhang entfernt werden, um das Erscheinen des Lichts zu inszenieren.753 Der Klerus trat ins Kirchenhaus zurück, wo anschließend eine weitere Segnung von Licht und Wachs durch jeweils einen Diakon am Altar des Kirchenhauses erfolgte. Insbesondere die Vorhänge standen im Dienste einer Dramaturgie, durch Verhüllen und Entbergen wie durch Beschränkungen von Sicht und physischer Anwesenheit die Wahrnehmung von Räumen und Gegenständen als heilig zu steigern.754 Die Sakralräume mit ihren Resten von Schrankenanlagen, ergänzt um die schriftlichen Hinweise zur textilen Ausstattung, zeugen von einer hohen Sensibilität für die Gliederung des Kirchenraumes, in dem die Bewegung von Laien und Klerikern stark reguliert waren. Ein ‚Anlaufrückschritt‘ kommt hier also dergestalt zum Ausdruck, dass die Aufmerksamkeit für das Allerheiligste durch die physische Ausgrenzung und Sichtbehinderung vermittels Schranken und Vorhängen geschärft werden konnte. Weniger die Verbindung von Zuspitzung und Abgrenzung, wie sie in Santiago de Peñalba das Bewusstsein für die Wahrnehmung des Allerheiligsten, des Altarraums, zu schärfen vermag, sondern eine labyrinthische Wegeführung kennzeichnet die ältere Klosterkirche von San Millán de Cogolla (Abb. 181). Diese Wegeführung ist geprägt durch die Nutzung des Ortes als Eremitenklause seit westgotischer Zeit,755 denn zwei Höhlen, die als ‚Grabes‘- und ‚Wohnhöhle‘ des Hl. Aemilianus im 6. Jahrhundert gedeutet werden, bilden den Kern der 959 sowie 984 geweihten Anlage. Entsprechend schmiegt sich der Kirchenkomplex mit seiner nördlichen Langseite an den Felsen und damit an die Höhlen an. Aktuelle Ausgrabungen nie der Bischof zwischen thesaurus und sacrarium wechselte. Férotin, Liber Ordinum (1904), 207, Anm. 3, plädiert für eine Gleichsetzung von thesaurus und sacrarium. 753 Et mox ut tota perincensa fuerint, stat episcopus iuxta ostium, et diaconus ante eum, tenens ipsum cereum, quem postmodum benedicturus est. Et subito, leuato uelo ostii, inponit episcopus: Deo gratias. Et sic ab omnibus non plus quam tribus uicibus replicatur. Et postmodum inponit hanc antiphonam: Lumen uerum inluminat omnem hominem in hunc mundum uenientem. [Hervorhebung d. Verf.], LO, LXXXVI, 210,24–32; 211,1. Vgl. auch Puertas Tricas, Iglesias hispánicas (1975), 122. 754 Dies wird insbesondere in asturischen Kirchen dergestalt auf die Spitze getrieben, dass sich hier über der Apsis Räume befinden, die allein von außen durch ein Bi- oder Triforium zugänglich sind. Kammern dieser Art sind in San Salvador de Valdediós (983 geweiht), San Julián de los Prados (812–842), San Pedro de Nora (zwischen 791–842), Santa María de Bendones (zwischen 791–842), Santo Adriano de Tuñón (Ende 9. Jh.) und in San Salvador de Priesca (921 geweiht) erhalten. Es wäre also zu überlegen, ob die von außen durch Fenster präsent gemachten, aber vom Innern des Kirchenhauses nicht einsichtigen Kammern – setzt man die Inszenierungsstrategien der westgotischen Liturgie gedanklich fort – der Idee der Transzendenz eine konkrete gebaute Form gaben. Unter den Kirchenbauten im Herrschaftsraum der leonesischen Könige ragen etwa San Miguel de Escalada und Santiago de Peñalba heraus, die Dachkammern besitzen. Im Falle von Santiago erstrecken sie sich über das gesamte Kirchenhaus, weisen im Unterschied zu den asturischen Sakralräumen allerdings keine Fenster auf. 755 Vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 348–351.
168 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
belegen, dass die heutige, durch eine durchgehende Trennwand geschaffene Separierung zwischen einem als Vestibül gedeuteten zweischiffigen Raum, von dem man die ‚Grabeshöhle‘ betreten konnte, und einem sich daran im Osten anschließenden zweijochigen Raum, von dem aus die nördlich gelegene ‚Wohnhöhle‘ zu erreichen war, nicht dem ursprünglichen Zustand entsprach (Abb. 182, 183).756 Stattdessen war die Trennwand des geosteten Kirchenkomplexes nicht nur an ihrem südlichen, sondern auch an ihrem nördlichen Ende geöffnet. Auch war das Kirchenhaus an seiner Ostseite durch weitere zum Teil nicht zugängliche Räume ausdifferenziert. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass vom Kirchenportal aus weder der Zugang zur ‚Grabeshöhle‘ noch zur ‚Wohnhöhle‘ aufgrund der die Schiffe trennenden Arkade sowie der östlichen Trennwand einsichtig waren, die somit als Schranken dienten.757 Insbesondere die Arkade gab dabei eine grundsätzlich andere, und zwar westöstliche Orientierung im Raum vor. Sie schuf zusätzlich eine Verbindung zwischen den östlich gelegenen Räumen und dem Eingang zur Kirche, auf den der mittlere, breiter gestaltete Bogen der Arkade abgestimmt ist. Santiago de Peñalba und San Millán de la Cogolla zeigen also verschiedene, begrifflich als ‚Anlaufrückschritt‘ zu erfassende Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit für das Allerheiligste, sei es den Altarraum oder jenen mit einem Heiligen verbundenen Ort, zu steigern. Während in Santiago de Peñalba Distanz zur Apsis durch deren Begrenzung erzeugt wird, die der architektonischen Zuspitzung auf das Vorapsisjoch entgegenwirkt, so ist es in San Millán de Cogolla die Gliederung durch Arkaden und Schranken, die einer Orientierung auf die als heilige Orte angesehenen Eremitenhöhlen entgegenstehen. In beiden Kirchenhäusern konnte der Zugang zur und die Sicht auf die Apsis oder die Eremitenhöhlen zusätzlich durch mobile Schranken oder Vorhänge erschwert werden. Diese unterschiedlichen Lösungen bieten an, über mögliche Übertragungen auf das mehrdimensionale Gebilde Codex nachzudenken. Zwar erweist sich das Zusammenspiel der ersten Blätter im Codex Albeldense als zu speziell, um spezifische Verbindungen oder Abhängigkeiten zu postulieren. Dennoch ist zu überlegen, ob Strategien der Aufmerksamkeitssteigerung in diesen verschiedenen Medien auf sich überschneidende Vorstellungen von Raum zurückgehen, nach denen sich derselbige aus der jeweiligen Perspektive und damit auch der jeweiligen Bewegung des Betrachters erschließt. An dieser Stelle ließe sich einwenden, dass der These von einem ‚Weg‘ in den Codex Praktiken der Lektüre entgegenstehen, die in einem punktuellen Zugriff auf die jeweiligen Inhalte bestehen – man denke etwa an die für die Lesungen in der Messe bestimmten Buchtypen. Dies trifft sicherlich auch auf eine Sammelhandschrift wie den Codex Albeldense zu. Allerdings wäre damit noch nicht beantwortet, ob für die ‚Rahmung‘ des Codex dieselben pragmatischen Rezeptionsbedingungen bestehen, 756 Zudem wurde die bisher erfolgte Periodisierung des Baus einer kritischen Prüfung unterzogen: vgl. Caballero Zoreda, San Millán (2004), insbes. 35–42. 757 Die Zugangssituation ist insofern anderen Klosterkirchen des 10. Jh., vornehmlich im Königreich León (Peñalba), aber auch in Galicien (Celanova) sowie in Kantabrien (Lebeña) vergleichbar, weil auch dort der Eingang seitlich und nicht in zentraler Achse zur Apsis gelegen ist, wie etwa in Celanova und in San Cebrián de Mazote: vgl. Arbeiter und Noack-Haley, Denkmäler (1999), 301–305, Abb. 197 (Celanova); 276–281, Abb. 184 (San Cebrián de Mazote).
Binnenrahmungen 169
wenn doch gerade für die Deutung von Vor- und Nachspann eher übergeordnete, symbolische oder metaphorische Argumente in Rechnung zu stellen sind. Dass die ersten zwanzig Blätter des Codex Albeldense auf einen Höhepunkt, den Liber Canonum, zuführen, lässt sich abschließend auch am Verhältnis von figürlichen und nichtfigürlichen Darstellungsweisen ablesen. So fällt auf, dass einzelne, an der Entstehung der Handschrift beteiligte Personen ausschließlich am jeweils äußeren Rand des Codex figürlich in Erscheinung treten: das Bildnis Vigilas auf folio XXII verso sowie die westgotischen Könige, die navarresische Königsfamilie und die Schreiber respektive Buchmaler auf folio 428 recto (Abb. 65, 88). Danach respektive davor sind sie nur noch schriftlich, als Namenserwähnung in den Gedichten sowie kryptographisch in Buchstabenlabyrinthen, präsent. Dabei rückt auf den letzten Blättern, die den Excerpta Canonum voranstehen und Buchstabenlabyrinthe wiedergeben, das Ornament in den Mittelpunkt der Darstellung und ist maßgeblich daran beteiligt, den göttlichen Ursprung des nachfolgenden kirchenrechtlichen Textes gesteigert erfahrbar zu machen. Obwohl, wie erwähnt, auch andere frühmittelalterliche Rechtssammlungen mit illuminierten Eröffnungsseiten versehen wurden, ist die umfangreiche visuelle Ausstattung des Codex Albeldense und des Codex Aemilianense bemerkenswert. Die Vermutung liegt nahe, dass beide Handschriften und deren Inhalt einen hohen repräsentativen Stellenwert für das zeitgenössische navarresische Königshaus hatten, dem die Gründung des Klosters Albelda und eine Reihe von Schenkungen sowohl an dieses als auch an San Millán de la Cogolla zu verdanken ist. Die Zusammenstellung von kanonischem und zivilem Recht lässt sich als repräsentative Strategie der Herrschaftsauffassung des noch jungen Königtums werten, das sich in dieser Hinsicht in die Tradition westgotischer Herrscher stellte. Und möglicherweise muss die Kodifizierung dieser Rechtstexte auch im Zusammenhang mit der zeitgenössischen Rolle gesehen werden, die dem (islamischen) Recht und den Rechtsgelehrten im herrschaftlichen Selbstverständnis der Emire und Kalifen von Córdoba zukam.758
V.4 Binnenrahmungen Die visuelle Rahmung eines Codex bezieht sich nicht allein auf dessen Beginn und Ende. Insbesondere dann, wenn der Codex eine Sammelhandschrift darstellt, können selbstverständlich auch die darin enthaltenen einzelnen libri buchmalerisch ausgezeichnet sein. Und auch der Text selbst kann visuell binnenstrukturiert in Erscheinung treten. Daher stellt sich die Frage, was diese Binnenstrukturierung von den Eröffnungsseiten am Beginn und Ende 758 Böse, Recht sprechen (2009), 114 und Anm. 24. Zur Stellung des Rechts am Hofe der Emire und Kalifen: Castejón Calderón, Juristas (1948); Turkī, Juristes (1982); Martin, Géographie (2003). – Insbesondere die Vertreter des Malikismus, eine juristisch-religiöse Strömung innerhalb der islamischen Orthodoxie, hatten einen großen Einfluss auf den Kalifen, was etwa eine Vitensammlung zu den Rechtsgelehrten von Córdoba belegt, die kurz nach 965 zusammengestellt wurde: Khushanī, Historia (1985). Der Malikismus ist auf den Imam Malik ibn Anas († 796) zurückzuführen, der das Gewohnheitsrecht von Medina kodifizierte und eine Rechtsschule seines Namens begründete: Encyclopédie de l’Islam 1991, Bd. VI, 263–266.
170 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
des Codex unterscheidet. Vor allem für die Eröffnungsseiten konnte gezeigt werden, wie sie den Weg in den Codex beschreiben. Dabei ist das Verhältnis dieser Seiten zu den Inhalten dergestalt konkret, dass einerseits der Status des Textes sowie des Codex vor Augen geführt wird, andererseits der Rezipient im Hinblick auf seine Haltung zum Text und dessen Lektüre befragt wird. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern auch die visuellen Binnenstrukturen ‚wegweisend‘ für die Rezeption des Codex und seiner Inhalte sind. Und vor allem in welchem Verhältnis stehen sie zu den in den Eröffnungs- und Schlussminiaturen vermittelten Vorstellungen vom Codex als ein beschütztes und einheitliches Gebilde, wie es etwa in den Kreuzdarstellungen und den Alpha- und Omega-Illuminationen zum Ausdruck kommt? Inwiefern drückt sich in den visuellen Binnenrahmungen tatsächlich eine Systematik der Feinstrukturierung aus, die doch zugleich als Bestandteil einer übergreifenden Ordnung zu erkennen wäre? Diese Fragen gilt es nachfolgend am Beispiel der beiden Rechtskodifizierungen, insbesondere des Codex Albeldense, und ferner der illuminierten Beatus-Handschriften zu diskutieren. Dabei soll zunächst der inneren Ordnung des Codex, anschließend den Binnenrahmungen als einer weitergehenden Kommentierung der Inhalte nachgegangen werden. Im Codex Albeldense findet sich unterhalb der Capitula libri canonis auf folio 15 verso eine Liste, die als ein Versuch zu deuten ist, wichtige Rechtstexte des Codex Albeldense auf einen Blick erfassbar zu machen (Abb. 69).759 An erster Stelle ist hierin zunächst die Indizierung aller canones aufgeführt, womit wahrscheinlich die Incipitseite zum Liber Canonum gemeint ist (fol. 20r). Nachfolgend wird auf die Excerpta Canonum (fol. 20r–56r), die Capitulationes (fol. 56r–70r), die Konzilsakten (fol. 70r–238r), das erste Toledaner Konzil (fol. 142r), die Dekretalen (fol. 249r–341r), den Konzilsordo (fol. 343v–345v) und schließlich den Liber Iudicium (fol. 358r–427r) verwiesen. Die Liste rückt demnach die Rechtstexte als die entscheidenden Inhalte des Codex Albeldense in den Vordergrund und hebt damit noch einmal die Bedeutung der Rechtskodifizierungen sowohl für den Konvent als auch für das navarresische Königshaus hervor. Die auffällige Erwähnung des ersten Konzils von Toledo korrespondiert mit dessen visueller Hervorhebung innerhalb des Liber Canonum. Denn nur die Canones-Sammlung dieses Konzils wird von einer ganzseitigen Darstellung auf folio 142 recto eröffnet (Abb. 83). Toledo als Konzilsort wird hierin auf vier Registern zum Thema: Im obersten Register tritt die Stadt als mit Zinnen bewehrte und durch vier Türme überhöhte Mauer in Erscheinung, über die zu drei Gruppen angeordneten Einwohner hinwegschauen.760 Darunter sind links und rechts des inschriftlich bezeichneten Türstehers zwei wichtige Kirchen Toledos, die Marien- und die Petruskirche, dargestellt, die seit 653 abwechselnd als Versammlungsorte für Konzile dienten.761 Im dritten Register haben sich Priester oder Kleriker vor einem thronenden Bischof versammelt. Die Darstellung entspricht jenen Gesprächsszenen, die ansonsten 759 I De om(n)ium canon(um) indicationib(u)s / II De ex cerpt(um) canon(um) capitulis / III De capitulationib(u)s canon(um) / IV De om(n)ib(u)s sinodis / V De om(n)i concilio vel primo toletano / VI De ep(i)st(u)lis pontificum / VII De initio sinodi / VIII De libro iudico. 760 Die Stadt ist zwischen den Türmen mit civitas regia toletana, die Tore mit ianua uris und ianua muri bezeichnet. Links unterhalb der Stadt findet sich die Inschrift Sinodus toletana. 761 Siehe Reynolds, Civitas Regia (1989), 158. – Die Kirchen sind mit den Beischriften Ecclesia Mariae virginis und Basilica s(an)c(t)i petri identifiziert.
Binnenrahmungen 171
die einzelnen Konzile innerhalb des Liber Canonum eröffnen.762 Das letzte Register gibt schließlich drei Zelte wieder, die als Lager der Wachen zu deuten sind.763 Die visuelle Hervorhebung der durch Beischrift als königlich, civitas regia toletana, ausgezeichneten Stadt, weist auf deren besondere Rolle hin. Als einstige Hauptstadt des westgotischen Reiches stellte die zum Zeitpunkt der Entstehung der Handschrift immer noch unter muslimischer Herrschaft stehende Stadt offensichtlich eine wichtige Koordinate im historischen Bewusstsein der Mönche und sicher auch der navarresischen Könige dar. Dies wird ferner anschaulich durch die Chronica Albendensia – einer unter dem asturischen König Alfons III. entstandenen, erstmals im Codex Albeldense überlieferten und hierin um eine Liste der navarresischen Könige ergänzten Chronik.764 Ihrem anonymen Autor zufolge sind die navarresischen Herrscher und asturischen Könige Teil einer über die westgotischen Könige bis zu den römischen Imperatoren zurückgehenden ungebrochenen Herrschaftstradition auf der Iberischen Halbinsel.765 Die herrschaftslegitimierende Funktion, die dem Rückgriff auf das westgotische Reich nicht nur im Königreich Asturien, sondern auch in dem noch jungen Königreich von Navarra zugrunde liegt, belegt ferner die Weitertradierung des zivilen Rechts der Westgoten, des Liber Iudicium, im Codex Albeldense. Auch der Liber Iudicium ist Bestandteil der Auflistung der Texte auf folio 15 verso dieses Werkes. Die Auflistung setzt folglich eigene Akzente und generiert ein spezifisches Ordnungsmuster, dem das Erscheinungsbild des Codex Albeldense als Ganzes nur zum Teil entspricht; nicht nur weil hierin weitaus mehr Traktate enthalten sind, als tatsächlich aufgelistet werden, sondern auch weil die Nummerierung der Titel im Text nicht mehr aufgegriffen wird. Es bestand demnach gar nicht das Bedürfnis, alle Inhalte des Codex Albeldense durch eine schematische, einem Index oder Inhaltsverzeichnis entsprechende Struktur anzukündigen. Und gerade deshalb konnte die Auflistung dennoch den Rezeptionsprozess beeinflussen, da sie als eine die Inhalte gewichtende Kommentierung zu verstehen ist. Diesem Befund entspricht, dass die einzelnen Rechtstexte des Codex Albeldense durch ihre visuelle Eröffnung und auch Binnenstrukturierung als distinkte, voneinander optisch unterscheidbare Einheiten hervortreten. Während die Konzile jeweils durch spaltenbreite Miniaturen eingeleitet werden, in denen sich die Konzilsteilnehmer im Disput miteinander befinden, stehen den einzelnen päpstlichen Antwortschreiben Bildnisse stehender Päpste voran (Abb. 84).766 Für den Liber Iudicium wurde auf dieses Ausstattungsprinzip nicht zurückgegriffen, stattdessen ist eine schematische Binnenstruktur gewählt worden (Abb. 86). Das 762 Reynolds, Civitas Regia (1989), 165–166, vermutet, dass an dieser Stelle ursprünglich genauso eine Prozession dargestellt war, wie sie jene Miniatur kennzeichnet, die dem ebenfalls im Codex Albeldense enthaltenen Konzilsordo voransteht (fol. 344r). Dafür gibt es aber keine materiellen Anhaltspunkte. 763 Reynolds, Civitas Regia (1989), 159. – Die Zelte sind als tentoria, papilio und tabernaculum ausgezeichnet. Die Begriffe finden sich bei Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Liber XV, cap. 10 (= PL 82, col. 051B). Die zwischen den Zelten platzierten Bäume sind mit Behängen wiedergegeben, deren Beschriftung, arbor cum docalibus, vascula in ramis, für Reynolds, 160–161, einmal auf Halfter, das andere Mal auf Gefäße verweisen. Vgl. Glosas del Códice albeldense, 233–235. 764 Fol. 238v–243v; zur Chronica Albendensia: Anm. 42. 765 Codex Albeldense, fol. 238v–248v (hier: Kat. I.4). 766 Vgl. dazu Böse, Recht sprechen (2009).
172 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
dem Liber Iudicium voranstehende ganzseitige Verzeichnis auf folio 358 verso ist diagrammatisch gestaltet, indem zu zwei senkrechten Reihen angeordnete Medaillons die einzelnen Kapitel des Liber Iudicium, hier libri genannt, ankündigen. Dabei sind die Medaillons sowohl untereinander als auch mit einer diese Reihen rechts flankierenden Spalte durch gelbes Flechtwerk verbunden. In dieser Spalte sind nun jeweils die Unterkapitel der einzelnen Bücher aufgelistet und dem entsprechenden Medaillon zugeordnet. Um dem Leser eine Orientierung im Text zu ermöglichen, sind vergleichbar gestaltete Medaillons jeweils vor den Beginn eines neuen liber gerückt (Abb. 87). Diese diagrammatische Gestaltung bildet die Struktur des Traktates nach außen hin ab und kennzeichnet auch andere Handschriften, die den Liber Iudicium enthalten.767 Im Codex Aemilianense, dem der Codex Albeldense als Vorbild diente, findet man eine vergleichbare visuelle Binnengliederung des Liber Iudicium.768 Zusätzlich wird dem Incipit eine eigene, ganze Seite vorbehalten, an deren oberem Rand drei thronende Herrscher dargestellt sind (Abb. 99). Diese können als jene westgotischen Könige identifiziert werden, auf welche die Zusammenstellung der Rechtstexte zurückzuführen ist.769 Indem die westgotischen Herrscher miteinander diskutierend gezeigt sind, wird an ein Bildschema angeknüpft, das gleichfalls für das Layout des Liber Canonum prägend ist (Abb. 98). Auf diese Weise ist ein visueller Bezug zwischen den Rechtstraktaten innerhalb eines Codex gegeben, der jedoch singulär ist. Auch die Eröffnungsminiatur des Ordo de celebrando concilio unterstreicht, dass das Layout der Handschrift die Heterogenität der Traktate in den Vordergrund rückt. Der Ordo wird jeweils in beiden Rechtskodifizierungen durch eine halbseitige Darstellung eingeleitet, dessen kompositorische Mitte ein Codex bildet (Abb. 85).770 Durch die Beischrift ist er als Canones-Sammlung ausgewiesen. Um diese sind in einer viergeteilten Struktur der Herrscher mit seinen Hofbeamten, Bischöfe und Äbte, Funktionsträger des Konzils sowie eine den Konzilsort repräsentierende Kirche angeordnet.771
767 Dazu Díaz y Díaz, Lex Visigothorum (1976). Vgl. etwa eine in Girona oder Umgebung im 9. Jh. entstandene Handschrift (Paris, BnF, Ms. lat. 4667): Avril, Manuscrits (1982), 6, Nr. 7, Abb. I,7. Das Schema miteinanderverbundener Kreise, um einzelne Inhalte als Bestandteile eines übergreifenden Sachverhaltes zum Ausdruck zu bringen, findet sich auch in anderen Kontexten, vgl. die diagrammatische Darstellung verschiedener Kirchen in einer Beatus-Handschrift (Escorial, Cod. &.II.5, fol. 3v): Mentré, Manuscripts (1996), Abb. 88. 768 Codex Aemilianense, fol. 396v (hier: Kat. I.5). 769 Ausgangs des Codex erscheinen sie als CINDAVINTUS, RECESVINTUS und EGICA identifiziert in jener auch die Navarresischen Könige und die Schreiber/Illuminatoren beinhaltende Miniatur, die den Liber Iudicium abschließt: Codex Aemilianense, fol. 453r (hier: Kat. I.5), Abb. in Silva y Verástegui, Iconografía (1984), Taf. XXVII. 770 Codex Aemilianense, fol. 347v (hier: Kat. I.5), Abb. in Silva y Verástegui, Iconografía (1984), Taf. XVIII. 771 Codex Albeldense, fol. 344r (hier: Kat. I.4); Codex Aemilianense, fol. 347v (hier: Kat. I.5). Die entsprechenden Inschriften differenzieren die wesentlichen Aufgaben: ostarius, notarius, d(ia)c(o)n(u)s cum canones. – Reynolds, Civiras Regia (1989), 163, deutet die Versammlung der Teilnehmer als Prozession, die einer Synode vorausging.
Binnenrahmungen 173
Die übrigen Traktate des Codex Albeldense haben in beiden Rechtskodifizierungen keinen Bildschmuck erhalten. Es war also keinesfalls daran gedacht, gestalterische Bezüge zwischen den libri herzustellen. Vielmehr zeigt sich am Beispiel des Liber Iudicium, dass den bereits bekannten Layouts einzelner Traktate Gewicht beigemessen wurde, da sie womöglich die Autorität der jeweiligen Texte zu sichern halfen. Dennoch oder gerade deshalb gelang es, durch die illuminierten Seiten am Beginn und Ende beider Handschriften die Vorstellung vom Codex als ein einheitliches Gebilde zu erzeugen. Ein ähnlicher Befund liegt bei den sogenannten Beatus-Handschriften vor, die Beatus’ Kommentar zur Offenbarung sowie Hieronymus’ Kommentierung zum Buch Daniel enthalten. In der Regel werden beide Kommentare durch ein in Schrift und Farbe hervorgehobenes Incipit mit zusätzlich betonter Initiale eingeleitet. Zwar ist der Beginn der jeweiligen Codices oft durch die Verwendung gleicher Bildtypen wie etwa ein Kreuzzeichen, ein Buchstabenlabyrinth oder ein Alpha hervorgehoben, selten jedoch ist der Übergang zwischen beiden Kommentaren durch eine Illumination markiert.772 Wenn dies jedoch wie im Morgan- und im Girona-Beatus der Fall ist, dann spiegelt sich darin die Intention wider, die inhaltliche Verbindung beider Traktate aufzuzeigen. In beiden Manuskripten geht dem Kommentar zum Buch Daniel jeweils eine Darstellung der Stadt Babylon voraus. Während diese im Morgan-Beatus als ganzseitige Miniatur dem Incipit zum Kommentar des Hieronymus gegenüber steht,773 ist der Stadtrepräsentation im Girona-Beatus eine Doppelseite vorbehalten.774 Babylon bildet dabei nicht nur eine formale, sondern auch eine inhaltliche Brücke zwischen beiden Texten: Im Apokalypsekommentar symbolisiert sie den Ort, an dem der Teufel haust, und im biblischen Buch Daniel wird sie als dessen Wohnstätte eingeführt.775 Gleichwohl könnten die Layouts beider Texte nicht unterschiedlicher sein. Im Kommentar zur Apokalypse markieren gerahmte Bildfelder den Übergang zwischen einem Auszug aus dem Apokalypsetext (storia) sowie dessen Auslegung (explanatio). Hingegen wird Hieronymus’ Auslegung zum Buch Daniel durchweg von ungerahmten Darstellungen begleitet. Auf diese Weise treten beide Kommentare auch hier als selbstständige Einheiten in Erscheinung. Die Codices charakterisiert eine Doppelgesichtigkeit, indem auf der einen Seite jene den gesamten Textkörper des Codex rahmenden Eröffnungs- und Schlussminiaturen dazu beitragen, die einzel772 Eine ungewöhnliche Lösung bietet der zwischen 1060 und 1072 fertiggestellte Saint-Sever-Beatus (hier: Kat. I.3), der neben den später datierten Beatus-Handschriften in Berlin (Berlin, Staatsbibliothek, Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. fol. 561) und Genf (Bibliothèque de Genève, Ms. lat. 357) außerhalb der Iberischen Halbinsel entstanden ist, und zwar für das Kloster Saint-Sever-sur l’Adour. Hierin markiert den Beginn des Danielkommentars die ganzseitige Darstellung des Propheten (fol. 217v), dem auf der Vorderseite eine Wiedergabe Babylons (fol. 217r) vorausgeht (dazu Mezoughi, Place [1986]). Die Darstellung des Propheten steht in der Tradition der Evangelistenbildnisse, wie sie aus der karolingischen und ottonischen Buchmalerei bekannt sind. Im Saint-Sever-Beatus ist Daniel seitlich auf einem Thron sitzend wiedergegeben, wie er an einem Schriftstück arbeitet. Als Pendant dazu lässt sich im Apokalypsekommentar jene Miniatur auf fol. 13v begreifen, in der paarweise Autoren versammelt sind, auf die sich Beatus in seinem Prolog beruft: Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 386, 467. 773 Morgan-Beatus, fol. 238v (hier: Kat. I.8): Williams, Beatus (1994), Bd. 2, Abb. 101. 774 Girona-Beatus, fol. 236v, 237r (hier: Kat. II.6). Williams, Beatus (1994), Bd. 2, Abb. 376. 775 Darauf weist schon Miranda García-Tejedor, Analysis (2004), 192, hin.
174 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
nen libri des Codex als Bestandteil eines überindividuellen, übergreifenden Zusammenhangs zu verstehen.776 Auf der anderen Seite bildet sich dieser Gedanke in der visuellen Binnenstrukturierung der einzelnen libri keinesfalls ab, was wohl auch hier seine Ursache in der selektiven Rezeption der einzelnen Texte des Codex hat.777 Die prägende visuelle Binnenstrukturierung der illuminierten Beatus-Handschriften besteht aus gerahmten figurativen Darstellungen, die zwischen der storia und der explanatio platziert sind und sich hier als visuelle Ebene der Kommentierung anbieten. In einigen Handschriften ist das Layout zusätzlich um marginale figurative sowie ornamentale Darstellungen ergänzt, wie die Mischwesen des Girona-Beatus exemplarisch vorführen. 778 Eine andere Lösung bietet die im Jahre 1109 im Kloster Santo Domingo de Silos vollendete Beatus-Handschrift an, in der verschiedene Figuren, etwa die des Johannes, genau dort zwischen storia und explanatio platziert sind, wo im Girona-Beatus die Mischwesen auftreten.779 Zwar ist Johannes außerhalb der Apokalypsedarstellungen positioniert, wendet sich diesen jedoch über Körperhaltung und Gestik zu (Abb. 138).780 Auf diese Weise wird der Visionär von dem, was ihm offenbart wird, räumlich separiert, mit Konsequenzen für die Rezeption: Johannes erweist sich damit als Stellvertreter des Betrachters im Buch, der zur Teilhabe an seiner Vision einlädt. Diese Teilhabe beschränkt sich jedoch keinesfalls auf den Sehsinn. Auf drei Seiten erscheint über dem Heiligen die göttliche Hand, die derart gestaltet ist, als wäre das Pergament an dieser Stelle durchlässig, um ein Stück des Himmels sichtbar zu machen.781 Die jeweilige auf die Stimme Gottes verweisende Beischrift vox macht Johannes’ Schau damit nicht nur als einen Akt des Sehens, sondern auch als einen des Hörens plausibel (Abb. 137). Innerhalb der illuminierten Beatus-Handschriften bleibt diese Art und Weise, Seher und Vision in ein Verhältnis zu setzen, ohne Vergleich. Weitaus öfter ist der Übergang zwischen storia und explanatio zusätzlich durch Flechtknoten oder durch Medaillons betont, die eine rein ornamentale Gestaltung aufweisen. Als idealtypisch für diese Variante kann eine frühe, 776 Damit sei hier Chartier widersprochen, der der visuellen Gestaltung (im Gegensatz zum Text) die Fähigkeit komplett abspricht, die Kohärenz des Codex vor Augen zu führen: „La discontinuité et la fragmentation de la lecture n’ont pas le même sens lorsqu’elle sont accompagnées par la perception de la totalité textuelle enserré dans l’objet écrit et lorsque la surface lumineuse qui donne à lire les fragments d’écrits ne rend plus immédiatement visibles les limites et la cohérence du corps dont ils sont des extraits.“ Chartier, Écouter (2008), 21–22. 777 Dazu Chartier, Écouter (2008), 21. Wobei aus den Äußerungen Chartiers nicht deutlich genug wird, inwiefern er die historischen Veränderungen des Layouts im Mittelalter, die zugleich wandelnde Muster des Sammelns, Strukturierens und Rezipierens von Wissen widerspiegeln, berücksichtigt. 778 Vgl. Kap. V.2. 779 Hier: Kat. I.11. – Ein Engel findet sich auf fol. 59r, 63v, 131r; die Figur eines Königs oder einer gekrönten Figur: fol. 102r, 170r; ein Ritter: fol. 194r; Musizierende: fol. 86r; sowie weitere unidentifizierbare Personen: Williams, Beatus (2002), Bd. 4, Abb. 244, 247, 287 (Engel); 256, 295 (gekrönte Figur); 313 (Ritter); 255 (Musizierende). – Mit der Schau des Johannes in den Beatus-Handschriften beschäftigt sich auch Ganz, Medien der Offenbarung (2008), 80–100, wobei er den Silos-Beatus in seine Überlegungen nicht miteinbezieht. 780 Silos-Beatus, fol. 110v, 163v, 177r, 195v (hier: Kat. I.11): Williams, Beatus (2002), Bd. 4, Abb. 257, 288, 299, 311. 781 Silos-Beatus (hier: Kat. I.11), fol. 82v, 138v, 165v: Williams, Beatus (2002), Bd. 4, Abb. 249, 274, 290.
Binnenrahmungen 175
um die Mitte des 10. Jahrhunderts für das Kloster San Miguel de Escalada entstandene Handschrift gelten, in der kunstvolle Verflechtungen in verschiedenen Formen und Farben auftreten.782 Komplexer erweist sich der Einsatz von Ornamentfeldern in dem über 100 Jahre später vollendeten Beatus-Codex für das Kloster Saint-Sever-sur l’Adour.783 Zwar handelt es sich um eine der wenigen Handschriften dieses Typs, die außerhalb der Iberischen Halbinsel, in diesem Fall in der Gascogne, entstanden ist. Sie weist jedoch enge Verwandtschaft zur visuellen Strukturierung der übrigen im zentralen Nordspanien entstandenen Beatus-Handschriften auf. Gleichwohl werden vorbildliche Ausstattungsprinzipien mit den Ansprüchen des Auftraggebers, wahrscheinlich Abt Gregor von Montaner, in Einklang gebracht. Auffallend sei, so Monika Müller, nicht nur der Einfluss der Kommentare auf die Ikonographie der Katastrophenbilder, die insgesamt eine größere Sorgfalt im Umgang mit den Texten widerspiegeln. Mit den motivischen Erweiterungen, die das Chaos der Apokalypse noch präziser zu vermitteln suchen, geht darüber hinaus eine Steigerung der Größe der Darstellungen einher.784 Diese Korrekturen zielen gleichfalls auf die ornamentale Gestaltung der Handschrift, was bisher kaum berücksichtigt wurde. Vergleichbar dem für San Miguel de Escalada entstandenen sogenannten Morgan-Beatus werden auch im Saint-Sever-Beatus die Übergänge zwischen storia und explanatio durch rein ornamental gestaltete Felder hervorgehoben. Diese können als Medaillons oder auch in Form von gerahmten Rechteckfeldern auftreten.785 Ungewöhnlich ist jedoch, dass einige der Ornamentfelder eine ganze Seite einnehmen. Die Monumentalisierung der Miniaturen im Saint-Sever-Beatus beschränkt sich demnach nicht nur auf das narrative Bildprogramm, was insofern bemerkenswert ist, da bei den Ornamentfeldern von einem engen Bezug zum Text nicht auszugehen ist. Warum die ornamental gestalteten Seiten einen den figurativen Miniaturen vergleichbaren Status erlangen und ihnen darüber hinaus sogar gegenübergestellt sind, gilt es genauer auf den Grund zu gehen.
782 Morgan-Beatus, fol. 22v, 47v, 76v, 82v, 115r, 150v (hier: Kat. I.8): Williams, Beatus (2002), Bd. 2, Abb. 23, 32, 42–45. – Ornamentales Flechtwerk als Text strukturierendes Element findet sich auch im Silos-Beatus, fol. 59r, fol. 202r (hier: Kat. I.11): Williams, Beatus (2002), Bd. 4, Abb. 247, 321. 783 Hier: Kat. I.3. – Dass die Handschrift für das Kloster gefertigt ist, gilt durch das Exlibris des Abtes Gregor von Montaner (1028–1072) sowie die Darstellung einer als ECLESIA SCI SEVERI bezeichneten Kirche in der Darstellung der Welt auf fol. 45r/v als sicher. Zudem enthält die Handschrift eine Abschrift von Urkunden des Klosters, fol. 284r–290r. Ob das Manuskript jedoch auch hier gefertigt wurde, ist nicht belegt: Williams, Beatus (1998), Bd. 3: 44. 784 Müller, Johannes-Apokalypse (2015), 454–464. Müller ordnet die Besonderheiten der Ausstattung in den Kontext der päpstlichen Kirchenreform ein. 785 Unter anderem fol. 77v im Anschluss an die storia ecclesia sexta im zweiten Buch; fol. 143v im Anschluss an die storia quintae tubae im fünften Buch; als eine die ganze Spalte einnehmende Blumenranke auf fol. 176v im Anschluss an die storia septem angelorum im siebten Buch; fol. 179v als Abschluss zur ersten storia des achten Buches. Vgl. Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Lib. II, 6; Lib. V, 6; Lib. VII, 3; Lib. VIII, 1. Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 403, 422, 437. – Darüber hinaus werden auch die beiden Tafeln zum Antichrist durch ein Medaillon mit zentralem Flechtwerk, das die Breite einer Schriftspalte einnimmt, voneinander separiert (fol. 171v): Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 436.
176 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
Die erste ganzseitige ornamentale Gestaltung befindet sich auf folio 26 recto. Sie ist der allerersten storia des Apokalypsekommentars nachgestellt (Abb. 122). Dargestellt ist ein ungerahmtes, achsensymmetrisch organisiertes Flechtwerk, dessen leuchtend gelbe Farbe sich vor dem roten, blauen, grünen Hintergrund abhebt.786 Aufgrund der ovalen Form des Flechtknotens wurde die Darstellung als Omega gedeutet.787 Diese These ist jedoch nicht plausibel, da es eher üblich war, den Omega-Zierbuchstaben an das Ende eines Codex, oft als Pendant zu einem der Handschrift voranstehenden Alpha, zu platzieren.788 Stattdessen eröffnet die Darstellung verschiedene Assoziationsangebote: So ist das gelbe Flechtwerk dergestalt gewunden, dass es zentral vor grünem Grund die Form eines Kreuzzeichens ausspart. Ferner wird aufgrund des dicht verwobenen und durch seine leuchtend gelbe Farbe dominierenden Flechtwerks erst auf den zweiten Blick erkennbar, dass nur dort, wo der Grund Blau gestaltet ist, eine Acht identifizierbar wird. Diese ist in Form sich zwei überschneidender Kreise aus Darstellungen der Maiestas Domini in der Buchmalerei des 11. Jahrhunderts bekannt.789 In Rückgriff auf Augustinus’ Überlegungen zum ‚achten Tag‘ deutet Bianca Kühnel solche achtförmigen Rahmen als Symbol des Anfangs, das im Kontext des Weltgerichts auf die körperliche Auferstehung der Seligen verweise.790 Insgesamt belegen die Beobachtungen, dass der ornamentalen Darstellung ein andeutender Charakter eignet, der den Betrachter in seinem assoziativen Denken herauszufordern vermag, Formen mit Gesehenem zu verknüpfen und im Geiste zu vervollständigen.791 Im Prozess der Rezeption wird eine Spannung und – durch das verzögerte Erkennen dieser Motive – ein Moment des kontemplativen Innehaltens erzeugt. Auf diese Weise stimmt die ornamentale Darstellung auf die Betrachtung der rückseitig aufgetragenen, ersten Illumination des figurativen Apokalypsezyklus ein, welche die Übergabe des Buches an Johannes zeigt.792 So lässt sich schließlich der ganzseitige Flechtknoten auch als eine visuelle Markierung begreifen, die, indem sie ganzseitige Initialzierseiten in Erinnerung ruft, den Beginn des Kommentars ankündigt. Hinzu kommen drei weitere Illuminationen im Saint-Sever-Beatus, die nicht nur aufgrund ihrer Seiten füllenden Gestaltung, sondern auch wegen ihrer Platzierung ungewöhnlich sind. Die weitestgehend durch Ornamente gestalteten Seiten stehen jeweils einer ganzseitigen figurativen Darstellung gegenüber, mit der sie eine illuminierte Doppelseite bilden. 786 Insbesondere hier wird der Bezug zu den Initialen der Buchmalerei unter den Karolingern deutlich: Vgl. Ausst.-Kat. Trésor carolingiens (2007), 171. 787 Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 388. 788 Der Saint-Sever-Beatus besitzt ein ganzseitiges Alpha auf fol. 14r (hier: Kat. I.3): Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 387. 789 Vgl. die Himmelsvision des Propheten Jesaja als Maiestas Domini in einer Bamberger Kommentarhandschrift, um 1000 (Bamberg, Staatsbibliothek, Msc.Bibl.76, fol. 10v); Christus krönt Heinrich III. und Agnes im Goslaer Evangeliar, Echternach, um 1047–1056 (Uppsala, Universitätsbibliothek, Cod. 93, fol. 3v): Mayr-Harting, Book illumination (1991), Bd. 1, Abb. 177, 304; Maiestas Domini im Evangeliar der Hitda von Meschede, 1020–1040 (Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Cod. 1640, fol. 7r): Bloch und Schnitzler, Kölner Malerschule (1970), Bd. 1, 117. 790 Kühnel, Time (2003), 203, insbes. 204. 791 Tilghman, Insular Display Lettering (2011), 300. 792 Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 390.
Binnenrahmungen 177
Zwei dieser Ornamentseiten sind ferner nicht zwischen storia und explanatio geschaltet, sondern in den Kommentar inseriert. Damit wird jenes die anderen Beatus-Handschriften kennzeichnende Ordnungsprinzip, nach dem die Darstellungen zur Apokalypse zwischen storia und explanatio geschoben sind, aufgehoben. Die auffällige Zusammenstellung auf einer Doppelseite deutet darauf hin, dass eine gemeinsame Betrachtung intendiert war. Weitere im Folgenden erarbeitete Argumente stützen diese These. Im zweiten Buch des Beatus-Kommentars stehen sich links auf folio 51 verso alttestamentarische Motive aus dem Traum des Nebukadnezars (Dan 2,31–35) sowie rechts auf folio 52 recto zwei übereinanderangeordnete Reihen von Bäumen gegenüber (Abb. 123, 124).793 Die beiden ganzseitigen Illuminationen sind Bestandteil eines Abschnitts über die dem Propheten Daniel im Traum erschienenen vier Bestien (Dan 7), welche als die dem Weltgericht vorausgehenden Reiche gedeutet werden.794 Auf folio 51 verso ist der Statue des Nebukadnezars in schematischer Weise ein Berg gegenübergestellt, von dem aus ein Stein, der in Beatus’ Kommentar als Jesus Christus gedeutet wird, auf die Füße der Statue herabgefallen sein soll (fol. 51v). Das visionäre Motiv der zerschlagenen Füße verweist nach Beatus de Liébana auf das Ende der Welt sowie die Aufrichtung eines ewigen Reiches und der Kirche durch den Himmelsgott.795 Diesem Traum von der Zerstörung der im Bibeltext negativ konnotierten Reiche steht nun die fast paradiesische Darstellung von großen und kleinen noch wachsenden Bäumen auf der rechten Seite gegenüber, die von Vögeln bevölkert sind (fol. 52r). Möglich ist, dass damit jener friedvolle Moment gemeint war, der auf den Zusammenbruch der irdischen Reiche folgen sollte, um von der Errichtung des ewigen Reichs Gottes zu künden. In jedem Fall scheint die Darstellung als ein Gegenbild zur Zerstörung der Statue und damit zugleich auch der vier Bestien (fol. 51r) sowie der Frau auf der Bestie (fol. 52v) entworfen zu sein, die in unmittelbarer Umgebung dieser Doppelseite bildlich wiedergegeben sind.796 Eine solche kontrastreiche Gestaltung kennzeichnet eine weitere illuminierte Doppelseite, die in das fünfte Buch des Apokalypsekommentars integriert ist (fol. 137v, 138r; Abb. 125, 126).797 Sie ist der explanatio zur ersten Posaune (Off 8,6–7) zugeordnet, wo sie den Fortlauf der Erzählung durchbricht.798 Die figurative ganzseitige Darstellung auf der linken 793 Die Darstellungen markieren das Ende und den Beginn einer neuen Lage. 794 Unterbrochen wird der Text zwischen fol. 51r, […] Recte enim in antro suo morari haec bestiae dicitur, quae tamdiu cogitationes reproborum tenet, quousque eorum uitam //, und fol. 52v: aculeo prauis opere perforet. Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Prologus Lib. II, 8 §22. – Beiden Illuminationen geht die halbseitige Darstellung der vier Bestien auf fol. 51r voraus. Hingegen schließt sich an die ornamentale Gestaltung die Darstellung der Frau auf der Bestie auf fol. 52v an. 795 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Prologus Lib. II, 8 §4: […] unde et lapis de monte ueniens, id est filius dei de uirgine, hanc statuam in pedibus percutere dicitur, id est in finem mundi uenire et mundi pacem cum angelis sociare et ipse rex in uniuersum mundum suae ecclesiae esse; […]. 796 Williams, Beatus (1998), Bd. 3, Abb. 396, 397. 797 Fol. 138 bildet wiederum das letzte Blatt einer Lage. 798 Fol. 137r endet: […] Que uero nec fidei sacramenta tenuerunt, increpationem iudicis in extrema examinatione non audiunt, quia //; fol. 138v beginnt mit: preiudicati infidelitatis sue tenebris, eius quem despexerant inuectione redargui non merentur […]. Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Lib. V, 2, §13.
178 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
Seite (fol. 137v) macht den die Posaune blasenden Engel und die Folgen dieses Signals zum Thema:799 Ein dichter Feuerregen, symbolisiert durch eng gesetzte rote Striche und Wellenlinien, fällt vor verdunkeltem Himmel auf die mit Bäumen bewachsene Erde herab. Am unteren Rand sind auf einem gelb gestalteten Streifen hinabgefallene, kahle Äste zu erkennen. Der Zerstörung der Erde, auf die zusätzliche Inschriften verweisen,800 steht nun die Darstellung eines geometrisch gestalteten gelben Flechtwerks gegenüber (fol. 138r), das sowohl den Rahmen als auch die Binnenstruktur von miteinander verflochtenen und verzahnten Diagonalen und Halbkreisen vorgibt. Aus den Stegen dieses Flechtwerks lassen sich verschiedene Formen wie Kreuz, Raute und Kreis isolieren. In den Zwischenräumen sind Tiere eingeschlossen, die jeweils achsensymmetrisch angeordnet sind.801 Andere Binnenfelder sind mit blauen Flechtknoten ausgefüllt. Auch diese sind so angeordnet, dass sie sich jeweils entlang einer gedachten Mittelachse spiegeln. Die übrigen Binnenfelder sind einfarbig blau, rot und braun gestaltet. Durch rote Punkte auf dem dominierenden gelben Flechtband wird der Eindruck erweckt, dass es sich um eine punzierte Oberfläche handelt, die aus Goldschmiedearbeiten mit Einlagen aus Stein oder farbigem Glas bekannt sind.802 Insgesamt unterscheiden sich die beiden Illuminationen der doppelseitigen Anlage im Modus der Darstellung, in der Komposition, in der Bildthematik und in der Farbigkeit.803 Der Zerstörung in Folge der ersten Posaune steht ein sich an der Pracht goldschmiedener Werke orientiertes Flechtwerk gegenüber, welches die Tiere, zumeist Raubtiere, miteinander in Beziehung setzt und ihnen einen festen Platz innerhalb einer harmonischen Komposition zuweist. Als ein vergleichbar komplementäres Bildpaar ergeben sich schließlich die ganzseitigen Darstellungen auf folio 197 verso und 198 recto (Abb.127, 128). Sie sind Bestandteil des zehnten Buches der Apokalypse, das vom Untergang Babylons (Off 18,21–24), der Stadt des Teufels, handelt.804 In diesem Fall ist die Doppelseite wiederum zwischen storia und explanatio platziert, so dass der Textfluss nicht unterbrochen wird. Die Darstellung auf der linken Seite ist der Zerstörung Babylons gewidmet (fol. 197v). Ein Engel weist auf die bereits überflutete Stadt, deren Tore offenstehen. Darüber ist jener Stein dargestellt, den der Engel auf das Meer geworfen und damit die Babylon verschlingende Flut ausgelöst hatte. Der zerstörten Stadt steht nun eine Ornamentseite gegenüber, die von elf regelmäßig über das gerahmte Bildfeld verteilten Medaillons mit Tierdarstellungen dominiert wird.805 Verbunden werden 799 Die beigefügte Inschrift lautet: PRIMUS ANGELUS TUBA CECINIT / ET FACTA EST GRANDO ET IGNIS / MIXTUSIN SANGUINE ET MISSA / EST IN TERRA. 800 Ubi t[er]cia pars arboru[m] combusta est / ubi t[er]cia pars terre combusta est. 801 Oben sind sich zwei Löwen paarweise zugeordnet, die einen ihrer Vorderläufe in den Mund nehmen. Mittig stehen sich links und rechts des Kreuzungspunktes je ein aufsteigender Löwe und ein Bär sowie unten zwei Gänse gegenüber. 802 Vgl. etwa das goldene Kästchen mit Sardonyx-Einlagen, 11. Jh., heute in Madrid, Museo Arqueológico Nacional: Ausst.-Kat. The Art of Medieval Spain (1993), 255–256, Kat. 120. 803 Auch Mezoughi, Peintures (1984), 274, 276, 281, 288, bemerkt diesen Kontrast, geht der Beobachtung aber nicht weiter nach. 804 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Lib. X, 2: De eadem civitate diaboli. 805 Zu erkennen sind zwei Vögel, ein Bär, ein Kamel, ein Ochse, ein Ziegenbock, ein Wildschwein, ein Elefant, ein Esel, zwei Löwen sowie ein der Phantasie entspringendes Mischwesen.
Binnenrahmungen 179
die Medaillons durch dunkelblaue Blattranken vor graublauem Grund. Diese Ranken rollen sich in den Zwischenräumen zu Blättern auf und verbinden sich auf der Mittelachse zu kreuzförmigen Mustern, die zusätzlich durch Blüten hervorgehoben sind. Die Blütenblätter sind durch farbliche Aussparungen gekennzeichnet, die leuchtende Akzente setzen. Ebenso leuchtend treten die Medaillons mit den Tieren und deren Augen hervor. Bisweilen überschneiden die Darstellungen die Rahmung, die Tiere scheinen auf den Rahmen zu treten, durchtrennen ihn mit ihren Flügeln, Hörnern und Schnäbeln. Sie senken und drehen die Köpfe, wodurch der Eindruck entsteht, dass sie sich aufeinander beziehen. Die Gestaltung der Seite erinnert an die Musterung von Seidenstoffen. Vergleichbar der zuvor erörterten Doppelseite auf folio 137 verso und folio 138 recto geht es auch an diesem Ort darum, der Zerstörung eine in Formen und Farben wohlgeordnete Darstellung entgegenzusetzen, die die Ästhetik wertgeschätzter, vornehmlich im Gottesdienst, im Reliquienkult und in der Herrscherrepräsentation verwendeter Stoffe evoziert.806 Im Saint-Sever-Beatus sind die Ornamentfelder demnach verschiedentlich sowohl in Bezug zum Apokalypsekommentar als auch im Verhältnis zur Bildnarration angeordnet. Das Repertoire reicht von Medaillons, die der visuellen Strukturierung des Textes in storia und explanatio dienen, bis hin zu den ganzseitigen Ornamentfeldern, die den Rezipienten zu einer weitergehenden Beschäftigung mit der visuellen Ebene des Apokalypsekommentars auffordern. Durch die ganzseitigen Ornamentfelder werden Bilder der Ordnung und Harmonie eines ordo mundi entworfen,807 in denen auch den wilden Tieren ein fester Platz zukommt. Indem diese Ornamentfelder nun den Darstellungen des Bösen, des Chaos und des Unglücks gegenübergestellt sind, stützen sie das Verständnis der Apokalypse als ein göttlich gelenktes und geplantes Ereignis. In der kontrastiven Gegenüberstellung verstärken sie ferner jenen Eindruck, den die figurativen Darstellungen apokalyptischer Katastrophen erwecken, und nehmen insbesondere dort, wo die Doppelseite den Textfluss der explanatio unterbricht, unmittelbaren Einfluss auf den Leseprozess. Auf diese Weise werden die ganzseitigen Ornamentfelder zum integralen Bestandteil der Erzählung. Darin unterscheiden sie sich von den Darstellungen des Johannes im Silos-Beatus, aber auch von jenen der Wesen, die den Übergang zwischen storia und explanatio im Girona-Beatus bevölkern. Ihre jeweilige Präsentationsform im Layout der Seite verdeutlicht, dass ihnen nicht derselbe Status zukommt wie dem Bildzyklus der Apokalypse. Dennoch nehmen auch sie Einfluss auf den Prozess der Rezeption. So wird im Silos-Beatus mit Hilfe des Johannes, der die Aufmerksamkeit auf den Bildzyklus lenkt, der Betrachter zum Zeugen der Offenbarung. Weitaus lockerer ist im Girona-Beatus der Zusammenhang zwischen der Bildnarration und den Mischwesen geknüpft, die sich nur selten auf eines der gerahmten Bildfelder durch Blick oder Körperhaltung beziehen. Statt des konkreten Bezugs sind die sich einer klaren inhaltlichen Bewertung 806 Die Evokation textiler Objekte im Medium der Handschrift ist ein weithin greifbares Phänomen, das einer umfassenden eigenen Studie bedarf. Das Spektrum reicht von phantastischen Mustern, die an die Ornamentik prächtiger Stoffe erinnern, bis hin zur Evokation materialspezifischer Eigenheiten wie Webkanten im Codex aureus, um 1045 (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 156142). Dazu Grebe, Ornament (2012); Bücheler, Ornament (2014); Bücheler, Textiles (2016). Zu Geweben, die gleichsam Vorhängen vor Miniaturen gelegt und aufgenäht wurden: Sciacca, Curtain (2007). 807 Vgl. Anm. 494.
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entziehenden Mischwesen als eine den Bildzyklus flankierende Bildebene der Assoziation zu deuten. Gleichwohl verbindet die hier diskutierten Beispiele im Girona-, Silos- oder Saint-SeverBeatus, dass in ihnen verschiedene Spielarten, den Bildzyklus zur Apokalypse visuell zu flankieren, zum Einsatz kommen. Diese Spielarten unterscheiden sich graduell in ihrer formalen und inhaltlichen Bezugnahme zum Apokalypse-Bildzyklus und zum Text: sie heben die Struktur des Apokalypsekommentars im Layout der Seite hervor, sie lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters auf den Bildzyklus, sie stützen die Bildnarration oder steigern ihre Wirkung. Sie führen damit ganz deutlich und weitaus stärker als die Eröffnungsminiaturen am Beginn des Codex die Rolle der Visualität im Kontext einer meditativen lectio vor Augen – eine Visualität, die nördlich wie südlich der Pyrenäen nicht nur figurativ, sondern auch ornamental bestimmt ist.
V.5 Der Codex als ‚Baustelle‘ – Zur Umarbeitung von Codices in Silos In seinem Buch Das offene Kunstwerk macht Umberto Eco zeitgenössische Kunstwerke zum Thema, in denen unterschiedliche Interpretationsweisen bereits angelegt sind. Eco bezeichnet die von ihm untersuchten Objekte als ‚offene Kunstwerke‘, „als Konfiguration von mit substantieller Indeterminiertheit begabten Reizen, so daß der Perzipierende zu einer Reihe stets veränderlicher ‚Lektüren‘ veranlaßt wird (…).“808 Während Eco Spuren der Lektüre primär aus der Perspektive der Konzeption von Kunstwerken betrachtet, geht es mir nachfolgend um eine diachrone, im Erscheinungsbild von Manuskripten sich niederschlagende Rezeption, genauer um nachträgliche Veränderungen und Eingriffe in die Materialität von Codices und damit um einen anderen noch näher zu bestimmenden Grad von Offenheit. Mittelalterliche Handschriften waren und sind steten Transformationen unterworfen. Gleichwohl gilt es die Art der Eingriffe in den gegebenen materiellen Zustand zu differenzieren und die dahinterstehenden Intentionen zu bewerten: Handschriften wurden auf- und wieder neu zusammen gebunden, um den Einband zu erneuern, Lagen hinzuzufügen oder zu entfernen; Texte wurden nachträglich korrigiert, in Glossen und Randnotizen kommentiert, übersetzt oder annotiert;809 Codices wurden durch Zeichnungen und Miniaturen 808 Eco, Kunstwerk (1962, 1990), 154. 809 Dafür kann an dieser Stelle kein systematischer Überblick gegeben werden. Überarbeitungen am Text umfassen das ganze Spektrum an Textgattungen sowie Buchtypen zu allen Zeiten des Mittelalters. Schlaglichtartig seien nur ein paar Beispiele genannt: zu den nachträglichen Glossierungen in den Handschriften der Dekretalen Gregors IX.: Wittekind, Dekretalen (2010); vgl. ferner den sogen. Bernward-Psalter, 2. H. 11. Jh., (Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 113 Noviss. °4), der glossiert, korrigiert und im 12. Jh. mit einem Reliquien- und Schatzverzeichnis versehen wurde (Kat. Bernward von Hildesheim [1993], Bd. 2, 566–568, Kat. VIII–28 [Hans Jakob Schuffels]; zuletzt Müller, Bernward-Psalter [2013], 221–241); um ein Schatzverzeichnis des 12. Jh. ergänzt wurde auch der Salaberga-Psalter aus Kloster Saint-Jean in Laon, Anf. 8. Jh., Berlin, Staatsbibliothek, Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Ms. Hamilton 553 (Kat. Krone und Schleier [2005], 263–264, Kat. 136 [Hedwig Röckelein]); das sogen. Ratmann-Sakramentar, 1159, Hildesheim, Dom-Museum, Inv.-Nr. DS 37 (Kat. Abglanz des Himmels [2001], 133–134, Kat. 3.9 [Harald Wolter-von dem Kne-
Der Codex als ‚Baustelle‘ – Zur Umarbeitung von Codices in Silos 181
ergänzt, die bildliche Gestaltung noch im Prozess der Herstellung korrigiert oder nachträglich übermalt.810 Wenn ein Schreiber wie der Mönch Florentius aus Valeránica Mitte des 10. Jahrhunderts die Unversehrtheit des Codex und damit den Leser beschwört, Vorsicht im Umgang mit der Schrift und damit auch dem Pergament des von ihm gefertigten Manuskripts walten zu lassen, so ist zugleich klar, dass diese Formel auf eine nur allzu selbstverständliche Praxis zielte.811 Was sagen gerade diese Praktiken, die Resultat eines fortwährenden Dialogs des Betrachters und/oder des Lesers mit dem Manuskript sind und von John Dagenais als Ausdruck einer ‚oral performance‘ gedeutet werden,812 über die Produktion und Wahrnehmung von Manuskripten aus? Stete materielle Eingriffe in den Codex, vor allem in sein visuelles Erscheinungsbild, sind systematisch kaum ausgelotet.813 Mit dem Titel „Second(ary) Life of Manuscripts“ hat sich erstmals 2013 eine Tagung des nachträglichen Profilwechsels von Handschriften angenommen. Untersucht wurde, auf welche Weise und warum eine ursprünglich als untergeordnet eingeschätzte Aufgabe nun in den Vordergrund rückte.814 Sinnvoller erscheint mir, den Fokus zu verschieben von einem vermeintlich originalen Zustand oder einem vermeintlich originalen Gebrauchsprofil hin zu jenen den Codex konstant verändernden Lektüren. Denn nimmt man die Rezeptionsgeschichte eines Manuskriptes in den Blick, so erweist sich dessen Funktion als eine wandelbare und instabile Größe. Gleichwohl steht zu vermuten, dass sich diese im visuellen Erscheinungsbild der Codices niederschlagenden Rezeptionsweisen systematisieren ließen. Für die Ausstellung „Le lecteur à l’œuvre“ wurden erstmals Faktoren – zeitlisebeck]), das in mehreren Überarbeitungen den liturgischen Entwicklungen angepasst wurde, wobei der Buchschmuck mit Ausnahme kleinerer Initialen unangetastet blieb. – Davon zu unterscheiden sind serielle Textgattungen des späten Mittelalters wie die Ingelheimer Haderbücher (dat. 1387–1534), die Prozessprotokolle im Rahmen niederer Gerichtsbarkeit enthalten und tatsächlich darauf angelegt waren, sukzessiv fortgeführt zu werden (Felten, Ingelheimer Haderbücher [2010]). Siehe auch Universitätsmatrikel, etwa die von Erfurt, die seit Gründung 1392 fortlaufend geführt wurden. Eine grundlegende Untersuchung zur bildlichen Ausstattung der Erfurter Universitätsmatrikel gibt es meines Wissens immer noch nicht (Stadtarchiv Erfurt 1–1/XB XIII–46). Zu berücksichtigen wären hier ebenfalls die Totenrotel, vgl. die aus Saint-Bénigne in Dijon von 1439–1441, heute in Paris, Musée de Cluny. 810 Stellvertretend für leichte, dennoch wirkungsvolle Korrekturen am visuellen Erscheinungsbild im Kontext der Manuskriptherstellung sei hier der Codex Aureus Epternacensis (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 156142) genannt. In der Handschrift wurden noch während des Herstellungsprozesses oder aber kurz danach die Miniaturen übergangen: Oltrogge und Fuchs, Codex Aureus (2009), 21–31. Die Übermalungen, die auch für andere Echternacher Handschriften belegt sind, konzentrierten sich insbesondere auf die Inkarnate und dienten wohl dazu, die Wirkung der bildlichen Darstellungen zu steigern. 811 Ideo tu lector lente folias / uersa. longe a litteris digitos tene, quia sicut grande fecunditatem / telluris tollit sic lector inutilis scribturam et librum exerit. Hier: Kat. I.13, S. 242. 812 Dagenais, Residue (1991), 255. 813 Vgl. den Tagungsband von Dekeyzer und Stock, Manuscripts in Transition (2005), widmet sich nicht allein der materiellen Transformation von Handschriften, sondern berücksichtigt ferner die Aspekte von Transfer, Überlieferung, Reproduktion, Übersetzung gleichermaßen. Eine einleitende theoretische Auseinandersetzung liefert der Band jedoch nicht. 814 „The Second(ary) Life of Manuscripts. Centre for the Study of Manuscript Culture, Hamburg, 11–13 July 2013“, siehe http://www.manuscript-cultures.uni-hamburg.de/register_e.html [letzter Zugriff: 27.11.2013].
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che, räumliche, soziale und auch psychologische – erarbeitet, von denen die Transformation der Bücher als abhängig zu denken ist.815 Dabei wird zugleich deutlich, dass die Frage der Alteration keine ist, die sich auf den mittelalterlichen Codex beschränken lässt, denn hier stand das gedruckte Buch seit seinen Anfängen im Vordergrund. Bereits bei der Herstellung des Buches berücksichtigte Praktiken der Rezeption, wie sie etwa für den frühen Buchdruck belegt sind, waren jedoch, so legen es zumindest die hier untersuchten Handschriften nahe, für das frühe Mittelalter nicht typisch.816 Welchen Effekt die nachträglichen Eingriffe in das Bildprogramm frühmittelalterlicher Handschriften erzielen können, hängt wohl auch immer davon ab, in welchem Verhältnis, das heißt in welcher buchräumlichen und inhaltlichen Nähe die visuelle Ausstattung jeweils zum Text steht. Sicherlich ist die Überarbeitung einer den Text strukturierenden visuellen Gestaltung anders zu bewerten als Ergänzungen, die auf einem illuminierten Eröffnungsblatt erfolgen. In dem einen Fall ließen sich unter anderem unterschiedliche Vorstellungen in der Ordnung und Strukturierung von Wissen oder die Anpassung an andere Gebräuche in Liturgie und Frömmigkeit vermuten,817 in dem anderen eher kontextuelle, die Geschichte der Handschrift oder die symbolische Bedeutung des Codex betreffende Gründe.818 So ist eingangs auf ein Antiphonar des 10. Jahrhunderts verwiesen worden, in dem die ganzseitige Darstellung eines Alphas nachträglich um royale Monogramme sowie klerikale Einträge ergänzt wurden (Abb. 23). Diese zeigen nicht nur den Wechsel des Besitzers an, sondern geben zugleich der Hoffnung Ausdruck, damit in das Buch des Lebens eingeschrieben zu werden.819 Im Evangeliar Karls des Kahlen, welches im 10. Jahrhundert dem Benediktinerkloster St. Emmeram in Regensburg gehörte, ist der Besitzerwechsel mit weitergehenden Ansprüchen verbunden.820 Die Handschrift war 870 für den Enkel Karls des Großen entstanden. Wohl durch Arnulf von Kärnten gelangte sie in den Besitz des Regensburger Klosters. Hier wurde der Codex unter Abt Ramwoldus (975–1000) restauriert. Darauf weist ein kryptographischer Vermerk auf dem letzten Blatt der Handschrift hin, der sicherlich nicht zufällig mit einer abschließenden Notiz aus dem 9. Jahrhundert, die Angaben zur Herstellung des Buchdeckels enthält, verwoben ist. Denn auf diese Weise stellen sich die mit der Restaurierung beauftragten Mönche Aripo und Adalpertus in die Tradition der karolingi815 Ausst.-Kat. Le lecteur à l’œuvre (2013). Für eine systematische Analyse der Rezeptionspraktiken, insbes. zum frühen Buchdruck, vgl. hierin den Beitrag von Jeanneret, Tel qu‘en lui-meme enfin l‘éternité le change, 17–35. 816 Vgl. etwa die leeren Seiten am Ende der Nürnberger Chronik von Hartmann Schedel aus dem Jahre 1493, die es dem Leser ermöglichen sollten, die Arbeit des Historiographen fortzusetzen: Ausst.-Kat. Le lecteur à l’œuvre (2013), 177–181, Kat. 20. 817 Vgl. das sogen. Vorau-Antiphonar, das wohl 1435 für ein böhmisches Kloster entstand und zwischen 1496–1498 den Riten des Stiftes in Vorau (Steiermark) angepasst wurde: Studnicková, Material Recycling (2005). Hierin werden durch den Besitzerwechsel nun Heiligenfeste bildlich hervorgehoben, die von besonderer Bedeutung für die Diözese Salzburg waren. 818 Vgl. etwa die Einträge unterhalb einer Kreuzdarstellung am Beginn des Liber Commicus aus San Millán, fol. 3v (hier: Kat. I.6, Abb. in Ruiz García, Catálogo [1997], Abb. 10). 819 Vgl. Kap. II.2. 820 München, BStB, Clm 14000.
Der Codex als ‚Baustelle‘ – Zur Umarbeitung von Codices in Silos 183
schen Produzenten der Handschrift.821 Auf der ursprünglich leeren Vorderseite des ersten Blattes der Handschrift wurde zusätzlich ein Bildnis des Regensburger Abtes Ramwoldus gestaltet (Abb. 146). Für William Diebold spiegelt gerade dieses Bildnis das ausgeprägte Selbstbewusstsein Ramwoldus’ wider.822 Hier liegt demnach der bemerkenswerte Fall vor, dass ältere Ausstattungsprinzipien als Vorbild und Inspirationsquelle zeitgenössischer Buchgestaltung dienten. Zugleich lässt sich der Umgang mit dem Manuskript als eine „invention of tradition“ dergestalt begreifen, dass zwar in karolingischer Zeit Handschriften in St. Emmeram produziert wurden, diese aber kaum Buchschmuck enthielten.823 Mit der Restaurierung und prononcierten Erweiterung des Codex Aureaus schuf man eine künstlerische Tradition, die als Ausweis für die lange und glorreiche Vergangenheit des Klosters dienen konnte. Alter diente hierbei als Kriterium, den Vorrang in der Gegenwart zu manifestieren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Arbeiten am Codex Aureus mit einem Machtverlust der Äbte von St. Emmeram zusammenhängen. Denn 975, also zu Beginn der Amtszeit des Ramwoldus, verlor das Kloster das ihm traditionell gewährte Privileg, nach dem die Äbte in Personalunion auch Bischöfe von Regensburg waren. Eingriffe in die Handschriftenmaterie konnten weitaus umfassender und grundsätzlicher ausfallen, als es das Evangeliar Karls des Kahlen zeigt. Unter Erzbischof Egbert von Trier (977–993) wurden in Trier mehrere ältere Evangeliare überarbeitet. Eines wird heute im Kloster Strahov in Prag aufbewahrt.824 Der Codex entstand wahrscheinlich im frühen 9. Jahrhundert in Saint Martin in Tour, einem Zentrum der karolingischen Handschriftenproduktion.825 Die visuelle Gestaltung des in karolingischen Unzialen verfassten und durchgehend geschriebenen Textes beschränkt sich auf die Incipits und Explicits, Initialen und Überschriften sowie Kapitelanfänge, die in Rot und Gold hervorgehoben sind. Später gelangte das Evangeliar ins Kloster Sankt Martin in Trier, wo es zwischen 980 und 985 wohl durch den sogenannten Meister des Registrum Gregorii umgestaltet wurde.826 In der Summe führte die Überarbeitung dazu, dass die Evangelienbücher stärker als Einzelwerke in Erscheinung treten: So entstand durch das Entfernen von Texten, hier vor allem des jeweiligen Breviars und Argumentums, durch Übermalungen mit Flechtenpurpur sowie durch das Hinzufügen neuer Blätter am Beginn eines jeden Evangelientextes ein Set aus einer Purpurseite, einem 821 Die Restaurierung scheint allein auf den Buchdeckel gezielt zu haben: Bansa, Restaurierung (2002), 19–39. 822 Vgl. Diebold, Anxiety (2007), 54. 823 Vgl. Diebold, Anxiety (2007), 53. 824 Dazu: Albrecht, Artistic Strategies (2013); Lachat, Offering (2014); zuletzt Oltrogge, Aneignung (2017). – Zum Strahov Evangeliar: Prag, Strahov Library, MS DF III 3, 267 x 169 mm, 222 ff. Hoffmann, Buchkunst (1986), 486; Kat. Bernward von Hildesheim (1993), Bd. 2, 184–186, Kat. IV, 30 (Ulrich Kuder); Ronig, Egbert (1993), Bd. 1, 21, Kat.-Nr. 5; Hoffmann, Ottonische Handschriften (1993), 90; Gejza Šidlovský und Žilinčár, Strahovského evangeliáře (2012). 825 Kuder plädiert für 860 und nimmt Trier als Entstehungsort an: Ausst.-Kat. Bernward von Hildesheim (1993), Bd. 2, 184–186, Kat. IV–30 (Ulrich Kuder), hier: 184. 826 Die Handschrift ist mit einem Besitzvermerk des Klosters aus dem 12. Jh. (fol. 2r) sowie Angaben zur Weihe von Altären in St. Martin in Trier vom Ende d. 11. Jh. versehen (fol. 177r, 178r): Gejza Šidlovský und Žilinčár, Strahovského evangeliáře (2012), 207; zu den Überarbeitungen insbes. 209–213.
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ganzseitigen Evangelistenbildnis sowie einer Incipit-Zierseite (Abb. 147, 148).827 Zusätzlich wurde der Beginn des jeweiligen Evangelienberichts dergestalt hervorgehoben, dass die erste Zeile purpurfarben markiert und die entsprechenden Schriftzeichen in Gold eingefärbt wurden. Auf diese Weise passte man den karolingischen Codex den Ausstattungskonventionen ottonischer Evangeliare an. Doch zugleich ging es auch darum, Merkmale der karolingischen Buchgestaltung zu bewahren, und zwar gerade dort, wo Neues hinzugefügt wurde: in den Bildnissen der Evangelisten. Hier konnte in der Forschung plausibel gemacht werden, dass sich diese an touronischen Vorbildern orientierten, in der Weise, dass Evangelist und Symboltier durch einen horizontalen Schriftstreifen getrennt in Erscheinung treten.828 Um 1000 wurde ein weiteres Evangeliar des 9. Jahrhunderts, welches möglicherweise in Mainz entstanden war, im Umkreis des Meisters des Registrum Gregorii überarbeitet, wenn auch mit geringerem Aufwand.829 Auch hier kamen Bildnisse der Evangelisten auf leergebliebenen Seiten und auf zusätzlich eingeklebten Blättern hinzu,830 ferner wurden die Kanontafeln farbig gefasst831 und schließlich diesen die ungewöhnliche Ikonographie Christi zwischen vier Leuchtern auf folio 11 recto vorangestellt.832 Vergleichbar dem Strahov Evangeliar konzentrierten sich die Eingriffe vor allem auf den Anfang der vier Evangelien. Darüber hinaus wurde mit der Darstellung Christi ebenfalls an die Ausstattungstradition der ottonischen Evangeliare angeschlossen, in denen oft eine vorangestellte Maiestas Domini die Einheit der vier Evangelien spiegelt.833 Gründe für die jeweilige Umgestaltung der Evangeliare können hier nicht gebührend diskutiert werden. Möglicherweise sind sie im Zusammenhang zu sehen mit einer unter Egbert von Trier angestoßenen umfangreichen Produktion verschiedener künstlerischer Medien, die auf die ideologische Begründung des Trierer Primats zielte.834 Die Inanspruchnahme der karolingischen Tradition zum Zwecke politischer Legitimierung war dabei durchaus eine Strategie, 827 Prag, Strahov Library, MS DF III 3, zum Matthäus-Ev.: fol. 8v, 9r, zum Markus-Ev.: fol. 69v–71v, zum Lukas-Ev.: fol. 107v–109r, zum Johannes-Ev.: fol. 176v. 828 Vgl. Ausst.-Kat. Bernward von Hildesheim (1993), Bd. 2, 184–186, Kat. IV–30 (Ulrich Kuder), hier: 186; Ronig, Egbert (1993), Bd. 1, 21. 829 Berlin, Staatsbibliothek, Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. fol. 283, 290 x 180 mm. Vgl. Fingernagel, Lateinischen Handschriften (1993), Teil 1, 92–94, Kat. 89, Teil 2, Taf. VI, Abb. 290–294; Hoffmann, Ottonische Handschriften (1993), 88. 830 Berlin, Staatsbibliothek, Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. fol. 283, fol. 11r, 19v, 59v, 88v. 831 Berlin, Staatsbibliothek, Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. fol. 283, fol. 11v–17r. 832 Darüber hinaus wurde der Beginn des Matthäusevangeliums durch eine hinzugefügte Zeile in goldenen Unzialen hervorgehoben (fol. 20r) sowie ferner eine den Beginn des Johannesevangeliums markierende Zeile überarbeitet (fol. 134r). Vgl. Hoffmann, Ottonische Handschriften (1993), 88. 833 Vgl. das Evangeliar aus St. Gereon, dat. kurz nach 996 (Köln, Hist. Archiv, Ms. W 312, fol. 12v): Bloch und Schnitzler, Kölner Malerschule (1970), Bd. I, 25–31, Kat. II, Taf. 10; vgl. auch das Sakramentar aus St. Gereon in Köln (Paris, BnF, Ms. lat. 817, fol. ebd., Bd. I, 37–44, Taf. 15v, Taf. 92. 834 Dazu Seibrich, Egbert (1993), 187, 188; Steinruck, Erzbischof Egbert (1993), 203. – Die Trier zugeschriebenen Elfenbeintafeln, die ursprünglich als Sakramentardeckel fungierten, deutet Ulrike Surmann, Meister der Wiener Gregortafel (1993), 214, aufgrund ihres spezifischen Stils als „Produkte einer programmatischen Renaissance“ der karolingischen Kunst. Ähnlich auch Lachat, Offering (2014), 227-283, die die Bearbeitung der Handschriften als Strategie der Legitimierung ottonischer Herrscher unter Bezugnahme auf Karl den Großen deutet. Albrecht, Aristic Strategies (2013), 211-
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der sich die herrschende ottonische Elite bediente.835 Interessanterweise kam jener Ramwoldus, der in St. Emmeram in Regensburg für die Restaurierung der Deckel des Codex Aureus verantwortlich zeichnete und dessen Bildnis den Beginn des Evangeliars Karls des Kahlen ziert, aus St. Maximin in Trier. Damit verdichten sich die Anhaltspunkte einer breiteren, über St. Martin in Trier hinausgehenden Revision von in karolingischer Herrschaftszeit entstandenen Codices im ausgehenden 10. Jahrhundert. Für unsere Frage ist das Trierer Beispiel gerade deshalb von Interesse, weil der Eingriff in den Handschriftenbestand auf die visuelle Gestaltung am Beginn und am Ende von zusammenhängenden Texten zielte, aber auch weil die überlieferten Manuskripte vermuten lassen, dass sie Bestandteil eines größeren Überarbeitungsprozesses an einem Ort, wenn auch nicht in einem Kloster, waren. Das sich gerade in diesen Beispielen widerspiegelnde Bewusstsein um die Geschichtlichkeit der Handschriften kennzeichnet auch die Genese der nachfolgenden Manuskripte, die dem Kloster Santo Domingo de Silos zugeschrieben werden. Die Codices zeugen von einem zeitlich zwischen dem letzten Viertel des 11. und dem beginnenden 12. Jahrhundert einzuordnenden Revisionsprozesses, der den damaligen Handschriftenbestand des Klosters betraf. Eine Analyse jener Praktiken, die den Umgang mit den Manuskripten bestimmten, ermöglicht Rückschlüsse auf den Status illuminierter Eröffnungsseiten in einem Moment zu ziehen, in dem bestimmte Buchgattungen sowie Charakteristiken der visuellen Gestaltung im Verschwinden begriffen waren. Ausgangspunkt ist eine Handschrift, die Beatus’ und Hieronymus’ Kommentare zur Apokalypse und zum Buch Daniel enthält. Der sogenannte SilosBeatus zählt heute zu den bekanntesten mittelalterlichen Manuskripten aus dem Norden Spaniens. Daran hatte insbesondere Meyer Schapiro großen Anteil, der in einem Beitrag von 1939 die den Silos-Beatus kennzeichnenden unterschiedlichen Stilrichtungen auf das Entstehen einer städtischen Mittelklasse zurückführte.836 Auch wenn seine Beweisführung im Hinblick auf die von ihm erarbeiteten sozioökonomischen Bedingungen heute überholt erscheint, kommt Schapiro dennoch das Verdienst zu, die stilistische Heterogenität mit historischen Umwälzungen in Verbindung gebracht zu haben. Die Entstehung der Handschrift im Kloster San Sebastián, später Santo Domingo de Silos, war weitestgehend durch zwei Phasen geprägt. Im April 1091 waren die Kommentare zur Apokalypse und zum Buch Daniel fertiggestellt worden.837 Folgt man den Aussagen der Kolophone und den Einträgen in ein Buchstabenlabyrinth auf folio 276 recto war diese Aufgabe den Mönchen Munnius sowie Dominicus, der Munnius behilflich war, übertragen worden (Abb. 139).838 Ihnen werden auf der Basis stilistischer Vergleiche einige Initialen, das 212, interpretiert die Überarbeitung auch als ‚invention of tradition‘. Oltrogge, Aneignung (2017), 206-207, überlegt, ob die Ausstattung mit Purpur auf eine spätantike Traditionsbildung zielte. 835 Freud, Herrschaftsträger (2012), 530. 836 Schapiro, Stil (1939, 2003); vgl. dazu: Werckmeister, Review of Schapiro (1979), sowie Williams, Schapiro (2003). 837 Vgl. das Explicit zum Danielkommentar: fol. 265v–266r; zur Fertigstellung des Apokalypsekommentars: fol. 277v, sowie ein Kolophon auf fol. 278r (das dem Kolophon des Florentius’ aus Kloster Valeránica verwandt ist: Moralia in Iob aus Valeránica, fol. 500v: Kat. I.13). 838 Dieses Kolophon befindet sich auf fol. 278r. Es ist ergänzt um die Darstellung von Blumen (Abb. 141), auf deren Blütenblättern Buchstaben eingetragen sind, die in der Summe die Namen der Schreiber
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Buchstabenlabyrinth auf folio 276 recto sowie die ganzseitige Kreuzdarstellung auf folio 277 recto zugeschrieben (Abb. 140).839 Doch die Fertigstellung des Manuskriptes – es fehlte der beide Kommentare begleitende Bildzyklus – ließ noch etwa 20 Jahre auf sich warten. Denn nach Ausweis eines weiteren Kolophons auf folio 275 verso kam es nach dem Tod des Abtes Fortunus (1073–1101) zu einer längeren Unterbrechung.840 Erst unter Abt Nunnius (1101– 1106?) konnten die Arbeiten, die aus der Perspektive dieses Kolophons erst zu einem geringen Teil (minima pars) ausgeführt worden waren, wieder aufgenommen und die Illuminationen schließlich unter Abt Johannes (1106–1143) im Jahre 1109 auch abgeschlossen werden. Diese Aufgabe übernahm der Prior Petrus, dem neben jenen, die Kommentare begleitenden Bildnarrationen, auch eine ganzseitige Kreuzdarstellung (fol. 5v) sowie ein nicht ausgefülltes Buchstabenlabyrinth (fol. 6r) zugeschrieben werden (Abb. 135, 136).841 Auffallend ist, dass jene für die Beatus-Handschriften typischen genealogischen Tafeln sowie die Bildnisse der Evangelisten und Zeugen, welche auf eine heilsgeschichtliche Verortung sowie Autorisierung des Kommentars zielten, fehlen und wohl auch nicht geplant waren.842 Stattdessen sind den Kommentaren vier Einzelblätter (fol. 1–4) vorangebunden, deren Stil vermuten lässt, dass sie aus älteren Handschriften stammen.843 Drei der genannten vier Einzelblätter (fol. 1,2 und 4) müssen Bestandteil ein und desselben Antiphonars gewesen sein: Das erste Blatt (fol. 1) überliefert den letzten Abschnitt der Messe des Hl. Romanus (18. November) und ferner den Beginn des ersten Feiertages im Advent (Abb. 129).844 Das Romanus-Offizium bildet den Anfang des westgotischen Antiphonars, in dem ihm allein der Ordo psallendi in diem sancti Aciscli vorangestellt ist.845 Das mit Neumen versehene Blatt gibt auf seiner Vorderseite eine VPR-Initiale wider. Diese markiert den Beginn des in der westgotischen Liturgie zur Vesper einsetzenden Offiziums, weshalb der erste Gesang auch Vespertinum heißt. Dem Antiphonar ist ferner folio 4 hinzuzufügen, das auf der Vorderseite wiederum das Vespertinum-Monogramm zeigt. Das Monogramm nimmt allerdings die gesamte Seite des Blattes ein, dessen Rückseite mit dem ebenfalls seitenfüllenden Wort LVX versehen den Auftakt der Gesänge zur Messe des Hl. Acisclus bildet (Abb. 133, 134).846 Innerhalb der überlieferten westgotischen Antiphonare ist eine solche ganzseitige Umsetzung sowohl des Monogramms als auch des Wortes Lux ohne Vergleich. Möglicherweise gehörte auch das Munnius und Dominicus ergeben. 839 Williams, Beatus (2002), Bd. 4: 32. 840 Zum Kolophon vgl. Kat. I.11. 841 Von Petrus stammt ein weiteres Kolophon auf fol. 6v (hier: Kat. I.11), das sich in Teilen wiederum am Kolophon des Florentius aus Kloster Valeránica orientiert ist: Codex Smaragdus, fol. 4r (hier: Kat. I.14). 842 Williams, Beatus (2002), Bd. 4: 37. 843 Der Codex besteht überwiegend aus regelmäßigen Quaternionen. Die vier Einzelblätter zu Beginn sind mit einem vollständigen (fol. 5, fol. 6) sowie einem unvollständigen Binio (fol. 7) zu einer Lage zusammengebunden. 844 Dazu ausführlich Brou, Antiphonaire (1952). 845 Antiphonar in León, fol. 28v–30v (Aciclius), 31r–32v (Romanus); vgl. Kat. II.3: Antifonario Visigótico, 12–21. 846 Lux orta est iustis et rectis corde letitia. Antiphonar in León, fol. 29r; vgl. Kat. II.3: Antifonario Visigótico, 11.
Der Codex als ‚Baustelle‘ – Zur Umarbeitung von Codices in Silos 187
zweite Blatt mit der rückseitigen Darstellung eines ganzseitigen Kreuzes zum einstigen Antiphonar (Abb. 131). Diese Zugehörigkeit bestätigt sich für John Williams durch das Schlingenornament, welches dem des Vespertinum-Monogramms auf folio 4 recto verwandt erscheint.847 Aus stilistischen Gründen wird eine zeitliche Entstehung der drei Blätter in der zweiten Hälfte des 10. oder das beginnende 11. Jahrhundert in Betracht gezogen.848 Wenig wahrscheinlich ist, dass das heute dritte Blatt, das auf seiner Rückseite erneut die Darstellung eines Kreuzes wiedergibt, ebenfalls zum Antiphonar gehört hat, denn das hier sichtbare Liniensystem stimmt mit jenem auf den ersten beiden Blättern nicht überein (Abb. 132).849 Auch ist die Darstellung stilistisch verschieden von den übrigen Illuminationen.850 Vielmehr verweist sie auf jene illuminierten Codices, die in San Millán de la Cogolla entstanden waren, so dass denkbar erscheint, dass das Blatt aus einer von dort kommenden Handschrift stammt. Als Beispiel sei die Kreuzdarstellung auf folio 16 verso im Codex Aemilianense genannt, der im Jahre 992 beendet wurde (Abb. 91). Im Vergleich fallen die goldenen Scheiben ins Auge, die sowohl Bestandteil der Gestaltung der Kreuze als auch der sie rahmenden Arkaden sind. Letztere sind jeweils zusätzlich durch weiße Flechtbandstreifen akzentuiert. Auch liegt der Kreuzungspunkt nicht in der Mitte des Bogenfeldes, sondern ist sowohl im Silos-Beatus als auch im Codex Aemilianense leicht nach unten verschoben. Dagegen sind die Ähnlichkeiten zur Kreuzminiatur im Liber Commicus von 1072, wie sie Ann Boylan herausstreicht, weniger stark ausgeprägt, so dass eine Datierung der Darstellung im Silos-Beatus vor 1000 möglich erscheint.851 Nimmt man an, dass zumindest drei der vier Einzelblätter Bestandteil eines älteren Antiphonars waren, dann wurde dieses wahrscheinlich ähnlich wie andere nordspanische Codices 847 Williams, Beatus (2002), Bd. 4: 39. 848 Brou, Antiphonaire (1952), 343, der alle vier Blätter (fol. 1–4) auf das Antiphonar zurückführt, datiert diese zwischen dem 10. u. Mitte 11. Jh.; Williams, Beatus (2002), Bd. 4: 37, plädiert für das frühe 11. Jh.; Werckmeister, Beato musical (2007), 93, für die zweite Hälfte des 10. Jh. 849 Im Unterschied zu fol. 2 ist auf diesem Blatt nur die oberste und unterste horizontale Linie des Schriftspiegels angelegt, wobei auch der Abstand zur oberen und unteren Kante des Blattes verschieden ist (fol. 2: 25 mm/53 mm; fol. 3: 35 mm/45 mm); dies kann natürlich auch der Beschneidung der Blätter geschuldet sein. Auf beiden Blättern sind am linken und rechten Rand je drei vertikale Linien vorbereitet, wobei sowohl der Abstand zwischen diesen Linien sowie der vorbereiteten Schriftspalte unterschiedlich ist (fol. 2: 7–9 mm, Schriftspalte: 180 mm; fol. 3: 6 mm, Schriftspalte: 160–170 mm). – Vgl. die Angaben bei Boylan, Manuscript Illumination (1990), Appendix D, 208–209. Dagegen Vivancos, Silos Beatus (2003), 24, der die Unterschiede im Liniensystem zwischen den fol. 1–3 nicht erkennen kann und daher wie Brou ebenfalls das dritte Blatt dem Antiphonar zuweist. 850 So fällt auf, dass die Gestaltung des Kreuzes sowie der rahmenden Bogenstellung durch feine Punkte und Wellenlinien in den Binnenstrukturen gekennzeichnet ist, die sich in den anderen Darstellungen nicht finden. Umgekehrt fehlen auf fol. 3v jene entenförmigen Köpfe, deren Schnäbel in das Flechtwerk schnappen (vgl. fol. 2v, 4v). Schließlich fällt auch die Farbpalette verschieden aus: während die Illumination auf fol. 3v aus einem Wechsel aus Orange- und Grüntönen sowie Rot besteht, kennzeichnet die Darstellungen auf fol. 2v und fol. 4r/v gelbe, braune, rote und grüne Farbtöne. 851 Vgl. Boylan, Manuscript illumination (1990), 209. Liber Commicus, 1072, Madrid, Real Academia de la Historia, Cod. 22, fol. 3v (hier: Kat. I.6, Abb. in Ruiz García, Catálogo [1997], Abb. 10). Jedoch verbindet die Kreuzminiaturen im Silos-Beatus und im Liber Commicus aus San Millán die Inschrift SIGNVM CRVCE / CHRISTI REGIS.
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durch eine ganzseitige Kreuzminiatur eröffnet (fol. 2v), gefolgt von dem Blatt mit dem vorderseitigen Vespertinum-Monogramm sowie dem rückseitigen LVX, die gemeinsam den Beginn der ersten Antiphon des ersten Heiligenfestes im westgotischen Antiphonar aufzeigten. Erst einige Blätter weiter wäre schließlich das Fragment des Romanus-Offiziums zu platzieren.852 Das Erscheinungsbild der Einzelblätter am Beginn des Silos-Beatus deutet ferner darauf hin, dass diese, nachdem sie aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst worden waren, zunächst in eine andere Reihenfolge gebunden wurden. So hat folio 1 verso mit dem Romanus-Offizium auf der leeren Vorderseite des dritten Blattes sowie das Vespertinum-Monogramm von folio 4 recto auf der Rückseite des zweiten Blattes einen farblichen Abdruck hinterlassen.853 Demnach waren zu einem unbekannten Zeitpunkt folio 2 und 3 miteinander vertauscht, bevor sie die heutige Position erhielten. Diese Anordnung bewahrte den ursprünglichen Zusammenhang der aus dem Antiphonar stammenden Blätter. Uneinigkeit besteht darüber, wann die Einzelblätter, womöglich in dem zuletzt genannten Anordnungsschema, zum Silos-Beatus hinzukamen. Ann Boylan argumentiert für eine spätere Einbindung und beruft sich dabei auf die erste von Joseph de Roxas y Contreras stammende Beschreibung des Manuskriptes aus dem Jahre 1770, als es Bestandteil der Bibliothek des Colegio Viejo de San Bartholomé in Salamanca war.854 In dieser Beschreibung werden die ersten vier Einzelblätter nicht erwähnt, stattdessen auf einen heute nicht mehr erhaltenen, den Namen des Abtes Fortunius überliefernden Eintrag verwiesen.855 Weil Roxas 852 Ältere Manuskripte konnten durch Schenkungen von Klöstern und Kirchen sowie Stiftungen Einzelner nach Silos gelangt sein. Beides ist für die zweite Hälfte des 11. Jh. belegt. Ein im 11. Jh. in Silos fertiggestellter Liber Commicus, hte. Paris, BnF, Ms. N.a.l. 2171, enthält auf fol. 26v einen Nachtrag über eine größere Schenkung von Codices durch Sancho de Tabladillo, wozu auch ein Antiphonar gehörte: Férotin, Recueil de chartes, 17–18, Nr. 17; zur Hs. vgl. auch Avril, Manuscrits (1982), 20–22; Boylan, Manuscript Illumination (1990), 282–287; Silva y Verástegui, Miniatura (2003), 232–234. 853 Vivancos, Silos Beatus (2003), 24, hat nur den Abdruck von fol. 4r auf fol. 2v bemerkt oder bezieht sich dabei auf Brou, Antiphonaire (1952), 353. – Diese Abdrücke lassen sich nur vor dem Original erkennen. 854 Vgl. Boylan, Manuscript Illumination (1990), 200–202. 855 „En unas de las primeras figuras tiene la nota siguiente: Nobilis est Pallas Fortunius Abbas. Antes de llegar al Prologo tiene la siguiente nota: Incipit liber revelationis Jesu Christi Domini nostri editus, & firmatus ab his Authoribus, scilicet Jeronimo, Gregorio, Ambrosio, Agustino, Fulgentio, Ticonio, Irenio, Abringio, & Isidoro. Comienza el Prologo: Quaedam quae diversis temporibus in veteris Testamenti libris praenuntiata sunt denuntiavi; y acaba: Et quod respondere debuimus. Tiene 260. hojas en folio de vitela, en cuyo volumen se comprehende à mas de la explicacion del Apocalipsi, la de las Visiones de Daniel por san Geronimo, y esto es lo que và comprehendido en las 260. hojas: Sigue despues un Tratado del mismo San Geronimo de Salute Animae, y la Vida de San Ildefonso, Arzobispo de Toledo, escrita por San Heladeo; pero esta ultima folio tiene dos hojas des este volumen, y à continuacion se reconocen algunas cortadas, por lo que se puede discurrir, que las han arrancado, dexando esta pieza imperfecta. Antes de la Vida de San Ildefonso hay la nota siguiente: In nomine Domini: Hic liber habuit initium jusu Fortuni Abbatis, sed morte ejus interveniente minima pars ex facta fuit, eodemque modo contingit in tempore Nuni Abbatis: ad ultimum vero cum : : : Dominus Petrus, Prior consanguineus Nuni Abbatis complevit, & complendo ab integro iluminavit explicitusque est in ipsis Idibus Julij mensis quando obijt gloriosus Alphonsus totius Hispaniae Imperator. “ [Hervorhebung d. Verf.], Roxas y Contreras, Historia del Colegio viejo de S. Bartholomé, 310.
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y Contreras diesen Eintrag als figura beschreibt, könnte es sich mit Ann Boylan um ein Buchstabenlabyrinth gehandelt haben. Allerdings ist gegen die vermeintlich getreue Beschreibung von Roxas y Contreras einzuwenden, dass der Autor die Handschrift nicht selbst inspiziert hatte, sondern sich auf eine ältere, zeitlich nicht mehr bestimmbare Betrachtung beruft. Ferner macht Roxas y Contreras Ortsangabe „En una de las primeras figuras“ recht deutlich, dass vor dem Kolophon auf folio 6 verso mehrere Seiten mit bildlichen Darstellungen bestanden hatten, die jedoch nicht weitergehend beschrieben werden.856 Den ersten gesicherten Nachweis, dass die vier Einzelblätter in den Silos-Beatus eingebunden waren, liefert ein in die Jahre 1797 bis 1801 datiertes Inventar des Colegios. Denn die hier vermerkte Inventarnummer wurde auf dem heutigen ersten Blatt (fol. 1r) vermerkt, auf dem sich das Fragment des Offiziums des Hl. Romanus befindet.857 Als ein weiteres Argument für die spätere Einbindung der heute ersten vier Blätter in den Codex dient Ann Boylan die Darstellung einer Hölle auf folio 2 recto, die aus stilistischen Gründen später zu datieren ist als die rückseitige Kreuzminiatur (Abb. 130). Die Darstellung, in der Dämonen verschiedene Laster traktieren, schreibt Boylan dem Buchmaler Petrus zu, der die Arbeit am Silos-Beatus zu Beginn des 12. Jahrhunderts wieder aufnahm. Allerdings wäre ihrer Meinung nach zu diesem Zeitpunkt das Blatt noch Bestandteil des Antiphonars gewesen, weil die Höllendarstellung inhaltlich mit dem Offizium des Hl. Romanus in Verbindung stünde.858 John Williams ist hier anderer Ansicht. Seiner Meinung nach könne die Darstellung nicht von Petrus stammen und sie wäre ausgeführt worden, nachdem das Antiphonar-Fragment mit dem Beatus-Kommentar vereint worden wäre.859 Die stilistischen Gründe, die er dafür anführt, sind überzeugend und lassen eine Datierung des Höllenbildes um 1120 denkbar erscheinen.860 Ferner macht Williams gegenüber Boylan die inhaltliche Zugehörigkeit der Höllendarstellung zum Beatus-Kommentar stark und führt als Argument den Girona-Beatus von 975 ins Feld, zu dessen illuminierten Präliminarien eine Höllenfahrt 856 Die durch Roxas y Contreras angegebene Anzahl von 260 Blättern steht der heutigen von 279 entgegen, allerdings wird aus den Ausführungen nicht klar, ob sich diese Zahl auf den eigentlichen Text (die Kommentare und Anhänge) oder auf die gesamte Handschrift bezieht. 857 Vgl. Boylan, Manuscript illumination (1990), 201–202, 208. 858 Als Argument führt Boylan den Psalm 65,12 an, der als Inschrift die Höllendarstellung ergänzt (dazu weiter unten) und zugleich Bestandteil des Offiziums des Hl. Romanus war. Boylan, Manuscript Illumination (1990), 113. Auch Yarza Luaces, San Miguel (1981), 21–22, ist der Ansicht, dass sich die Höllendarstellung auf das Antiphonar bezieht, ohne weitere Gründe dafür anzugeben. 859 Williams, Beatus (2002), Bd. 4: 36. 860 Williams verweist darauf, dass die Figuren der Höllendarstellung Fächerfalten („fold of fan shape“) statt Taschenfalten („shadow pocket“) kennzeichnen, die Petrus’ Figurenstil ansonsten charakterisiert. Zudem ist in den Figurendarstellungen, die die Kommentare zur Apokalypse und zum Buch Daniel begleiten, jene Linie, die die Nase andeutet, gerade über die Brauen hinausgezogen, während sich die Nasenlinie bei den Figuren der Höllenillumination aus der unteren Augenfalte entwickelt. Ferner sei die pirouettenhafte Stellung des Hl. Michael auffällig, die er mit den Darstellungen des Motivs überkreuzter Füße auf der Arca Santa (Oviedo, Cámara Sancta, 1. H. d. 12. Jh.) sowie auf den Kreuzgangreliefs von Santo Domingo de Silos, deren Entstehungszeit Williams später, um 1120, annimmt, vergleicht. Williams, Beatus (2002), Bd. 4: 36–37. – Vivancos, Silos Beatus (2003), 24–25, plädiert dafür, dass die Hölle in dem Moment illuminiert wurde, als das Antiphonar-Fragment mit dem Beatus-Kommentar vereint wurde.
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Christi gehört (Abb. 55).861 Dagegen ist einzuwenden, dass gerade diese Höllenfahrt, in der ganz eigene ikonographische Akzente gesetzt sind, keine unabhängige Darstellung repräsentiert, sondern Bestandteil des umfangreichen dem Apokalpysekommentar vorausgehenden christologischen Zyklus ist. Deutlich wird, dass sich die jeweiligen Ansichten zur zeitlichen Einbindung der ersten Blätter in den Silos-Beatus auf die Frage konzentrieren, zu welchem Text die Höllendarstellung inhaltlich besser passt. Allerdings wird nachfolgend zu zeigen sein, dass sich der Sinn dieser Darstellung nicht aus den Texten, sondern aus der Platzierung und inhaltlichen Einbettung am Beginn des Codex und somit aus der Funktion der Eröffnungsminiaturen erschließt. Demnach bietet sich die Darstellung der Hölle kaum dafür an, den Zeitpunkt der Einbindung der ersten vier Blätter in den Silos-Beatus zu bestimmen. Stattdessen lässt sich an ihr demonstrieren, dass sich generell das Verständnis der Eröffnungsminiaturen zu Beginn des 12. Jahrhunderts wandelte. Die teuflischen Wesen und Laster stellen die erste figurative Gestaltung am Beginn des Silos-Beatus dar. Sie wurde auf jenem Blatt aufgetragen, dessen Rückseite bereits eine Kreuzminiatur einnahm. Wie in anderen nordspanischen Handschriften ist das Kreuz nach innen gewendet und entspricht wohl dem Bedürfnis nach göttlichem Schutz für den Codex und den an dessen Produktion wie Rezeption beteiligten Instanzen. Dieser Schutz wurde durch das Aufschlagen des Codex und damit den Zutritt zum Buchraum aktiviert.862 Durch die Höllendarstellung nahm etwas Gestalt an, was zuvor in den Kreuzminiaturen allenfalls durch Beischriften angedeutet worden war. Denn hier ist erstmals bildlich gezeigt, wer nicht durch das Kreuz geschützt ist: In einem Vierpass sind vier als Barabas, Radamas, Aqimos und Beelzebub inschriftlich bezeichnete Teufel um eine mittig platzierte Figur angeordnet. Durch die Beischrift DIVES lässt sich diese als der reiche Mann aus der Lazarusgeschichte (Lk 16,19–20) identifizieren.863 Beelzebub und Radamas traktieren mit einem Schürhaken die Personifikation der Habsucht, der als Attribut ein Geldbeutel beigegeben ist. Hingegen attackiert Aqimos das in einem seitlich platzierten Bett vereinigte Paar, welches die Unkeuschheit figuriert. Der weiter oben angeordnete Barabas wendet sich dem außerhalb des vierpassförmigen Rahmens stehenden Hl. Michael zu und scheint hier mit seiner rechten Hand eine der Schalen der Gerichtswaage zu beschweren. Zusätzlich besitzt die Darstellung eine Inschrift, die am linken und unteren Rand des Vierpasses verläuft und auf das Buch Hiob zurückführt (24, 19).864 Der in der Inschrift angesprochene Wechsel von Hitze und
861 Vgl. Williams, Beatus (2002), Bd. 4: 36. 862 Das Kreuz auf fol. 2v tritt ohne Beischrift in Erscheinung. Allerdings deutet jener, dem Fuß des Vortragekreuzes hinterlegte horizontale Farbstreifen an, dass eine solche geplant gewesen war. Die ganzseitige Kreuzdarstellung auf fol. 3v ergänzt SIGNVM CRVCE / CHRISTI REGIS als Inschrift. 863 Homo quidam erat dives et induebatur purpura et bysso et epulabatur cotidie splendide et erat quidam mendicus nomine Lazarus […]. Biblia Sacra (2007), 1640. 864 A CALORE NIMIO TRANSIBVNT AD AQVAS NIVIVM ET AB AQVAS NIVIVM TRANSIBVNT AD CALORE NIMIVM. Vgl. […] ad nimium calorem transeat ab aquis nivium et usque ad inferos peccatum illius. Biblia Sacra (2007), 751.
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Kälte (Schneewasser) lässt sich in diesem Darstellungskontext als Zustandsbeschreibung der Verdammten deuten.865 Die umfangreichste und einfühlsamste Beschreibung dieser Miniatur liefert Meyer Schapiro, der darin immer wieder auf die Dynamik, die „Kreisbewegung“ oder die „Rotationsbewegung“ der Darstellung zu sprechen kommt.866 Schapiros Beschreibung eröffnet den Blick für eine Darstellung, in der bewusst darauf verzichtet wurde, eine Ordnung dergestalt herzustellen, dass sich die Anordnung des Bildpersonals aus einem bestimmten und stabilen Blickwinkel des Betrachters erschließt. Das Gegenteil ist der Fall: Um alle Teile der Miniatur zu betrachten und die Inschriften zu lesen, muss das Blatt respektive der Codex gedreht werden.867 Auch in dieser Hinsicht ist die Höllendarstellung einzigartig innerhalb der nordspanischen Buchmalerei; um 90° gedrehte und gar auf den Kopf gestellte Illuminationen oder Schriftzüge finden sich eher selten.868 Hier wurde folglich eine Lösung gefunden, die dadurch, dass sie nicht den üblichen Bildkonventionen entsprach, den Eindruck einer chaotischen, außerhalb der himmlischen Ordnung bestehenden, jedoch von dieser kontrollierbaren teuflischen Welt vermittelte. Denn gerade die Vierpassrahmung deutet darauf hin, dass die durch sie gerahmte Hölle durchaus beherrschbar ist. Aus der Logik der Eröffnungsseiten lässt sich die Höllendarstellung als eine Kehr- oder Schattenseite der Kreuzminiatur deuten, mit der sich ja die Hoffnung auf den göttlichen Schutz verbindet. Diese nachträglich eingefügte Miniatur erklärt sich also weniger aus der spezifischen Buchgattung, sondern verdankt sich vielmehr jenen Ideen, die bereits durch die bestehenden Eröffnungsseiten nordspanischer Handschriften vermittelt wurden. Mehr noch geht die Transformation des Manuskriptes an dieser Stelle mit einem Wandel in der Adressierung des Betrachters einher, schließlich ist die Vorderseite des Blattes mit der rückseitigen Kreuzdarstellung nun nicht mehr ungestaltet oder leer. Statt der virtuellen Schwellensituation, die zuvor durch das nach innen gerichtete Kreuz im Vordergrund stand, rückt nun ein moralisierender Appell in den Blickpunkt, der sich mit der nach außen gewendeten Darstellung verbindet. Somit gibt die Höllendarstellung der Kehrseite Gottes nicht nur einen Namen, sondern trägt sie dem Betrachter dergestalt an, dass ihm menschliche Laster vor Augen geführt und sogar die Konsequenzen dieses Handelns vergegenwärtigt werden. Er wird am ‚Eingang‘ des Codex mit einer Gewissensfrage konfrontiert, die in den älteren
865 Siehe Schapiro, Stil (1939, 2003), 85. Es ist das Verdienst Schapiros diese Passage in der Vita des Hl. Brendan identifiziert zu haben. Ein Exemplar der Vita befindet sich in der Klosterbibliothek von Silos. 866 Schapiro, Stil (1939, 2003), 70. – Ganze fünf Seiten wendet Schapiro, ebd., 69–74, für die Beschreibung auf. 867 Interessanterweise bildet Williams, Beatus (2002), Bd. 4, Abb. 222, die Hölle um 45° gegen den Uhrzeigersinn gedreht ab, womit der Hl. Michael ‚zum Stehen‘ kommt. 868 Im Codex Aemilianense, fol. 34r, 40r (hier: Kat. I.5) wurden zwei Darstellungen des Gesprächs zwischen ‚Codex‘ und ‚Lector‘ um 90° gedreht angeordnet: Silva y Verástegui, Iconografía (1984), Abb. 124, 126. In der Moralia in Iob-Handschrift, die heute in San Isidoro in León (hier: Kat. II.5) aufbewahrt wird, wurde ein Name, wohl der des Schreibers, über Kopf an den Rand des Buchstabenlabyrinths notiert (Abb. 26). Im Zusammenhang mit dem Buchstabenlabyrinth lässt sich dies als kryptographische Strategie werten.
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Handschriften noch keine Rolle spielte, wo eine Personalisierung der voneinander geschiedenen Frommen und Nichtfrommen nicht vorgenommen wird. Wenn auch die Höllendarstellung nicht dazu beitragen kann, die Frage der zeitlichen Einbindung der Eröffnungsminiaturen in den Silos-Beatus zu klären, so sprechen doch andere historische Gründe dafür, dass diese spezifische Zusammenstellung des Manuskriptes bereits um 1100 vorgenommen wurde. In der Forschung werden verschiedene Aspekte dafür angeführt, warum die aus älteren Codices stammenden Einzelblätter im Silos-Beatus konserviert wurden. Ann Boylan, die eine zeitnahe Einbindung in den Codex ausschließt, misst der Hinzufügung eines Antiphonarfragments keine große Bedeutung bei: Während das erste Blatt mit einem Auszug aus dem Offizium des Hl. Romanus allein einem schützenden und ‚ornamentalen‘ Effekt (gemeint im Sinne von bedeutungslos) gedient habe, würden auch die übrigen keine ikonographischen Neuheiten präsentieren, sondern seien als typisch für nordspanische Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts einzustufen.869 Eine Besonderheit bestünde einzig und alleine darin, dass so viele Seiten eröffnenden Charakters eingebunden worden seien – ein Argument,870 welches mit Verweis auf andere Codices, denen eine ganze Serie einleitender Illuminationen voransteht, leicht zu entkräften ist.871 Zumeist wird die Erweiterung des Beatus-Codex um ein Antiphonarfragment mit der Wertschätzung gegenüber der alten westgotischen Liturgie in Verbindung gebracht, 872 was einer weiteren Kommentierung bedarf. Es ist nicht belegt, wie sich die Mönche von Silos zum Wechsel der Liturgie stellten, der auf einem Konzil von Burgos im Jahre 1080 offiziell vollzogen wurde. Zumindest löste dieser Beschluss in Kloster Silos die Produktion neuer für 869 Boylan, Manuscript illumination (1990), 51: „It seems obvious that the factor motivating the inclusion of these folia in the already heavily decorated Silos Beatus was their highly ornamental nature, rather than ideological reasons concerned with the preservation of the bygone liturgy, for only one folio of the text was included and even then, it was placed at the beginning of the manuscript to protect the subsequent folia. These display folia (d. 1–4v), containing no iconographic novelties, do not depart from the iconographic tradition common to such prefatory matter in Mozarabic manuscripts of the tenth century and indeed their only novelity is the fact that so many of them are bound in before the Apocalypse Commentary.“ Erst viel später hat Boylan ihre Meinung dergestalt der vorherrschenden Ansicht der Forschung angepasst, dass sie in den hinzugefügten Einzelblätter eine Art ‚nostalgische‘ Haltung gegenüber der westgotischen Liturgie widergespiegelt sieht, jedoch nicht weiter spezifiziert, was darunter zu verstehen ist. Boylan, Silos Beatus (2005), 191–193. 870 Boylan, Manuscript Illumination (1990), 51. 871 Etwa im Codex Albeldense und im Girona-Beatus, vgl. Kap. V.2, V.3. 872 Brou, Antiphonaire (1952), 26, attestiert den Eröffnungsseiten einen ästhetischen Wert, weil sie ursprünglich in den Kontext eines der westgotischen Liturgie folgenden Antiphonars gehörten. Vivancos, Silos Beatus (2003), 24, und Franco, Illustrations (2003), 79, schließen sich Brou an. – Nach Werckmeister, Beato musical (2003), 93–95, würden die hinzugefügten Blätter die Verwendung der Apokalypse in der westgotischen Liturgie unterstreichen und darüber hinaus, weil ergänzt um die Hölle, mit jenen den Codex abschließenden Texten (fol. 268r–279v), die zur spirituellen Vorbereitung des Todes dienten, in Verbindung stehen. Eine solche Lektüre ist denkbar, sie erklärt jedoch nicht, warum auch die aus älteren Handschriften stammenden Kreuzdarstellungen miteingebunden wurden. Darüber hinaus sind die abschließenden Texte des Silos-Beatus, fol. 268r–279v, nicht nur der Thematik des Todes gewidmet, sondern unterschiedlichen Inhalts. Eine detaillierte Beschreibung dazu: http:// www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Add_MS_11695 (letzter Zugriff: 18.8.2016).
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den römischen Ritus gebrauchter Buchtypen aus, was wahrscheinlich auf Abt Fortunius (1073 – nach 1100), der als einer der Vertreter der Reformbemühungen gilt, zurückzuführen ist.873 Eben jener Fortunius, unter dessen Abbatiat der Silos-Beatus in Angriff genommen wurde. Gleichwohl deutet Patrique Henriet die Ablösung des westgotischen durch den römischen Ritus als einschneidende Erfahrung: „Dans une société médièvale qui accordait une place centrale à l’institution ecclésiale et aux rituels, le passage brutal d’une liturgie à une autre représenta forcément un traumatisme“.874 Tatsächlich lässt sich nachweisen, dass die Reform nicht ohne Gegenwehr innerhalb der Klöster blieb, wofür San Millán de la Cogolla beispielgebend ist.875 Aus diesem Kloster ist ein Text überliefert, der die westgotische gegen die römische Liturgie verteidigt. In der Argumentation spielt das Alter des westgotischen Ritus, der auf den Apostel Petrus als Autor zurückgeführt wird, eine wesentliche Rolle.876 Der Text ist Bestandteil eines Liber Commicus, also jener Buchgattung, in der die Lesungen der westgotischen Liturgie zusammengefasst sind.877 Von einer ablehnenden Haltung gegenüber der neuen Liturgie, so scheint es, ist aus Santo Domingo de Silos nichts bekannt. Zumindest stellte der Wechsel der Liturgie keinen radikalen Schnitt mit traditionellen Gebräuchen dergestalt dar, dass die neuen Codices die alten komplett verdrängt hätten. Letztere wurden nicht vernichtet, sondern nach Ausweis einer erhaltenen Bücherliste aus dem 13. Jahrhundert weiter bewahrt (Abb. 116).878 Am Beispiel einer in San Millán de la Cogolla kompilierten und später nach Silos gelangten Handschrift, die den Liber Ordinum des westgotischen Ritus enthält, macht Roger Collins aufgrund einer Vielzahl nachträglicher Eintragungen sowie Veränderungen und Hinzufügungen in der musikalischen Notierung die weitergehende Nutzung des Liber plausibel.879 Und auch die Tatsache, dass unter Abt Fortunius das Projekt zu einer illuminierten Handschrift mit den Kommentaren zur Apokalypse und zum Buch Daniel in Angriff genommen wurde, spricht für eine längere Übergangsphase. Denn auf die Apokalypse wurde in Lesungen und Gesängen der westgotischen Liturgie ins873 Vgl. Walker, Transition (1998). Zu Abt Fortunius: Férotin, Histoire de l’abbaye (1897), 71–78; Collins, Continuity (2002), 12; Boylan, Silos Beatus (2005), 184–185. 874 Henriet, Liturgie mozarabe (2009), 734. 875 Reglero de al Fuente, Cluny (2008), 152, zur Gegenwehr seitens des Klosters Sahagún und weiter, 200, zu einem Brief Alfons VI., König von León, Kastilien und Galicien (1037–1109) an Hugo, Abt von Cluny, in dem er sich über Widerstände beklagt. 876 Dazu Henriet, Liturgie mozarabe (2009), 730. Henriet, der den Text noch einmal ediert, übersetzt und kommentiert hat, interpretiert ihn als unmittelbare Reaktion auf einen an Alfons VI. gerichteten Brief Papst Gregors VII., in dem dieser seine Geringschätzung gegenüber dem westgotischen Ritus zum Ausdruck bringt: ebd., 732. 877 Zu diesem Liber Commicus aus San Millán (hier: Kat. I.6). – Dem ebenfalls in San Millán de la Cogolla verfassten Codex Aemilianense (vgl. Kat. I.5), der verschiedenste Rechtstexte enthält, wurden Texte des 11. Jh. hinzugefügt, die den Prozess des liturgischen Wechsels aus späterer Sicht schildern: Henriet, Liturgie mozarabe (2009), 731, Anm. 22, 23. 878 In der Liste, die Bestandteil der Etymologien aus Silos, fol. 16v (hier: Kat. I.10) ist, sind die Bücher mit dem Zusatz toletanus versehen, der auf die alte westgotische Hauptstadt Toledo verweist. Zu dieser Liste vgl. Delisle, Manuscrits (1880), 105–107; Férotin, Histoire de l’abbaye (1897), 262–264. Boylan, Manuscript illumination (1990), 307–321, kann eine Reihe der aufgeführten Manuskripte identifizieren. Zur Klosterbibliothek im 13. Jh.: Guijarro, Biblioteca (2003). 879 Collins, Continuity (2002).
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besondere in der Osterwoche, aber auch in der Zeitspanne bis Christi Himmelfahrt besonderen Wert gelegt. Rose Walker, die liturgische Handschriften aus Silos vor und nach der Reform untersucht hat, macht deutlich, dass gerade die Apokalypse betreffende Passagen, aber auch Bestandteile des Beatus-Kommentars Eingang in die neuen, dem römischen Ritus folgenden Breviare und Missale gefunden hatten.880 In diesem Sinne ist es wahrscheinlich, dass die Einzelblätter in dem Bewusstsein eingebunden wurden, dass sie vormals Bestandteil einer liturgischen Handschrift waren. In den neuen, dem römischen Ritus folgenden Manuskripten ist Buchschmuck im Übrigen auf die Initialen reduziert. Möglich, dass die Blätter hinzugebunden wurden, weil die Mönche von Silos auf diese Weise die visuellen Eigenarten älterer liturgischer Codices bewahren wollten. Ebenso ist denkbar, dass die so gestalteten Seiten als pars pro toto für eine im Verschwinden begriffene Handschriftenausstattung verstanden wurden. Dafür spricht, dass gerade die ganzseitigen Kreuzdarstellungen nicht allein Bestandteil liturgischer Handschriften sind, sondern in fast emblematischer Weise die verschiedensten Text- und Buchgattungen des 10. und 11. Jahrhunderts prägen. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass mit dem Silos-Beatus die vorerst letzte Handschrift überliefert ist, die durch das als traditionell einzustufende Set von ganzseitigen Kreuzdarstellungen ergänzt um Buchstabenlabyrinthe eingeleitet und beschlossen wird. Auch aus diesem Grund ist eine spätere Einbindung dieser Blätter in den Silos-Beatus, wie Ann Boylan vermutet, wenig wahrscheinlich. Erst seit dem letzten Viertel des 12. bis zum beginnenden 13. Jahrhundert entstehen wieder Handschriften, in denen voran- und nachgestellte ganzseitige Darstellungen die bekannten Bildtypen des 10. und 11. Jahrhunderts zitieren: ganzseitige Kreuze, die Maiestas Domini sowie ein Omega-Zierbuchstabe. Dabei handelt es sich ausschließlich um Codices, die die Kommentare zur Apokalypse und zum Buch Daniel enthalten. Ob diese Renaissance der Buchgattung ein Phänomen nordspanischer Zisterzienserklöster ist oder aber mit einem neuerlichen Interesse für den „didaktischen Schematismus“ der die Kommentare begleitenden Bildzyklen zusammenhängt, ist noch nicht geklärt.881 Zwar diente dem sogenannten Las Huelgas-Beatus von 1220 eine Handschrift des 10. Jahrhunderts, der Tábara-Beatus, als Vorbild. Insgesamt gesehen lassen sich aber diese späteren Miniaturen mit jenen in den Codices des 10. und 11. Jahrhunderts kaum vergleichen, weil sie vor allem in stilistischer, aber auch in ikonographischer Hinsicht Neuschöpfungen darstellen.882 Es scheint mir daher sehr unwahrscheinlich, dass die Veränderung des Silos-Beatus dieser Periode zuzurechnen sind. Die einzigartige Häufung der ganzseitigen Kreuzminiaturen im Silos-Beatus kann als ein letzter Höhepunkt jener Gestaltungsweise begriffen werden, die fast zweihundert Jahre lang
880 Vgl. ein Breviar, Ende 11. Jh., London, BL, Ms. Add. 30848. Walker, Transition (1998), 88. 881 Klein, Buchmalerei (1992), 74. 882 Williams, Beatus (2003), Bd. 5, zum Las Huelgas-Beatus (New York, PML, M. 429, fol. 1v, 2r, 183r, 184v), der, weil ihm der Tábara-Beatus (hier: Kat. I.7) zugrunde lag, noch die engsten ikonographischen Verbindungen aufweist: Abb. 443, 444; in die Darstellung des Kreuzes und der Maiestas sind jedoch auch andere Darstellungstraditionen eingeflossen: Abb. 325, 326. Zum Cardeña-Beatus (Madrid, Museo Arqueológico Nacional, Ms. 2, fol. 1v [Kreuz]): ebd., 130; zum Rylands-Beatus (Manchester, John Rylands University Library, Ms. lat. 8, fol. 1v [Kreuz], 2r [Maiestas]): ebd., Abb. 2, 3.
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für nordspanische Codices prägend war.883 Obwohl der Silos-Beatus bereits über zwei ganzseitige Kreuzdarstellungen verfügte, die zunächst 1091 durch Maius, dann 1109 durch Petrus gefertigt worden waren, kamen mit den Blättern aus älteren Manuskripten noch zwei weitere hinzu. Es ist also wahrscheinlich, dass der mit dem Kreuz in Verbindung stehende Schutzcharakter die Einbindung der entsprechenden Blätter motivierte. Bestätigt wird dieser Gedanke durch das Vespertinum-Monogramm, das gleichfalls als Christusmonogramm gelesen werden kann. Die Vespertinum-Monogramme weisen häufig eine solche Zweideutigkeit auf. Darüber hinaus steht zu vermuten, dass den Kreuzminiaturen ein ähnlich identifikatorischer Wert einer als eigen verstandenen Manuskriptkultur zugemessen wurde, wie ihn Rose Walker für das Vespertinum-Monogramm, dem „identifying feature of the Mozarabic liturgical manuscript par excellence“, annimmt.884 In einem Moment des liturgischen Übergangs – so zeigen es die dem Silos-Beatus vorangebundenen Blätter – wird folglich an Bildkonventionen festgehalten, die, weil Text- und Buchgattungen ihre ursprünglichen Nutzen verloren hatten, als Merkmale einer althergebrachten Ausstattung ebenso zur Diskussion standen. Dieses Beharrungsvermögen kennzeichnet teilweise auch die bildliche Ausstattung im SilosBeatus, deren Stil, und gerade dies war Ausgangspunkt der Forschungen Meyer Schapiros, in zwei unterschiedliche Richtungen weist.885 Auch das Beispiel einer weiteren Handschrift aus Silos belegt, dass Eingriffe in den materiellen Zustand und die visuelle Ausstattung nicht nur den liturgischen Handschriften galten. In der Pariser Nationalbibliothek wird ein Codex aufbewahrt, der aus inhaltlich verschiedenen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstandenen Teilen besteht.886 Den größten Umfang machen Isidors Etymologien aus, die, einem Kolophon am Ende der Handschrift folgend, im Jahre 1072 in Santo Domingo de Silos kompiliert wurden.887 Den Etymologien ist ein 24 Blätter umfassender komputistischer Traktat vorangestellt, für dessen Kompilation Ericonus verantwortlich war: Der Traktat ist auf folio 21 verso um ein Buchstabenlabyrinth ergänzt, in dem der Leser aufgefordert wird, sich des unwürdigen Presbyters Ericonus zu erinnern: ERICONI PRESVITERI INDIGNI MEMENTO (Abb. 119). Aus jenem, den Computus abschließenden Kalender (fol. 22–24), ergibt sich, dass der Traktat vor 1064 entstanden sein muss, weil die in diesem Jahr durchgeführte translatio der Gebeine Isidors von Sevilla von Córdoba nach León an der entsprechenden Stelle nachgetragen werden musste.888 Möglicherweise war der Computus einst Bestandteil eines Antiphonars, wobei zu bedenken ist, dass komputistische Traktate auch als Bestandteil anderer Buchtypen über-
883 Die einzige Handschrift, die zuvor mehr als eine Kreuzminiatur besitzt, ist der Codex Aemilianense, fol. 15v, 16v (hier: Kat. I.5, Abb. 90, 91). 884 Walker, Transition (1998), 109, 114. 885 Schapiro, Stil (1939, 2003). Vgl. auch Williams, Beatus (2002), Bd. 4: 34; zuletzt Werckmeister, Beato musical (2007), 92–93. 886 Hier: Kat. I.10. 887 Fol. 385r: Explicitus est liber Ethimologiarum sub era Ma Ca Xa, VIIII k(a)l(enda)s s(ep)t(em)br(i)s [24.8.1072] lune cursu VIIoa. / Regnante rex Sancio in Castella et in Legio/ne et in Gallecia. D(omi)nico denique abbati monasterii s(an)c(t)i Sebastiani de Silus regenti. 888 Boylan, Manuscript Illumination (1990), 273.
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liefert sind.889 Und schließlich ist der Handschrift das aus einem Bifolium bestehende Fragment eines Antiphonars aus dem beginnenden 11. Jahrhundert mit dem Offizium einer nicht näher zu identifizierenden Heiligen Jungfrau vorangebunden, was an den Silos-Beatus mit dem ihm voranstehenden Fragment aus dem Offizium des Hl. Romanus erinnert.890 Der Computus-Traktat sowie die Etymologien sind hinsichtlich der Vorbereitung ihrer Blätter,891 ihrer Schrift892 und des jeweiligen Stils ihres Buchschmucks verschieden. Daher liegt es nahe zu vermuten, dass der Computus ursprünglich Bestandteil einer anderen Handschrift war. Ähnlich dem Silos-Beatus wurden also aus älteren Codices stammende Teile in einen neuen kodikologischen und inhaltlichen Kontext überführt. Weil einzelne Kapitel der Etymologien auch dem Phänomen der Zeit gewidmet sind, macht die Zusammenlegung mit einem Computus-Traktat durchaus Sinn. Wann die Teile zusammengebunden wurden, lässt sich auch hier nicht mehr greifen. Einige Eingriffe in den Codex zu Beginn des 12. Jahrhunderts deuten darauf hin, dass dies in Silos geschah. So sind etwa um 1100 in den Etymologien Initialen abgekratzt und durch zumeist ornamental gestaltete ersetzt worden.893 Nur eine einzige figürliche Darstellung wurde auf folio 370 verso hinzugefügt. Sie ist stilistisch jenen Illuminationen verwandt, mit denen Petrus die Ausstattung des Silos-Beatus beendet hatte (Abb. 120).894 Was der Buchmaler, möglicherweise Petrus, an dieser Stelle genau ersetzt hat, ist unklar. Allerdings ist bemerkenswert, dass diese Methode einer Aktualisierung aus dem Blickwinkel des frühen 12. Jahrhunderts auch weitere Handschriften aus Silos, wie etwa ein heute in London aufbewahrtes, dem westgotischen Ritus folgendes Homiliar erfasste.895 Aber auch jener Teil der Pariser Handschrift, welcher den Computus enthält, wurde verändert. Hier ist auf zwei sich gegenüberliegenden Seiten (fol. 16v, 17r) ein komputistisches Diagramm entfernt worden. Stattdessen wurde auf folio 17 recto die Zeichnung eines aus zwölf konzentrischen Kreisen bestehenden und mit seinem Eingang nach unten weisenden
889 Ein Computus ergänzt um einen westgotischen Kalender steht gleichfalls den Rechtstexten im Codex Albeldense, fol. 4r–15r, und im Codex Aemilianense, fol. 1r–11v, voran (hier: Kat. I.4, I.5). 890 Datierung bei Boylan, Manuscript Illumination (1990), 273. 891 Teil I (fol. 2–24) einspaltig, 37/38 Zeilen, 30 x 18 cm; Teil II (fol. 25–385) zweispaltig, 31 Zeilen, 28 x 19 cm. Zum Vgl. die Angaben von Boylan, Manuscript Illumination (1990), 273. 892 Boylan, Manuscript Illumination (1990), 273, identifiziert in Teil I zwei Hände und Teil II mehrere Hände. 893 Fol. 28v, 315v, 345v zeigen vegetabile Initialen. Dazu Boylan, Manuscript Illumination (1990), 276– 277. 894 Die männliche Figur ist durch Inschriften (homo und manu) des 13. Jahrhunderts ergänzt. Boylans Argumente für Petrus als derjenige, der die figürliche Initiale ausgeführt hat, sind der „facial type, the hands with a lump under the thumb and the use of ‚shadow pocket‘ drapery […].“ Boylan, Manscript Illumination (1990), 37. Die Darstellung erinnert auch motivisch an jene auf die einzelnen Bildfelder des Apokalypsezyklus verweisenden Figuren im Silos-Beatus, die von Petrus ausgeführt wurden (Abb. 137, 138). 895 In diesem Homiliar wurden von derselben Hand, möglicherweise wiederum von Petrus, zwei Initialen erneuert: London, BL, Ms. Add. 30853. Darauf hat Boylan, Manuscript Illumination (1990), 114– 115, aufmerksam gemacht.
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Einweglabyrinth aufgetragen (Abb. 117).896 Denkbar ist, dass es zu jenem Zeitpunkt entstand, als in den Etymologien auf folio 178 recto die Christusfigur in der Marginalspalte hinzugefügt wurde.897 Das Faltenspiel im Mantel Christi verweist auf eine Entstehung der Zeichnung im 12. Jahrhundert. Sie ist keinesfalls mit den Figuren, die Petrus im Silos-Beatus zeichnete, vergleichbar. Es könnte also sein, dass diese Überarbeitungsphase zeitlich jener entsprach, in der die Höllendarstellung Teil des Silos-Beatus wurde. Rose Walker hat darauf hingewiesen, dass die Qualität der Handschriften nach der Mitte des 12. Jahrhunderts in Silos nachlasse, weshalb eine Datierung des sorgfältig ausgeführten Labyrinths sowie der Christusfigur in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts denkbar erscheint.898 Einweglabyrinthe sind aus den in den Königreichen León-Kastilien und Navarra im 10. und 11. Jahrhundert hergestellten Manuskripten nicht bekannt, deren Ausstattung stattdessen vielfarbige Buchstabenlabyrinthe prägte.899 Auch die in Paris bewahrte Handschrift besaß schon ein Buchstabenlabyrinth (fol. 21v), bevor die Zeichnung mit dem Einweglabyrinth hinzugefügt wurde (Abb. 119). Auf diese Weise orientierte man sich in Santo Domingo de Silos an transpyrenäischen Ausstattungsmustern. Denn jenseits der Pyrenäen waren Einweglabyrinthe bereits seit dem 8. Jahrhundert, insbesondere in Codices mit kosmologischen, komputistischen oder annalistischen Inhalten anzutreffen.900 Mit dem Einweglabyrinth kam ein Gedanke hinzu, der vermittels der Buchstabenlabyrinthe nicht ausgedrückt werden konnte und der zugleich die anhaltende Bedeutsamkeit des noch zur Zeit der westgotischen Liturgie verfassten Computus-Traktats deutlich machte. Vergleichbar den Buchstabenlabyrinthen deuten auch die Einweglabyrinthe durch ihre harmonische Struktur auf die Schönheit kosmischer Ordnung und damit auf Gott als artifex hin.901 Im Einweglabyrinth in der Handschrift aus Silos wird dies durch die Art und Weise anschaulich, wie die Wege insgesamt gewunden sind und aneinanderstoßen, so dass die Form eines Kreuzes in den Vordergrund tritt. Diese nicht gänzlich zu überblickende Wegestruktur erwecke, so Penelope Reed Doob, den Eindruck einer Verwirrung.902 Doch kann man noch einen Schritt weiterdenken: Im Unterschied zum Buchstabenlabyrinth steht im Einweglabyrinth nicht nur eine sichtbare Öffnung einem unübersichtlichen Weg gegenüber, vielmehr wird hierin der Zusammenhang von Weg und Ziel zu einem scheinbar unlösbaren Widerspruch: Dies drückt sich dergestalt aus, dass vor allem am Beginn des Weges immer wieder eine messbare Nähe zum Ziel erkennbar wird, die jedoch dem Verlauf des Weges genauso häufig 896 Im Original sind die Linien des Diagramms noch gut zu erkennen. Hingegen steht zu bezweifeln, dass das Diagramm ursprünglich auch ausgefüllt war, zumindest sind Zahlen oder Texte heute nicht mehr zu erkennen. 897 Von einer Reproduktion wurde Abstand genommen, da die kontrastarme Zeichnung darin kaum identifizierbar wäre. 898 Walker, Transition (1998), 134. 899 Während sie sich in katalanischen Codices schon früher nachweisen lassen: vgl. Anm. 412. 900 Die dazu wesentlichen Beiträge stammen von: Batschelet-Massini, Labyrinthzeichnungen (1978); Haubrichs, Error inextrivabilis (1980); Doob, Labyrinth (1990); zuletzt Stolz, Randphänomene (2011). 901 Vgl. hier inbes. die Ausführungen von Doob, Labyrinth (1990), 142–143. 902 Doob, Labyrinth (1990), 143.
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diametral entgegensteht.903 Das Verhältnis von Weg und Ziel lässt sich auch hier als ein ‚Anlaufrückschritt‘ beschreiben:904 Im komputistischen Zusammenhang fungiert das Labyrinth als eine Figur der Kontemplation. In dieser drückt sich im Verhältnis von Mensch und kosmischer Ordnung der Wunsch nach göttlicher Nähe aus, die durch die Erfahrung der Distanz, durch die Umwege im Labyrinth markiert, noch verstärkt wird. Einige Jahrzehnte später wird das Einweglabyrinth am oberen rechten Rand um eine weitere Zeichnung ergänzt. Dabei handelt es sich um eine diagrammatische Form, deren Inschrift aus romanischen Minuskeln und Majuskeln in das 12., vielleicht auch beginnende 13. Jahrhundert verweist (Abb. 117). Eine kreisförmige Zeichnung wird hier durch ein Krückenkreuz bestimmt, dessen Kreuzungspunkt zum Viereck geöffnet ist. Die Mitte sowie die Enden der vier Kreuzarme tragen den ersten Teil einer Inschrift, deren zweiter Teil Bestandteil eines dem Kreuz hinterlegten kleineren Kreises ist: SPERNERE MVNDVM SPERNERE NULLVM SPERNERE SESE SPERNERE SE SPERNI – QVATUOR HEC BONA SVNT – „Die Welt verachten, keinen Menschen verachten, sich verachten, das Sich-Verachten verachten, dies sind die vier Güter“. Dabei handelt es sich um eine Devise, die seit dem 12. Jahrhundert verbreitet ist und sich etwa bei Hildebert von Lavardin (ca. 1056–1133) oder Petrus Cantor († 1197) findet.905 Um die jeweils zu verachtenden Dinge sinnvoll zusammenzufügen, ist der Rezipient gezwungen, stets das Kreuz mit den Augen zu durchschreiten. Der Zusammenschluss der zuvor aufgeworfenen und zu verachtenden Dinge, wie er tatsächlich im zweiten Teil der Inschrift thematisiert wird, hat hingegen sinnfällig in einer Kreisform Platz gefunden. Nur vordergründig geht es in der Devise um die Verachtung der Welt. Denn SPERNERE SE SPERNI kann in zweifacher Hinsicht gedeutet und verstanden werden. Einerseits ist das Verachten derjenigen angesprochen, die einen verachten. Andererseits geht es um eine prüfende Betrachtung des zuvor Gesagten, indem man verachtet, zu verachten. Hier scheint wohl weniger die Geringschätzung der Welt gemeint, sondern vielmehr der Anspruch formuliert zu sein, eine „rechte Bezugsform“ zu dieser Welt einzunehmen.906 Die Zeichnung, die in ihrer, einer T-O-Weltkarte vergleichbaren kosmologischen Figur eine Reflexion über das Verhältnis zur Welt birgt,907 erweitert den bereits durch das Einweglabyrinth geführten Diskurs um das dem Menschen begrenzt mögliche Verständnis einer göttlich begründeten Ordnung um eine weitere Relation. Diese besteht in dem eigenen (selbstlosen) Standpunkt zur Welt, wodurch sich der Akzent von Gott als artifex auf den Rezipienten und sein eigenes moralisches Handeln verschiebt – ein Handeln, welches sich am Vorbild Christi zu orientie903 Vgl. Stolz, Randphänomene (2011), 23, zum Labyrinth der Kathedrale von Chartres. 904 Zu diesem Begriff bei Georg Simmel vgl. Kap. V.3, S. 150. 905 Ven. Hildeberti Carmina Miscellanea, tam sacra quam moralia. Sive Libellus qui dicitur Floridus aspectus, Cap. XXIV De quatuor bonis et quatuor malis (= PL 171, col. 1437A), zur Darstellung seines Lebens aus geistesgeschichtlicher und literaturwissenschaftlicher Sicht: Moos, Hildebert von Lavardin (1965); Petrus Cantor, Verbum Abbreviatum, Cap. II, 24: De patientia, 695. 906 Stephan Grotz Deutung der auch von Meister Eckhart rezipierten Devise ist diesbezüglich anregend und wurde hier übernommen: Grotz, Negationen (2009), 53. 907 Es ist in dieser Form oft Bestandteil der Ausstattung der Etymologien-Handschriften wie auch in dem hier besprochenen Exemplar auf fol. 264r.
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ren hat. Der moraltheologische Impetus dieser Zeichnung macht sie der Höllendarstellung am Beginn des Silos-Beatus vergleichbar, in der gleichfalls der Betrachter zum Überdenken seines eigenen Verhaltens aufgefordert wird. Vielleicht lassen sich beide Darstellungen, die zeitlich das 12. Jahrhundert klammern, als Belege eines monastischen Interesses an der Introspektion werten. Dieses wird seit dem hohen Mittelalter an sich wandelnden Heiligkeitsvorstellungen, neuen Entwürfen geistlichen Lebens und Formen spiritueller Auseinandersetzung sowie religiösen Reformbewegungen mehr und mehr ablesbar.908 Vorstellungen vom liber werden nun dergestalt formuliert, dass das Buch Herz, Geist und Körper des Lesers reflektiert und ihm, dem Leser, einem Garten gleich alle Früchte anzubieten und, einem Freund gleich, überallhin zu begleiten vermag.909 Die Pariser Handschrift ist ein weiteres Beispiel für die Auseinandersetzung mit älteren Codices im Kloster Silos, die in deren Sichtung, der Überführung von Fragmenten in neue kodikologische und damit inhaltliche Zusammenhänge besteht und die durch den Eingriff in die vorhandene visuelle Gestaltung durch das Hinzufügen von Initialen und Miniaturen, wofür auch ältere Illuminationen entfernt werden, gekennzeichnet ist. Es handelt sich dabei um einen längeren Prozess, der zunächst durch den Wechsel der Liturgie angestoßen wurde. Für die nordspanischen Klöster in Kastilien-León und Navarra stellte die zweite Hälfte des 11. und das beginnende 12. Jahrhundert insgesamt eine Umbruchphase dar. Denn neben die liturgische Reform traten Bestrebungen, maßgeblich gefördert durch Alfons VI. (1037– 1109), König von León und Kastilien, die Klöster des Herrschaftsgebiets in den Verbund der Cluniazenser zu integrieren.910 Um die neue Liturgie durchzusetzen, ließ etwa Alfons VI. mit Unterstützung Hugos (1024–1109), Abt von Cluny, den Posten des Abtes in Kloster Sahagún mit Franzosen besetzen, die sodann innerhalb der nordspanischen Kirchenhierarchie weiter aufstiegen und insofern als Multiplikatoren fungieren konnten.911 Wenn auch Silos weder Zentrum der Cluniazensischen Reform noch bekanntermaßen diesem Klosterverband assoziiert war, belegen dennoch die Höllendarstellung im Silos-Beatus und das Einweglabyrinth in der Etymologien-Handschrift eine gewachsene Aufmerksamkeit für die Manuskriptkulturen nördlich der Pyrenäen.912 Santo Domingo de Silos war in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ein prosperierendes Kloster. Es profitierte von den voranschreitenden Eroberungen der Könige von Kastilien-León ebenso wie von dem neu etablierten
908 Cotts, Twelfth Century (2013). 909 So in einem Gedicht, welches einer Sammelhandschrift des 12. Jh. voransteht (Toledo, Biblioteca Pública del Estado, Ms. 381): Quid est liber? Liber est lumen cordis. Speculum corporis. Uictior(um) co(n) fussio. Corona prudentiu(m). Diadema sapientiu(m). Honorificentia doctor(um). Uas plenu(m) sapie(n) tia. Socius itineris. Domesticus fidelis. Hortus plen(us) fructib(us). Archana reuela(n)s. Obscura clarifica(n) s. Rogat(u)s respo(n)det. Iussusq(u)e festinat. Vocatur properat. Et faciliter obedie(n)s. 910 Dazu O’Callaghan, Integration (1985); Palacios Martín, Castilla (1990). 911 Auch andere Positionen in der nordspanischen Kirchenhierarchie wurden mit Franzosen besetzt: dazu Walker, Transition (1998), 35, 36. 912 Boylan, Manuscript Illumination (1990), 183 und Anm. 3 verweist darauf, dass das Kloster in Silos Handschriften aus französischen Klöstern erhalten habe, um diese abzuschreiben.
200 Der Codex und seine mehrfache Rahmung
Heiligenkult des einstigen Abtes Dominicus.913 Der Prozess der Produktion und Revision der Handschriften in Kloster Silos fügte sich ein in eine breit angelegte architektonische Erneuerung des Klosters, welche mit der Fertigstellung der Klosterkirche und dessen Weihe, die durch den Bischof von Aix im Jahre 1088 vorgenommen wurde, begann und mit dem Neubau des Kreuzgangs bis etwa 1120 ihr vorläufiges Ende fand.914 Die hier diskutierten Codices machen deutlich, dass die Reformbestrebungen mehr als die Produktion von Handschriften für die neue Liturgie nach sich zogen, sondern vielmehr eine Handschriftenrevision zeitigte, in deren Fokus auch die Gestaltung, etwa die illuminierten Eröffnungsseiten, rückten. Texte und visuelle Ausstattungselemente älterer Bücher, die zum Teil ihre ursprüngliche Funktion verloren hatten, wurden deshalb, weil sie als Bestandteil einer eigenen Tradition verstanden wurden, transloziert. Auch das Ersetzen älterer und das Hinzufügen neuer Darstellungen verweist auf eine Neujustierung des handschriftlichen Bestandes sowie auf eine Anpassung an neue Bedürfnisse, die den älteren, scheinbar ausgedienten Manuskripten die Funktion von Repräsentanten der eigenen Vergangenheit zuwies – ein Bewusstsein um die eigene Geschichtlichkeit, wie es im 11. und 12. Jahrhundert das Denken auch in anderen Regionen des europäischen Mittelalters kennzeichnete.915 Müsste man davon ausgehen, was nicht geklärt ist, dass die Handschriftenproduktion in Silos, wie Ann Boylan vermutet, tatsächlich erst im Verlaufe des 11. Jahrhunderts einsetzte, dann läge hier zudem eine den Trierer Beispielen vergleichbare „invention of tradition“ vor. Inwiefern sind also, um zum Ausgangspunkt dieses Kapitels zurückzukehren, diese Codices als ‚offen‘ zu beschreiben? In keiner anderen Manuskriptkultur des europäischen Mittelalters sind die Hinweise der Schreiber und Buchmaler auf die zeitliche Vollendung so zahlreich, wie in nordspanischen Handschriften. Oft sind sie erweitert um Topoi jener körperlichen Mühen, die die Mönche vorgaben, während des Herstellungsprozesses erduldet zu haben, sowie durch den Hinweis, dass mit dem Abschluss des Manuskripts der ‚Hafen‘ erreicht sei und damit die Produktion einer Reise gleich auf einem Strom oder Meer ein Ende gefunden habe.916 Und auch der Silos-Beatus ist ein Beispiel dafür, wie der Versuch unternommen wurde, einen zunächst unvollendeten Codex doch noch (zumindest vorläufig) abzuschließen. Gleichwohl bestätigen die hier besprochenen Transformationen, dass der materielle Zustand von Manuskripten vor allem durch Instabilität gekennzeichnet ist. Die hier diskutierten Beispiele werfen die grundsätzliche Frage auf, worin eigentlich der originale Zustand eines Manuskriptes besteht. Auch gewinnt man den Eindruck, dass ein Kolophon keinesfalls verschließt, sondern vielmehr Ausdruck einer vorläufigen Fertigstellung ist. Denn 913 Zu den Schenkungen Alfons VI. an das Kloster, die teilweise in unmittelbarem Zusammenhang mit den Eroberungen muslimisch dominierter Gebiete stehen: Vivancos Gómez, Documentación (1988), 17. 914 Vgl. Férotin, Histoire (1897), 72; Boto Varela, Galerías (2003), 83–148; Bango Torviso, Reformas monásticas (2007; zuletzt Valdez del Álamo, Place (2012). 915 Vor allem Götz, Geschichtsschreibung (1999); mit Blick auf die hochmittelalterliche Kunst: Späth, Erinnerung (2007). 916 Vgl. Girona-Beatus, fol. 284r: INVENI PORTUM VOLUMINE […] (hier: Kat. II.6). Tábara-Beatus, fol 170r: INveni portum ad librum […] (hier: Kat. I.7); Moralia in Iob aus Valeránica, fol. 500v: Nam quam suauis est nauigantibus portum extremum ita et scribtori / nobissim(u)s uersus (hier: Kat. I.13).
Der Codex als ‚Baustelle‘ – Zur Umarbeitung von Codices in Silos 201
vielzählig sind jene ‚losen Fäden‘, die etwa durch nicht ausgefüllte Buchstabenlabyrinthe oder, wie im Codex Aemilianense, leere ornamentale Rahmen vermeintlich abgeschlossener Handschriftenprojekte bestehen. Sie lassen durchaus fragen, ob dieser Zustand überhaupt als so problematisch wahrgenommen wurde, wie aus heutiger Sicht nicht abgeschlossene Projekte bewertet würden. Letztlich wäre jede vorläufige Vollendung jenseits der materiellen Grenzen des Codex im Kontext göttlich gesetzter Entität aufgehoben – das legen gerade jene das Manuskript ummantelnden ganzseitigen Darstellungen, wie etwa der Alpha- und der Omegabuchstabe, nahe. Und in diesem Sinn steht bei einer (vorläufigen) Vollendung nicht das Ergebnis, sondern der Prozess der Herstellung im Vordergrund. Entsprechend dokumentieren die zahlreichen Schreibereinträge in einer unvollendet gebliebenen Handschrift mit Augustinus’ De civitate dei von 977 nicht einen Zwischenstand, sondern den Fortgang der Arbeit als eine kollektive Unternehmung.917 In diesem Spannungsfeld von vermeintlich abgeschlossenem und stetig erweitertem Werk, von materiellem Codex und Buch des Lebens ist dann auch der Begriff eines ‚offenen‘ Codex zu verorten.
917 Madrid, RAH, Ms. 29. Vgl. Ruiz García, Catálogo (1997), 215–217; Brown, Bodies and Bookmaking (2011), 265–266.
VI. Codex – Raum – Grenze
In Otfried Preußlers Roman „Hotzenplotz“ ist Kasperl, eine der Hauptfiguren, gezwungen, drei hintereinanderliegende Türen zu öffnen, um eine verzauberte Fee im Keller des Zauberers Petrosilius Zwackelmann zu retten. Die sich bei Kasperl von Tür zu Tür steigernde Angst vor dem, was ihn dahinter erwarten könnte, suchte der Illustrator des Kinderbuchklassikers Franz Josef Tripp auch graphisch zu vermitteln. So wird der Text immer wieder durch die Zeichnung eines graduell größer werdenden Schildes unterbrochen, dem nicht nur die Größe eines Totenkopfes angepasst wird, sondern auch die Steigerung des Wortes ‚streng‘ entspricht. Mit der wachsenden Furcht Kasperls und dem dann doch immer wieder neu gefassten Entschluss, Mut zu schöpfen, steigt auch die Spannung der Leser. Sie erreicht schließlich ihren Höhepunkt durch einen um 180° gedrehten Kommentar zur quietschenden Tür, der als ein weiteres Motiv der Schwelle dem Beginn des nächsten Kapitels auf der gegenüberliegenden Seite voransteht.918 Tripps kongeniale graphische Umsetzung einer bereits durch den Text erzeugten Spannung weist direkt auf das hier am Beispiel frühmittelalterlicher Handschriften diskutierte Problem: Welchen Einfluß haben jene einen Text rahmenden visuellen Gestaltungselemente auf dessen Wahrnehmung, aber auch auf die Wahrnehmung des Codex als Ganzes. Den Gegenstand der Untersuchung bildeten im Kern 29 frühmittelalterliche Handschriften, die zwischen 900 und dem frühen 12. Jahrhundert überwiegend in den historischen Regionen León, Kastilien und Navarra, dem heutigen zentralen Nordspanien, entstanden sind. Diese aus verschiedenen Klöstern stammenden Manuskripte verbinden Merkmale, die bisher kaum berücksichtigt wurden. Die Codices werden durch ganzseitige illuminierte Seiten eröffnet und abgeschlossen, die besonders durch Buchstabenlabyrinthe, Kreuzzeichen und Zierinitialen ausgezeichnet sind; sie besitzen allesamt einen ornamental-abstrakten Charakter. Mit ihnen lag ein variationsfähiger Darstellungskanon vor, der nicht nur den visuellen Auftakt, sondern auch den Abschluss kodifizierter Texte in den Blick zu nehmen erlaubte. Das Material ermöglichte zugleich, Funktionsweisen visueller Rahmungsstrategien zu erschließen und diese im Hinblick auf eine damit zu erzeugende Erwartung zu befragen – wenn diese auch sicherlich anders zu bestimmen ist als jene durch mehrere Türen hervorgerufenen Befürchtungen Kasperls in Ottfried Preußlers Roman.
918 Preußler, Hotzenplotz (1962, 1974), 70–72.
Codex – Raum – Grenze 203
Das zentrale Anliegen lässt sich historisch kontextualisieren: Während in anderen europäischen Regionen des frühen Mittelalters vor allem liturgische Handschriften eine auffällige visuelle Rahmung kennzeichnet, so decken die nordspanischen Codices inhaltlich eine große Spannbreite ab. Neben liturgischen Büchern gehören dazu Rechtstexte, Chroniken, Bibeln sowie in besonderem Maße Kommentare zu einzelnen biblischen Büchern. Den Handschriften ist ferner ihre Herkunft aus monastischen Gemeinschaften gemeinsam, die sich im Zuge der christlichen Eroberung der Iberischen Halbinsel in ehemals muslimisch dominierten Gebieten etablierten und daher zunächst durch ihre Grenzlage charakterisiert waren. Eine Ausnahme in dieser Hinsicht stellen drei im Auftrag der leonesischen Königsfamilie um die Mitte des 11. Jahrhunderts entstandene Codices dar (Kat. IV.1–IV.3). Jedoch wird gerade an ihnen deutlich, wie prägend die in den klösterlichen Skriptorien entwickelten visuellen Choreographien des Ein- und Ausstiegs waren. Folglich ließ sich der Untersuchungsgegenstand zeitlich von einem frühen Stadium der Klostergeschichte bis hin zu einer Phase verfolgen, in der sich im Zuge der voranschreitenden christlichen Eroberungen die Grenzzonen gen Süden, mithin auch die Machtverhältnisse auf der Iberischen Halbinsel verschoben, von denen die Klöster in politischer, ökonomischer und auch sozialer Hinsicht abhängig waren. Dies scheint wesentlich dafür zu sein, dass sich nachfolgend, das heißt seit dem 12. Jahrhundert, das Phänomen einer spezifischen, auf einen konkreten geographischen Raum beschränkten Rahmung von Codices kaum mehr fassen lässt. Es würde zu kurz greifen, die Aufgaben illuminierter Eröffnungs- und Schlussseiten mit jenen der materiell aufwendig gearbeiteten Prachteinbände gleichzusetzen, gerade weil diese für die Iberische Halbinsel bis in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts nicht erhalten sind, ganz im Unterschied zu anderen westeuropäischen Manuskriptkulturen des frühen Mittelalters.919 Möglicherweise hatte im Norden der Iberischen Halbinsel ein an Christus und seinen Körper gebundener Status der Heiligen Schrift, der für Ganz’ Interpretation frühmittelalterlicher Bucheinbände grundlegend ist, ein geringeres Gewicht als anderswo. Die Darstellungen von lebenden und sprechenden Codices in den nordspanischen Rechtshandschriften (Codex Albeldense und Codex Aemilianense) zeigen sehr deutlich, dass der Fokus keinesfalls auf dem inkarnierten logos liegt. Entsprechend wurde auch die Wirklichkeit Gottes weniger durch den Gekreuzigten als in einem in verschiedenen Gattungen auftretenden Kreuz als Herrschafts- und Triumphzeichen bildlich vergegenwärtigt. Die lebendigen Codices müssen vielmehr als eine Verkörperlichung von Gottes Wort begriffen werden, was gleichfalls für die monumentalisierten Alpha- und Omegazierbuchstaben am Anfang und Ende vieler nordspanischer Handschriften gilt, die als göttliche Signatur, als signum manus Gottes zu verstehen sind. Auch sonst halten Buchdeckel und illuminierte Eröffnungs- sowie Schlussseiten einem Vergleich kaum stand. Zwar wird in beiden über den Status des Codex reflektiert, doch anders als die Buchdeckel umschließen sie den Textkörper nicht, sondern sind zugleich auch 919 Hierzu zuletzt Ganz, Kleider (2012), und seine Überlegungen, dass über die Materialität karolingischer und ottonischer Prachteinbände das Verhältnis einer „sichtbare[n] Materialität des Geschriebenen“ und der „unsichtbare[n] Gegenwart Gottes“ diskursiviert werden. Zum Bucheinband als Christusrepräsentation ferner: ders., Buch-Gewänder (2015).
204 Codex – Raum – Grenze
in materialer Hinsicht Bestandteil desselben. Mehr noch ist die ornamentale und bildliche Gestaltung oftmals auf das engste mit Schrift und Text am Beginn des Codex verzahnt. In diesem Sinne verstehe ich die illuminierten Eröffnungs- und Schlussseiten als beziehungsstiftende Zonen: Sie sind Markierungen eines Zwischenraums, weshalb weder ihre Deutung in einer Topologie von ‚außen‘ und ‚innen‘ aufgeht noch ihre Aufgabe, wie bei den Buchdeckeln, aus einer sich vom Textträger absetzenden Materialität kostbarer Bekleidung920 abzuleiten ist. Darüber hinaus hinkt ein Vergleich auch deshalb, weil sich die hier untersuchten Seiten und Seitenfolgen im Unterschied zu den frühmittelalterlichen Einbänden karolingischer und ottonischer Handschriften keinesfalls auf den in der Liturgie gebrauchten Codex beschränken. Dies legt den Schluss nahe, dass ihnen eine für verschiedene Texte gültige Funktion zugrunde liegt. Der Gedanke einer Zwischenräumlichkeit wird am Anfang und Ende kodifizierter Texte zumeist mit unterschiedlicher Stoßrichtung umgesetzt. Während die ganzseitigen Darstellungen am Beginn des Codex den Zugang zum Text gleich einem ‚Parcours‘ eröffnen, dienen die abschließenden Illuminationen dazu, die Handschrift, ihre Herstellung und die daran beteiligten Instanzen in einen übergreifenden weltlichen und heilsgeschichtlichen Zusammenhang einzuordnen. Entsprechend plausibel erweist sich die formale Nähe dieser Darstellungen zu graphischen Kompositionsschemata, das heißt diagrammatischen oder kartographischen Gestaltungen, die komplexe Gegebenheiten abstrahiert zu veranschaulichen vermögen. Zwar stellt der Codex einen in Zeit und Raum fixierten Gegenstand dar, dessen Anfang und Ende auch anthropologisch begriffen und dementsprechend auf die Grenzen menschlicher Existenz bezogen werden kann. Die Darstellungen am Ende des Codex machen jedoch zugleich deutlich, dass diese beschließende Determiniertheit, die mitunter durch ein dichtes Flechtwerk oder eine, die Materialität von Emailplatten evozierende Gestaltung zum Ausdruck kommen kann, immer nur als eine relative zu denken ist.921 Insbesondere dann, wenn die Handschrift von den ganzseitigen Zierbuchstaben Alpha und Omega umschlossen ist, wird erkennbar, dass der Codex mit (eschatologischen) Vorstellungen von göttlicher Zeit synchronisiert ist. Diese Form einer Vergewisserung von Ordnung, genau genommen das Verhältnis von Mikro- und Makrokosmos, tritt auch dort vor Augen, wo, wie auf folio 4 recto im Codex Albeldense, durch einen Schreibereintrag die Datierung der Handschrift im Kontext eines komputistischen Traktates und damit der göttlichen Rahmenbedingungen von Natur dokumentiert ist.922 Mit der Wahrnehmung des Codex als einer sich in der Tiefe entfaltenden räumlichen Struktur sind vor allem die ganzseitigen Darstellungen an dessen Beginn verbunden. Weil sich der visuelle Auftakt nicht in einer einmalig vorgeblendeten ikonographischen Lösung gleich einem Frontispiz erschöpft, sondern vielmehr aus einer ganzen Serie ganzseitiger Illuminationen bestehen kann, durch die, wie etwa im Fall des Codex Albeldense, die Rezeption der zentralen Texte gleichsam nach hinten verschoben wurde, war für mich der Begriff des ‚Parcours‘ leitend. Dadurch ließ sich das Zusammenspiel der Illuminationen im Durchlauf 920 Vgl. Ganz, Buch-Gewänder (2015). 921 Friedrich, Hammer und Witthöft, Einleitung (2014), 12. 922 Vgl. Kap. V.3, S. 158f.
Codex – Raum – Grenze 205
der Seiten als ein in die Tiefe der Handschrift führender Weg erfassen, der keinesfalls geradlinig verläuft, sondern sich vielmehr immer wieder neu ausrichtet. Gerade jene das Manuskript als heiligen Raum auszeichnenden Kreuzzierseiten, die nicht nur auf dem allerersten Blatt, sondern auf den Seiten dahinter, manchmal sogar in Wiederholung in Erscheinung treten, machen deutlich, dass Räumlichkeit am Beginn und Ende des Codex immer wieder, von Seite zu Seite, neu generiert wird. Hier lässt sich an Paul Zumthors Definition mittelalterlicher Raumwahrnehmung als „nomadisme de l’esprit“ anschließen, der davon ausgeht, dass Raum nicht als ein stabiler Ort wahrgenommen wurde, sondern sich aus dem jeweiligen Blickwinkel des Einzelnen erschloss.923 Der einem Hindernis gleichende ‚Parcours‘ ist bereits Thema der vielfarbigen Buchstabenlabyrinthe, in denen wie in einem Brennglas der Codex, genau genommen sein Text als ein räumliches, allerdings labyrinthisches Gebilde vor Augen tritt. Mit ihren vexierbildhaften Mustern, die Ordnung und zugleich Desorientierung stiften, konfrontieren sie den Rezipienten mit den Grenzen seiner Erkenntnisfähigkeit und regulieren seine Haltung gegenüber dem Text. Das sich dergestalt konstituierende Labyrinthische ist dabei zugleich als Sinnbild göttlicher Wissensordnung zu begreifen, zu der ein jeder Codex den möglichen Schlüssel darzubieten vermag. In diesem Sinne bestätigen die Buchstabenlabyrinthe, was bereits in Bezug auf die den kodifizierten Text abschließenden Illuminationen konstatiert wurde, dass nämlich jeder Codex in der alle Räume und Zeiten umfassenden himmlischen Ordnung als eingefaltet zu denken wäre und sich damit auch als Weg zu Gott offenbarte. In den Handschriften kann sich das Zusammenspiel ganzseitiger Darstellungen auf unterschiedliche Art und Weise artikulieren. Mit dem Eröffnungsparcours im Codex Albeldense, der das Bedürfnis nach Nähe durch Distanz erzeugt, lässt sich ein Phänomen fassen, welches ich mit dem durch Georg Simmel geprägten Begriff des ‚Anlaufrückschritts‘ beschrieben habe: Die wiederholte Ankündigung und Verschiebung der Rechtstraktate zielt auf deren Wahrnehmung als göttlich inspirierte Texte. Während also die Eröffnung im Codex Albeldense eine Struktur der Wiederholung eignet, stimmt im Girona-Beatus eine in sich verschachtelte Bildnarration auf die Lektüre der jeweiligen Kommentare ein. An diesem Beispiel konnte gezeigt werden, dass die inhaltlich aus sinnvollen Einheiten bestehende Eröffnung, die nicht zwingend eine chronologische respektive lineare Lektüre erfordert, dazu anregte, übergreifende Beziehungen zwischen den sich gegenseitig kommentierenden Illuminationen zu ermitteln und etwaige tieferliegende Sinnschichten aufzudecken. Oft wurde in der bisherigen Forschung auf die illuminierte Doppelseite als prägendes Element der visuellen Strukturierung am Beginn mittelalterlicher Codices hingewiesen.924 Doch die hier untersuchten frühmittelalterlichen Manuskripte legen eine darauf abgestimmte Organisation ihrer visuellen Rahmung nicht zwingend nahe. Selbst im Girona-Beatus, in dem aufgrund leerer Blätter eindrücklicher als in anderen Handschriften zunächst das Gestaltungsprinzip illuminierter Doppelseiten vor Augen tritt, sind diese gleichwohl in grö923 Zumthor, Mesure du monde (1993), 36–37. 924 Zur Bedeutung und den verschiedenen Darstellungsmodi der Doppelseite in mittelalterlichen Handschriften: Hamburger, Openings (2009); auch Ganz, Medien der Offenbarung (2008), insbes. Kap. 6: Doppelbilder, 162–188.
206 Codex – Raum – Grenze
ßere argumentative Zusammenhänge innerhalb eines medial vielschichtigen bildlichen Vorspanns eingebunden. So erweist sich gerade das Umblättern der Seiten und damit das Zusammenspiel von Vorder- und Rückseite als mindestens ebenso bedeutungsstiftend für das Verständnis illuminierter Eröffnungsseiten wie die Doppelseite, indem es zum Ziel hatte, die Offenbarung göttlicher Geheimnisse zu veranschaulichen.925 Beispielsweise vermittelt sich der Gedanke der Lichtwerdung im Silos-Beatus dergestalt, dass die Farbgebung der Lettern zwischen dem Vespertinum-Monogramm auf der einen und dem Lux-Schriftzug auf der anderen Seite ein und desselben Blattes abgestimmt ist (Abb.133,134). Als ebenso sinnstiftend mutet das Blättern im Codex Albeldense an, wenn genau da, wo auf der Vorderseite während der Lektüre eines Buchstabenlabyrinthes allein ein Kreuz vor das geistige Auge tritt, sich dieses auf der Rückseite wiederum in einem Kubus farblich materialisiert (Abb.75, 76). Weil Eröffnungs- und Schlussseiten als Übergangsphänomene zu identifizieren sind, lassen sie sich gleichfalls nicht hinreichend durch das topologische Begriffspaar von ‚innen‘ und ‚außen‘ ergründen. Passender ließe sich der Begriff einer ‚Schichtung‘ in der Art und Weise in Anschlag bringen, wie einzelne illuminierte Seiten vor die Texte eines Codex gelegt oder diesen nachgestellt sind. Grundsätzlich ließe sich einwenden, dass frühmittelalterliche Codices nicht unbedingt durchgeblättert, ihre Inhalte vielmehr punktuell rezipiert wurden; verwiesen sei auf liturgische Handschriften, aus denen zielgerichtet bestimmte Textstellen herausgesucht wurden. Allerdings erfüllten Vor- und Nachspann doch ganz deutlich andere Aufgaben als die durch sie umspannten Texte. So versuchen sie dort die Vorstellung eines Ganzen zu erzeugen, wo der Inhalt wie in den Rechtssammlungen oder auch in den Beatus-Handschriften aus unterschiedlichen libri zusammengefügt wurde. Die mehr oder weniger aufwendigen ‚Parcours‘ am Beginn des Codex waren vor allem dazu bestimmt, dem Rezipienten einen Einstieg in die Texte zu bieten und ihn auf deren Lektüre vorzubereiten. Dem entspricht, dass eine Vielzahl der für die Untersuchung in Betracht gezogenen Handschriften Kommentartexte zu den einzelnen Büchern der Bibel enthalten. Diese Codices dienten ebenso dem Studium der Mönche wie jene, die wissenschaftliche Texte, etwa die Etymologien des Isidor von Sevilla oder auch Rechtstexte, enthalten. Die visuelle Hinführung und Anleitung des Rezipienten zu einer neben dem Sehen auch das Hören – man denke an die Darstellung des Gesprächs zwischen ‚Codex‘ und ‚Lector‘ in den Rechtssammlungen oder die Stimme Gottes im SilosBeatus – anregenden lectio ist dabei nicht so sehr mit dem tatsächlichen Inhalt des Textes verbunden. Vielmehr zielte sie auf so unterschiedliche Dinge wie die Einübung eines Beziehungen aufdeckenden modus legendi oder die innere Einstellung des Rezipienten, der eine demütige Haltung gegenüber den kodifizierten Texten zu entwickeln hatte. In diesem Sinne tragen die ihnen voranstehenden, aber auch beschließenden illuminierten Seiten zu einer Aufmerksamkeitssteigerung durch die jeweils spezifische formale Ausführung einzelner Bildtypen bei. Hier sind unter anderem die Buchstabenlabyrinthe hervorzuheben, die wie keine andere ganzseitige Darstellung nordspanischer Codices die stete Suche nach einer neuen, farblich oder formal aufwendigen Gestaltlösung von Handschrift zu 925 Hamburger, Openings (2009), 51, weist zwar darauf hin, verfolgt diesen Gedanken jedoch allein am Beispiel illuminierter Doppelseiten.
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Handschrift, von Skriptorium zu Skriptorium widerspiegeln. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Buchmaler auf diese Weise ihre künstlerischen Leistungen herauszustellen suchten. Weitaus wichtiger erscheint mir aber der Gedanke, dass die jeweils individuelle Kombination von Bildtypen ein Momentum der Überraschung in sich tragen konnte – eine Freiheit, von der man allerdings primär für die ersten Lagen einer Handschrift Gebrauch machte. Es ließen sich daher allein zwei regelmäßig wiederkehrende Kombinationsmuster erkennen: die Alpha- und Omegazierbuchstaben am Beginn und Ende eines Codex sowie die jeweils auf einer Doppelseite platzierte Kombination von Kreuz und Buchstabenlabyrinth, die zumeist für den Vorspann der Handschrift bestimmt war. Es sei jedoch noch einmal betont, dass diese genannten Muster oft in größere Darstellungszusammenhänge eingebunden sind. Gleichwohl ergeben sich immer wieder Asymmetrien, wenn nicht jedem gestalterisch elaborierten Auftakt auch ein gleichgestimmter Abschluss entspricht. In der Summe ist mit den eröffnenden und beschließenden Illuminationen ein starker Eindruck der Vielfalt verbunden. Diese entspricht nicht nur dem, was Jacques Dalarun aus historischer Perspektive als Merkmal mittelalterlicher Prologe herausgearbeitet hat: dass diese nämlich eine größtmögliche Freiheit in der Auswahl und Zusammenstellung von Topoi auszeichnen.926 Mehr noch deutet die visuelle Rahmung auf Vorstellungen von einer der Linearität zuwiderlaufenden Struktur hin, welche durch das Prinzip eines ‚Anlaufrückschritts‘ (Codex Albeldense), durch eine antithetische Zusammenstellung von Bildthemen (GironaBeatus), durch die sich wiederholende Evokation sakraler Räumlichkeit (mehrere Kreuzminiaturen in einer Handschrift, vgl. den Codex Albeldense oder den Silos-Beatus) und durch eine abschließende Öffnung des Codex für übergreifende Zusammenhänge (Schlussdarstellungen) gekennzeichnet ist. Wenn Mary Carruther die varietas als ein die lectio divina auszeichnendes ästhetisches Prinzip erkennt und damit einen Prozess der Lektüre meint, der sich als kontrastreich und dynamisch erweist, dann lässt sich auch die elaborierte visuelle Rahmung nordspanischer Handschriften in diesem Sinne fassen.927 Gerade die verschiedenen Formen visueller Poesie erweisen sich diesbezüglich als Repräsentanten einer anti-statischen, dynamischen Lektüre ‚in labyrintho‘, der die enge Verzahnung von Texten und visuellen Elementen zugrunde liegt. Die bildlichen Strukturprinzipien von Anfang und Ende widerlegen Vorstellungen vom Codex als einer geschlossenen Entität: Paul Zumthor spricht im Hinblick auf den mittelalterlichen Codex nicht nur von einem ‚Sanktuarium‘, sondern auch vom Codex als einem klar umrissenen „espace géométrique“ und „espace microscopique autonome“.928 Diese Vorstellung wird durch die hiesigen Befunde nicht revidiert, jedoch entscheidend relativiert: Da sind zum einen die abschließenden Miniaturen, die auf die Einfaltung des Codex in eine 926 Dalarun, Épilogue (2000), 655. 927 Carruthers, Experience of Beauty (2013), 153–156. 928 Zumthor, Mesure du monde (1993), 367: „[…] le codex, c’est l’objet que désigne notre mot de livre; le volumen, le rouleau à déploiement vertical ou latéral. Il semble assuré que la substitution de l’un à l’autre soit due à l’influence des chrétiens copistes de l’écriture sainte: désireux sans doute d’enfermer la parole divine dans le sanctuaire inviolable de cet espace géométrique, tranché, net, recouvert d’une reliure qui en assure l’unité tout en prêtant ses surfaces à l’art des imagiers. […] Le codex engendre un ordre abstrait, indiscutablement et totalement présent, espace microscopique autonome.“
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höhere göttliche Realität verweisen. Zum anderen erschließt sich Räumlichkeit in den Handschriften weniger aus einer visuell strukturierten Durchgliederung im Sinne eines architektonischen Gerüstes, sondern wird vom jeweiligen Betrachterstandpunkt aus innerhalb des Codex im Prozess der Rezeption erzeugt. Anschaulich wird dieser Aspekt an jener vermeintlich unvollständigen Indizierung von Texten, die innerhalb des Eröffnungsparcours des Codex Albeldense als dessen Bestandteil ausgewiesen werden. Die vorgeschaltete Ordnung stellt jedoch keine systematische Struktur dar, der durch die Summe der nachfolgenden Inhalte entsprochen und die durch die visuelle Binnenstrukturierung abgebildet worden wäre. Vielmehr eröffnen Auswahl, Anordnung und Nummerierung nur eine spezifische Perspektive auf die im Codex versammelten Texte und deren hierarchische Bezüge zueinander. Das Beispiel aus dem Codex Albeldense schlägt eine Brücke zur produktionsästhetischen Seite frühmittelalterlicher Handschriften. So bilden diese sicherlich keine architektonische Entität ab, vielmehr erweist sich die jeweilige Binnenstruktur oft als brüchig. Eine Indizierung, der nicht konsequent gefolgt wurde, der nicht ganz vollständige Charakter einiger Manuskripte (Codex Aemilianense, Silos-Beatus), der unter anderem an den nicht fertiggestellten Miniaturen anschaulich wird, schließlich die nachträglichen Eingriffe in den Handschriftenzusammenhang rücken weniger das abgeschlossene Projekt, sondern einmal mehr den Produktionsprozess für die Bewertung der Codices in den Vordergrund. Das bedeutet jedoch in unserem Fall nicht, dass die Buchmaler im Prozess der Handschriftenproduktion „kein Verständnis des Gesamtzusammenhangs“ gehabt hätten. 929 Da einige Mönche sowohl schrieben als auch illuminierten, wie etwa Vigila oder Florentius, muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass das Zusammenspiel der Medien Schrift und Bild sehr wohl im Blick behalten und verstanden wurde. Ferner wurde jeder Schritt innerhalb der Handschriftenherstellung und auch jeder nachträgliche Eingriff als in Beziehung stehend zum Liber Vitae und damit zur göttlichen Ordnung begriffen. Letztlich ist der Gedanke einer stetig weitergeführten Produktion bereits Thema der bildlichen Ausstattung des Codex Albeldense. Von den diskutierenden Konzilsteilnehmern über das verlebendigte Rechtsbuch bis hin zum malenden Vigila wird ein Bogen von der Entstehung der Canones bis in die Gegenwart des Rezipienten geschlagen, dem offensteht, entsprechend des Gregorianischen Diktums Scriptura sacra […] cum legentibus crescit, den Faden der Produktion weiterzuspinnen.930 Das Interesse an der visuellen Rahmung von Texten in Codices, insbesondere an der Ausschmückung von Beginn und Ende, geht im Verlaufe des Mittelalters keinesfalls verloren, findet aber in der Forschung weitaus weniger Berücksichtigung. Eine Ausnahme stellt hier die Untersuchung von Suzanne Lewis zu den Anfangs- und, in einem Fall, Schlussseiten in anglo-normannischen Apokalypsen dar. Indem diesen Bilderfolgen allegorische oder typologische Ordnungsprinzipien zugrunde liegen, unterlaufen sie Leseerwartungen, die sich an
929 Eberlein, Miniatur (1995), 135, der eine solche Zuschreibung an die Buchmaler vor dem 12. Jh. u. a. mit einer in Schreiber und Buchmaler getrennten Arbeitsorganisation begründet. 930 Scriptura sacra […] aliquo modo cum legentibus crescit. Gregorius Magnus, Moralia in Iob, Lib. XX, cap. I (= PL 76, col. 0135C); dazu Calati, Lectio divina (1981), 420–422.
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Erzählstrukturen von Anfang, Mitte und Ende orientieren.931 Hinzu kommt, dass die systematische Durchdringung der Texte seit dem hohen Mittelalter die Aufmerksamkeit für die Buchseite und der darin sichtbaren Anordnung von Text, Schrift und Bild gesteigert hat. Andere und neue Formen der visuellen Rahmung werden ausgelotet, wobei die Marginalspalten nun auch in konsequenter Weise miteinbezogen werden.932 Umgekehrt nehmen auch die neuen Gestaltlösungen, beispielsweise die historisierte Initiale oder die vielfältig eingesetzten Schriftbänder, Einfluss auf die Ordnung und (Neu-)Strukturierung von Wissen.933 Stellvertretend seien dafür die Handschriften des Decretum Gratiani angeführt, in denen sich die Ordnung von Inhalten kanonischen Wissens im Layout der Seite festschreibt respektive durch diese erst hervorgebracht wird.934 Innerhalb der sich seit dem späten 12. Jahrhundert herausbildenden Seitengestaltungen wird den Eröffnungsminiaturen nicht nur ein fester Platz zugewiesen, sondern darüber hinaus auch der Zusammenhang mit dem kanonistischen Text, seiner Produktion und seinen Inhalten sichtbar gemacht. Vor allem aber die hierin sichtbare schärfere Trennung von Texten und Bildern und deren jeweilige Normierung sind für die nordspanischen Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts noch keinesfalls typisch. Das Gegenteil ist der Fall: Liturgische Bücher wie das Antiphonar in León oder auch die hier besprochenen Rechtshandschriften belegen deutlich, wie selbstverständlich ganzseitige Miniaturen und Textpassagen innerhalb des Eröffnungsparcours miteinander verwoben sein konnten. Im Vergleich der nordspanischen Handschriften mit anderen frühmittelalterlichen Manuskriptkulturen im fränkischen und ottonischen Reich oder im Königreich England zeigt sich, dass ähnliche Anliegen einer visuellen Rahmung kodifizierter Texte bestanden. Hier ließen sich nicht nur Parallelen in Bezug auf einzelne Bildtypen und Kompositionsprinzipien, wie etwa ganzseitige Kreuzdarstellungen am Beginn oder auch diagrammatische Bildlösungen am Ende des Codex, aufzeigen. Auch die Vorstellung vom Übertritt in einen geheiligten Raum, die sich im Prozess des Blätterns vermittelt, konnte beispielhaft plausibel gemacht werden. Gleichwohl zeugen die im übrigen Westeuropa für eine visuelle Inszenie rung des Ein- und Ausstiegs in den Text favorisierten Buchtypen von anderen Gewichtungen. Hier sind es primär die Bibeln und die in der Liturgie verwendeten Bücher wie Evangeliare, Evangelistare, Sakramentare sowie Benediktionale, die Gegenstand visueller Rahmungsstrategien wurden. Auch die Konsequenz, mit der in den nordspanischen Handschriften gerade das Ende markiert wird, ist in den Manuskriptkulturen anderer Regionen des frühmittelalterlichen Westeuropas seltener zu finden. Zusammengefasst lässt sich aber die für das 10. und 11. Jahrhundert proklamierte Sonderrolle der oft aus monastischem Kontext stammenden Buchmalerei im Norden der Iberischen Halbinsel für das hier unter931 Lewis, Reading Images (1995), insbes. Kap. 6. 932 Camille, Image (1992); Wirth, Marges (2008); zu den bas-de page-Darstellungen in französischen Handschriften: Logemann, Bild-Räume (2009). 933 Wittekind, Schriftband (1996); Rehm, Körper (2002). 934 Zur Rechtssammlung vgl. Winroth, Gratian’s Decretum (2001); zur visuellen Gestaltung der Handschriften stellvertretend: L’Engle, Legal manuscripts (2000); L’Engle und Gibbs, Law (2001); zum Layout: Böse und Wittekind, Eingangsminiaturen (2009); das Standardwerk zu den Miniaturen des Decretum Gratiani: Melnikas, Corpus (1975).
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suchte Phänomen allenfalls eingeschränkt bestätigen. Erweitert man den Blick um die christlichen Königshöfe als Gravitationszentren der Kunstproduktion, so stellt sich das ‚Bild‘ ohnehin bunter dar, weil diese auf einen intensiveren Austausch über die Pyrenäen hinweg hindeuten.935 Die vielfältigen Austauschbeziehungen, welche die nordspanischen Klöster innerhalb, aber auch zwischen den christlichen Reichen auf der Iberischen Halbinsel pflegten, bildeten die Grundlage dafür, dass sich bestimmte Eigenheiten der hier untersuchten Handschriften erst ausprägen und kanonisch werden konnten.936 Codices wurden verschenkt (Antiphonar in León, Kat. II.3) oder für andere Gemeinschaften geschaffen (Morgan-Beatus, Kat. I.8) oder auch ausgeliehen, um sie dann im eigenen Skriptorium zu kopieren (Codex Albeldense, Kat. I.4). Folglich lässt sich das zwar in seiner Kombination variable, aber im Hinblick auf seine Bildtypen stabile Set an Eröffnungs- und Schlussseiten weder an ein bestimmtes Skriptorium noch an eine bestimmte Textgattung zurückbinden. Stattdessen verweist dieses Set auf ein gemeinsames Anliegen im hier skizzierten Milieu und steht darüber hinaus in einem disproportionalen Verhältnis zur steten Dynamik eines geographischen Raums, in dem die monastischen Gemeinschaften Wurzeln schlugen. Bis in das 11. Jahrhundert hinein waren die noch jungen Gemeinschaften von Beutezügen durch muslimische Truppen bedroht, was letztlich auch die Handschriftenproduktion beeinflusste. Nach einer Hochphase um die Mitte des 10. Jahrhunderts sind aus der Zeit um 1000 nur wenige Codices überliefert, als al-Manṣūr bi-llāh seine militärischen Kampagnen durchführte (Abb. 3). Wohl infolgedessen verschwanden Klöster wie San Pedro de Berlangas/Valeránica im Laufe des 11. Jahrhunderts von der Landkarte. Auch die anhaltenden Prozesse der Herrschaftsbildung in den christlich dominierten Gebieten, die sich stetig verändernde Ausdehnung der Grenzzone sowie die zunehmenden Eroberungen der Christen wirkten sich nachhaltig auf die hier begründeten Klöster, auf ihre Prosperität und damit auch künstlerischen Aktivitäten aus. Zu den Gemeinschaften, die letztlich bis ins hohe Mittelalter davon profitierten, sind etwa die noch heute bestehenden Klöster San Millán de la Cogolla und Santo Domingo de Silos zu zählen. Andere wie San Martín de Albelda verloren in dem gleichen Zeitraum an Bedeutung. Folglich ist denkbar, dass die Produktion von Handschrif935 Hier sei etwa auf die Kunst am Hof von León um 1100 verwiesen (vgl. Williams, San Isidoro [1973]; Bredekamp, Reliquiar [2005]; vgl. auch Vones, León als Zentrum [2007]) oder auch die Architektur und bildende Kunst am Pilgerweg nach Santiago de Compostela genannt, welche gerade im Hinblick auf die Frage, welche ‚Einflüsse‘ sich jeweils durchsetzten, von jeher kontrovers diskutiert wurden: vgl. Mann, Romantic Identity (1997); Marten, Streit (2009). 936 In der zweiten Hälfte des 11. Jh. finden sich Gemeinsamkeiten in den Ausstattungsmerkmalen von Handschriften aus San Millán de la Cogolla und Santo Domingo de Silos: vgl. Vivancos, Circulación (2004), 787–790. Diese Gemeinsamkeiten sind wohl zurückzuführen auf institutionelle Verbindungen zwischen den Klöstern. 1041 wechselte der später als heilig verehrte Dominicus von San Millán de la Cogolla, wo er Prior war, als Abt nach Silos. Auch einige Kolophone im Silos-Beatus (hier: Kat. I.11) verweisen auf den Transfer von Manuskripten, da sich derselbe Wortlaut bereits in Handschriften des 10. Jh. aus dem Kloster Valeránica findet. – Und schließlich belegen auch die ähnlich gestalteten Kreuzdarstellungen in drei Handschriften aus der Mitte des 10. Jh., dass enge Kontakte zwischen den Klöstern im Umkreis von León bestanden: das Antiphonar in León (hier: Kat. II.3); der ValcavadoBeatus (hier: Kat. I.12); die Bibel aus Albares (hier: Kat. I.9).
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ten im Allgemeinen und das Festhalten an einem bestimmten Kanon von Bildtypen im Besonderen eine stabilisierende Funktion für die monastischen Gemeinschaften hatten, deren Institutionalisierung bis in das 11. Jahrhundert hinein durch die beschriebenen äußeren Faktoren herausgefordert war. Die bildlichen Darstellungen, die auf diese Weise einen Beitrag zur Identität der Gemeinschaften leisteten, schöpften dabei vor allem aus dem Fundus christlicher Bildkulturen. So finden sich Kreuzzierseiten in Handschriften verschiedenster westeuropäischer Regionen wieder und waren gleichfalls in der Bauplastik und Malerei des asturischen Reiches vorgebildet. Gerade in Handschriften, die aus der Nähe von León als Sitz der asturischen Monarchie stammen, wird dieser Bezug besonders evident und belegt, wie sehr sich die hier ansässigen monastischen Gemeinschaften mit dem asturischen Reich identifizierten. Die ganzseitigen Darstellungen der Maiestas Domini sind hingegen vor allem aus karolingischen, dann auch aus ottonischen und aus salischen Handschriften bekannt. Wobei deutlich wird, dass eine darüber hinausgehende Orientierung an diesbezüglichen Ausstattungsmerkmalen und Layoutkonzepten, wie sie die Handschriften des leonesischen Königspaares Ferdinand I. und Sancha erkennen lassen, mit herrschaftlichen Interessen verbunden war.937 Formen visueller Poesie hingegen, zu denen die Buchstabenlabyrinthe oder Gittergedichte gehören, lassen sich als Rückgriff auf literarische Traditionen der spätantiken und frühchristlichen Zeit begreifen. Mit Blick auf die Buchmalerei jener Klöster, die in einstigen Grenzzonen fundiert wurden, kann von einer durchgreifenden Antikenrezeption, wie sie von Stefan Trinks für andere Gattungen im Norden der Iberischen Halbinsel vermutet wird, sicherlich nicht gesprochen werden.938 Die visuelle Strukturierung der Manuskripte deutet darauf hin, dass sich die Klöster über herrschaftliche Grenzen hinweg einer christlichen Identität versicherten, sich jedoch hinsichtlich Formen und Motiven gegenüber denjenigen in Al-Andalus weitestgehend reserviert erwiesen. Wenn Übernahmen nachweisbar sind, spiegeln diese kein einheitliches Bild von der Wahrnehmung der islamisch-arabischen Kultur wider. Vereinzelt zeichnen sich biblische Bildnarrationen durch Gegenwartsbezüge aus, die eine Identifikation negativ konnotierter Figuren als Muslime nahelegen. Insgesamt gesehen entziehen sich jedoch die vor allem im Girona-Beatus rezipierten Motive einer religiös-propagandistischen Deutung. Vielmehr ist die Aneignung als Ausdruck eines Prozesses und einer Suche zu lesen, den Motiven überhaupt erst einen Platz zuzuweisen. Folglich stehen unterschiedliche Lösungen nebeneinander: Diese reichen von dem mit einem Turban bekleideten reitenden Herodes über jene Irritation provozierenden Mischwesen bis hin zur Übernahme eines Surenteilers. Obwohl gerade diese Übernahme eines typischen Motivs von Koranhandschriften einen Einzelfall darstellt, lässt die Art und Weise, wie der Surenteiler in zwei nordspanische Codices integ937 Im Liber Psalmorum, der 1055 im Auftrag Sanchas, Königin von León und Kastilien, entstand, wurde erstmals Purpur zur visuellen Auszeichnung der ersten und letzten Seiten verwendet (hier: Kat. IV.3, Abb. 110). Damit orientierte man sich an der Ausstattung von Prachthandschriften, die in den westeuropäischen Manuskriptkulturen unter karolingischer, ottonischer und salischer Herrschaft entstanden waren. 938 Trinks, Antike (2012), 2: „Spanien im elften Jahrhundert sah sich – so die These – als Teil der Antike.“
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riert wurde, zumindest vermuten, dass man den Koran als Offenbarungsschrift wahrnahm, seine ornamentale Gestaltung vielleicht sogar wertschätzte. Gerade mit Blick auf die künstlerischen Transferprozesse in den Grenzzonen ist in der Forschung bisher zu kurz gekommen, Handschriften gattungsübergreifend im Kontext der zeitgenössischen Architektur vergleichend in den Blick zu nehmen. Denn in einigen der erhaltenen Klosterkirchen wurden Charakteristiken der al-andalusischen Architektur für zentrale Aufgaben wie Eingänge, Fenster oder die ornamentale Auszeichnung bestimmter Raumkompartimente übernommen. Folglich, so ließe sich vermuten, hing die Qualität einer Auseinandersetzung mit der Kunst der südlichen Nachbarn auch davon ab, in welcher Gattung, mit welchen Funktionen und für welches Publikum sie erfolgte. Während die Handschriften sich in erster Linie an die Mönche richteten und in überwiegendem Maße zu deren Studium gedacht waren, sind die Kirchenbauten auch den Laien und damit den aus den verschiedensten Regionen – auch aus Al-Andalus – stammenden Siedlern zugänglich gewesen. Ein charakteristisches Motiv wie der von einem Alfiz gerahmte Hufeisenbogen mit zweifarbiger Ausgestaltung, der aus der Moschee von Córdoba und anderen Bauten in Al-Andalus bekannt war und in der Architektur des christlichen Nordens rezipiert wurde, leistete einen wichtigen Beitrag zur sichtbaren Durchgliederung des Kirchenhauses. Davon blieb jedoch das Grundgerüst der visuellen Strukturierung der Codices unberührt. In der Buchmalerei richtete sich eine Einstimmung auf die lectio in erster Linie am christlichen Bildvokabular aus. Gleichwohl gewinnt man den Eindruck, dass die Kunst in den Grenzzonen etwas zum Ausdruck bringt, was man aus der Perspektive kultureller ‚Übersetzung‘ als Mehrfachidentität der monastischen Gemeinschaften bezeichnen könnte.939 Auch die weitere Geschichte künstlerischer Transferprozesse ist in den unterschiedlichen Gattungen immer wieder Spiegel kultureller Brüche, die wiederum durch soziale, regionale, ökonomische oder politische Faktoren bestimmt waren.940 Auffallend ist in jedem Fall, dass der kulturell-künstlerische Transfer im Königreich Kastilien erst im 13. Jahrhundert einen Höhepunkt erreichte – also in einer Phase, in der sich die Kräfteverhältnisse zugunsten der christlichen Herrscher verschoben hatten.941 In diesem Sinne sind Merkmale der nordspanischen Handschriften – das kanonische Set an Bildtypen am Anfang und Ende kodifizierter Texte, mit dem islamische Darstellungstraditionen weitestgehend übergangen wurden – als Reaktion auf die Herausforderungen zu begreifen, mit denen sich die monastischen Gemeinschaften in ihrer frühen Geschichte konfrontiert sahen. Wenn auch nur marginal Motive aus der Kunst in Al-Andalus übernommen und mit einer durchaus sehr eigenen Perspektive in das bestehende Formenrepertoire integriert wurden, so gibt es gleichwohl Besonderheiten der Ausstattung, die mit den historischen Umständen in Zusammenhang stehen. (1) Die künstlerische Arbeit wurde gerade nicht in Prachteinbände gesteckt, die andernorts insbesondere die Wirkmacht der Heiligen Schrift in Bibeln, Evangeliaren oder Evange939 Einführend: Bachmann-Medick, Übersetzung (2004), 455. 940 Dazu Dodds, Menocal und Balbale, Intimacy (2008). 941 Als Beleg dafür vgl. etwa die Textilien in den Gräbern der kastilischen Könige im Kloster Santa María la Real de Las Huelgas: Ausst.-Kat. Vestiduras ricas (2005); Böse, Cultures Re-shaped (2014).
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listaren vermittelten. Vielmehr zielte sie auf eine symbolische Aufladung des Sammelns von Texten sowie der lectio, die vor allem der monastischen Bildung diente. Die Fokussierung auf monastisch-religiöse Werte (Bibelkommentare), rechtliche Normen und Regeln (annalistische Texte sowie Rechtstexte) ist in einem länger währenden, durch die politischen Dynamiken immer wieder herausgeforderten Institutionalisierungsprozess durchaus nachvollziehbar. (2) Die prachtvolle Auszeichnung der Texte erfolgte bevorzugt durch einen ornamentalen Darstellungsmodus, der nicht nur die Buchstabenlabyrinthe, sondern auch die Kreuzdarstellungen sowie die ganzseitigen Zierbuchstaben bestimmt. Wenn auch an dieser Stelle überwiegend auf Formtraditionen christlicher Manuskriptkulturen zurückgegriffen wurde, etwa das Flechtwerk insularer Buchmalerei, so lässt sich die ornamentale Prägung doch nicht begreifen ohne die Dominanz der Ornamentik in der islamischen Kunst in Al-Andalus. Zwar wurden kaum in Al-Andalus virulente Motive und Dekorformen übernommen, aber stattdessen eine eigene starke Ornamentik entwickelt. (3) In diesem Kontext zeigt sich eine fundamentale Eigenheit der nordspanischen Handschriften gegenüber den anderen europäischen Manuskriptkulturen: Konsequenter als anderswo werden Namen, Entstehungszeiten und Orte dokumentiert; zumeist als Bestandteil der Kolophone und damit der letzten Seiten des Codex, dann aber auch von Gedichten und Buchstabenlabyrinthen am Beginn der Handschrift. Auch mit der aus Al-Andalus stammenden Kunst sind vielfach Namen von Architekten, Künstlern und Auftraggebern, zuweilen auch die Entstehungsumstände überliefert – viel früher und zahlreicher als in anderen muslimisch dominierten Gegenden.942 Folglich stellen die jeweils dokumentarischen Kennzeichnungen von Kunstwerken in den sowohl christlich als auch muslimisch dominierten Gebieten der Iberischen Halbinsel zeitlich vergleichbare Phänomene dar, die allerdings in ihren jeweils gattungsspezifischen Ausprägungen und sozialen Kontexten nicht deckungsgleich sind: Während in Al-Andalus verschiedene Gattungen (Architektur, Textilien, Elfenbeinkästchen) im Umfeld des Kalifenhofes mit Namen, Daten und Orten markiert wurden, sind diese in den christlich dominierten Grenzzonen ausschließlich im Medium des Codex und damit in monastischem Zusammenhang überliefert. Architektur, Bauplastik und Wandmalerei blieben davon allerdings unberührt. Wendet man sich also dieser Praxis in den nordspanischen Klöstern zu, so gilt zu konstatieren, dass sie an keine hier bestehende künstlerische Tradition anknüpft. Weder aus der westgotischen noch aus der asturischen Kunst ist bekannt, dass Kunstwerke hinsichtlich ihres Entstehungszeitpunktes und -ortes sowie ihres Schöpfers inschriftlich markiert worden wären. Eine Ausnahme stellen die aus höfischem Umfeld stammenden Werke dar, mit denen zuweilen der Name eines Herrschers überliefert ist. Allerdings lässt sich mit der asturischen Hofchronistik eine textbasierte Tradition benennen, der die handschriftlichen Einträge folgen konnten, zumal eine der unter Alfons III. entstandenen Chroniken in den hier untersuchten Manuskripten, im Codex Albeldense, überliefert wurde. Die Einträge dokumentarischer Qualität tragen dergestalt zu einer spezifischen zeitlichen und geographischen Verortung bei: So zielte ein zusätzlicher Verweis auf die Regentschaft christlicher Könige und ihres Hochadels darauf, die Beziehungen zu demjenigen Herrscher 942 Grabar, Islamic Art (2005), Kap. XVI, 271.
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herauszustellen, dem sich das Kloster etwa durch Schenkung verbunden fühlte. Die Bibel aus Valeránica wurde etwa laut einem Eintrag (fol. 513v) in jener Zeit vollendet, als Ordoño IV. (ca. 925–962/963) in Oviedo regierte und Fernán Gonzalez Herzog von Kastilien war.943 Ebenso findet sich das Bemühen, die Handschriftenproduktion mit zeitgeschichtlichen Vorfällen zu synchronisieren, wenn die Fertigstellung des Girona-Beatus auf dem letzten Blatt mit einer Schlacht zwischen Christen und Muslimen in Zusammenhang gebracht wird (Kat. II.6).944 Auf diese Weise wird der monastischen Gemeinschaft, für die der Codex stellvertretend steht, ein Platz auf dem Zeitstrahl historisch-politischer Ereignisse zugewiesen. Es sind vor allem jene die kodifizierten Texte abschließenden ganzseitigen, um dokumentarische Anmerkungen ergänzten Darstellungen, die diesen Zusammenhang in eine visuelle Ordnung überführen. Die identifikatorische Rolle des frühmittelalterlichen Buches ist daher kaum zu unterschätzen. Vor dem Hintergrund instabiler politischer Verhältnisse war es gerade nicht die Architektur oder Wandmalerei, sondern das mobile Medium des Codex, das einem Kompass gleich der intellektuellen und institutionellen Orientierung dienen und auf diese Weise der Vervollkommnung des Einzelnen und der Verortung der monastischen Gemeinschaft in Welt- und Heilsgeschichte Vorschub leisten sollte.
943 Vgl. auch den Silos-Beatus, fol. 265v–266r (hier: Kat. I.11), in dem Petrus die Vollendung des Codex mit der Herrschaft Alfons (Alfons VIII. von Kastilien [1158–1214]) in Verbindung bringt. 944 Bisher konnten allerdings weder die kriegerische Auseinandersetzung noch die daran beteiligten Personen plausibel zugeordnet werden. Dazu Marqués Casanovas, Codex (1962), 72; Sponsler, Boundaries (2009), 19.
Katalog der Handschriften
Der Katalog führt jene nordspanischen Handschriften auf, die mehrfach im Text besprochen werden. Die Handschriftentitel sind jeweils um einen (künstlichen) Kurztitel ergänzt, der im Fließtext in Verbindung mit der Katalognummer Verwendung findet. Wenn nicht angegeben, sind die in den aufgelisteten Codices enthaltenen Texte in westgotischer Schrift verfasst. Topographische Bezeichnungen orientieren sich an den Einträgen im Lexikon des Mittelalters. I. I.1 I.2 I.3 I.4 I.5 I.6 I.7 I.8 I.9 I.10 I.11 I.12 I.13
Handschriften mit gesicherter monastischer Provenienz 216 Sahagún, Domnos Santos oder Sanctos Facundo y Primitivo (Prov. León) 216 Collectio Conciliorum 217 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Osma-Beatus) 218 Saint-Sever-sur l’Adour (Dép. Landes) 218 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Saint-Sever-Beatus) 218 San Martín de Albelda (La Rioja) 221 Codex Albeldense 221 San Millán de la Cogolla (La Rioja) 224 Codex Aemilianense 225 Liber Commicus (Liber Commicus aus San Millán) 227 San Salvador de Tábara (Prov. Zamora) 228 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Tábara-Beatus) 228 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Morgan-Beatus) 230 Santa María y San Martín de Albares (Prov. León) 232 Bibel, zweiter Teil (Bibel aus Albares) 232 Santo Domingo de Silos (Prov. Burgos) 233 (1) Orelegium, Calendarium (fol. 1-24), (2) Isidorus Hispalensis, Etymologiae (fol. 25–385) (Etymologien aus Silos) 234 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Silos-Beatus) 235 Kloster Valcavado (Prov. Saldaña) 239 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Valcavado-Beatus) 239 Valeránica oder San Pedro de Berlangas (Prov. Burgos) 241 Gregorius Magnus, Moralia in Iob (Moralia in Iob aus Valeránica) 241
216 Katalog der Handschriften
I.14 I.15
Smaragdus von Saint-Mihiel, Collectiones in Epistolas et Evangelia (Codex Smaragdus) 243 Bibel (Bibel aus Valeránica) 244
II. II.1 II.2 II.3 II.4 II.5 II.6 II.7 II.8 II.9
Handschriften unklarer Herkunft 246 Isidorus Hispalensis, Etymologiae 246 Vitae Patrum 247 Antiphonar (Antiphonar in León) 248 Gregorius Magnus, Moralia in Iob (Moralia in Iob in Toledo) 250 Gregorius Magnus, Moralia in Iob (Moralia in Iob in León) 252 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Girona-Beatus) 253 Vitae Sanctorum 255 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (San Millán-Beatus) 256 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Fanlo-Beatus) 257
III. Handschriften im Besitz Alfons III., König von Asturien 258 III.1 Isidorus Hispalensis, Sententiarum 258 III.2 Isidorus Hispalensis, Etymologiae (Etymologien Alfons III.) 259 IV. IV.1 IV.2 IV.3
Handschriften für Ferdinand I., König von León, und seine Frau Sancha 260 Isidorus Hispalensis, Etymologiae (Etymologien Sanchas) 260 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Beatus-Handschrift Ferdinands I.) 261 Liber Psalmorum 261
I. Handschriften mit gesicherter monastischer Provenienz Sahagún, Domnos Santos oder Santos Facundo y Primitivo (Prov. León) Die Anfänge des Klosters gehen auf eine Kirche zu Ehren der Hll. Facundus und Primitivus zurück, die im Jahre 883 infolge eines muslimischen Angriffs zerstört worden war. Nach einer neuerlichen Zerstörung wurde hier im Jahre 904 von Alfons III., König von Asturien, ein Kloster gegründet. Diese Gemeinschaft bildeten Christen, die aus Córdoba kamen. 988 wurde das Kloster durch al-Mansūr bi-llāh, Heerführer im Kalifat von Córdoba unter Hišām II., erneut zerstört und wiederaufgebaut. Sahagún ist eines der ersten Klöster, in dem der römische Ritus eingeführt wurde. Alfons VI., König von Kastilien-León, förderte den Anschluss des Klosters an den Cluniazenserverband. 1086 gewährte Alfons VI. die Gründung eines burgus, eines Marktfleckens beim Kloster. Im selben Jahr erhielt das Kloster das Patronat San Benito. Das Kloster besteht heute nicht mehr.
Handschriften mit gesicherter monastischer Provenienz 217
Literatur Vignau y Ballester, Indice (1874); Mínguez Fernández, Colección (1977); Fernández, Dominio (1980); Cuenca Coloma, Sahagún (1985); Reglero de la Fuente, Cluny (2008), doc. 17, 18.
I.1 Collectio Conciliorum Madrid, BNE, Ms. 1872 (Vitr. 14-4) Inhalt Collectio Conciliorum/Collectio canonum hispana (fol. 2–356) Entstehungszeit 9.–10. Jh. Umfang 345 Blätter Maße 345 x 265 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 42 Zeilen Provenienz Die Handschrift ist 1573 von Ambrosio de Morales im Kloster Sahagún inspiziert worden. Später kam sie in den Besitz des Klosters San Vicente in Plasencia und von dort aus in die Biblioteca Nacional in Madrid. Erhaltungszustand Blätter sind zum Teil beschnitten. Einige Blätter fehlen. Das Ende ist unvollständig. Die Handschrift besitzt einen Einband des 17. Jh. Literatur Millares Carlo, Contribución (1931), 239–240; Bordona, Manuscritos (1933), Bd. 1, 345; Millares Carlo, Nuevos estudios (1941), 104, 113–116, 136; Inventario General, Bd. 5 (1959), 301–302; Fernández Pomar, Libros (1965), 16; Klein, Beatus-Kodex (1976), 269–272; Reynolds, Studies (2009), Kap. V, 321, Kap. XII, 37, 39. Handschriftenbeginn fol. 1r Buchstabenlabyrinth SUPERI ABBATI LIBRVM fol. 1v Decretu(m) b(ea)ti bonifacii pape q(ui) quartus fuit post gregoriu(m) fol. 2r In n(o)mine Patris et Filii / et Sp(iritu)s S(an)c(t)i incipit liber / canonum
218 Katalog der Handschriften
I.2 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Osma-Beatus) Burgo de Osma, Archivo de la Catedral, Cod. 1 Inhalt Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin, Liber I–XII (fol. 2–164) Entstehungszeit begonnen am 3. Januar oder 3. Juni 1086 Buchmaler Martinus Schreiber Petrus Kolophon fol. 138v MEMENTO MEI PETRUS CLERICUS / SCRIPSIT fol. 163r Martini p(ec)c(a)toris mementote Umfang 166 Blätter Maße 360 x 253 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 43/44 Zeilen Erhaltungszustand Die Blätter sind beschnitten. Die Handschrift ist nicht mehr vollständig. Die Ordnung der ersten und letzten Lage scheint nicht der ursprünglichen zu entsprechen. Faksimile Beato de Osma (1992). Literatur Rojo Orcajo, Catálogo (1929), 17–26; Neuss, Apokalypse (1931), 37–38; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 299–300, Nr. 1; Shailor, Beatus (1992); Williams, Illustrations (1992); Williams, Beatus (2002), Bd. 4, 17–25.
Handschriften mit gesicherter monastischer Provenienz 219
Handschriftenbeginn fol. 1r Alpha fol. 1v leer fol. 2r leer fol. 2v INCIPIT CAPITULATIO IN / apocalipsin Iohannis Handschriftenabschluss fol. 163r Omega fol. 163v leer fol. 164r INCIPIT BREBIS EXPLANATIO SUPRA / scripte storie fol. 165r Nachträge von anderer Hand fol. 165v leer fol. 166r Kreuz fol. 166v leer
Saint-Sever-sur l’Adour (Département Landes) Das Kloster wurde wahrscheinlich von Wilhelm (Guillén) Sanchez II. († 996), Herzog der Gascogne, und seiner Frau Urraca († 1041) im Jahre 988 gegründet. In seiner Frühzeit profitierte das Kloster von den Schenkungen der Herzöge der Gascogne. Es besaß die Jurisdiktionsgewalt, die 1104 durch päpstliche Exemtionsprivilegien bestätigt wurde. Das Kloster hatte im 11. Jh. Besitzungen bis Pamplona. Die erste Klosterkirche wurde 1008 geweiht, brannte jedoch 1060 ab und wurde unter Abt Gregor von Montaner (1028–1072), der aus Cluny kam, wiederaufgebaut. In sein Abbatiat fällt auch die Herstellung der Beatus-Handschrift. Literatur Cabanot, Saint-Sever (1986); Cursente/Cabanot, Abbaye (2008); Chartes et documents (2010).
I.3 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Saint-Sever-Beatus) Paris, BnF, Ms. lat. 8878 Inhalt Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (fol. 14–217) Expositio in Danielem (fol. 218–262) Marientraktat (fol. 262–284) Abschriften von Urkunden des Klosters, Ende 11./Anf. 13. Jh. (fol. 285–290) Entstehungszeit ca. 1060–1072
220 Katalog der Handschriften
Entstehungsort Saint-Sever-sur-l’Adour Schrift karolingische Schrift Buchmaler Stephanus Garsia Placidus Schreiber verschiedene Hände Umfang 292 Blätter Maße 365 x 280 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 35 Zeilen Erhaltungszustand Die Handschrift ist nicht vollständig, einzelne Texte und Miniaturen fehlen. Die Seiten wurden beschnitten. Der Codex besitzt einen Einband aus braunem Kalbsleder, der in das 17. Jahrhundert datiert wird. Provenienz Die Handschrift wurde in der Abtei von Saint-Sever in der Gascogne hergestellt. Sie war danach im Besitz verschiedener Hände: Guillermo Guerry de Tiffauges de la Vendée, der Familie Escoubleau de Sourdis, Mathurin Brin (nach 1666). Im 18. Jh. gehörte der Codex zunächst einem Buchhändler, später dem Marquis de Paulmy. Im Jahre 1790 wurde die Handschrift an die Pariser Nationalbibliothek verkauft, zunächst ohne die Darstellung der Weltkarte, die bereits zuvor aus dem Codex entfernt, dann 1866 erworben und schließlich als fol. 45bis r –45ter v wieder in das Manuskript eingebunden wurde. Faksimile Beato de Saint-Sever (1984). Literatur Ramsay, Manuscripts (1902); Neuss, Apokalypse (1931), 34–37; Werckmeister, Formen (1965), 936– 937; Mentré, Beatus (1979); Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 484; Klein, Sources (1986); Mezoughi, Place (1986); Williams, Beatus (1986); Załuska, Beatus (1986); Belghagi, Rezeption (1988), 19–25; Laffitte und Sclafer, Catalogue (1997), 80–90; Williams, Beatus (1998), Bd. 3, 80–90; Díaz y Díaz, Libros (1991), 228, Anm. 39; Candelario Castilla, Beato (2010).
Handschriften mit gesicherter monastischer Provenienz 221
Handschriftenbeginn Buchstabenlabyrinth GREGORIVS ABBA NOBIL(IS) fol. 1r fol. 1v–5r Bildnisse der Evangelisten, Zeugen und Engel fol. 5v–12r genealogische Tafeln fol. 12v Legende zum Kampf zwischen Vogel und Schlange fol. 13r Kampf zwischen Vogel und Schlange fol. 13v Autorenbildnisse fol. 14r Alpha fol. 14v IN NOMINE D(OMI)NI I(E)H(S)V XPI / INCIPIT LIBER REVELATIO/NIS
San Martín de Albelda (La Rioja) San Martín in Albelda wurde im Zuge der Einnahme der Rioja unter Sancho I. Garcés, König von Navarra, am Fluß Iregua gegründet. Die Gründungsurkunde von 924, die nur in einer Abschrift aus dem 11. Jh. vorliegt, nennt Sancho und seine Frau Toda als Gründer. Es ist anzunehmen, dass schon im gleichen Jahr die erste Siedlung der Mönche zerstört wurde, als ’Abd ar-Rahman III. die Rioja zurückeroberte. Doch schon ein Jahr später, 925, konnte Sancho die Rioja Alta endgültig sichern. Das Kloster, für dessen Kirche das Weihedatum 945 nachweisbar ist, diente der Kolonialisierung und Restrukturierung des Valle de Iregua, die im zweiten Viertel des 10. Jh. nachweisbar einsetzten. Albelda lag im Süden des navarresischen Besitzes und spielte daher eine wichtige Rolle in der Sicherung der Grenzzone nach AlAndalus. Im 10. und in der ersten Hälfte des 11. Jh. hing die ökonomische Prosperität des Klosters vor allem vom navarresischen Königshaus ab, das die Gemeinschaft immer wieder mit Schenkungen bedachte. Nachdem die Rioja 1076 an das Königreich León gefallen war, verlor das Kloster an Bedeutung. Zwischen 1167 und 1180 übernahm eine Augustinerchorherrengemeinschaft das Kloster. Mit deren Auflösung im Jahre 1435 gingen Kirche und Besitztümer an die Collegiata Santa Maria de la Redonda de Logroño über. Literatur Bishko, Frontier monasticism (1948, 1980); Cantera Orive, Primer siglo (1950, 1961–1963); Cartulario de Albelda; Linage Conde, Orígenes (1973), Bd. 2, 662–669, Bd. 3, Nr. 40; Sáinz Ripa, Colección diplomática (1981–1983); Andrés Valero und Jiménez Martínez, Dominio (1986); Díaz y Díaz, Libros (1991), 53–85; Lázaro Ruiz, Monasterio (1997); García Turza, Monasterio (2002); Lázaro Ruiz, Batalla (2007).
I.4 Codex Albeldense Escorial, Cod. D.I.2 Inhalt Liber Canonum (fol. 20–238); Chronicon Albeldense (fol. 238–242); Isidor von Sevilla, De fide catholica adversus iudeos (fol. 243–247); Historia de Mahmeth (fol. 247–248);
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Epistoles decretales/Dekretalen (fol. 249–341); De viris illustribus, ergänzt um eine Vita des Abtes Salvo von Albelda (fol. 341–343); Ordo de celebrando concilio (fol. 343–345); Exhortationes (fol. 345–350); einige Kapitel der Benediktregel (fol. 350–352); Indicius Penitentie/Penitentiale (fol. 357–358); Liber Iudicium (fol. 358–427) Entstehungszeit 974–1. Mai 976 Entstehungsort San Martín de Albelda Buchmaler/Schreiber Vigila, Sarracino, Garsea Kolophon fol. XXIIv In exordio igitur hui(us) / Libri oriebatur scribendi uotu(m) / mici uigilani scribtori sed fusorem / pargament(um) nimis uerebar. Tamen quid / mici olim conueniret agere nisi duuietate [dubietate] post/ posita ut in n(o)m(in)e mei Ih(es)u Christi incoasse scribendum / Inito au(te)m affectu certatim cepi edere ceu iconia / subinpressa modo ostendit, et ad ultim(um) nitens perueni / Idcirco grates ipsi d(omi)no qui mici dignatus est auxiliari / Demumq(ue) post peracto hui(us) uite cursu / dignetur largiri premia eterna cum / celipolis in regno polor(um) amen. fol. 4r Ab adam usque Era M.XIIIIa in qua est editum opus huius codicis fiunt anni VI.C.L.XV fol. 428r Uigila scriba cum sodale sarracino presbitero pariterque cum garsea discipulo suo edidit hunc librum mementote memorie eorum semper in benedictione. fol. 428v (als Bestandteil eines Akroteleuton) Vigila Sarracinusque ediderunt / Era millesima siua quarta decima. Umfang 433 Blätter Maße 325 x 465 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 40 Zeilen
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Erhaltungszustand Die Blätter sind beschnitten. Folio XXII stark dezimiert (230 x 289 mm). Der Codex wurde 1999 zuletzt gebunden. Ein originaler Einband ist nicht erhalten. Der heutige Einband stammt aus dem 16. Jh. Provenienz Der Codex gelangte 1571 aus dem Besitz des Grafen von Buendía in die Bibliothek des Escorial. Literatur Antolín, Catálogo (1910–1923), Bd. 1, 368–404; Bordona, Manuscritos (1933), Bd. 2, 24–25, Nr. 1301; Millares Carlo, Manuscritos (1961), 388–444, Nr. 21; Silva y Verástegui, Primeros retratos (1980); dies., Neovisigotismo (1981); dies., Iconografía (1984); dies., Imágenes (1986); dies., Papel (1986); dies., Iconografía (1987); dies., Illustration (1989); Díaz y Díaz, Libros (1991), 64–74; Silva y Verástegui, Contribución (1991); Fernández Flórez und Herrero de la Fuente, Calígrafo-miniaturista (2000); García Turza, Códice Albeldense (2002); ders., Glosas (2003). Handschriftenbeginn fol. I–XXI Index sowie Beschreibung der Handschrift durch Juan Vázquez de Mármol und Ambosio de Morales, dat. 29.2.1576 fol. XXIIv Bildnis Vigilas fol. 1r Gedicht (Akroteleuton) Divina virtus Gittergedicht Gloriosa Christi fol. 1v fol. 2r Gittergedicht Salbatoris mater Gittergedicht Ortus virginis fol. 2v fol. 3r Gittergedicht O alfa et O fol. 3v Gittergedicht Altissime, servo tuo salva Auszug aus Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Lib. V, Cap. XXIX: De annis et seculis fol. 4r atque etatibus fol. 4v–6r Kalender, der westgotischen Liturgie folgend fol. 6v–12ra Computus fol. 12rb–12v Auszüge aus Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Lib. III, Cap. I, III, IV Arithmetik-Traktat: Inc. Ars Proficua arithmetice fol. 13r Auszüge aus Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Lib. V: De cronice vocabulo Tabelle über das lateinische, griechische und hebräische Alphabet Berechnung des Schaltjahres fol. 13v fol. 14r Auszüge aus Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Lib XIII, Cap. XI: De ventis fol. 14v Winddiagramm fol. 15r Genealogische Tabelle und Arbor consanguinitatis fol. 15v–16r CAPITVLA LIBRI CANONIS fol. 16v Maiestas Domini fol. 17r Sündenfall fol. 17v Noah und seine Söhne, Mappa Mundi, verschlossenes Paradies fol. 18r leer Kreuz fol. 18v
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fol. 19r fol. 19v fol. 20r
fol. 20v fol. 21r
Buchstabenlabyrinth OB HONOREM SANCTI MARTINI Buchstabenlabyrinth MAVRELLIS ABBATIS LIBRVM Incipitseite zum Liber Canonum: IN NOMINE PATRIS ET FILII ST SPIRITVS SANCTI INCIPIT LIBER CANONVM IVS IMPERIALE AT TOTIVS ORBIS TENENTIBVS ABTISSIME NAMQVE EDITVS Codex-Lector-Gespräch: Incipit versificatio interrogatioque apvd codicem lectoris INCIPIVNT CAPITVLA LIBRI PRIMI DE EXCERTIS NAMQ(UE) CANONVM
Handschriftenabschluss westgotische Könige, Mitglieder des navarresischen Königshauses, Schreiber und Buchfol. 428r maler des Codex fol. 428v Gedicht (Akroteleuton) Virtus nempe Christi fol. 429r Gedicht (Akroteleuton) O Dei Verbum
San Millán de la Cogolla (La Rioja) Die Wurzeln des Klosters in den Montes Distercios lassen sich bis in das 5. Jh. zurückverfolgen. Seit dieser Zeit und bis zur muslimischen Eroberung der Iberischen Halbinsel diente die Gegend als Rückzugsort für Eremiten, so für den später als heilig verehrten Aemilianus (473–574). Dieser soll sich an jenem Ort niedergelassen haben, an dem später das Kloster gegründet wurde. Die Gründung des Klosters steht in engem Zusammenhang mit der Eroberung der Rioja im Jahre 923 durch Sancho I. Garcés, König von Navarra. Ein Gründungsdatum ist nicht überliefert. Das Kloster ist dokumentarisch seit 942 belegt. Seit 952 sind regelmäßig Schenkungen an das Kloster, das der Restrukturierung des Valle Cardeña diente, nachgewiesen. Seit 933 ist die Produktion von Handschriften greifbar. Für die Klosterkirche sind zwei Weihedaten, 959 und 984, dokumentiert. Die Gegend um San Millán de la Cogolla blieb bis zur Eroberung von Calahorra im Jahre 1045 Grenzzone. Kirche und Kloster wurden 1002 durch al-Mansūr bi-llāh auf einem seiner Beutezüge zerstört. Dies führte zu einer Unterbrechung der Handschriftenproduktion. Eine Neuweihe der Kirche ist für 1030 nachgewiesen. Etwa zu diesem Zeitpunkt oder kurz danach wurde das Kloster nach cluniazensischem Vorbild reformiert. García III. Sanchez, König von Pamplona-Navarra (1035–1054), initiierte den Neubau des Klosters, das zu diesem Zweck vom Hang in das Tal verlegt wurde. Die Gebeine des Hl. Aemilianus wurden ebenfalls in das neue Kloster, heute San Millán de Yuso (lat. deorsum), übertragen. Das alte Kloster, heute San Millán de Suso (lat. sursum), blieb erhalten. Die überlieferten Handschriften deuten darauf hin, dass seit der Mitte des 11. Jh. wieder ein Skriptorium existierte. Zeitgleich wurde eine Schnitzwerkstatt für Elfenbein eingerichtet, wohl die erste in den christlich dominierten Gebieten der Iberischen Halbinsel. Für das Kloster San Millán de la Cogolla erwies sich die Lage zwischen zwei christlichen Herrschaftsbereichen als förderlich: Das Kloster war im Territorium der navarresischen Könige gegründet worden, grenzte aber unmittelbar an den Herrschaftsraum der kastilischen Grafen, welche die Abtei ebenso reich wie die Könige von Navarra bedachten. Das Kloster
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konnte im 11. Jh. seinen Besitz bis zur Kantabrischen Küste ausdehnen. Die Gemeinschaft profitierte vom Kult des Hl. Aemilianus sowie vom Pilgerweg nach Santiago de Compostela, der 15 km entfernt vom Kloster verlief. Das Benediktinerkloster besteht bis heute. Literatur Menéndez Pidal, Escritorio (1958); García de Cortázar, Dominio (1969); Linage Conde, Orígenes (1973), Bd. 2, 646–653, Bd. 3, Nr. 444; Ubieto Arteta, Primeros años (1973); Cartulario de San Millán de la Cogolla (1976); Cartulario de San Millán de la Cogolla (1989); Díaz y Díaz, Libros (1991), 97–267; García Turza, Monasterio (1997); Silva y Verástegui, Monasterio (1997); Castellanos, Hagiografía (1999); Henriet, Retour (2009).
I.5 Codex Aemilianense Escorial, Cod. D.I.1 Inhalt Liber Canonum (fol. 19–229); verschiedene kürzere Texte: u.a. Vita des Hl. Ildefons (fol. 230–231); De visione habita taioni episcopo in romana eclesia et de libro moralia in spania ducto (fol. 232); Epistoles decretales/Dekretalen (fol. 233–316); Texte Isidors von Sevilla (fol. 316–345): De ecclesiasticis officiis, De fide catholica contra Iudaeos verschiedene kürzere Texte: u.a. De viris illustribus, ergänzt um eine Vita des Abtes Salvo von Albelda (fol. 346–347); Ordo de celebrando concilio (fol. 347–351); Auszüge aus der Benediktregel (fol. 351– 353); verschiedene Predigten (fol. 354–358); Indicius Penitentie/Penitentiale (fol. 359); Namensliste der verstorbenen Bischöfe / Nomina defunctorum episcoporum spalensis sedis vel toletane (fol. 360); Division der Kirchenprovinzen / Divisio provinciarum ecclesiasticarum Hispaniae (fol. 392); Chronicon Albeldense (fol. 394–395); Schriften zur Verteidigung des westgotischen Ritus: De missa apostolica ispania ducta, De officio ispane eclesie in roma laudato et confirmato (fol. 395); Liber Iudicium (fol. 396–452) Entstehungszeit 992 Buchmaler/Schreiber Belasco, Sisebuto Kolophon fol. 1r Ab adam usque era T in qua est editu(m) opus hui(u)s codicis fiunt anni. fol. 453r In tempore horum regum atque regine perfectum est opus libri huius. Dicurrente era TXXX. / Sisebutus
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episcopus cum scriba belasco presbitero pariterque cum sisebuto discipulo suo edidit hunc librum mementote memorie eorum semper in benedictione. Umfang 460 Blätter Maße 455 x 300 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 40 Zeilen Erhaltungszustand Die Blätter der Handschrift sind beschnitten. Es fehlen Blätter nach fol. 229 und fol. 392; fol. 230– 234 stammen aus einer anderen Handschrift. Auch fol. 293–400 sowie fol. 455–460 wurden später hinzugefügt. Der Codex besitzt einen nachmittelalterlichen Einband der Bibliothek des Escorial. Provenienz Die Handschrift gehörte im 16. Jh. dem Bischof von Plasencia, don Pedro Ponce de León (1509– 1573), der den Codex zusammen mit anderen Büchern König Philipp II. schenkte. Literatur Antolín, Catálogo (1910–1923), Bd. 1, 320–368; Garcia de la Fuente, Miniatura (1936), 120–135; Werckmeister, Bild (1968); Silva y Verástegui, Neovisigotismo (1981); Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 155–162; Silva y Verástegui, Iconografía (1984); dies., Imágenes (1986); dies., Reyes visigodos (1987); dies., Illustration (1989); dies., Contribución (1991); dies., Monasterio (1997). Handschriftenbeginn Schmuckrahmen (leer) fol. Xr Schmuckrahmen (leer) fol. Xv fol. 1r aus Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Lib. V, Cap. XXIX: De annis et seculis atque etatibus fol. 1v-3r Calendarium mozarabicum fol. 3v-10r Computus fol. 11r aus Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Lib XIII, Cap. XI: De ventis fol. 11v Winddiagramm fol. 12r Schmuckrahmen (leer) fol. 12v Schmuckrahmen (leer) fol. 13r Gedicht HEC PAGINE RETINENT fol. 13v Schöpfergott fol. 14r Sündenfall fol. 14v aus Isidorus Hispalensis, Etymologiae, Lib. XIV, Cap. II: De orbe fol. 15r leer fol. 15v Kreuz
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fol. 16r fol. 16v fol. 17r–18v fol. 19r fol. 19va fol. 19vb
leer Kreuz vier Buchstabenlabyrinthe, nicht ausgefüllt Zierseite Codex-Lector-Gespräch: IN N(O)M(IN)E TRIPLO / SIMPLO DIVINO / INCIPIT LIBER CANONU(M) Inc. versificatio interrogatioque apud codicem lectoris
Handschriftenabschluss Darstellungen westgotischer Herrscher, der navarresischen Königsfamilie, Bischofs fol. 453r Sisebuto, der Schreiber bzw. Buchmaler Belasco und Sisebuto fol. 453v Schmuckrahmen (leer) fol. 454r Maiestas Agni fol. 454v leer De gradibvs consangvinitatis fol. 455r fol. 456r Arbor consanguinitatis: Paterna stirps Arbor consanguinitatis: Materna stirps fol. 456v fol. 457r–457v De gradibvs Arbor ivris fol. 458r fol. 458v–460r De predictis adfinitatibus generis hvmani
I.6 Liber Commicus (Liber Commicus aus San Millán) Madrid, RAH, Ms. 22 (F 192, 29) Inhalt Commicus = Lesungen zur Messe aus den Propheten, Evangelien und Episteln (fol. 4–195) Entstehungszeit 1073 Entstehungsort San Millán de la Cogolla Kolophon fol. 193v Explicitus est hic liber comitis a domni petri abbatis sub era ICXIa Umfang 195 Blätter Maße 390/395 x 270 mm
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Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 29 Zeilen Erhaltungszustand Die Handschrift, die in gutem Zustand ist, hat einen Einband von 1962. Der originale Einband aus Leder bezogenen Holzdeckeln mit Spuren von drei Schließen hat sich erhalten. Literatur Bordona, Manuscritos (1933), Nr. 352; Díaz y Díaz, Libros (1991), 183–186; Ruiz García, Catálogo (1997), 177–180; Silva y Verástegui, Miniatura (1999), 33–47; Beny und Barbáchano, Encuadernación (2004), 72–73. Handschriftenbeginn [auf dem Schutzblatt nachgetragen: En el mes de iunio era MCCCLVII (= 1319) murieron los infantes en la vega de granada] fol. 1–3r verschiedene Lesungen, fragmentarisch fol. 3v Kreuz [später unter dem Kreuz nachgetragen: In era DCCXLIIII abbas Emilianus in Sancto Emiliano] fol. 4r Inc. In nomine Domini incipiunt orationes post gloriam in excelsis Deo in primis de adventum Domini
San Salvador de Tábara (Prov. Zamora) Folgt man der hagiographischen Überlieferung zum Leben des Hl. Froilán, die in der Bibel von 920 aus León erhalten ist (vgl. Kat. I.9), wurde San Salvador de Tábara als eine Gemeinschaft beiderlei Geschlechts Ende des 9. Jh. durch den Heiligen selbst und mit Unterstützung Alfons III. nordwestlich von Zamora gegründet. Nach Ausweis der hier hergestellten Handschriften bestand das Skriptorium spätestens seit dem zweiten Viertel des 10. Jh. Das Kloster existiert heute nicht mehr. Reste aus dem 10. Jh. haben sich in einem Turm erhalten, der zur 1137 geweihten Kirche Santa María de Tábara gehört. Literatur Gómez-Moreno, Iglesias (1919), 210; Sevillano Carbajal, Testimonio (1978); Sánchez Herrero, Historia (1995), 689; Regueras Grande und García-Aráez Ferrer, Scriptorium (2001), 19.
I.7 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Tábara-Beatus) Madrid, AHN, Cod. 1097B Inhalt Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (fol. 10–137) Expositio in Danielem (fol. 138–169)
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Entstehungszeit fertiggestellt am 27. Juli 970 Entstehungsort San Salvador de Tábara Buchmaler Magius, Emeterius Schreiber Monnius, Senior Kolophon fol. 169r MONNIU PRESBITERI SCRIPSIT fol. 170r O BIRVM VERE BEATVM QVEM EBVSTARI CLAUTRA SARCOFOGATVM / ET ILLE ERAT DESIDERATVM VOLVMINI VIVS AD PORTVM ITEM CONSVTVM / ARCIPICTORE ONESTVM MAGII PR(E)SB(I)T(ER)I ET CONVERSI EMITTIT LAVORE INQVOATVM / E QVO PERENNE PERREXIT AD XPM DIEM S(AN)C(T)I FAVSTII III ID(U)S K(A)L(EN)D(A)S N(OVEM)BR(I)S DIEM ABVIT TERTIV(M) ET / DISCESSIT AB EVO era MLLS VIa / Ego vero emeterius presuiter et a magister m(eu)s magi presbiteri nutritus. dum d(omi)no suor(um) libru(m) / construere eum uoluerunt. uocauerunt me in tauarense arcisteri sub umbraculo / s(an)c(t)i salvatoris. et de quos inueni inquoatum: DE k(a)l(en) d(a)s MAGIAS VSQVE VI k(a)l(en)d(a)s A(V)GVSTAS / INveni portum ad librum cum om(n)i suo magistru(m) m(eu)m sic eum mereat coronari cum xpo Am(e)n / O turre tabarense alta et lapidea insup(er) prima teca ubi emeterius IIIbusque mensis / incuruior sedit et cum omni membra calamum conquassatus fuit. explicit l(i)br(u)m / VI k(a)l(en)d(a)s a(u)g(u)st(u)s era M(I)LL(E)S(I)MA VIIIa ora (UIIIIa). Umfang 170 Blätter (moderne Folierung, nicht korrekt) Maße 354 x 255 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 36–41 Zeilen Erhaltungszustand Die Handschrift ist nicht vollständig. Zahlreiche Illuminationen wurden herausgeschnitten, ganze Lagen entfernt. Verloren sind alle einleitenden Texte. Es fehlen gänzlich oder zum großen Teil folgende Bücher des Apokalypsekommentars: Buch 4, 6, 7, 8, 9, 10. Die Anordnung der erhaltenen Lagen wurde im Zuge einer Restaurierung im Jahre 1974 wesentlich verändert.
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Provenienz Die Aufbewahrungsorte der Handschrift während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit sind nicht gesichert. Später befand sie sich im Bestand der Biblioteca Pública in León. Sie wurde dann für die Biblioteca de Escuela Superior de Diplomática in Madrid erworben. Von hier gelangte sie im 19. Jh. in das Archivo Histórico Nacional in Madrid. Faksimile Beato de Tábara (2003, 2005). Literatur Ramsay, Manuscripts (1902), 92; Neuss, Apokalypse (1931), 18–21; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 318–321, Nr. 29; Williams, Beatus (1994), 43–49; García-Arárez, Scriptorium (1994–1995); Sánchez Herrero, Historia (1995); Reguerda Grande und García-Aráez Ferrer, Scriptorium (2001); Williams, Scriptorvm (2011). Heutiger Handschriftenbeginn fol. 1r–2v genealogische Tafeln Heutiger Handschriftenabschluss fol. 170r Omega fol. 170v Turm von Tábara mit der Darstellung von Schreibern/Buchmaler oberhalb der linken sitzenden Figur: I ST(TE)] SENIOR / [VNA] PARITER / CVM [E(O)]945, oberhalb der rechten sitzenden Figur: VBI EMETERIVS / PR(ES)B(I)T(E)R FATIGA / [TVS] SEPE / [S] RIVA // [VBI CAR (TA EFERTVR) E TEKA] 946
I.8 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Morgan-Beatus) New York, PML, Ms. M. 644 Inhalt Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (fol. 10–233) Auszüge aus den Etymologien des Isidor von Sevilla zu den Graden der Verwandtschaft (fol. 234–237) Expositio in Danielem (fol. 239–293) Synopse zu den Kommentaren, später hinzugefügt (fol. 294–299) Entstehungszeit um 940-945
945 Ergänzung der kaum lesbaren Buchstaben in den eckigen Klammern nach García Lobo und Williams, Beato (2005), 155. 946 Rekonstruiert durch Marqués Casanovas, Codex (1962), 69; aufgenommen durch Millares Carlo und Díaz y Díaz, Corpus (1999), Bd. 1, 93.
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Entstehungsort wahrscheinlich in San Salvador de Tábara für das Kloster San Miguel de Escalada Buchmaler/Schreiber Maius Kolophon fol. 293r RESONET UOX FIDELIS. RESONET ET CONCREPET. MAIUS QUIPPE PUSILLUS / EXOBTANSQ(ue) IUBILET. ET MODULET. RESONET. ET CLAMITET. / MEMENTOTE ENIM MIHI. UERNULI XPI, QUORUM QUIDEM HIC DEGETIS / CENOBII SUMMI DEI NU(n)TII MICAHELIS ARCANGELI. / AD PABOREMQ(ue) PATRONI ARCISUMMI SCRIBE(n) S EGO. IMPERANSQ(ue) ABBA UICTORIS. / EQUIDEM UD(US) AMORIS UI(US) LIBRI UISIONE IOHANNI DILECTI DISCIPULI. / INTER EIUS DECUS UERBA MIRIFICA STORIARUMQ(ue) DEPINXI PER SERIEM. / UT SCIENTIBUS TERREANT IUDICII FUTURI ADUENTUI. PERACTURI S(e)C(u)LI. UT SUPPLETI UIDELICET CODIX HUIUS INDUCTA REDUCTA QUOQ(ue) DUO GEMINA / (Rasur) TER TERNA CENTIES ET TER DENA BINA ERA. / SIT GL(ori)A PATRI SOLI FILIOQ(ue) SP(irit)U SIMUL CUM S(an)C(t)O TRINITATE / PER CUNCTA SECLA SECLIS. INFINITIS TEMPORIS Durch rote Tinte hervorgehobene Anfangsbuchstaben in den Zeilen 3, 5, 7, 9 und 11 ergeben den Namen des Schreibers und Buchmalers Maius. fol. 233v MAIVS MEMENTO Umfang 300 Blätter Maße 387 x 285 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 34/35 Zeilen (fol. 294–299: 32/33 Zeilen) Erhaltungszustand Die Handschrift wurde mehrfach gebunden, allerdings nicht in der richtigen Reihenfolge. Besonders am Anfang ist die Reihenfolge gestört. Der Text weist Lücken auf. Bildseiten wurden z.T. herausgeschnitten. Nachdem die Handschrift 1919 in den Bestand der Pierpont Morgan Library in New York kam, wurde sie insgesamt fünfmal gebunden. Die letzte Neubindung erfolgte 1992. Im Zuge dessen wurde sie in zwei Bände geteilt: fol. 1–149 als Band I und fol. 150–293 als Band II. Ein originaler Einband ist nicht mehr erhalten.
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Provenienz Die Handschrift wurde 1567 vom Erzbischof von Valencia, Martín Pérez de Ayala, dem Orden Militar de Santiago de Uclés hinterlassen. Nach der Auflösung des Klosters im Jahre 1837 kaufte der Italiener M. Frasinelli die Handschrift. 1847 ging sie in den Besitz von Bertram Ashburnham, 4th Earl of Ashburnham, über. Der Codex kam 1897 in die Sammlung Henry Yates Thompson (Codex Thompsonianus 97), die schließlich 1919 von der Pierpont Morgan Library in New York erworben wurde. Faksimile Beato de San Miguel de Escalada (1991). Literatur Neuss, Apokalypse (1931), 9–16; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 336–338; Williams, Beatus (1994), Bd. 2, 21–33; González Echegaray und Eco, Estudio (2000). Heutiger Handschriftenbeginn Buchstabenlabyrinth S(AN)C(T)I MICAELI L(I)B(RVM) fol. 1r Bildnisse der Evangelisten, Zeugen und Engel fol. 1v–4r fol. 4v–9v genealogische Tafeln Heutiger Handschriftenabschluss Kolophon des Maius fol. 293r fol. 293v leer fol. 294–299 spätere Ergänzungen
Santa María y San Martín de Albares (Prov. León) Zu diesem Kloster liegen keine Informationen vor.
I.9 Bibel (Bibel aus Albares) León, Archivo Catedralicio, Ms. 6 Inhalt Teil einer Bibel (Propheten, Makkabäer, Evangelien) (fol. 4–274); Vita des Hl. Froilán (fol. 101); De genealogiis (fol. 216) Entstehungszeit 920 Buchmaler/Schreiber Vimara, Johannes
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Kolophon fol. 275 (heute nicht mehr lesbar, nach Beer, Handschriftenschätze [1894]) sub XPI nomine completus / fuit iste liber sub umbra / aule sce marie / et sci martini in monas / terio vocabulo alba / res Notum die / VIII kls / era D CCCCLVIII / Anno feliciter gle sue / reg […] ordonius VI / anno regnante […]. Umfang 275 Blätter Maße 240 x 365 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 53 Zeilen (38 in den ersten beiden Lagen) Erhaltungszustand Blätter sind beschnitten. Die Handschrift weist starke Benutzungsspuren am Anfang und Ende auf. Der Codex besitzt einen modernen Einband. Literatur Díaz Jiménez und Beer, Noticias bibliográficas (1988), 5–8; García Villada, Catálogo (1919), 35–37; Fischer, Observaciones (1961), 9; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 307–308, Nr. 13; Williams, Bible (1999), 182–185; Fernández Somoza, Biblia (2004). Handschriftenbeginn fol. 1r leer fol. 1v Kreuz fol. 2r Buchstabenlabyrinth mit zwei Einträgen MAURVS ABBATI LIBRVM / VIMARA PRESBITER FECIT fol. 2v leer fol. 3r Sonnendiagramm fol. 3v Tiere und Jäger fol. 4r leer fol. 4v Inc. In nomine Domini incipit prologus beati Iheronimi presbiteri in libro Esaie prophete Handschriftenabschluss fol. 275v drei Buchstabenlabyrinthe, vermutlich ursprünglich nur eines ausgefüllt, Einträge heute nicht mehr lesbar (nach Díaz Jiménez und Beer, Noticias bibliográficas [1988], 8)
Santo Domingo de Silos (Prov. Burgos) Das Kloster, das zunächst das Patrozinium des Hl. Sebastian getragen hat, wurde erstmals 954 in einer Schenkung des Fernán Gonzalez, Graf von Kastilien, und seiner Frau Sancha erwähnt. Ob Fernán Gonzalez tatsächlich Gründer des Klosters war, ist nicht gesichert. Das
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Kloster, dessen Gemeinschaft schon seit dem 10. Jh. nach der Benediktinerregel lebte, erfuhr unter dem aus San Millán de la Cogolla kommenden Dominicus einen Aufschwung. Die Verehrung des 1073 verstorbenen Abtes begründete Santo Domingo als Wallfahrtszentrum. Unter dem Abatiat des Fontunius wurde die Kirche neu gebaut und 1088 geweiht. Im ausgehenden 11. Jh. ist die Gründung einer villa belegt, deren Verfasstheit in einem eigenen fuero gründete. 1097 erhielt das Kloster die Immunität, 1118 wurde ihm päpstlicher Schutz verliehen. Ins 12. Jh. fallen der Neubau von Kirche und Kloster. Das Kloster profitierte von den Schenkungen der Könige von Kastilien und konnte bis in das 13. Jh. seinen Einfluss durch Besitzungen bei Santander, Madrid, Segovia und Sevilla ausdehnen. Das Benediktinerkloster besteht bis heute. Literatur Férotin, Histoire (1897); ders., Recueil des chartes; Vivancos Gómez, Documentación (1988); El Románico (1990); García de Cortázar, Dominio (1990); Silos – un milenio (2003); Palomero und Palomero, San Sebastián (2013); Valdez del Alamo, Place (2012).
I.10 (1) Orelegium, Calendarium (fol. 1–24), (2) Isidorus Hispalensis, Etymologiae (fol. 25–385) (Etymologien aus Silos) Paris, BnF, Ms. N.a.l. 2169 Inhalt s.o. Entstehungszeit (1) vor 1064; (2) fertiggestellt am 24. August 1072 Entstehungsort (1) vielleicht in San Pedro de Berlangas (Valeránica)?; (2) Santo Domingo de Silos Buchmaler/Schreiber (1) Ericonus; (2) verschiedene Hände Kolophon fol. 385 r Explicit d(e)o gratias Benedico celi / quod regem me ad istus libri finem / venire p(er)misia incolomen amen. / Explicitus est liber Ethimologiarum sub era Ma Ca Xa, VIIII k(a)l(enda)s s(ep)t(em)br(i)s lune cursu VIIoa. / Regnante rex Sancio in Castella et in Legio/ne et in Gallecia. D(omi)nico denique abbati monasterii s(an)c(t)i Sebastiani de Silus regenti. Umfang 385 Blätter
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Maße (1) 360 x 250 mm (2) 360 x 260 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen: (1) fol. 2–24 einspaltig; (2) zweispaltig Zeilen: (1) 38; (2) 32 Erhaltungszustand Bindung oben und unten gelöst. Die Blätter sind beschnitten. Starke Benutzungsspuren auf den ersten zwanzig Blättern. Der Einband des 18. Jh. ist im schlechten Zustand. Reste des alten Einbands in Form eines Lederbezugs sind im vorderen Innendeckel sowie an den Schutzblättern vorne und hinten aufgeklebt. Provenienz Die Handschrift wurde 1878 für die Bibliothèque nationale in Paris erworben. Literatur Delisle, Manuscrits (1880); Díaz y Díaz, Problemas (1971); Avril, Manuscrits (1982), 18-20; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 346; Guijarro, Biblioteca (2003), 555-567; Silva y Verástegui, Miniatura (2003), 235-237. Handschriftenbeginn fol. 1v–2r Offizium einer nicht identifizierbaren Heiligen fol. 2v–21r Orelegium fol. 16v Liste der in Silos vorhandenen Handschriften (13. Jh.) Labyrinth und Kreuzdiagramm fol. 17r fol. 21v Buchstabenlabyrinth ERICONI PRESVITERI INDIGNI MEMENTO fol. 22r–24v Calendarium Handschriftenabschluss fol. 385v Nekrolog
I.11 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Silos-Beatus) London, BL, Ms. Add. 11695 Inhalt Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (fol. 8–220) Expositio in Danielem (fol. 220–265) Miscellanea: u.a. eine Urkunde des 12. Jh.; verschiedene Hieronymus, Gregor und Augustinus zuge-
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schriebene Texte; De animabus defunctorum; Beati Macarii Visio; Capitula Monacorum; Canones Sanctorum Patrum (fol. 267–275) Vita des Hl. Ildefons (fol. 278–279) Entstehungszeit (1) fol. 1–4 vor 1091; (2) fol. 5–279 1091 (Texte) und 1109 (bildliche Ausstattung) fertiggestellt Buchmaler Munnius, Petrus Schreiber Munnius, Dominicus Kolophon fol. 6v (des Priors Petrus, 1109) In nomine ingeniti prolisque ac procedentis conexa unius semper / natura deitatis. Incipit liber reuelationis ipsius domini nostri Ihesu Christi / editus et firmatus ab his auctoribus idest Iheronimo, Augustino, / Ambrosio, Fulgentio, Gregorio, Ticonio, Hireneo, Abrinigio e Ysidoro / ob honorem Sancti Sebastiani et comitum eius martirium Christie et sancte Marie semper uirginis / et genetricis domini nostri Ihesu Christi et sancti Martini episcopi et sancti Dominici confessoris / Christie t abbatis digne uero regiminis cura regente (Rasur). Ille qui ante presidem stetit silens mecum / Petro incipiente ad liberandum sit regens. In secundo aduentus / sui gloria uel futura examinationis diem fruar gratia et mercedis / pro labore; tercio demum die e sepulcro Dominus resurgens omnes / patres paradiso restituens incidentem me in peccatis nunc / resurgam et cum patriarchis dexteram tenens regna polo rum / fruar, amen. fol. 265v–266r (Fertigstellung des Danielkommentars am 19. April 1091) Explicit explanatio Danielis prophete, XIII kalendas maias, hora VI, die V feria, sub era Ta Ca XXIIIIa regnante Rex Adefonso in sedis Toleto et Kastella, Legio atque Gallecia, Nagara sive Alva […] in Castella […] Benedictus Dominus qui me adduxit ad portum operi meo. Et benedico celi quoque regem me qui ad istius libri finem venire permisit incolomen, amen. fol. 275v (Fertigstellung der bildlichen Ausstattung der Handschrift am 1. Juli 1109) Explicit feliciter, amen. Deo gratias semper. Im nomine Domini hic Liber Apocalipsis abuit inicium iussu Fortunii abbatis; sed, morte eius interveniente, minima pars ex eo facta fuit. Eodemque modo contigit in tempore Nunnius abbatis. Ad ultimum vero, tempore Iohannis abbatis, domnus Petrus prior, consanguineus Nunni abbatis, complevit et conplendo ab integro illuminabit. Explicitusque est in ipsis kalendis iulii mensis, quando obiit gloriosus Adefonsus, totius Yspanie imperator, era Tma CXLVIIa. fol. 277v (Fertigstellung des Apokalypsekommentars am 18. April 1091) Alme trinitatis divine celitus inspiramine conpulsus ego Dominico presbiter et con/sanguinei mei Munnio presbiter exigui libri huius prescrivere sollerter cepimus opus, / erumnose uite huius peracto hoc gestum siliensis cenobii sub atrio reliquias ferente / santissimi Sebastiani et comitum eius et sancte Marie uirginis et genetricis domini nostri Ihesu Christi et sancti / Martini episcopi et apostolorum Petri et Pauli et sancti
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Andree apostoli et reliquie plurimo rum / sanctorum aliorumet corpus beatissimi Dominici presbiteri et confessoris Christi intra aulam eclesie tumulatum / in quo fiunt innummerabilium uirtutum quo operatur Dominus per fidelem suum, / regente Fortunio abba monaco rum katerba. Perfectus est igitur hic liuer, explanationem / in se mirificam continens apocalipsis Iohannis Christi iubante dextera diemque temporis XIIII kalendas maii, hora UIA, die U feria, sub era TCXXVIIIA regnante rex Adefonso in Toleto / siue Legio adque Gallecia simulque Kastella cum Naggara adque Alaua. / His uero premissisiam superius nominatis humiliter poscimus commendantes presentibus et futu/ris qui in hoc libro fulgidam sacre explanationem apocalipsis auide legeritis in oratio/nibus uestris sacris memorare non desistatis qualiter nobis intercedentibus concedatur nobis / a Domino premium regni celestis gaudiumque perpetue felicitatis amen. / Preterea si culpa rum nostrarum onus nobis inclinauerit ad inferni supplicia huius tamen labo/ris sollertia simul cum pia exortatione uestra prouerant nos feliciter ad celestia regna amen, / ut illic obtinere mereamur una pariter cum omnibus nobis consortium beato rum ubi Christo / rego in dextera Patris sedenti incessauiliter gloria, laus honorque canitur ab innume / rabilium turmis angelorum martiriumque et omnium sanctroum adque cum ipsis uiuere ualeamus / per infinita semper secula seculorum amen. / Fratres karissimi quisquis hunc codicem legerit ex uobis presentibus uel futuris prespicaci mente legat, / aures, occulos, os, cordis quod legerit dicrete intellegat et intellegenda / opera domino Deo indesinenter teneat et effundat preces ut in uitam eternam cum / editoribus et auctoribus uel abtatoribus atque facientibus libri huius uel cum omnibus / sanctis locum inueniat habitationis amen. / Orate pro hos scriptores si regnetis cum domino redemptore amen. fol. 278r (Fertigstellung des Apokalypsekommentars am 18. April 1091) In nomine ingeniti prolisque ac procedentis conexa unius semper / natura deitatis. Explicitus est Liuer reuelationis ipsius domini / nostri Ihesu Christi editus et firmatus ab hios auctoribus idest Iheronimo, / Augustino, Ambrosio, Fulgentio, Gregorio, Ticonio, / Hireneo, Ambringio et Isidoro ob honorem Sancti Sebastiani et comitum / eorum et reliqua que superius retexuimus pagina. / Labor scribentis refectio est legentis. His deficit corpore, ille / proficit mente. Quisquis ergo in hoc proficis opere operarii / lauorantis non dedignemini meminisse ut Dominus inuocatus / inmemor sit iniquitatibus tuis amen, et pro uocem tue orazioni / mercedem recipies in tempore iudicii quando Dominus sanctis suis retribuere / iusserit retributionem. Quia qui nescit scribere labore nullum / extimat esse. Nam si uelis scire singulatim nuntio tibi quam / grabe est scripture pondus: occulis caliginem facit, dorsum in/curbat, costas et uentrem frangit, renibus dolorem inmittit / et omne corpus fastidum nutrit. Ideo tu lector lente folias / uersa. Longe a literis digitos tene quia sicut grando fecunditatem / telluris tollit sic lector inutilis scripturam et librum euertit. / Nam quam suabis est nauigantibus portum extremum ita est scrip/toris nouissimus versus. Explicit. Deo gratias semper. Umfang 279 Blätter Maße 387 x 235 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 35 Zeilen
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Erhaltungszustand Die Handschrift ist sehr gut erhalten. Die Blätter sind beschnitten. Die ersten vier Blätter stammen aus mindestens einer anderen Handschrift (Antiphonar) und sind zu einem späteren Zeitpunkt, wahrscheinlich 1109, dem Codex hinzugefügt worden. Provenienz 1650 befand sich der Codex zunächst im Besitz des Kardinals Antonio de Aragón, sodann seines Bruders Kardinal Pascual de Aragón. Nach dessen Tod 1681 gelangte die Handschrift in das Colegio Viejo de San Bartolomé in Salamanca, wo sie im 18. Jh. von Francisco Ruiz de Vergara beschrieben wurde. Unter Karl IV. wurde der Codex in den Bestand der königlichen Bibliothek integriert. Von hier aus verkaufte ihn Joseph Bonaparte 1840 an das British Museum in London. Faksimile Beato de Liébana: Códice del Monasterio de Santo Domingo de Silos (2003). Literatur Neuss, Apokalypse (1931), 38–41; Schapiro, Stil (1939, 2003); Brou, Antiphonaire (1952); Yarza Luaces, San Miguel (1981); Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 399–400, Nr. 115; Boylan, Manuscript illumination (1990); Cid Priego, Relaciones (1990); Werckmeister, Jugglers (2002), 128– 39; Franco, Illustrations (2003); Silva y Verástegui, Miniatura (2003), 242–250; Vivancos, Silos Beatus (2003), 11–69; Williams, Meyer Schapiro (2003); Franco, Observations (2005); Boylan, Silos Beatus (2005); Werckmeister, Beato musical (2007). Handschriftenbeginn fol. 1r/v Auszug aus dem Offizium des Hl. Romanus fol. 2r Darstellung der Hölle fol. 2v Kreuz fol. 3r leer fol. 3v Kreuz fol. 4r VPR-Monogramm fol. 4v LVX fol. 5r leer fol. 5v Kreuz fol. 6r Buchstabenlabyrinth (nicht ausgefüllt) fol. 6v Kolophon des Petrus fol. 7r Nachträge des 12. Jh. fol. 7v Maiestas Domini Handschriftenabschluss fol. 276r Buchstabenlabyrinth: oben OB ONOREM SANCTI SEBASTIANI, mittig ABBA FORTVNIO LIBRVM, unten MVNNIO PRESBITER TITVLABIT HOC [z.T. Buchstaben gedreht] fol. 276v leer
Handschriften mit gesicherter monastischer Provenienz 239
fol. 277r fol. 277v fol. 278r fol. 278v–279v
Kreuz Kolophon Kolophon UITA UEL GESTA S(AN)C(T)I ILDEFONSI TOLETANI
Kloster Valcavado (Prov. Saldaña) Das Kloster Valcavado, dessen Patrozinium nicht bekannt ist, wurde nördlich von Saldaña am rechten Ufer des Flusses Carrión gegründet. Die Gründung stand möglicherweise in Zusammenhang mit Bestrebungen Ordoños II. (873–924) und Ramiros II., die Gegend für die Könige von León zu restrukturieren. Über die Gründung und die Anfangsjahre des Klosters ist nichts bekannt. Auf die Existenz des Klosters weist erstmals ein illuminierter Apokalypsekommentar hin. Der darin erwähnte Abt Sempronio tritt in einer Urkunde des Klosters Domnos Santos in Sahagún als Zeuge auf. Möglich ist, dass das Kloster durch einen Feldzug des al-Mansūr bi-llāh gegen Saldaña im Jahre 995 ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurde. 1179 ist das Kloster mit seinen Besitzungen dem Kloster San Zoilo de Carrión inkorporiert worden. Das Kloster besteht nicht mehr. Literatur Mínguez Fernández, Colección (1976), 332–333, doc. 270; Rodríguez Fernández, Monasterio (1987); ders., Monasterio (1994); Herrero Jiménez, Aproximación (2000).
I.12 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Valcavado-Beatus) Valladolid, Universidad, Ms. 433 (R. 398) Inhalt Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (fol. 4–191) Auszüge aus den Etymologien des Isidor von Sevilla zu den Graden der Verwandtschaft (fol. 192) Expositio in Danielem (fol. 193–230) Entstehungszeit 8. Juni bis 8. September 970 Buchmaler/Schreiber Obeco Kolophon fol. 2v Hoc opus ut fieret predictus abba sempro/nio instantia egit cui ego obeco indignus / mente obediens deuota dep(i)nxi. / memento rogo.
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fol. 3v IN N(o)MINE D(omi)NI N(o)S(tr)I IH(es)V XPI(sti) / INITIATVS EST LIBER ISTE / APOCALIPSIS IOHANNI VI / IDVS JUNIUS ET FINIBIT EX/ARATUS UI IDUS S(ep)T(e)MBR(i)S, / SUB ERA VIII. D(e)O GRA(tia)S, AM(en) fol. 230v QVISQVIS ANELANTER HIC LECTVRVS ACCESSE/RIS PRO ME INDIGNVM OBECO PRESB(I) T(E)RO / ORARE DIGNES, FORSAN DEVITIS CAREAM / ET A(D) D(OMI)N(U)M REDEMTOREM SINE CONFV/SIONE PER VENIAM, Am(EN). D(E)O GRA(TIA)S Umfang 230 Blätter Maße 350 x 240 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 38 Zeilen Erhaltungszustand Die Handschrift besitzt einen modernen Einband. Provenienz Die Handschrift befand sich im 16. Jh. im Kloster Valcavado. Später kam sie in den Besitz der Jesuiten von Santa Cruz in Valladolid. Der Bestand dieser Bibliothek ging in der Universitätsbibliothek von Valladolid auf. Faksimiles Beato de Valcavado (1993); Beato de la Universidad de Valladolid (2000); Beato de la Universidad de Valladolid (2002). Literatur Rojo Orcajo, Estudios (1930); Neuss, Apokalypse (1931), 16–18; Alonso-Cortés, Universidad (1971); dies., Catálogo (1976), 339–352; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 351–352, Nr. 54; Williams, Beatus (1994), Bd. 2, 38–42. Handschriftenbeginn fol. 1r leer fol. 1v Kreuz fol. 2r Buchstabenlabyrinth SEMPRONIVS ABBA LIBRVM fol. 2v Kolophon fol. 3r Abschrift einer Urkunde Urracas, Königin von Kastilien-León aus dem Jahre 1117/1118 über den Verbleib eines Silberkreuzes im Kloster
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fol. 3v Kolophon und Eintrag d. 16. Jh. fol. 4r Beginn des Matthäusevangeliums von späterer Hand; Eintrag d. 16. Jh. Handschriftenabschluss fol. 230v Expl. explanatio danielis prophete und Kolophon
Valeránica oder San Pedro de Berlangas (Prov. Burgos) Das Kloster San Pedro de Berlangas, in den Quellen auch Valeránica genannt, ist urkundlich erstmals 937 greifbar. Sehr wahrscheinlich wurde es gegründet, nachdem Fernán Gonzalez, Graf von Kastilien, 912 die Gebiete bis zum Fluss Duero eingenommen hatte und diese besiedeln ließ. Das Kloster war am Fluss Arlanza gegenüber der heutigen Ortschaft Tordómar – der Name verweist auf den defensiven Charakter der Gegend – in der heutigen Provinz Burgos gelegen. Es wird vermutet, dass die Mönche aus Al-Andalus kamen. In der Frühzeit profitierte das Kloster von den Zuwendungen der kastilischen Herzogsfamilie: Nachgewiesen sind Schenkungen durch Fernán Gonzalez und seine Frau an das Kloster vor der Mitte des 10. Jh. Die erhaltenen Handschriften verweisen auf eine Blüte des Skriptoriums zwischen 943 und 960. 1068 fielen die Besitztümer des Klosters zunächst an das Bistum von Oca, 1088 an das Bistum Burgos. Weil ansonsten keine Dokumentation zum Kloster im 11. Jh. überliefert ist und ferner auch keine Handschriften mehr produziert wurden, wird vermutet, dass San Pedro de Berlangas einem der muslimischen Raubzüge zum Opfer fiel. Literatur Cartulario de San Pedro de Arlanza, 43–47; Williams, Contribution (1970); Linage Conde, Orígenes (1973), Bd. 2, 621–624; Osaba y Ruiz de Erenchun, Estela mozárabe (1975); Pérez de Urbel, Florencio (1975); ders., Monastero (1975); Shailor, Scriptorium (1975); Díaz y Díaz, Escritorio (1999); García Molinos, Florencio (2004), 264–274.
I.13 Gregorius Magnus, Moralia in Iob (Moralia in Iob aus Valeránica) Madrid, BNE, Ms. 80 (Vitr. 2,1; olim Tol. 11,3) Inhalt Gregorius Magnus, Moralia (fol. 4–499) Entstehungszeit fertiggestellt am 11. April 945 Entstehungsort San Pedro de Berlangas/Valeránica
242 Katalog der Handschriften
Buchmaler/Schreiber Florentius (zweite Schreiberhand fol. 16v–94v) Kolophon fol. 499r EXPLICIT LIBER MORALIUM GREGORII ROMENSIS PAPE / ERA DCCCCLXXXIIIa id(u)s ap(ri) l(i)s VI f(eri)a pasce hora prima. Deo gratias. Regnante rex Ranemiro et comite Fre/denando necnon et Basilio episcopo./ Benedico celi quoque regem me qui ad istius libri / finem uenire p(er)mista incolomem. AM(EN) fol. 500v Suffragante tonanti inquam alti clementia / perfectum est hoc opus III id(u)s ap(ri)l(i)s currente era centena / nobies bis dena et quater decies terna. ob honorem sci licet sanctorum / Petri et Pauli maximi ap(o)sto(lo) r(um) et martirum domum dicatum locum / situm uel uocitatum Baleria. Hic nempe liber ego Florentius / exaraui imperante mihi uel uniuers(a c)ongeries sacra monasterii / Silbani uidelicet abbati. quum iam mee etatule annorum spatia / peregissem bis deni bini aut circiter quini et bis deni. / Hic nempe explosis copiosissime uobis precor et affatim rogo qui in hoc / codice legeritis ut frequens uestra pro me Florentio misero ad d(omi)n(u)m diriga/tur oratio. ita ut in hac uita placere mereamini domino Ih(es)u Xpo. amen. / Et ita in hoc labili exemti euo fore queamini annuente arbe polique conditor / ab interno exernoque neuo qualiter ex hac sursum adsciti deflenda pere/grinatio iucundemur almorum adglomerati beatorum coro longo felicique / euo obantes iugiter in polo innecti capiti nostro traente Christo. a(me)n / Hoc opus hoc etenim forsan me subtraet ab igne ut merear adipisci / regna beata poli. a(me)n. Quod ipse prestare dignetur. / Labor scribentis refectio est legentis hic deficit corpore ille proficit / mente quisquis ergo in hoc proficis opere operarii laborantis non dedi/gnemini meminisse ut d(omi)n(u)s inuocatus inmemor sit inquitatibus tuis. a(me)n / Et pro uocem tuae operationis mercedem recipies in tempore iudicii quoando / dominus sanctis suis retribuere iusserit retributionem quia qui nescit scribere / laborem nullum extimat esse nam si uelis scire singulatim nuntio / tibi quam grabe est sribturae pondus. oculis caliginem facit. dorsum / incurbat. costas ut uentrem frangit. Renibus dolorem inmittit / et omne corpus fastidium nutrit. Ideo tu lector lente folias / uersa. Longe a litteris digitos tene. Quia sicut grando fecunditatem / telluris tollit sic lector inutilis scribturam et librum euerit. / Nam quam suauis est nauigantibus portum extremum ita et scribtori / nobissim(u)s uersus. explicit. Deo gratias semper. Umfang 502 Blätter Maße 475/485 x 330/340 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 43 Zeilen Erhaltungszustand Die Blätter sind beschnitten. Schäden auf den ersten und letzten Blättern sind auf Oxidation zurückzuführen, wohl als Konsequenz eines vorangegangenen Einbands mit Eisenbeschlägen. Letztmalig wurde die Handschrift in den 1970er Jahren restauriert. Der Einband datiert in das 16. Jh. Aus dieser
Handschriften mit gesicherter monastischer Provenienz 243
Zeit stammen die nun als Schmutzblätter verwendeten Seiten aus einem spätmittelalterlichen Chorbuch. Provenienz Anfang des 12. Jh. hatte sich die Handschrift in Kastilien befunden. Darauf weist eine Notiz im Innendeckel vom Ende des 11./Anfang des 12. Jh. hin. Seit dem 16. Jh. tauchte die Handschrift in den Katalogen der Biblioteca Capitular in Toledo auf, von wo aus sie schließlich in den Besitz der Biblioteca Nacional de España kam. Literatur Millares Carlo, Estudios (1918), 25–65; La Torre und Longás, Catálogo (1935), Bd. 1, 187–193, Nr. 51; Inventario General, Bd. 1 (1953), 84; Williams, Contribution (1970); Williams, Moralia (1972-1974); Shailor, Scriptorium (1975), 18–39; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 323–324; Reinhardt und Gonzálvez, Catálogo (1990), 408–409; García Molinos, Florencio (2004), 264–274, 300–359. Handschriftenbeginn fol. 1v Alpha Maiestas Domini fol. 2r Christusmonogramm fol. 2v Buchstabenlabyrinth FLORENTIVM INDIGNVM MEMORARE fol. 3r fol. 3v Pfau fol. 4r leer Handschriftenabschluss Kolophon fol. 500v fol. 501r Omega fol. 501v–502v leer
I.14 Smaragdus von Saint-Mihiel, Collectiones in Epistolas et Evangelia (Codex Smaragdus) Córdoba, Biblioteca Capitular, Cod. 1 Inhalt Smaragdus von Saint-Mihiel, Collectiones in epistolas et in evangelia/Liber Comitis (fol. 4–456) Entstehungszeit zwischen 953–960 Buchmaler Florentius
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Schreiber Florentius, unbekannter Schreiber Kolophon fol. 2r In nomine Domini nostri Ihesu / Christi. Incipit liber collectarum / siue homeliarum in honorem / scilicet omnium sanctorum / et omnium apstolorum / a beato Zmaracdo editus. / Obsecro atque adclines exposco / qui hec legitis uel lecture acces/seritis mi Florentii scribtoris / memorare dignetis / forsitan deuitis caream et ad / hominum redentorem sine / reatu peruieniam. / Amen. / Eligat unusquisque quod uult / et studiosum me magis quam / maliuolum probet. / O fratres karissimi, peregrino Florentio / memento. Amen et alleluia. Umfang 456 Blätter Maße 440 x 320 mm Seiteneinrichtung dreispaltig, 39 Zeilen Erhaltungszustand Blätter beschnitten. Die letzte Lage fehlt. Letztes Blatt beschädigt. Einband aus dem 15. oder 16. Jh. Literatur Clark, Collectanea (1920), 232–234; Bordona, Manuscritos (1933), Bd. 1, 110–112, Nr. 215; Díaz y Díaz, Index (1958–1959), Bd. 2, 146; García y García, Catálogo (1976), 3–4; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 303; García Molinos, Florencio (2004), 360–392. Handschriftenbeginn fol. 2r In nomine domini nostri Ihesu Christi incipit liber collectarum […] (Kolophon des Florentius) fol. 3r Florentius, Alme trinitatis (erster Prolog) fol. 3v Florentius, In nomine ingeniti prolisque (zweiter Prolog) fol. 4r Florentius, Hic nempe liber (dritter Prolog)
I.15 Bibel (Bibel aus Valeránica) León, Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 2 Inhalt Vollbibel (fol. 3–513) Prologe zu den Propheten und zum Psalter (fol. 514, 515)
Handschriften mit gesicherter monastischer Provenienz 245
Entstehungszeit 960 Buchmaler/Schreiber Sanctius, Florentius Kolophon fol. 513v Conscriptus est hic codex a notario Sanctioni presbytero XIII Kal. Julias era DCCCCLXLVIIa obtinente glorioso ac serenissimo principe ordonio oveto sublimis apicem regni. consulque eius fredenando gundesalviz egregius comes in castella comitatui gerenti. obsecro te quisquis es lector ut dum horum proelia agonistarum huius recensendo voluminis hucusque adtigeris portum mis quoque sancti miserrimi apud hos eosdem supplex sis intercessor et ipse sancte manipulos retributionis tui a domino consequaris laboris quia qui pro quemlibet orat seipsum deo commendat. Item. scribentis xps vos nempe orantes coronam inplodat, legentibusque bon sermonis dulcedine farsciat simulque scribenti ac legenti eterne vite ditet remunerando sue extremi die aminiculo suo iubante sine culpa exibeat simulque sanctis coniungat. Amen, et peregrini f. kmi. memento. fol. 514r Florentius c(on)f(essor) / k(arissi)mo / miciq(ue) dilecto / discipulo atque gau/dio retaxando sanctioni pr(es) b(ite)ro benedicamus celi / quoq(ue) regem nos qui ad istius / libri finem venire p(er)misit / incolomes amen / Et iterum / dico magister / benedicam(u)s d(omi)n(u)m n(o)s(tru)m / Ih(es)um Xptum in secula seculor(um) / que nos perducat / ad regna celor(um) amen. Umfang 515 Blätter Maße 475 x 345 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 53 Zeilen Erhaltungszustand Blätter sind beschnitten. Die Handschrift wurde mehrfach gebunden und besitzt einen neuen Einband. Provenienz Zu einem unbekannten Zeitpunkt befand sich die Handschrift in dem Kloster Santos Cosme y Damián in der Nähe von León. 1888 gelangte sie in den Besitz der Kathedrale von León, von dort nach San Isidoro. Faksimile Codex biblicus (1997).
246 Katalog der Handschriften
Literatur Pérez Llamazares, Catálogo (1923), 4–18; García Villada (1926), 15; Galindo, Biblia (1960); Fischer, Observaciones (1961); Ayuso Marazuela, Biblia (1965); Werckmeister, Formen (1965); Williams, Modal (1967); Shailor, Scriptorium (1975), 56–73; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 311; Codex biblicus legionensis (1999); Williams, Bible (1999), 185–218. Handschriftenbeginn fol. 2r Maiestas Domini leer fol. 2v Titelzierseiten IN NOMINE / DOMINI / NOSTRI / IHV XPI INCIPIT LIBER / BIBfol. 3r–4r LIOTECA / IN QUO CON/TINENTUR / LIBRI SEP/TUAGINTA / DUO / EX VETERI / ET NOVO TES/TAMENTO QUORUM / HEC NOTITIA / EST fol. 4v Liste der biblischen Bücher fol. 5r–10r genealogische Tafeln leer fol. 10v fol. 11r Text über die Erscheinung des Hl. Michael fol. 11v/12r Textzierseite HEC TUBA TERRIBILIS MUGIT PER COMPLETA MUNDI MITTIT TERRIGENU(M) AD CELICA REGNA GEN(S) HIC PARADISO GENO VENIENS DIRGUGITE POTUS QUEM QUO PLUS QUIS ADIT PLUS SITIT OMNE BONUM QUIS QUIS ANELANTER PRO ME SANTIO PR(ES)B(ITE)RO ORARE DIGNES FORSAN DIVITIS CAREAM ET AD OMNIUM REDEMTOREM SINE CONFUSIONE PERVENIAM. AMEN. fol. 12v/13r Lectio inventio ecclesiae fol. 13v Inc. prologus Iheronimi ad Desiderium Handschriftenabschluss Omega fol. 514r fol. 514v–515r Prologe zu den Propheten und zum Psalter
II. Handschriften unklarer Herkunft II.1 Isidorus Hispalensis, Etymologiae Escorial, P.I.8 Entstehungszeit 9. Jh. Schreiber Johannes? Kolophon fol. 263v
Handschriften unklarer Herkunft 247
Iohannes gratie d(ei) […]lonensis episcopus hunc librum in honorem sce. Marie fieri iussit, et qui eum de monasterio expellere uoluerit aut illum donauerit uterque anathema sit et cum fures habeant partem. amen. Umfang 269 Blätter Maße 350 x 265 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen Erhaltungszustand Die Handschrift besitzt einen modernen Einband der Bibliothek des Escorial. Provenienz Das Manuskript wurde im Auftrag eines Bischofs zu Ehren eines Klosters mit Marienpatrozinium angefertigt. Später gelangte die Handschrift in die Bibliothek des Conde-duque de Olivares (1587– 1648), dann in die Bibliothek des Escorial. Literatur Antolín, Catálogo (1910–1923), Bd. 3, 260–261. Handschriftenbeginn fol. 1v–4v Widmungsschreiben Isidors an Bischof Braulio, der Anfang ist fragmentarisch: […] (integri)tate fidei et statu eclesie sue longo tempore precipiat conseruare Index librorum, Inc. Libri Isidori Junioris spalensis ep(iscop)i ad Braulionem fol. 5r D(omi)no Filio Sisebuto Isidorus en tibi sicut pollicitus sum fol. 6r fol. 6v Kreuz; Capitula subsequentis libri
II.2 Vitae Patrum Madrid, BNE, Ms. 10007 (Vitr. 5-2) Entstehungszeit 902 Buchmaler/Schreiber Armentarius Kolophon fol. 263
248 Katalog der Handschriften
Explicit liber in Era DCCCCXL regnante Domino Adefonsum Princeps. Armentarius indignus et grave onus. Peccatorum depressus scripsit. Hora pro me, sic inveniad requiem anime tue. Amen Umfang 263 Blätter Maße 330 x 240 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 27 Zeilen Erhaltungszustand Die Handschrift ist am Anfang unvollständig. Die ersten Seiten sind, vermutlich durch Wasser, beschädigt, Textteile fehlen. Provenienz Die Handschrift stammt aus der Kathedrale von Toledo. Literatur Bordona, Manuscritos (1933), Bd. 1, 289–290; Díaz y Díaz, Compilación (1951); Millares Carlo, Manuscritos (1963), Nr. 77; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 117–148; Inventario General, Bd. 14 (2000), 287–288. Handschriftenabschluss fol. 263v Buchstabenlabyrinth TrasamVndi Ab(BA)ti
II.3 Antiphonar (Antiphonar in León) León, Archivo Catedralicio, Ms. 8 Inhalt Computistische Tabelle (fol. 2) Prologe zum Antiphonar (fol. 2–3) Traktat zu den Festtagen im westgotischen Kalender (fol. 3) Offizium des Hl. Jakobus (Fragment; fol. 5) Kalender nach dem westgotischen Ritus (fol. 6–9) Computus (fol. 9–27) Antiphonar (fol. 29–306) Entstehungszeit Mitte 10. Jh., spätere Ergänzungen 1067–1070
Handschriften unklarer Herkunft 249
Buchmaler Totmundo Schreiber Totmundo, spätere Ergänzungen durch Arias Kolophon fol. 1v Totmundo O MERITUM MAGNUM QUIDEM DONUM SUMSISTI, ABB(at)E TOTMVNDE / ET HIC HAVITAS CUM OMNIBUS BONIS ET IN FUTURO LETERIS CUM ANGELIS / AGVSTIOR PROMICANS MENTE IKILANI ABBA TUE / IAM NUNC VOTUM UT CEPERAS TUUM CERNE PERFECTUM UTILITER LIBRUM DEAURATUM CONSPICE PINCTUM / SIC MEREAR PRECIBUSUE TUIS ESSE SUFFULTUM / ME SCRIPTORI IN MENTE ABETE, QUI HOC PATI PRO UESTRO NOMINE. fol. 26v Arias MODO VERO COLLIGITUR OMNE TEMPUS AB EXORDIO MUNDI USQUE AD PRESENTAM ERA I.A CVIII ET FIUNT SUB UNO ANNOS V. I. CCLXVIII ET AB INCARNATIONE CHRISTI USQUE NUNC IN ERA I. CVII SUNT ANNI MILLE LXVII SECUNDUM EGO ARIAS EXPOSUI. / QUANDO HOC SCRIPTUM EST SIC FUERUNT ANNI INCARNATIO DOMINI MLXXVII IN ERA MCVII. Umfang 306 Blätter Maße 240 x 330 mm Seiteneinrichtung einspaltig, 17 Zeilen (Antiphonar) unterschiedliche Anzahl von Spalten und Zeilen (Prologe) Erhaltungszustand Das Antiphonar ist nicht vollständig: am Ende fehlen Blätter. Provenienz Totmundo schrieb das Manuskript für Abt Ikila, der im zweiten Viertel des 10. Jh. als Abt und Besitzer des Klosters San Cipriano de Porma in der Nähe von León belegt ist. Das Kloster besteht nicht mehr. Mitte des 11. Jh. befand sich die Handschrift in León, worauf die Monogramme der kastilisch-leonesischen Königsfamilie hindeuten. Faksimile Liber Antiphonarium (2011).
250 Katalog der Handschriften
Literatur Beer und Díaz Jiménez, Noticias bibliográficas (1888), 9–11; García Villada, Catálogo (1919), 38–40; ders., Vida (1926), 12; Vives und Fábrega, Calendarios (1950), 145–161; Brou, Joyau (1954); Cordoliani, Textes (1954); Díaz y Díaz, Prólogos (1954); Pérez de Urbel, Antifonario (1954); Brou und Vives, Antifonario (1959); Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 308–309, Nr. 14; Gómez Pallarès, Textos (1988–1989). Handschriftenbeginn Monogramm Ferdinands I. (1018–1065), König von Kastilien-León; Oficium de Letania fol. 1r Dedikation und Widmungsbild fol. 1v fol. 2r computistische Tabelle: Inc. Cyclus XXXV annorum INCIPIT PROLOGUS IN LIBRO ANTIPHONARIUM. […] It(em) alius prologus eiusfol. 2v dem. […] Incipit prefatio libri antiphonarii sub metro eroicum […] fol. 3r It(em) admonitio cantoris sub metro eroico elegiacum dictatam qualiter / letiferam pestem uane glorie refugiat […] fol. 3v Traktat über die Festtage im westgotischen Kalender: Adnuntiationes festiuitatum Federproben; Kolophon des Arias fol. 4r fol. 4v Alpha; Monogramme Sanchas († 1067), Königin von León, ihrer Söhne García († 1090), König von Galizien, und Alfons (1030–1109), späterer Alfonso VI. von Kastilien und León, sowie Handzeichen einiger Hofkaplane; weitere Einträge (kaum leserlich) oben links: In era millesima C[entesima]…/ IIII [quarta] f(eria) VIII [octavo] id(us) n(ovem) br(i)s [….]/ III [tertio] id(us) i(a)n(ua)rii / era millesima c[entesima] Ia [prima], oben rechts Eintrag von 1062: Et Pelagius diaconus cf. et pn […] / V[quinta] f[eria] VII [septimo] [die ante] id(us) n(ovem)b(ris) era millesima C[entesima], Mitte rechts von 1063: Et Recisvindus c(o)nf(i)r(mans) die III [tertia] f[eria] III[tertio] [die ante] id(us) f(e)br(uar)ii era millesima C[entesima] I[prima]. Offizium des Hl. Jakobus (Fragment): S(ac)r(um) in die(m) S(an)c(t)i Iacobi ap(ostoli) fol. 5r VIII K(alendas) a(u)g(usti) fol. 5v Kreuz Exlibris LIBRVM IKILANI fol. 6r fol. 6v–9r Kalender nach dem westgotischen Ritus fol. 9–27 Computus (fol. 20–27 von Arias zwischen 1067 und 1070 ergänzt) fol. 28r leer fol. 28v IN NOMINE DOMINI / NOSTRI IHESV XPI / INCIPIT LIBER ANTI / PHONARIVM
II.4 Gregorius Magnus, Moralia in Iob (Moralia in Iob in Toledo) Toledo, Biblioteca Capitular, Ms. 11-4 (31-6) Inhalt Epistola ad Leandrum (fol. 2–4) Praefatio (fol. 4–7) Gregorius Magnus, Moralia (unvollst.) (fol. 7–406)
Handschriften unklarer Herkunft 251
Entstehungszeit 10. Jh. Entstehungsort Königreich León Buchmaler/Schreiber unbekannt Umfang 408 Blätter Maße 450 x 310 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 51 Zeilen Erhaltungszustand Besonders die ersten 120 Blätter sind durch Wasser beschädigt, sodass die Seiten nicht mehr lesbar sind. Die letzte Lage ist nicht mehr vollständig. Der Einband stammt aus dem 16. Jh. Provenienz Die Handschrift gehörte möglicherweise Dulcidio, der in der Regierungszeit Ordoños II. und Ramiros II. Bischof von Salamanca war. Zu einem unbekannten Zeitpunkt ging der Codex in den Besitz der Biblioteca Capitular von Toledo über. Literatur Millares Carlo, Contribución (1931), 181–199; Andrés Martín, Obras (1958), 94; Koningsveld, Glossary (1977), 48; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 333; Reinhardt and Gonzálvez, Catálogo (1990), 283–285, Nr. 151; Carrión Gútiez und Escolar Scobrino, Historia (1996), 60–61; Fernández Collado, Rodríguez González und Castañeda Tordera, Manuscritos (2012), 169, Kat. 158. Handschriftenbeginn fol. 1r leer fol. 1v Kreuz fol. 2r Buchstabenlabyrinth DULCIDII AEPISCOPI LIBRU(M) fol. 2v IN N(OMI)NE D(OMI)N(I) N(O)S(TR)I I(ES)HV CHRISTI / INCIPIT EP(I)ST(O)LA PAPE / GREGORII AD LEAND(E)R EP(ISCOPU)M
252 Katalog der Handschriften
II.5 Gregorius Magnus, Moralia in Iob (Moralia in Iob in León) León, Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 1 Inhalt Gregorius Magnus, Moralia (fol. 3–342) Entstehungszeit 951 Entstehungsort zwischen León und Palencia? Schreiber Balthasarius/Baltarius Kolophon fol. 263r †Sauarici abbati liber sym †Baltarius memoria scripsit fol. 342v Balthasarius scripsit sub ara d(o)m(in)i Vincenti leuite et martiris xpi sibe sub regimine domini Sabarici abba et socii eius. Era dcccc LXXXVIIIIa Umfang 342 Blätter Maße 450 x 350 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 52 Zeilen Erhaltungszustand Stark beansprucht. Besonders auf den ersten Blättern. Blätter eingerissen und Schäden durch Parasitenbefall. Älterer Einband unklarer Datierung. Mit hellem Leder bezogene Holzdeckel mit Befestigungsschellen aus Leder und Bronze. Literatur Pérez Llamazares, Catálogo (1923), 3–4; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 310–311, Nr. 16. Handschriftenbeginn fol. 1v Buchstabenlabyrinth (nicht ausgefüllt), darüber auf dem Kopf: AVSTrVLFIMEMoRia
Handschriften unklarer Herkunft 253
fol. 3r Inc. DNI NSI IHV / XPI INCIPIT / EPISTOLA / PAPE / GREGORI / ADLEANDI / AEPISCOPI
II.6 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Girona-Beatus) Girona, Archivo Capitular, Ms. 7 (Ms. 41) Inhalt Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (fol. 20–236) Expositio in Danielem (fol. 237–283) Entstehungszeit 975 Entstehungsort vielleicht San Salvador de Tábara Buchmaler En(de?), Emeterius Schreiber Senior, Emeterius Kolophon fol. 283v Senior scripsit. Frater Emeterius et presbiter. fol. 284r D(OMI)NICVS ABBA LIBER FIERI PRECEPIT / EN DEPINTRINX [oder: Ende pintrinx] ET D(E)I AIUTRIX FR(A)T(E)R EMETERIVS ET PR(E)S(BITE)R / INUENI PORTUM VOLUMINE VIa F IIa N(O)N(A)S IULIAS IN IS DIEBUS ERAT FREDENANDO FLAGINIZ A UILLAS / TOLETA CIUITAS AD DEUELLANDO MAURITANIE DISCURRENTE ERA M(I)LLESIMA XIIIa Umfang 284 Blätter Maße 405 x 264 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 38 Zeilen
254 Katalog der Handschriften
Erhaltungszustand Blätter sind beschnitten, erkennbar vor allem oben und an den Seiten. Der Codex wurde zweimal restauriert und dabei jedes Mal um schützende Einzelblätter zu Lasten von Originalblättern ergänzt. Bei der letzten Restaurierung 1975 im Zisterzienserkloster S. Maria de Cadins de Salt bei Girona wurden Schutzblätter des 16. Jh. ersetzt. Über den originalen Einband ist nichts bekannt. Ein Wechsel des Einbands ist erstmals 1512 nachgewiesen. Die Handschrift besitzt heute einen Einband von 2002. Provenienz Die Handschrift gehörte im 11. Jh. dem Vorsänger Juan, der sie testamentarisch am 6. Oktober 1078 der Kathedrale von Girona hinterließ. Faksimiles Sancti Beati a Liebana in Apocalypsin (1962); Beati in Apocalipsin (1975); Beato de Liébana: Códice de Girona (2003, 2004). Literatur Neuss, Apokalypse (1931), 21–25; Werckmeister, Formen (1965); Yarza Luaces, Iconografía (1974); Guilmain, Initials (1981); Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 306–307, Nr. 12; Williams, Beatus (1994), Bd. 2, 51–64; Steinhauser, Generic saints (1995); Werckmeister, Islamic rider (1997); Boto Varela, Marginalia (2007); Sponsler, Boundaries (2009). Handschriftenbeginn leer fol. 1r Kreuz fol. 1v fol. 2r Maiestas Domini leer fol. 2v fol. 3r leer fol. 3v/4r Himmel fol. 4v–7r Bildnisse der Evangelisten und Zeugen fol. 7v/8r leer fol. 8v–14v genealogische Tafeln fol. 15r Verkündigung, Geburt Jesu fol. 15v Anbetung der Hl. Drei Könige, Flucht nach Ägypten und Verfolgung durch Herodes, Herodes Krankheit fol. 16r Jesus vor Kaiphas, Leugnung Petri fol. 16v Kreuzigung fol. 17r Frauen am Grabe, Tod Judas, das leere Grab fol. 17v Christus in der Vorhölle fol. 18r Auserwählte erfreuen sich an der Glorie Gottes fol. 18v Vogel und Schlange fol. 19r Alpha fol. 19v Legende zum Vogel-Schlangen-Kampf fol. 20r leer
Handschriften unklarer Herkunft 255
Handschriftenabschluss fol. 384r Omega und Kolophon
II.7 Vitae Sanctorum (1) Vita Fructuosi, fol. 4–86; (2) Fragment eines Passionars, fol. 87–93, 102–112; (3) Passionar der Märtyrer von Zaragoza, Messe d. Hl. Thomas, fol. 94–101 Madrid, BNE, Ms. 494 (A. 76) Inhalt s.o. Entstehungszeit (1) und (2): 10. Jh.; (3) Ende 11. Jahrhundert Umfang 112 Blätter Maße 340 x 245–250 mm (fol. 1: 260 x 170 mm; fol. 2: 280 x 190 mm; fol. 3: 335 x 245 mm) Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 30–40 Zeilen (24 Zeilen, fol. 1) Erhaltungszustand Die ersten drei Blätter stellen Einzelblätter dar. Der Einband stammt aus dem 19. Jh. Literatur Inventario General, Bd. 1 (1953), 339–344; Serrano und Janini, Manuscritos (1969), 19–23; Millares Carlo, Manuscritos (1963), 38–39; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 415–421, Nr. 141–146. Handschriftenbeginn fol. 1r Buchstabenlabyrinth IVLIANI ABBATI LIBRVM fol. 1v Lectiones evangelicae fol. 2r Buchstabenlabyrinth SCE MARIE VIRGINIS fol. 2v Liber regularum fol. 3r Buchstabenlabyrinth BELASCONIS AEPISCOPI LIBRVM fol. 3v Venantius Fortunatus De ligno domini Handschriftenabschluss fol. 112r–112v Passio sancti ac beatissimi Marcelli martiris Christi [unvollständig]
256 Katalog der Handschriften
II.8 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (San Millán-Beatus) Madrid, RAH, Ms. 33 (F 199 und 39) Inhalt Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (fol. 2–230) Auszüge aus Isidorus Hispalensis, Etymologiae (fol. 230–233) Expositio in Danielem (fol. 233–282) Entstehungszeit letztes Viertel 10. Jh./1. Hälfte 12. Jh. Entstehungsort möglicherweise San Millán de Cogolla Kolophon fol. 58r Tempore benedicti abbatis VIIII Sancti Emyliani fideliter scriptum per Albinum monacum eiusdem in era DCCVII (zeitliche Vorverlegung der Entstehung) Umfang 282 Blätter Maße 355/350 x 250 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 33/35 Zeilen Erhaltungszustand Die letzten Blätter sind verloren gegangen. Die Handschrift wurde 1974 restauriert und in diesem Zusammenhang wieder neu gebunden. Der Codex besitzt einen Einband von 1962. Der originale Einband aus Holzdeckeln mit Spuren einer zentralen Schließe ist erhalten. Auf dem originalen Holzdeckel ist die Zeichnung des Gekreuzigten (Ende 11. Jh.) aufgebracht. Faksimile Beato de San Millán (2003, 2005). Literatur Ramsay, Manuscripts (1902), 74–103; Neuss, Apokalypse (1931), 29–30; Silva y Verástegui, Iconografía (1984), 64–68, 113–116; Díaz y Díaz, Libros (1991), 209–210; Ruiz García, Catálogo (1997), 231–238; Williams, Beatus (1998), Bd. 3, 21–28; Silva y Verástegui, Miniatura (1999), 64–114; Beny und Barbáchano, Encuadernación (2004), 73–74.
Handschriften unklarer Herkunft 257
Handschriftenbeginn fol. 1r Titelseite: IN N(OMIN)E D(OMI)N(I) N(O)S(TR)I / IH(ES)V XR(IST)I INCIPIT / LIBER QVI VO/CATVR APOCALIPSIN / IOHANNIS AP(O)S(TO)LI fol. 1v Kreuz
II.9 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Fanlo-Beatus) New York, PML, Ms. M. 1079, fol. 6-12 Inhalt Kopie der ersten sieben Seiten eines illuminierten Apokalypsekommentars in einer Miszellenhandschrift, deren Texte zwischen 1479 und 1618 datieren. Die Handschrift wurde von Juan Francisco Andrés de Uztarroz (1606–1653) zusammengestellt. Die Zeichnungen nach dem verloren gegangenen Beatus-Manuskript wurden von Vincencio Juan de Lastranosa angefertigt. Entstehungszeit Original Mitte 11. Jh.? Entstehungsort vielleicht San Millán de la Cogolla Schreiber Sancius Kolophon fol. 11v ET QUOD IN HOC LIBELLO EXARAVI CATHOLICE ECLESIE DEUS IUBEAT CUSTODIRI ET DEUM LAUDARI UT QUI HUNC LIBERE LEGERITIS DEUM ORARE NON PIGEATIS UT ME CHRISTO COPULETIS. EGO QUIDEM SANTIUS HUMILLIMUS ET OMNIUM SERBORUM DOMINI ULTIMUS ROGO INVICTAM VICTORIAM ET POST MEREATUR INGREDI PARADISI GAUDIA. AMEN. TRIBUAT ET DEUS PER INTERCESSU SANCTORUM OBTINERE SUPER INIMICOS IDEM, ET FILIUS EIUS. REX RANIMIRUS PRINCEPS ARAGONENSIS ETERNA UBI MULTA ET INEFFABILIA PERMANET LETITIA. AMEN. UT DELEAT ET DEUS UNIVERSA PECCATA ET POSTEA PERDUCAT AT GAUDIA SEMPIETERNA. Maße 315 x 220 mm Provenienz In der Kopie des Buchstabenlabyrinths ist der Abt Pantio als Besitzer des Manuskriptes genannt. Pantio ist wohl identisch mit Banzo, der Abt (1035–1070) des Klosters San Andrés de Fanlo (Huesca) gewesen war. In einem Inventar dieses Klosters aus dem 12. Jh. ist ein Apokalypsekommentar aufgeführt. In dem durch die Zeichnung überlieferten Kolophon wird Ramiro von Aragón, sicherlich
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Ramiro I. (1035–1063), genannt. Nach einer weiteren Notiz (fol. 10r) war die Beatus-Handschrift später im Besitz des Klosters Montearagón. Faksimile Beato del abad Banzo (2005). Literatur Williams, Beatus (1998), Bd. 3, 41–43; Cabanes Pecourt, Beato de Fanlo (2005); Morte García, Lastanosa (2005). Durch die Miszellenhandschrift des 17. Jh. überlieferte Inhalte der Handschrift des 11. Jh.: fol. 6v/7r Tafeln zum Antichrist fol. 10v Kreuz fol. 11r Buchstabenlabyrinth PANTIO ABBA LIBRVM fol. 11v Kolophon fol. 12r Buchstabenlabyrinth SANCIVS PRESBITER / NOTARIUVS MEMENTOTE
III. Handschriften im Besitz Alfons III., König von Asturien III.1 Isidorus Hispalensis, Sententiarum Escorial, T.II.25 (Q.II.25) Inhalt Isidorus Hispalensis, Sententiarum (fol. 3–128) Entstehungszeit letztes Viertel 9. Jh. Umfang 128 Blätter Maße 285 x 200 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen Erhaltungszustand Die Handschrift ist nicht vollständig. Sie besitzt einen modernen Einband der Bibliothek des Escorial. Provenienz Einem Besitzeintrag auf dem ersten Blatt folgend, war das Manuskript zu einem unbekannten Zeit-
Handschriften im Besitz Alfons III., König von Asturien 259
punkt im Besitz der Kathedrale San Salvador von Oviedo. Später befand sich die Handschrift in der Bibliothek des Conde-duque de Olivares (1587–1648) und gelangte danach in die Bibliothek des Escorial. Literatur Antolín, Catálogo (1910–1923), Bd. 5, 510–511; Millares Carlo, Manuscritos (1963), Nr. 48; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 223–224, 305–306. Handschriftenbeginn fol. 1v Buchstabenlabyrinth Adefonsi Principis librVm fol. 2r Kreuz; In nomine domine incipit CapitVla de libro sententiarum
III.2 Isidorus Hispalensis, Etymologiae (Etymologien Alfons III.) Escorial, Cod. P.I.7 Inhalt Isidorus Hispalensis, Etymologiae (fol. 4–322) Auszug aus Virgilius Aeneis, Lib. I, 607–609, sowie aus Isidors Etymologien, Liber XVI, cap. 7 (fol. 322) Entstehungszeit kurz vor 900 Entstehungsort wahrscheinlich Oviedo Buchmaler/Schreiber unbekannt Umfang 322 Blätter Maße 450 x 260 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen Erhaltungszustand Die nicht vollständige Handschrift besitzt einen modernen Einband der Bibliothek des Escorial. Provenienz Das Manuskript befand sich zu einem unbekannten Zeitpunkt in der Kathedrale San Salvador von
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Oviedo, von wo es aus in die Bibliothek des Conde-duque de Olivares (1587–1648) und danach in den Escorial gelangte. Literatur Antolín, Catálogo (1910–1923), Bd. 3, 257-261; Bordona, Exposición (1929), 10; ders., Manuscritos (1933), Bd. 2, 49, Nr. 1465; Millares Carlo, Manuscritos (1963), 21, Nr. 27; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 222–223, 305; Ausst. Les rois bibliophiles (1985), 21, Nr. 1. Handschriftenbeginn fol. 1r Buchstabenlabyrinth ADEFONSI PRINCIPIS LIBRVM; ORELEGIVM fol. 2r Index librorum et capitolorum fol. 6v Kreuz; Inc. IN N(omin)E D(omi)NI INCIPIVNT LIBRI ETHYMOLOGIARVM
IV. Handschriften für Ferdinand I., König von León, und seine Frau Sancha IV.1 Isidorus Hispalensis, Etymologiae (Etymologien Sanchas) Escorial, Cod. &.I.3 Inhalt Ascarici et Tuseredi epistolae (fol. 1–5) Isidorus Hispalensis, Etymologiae (fol. 9–233) kurze Auszüge aus: Beda Venerabilis, De natura rerum (fol. 233–239); Expositio beati gregorii de libro esaye prophete (fol. 239); Beda Venerabilis, De Sibyllinarum oraculis (fol. 240–242); De septem planetis celi (fol. 242) Entstehungszeit fertiggestellt am 21. August 1047 Buchmaler/Schreiber Dominicus, Veremundus Kolophon fol. 24r (in den Säulen einer als Rahmung fungierenden Arkade) VERMUNDUS / VIVAT IN XPO fol. 242r EXPLICIT LIBER FELICITER / D(EO) GRA(CIA)S D(OMI)NICO PR(E)SB(I)T(E)R FECIT / XII K(A) L(ENDA)S. S(EP)T(EM)BR(IS). ERA TLXXXV Umfang 243 Blätter
Handschriften für Ferdinand I., König von León, und seine Frau Sancha 261
Maße 352 x 255 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 29/41 Zeilen Erhaltungszustand Blätter beschnitten. Die Handschrift besitzt einen nachmittelalterlichen Einband der Bibliothek des Escorial. Provenienz Die Handschrift stammt aus der Bibliothek des Conde-duque de Olivares (1587–1648) und gelangte von dort in den Escorial. Literatur Antolín, Catálogo (1910–1923), Bd. 2, 331–336; Bordona, Manuscritos (1933), Bd. 2, 40, Nr. 1400; Millares Carlo, Manuscritos (1963), 19, Nr. 23; Andrés, Historia (1972–1974); Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 381–383; Ausst. Les rois bibliophiles (1985), 21, Nr. 2. Handschriftenbeginn fol. 1r–5r Ascarici et Tuseredi epistolae fol. 5v leer fol. 6r leer fol. 6v Kreuz fol. 7r Buchstabenlabyrinth OB HONOREM SANCTE MARIE VIRGINIS fol. 7v leer fol. 8r leer fol. 8v Buchstabenlabyrinth SANCIO ET SANCIA LIBR(UM) fol. 9r IN N(OMIN)E D(O)MINI N(O)S(TR)I I(EHS)U CHRISTI / INCIPIT LIBER ETHIMOLO/ GIARUM BEATISSIMI ISIDORI
IV.2 Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (Beatus-Handschrift Ferdinands I.) Madrid, BNE, Vitrina 14-2 Inhalt Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin (fol. 18–266) Expositio in Danielem (fol. 267–316) Entstehungszeit 1047
262 Katalog der Handschriften
Entstehungsort León Buchmaler Facundus? Schreiber Facundus Kolophon fol. 316r EXPLICIT EXPLANATIO DANIEL / LIS PROPHETE DEO GRATIAS / FACUNDUS SCRIPSIT / MEMORIA EIUS SIT SEMPER / SUB ERA BIS QUADRAGIES ET V / POST MILLESIMA / REGNANTE D(O)MINO N(O)S(TR)O ET / GLO(RIO)SO / PRINCIPE D(O)M(IN)O FREDENANDO PROLI / D(O)M(IN)I SANCTIONI ET CONJUGE SUA / GLORIOSA D(O)M(IN)A SANCTIA REGINA / PROLIS ADEFONSI PRINCIPIS ANNO / REGNI SUI FUIT SCRIPTUM HOC LIBER Umfang 316 Blätter Maße 360 x 268 mm Seiteneinrichtung Doppelkolumnen, 35 Zeilen Erhaltungszustand Die ersten fünf Blätter gehören zu einer anderen Handschrift. Der Codex ist beschnitten und es fehlen einzelne Blätter. Provenienz Die Handschrift stammt aus der Kollegiatkirche S. Isidoro in León, wo sie Ambrosio de Morales 1521 eingesehen hatte. Ende d. 16. Jh. war sie wohl im Besitz von Don García de Loaisa y Gíron. Im 17. Jh. befand sie sich in der Bibliothek von Gaspar Ibáñez de Segovia, marqués de Mondéjar, und seit dem Anfang des 18. Jh. in der Bibliothek des Escorial, von wo aus die Handschrift in den Besitz der Biblioteca Nacional überging. Faksimiles Beato de Liébana: Códice de Fernando I (1994); Beato de Fernando I (2006); Beato de Fernando I (2007). Literatur
Handschriften für Ferdinand I., König von León, und seine Frau Sancha 263
Neuss, Apokalypse (1931), 32–34; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 328–332, 429–430; González Echegaray, Comentarios (1995); Williams, Beatus (1998), Bd. 3, 34–40. Handschriftenbeginn fol. 1–5v genealogische Tafeln aus einer anderen Handschrift(?) Alpha fol. 6r fol. 6v Kreuz fol. 7r Buchstabenlabyrinth FREDENANDUS REX DEI GRA(TIA) M(EMO)R(I)A LIBER / SANCIA M(EMO)R(IA) L(I)B(E)R fol. 7v–10r Evangelisten, Zeugen und Engel fol. 10v–17r genealogische Tafeln leer fol. 17v Handschriftenabschluss fol. 316r Expl. Explanatio danielis prophete deo gratias und Kolophon
IV.3 Liber Psalmorum Santiago de Compostela, Biblioteca Universitaria (Biblioteca Xeral), Ms. 609 (Res. 1) Inhalt Kalender (fol. 1–4) Prologe des Florus, Hieronymus, Alkuin (fol. 4–5) Index der Psalmen (fol. 5) Liber Psalmorum et canticorum (fol. 7–196) verschiedene Orationes (fol. 196–207) Nekrolog (fol. 207) Ordo ad medium noctis (fol. 209–224) Entstehungszeit 1055 Entstehungsort León Buchmaler Fructosus Schreiber Petrus Kolophon fol. 208v
264 Katalog der Handschriften
SANCIA CEV UOLVIT / Q(uo)D SU(m) REGINA P(E)REGIT / ERA MILLENA NOVIES / DENA QUOQUE TERNA: / PETRUS ERAT SCRIPTOR / FRUCTOSUS DENIQ(ue) PICTOR. Umfang 226 Blätter Maße 315 x 195 mm Seiteneinrichtung einspaltig, 22/34 Zeilen Erhaltungszustand Die Handschrift ist beschnitten. Einige Blätter sind verloren gegangen. 1973 wurde die Handschrift das letzte Mal neu gebunden. Aus diesem Jahr stammt auch der Einband. Provenienz Die Handschrift befand sich im Benediktinerkloster San Martín Pinario in Santiago de Compostela, von wo aus sie Mitte des 19. Jh. in den Besitz der Universität von Santiago de Compostela überging. Faksimile Libro de horas de Fernando I (1995). Literatur Sicart Giménez, Miniatura (1978), 9–18; Díaz y Díaz, Códices visigóticos (1983), 279–292; Ausst. Los reyes bibliófilos (1986), 22, Nr. 3; Pardo Gómez, Catálogo (1998), 117. Handschriftenbeginn fol. 1r Alpha fol. 1v–4r Kalender fol. 4v–5r Prologe fol. 5r–5v Index der Psalmen fol. 6r Buchstabenlabyrinth (F )REDENANDI REGIS SVM LIBER; (F )REDENANDI REGIS NECNON ET SANCIA REGINA SVM LIBER (Variante: LIBRVM) fol. 6v Dedikationsbild fol. 7r In Nomine Domini Incipit Liber Psalmorum David Handschriftenabschluss fol. 207v Nekrolog fol. 208r leer fol. 208v Kolophon fol. 209r–224r Ordo ad medium noctis (möglicherweise etwas später hinzugefügt)
Tafeln
1 Orte im Norden der Iberischen Halbinsel, aus denen Handschriften des 9.–11. Jh. überliefert sind.
266 Tafeln
2 Militärische Kampagnen auf der Iberischen Halbinsel, 10. Jh.
3 Militärische Kampagnen des al-Manṣūr bi-llāh auf der Iberischen Halbinsel, um 1000
Tafeln 267
4 Buchstabenlabyrinth ADEFONSI PRINCIPIS LIBRVM, Isidorus Hispalensis, Etymologiae, um 900: Escorial, Cod. P.I.7, fol. 1v
268 Tafeln
5 Kreuz, Isidorus Hispalensis, Etymologiae, um 900: Escorial, Cod. P.I.7, fol. 6v
Tafeln 269
6 Buchstabenlabyrinth SVPERI ABBATI LIBRVM, Collectio Conciliorum, 9./10. Jh.: Madrid, BNE, Ms. 1872, fol. 1r
270 Tafeln
7 Buchstabenlabyrinth TRASAMVNDI AB(bA)TI, Vitae Patrum, 902: Madrid, BNE, Ms. 10007, fol. 263v
Tafeln 271
8 Kreuz, Bibel, 920: León, Archivo Catedralicio, Ms. 6, fol. 1v
272 Tafeln
9 Buchstabenlabyrinth MAVRVS ABBATI LIBRVM / VIMARA PRESBITER FECIT, Bibel, 920: León, Archivo Catedralicio, Ms. 6, fol. 2r
Tafeln 273
10 Sonnendiagramm, Bibel, 920: León, Archivo Catedralicio, Ms. 6, fol. 3r
11 Evangelist Lukas, Bibel, 920: León, Archivo Catedralicio, Ms. 6, fol. 211r
274 Tafeln
12 Kreuz, Gregor d. Gr., Moralia in Iob, 1. H. 10. Jh.: Toledo, Biblioteca Capitular, Ms. 11-4, fol. 1v
13 Buchstabenlabyrinth DVLCIDII AEPISCOPI LIBRV(M), Gregor d. Gr., Moralia in Iob, 1. H. 10. Jh.: Toledo, Biblioteca Capitular, Ms. 11-4, fol. 2r
Tafeln 275
14 Stille im Himmel, Morgan-Beatus, 940-945: New York, PML, Ms. M. 644, fol. 133r 15 Alpha, Gregor d. Gr., Moralia in Iob, 945: Madrid, BNE, Ms. 80, fol. 1v
276 Tafeln
16 Maiestas Domini, Gregor d. Gr., Moralia in Iob, 945: Madrid, BNE, Ms. 80, fol. 2r 17 Christusmonogramm, Gregor d. Gr., Moralia in Iob, 945: Madrid, BNE, Ms. 80, fol. 2v
Tafeln 277
18 Buchstabenlabyrinth FLORENTIVM INDIGNVM MEMORARE, Gregor d. Gr., Moralia in Iob, 945: Madrid, BNE, Ms. 80, fol. 3r 19 Pfau, Gregor d. Gr., Moralia in Iob, 945: Madrid, BNE, Ms. 80, fol. 3v
278 Tafeln
20 Omega, Gregor d. Gr., Moralia in Iob, 945: Madrid, BNE, Ms. 80, fol. 501r 21 Monogramm von Ferdinand I. von León, Antiphonar, Mitte 10. Jh.: León, Archivo Catedralicio, Ms. 8, fol. 1r
Tafeln 279
22 Dedikation des Codex, Antiphonar, Mitte 10. Jh.: León, Archivo Catedralicio, Ms. 8, fol. 1v 23 Alpha, Antiphonar, Mitte 10. Jh.: León, Archivo Catedralicio, Ms. 8, fol. 4v
280 Tafeln
24 Kreuz, Antiphonar, Mitte 10. Jh.: León, Archivo Catedralicio, Ms. 8, fol. 5v 25 Exlibris LIBRVM IKILANI, Antiphonar, Mitte 10. Jh.: León, Archivo Catedralicio, Ms. 8, fol. 6r
Tafeln 281
26 Buchstabenlabyrinth (nicht ausgefüllt), Gregor d. Gr., Moralia in Iob, 951: León, San Isidoro, Ms. 1, fol. 1v
27 Kreuz, Collectiones in Epistolas et Evangelia (Codex Smaragdus), vor 945: Córdoba, Biblioteca Capitular, Cod. 1, fol. 1v
282 Tafeln
28 Prolog in Kreuzform, Collectiones in Epistolas et Evangelia (Codex Smaragdus), vor 945: Córdoba, Biblioteca Capitular, Cod. 1, fol. 3v
29 Maiestas Domini, Bibel, 960: Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 2, fol. 2r
Tafeln 283
30 Titelzierseite, Bibel, 960: Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 2, fol. 3r 31 Titelzierseite, Bibel, 960: Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 2, fol. 3v
284 Tafeln
32 Titelzierseite, Bibel, 960: Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 2, fol. 4r
33 Index zu den einzelnen biblischen Büchern, Bibel, 960: Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 2, fol. 4v
Tafeln 285
34 Omega, Bibel, 960: Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 2, fol. 504r 35 Kreuz, Valcavado-Beatus, 970: Valladolid, Biblioteca Universitaria, Ms. 433, fol. 1v
286 Tafeln
36 Buchstabenlabyrinth SEMPRONIVS ABBA LIBRVM, Valcavado-Beatus, 970: Valladolid, Biblioteca Universitaria, Ms. 433, fol. 2r 37 Stille im Himmel, Valcavado-Beatus, 970: Valladolid, Biblioteca Universitaria, Ms. 433, fol. 112v
Tafeln 287
38 Tafel zur Berechnung der Namen des Antichrist, Valcavado-Beatus, 970: Valladolid, Biblioteca Universitaria, Ms. 433, fol. 142r
39 Kreuz, Valcavado-Beatus, 970: Valladolid, Biblioteca Universitaria, Ms. 433, fol. 180r
288 Tafeln
40 Omega und Kolophon, Tábara-Beatus, 968–970: Madrid, Archivo Histórico Nacional, Cod. 1097B, fol. 170r
41 Bildnis der Illuminatoren und Schreiber, Tábara-Beatus, 968–970: Madrid, Archivo Histórico Nacional, Cod. 1097B, fol. 170v
Tafeln 289
42 Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 1r 43 Kreuz, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 1v
290 Tafeln
44 Maiestas Domini, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 2r 45 Himmel, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 3v, 4r
Tafeln 291
46 Evangelist Matthäus und ein Zeuge, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 4v 47 Zwei Engel mit dem Markusevangelium, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 5r
292 Tafeln
48 Evangelist Lukas und ein Zeuge, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 5v
49 Zwei Engel mit dem Lukasevangelium, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 6r
Tafeln 293
50 Verkündigung und Geburt Jesu, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 15r 51 Anbetung der Könige, Flucht nach Ägypten, Verfolgung durch Herodes und Krankheit des Herodes, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 15v
294 Tafeln
52 Christus vor Kaiphas und dreimalige Leugnung Petri, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 16r
53 Kreuzigung, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 16v
Tafeln 295
54 Erscheinung Christi, Tod des Judas und die Frauen am leeren Grab, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 17r 55 Höllenfahrt Christi, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 17v
296 Tafeln
56 Darstellung derjenigen, die sich an der Auferstehung Christi erfreuen, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 18r 57 Vogel und Schlange, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 18v
Tafeln 297
58 Alpha, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 19r 59 Reiter, eine Schlange tötend, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 134v
298 Tafeln
60 Figur, auf einem Meeresdrachen reitend, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 157v 61 Reiter mit phrygischer Mütze, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 157v
Tafeln 299
62 Simurg und Adler, eine Gazelle packend, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 165v 63 Omega, Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 284r
300 Tafeln
64 Girona-Beatus, 975: Girona, Archivo Capitular, Ms. 7, fol. 284v 65 Vigila am Schreibpult, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. XXIIv
Tafeln 301
66 Gedicht Divina virtus, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 1r 67 Gittergedicht Salbatoris mater, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 2r
302 Tafeln
68 Diagramme über die Länge der Tage und Nächte während der Sonnenwende und Äquinoktien, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 7v 69 Index, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 15v
Tafeln 303
70 Maiestas Domini, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 16v
71 Sündenfall, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 17r
304 Tafeln
72 Noah und seine Söhne, Mappa mundi und verschlossenes Paradies, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 17v 73 Kreuz, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 18v
Tafeln 305
74 Schema des Buchstabenlabyrinths OB HONOREM SANCTI MARTINI
75 Buchstabenlabyrinth OB HONOREM SANCTI MARTINI, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 19r
306 Tafeln
76 Buchstabenlabyrinth MAVRELLIS ABBATIS LIBRVM, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 19v 77 Incipit-Seite des LIBER CANONUM, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 20r
Tafeln 307
78 ‚Codex‘ und ‚Lector‘, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 20v 79 ‚Codex‘ und ‚Lector‘, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 35r
308 Tafeln
80 ‚Codex‘ und ‚Lector‘, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 47v 81 Incipit zu den Capitulationes, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 56r
Tafeln 309
82 Konzil von Karthago, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 109r
310 Tafeln
83 Konzil von Toledo, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 142r 84 Dekretale von Papst Siricius, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 254r 85 Ordo de celebrando concilio, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 344r Rechte Seite: 86 Eröffnungsseite des Liber Iudicium, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 358v 87 Beginn des V. Buchs De transactionibus des Liber Iudicium, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 387v 88 Westgotische Könige, Navarresisches Königshaus, Schreiber und Buchmaler, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 428r 89 Gedicht O Dei Verbum, Codex Albeldense, 976: Escorial, Cod. D.I.2, fol. 429r
Tafeln 311
312 Tafeln
90 Kreuz, Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 15v 91 Kreuz, Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 16v 92 Buchstabenlabyrinth (nicht ausgefüllt), Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 17r
Tafeln 313
93 Buchstabenlabyrinth (nicht ausgefüllt), Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 17v
94 Buchstabenlabyrinth (nicht ausgefüllt), Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 18r
314 Tafeln
95 Buchstabenlabyrinth (nicht ausgefüllt), Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 18v
96 Ornamentale Zierseite, Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 19r
Tafeln 315
97 ‚Codex‘ und ‚Lector‘ im Gespräch, Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 19v 98 Konzil von Elvira, Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 119v
316 Tafeln
99 Incipit des Liber Iudicium, Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 396r
100 Maiestas Agni, Codex Aemilianense, 992: Escorial, Cod. D.I.1, fol. 454r
Tafeln 317
101 Buchstabenlabyrinth IULIANI ABBATIS LIBRVM, Vitae Sanctorum, 10./11. Jh.: Madrid, BNE, Ms. 494, fol. 1r 102 Buchstabenlabyrinth BELASCONIS AEPISCOPI LIBRVM, Vitae Sanctorum, 10./11. Jh.: Madrid, BNE, Ms. 494, fol. 3r
318 Tafeln
103 Alpha, Beatus-Handschrift Ferdinands I., 1074: Madrid, BNE, Ms. Vitr. 14-2, fol. 6r 104 Kreuz, Beatus-Handschrift Ferdinands I., 1047: Madrid, BNE, Ms. Vitr. 14-2, fol. 6v
Tafeln 319
105 Buchstabenlabyrinth FREDENANDVS REX DEI GRA(TIA) M(EMO)R(I)A LIBER und SANCIA M(EMO)R(IA) L(I)B(E)R, BeatusHandschrift Ferdinands I., 1047: Madrid, BNE, Ms. Vitr. 14-2, fol. 7r 106 Stille im Himmel, Beatus-Handschrift Ferdinands I., 1047: Madrid, BNE, Ms. Vitr. 14-2, fol. 162r
320 Tafeln
107 Kreuz, Isidorus Hispalensis, Etymologiae, 1047: Escorial, Cod. &.I.3, fol. 6v 108 Buchstabenlabyrinth OB HONOREM SANCTE MARIE VIRGINIS, Isidorus Hispalensis, Etymologiae, 1047: Escorial, Cod. &.I.3, fol. 7r
Tafeln 321
109 Buchstabenlabyrinth SANCIO ET SANCIA LIBR(UM), Isidorus Hispalensis, Etymologiae, 1047: Escorial, Cod. &.I.3, fol. 8v
110 Alpha, Liber Psalmorum, 1055: Santiago de Compostela, Biblioteca Universitaria (Biblioteca Xeral), Ms. 609, fol. 1r
322 Tafeln
111 Buchstabenlabyrinth (F )REDENANDI REGIS SVM LIBER / (F )REDENANDI REGIS NECNON ET SANCIA REGINA SVM LIBER (LIBRUM), Liber Psalmorum, 1055: Santiago de Compostela, Biblioteca Universitaria (Biblioteca Xeral), Ms. 609, fol. 6r
112 Dedikation des Codex, Liber Psalmorum, 1055: Santiago de Compostela, Biblioteca Universitaria (Biblioteca Xeral), Ms. 609, fol. 6v
Tafeln 323
113 Kolophon, Liber Psalmorum, 1055: Santiago de Compostela, Biblioteca Universitaria (Biblioteca Xeral), Ms. 609, fol. 208v
114 Buchstabenlabyrinth PANTIO ABBA LIBRVM, Fanlo-Beatus, 17. Jh. (Original Mitte 11. Jh.?): New York, PML, Ms. M.1079, fol. 11r
324 Tafeln
115 Buchstabenlabyrinth SANCIVS PRESBITER / NOTARIUS MEMENTOTE, Fanlo-Beatus, 17. Jh. (Original Mitte 11. Jh.?): New York, PML, Ms. M.1079, fol. 12r 116 Liste der in der Abtei Santo Domingo de Silos aufbewahrten Codices, 13. Jh., Isidorus Hispalensis, Etymologiae, vor 1064/1072: Paris, BnF, Ms. N.a.l. 2169, fol. 16v 117 Einweglabyrinth, 12. Jh., Isidorus Hispalensis, Etymologiae, vor 1064/1072: Paris, BnF, Ms. N.a.l. 2169, fol. 17r
Tafeln 325
118 Diagramm über die Sternzeichen, Isidorus Hispalensis, Etymologiae, vor 1064/1072: Paris, BnF, Ms. N.a.l. 2169, fol. 17v 119 Buchstabenlabyrinth ERICONI PRESVITERI INDIGNI MEMENTO, Isidorus Hispalensis, Etymologiae, vor 1064/1072: Paris, BnF, Ms. N.a.l. 2169, fol. 21v 120 Männliche Figur, 12. Jh., Isidorus Hispalensis, Etymologiae, vor 1064/1072: Paris, BnF, Ms. N.a.l. 2169, fol. 370v
326 Tafeln
121 Buchstabenlabyrinth GREGORIVS ABBA NOBIL(IS) Saint-Sever-Beatus, ca. 1060–1072: Paris, BnF, Ms. lat. 8878, fol. 1r 122 Ornamentale Zierseite, Saint-SeverBeatus, ca. 1060–72: Paris, BnF, Ms. lat. 8878, fol. 26r
Tafeln 327
123 Der Traum des Nebukadnezars, Saint-SeverBeatus, ca. 1060–72: Paris, BnF, Ms. lat. 8878, fol. 51v 124 Bäume und Vögel, Saint-Sever-Beatus, ca. 1060–72: Paris, BnF, Ms. lat. 8878, fol. 52r 125 Die erste Posaune, Saint-Sever-Beatus, ca. 1060–72: Paris, BnF, Ms. lat. 8878, fol. 137v
328 Tafeln
126 Ornamentale Zierseite, Saint-Sever-Beatus, ca. 1060–72: Paris, BnF, Ms. lat. 8878, fol. 138r 127 Die Zerstörung Babylons, Saint-Sever-Beatus, ca. 1060–72: Paris, BnF, Ms. lat. 8878, fol. 197v 128 Ornamentale Zierseite, Saint-Sever-Beatus, ca. 1060–72: Paris, BnF, Ms. lat. 8878, fol. 198r
Tafeln 329
129 VPR-Monogramm, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 1r
130 Hölle, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 2r
330 Tafeln
131 Kreuz, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 2v
132 Kreuz, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 3v
Tafeln 331
133 VPR-Monogramm, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 4r
332 Tafeln
134 LVX, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 4v
Tafeln 333
135 Kreuz, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 5v
334 Tafeln
136 Buchstabenlabyrinth (nicht ausgefüllt), Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 6r
Tafeln 335
137 Hl. Johannes, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 82v
336 Tafeln
138 Hl. Johannes, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 163v
Tafeln 337
139 Buchstabenlabyrinth OB ONOREM SANCTI SEBASTIANI / ABBA FORTVNIO LIBRVM / MVNNIO PRESBITER TITVLABIT HOC, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 276r
338 Tafeln
140 Kreuz, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 277r
Tafeln 339
141 Kolophon und Windrosen mit den Namen der Buchmaler und Schreiber, Silos-Beatus, 1091/1109: London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 278r
340 Tafeln
142 Kreuz mit Incipit, Benediktregel, Tegernsee, Ende 8. Jh.: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 19408, fol. 2r 143 Buchstabenlabyrinth EVANGELIA VERITATIS, Evangeliar aus Echternach, 8. Jh.: Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I.2.4° 2, fol. 2r
Tafeln 341
144 Kaiser Theodosius II., umgeben von den Kaisern Marcianus, Maiorianus und Valentinianus, Breviarium Alarici, 803–814: Paris, BnF, Ms. lat. 4404, fol. 1v
145 Kaiser Libius Severus sowie die römischen Juristen Gaius, Julius Paulus und Aurelius Hermogenianus, Breviarium Alarici, 803-814: Paris, BnF, Ms. lat. 4404, fol. 2r
342 Tafeln
146 Bildnis des Abtes Ramwoldus, Evangeliar Karls des Kahlen, 870, 975–1000 restauriert und ergänzt: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 14000, fol. 1r
Tafeln 343
147 Mit Purpur überstrichene Seite, StrahovEvangeliar, 9. Jh., 980–985 überarbeitet: Prag, Strahov Library, MS DF III 3, fol. 7r
148 Evangelist Matthäus, Strahov-Evangeliar, 9. Jh., 980–985 überarbeitet: Prag, Strahov Library, MS DF III 3, fol. 8v
344 Tafeln
149 Explicit, Theodulf-Bibel, 800-825: Paris, BnF, Ms. lat. 9380, fol. 347r 150 Sakraltopographische Karte (Nachzeichnung), Evangeliar (Book of Mullings), 2. H. 8. Jh. / 1. H. 9. Jh.: Dublin, Trinity College, Ms. 60, fol. 94v
Tafeln 345
151 Heilige Bekenner, Benediktionale des Bischofs Æthelwold, 970er Jahre: London, BL, Ms. Add. 49598, fol. 1r 152 Kirchweihe, Benediktionale des Bischofs Æthelwold, 970er Jahre: London, BL, Ms. Add. 49598, fol. 118v
346 Tafeln
153 Gerahmtes Purpurfeld, Evangeliar aus St. Maria ad Gradus, Köln, um 1030: Köln, Erzbisch. Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 1001a, fol. 1r 154 Maiestas Domini, Evangeliar aus St. Maria ad Gradus, Köln, um 1030: Köln, Erzbisch. Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 1001a, fol. 1v
Tafeln 347
155 Schriftzierseite am Beginn des Lukas evangeliums, Evangeliar aus St. Maria ad Gradus, Köln, um 1030: Köln, Erzbisch. Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 1001a, fol. 121v 156 Evangelist Lukas, Evangeliar aus St. Maria ad Gradus, Köln, um 1030: Köln, Erzbisch. Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 1001a, fol. 122r
348 Tafeln
157 Stille im Himmel, Urgell-Beatus, letztes Viertel 10. Jh.: Urgell, Museu Diocesà, Cod. 501, fol. 122v 158 Gott im Buch, Eike von Repgow, Sachsenspiegel, 1365–1367: Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 3.1 Aug. 2°, fol. 85r
Tafeln 349
159 und 160 Im brennenden aedificium, Der Name der Rose, 1986, Regie: Jean-Jacques Annaud
350 Tafeln
161 Buchstabenlabyrinth SANCTA ECELSIA, in einem Einweglabyrinth eingeschlossen, Mosaik, 4. Jh.: Reparatusbasilika, Orléansville (Ech Cheliff/ Algerien) 162 Fragment einer Kalksteintafel mit Buchstabenlabyrinth SILOS PRINCEPS FECIT, 774–783, Santianes de Pravia
Tafeln 351
163 Vorderseite der Cruz de los Ángeles, 808, Oviedo, Cámara Santa 164 Rückseite der Cruz de los Ángeles, 808, Oviedo, Cámara Santa
352 Tafeln
165 Vorderseite der Cruz de la Victoria, 908, Oviedo, Cámara Santa
Tafeln 353
166 Kreuz von Peñalba, 931–951, León, Museo de León 167 Vorderseite der Cruz de Santiago, 874 (verschollen), ehem. Santiago de Compostela, Kathedralschatz
354 Tafeln
Tafeln 355
Linke Seite: 168 Blick vom Langhaus nach Osten, Oviedo, San Julián de los Prados, 812–842 169 Wandmalereien an der Ostwand des Querhauses, Oviedo, San Julián de los Prados, 812–842 Rechte Seite: 170 Gewölbemalereien in der Nebenapsis, Oviedo, San Julián de los Prados, 812–842 171 Westfassade, San Salvador de Valdediós, 893 geweiht
356 Tafeln
172 Wandmalereien an der Apsisstirnwand, San Salvador de Valdediós, 893 geweiht 173 Reliefplatte mit Kreuz, Kalkstein, 931–951, Destriana, San Salvador Rechte Seite: 174 Portikus, San Miguel de Escalada, 913 geweiht 175 Westfassade mit Fenstergitter, San Miguel de Escalada, 913 geweiht 176 Blick vom Mittelschiff nach Osten, San Miguel de Escalada, 913 geweiht
Tafeln 357
358 Tafeln
177 Blick von Südosten, Santiago de Peñalba, zwischen 931–947 178 Isometrische Ansicht, Santiago de Peñalba, zwischen 931–947
Tafeln 359
179 Eingang, Santiago de Peñalba, zwischen 931–947 180 Blick Richtung Presbyterium und Apsis, Santiago de Peñalba, zwischen 931–947
360 Tafeln
181 Isometrische Ansicht, San Millán de la Cogolla, 959/984 geweiht 182 Langhaus, Blick Richtung Osten, San Millán de la Cogolla, 959/984 geweiht 183 Blick in die sogen. Wohnhöhle des Hl. Aemilianus, San Millán de la Cogolla, 959/984 geweiht
Anhang
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Abbildungsnachweis
Abbildungen im Text Abb. 1 Helmar Mildner/Kristin Böse; Abb. 2, 3 Helmar Mildner/Kristin Böse; Abb. 4 Kristin Böse.
Tafeln Abb. 1 auf der Basis von Williams 1994, Bd. 1, Vorsatz; Abb. 2, 3 Mestre Campi und Sabaté 1998, 17, 21; Abb. 4, 5 © Patrimonio Nacional; Abb. 6, 7 © Biblioteca Nacional de España; Abb. 8 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 9, 10 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 56687, Nr. 5670; Abb. 11 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 12, 13 © Biblioteca Capitular de Toledo; Abb. 14 © Pierpont Morgan Library, New York; Abb. 15 © Biblioteca Nacional de España; Abb. 16 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 17–20 © Biblioteca Nacional de España; Abb. 21–25 Liber Antiphonarium 2011; Abb. 26 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 5954; Abb. 27 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 28 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 5360; Abb. 29 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 5966; Abb. 30 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 31 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 59697; Abb. 32 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 33–34 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 5971 u. 6117; Abb. 35–39 © Valladolid, Biblioteca Universitaria; Abb. 40, 41 © Archivo Histórico Nacional, Madrid; Abb. 42, 43 © Archivo Capitular de Girona; Abb. 44 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 5657; Abb. 45 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 46 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 47 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 48–51 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 52 © Archivo Capitular de Girona; Abb. 53–55 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 56 © Archivo Capitular de Girona; Abb. 57 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 58 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 5559; Abb. 59, 60 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 61 Beato de Liébana. Códice de Girona. Barcelona: Moleiro, o. J. [2003], fol. 157v; Abb. 62 Williams 1994, Bd. 2, Abb. 336; Abb. 63, 64 © Archivo Capitular de Girona; Abb. 65–68 García Turza 2002a, 30, 104, 212, 216; Abb. 69 © Patrimonio Nacional; Abb. 70–73 García Turza 2002a, 222, 224, 226, 233; Abb. 74 Helmar Mildner;
414 Abbildungsnachweis
Abb. 75–78 García Turza 2002a, 90, 236, 136, 238; Abb. 79 Silva y Verástegui 1984, Abb. 122; Abb. 80 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 81 García Turza 2002a, 143; Abb. 82 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 83–89 García Turza 2002a, 261, 69, 267, 164, 181, 271, 112; Abb. 90 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 91 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 10339; Abb. 92–96 © Patrimonio Nacional; Abb. 97 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 10338; Abb. 98 Silva y Verástegui 1984, Taf. XX; Abb. 99 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 10313; Abb. 100 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 101–104 © Biblioteca Nacional de España; Abb. 105, 106 © Biblioteca Nacional de España; Abb. 107–109 © Patrimonio Nacional; Abb. 110–113 © Santiago de Compostela, Biblioteca Universitaria; Abb. 114, 115 © Pierpont Morgan Library, New York; Abb. 116–121 BnF; Abb. 122 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 123 BnF; Abb. 124 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 10250; Abb. 125 BnF; Abb. 126 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 127 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 128 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 10171; Abb. 129, 130 © British Library; Abb. 131, 132 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 6191 u. Nr. 6192; Abb. 133–135 © British Library; Abb. 136 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, Nr. 6195; Abb. 137 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 138 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid; Abb. 139–141 © British Library; Abb. 142 Bayerische Staatsbibliothek; Abb. 143 Augsburg, Universitätsbibliothek; Abb. 144, 145 BnF; Abb. 146 Bayerische Staatsbibliothek; Abb. 147, 148 © Royal Canonry of Premonstratensians at Strahov, Prague; Abb. 149 BnF; Abb. 150 Nees, Colophon Drawing (1983), Abb. 1; Abb. 151, 152 British Library; Abb. 153– 156 © Köln, Erzbisch. Diözesan- und Dombibliothek; Abb. 157 Beatus de Liebana. Codex urgellensis 1997, Bd. 1: fol. 122v; Abb. 158 © Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel; Abb. 159, 160 Der Name der Rose 1986, Regie: Jean-Jacques Annaud; Abb. 161 Kern 1982, 119; Abb. 162 Arbeiter und Noack-Haley 1999, 104, Abb. 50; Abb. 163–167 García de Castro Valdés 2008, 122, 123, 160, 167, 148; Abb. 168 Arias Páramo 1999, 29; Abb. 169 Schlunck und Berenguer 1957, Abb. 12; Abb. 170 Stephan Hoppe; Abb. 171 Markus Späth; Abb. 172, 173 Arbeiter und Noack-Haley 1999, Taf. 46b, 65b; Abb. 174, 175 Markus Späth; Abb. 176 Bango Torviso 2001, Abb. 416; Abb. 177 © Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Madrid, D-DAI-MAD-NOA-B-626 (Fototgraf: D. M. Noack); Abb. 178–182 Bango Torviso 2001, 365, 284, 424, 362, 365; Abb. 183 Olarte 1998, 33
Dank
Nam quam suauis est nauigantibus portum extremum ita et scribtori nobissimus uersus. (Madrid, BNE, Ms. 80, fol. 278r) …qui me adduxit ad portum operi meo. (London, BL, Ms. Add. 11695, fol. 266r)
Schreiber wie Florentius aus Kloster Valeránica oder Munius und Dominicus aus Kloster Silos verglichen gerne die Fertigstellung eines Codex mit der Rückkehr in den Hafen und damit den Entstehungsprozess mit einer Schifffahrt – eine machtvolle Metapher, die nichts an Gültigkeit verloren hat. Die Idee zu diesem Buch entstand während einer tatsächlich unternommenen Reise – einer Exkursion, die Susanne Wittekind, Stephan Hoppe und mich mit Studierenden in den Norden Spaniens führte. Dass diese Reise auf dem Papier fortgesetzt wurde, verdanke ich Susanne Wittekind, die mit unermüdlichen Interesse, sanftem Druck und freundschaftlichem Beistand meine Arbeit begleitete und mir jenen Forschungsfreiraum bot, den es braucht, um ein Projekt auch zum Abschluss zu führen. Dies ging weit über das hinaus, was während der Assistenzzeit in einem universitären Arbeitsumfeld zu hoffen und zu wünschen ist. Mein besonderer Dank gilt zudem der Fritz Thyssen Stiftung, die die Genese des Buches von den ersten Recherchereisen bis zur Drucklegung großzügig gefördert hat. Ohne diese fortwährende Hilfe und das mir damit entgegengebrachte Vertrauen hätte das Vorhaben, das viele Forschungsreisen nach Spanien erforderte, den Hafen der Ideen gar nicht erst verlassen. Vor allem in einer frühen Phase des Projektes habe ich viel Unterstützung zum einen durch das Deutsche Archäologische Institut in Madrid, hier insbesondere durch Michael Kunst, und zum anderen durch Achim Arbeiter erfahren. Beide haben mich mit ihrer Begeisterung für die Kunst und Kultur der Iberischen Halbinsel angesteckt und halfen mir, mich in der spanischen Forschungslandschaft zurecht zu finden. Hilfe bei der alltäglichen Navigation habe ich in vielen Bibliotheken und Archiven erfahren. Sehr verbunden fühle ich mich der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek Köln. Den Mitarbeitern, im Besonderen dem Leiter der Handschriftenabteilung Harald Horst sei für die stets aufmerksame Betreuung gedankt. Mein Dank gilt ferner der Bibliothek St. German in Speyer mit ihrem Leiter Herbert Pohl, in der mir eine hervorragende Faksimilesammlung iberischer Handschriften zur Verfügung stand. Ein Buch über illumi-
416 Dank
nierte Handschriften zu veröffentlichen, ist oft mit hohen und auch schwankenden Kosten bei der Bildbeschaffung verbunden. Für den unkomplizierten Erwerb und die unbürokratische Publikationserlaubnis von Bildmaterial danke ich der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek in Köln, der Bayerischen Staatsbibliothek München, der Biblioteca Universitaria in Valladolid, der Universitätsbibliothek in Augsburg, der Bibliothek des Prager Strahov-Klosters, der Biblioteca Universitaria in Santiago de Compostela und dem Deutschen Archäologischen Institut in Madrid. Einer Reihe von Kollegen und Freunden bin ich für intensive Gespräche, wertvolle Anregungen und kritische Lektüren in den verschiedenen Phasen meiner Arbeit sehr verbunden: Joshua O’Driscoll, Julian Jachmann, Beatrice Kitzinger, Monika Müller und insbesondere Silke Tammen sowie dem Netzwerk „Ornament“ mit Vera Beyer, Martina Dobbe, Kathrin Müller, Beate Söntgen und Christian Spieß. Jitka Ehlers hat mir in selbstloser Weise bei der Übersetzung schwieriger mittellateinischer Texte geholfen und den Aufbau einer Handschriftendatenbank übernommen. Reinhold Späth und Ann-Kathrin Illmann haben mich mit ihrem wachsamen Korrekturblick durch die formalen Untiefen des Textes gelotst. Helmar Mildner vom Kunsthistorischen Institut in Köln und die studentischen Hilfskräfte der Mediathek des Instituts für Kunstgeschichte in Düsseldorf waren mir stets bei der Zusammenstellung des Bildmaterials behilflich. Teile des Buches habe ich während meines Aufenthaltes an der Cornell University mit Blick auf den Cayuga Lake geschrieben. Für diese Phase der inspirierenden Ruhe bin ich dem Institute of German Cultural Studies und ihrer damaligen Direktorin Leslie A. Adelson zu Dank verpflichtet. Wertvolle Hinweise und wichtige Korrekturen erhielt ich von den Gutachtern meiner Habilitationsschrift: das sind, neben Susanne Wittekind, Marita Blattmann, David Ganz und Norbert Nußbaum. Den Herausgebern von sensus, Ulrich Rehm, Bruno Reudenbach, Barbara Schellewald und Silke Tammen, sei dafür gedankt, dass sie mein Buch in ihre Reihe aufgenommen haben. Im Böhlau-Verlag sorgte insbesondere Elena Mohr für die geduldige und umsichtige Betreuung meines Manuskriptes. Markus Späth und Mathilda Böse waren mir immer die wertvollsten und wichtigsten Gefährten der Reise. Sie halfen durch schwierige Gewässer und brachten stets viel frischen Wind in den Fortgang der Arbeit. Danke!
Register
Personen Das Personenregister umfasst vor allem die Namen antiker und mittelalterlicher Persönlichkeiten. Für die nachmittelalterliche Zeit wurden nur jene berücksichtigt, die für die Rezeptionsgeschichte der hier behandelten Handschriften relevant sind. ’Abd ar-Rahmān III., Kalif von Córdoba 15, 141, 221 Adalbert von Hornbach, Abt 97 Adalpertus, Buchmaler, Mönch im Kloster St. Emmeram/ Regensburg 182 Aemilianus, Hl. 167, 224, 225 Æthelwold, Bischof von Winchester 83, 84, 119 Agnes, Kaiserin, Ehefrau Heinrichs III. 176 Álvarus von Córdoba, Kleriker und Gelehrter 139 Aldhelmus von Malmesbury, Bischof von Sherborne 101 Alfons II., König von Asturien 62, 64, 67–69, 75, 80–82 Alfons III., König von Asturien 12–14, 14, 53, 60, 64, 65, 69, 72–75, 74–76, 78, 79, 82, 94, 95,109, 171, 213, 216, 228, 258, 259 Alfons VI., König von Kastilien und León 17, 18, 52, 193, 199, 200, 216, 250 Alfons VIII., König von Kastilien 214 Alfons, Bauherr von San Martín de Salas 79 Alkuin 44, 45, 101, 152, 263 al-Manṣūr bi-llāh, Herrführer unter Hišām II. 14, 15, 210, 216, 224, 239 Ansegis von Fontanella, Abt 50 Arias, Bischof von Oviedo 52, 249, 250 Aripo, Buchmaler, Mönch im Kloster St. Emmeram in Regensburg 182 Aristoteles 90 Armentarius, Schreiber 247, 248 Arnulf von Kärnten, Kaiser 182 Ashburnham, Bertram, 4th Earl of Ashburnham 12, 39, 232 Augustinus von Hippo 9, 63, 108, 133, 139, 148, 161, 176, 201, 235 Aurelius Hermogenianus, römischer Jurist 155
Ayala, Martín Pérez de, Erzbischof 232 Balthasarius/Baltarius, Schreiber 252 Banzo, vgl. Pantio/Pantius, Abt in San Andrés de Fanlo (?) 257, 258 Beatus Liebanensis, Mönch in Santo Toribio/Liébana 7–9, 12, 17, 21, 22, 24, 27, 32–36, 38, 44, 48, 49, 53–56, 63 Belasco, Scheiber/Buchmaler in San Millán de la Cogolla 39, 115, 156, 225–227, 255 Beslasconius, Bischof 115, 255 Boethius 91, 114, 115 Brégon III., Abt von Sainte-Foy in Conques 50 Brin, Mathurin 220 Cassiodor(us) 137 Cindasvinth/Chindasvinth, König der Westgoten 154 Dagulf, Schreiber 50 Dominicus, Abt in San Miguel de Escalada 55, 125, 126 Dominicus, Hl., Abt in Santo Domingo de Silos 11, 200, 210, 234 Dominicus, Schreiber in Santo Domingo de Silos 185, 186, 236, 415 Dominicus, Schreiber/Buchmaler der Etymologien Sanchas 260 Dulcidius, Bischof 251 Eburnant, Schreiber in Kloster Hornbach 97 Egbert von Trier, Erzbischof 121, 183, 184 Egica, König der Westgoten 59, 154, 172 Eike von Repgow 41
418 Register
Emeterius, Schreiber/Buchmaler 55, 125, 253 Emeterius, Buchmaler in San Salvador de Tábara 38, 126, 229 En oder Ende, Buchmaler/in 12, 55 Ericonus, Schreiber/Buchmaler 195, 234 Escoubleau de Sourdis 220 Etherius von Osma, Bischof 33 Eulogius von Córdoba, Hl. 101 Eusebius von Caesarea 9, 67, 119 Everger, Erzbischof von Köln 97 Facundus, Buchmaler 88, 262 Facundus und Primitivus, Hll. 216 Ferdinand I., König von León 38, 49, 52, 54, 58, 63, 65, 69, 88, 91, 96–99, 104, 111, 211, 216, 250, 260, 261, 263 Fernán González, Graf von Kastilien 15, 214, 233, 241, 245 Flavius Josephus 135, 362 Florentius, Schreiber/Buchmaler in San Pedro de Berlangas/Verlánica 37, 47, 48, 51, 52, 55, 56, 88, 90, 98, 99, 101, 103, 104, 112, 128, 136, 181, 185, 186, 208, 242–245 Fortunio/Fortunius, Abt in Santo Domingo de Silos 188, 193, 237 Frasinelli, M. 232 Fredenando Flaginiz 55, 126, 253 Froilan, Hl. 228, 232 Fructosus, Buchmaler 58, 97, 263–264 Fulgentius von Écija, Bischof 138 Gaius, römischer Jurist 155 García, König von Galizien 52, 250 García III. Sanchez, König von Pamplona-Navarra 224 García de Loaisa y Gíron, don 262 Garsea, Schreiber/Buchmaler in San Martín de Albelda 38, 46, 59, 145, 146, 154, 222 Genadio, Hl., Bischof von Astorga 65, 73 Godescalc, Schreiber 86, 121 Gregor der Große 22, 45, 47, 64, 68, 88, 91, 122–124, 241, 208, 250, 252 Gregor VII. 193 Gregor IX. 180 Gregor von Montaner, Abt in Saint-Sever-sur l’Adour 105, 175, 219–221 Gregor von Nazianz 41, 95 Gregory, Caspar René 146, 153 Hadrian I. 50 Heinrich III., Kaiser 176
Hieronymus 9, 21, 33, 65, 95, 102, 115, 119, 121, 125, 136, 173, 235, 263 Hildebert von Lavardin 198 Hišām II., Kalif von Córdoba 14, 216 Hrabanus Maurus 101, 102, 152 Hugo, Abt von Cluny 17, 18, 193, 199 Ikila, Abt 52, 97, 116, 249, 250 Ildefons(us), Bischof von Toledo 11, 39, 188, 225, 236, 239 Isidor(us), Bischof von Sevilla 7–9, 29, 30, 33, 36, 37, 43–45, 53, 64, 71, 94, 105, 109, 120, 123, 132, 138, 157, 158, 160-161, 171, 188, 195, 206, 221, 223, 225, 226, 230, 234, 237, 239, 246, 247, 256, 258–261 Jakobus, Hl. 75, 248, 250 Jimena, Königin von Asturien, Ehefrau Alfons III. 60, 65, 69, 75 Johannes, Abt in Santo Domingo de Silos 186 Johannes, Schreiber/Buchmaler in Santa María y San Martín de Albares 232, 246 Johannes Chrysostomos 161 Juan, Vorsänger 254 Julius Paulus, römischer Jurist 155 Karl IV., Kaiser 238 Karl der Große, Kaiser 50, 86, 182, 184 Karl der Kahle, Kaiser 58, 108, 120, 121, 182, 183, 185 Karpanios 119 Konstantin der Große, Kaiser 70 Konstanze, Königin von Kastilien und León, Ehefrau von Alfons VI. 17 Lactanz/Lactantius 161 Lastranosa, Vincencio Juan de 257 Leander, Bischof von Sevilla 123, 138 Libius Severus, Kaiser 155, 156 Lupus, Abt von Ferrières 155 Magius, Buchmaler in San Salvador de Tábara 88, 126, 229 Maiorianus, Kaiser 155 Maius, Schreiber/Buchmaler in Santo Domingo de Silos 195, 231, 232 Malik ibn Anas, Rechtsgelehrter 169 Marcianus, Kaiser 155 Marinus, Priester 114 Martinus, Buchmaler 218 Maurellus, Abt in San Martín de Albelda 162
Personen 419
Maurus, Abt in Santa María y San Martín de Albares 233 Meister des Registrum Gregorii, Buchmaler/Schreiber 183, 184 Milos von Saint-Amand 115 Moling, Hl. 57, 58 Morales, Ambrosio de 62, 63, 68, 70, 89, 90, 145, 146, 153, 217, 223, 262 Munnius, Buchmaler und Schreiber in Santo Domingo de Silos 100, 185, 186, 236 Nunnius, Abt in Santo Domingo de Silos 186, 236 Obeco, Buchmaler/Schreiber in Kloster Valcavado 239, 240 Olivares, Conde-duque de 247, 259–261 Optatianus Porphyrius 101 Ordoño I., König von Asturien 11, 14, 164 Ordoño II., König von León und Asturien 239, 251 Ordoño IV., König von León und Asturien 214 Otfried von Weißenburg 110 Otto III., Kaiser 122 Pantio/Pantius, vgl. Banzo, Abt in San Andrés de Fanlo (?) 257, 258 Paulmy, Marquis de 220 Pelagius, Diakon 250 Pelayo/Pelagius, Princeps von Asturien 70 Petrus, Buchmaler in Santo Domingo de Silos 189, 196, 197, 214, 214, 236 Petrus, Schreiber in Domnos Sancos/Santos Facundo y Primitivo in Sahagún 218 Petrus, Schreiber des Liber Psalmorum Ferdinands I. 58, 97, 263, 264 Petrus Cantor 198 Petrus Riga 115 Philipp II., König von Spanien 145, 226 Pirmin, Hl. 97 Ponce de León, Pedro, Bischof von Plasencia 226 Priscillian, Bischof von Ávila 33 Prokopios von Caesarea 112 Prudentius 101, 102 Ramiro I., König von Aragón 257, 258 Ramiro II., König von León 72–74, 83, 164, 239, 251 Ramiro Garcés, König von Viguera 151, 153, 154, 156 Ramwoldus, Abt in St. Emmeram in Regensburg 182, 183 Reccesvinth, König der Westgoten 59, 140, 154 Robert I., Herzog von Burgund 17
Salvo, Abt 222, 225 Sancha, Königin von León, Frau von Ferdinand I. 38, 52, 54, 58, 63, 65, 88, 91, 97, 104–106, 211, 233, 250, 260–263 Sancho I. Ramírez, König von Aragón 18 Sancho II., König von Kastilien und León 91, 99, 105 Sancho I. Garcés, König von Navarra 14, 15, 153, 221, 224 Sancho II. Garcés, König von Navarra 151, 153, 154, 156 Sancho III. Garcés „el Mayor“, König von Navarra 16, 28 Sancho Garcés, Graf von Kastilien 66 Sancho de Tabladillo 188 Sancius, Schreiber in San Andrés de Fanlo (?) 257 Sanctius, Buchmaler/Schreiber in San Pedro de Berlangas/Valeránica 37, 51, 52, 55-56, 128, 245 Sarracino/Sarracinus, Buchmaler/Schreiber in San Martín de Albelda 38, 59, 60, 145, 146, 152, 154, 222 Schedel, Hartmann 182 Segovia, Gaspar Ibáñez de 262 Sempronio/Sempronius, Abt in Kloster Valcavado 239 Senior, Schreiber in San Salvador de Tábara 126, 229, 230, 253 Silo, König von Asturien 95, 114 Sisebut, König der Westgoten 64 Sisebuto/Sisebutus, Bischof 156, 225, 227 Sisebuto/Sisebutus, Buchmaler/Schreiber in San Millán de la Cogolla 39, 156, 225–227 Smaragdus von St. Mihiel 12, 101, 243 Stephanus Garsia Placidus, Buchmaler 220 Theodosius II., Kaiser 42, 155, 156 Theodulf, Bischof von Orléans 57 Tiffauges de la Vendée, Guillermo Guerry de 220 Toda, Königin von Navarra, Frau von Sancho I. Garcés 15, 221 Totmundo, Abt in San Cipriano de Porma bei León, Schreiber/Buchmaler 52, 249 Trasamundus, Abt 248 Urraca, Königin von Navarra, Frau von Sancho II. Garcés 59, 151, 153, 154, 156, 240 Urraca Garcés, Herzogin der Gascogne, Frau von Wilhelm (Guillén) Sanchez II. 219 Uztarroz, Juan Francisco Andrés de 257 Valentinianus III., Kaiser 155 Vázquez de Mármol, Juan 146, 147, 223 Venantius Fortunatus 100, 101, 115, 152, 255
420 Register
Veremundus, Schreiber/Buchmaler der Etymologien Sanchas 260 Victorinus von Pettau 33 Vigila, Buchmaler/Schreiber in San Martín de Albelda 38, 46, 47, 59, 60, 145–147, 149, 151, 152, 154, 156, 169, 208, 222, 223 Vimara, Buchmaler/Schreiber in Santa María y San Martín de Albares 100, 232, 233 Wandalbert von Prüm 110 Wilhelm (Guillén) Sanchez II., Herzog der Gascogne 219
Covarrubias (Prov. Burgos), Santos Cosme y Damián 245 Destriana (Prov. León), Michaelskloster 74 Destriana (Prov. León), San Salvador, Sandsteinplatte 79 Duero, Fluss 13, 241 Ebro, Fluss 13 Fuentes de Peñacorada (Prov. León), Pfarrkirche 73 Girona (Katalonien) 125, 128, 172, 253-254 Girona (Katalonien), Kathedrale Santa María 125 Guadamur (Prov. Toledo) 75
Yates Thompson, Henry 232 Iregua (La Rioja), Fluss 221 Orte Das Ortsregister enthält gleichfalls Flüsse, die für die Verortung der hier behandelten Klöster und Ereignisse relevant sind. Albares de la Ribera (Prov. León), Santa María y San Martín 64, 232 Arlanza, Fluss 241 Astorga (Prov. León) 60, 65, 73, 74 Bamba (Prov. Valladolid) 74 Baños de Cerrato (Prov. Palencia), San Juan 79 Baños de Valdearados (Prov. Burgos) 103 Barcelona (Katalonien), Museo de Arte de Cataluña, Apsisausmalung von Santa Eulalia de Estaon 159 Beaumont-de Ventoux (Dép. Vaucluse), Saint-Sépulcre 53 Bendones (Asturien), Santa María 166, 167 Bollène (Dép. Vaucluse), Saint-Blaise de Bauzon 53 Burgo de Osma (Prov. Soria), Villa de Uxama 104 Burgos (Kastilien-León) 17, 18, 90, 192, 233, 241 Burgos (Kastilien-León), Santa María la Real de Las Huelgas 17 Carrión (Prov. Palencia), Fluss 239 Carrión de los Condes (Prov. Palencia), San Zoilo 239 Catoira (Prov. Pontevedra), Torres de Oeste 75 Celanova (Prov. Orense), San Salvador 165 Chur 117 Cluny 17, 18, 193, 199, 219 Conques, Sainte-Foy, A-förmiges Reliquiar 50 Córdoba (Andalusien) 12, 51, 89, 90, 139–141, 169, 195, 216, 243 Córdoba (Andalusien), Moschee 141, 142, 212 Covadonga (Asturien) 70
Köln, St. Maria ad Gradus 85, 121 Konstantinopel 41 Konstantinopel, Hagia Sophia 112 Laon (Hauts-de-France), Saint-Jean 180 Lebeña (Kantabrien), Santa María 164, 168 León (Kastilien und León) 52–53, 63, 72, 73, 91, 100, 123, 126, 140, 157, 165, 195, 210, 211, 228, 230, 232, 245, 248, 249, 262, 263 León (Kastilien und León), San Isidoro, Panteón de los Reyes 37, 60, 63, 100, 191, 244, 252 León (Kastilien und León), San Salvador de Palat de Rey 74, 165 Liédena (Prov. Navarra), Villa Romana 104 Logroño (La Rioja), Colegiata de Santa María de La Redonda 145, 221 Lugo (Galicien) 12 Madīnat-az-Zahrā (Prov. Córdoba), Palaststadt 141 Mansilla de la Sierra (Prov. La Rioja), Immaculada Concepción, Kreuz 73 Madrid 11, 14, 17, 22, 32, 42, 49, 64–66, 70, 73, 98–100, 105, 145, 147, 158, 178, 187, 201, 217, 227, 228, 230, 234, 241, 247, 255, 256, 261 Madrid, Biblioteca Nacional de España 217, 243 Mainz 184 Medinaceli (Prov. Soria) 27 Mérida (Extremadura) 27 Mondego (Fluss) 75 Montes de Valdueza (Prov. León), Santa Cruz 74 Najera (Prov. La Rioja), Santa María la Real 17 Nora (Asturien), San Pedro 167
Orte 421
Orléansville (Ech Cheliff/Algerien), Reparatus-Basilika, Fußbodenmosaik 114 Oviedo (Asturien) 52, 64, 78, 79, 189, 214, 259 Oviedo (Asturien), San Julián de los Prados/Santullano 80, 104 Oviedo (Asturien), San Miguel de Liño 166 Oviedo (Asturien), San Salvador 62, 64, 259, 260 Oviedo (Asturien), San Salvador, Cámara Santa, Cruz de los Ángeles 62, 67 Oviedo (Asturien), San Salvador, Cámara Santa, Cruz de la Victoria 69, 75 Oviedo (Asturien), Wasserstelle 78, 79 Pamplona (Navarra) 52, 219 Paris, Bibliothèque nationale de France 220, 235 Paris, Saint-Germain-des-Prés 110 Pedrosa de la Vega (Prov. Palencia), Villa Romana La Olmeda 104 Plasencia (Prov. Cáceres), San Vicente 217 Porto 75 Priesca (Asturien), San Salvador 82–83, 166, 167 Quintanilla de las Viñas (Prov. Burgos), Santa María 66 Quicena (Prov. Huesca), Castillo Abadía de Montearagón 258 Regensburg, St. Emmeram 120, 182, 183, 185 Roda (Prov. Huesca), San Vicente 53 Sahagún (Prov. León), Domnos Santos/Santos Facundo y Primitivo 12, 14, 42, 49, 105, 216 St. Mullins (County Carlow) 57 Saint-Sever-sur l‘Adour (Dép. Landes) 21,173, 175, 219, 220 Salamanca (Kastilien und León), Colegio Viejo de San Bartolomé 188, 238 Salas (Asturien), San Martín de Salas 78, 79 Salas (Asturien), Torre del Castillo de Valdés-Salas 79 Saldaña (Prov. Palencia) 70, 111, 239 Samos (Prov. Lugo), San Salvador 83 San Cebrián de Mazote (Prov. Valladolid) 164, 168 San Cipriano de Porma (Prov. León) 52, 249 San Juan de Baños de Cerrato (Prov. Palencia) 79, 140 San Lorenzo de El Escorial (Prov. Madrid) 62, 145, 223, 226, 247, 258–262 San Martín de Albelda (La Rioja) 12, 14, 16, 17, 22, 33, 38, 102, 124, 145, 153, 162, 210, 221, 222 San Martín de Salas (Asturien) 78, 79 San Miguel de Celanova (Prov. Ourense) 164
San Miguel de Escalada (Prov. León) 9, 12, 16, 53, 126, 140, 165–167, 175, 231, 232 San Millán de la Cogolla (La Rioja) 12, 14–18, 32, 39, 46, 59, 64–66, 70, 100, 111, 117, 120, 122, 145, 156, 158, 160, 167–169, 187, 193, 210, 224, 225, 227, 234, 256, 257 San Pedro de Berlangas/Valeránica (Prov. Burgos) 16, 22, 234, 241 San Pedro de Cardeña (Prov. Burgos) 17 San Pedro de Nora (Asturien) 167 San Prudencio de Laturce (La Rioja) 102 San Salvador de Celanova (Prov. Orense) 165 San Salvador de Priesca (Asturien) 82, 83, 166, 167 San Salvador de Samos (Prov. Lugo) 83 San Salvador de Valdediós (Asturien) 78, 82, 104, 166, 167 Santa Cristina de Lena (Asturien) 164, 165 Santa Eulalia de Estaon (Prov. Pollars Sobirá) 159 Santa María de Bendones (Asturien) 166, 167 Santa Maria de Cadins de Salt (Prov. Girona) 254 Santa María de Lebeña (Kantabrien) 164 Santa María y San Martín de Albares (Prov. León) 64, 232 Santander (Kantabrien) 234 Santiago de Compostela (Galicien) 38, 210, 225, 263, 264 Santiago de Compostela (Galicien), Kathedrale, Cruz de Santiago (verschollen) 75 Santiago de Compostela (Galicien), San Martín Pinario 264 Santiago de Peñalba (Prov. León), San Salvador 16, 72, 74, 83, 140, 141, 164, 167, 168 Santianes de Pravia (Asturien) 89, 90, 95, 114, 166 Santo Domingo de Silos (Prov. Burgos) 12, 18, 22, 32, 106, 110, 157, 174, 185, 189, 193, 195, 197, 199, 210, 233, 234, 238 Segovia (Kastilien und León) 234 Sevilla (Andalusien) 143, 234 Soest, Dominikanerinnenkloster 100 Soissons (Dép. Aisne), Saint-Médard 120 Soria (Kastilien und León) 104 Tábara (Prov. Zamora), Santa María 74, 228 Tábara (Prov. Zamora), San Salvador 9, 12, 53, 126, 140, 161, 165, 228–231, 253 Toledo (Kastilien-La Mancha) 27, 39, 75, 170, 193, 199 Toledo (Kastilien-La Mancha), Biblioteca Capitular 251 Toledo (Kastilien-La Mancha), Kathedrale 170, 148 Tordómar (Prov. Burgos), San Pedro de Berlangas/ Valeránica 22, 234, 241
422 Register
Tours (Dép. Indre-et-Loire) 108, 121, 131 Tours (Dép. Indre-et-Loire), Saint-Martin 86 Trier, St. Martin 183, 185 Trier, St. Maximin 185 Tuñón (Asturien), San Adriano 167
Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, MA 55 (Evangeliar) 116 Burgo de Osma, Archivo de la Catedral, Cod. 1 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = Osma-Beatus) 49, 54, 111, 218
Ulla, Fluss 75
Cava de’ Tirreni, Biblioteca dello stato, Ms. 1 [14] (Bibel) 16 Córdoba, Biblioteca Capitolar, Ms. 1 (Smaragdus von Saint-Mihiel, Collectiones in epistolas et in evangelia/ Liber Comitis = Codex Smaragdus) 101, 120, 122, 186, 243 Córdoba, Biblioteca Capitular, Ms. 123 (Álvarus von Córdoba, Indiculus luminosus) 139, 140
Valcavado (Prov. Saldaña), Kloster 16, 64, 70, 111, 239, 240 Valladolid (Kastilien und León), Universitätsbibliothek 240 Valladolid (Kastilien und León), Santa Cruz 240 Vic (Prov. Barcelona), Sant Pere 53 Viguera (Prov. La Rioja), San Esteban 166 Vorau (Steiermark), Augustiner-Chorherenstift 182 Zamora (Kastilien und León) 74, 228 Zillis (Graubünden), St. Martin, Bilderdecke 113
Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Cod. 1640 (Evangeliar) 176 Dublin, Trinity College, A. 4. 5. [57] (Book of Durrow) 9, 63, 120 Dublin, Trinity College, Ms. 60 (Book of Mullings) 57
Handschriften Aachen, Domschatzkammer, Inv.-Nr. 4 (SchatzkammerEvangeliar) 120 Augsburg, Universitätsbibliothek Cod. I.2.4° 2 (Evangeliar) 95 Autun, Bibliothèque Municipale, Ms. 3 (Evangeliar) 123 Bamberg, Staatsbibliothek, Msc.Bibl.1 (Bibel) 121 Bamberg, Staatsbibliothek, Msc.Bibl.22 (Canticum Canticorum glossatum, Proverbia Salomonis glossata, Danihel glossatus) 122 Bamberg, Staatsbibliothek, Msc.Bibl.76 (Isaias glossatus) 176 Bamberg, Staatsbibliothek, Msc.Bibl.94 (Evangeliar) 85 Barcelona, Arxiu de la Corona d’Aragó, Ripoll 42 (Boethius, De consolatione philosophiae) 91 Barcelona, Arxiu de la Corona d’Aragó, Ripoll 46 152 Barcelona, Arxiu de la Corona d’Aragó, Ripoll 74 152 Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. fol. 283 (Evangeliar) 184 Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. fol. 561 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin) 7, 21 Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. Hamilton 553 (Psalter) 180 Bern, Burgerbibliothek, Cod. 212 (Codex Bernensis) 152 Bern, Burgerbibliothek, Cod. 219 (Hieronymi Chronicon) 95
Etschmiadzin, Bibliothek des Patriachats, Ms. 229 (Evangeliar) 134 Florenz, Biblioteca Laurenziana, Ms. Ashburnham 17 (Ildefons von Toledo, De virginitate) 12, 39 Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale, B.R. 231 (Sakramentar) 122 Genf, Bibliothèque de Genève, Ms. Lat. 357 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin) 173 Gießen, Universitätsbibliothek, Cod. 660 (Evangeliar) 160 Girona, Archivo Capitular, Ms. 7 (Ms. 41) (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = Girona-Beatus) 12, 22, 27, 35, 48, 49, 54–56, 63, 66, 69, 71, 84, 85, 125–134, 136–140, 142–144, 163, 173, 174, 179, 189, 192, 200, 205, 207, 211, 214, 253 Hildesheim, Dom-Museum, Inv.-Nr. DS 37 (RatmannSakramentar) 180 Istanbul, Universitätsbibliothek, A6755 (Koran) 51 Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Hs. 143 (Everger-Lektionar) 97 Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Hs. 1001a (Evangeliar) 85–87 Köln, Historisches Archiv, Ms. W 312 (Evangeliar) 85, 184
Handschriften 423
León, Archivo Catedralicio, Ms. 6 (Bibel aus Albares) 64, 70, 98, 100, 105, 109, 120, 123, 210, 232 León, Archivo Catedralicio, Ms. 8 (Antiphonar aus León) 70, 97, 109, 248 León, Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 1 (Gregorius Magnus, Moralia in Iob = Moralia in Iob in León) 91, 100, 252 León, Real Colegiata de San Isidoro, Ms. 2 (Bibel aus Valeránica) 37, 49, 50–52, 54–56, 93, 120, 124, 214, 244 London, BL, Ms. Add. 11695 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = Silos-Beatus) 22, 35, 36, 65, 71, 72, 78, 91, 98, 100, 104–106, 111, 112, 124, 131, 174, 175, 179, 185, 187–190, 192–197, 199, 200, 206–208, 210, 214, 235 London, BL, Ms. Add. 30848 (Breviar) 194 London, BL, Ms. Add. 30853 (Homiliar) 196 London, BL, Ms. Add. 49598 (Benediktionale) 83 London, BL, Ms. Add. Or. 12137 (Evangeliar) 64 London, BL, Ms. Cotton Nero D.iv (Lindisfarne Gospels) 9, 63 London, BL, Ms. Cotton Vespasian A.viii (New Minster Charter) 9 London, BL, Ms. Egerton 1139 (Melisende-Psalter) 10 London, BL, Ms. Egerton 1821 (Andachtsbuch) 41 London, BL, Ms. Harley 647 (Aratea) 143 Madrid, AHN, Cod. 1097B (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = Tábara-Beatus) 17, 38, 49, 126, 140, 142, 151, 152, 194, 200, 228 Madrid, BNE, Ms. 80 (Gregorius Magnus, Moralia in Iob = Moralia in Iob aus Valeránica) 22, 47–51, 55, 66, 88–91, 96, 98, 103, 112, 124, 128, 136, 137, 185, 200, 241 Madrid, BNE, Ms. 494 (A. 76) (Vitae Sanctorum) 98, 101, 105, 115, 255 Madrid, BNE, Ms. 1872 (Collectio Conciliorum) 42, 105, 107, 217 Madrid, BNE, Ms. 10007 (Vitae Patrum) 105, 247 Madrid, BNE, Ms. 12742 (Razón de códices conciliares) 147 Madrid, BNE, Ms. Vitr. 13-2 (Biblia Hispalense) 11 Madrid, BNE, Ms. Vitr. 14-2 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = Beatushandschrift Ferdinands I.) 49, 54, 65, 69, 88, 91, 96, 98, 99, 261 Madrid, Instituto Valencia de Don Juan, Inv. 4251 (Bucheinband) 32 Madrid, Museo Arqueológico Nacional, Ms. 2 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin) 17, 194
Madrid, RAH, Ms. 22 (Liber Commicus) 18, 65, 71-72, 120, 122, 182, 187, 193, 227 Madrid, RAH, Ms. 25 (Isidorus Hispalensis, Etymologiae) 158 Madrid, RAH, Ms. 26 (Liber Commicus/Liber Scintillarum) 70 Madrid, RAH, Ms. 29 (Augustinus, De civitate dei) 201 Madrid, RAH, Ms. 31 (Glossarium Latinum) 14, 59 Madrid, RAH, Ms. 33 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = San Millán-Beatus) 64, 65, 67, 71, 73, 256 Madrid, RAH, Ms. 34 (Liber Iudicium) 158 Madrid, RAH, Ms. 39 (Miscellanea) 235 Madrid, RAH, Ms. 76 (Isidorus Hispalensis, Etymologiae) 158 Manchester, John Rylands University Library, Ms. lat. 8 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin) 17, 128, 194 Modena, Biblioteca Capitulare, Ord. I.2 (Liber legum) 155 München, BStB, Clm 4452 (Perikopenbuch) 85 München, BStB, Clm 4456 (Sakramentar) 86 München, BStB, Clm 6424 (Lektionar) 63 München, BStB, Clm 14000 (Evangeliar) 120, 182 München, BStB, Clm 19408 (Benediktregel) 19, 63 New York, PML, M. 429 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin) 17, 194 New York, PML, Ms. M. 644 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = Morgan-Beatus) 9, 44, 78, 93, 105, 111, 126, 134, 140, 142, 161, 173, 175, 210, 230 New York, PML, Ms. M. 1079 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = Fanlo-Beatus) 98, 104, 109, 257 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 156142 (Evangeliar) 179, 181 Paris, BnF, Ms. lat. 1 (sogen. Vivian-Bibel od. Bibel Karls d. Kahlen) 58, 108, 121, 131, 160 Paris, BnF, Ms. lat. 266 (Evangeliar) 120 Paris, BnF, Ms. lat. 817 (Sakramentar) 184 Paris, BnF, Ms. lat. 1141 (Sakramentar) 122 Paris, BnF, Ms. lat. 4404 (Breviarium Alarici) 155 Paris, BnF, Ms. lat. 4667 (Liber Iudicium) 172 Paris, BnF, Ms. lat. 8850 (Evangeliar) 120 Paris, BnF, Ms. lat. 8851 (Evangeliar) 9, 121 Paris, BnF, Ms. lat. 8878 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = Saint-Sever-Beatus) 21, 49, 105, 116, 128, 137, 173, 175-180, 219
424 Register
Paris, BnF, Ms. lat. 9380 (Bibel) 57, 86 Paris, BnF, Ms. lat. 12168 (Augustinus, Quaestiones in Heptateuchum) 63 Paris, BnF, Ms. lat. 13013 (Beda, De natura und De tempore) 110 Paris, BnF, Ms. N.a.l. 1203 (Godescalc-Evangelistar) 86, 121 Paris, BnF, Ms. N.a.l. 2169 (Isidorus Hispalensis, Etymologiae = Etymologien aus Silos) 91, 106, 110, 112, 193, 234 Paris, BnF, Ms. N.a.l. 2171 (Liber Commicus) 188 Paris, BnF, Ms. graec. 510 (Gregor von Nazianz, Homilien) 41 Prag, Kapitulini Knihovna, Cim. 2 (Evangeliar) 121 Prag, Kloster Strahov, Bibliothek, MS DF III 3 (Evangeliar) 183, 184 Rabat, Bibiothèque Royale, Ms. 1810 (Koran) 51 Rom, BAV, Ms. Vat. gr. 1208 (Apostelakten, Epistel, Apokalypse) 134 Rom, BAV, Ms. Vat. Reg. lat. 438 (Wandalbert von Prüm, Martyrologium) 110 San Lorenzo de El Escorial, Cod. A.l.13 (Miscellanea, u.a. Vita Constantini) 67 San Lorenzo de El Escorial, Cod. A.ll.9 (Miscellanea, u.a. Vita Constantini) 67 San Lorenzo de El Escorial, Cod. A.III.10 (Bibel) 119 San Lorenzo de El Escorial, Cod. D.I.1 (Codex Aemilianense) 39-43, 46, 56, 65, 67, 69, 71, 76, 87, 91, 108, 115, 117, 118, 124, 134, 145, 149, 152, 155–157, 159, 160, 162, 169, 172, 187, 191, 193, 195, 196, 201, 203, 208, 225 San Lorenzo de El Escorial, Cod. D.I.2 (Codex Albeldense) 22, 33, 35, 38–44, 46, 47, 59, 60, 64, 66, 67, 69, 71, 76, 87, 98, 101, 102, 104, 106, 108, 113, 114, 117, 124, 125, 134, 145–154, 156–160, 162, 163, 168–173, 192, 196, 203–208, 210, 213, 221 San Lorenzo de El Escorial, Cod. P.l.7 (Isidorus Hispalensis, Etymologiae= Etymologien Alfons III.) 64, 94, 109, 259 San Lorenzo de El Escorial, Cod. P.l.8 (Isidorus Hispalensis, Etymologiae) 64, 94, 109 San Lorenzo de El Escorial, Cod. T.ll.25 (Isidorus Hispalensis, Sententiarum) 64, 94, 109
San Lorenzo de El Escorial, Cod. &.II.5 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin) 111, 160, 172 San Lorenzo de El Escorial, Cod. &.l.3 (Isidorus Hispalensis, Sententiarum) 71, 260 Sankt Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 196 (Venantius Fortunatus, Gedichte; Symphosius, Aenigmata) 100, 152 St. Petersburg, Russische Nationalbibliothek, Ms. lat. Q. v. l. 14 (Gregorius in Ezechielem) 63 Santiago de Compostela, Biblioteca Universitaria (Biblioteca Xeral), Ms. 609 (Ms. Res. 1) (Liber Psalmorum) 38, 49, 54, 58, 59, 97, 108, 211, 263 Sélestat, Bibliothèque Humaniste, Ms. 14 (Miscellanea) 50 Sofia, Nationalbibliothek, D. gr. 282 (Gregor von Nazianz, Homilien) 41, 95 Solothurn, St. Ursus, Cod. U1 (Sakramentar) 97 Toledo, Biblioteca Capitular, Ms. 11-4 (Gregorius Magnus, Moralia in Iob = Moralia in Iob in Toledo) 64, 68–71, 93, 250 Toledo, Biblioteca Pública del Estado, Ms. 381 (Miscellanea) 199 Trier, Stadtbibliothek, Cod. 24 (Codex Egberti) 121 Uppsala, Universitätsbibliothek, Cod. 93 (Evangeliar) 176 Urgell, Museu Diocesà, Cod. 501 (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = Urgell-Beatus) 111 Valladolid, Universidad, Ms. 433 (R. 398]) (Beatus Liebanensis, Tractatus de Apocalipsin = ValcavadoBeatus) 64, 70, 71, 74, 77, 78, 102, 105, 111, 142, 210, 239 Vercelli, Biblioteca Capitulare, Cod. CLXV (Kanonistische Sammelhandschrift) 155 Wien, ÖNB, Cod. 1861 (Psalter) 50 Wien, ÖNB, Cod. 2554 (Bible moralisée) 41 Wien, ÖNB, Cod. 2687 (Otfried von Weißenburg, Evangelienharmonie) 110 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 113 Noviss. °4 (Psalter) 180 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 3.1. Aug. 2° (Sachsenspiegel) 41