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German Pages 424 Year 2018
Katja Gunkel Der Instagram-Effekt
Image | Band 139
Katja Gunkel (Dr. phil.), geb. 1981, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Neue Medien am Institut für Kunstpädagogik der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ihre Promotion entstand im Rahmen des von der VolkswagenStiftung geförderten Verbundprojekts »Konsumästhetik – Formen des Umgangs mit käuflichen Dingen«. Schwerpunkte ihrer Forschung und Lehre sind Bild- und Medienwissenschaften sowie Pop- und Internetkultur.
Katja Gunkel
Der Instagram-Effekt Wie ikonische Kommunikation in den Social Media unsere visuelle Kultur prägt
Diese Arbeit wurde als Dissertation am Fachbereich 09 (Sprach- und Kulturwissenschaften) der Goethe Universität Frankfurt am Main eingereicht und verteidigt. Die Promotion wurde von der VolkswagenStiftung gefördert und entstand im Rahmen des Verbundprojekts »Konsumästhetik – Formen des Umgangs mit käuflichen Dingen«.
Die Publikation erscheint mit freundlicher Unterstützung der VolkswagenStiftung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. D.30 © 2018 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Druck: docupoint GmbH, Magdeburg Print-ISBN 978-3-8376-4445-6 PDF-ISBN 978-3-8394-4445-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt Danksagung | 11 1
„Look at this Instagram“ – eine Einleitung | 13
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Methodologie zur Analyse der Konsum|Bild|Ästhetik mobiler Mediensoftware | 41
1.1 Das Smartphone als tragbare Meta-Medien-Maschine | 18 1.2 The Pencil of Instagram – Mobile ikonische Kommunikate und automatisierte Ästhetisierungsprozesse | 23 1.3 Konsumästhetische Rahmung | 32
2.1 Mobile digitale Medienartefakte – eine theoretische Einfassung | 45 2.1.1 Konfigurierbares Kompositum: Deep remixability, Photoshop und die Logik digitaler Bildlichkeit | 50 2.2 Flüchtige Daten: Quellenkritik und methodische Herausforderungen des mobilen digitalen Bilds – ein Problemaufriss | 54 2.2.1 Update – Volatilität von Software als heuristisches Instrument | 58 2.3 Software als Ware – Analyse des Markenauftritts und seiner Fiktionswerte | 60 2.4 „The Stories Digital Tools Tell“ – Software als inmaterielle Praxis | 69 2.4.1 Close reading mobiler Mediensoftware | 74 2.5 De/Konstruktion der visuellen Effektschablonen | 82 3
Analyse der Fallbeispiele Hipstamatic und Instagram | 93
3.1 Vorgelagerte Analyse des Kommunikationskonzepts | 101 3.1.1 Wort | Digital-Analog-Konverter und Instant-Beautifier | 101 3.1.2 Bild | Hipstereskes Gadget und Bilddiagramm | 105 3.1.3 Wort-Bild | Zusammenfassung und Aktualisierung: Lomografie 2.0 und Kunstmaschine | 111 3.2 Interfacedesign und medienstruktureller Aufbau | 117 3.2.1 Instagram – Version 3.4.1 und 4.1.2 | 117 3.2.2 Hipstamatic – Version 262 und 271 | 135 3.2.3 Ergebnisse und Aktualisierung | 152 3.3 Visual Effects deconstructed – Dekomposition der Stilmittel | 172 3.3.1 Instagram – Stilelemente der Grafikfilter | 172 3.3.2 Hipstamatic – Grafische Presets in disguise | 192
3.3.3 Visuelle Effektfilter als temporales wie temporäres „Ge-Schichte“ – ein Fazit | 202 4
Remediation – Perspektivierung auf die medialen Vor-Bilder Polaroid und Lomografie | 211
4.1 Polaroid | 215 4.1.1 Das Polaroid-Prinzip – ‚Picture-in-a-minute‘ und ‚One-step-photography‘ | 218 4.1.2 Das Polaroid als Bild-Objekt und visuelles Schema: Die SX-70-Technologie | 221 4.1.3 Imperfekte Attribute und die Eigenwilligkeit des Mediums | 229 4.1.4 Technik als Arkanum: Fotografische Attraktionen und der Ereignischarakter instantaner Bildwerdung | 231 4.1.5 Ephemeres Unikat – Prekarisierung und posthume Glorifizierung des Polaroids | 235 4.1.6 Das Multiple Polaroid-Mosaik als plurale Bildform | 238 4.2 Lomografie | 240 4.2.1 Entstehungsgeschichte der Lomografischen Bewegung | 241 4.2.2 Die Zehn Goldenen Regeln – Diskursive Naturalisierung einer Konsumästhetik | 245 4.2.3 Das Oxymoron der „spontanen Chronik“ – Lomografie im Kontext der Schnappschusstradition | 259 4.2.4 Fetischisierung des alten Objekts: LC-A als Nukleus des lomografischen Dinguniversums | 262 4.2.5 Nobilitierung imperfekter Bildästhetiken | 265 4.2.6 Kollektive Kartografie und polyperspektivischer Bilderatlas | 271 4.3 Fazit und Perspektivierung auf das mobile digitale Bild | 289 4.3.1 Fotorealismus als Vorbild und Fetisch digitaler Darstellung | 289 4.3.2 Polaroid und Lomografie als Antipoden des Digitalen – eine Zusammenfassung | 293 4.3.3 Transfer auf die Fallbeispiele – einige Überlegungen | 301 5
#instamood – Be-Stimmbarkeit als Leitkonzept mobiler ikonischer Kommunikate | 305
5.1 Farbe als semiotische Ressource und zentrales Element bildhafter (Selbst-)Kommunikation | 311 5.2 Kolorit als apparatives Readymade | 324 5.3 „Pictorial Gaze“ – Ästhetik des Pittoresken und instantane Sinn-Bild-Werdung der Realität | 327
6
Zusammenfassung | 337
7
Bewertung und Ausblick | 353
8
Verzeichnisse | 363
9
Quellentexte | 401
8.1 Literatur | 363 8.2 Internet | 382 8.3 Bilder | 393 8.3.1 Abbildungen (Abb.) | 393 8.3.2 Bildtableaus (Tab.) | 395
„There’s nothing a little Valencia can’t fix.“ @mytherapistsays
Danksagung
Mein ganz herzlicher Dank gilt all jenen, die mich und dieses Projekt in den vergangenen Jahren auf unterschiedlichste Weise begleitet, unterstützt und sowohl meine Launen als auch meine mentale wie physische Abwesenheit mit stoischer Ruhe und Milde ertragen haben. Danken möchte ich zuallererst und insbesondere meiner Erstgutachterin und langjährigen Mentorin Birgit Richard für ihre wertvollen Ratschläge, die beharrliche Unterstützung und fürsorgliche Betreuung. Für sein Interesse und die Bereitschaft zur Begutachtung dieser Arbeit danke ich Georg Peez recht herzlich. Mein Dank gilt ebenso Heinz Drügh für das kurzfristige wie unkomplizierte Einverständnis zur Übernahme des Drittgutachtens. Die Dissertation entstand im Rahmen des interdisziplinären Verbundprojekts Konsumästhetik. Formen des Umgangs mit käuflichen Dingen, das im Zeitraum von Januar 2013 bis Dezember 2015 an den Universitäten Frankfurt und Münster sowie der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe angesiedelt war. In diesem Zusammenhang möchte ich der VolkswagenStiftung, namentlich Vera SzöllösiBrenig, meinen Dank für die ideelle wie finanzielle Förderung des Promotionsvorhabens und der vorliegenden Publikation aussprechen. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich allen weiteren Beteiligten des Forschungsverbunds: Moritz Baßler, Wolfgang Ullrich sowie Simon Bieling, Melanie Horn, Annemarie Opp und Antonia Wagner. Gesondert zu nennen ist Eleni Blechinger, die mir als Kollegin innerhalb der dreijährigen Projektlaufzeit nicht nur meinen Arbeitsalltag versüßt und die eine oder andere Lachfalte beschert hat, sondern auch zu einer Freundin geworden ist. Gleiches gilt für Alexander Tilgner und den Rest der ‚Neumedialen‘: Anna Lena Heidrich, Jelena Jazo, Birte Svea Philippi, Marcus Recht und Harry Wolff – Danke für eure kollegiale Unterstützung, konstruktiven Anmerkungen und weisen Worte. Bedanken möchte ich mich ebenfalls bei allen Teilnehmenden des Doktorand*inn*en-Kolloquiums, die nicht müde wurden, meine Arbeitsfortschritte mit mir zu diskutieren.
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Für ihre Rücksichtnahme, Entlastung sowie die gewissenhafte Durchsicht und Korrektur der ersten Manuskriptversion danke ich Katharina Neugebauer und Katharina Dast. Kraft ihrer analytischen Gabe und ihres Organisationstalents hat speziell letztgenannte ein ums andere Mal den intellektuellen ‚Nebel‘ gelichtet und mir damit einen großen Dienst erwiesen. Sie war mir nicht nur wichtige Kritikerin, sondern auch wiederholt eine äußerst angenehme Bibliothekskomplizin. Meine aufrichtige Dankbarkeit gilt nicht zuletzt Jana Müller, die mir auf der Zielgeraden meiner Dissertation eine eminente Hilfe war und nicht nur die Nahrungsmittelversorgung sichergestellt, sondern auch das finale Ko-Lektorat bereitwillig auf sich genommen hat. Hannes Weiß danke ich sowieso für alles (isso), insbesondere jedoch für seine beispiellose Ausdauer und seinen liebenden Zuspruch; beides hat maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen – Danke *
Frankfurt, im Juni 2018
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„Look at this Instagram“ – eine Einleitung 1
Ein junger Mann in seinen Zwanzigern hält einen braunen, an den Rändern abgegriffenen Bilderrahmen in die Kamera, in dem sich ein farbiger Schnappschuss zweier Männer befindet, die in freundschaftlicher Umarmung, breit grinsend für die Kamera posieren (vgl. Abb. 1). Dass sie ausgelassener Stimmung sind, ist nicht nur mimisch unmissverständlich, sondern wird ebenso durch die gewählten Handgesten unterstrichen. Auch die neckisch von rechts in den Bildraum ragende und derart die Aufnahme sabotierende Hand einer weiteren Person charakterisiert den Entstehungskontext als ungezwungene Feier unter guten Freunden. Anhand der halblangen blonden Haare und des Bartes wird deutlich, dass es sich bei der links abgebildeten Person um dieselbe handelt, die einer imaginären Betrachtenden besagte Fotografie auffordernd entgegenstreckt. Beschrieben wurde ein Screenshot aus der ersten Einstellung des 2005 veröffentlichten Musikvideoclips zum Song Photograph der – insbesondere um die Jahrtausendwende populären – kanadischen Rockband Nickelback. Während der Sänger Chad Kroeger die erste – und wie sich zeigen wird, auch die bekannteste – Liedzeile „Look at this photograph“ intoniert, hält er simultan – quasi im Handlungsvollzug seiner Aufforderung – die oben beschriebene gerahmte Fotografie in die Kamera, auf der er selbst mit Joey Moi, dem Produzenten der Band, zu sehen ist. Gedreht wurde das Video in der kanadischen Heimatstadt der meisten Bandmitglieder, durch deren verlassene Straßen Kroeger in nachfolgenden Einstellungen alleine mit seiner Gitarre schlendert. Auf Ebene des Songtexts wird die Funktion der Fotografie für die handlungsmotivierende autobiografische Retrospektive des Protagonisten expliziert, dient ihm das besungene, auf 1
Im Kontext der vorliegenden Arbeit wird zum Zwecke der leichteren Lesbarkeit die männliche Sprachform verwendet. Dies impliziert jedoch keinesfalls eine Benachteiligung nicht-männlich identifizierter Subjekte, sondern ist im Sinne einer sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen.
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dem Schlafzimmerboden verstreut liegende Fotoalbum – „I have the photo album spread out on my bedroom floor“ 2 – doch als Erinnerungsstütze für die rezitierten Episoden aus Kindheit und Jugend. Bis heute führt jene erste Einstellung des Videoclips online ein vitales Nachleben. Als Look-at-this-photograph-Mem 3 bekannt, hat das ursprüngliche Bildmaterial verschiedenste parodistische Transformationen erfahren. 4 Die gleiche Geste, sieben Jahre später. In einer 2012 auf YouTube veröffentlichten und bis dato 8.084.375 Mal 5 aufgerufenen Parodie des Musikvideos präsentiert ein ebenso junger Mann der Kamera gleichwohl ein gänzlich anderes Medium (vgl. Abb. 2). Parallel zur ersten, ebenfalls vom Protagonisten gesungenen sowie in gelben Lettern als Untertitel zu lesenden Textzeile „Look at this Instagram“ reinszeniert er Kroegers auffordernde Geste zeitgemäß mit einem weißen iPhone in der linken Hand, dessen Bildschirm mittig eine schwarz umrandete, quadratische Fotografie zu sehen gibt. Aus der Obersicht wurde ein weißer Teller vor dunkelblauem Untergrund fotografiert, auf dem – wie der begleitende 2
PHOTOGRAPH (2005, Nickelback, Regie: Nigel Dick), 4:21 min., https://www. youtube.com vom 26.10.2009, https://www.youtube.com/.watch?v=BB0DU4DoPP4 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Die zitierte Textzeile ist Bestandteil des Refrains: „Every memory of lookin’ out the back door. I have the photo album spread out on my bedroom floor. It’s hard to say it, time to say it, good bye, good bye.“ Ebd., 01:00 min.
3
Die Genealogie des Mems lässt sich über die Online-Datenbank KnowYourMeme nachvollziehen. http://knowyourmeme.com/memes/nickelback-photograph (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018)
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Bildelemente unterschiedlichster Provenienz werden in einem experimentellen wie unabgeschlossenen kollektiven Prozess der De- und Rekonstruktion – ähnlich der ästhetischen Strategie der bricolage bzw. dem künstlerischen Prinzip des cut and mix – zu etwas Neuem synthetisiert. Im vorliegenden Fall tauschen die mithilfe digitaler Bildbearbeitung entstandenen Fotomontagen zumeist die gerahmte Fotografie aus, um hierdurch alternative Bedeutungen bzw. Sinndimensionen zu generieren. Vgl. zu Memen allgemein Shifman, Limor: Meme. Kunst, Kultur und Politik im digitalen Zeitalter, Frankfurt a.M. 2014. Bezüglich ihrer ikonoklastischen und emotional entlastenden Funktion vgl. Ullrich, Wolfgang: Inverse Pathosformeln. Über Internet-Meme, http://www.pop-zeitschrift.de vom 15.10.2015, http://www.pop-zeitschrift.de/2015/ 10/15/social-media-oktobervon-wolfgang-ullrich15-10-2015/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Vgl. LOOK AT THIS INSTAGRAM (NICKELBACK PARODY) (2012, CollegeHumor), 2:54 min., http://www.youtube.com vom 10.12.2012, https://www.youtube.com/watch?v= Nn-dD-QKYN4 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
Einleitung | 15
Songtext sogleich auflöst – eine noch unberührte Portion Eggs Benedict nebst Dosenwurst und seitlich drapiertem Besteck ihrem Verzehr harrt. Als eine Form des Metabilds 6 ist die gewählte Bild-im-Bild-Darstellung prädestiniert für Umcodierung und Transformation der enthaltenen Bildebenen. Hinsichtlich des innerbildlich jeweils inszenierten fotografischen Repräsentationsmediums lassen sich mithilfe einer vergleichenden Betrachtung zwei signifikante Unterschiede zwischen den beiden Videostills ausmachen: In der Neuinterpretation von CollegeHumor hat sich zum einen ein Medienwechsel vollzogen, zum anderen ist das Sujet der fotografischen Abbildung gattungsmäßig ein gänzlich anderes – anstelle einer fotografischen Portraitaufnahme gilt die Aufmerksamkeit nun einem kargen und wenig ansprechend inszenierten Frühstücksstillleben. Pointiert visualisiert dieser Bildvergleich jene Veränderungen, die das fotografische Bild im Verlauf der jüngsten technologischen Entwicklungen ereilt haben. Im Zuge ihrer Digitalisierung löst sich die Fotografie aus dem vormals festen Gefüge mit einem physischen Bildträger – als digitalisiertes oder digital erzeugtes fotografisches Bild manifestiert sie sich, das entsprechende Dateiformat sowie eine hierzu kompatible Software vorausgesetzt, temporär auf verschiedensten bildgebenden Interfaces. Der Wechsel der Einstellungsgrößen, von der Nah- zur Großaufnahme, korrespondiert hierbei mit der Miniaturisierung des jeweiligen Repräsentations- bzw. Trägermediums des fotografischen Bilds. Referenziert der autodiegetische Einsatz der Fotografie im Nickelbackvideo noch deren traditionelle Funktion als konservierendes Medium der Dokumentation und Erinnerung 7, steht das innerhalb Social Media 8 populäre foodstagram9 6
Vgl. Mitchell, William J.T.: Bildtheorie, Frankfurt a.M. 2008, S. 172-236, hier insb. S. 181.
7
Das gezeigte Doppelportrait zweier Freunde dient als visuelle Erinnerungsspur und
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Unter Rekurs auf die allgemeine Definition von Andreas Kaplan und Michael Haen-
initiiert die nostalgische Rückschau des Protagonisten. lein wird unter dem Sammelbegriff Social Media nachfolgend jener Teilbereich internetbasierter Anwendungen verstanden, der auf dem ideologischen wie technologischen Fundament des Web 2.0 beruht und demnach Herstellung wie Austausch nutzergenerierter Inhalte ermöglicht. Den Autoren zufolge lassen sich Social-MediaAnwendungen anhand ihrer ‚sozialen Präsenz‘ – d.h. über die Qualität des Kontaktes, den sie zwischen zwei Usern ermöglichen – sowie hinsichtlich ihrer Medienreichhaltigkeit bzw. Informationsdichte klassifizieren. Als weiterer Faktor zur Typisierung von Social Media dient der Grad an Selbstenthüllung, die von den Nutzern verlangt wird. Vgl. Kaplan, Andreas/Haenlein, Michael: Users of the World, Unite! The Challenges and Opportunities of Social Media, in: Business Horizons 53 (2010), S. 59-68,
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demgegenüber primär im Dienste der visuellen Kommunikation in Echtzeit. Die Kombination von entgrenzter digitaler Bildproduktion und maximaler Bildmobilität, wie sie internetfähige Mobilgeräte ermöglichen, verändert auf fundamentale Weise die Zeitökonomie des fotografischen Bilds. Nunmehr einem Informations- bzw. Kommunikationsprimat unterworfen, beziehe das mobile digitale Bild 10 nach Diagnose Wolfgang Ullrichs seine temporäre Bedeutung vorrangig aus seiner Gegenwärtigkeit und stehe somit im Dienste von im Präsens formulierten, situativen (Ich-)Botschaften mit kurzer Halbwertszeit. 11
hier S. 61 f. Online abrufbar unter: http://michaelhaenlein.eu/Publications/Kaplan,%2 0Andreas%20-%20Users%20of%20the%20world,%20unite.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 9
Als Kofferwort aus dem englischen Substantiv food und der letzten Silbe des Markennamens Instagram bezeichnet foodstagram zumeist mittels Smartphone aufgenommene, digitale Fotografien von Essen, die auf cloudbasierte Social-Media-Anwendungen – insbesondere auf das namensgebende Instagram – hochgeladen werden. Der Begriff gibt somit Auskunft über motivische Spezifika sowie über Produktions- und Distributionsweisen der derart bezeichneten Bilder.
10 Für eine Definition vgl. Kap. 2. 11 Vgl. Ullrich, Wolfgang: Die Rückkehr der Aura in der Handy-Fotografie. InstantGlück mit Instagram, http://www.nzz.ch vom 10.06.2013, http://www.nzz.ch/aktuell/ feuilleton/uebersicht/instant-glueck-mit-instagram-1.18096066 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Am konsequentesten wurde das Prinzip ephemerer Kommunikation in der ursprünglichen Konzeption des bildbasierten Instant-Messaging-Diensts Snapchat umgesetzt.
Einleitung | 17
Abbildung 1: Still aus dem Musikvideo „Photograph“(2005)
Abbildung 2: Die gleiche Einstellung in der Parodie „Look at this Instagram“ (2012)
18 | Der Instagram-Effekt
1.1 DAS SMARTPHONE ALS TRAGBARE META-MEDIEN-MASCHINE Konstitutiv für die skizzierte Veränderung des Bildgebrauches und die damit einhergehende Modulation von Bildbedeutung wie Bildstatus ist die technologische Entwicklung und globale Verbreitung von internetfähigen Mobilgeräten wie Smartphones und Tablets. Insbesondere die Markteinführung des ersten iPhones von Apple im Jahr 2007 markiert hierbei den Beginn eines weltweiten Siegeszuges 12 dieser neuen Generation mobiler Endgeräte, die angesichts ihrer Multifunktionalität und Konnektivität innerhalb weniger Jahre zu einem unverzichtbaren Gegenstand des alltäglichen Gebrauches avanciert sind. 13 Mit bis dato existierenden Mobiltelefonen haben Smartphones wenig gemein, vielmehr fungieren sie als portable Version des standortgebundenen Personal Computer und verhelfen derart der turingschen Vision einer, nunmehr tragbaren und somit omnipräsenten, Universalmaschine zu ihrer Perfektionierung. Aufgrund ihrer Anwendungsoffenheit können sie eine nahezu endlose Anzahl von Funktionen, „buchstäblich hunderte Millionen von Handlungs-, Unterhaltungs- und Informationsoptionen“ 14, in einem Gegenstand vereinigen und gehen daher sowohl weit
12 Im vierten Quartal 2017 sanken die Verkaufszahlen jener Geräteklasse zum ersten Mal seit ihrer Markteinführung. Vgl. Rixecker, Kim: Smartphone-Verkaufszahlen erstmals rückläufig – Das sind die Gründe, https://t3n.de/ vom 23.02.2018, https:// t3n.de/news/smartphone-verkaufszahlen-960826/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 13 Der Pilotstudie des Trendbüros zur Smartphonenutzung zufolge besaß im Jahr 2012 bereits jeder vierte Bundesbürger ein Smartphone; laut der zum Beginn des Promotionsvorhabens aktuellen JIM-Studie 2011 unter den volljährigen Jugendlichen sogar bereits jeder Dritte. Vgl. GO SMART 2012: Always-In-Touch. Studie zur Smartphone-Nutzung 2012, http://trendbuero.com/wp-content/uploads/2013/12/Trendbuero_Go _Smart_2012-Always_in_touch.pdf sowie JIM 2011: Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland, Stuttgart 2011. Online abrufbar unter: https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/ JIM/2011/JIM_Studie_2011.pdf. Mit 97 % ist die Smartphoneausstattung Jugendlicher in Deutschland 2017 bereits nahezu gesättigt. Vgl. JIM 2017: Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland, Stuttgart 2017. Online abrufbar unter: https://www.mpfs.de/fileadmin/ files/Studien/JIM/2017/JIM_2017.pdf. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. 14 Fischer, Volker: Der i-Kosmos. Macht, Mythos und Magie einer Marke, Stuttgart 2011, S. 20.
Einleitung | 19
über die Möglichkeiten verbaler oder textbasierter Kommunikation via klassischer Mobiltelefone 15 als auch über die begrenzten Optionen von „manchen unterhaltungselektronischen Geräten der 1970er und 1980er Jahre“ 16 hinaus. Das Smartphone mobilisiert jedoch nicht nur das stationäre Metamedium 17 PC, es verändert auch die Handhabung von genuin für den mobilen Einsatz konzipierten Artefakten wie beispielsweise Armbanduhr, Taschenkalender, Fahr- und Stadtplan, tragbares Musikabspielgerät und Fotoapparat, die hierdurch zum Teil gänzlich überflüssig werden. Seine weltweite Ubiquität und transnationale, -kulturelle wie soziale Relevanz scheint überdeutlich und legt den Schluss nahe, dass es sich bei dem Smartphone um ein, wenn nicht gar das zentrale Objekt gegenwärtiger Dingkultur handelt. Mit seinen multiplen semantischen Codierungen gehört es fraglos zu den bedeutendsten Artefakten im Sachinventar von Individuen. 18 Es gibt aktuell wohl keinen anderen Alltagsgegenstand, der „Ich-
15 Zuvor ließen sich Multimediainhalte wie Bilder, Videos oder Audiofiles lediglich via MMS (Abkürzung für Multimedia-Messaging-Service) kostenpflichtig und in der Handhabung eher umständlich über das Mobilfunknetz verschicken. 16 Fischer: Der i-Kosmos, S. 20. 17 Das Paradigma des Computers als Metamedium, das in Abhängigkeit von der installierten Software verschiedene, vormals klar voneinander getrennte Medien inkorporiert und zu neuen Hybridformen synthetisiert, steht in Zusammenhang mit Alan Kays Forschung am Xerox Park in den 1960er und 1970er Jahren. Den in diesem Zeitraum entstandenen Projekten schreibt Lev Manovich eine Schlüsselstellung in der Genealogie von Software zu. Die von Kay angestrebte Wandlung des Computers zu einem persönlichen Ausdrucksmedium, mit dem sich diverse Medieninhalte generieren lassen, hat Manovich zufolge das Verständnis von Medien entscheidend verändert. Dank vereinfachter Bedienbarkeit transformiere Kay die Universalmaschine Turings konzeptionell in eine Universal-Medien-Maschine. Vgl. Manovich, Lev: Software takes Command, New York [u.a.] 2013, S. 55-106 sowie Kay, Alan/Goldberg, Adele: Personal Dynamic Media (1977), in: Noah Wardrip-Fruin/Nick Montfort (Hg.): New Media Reader, Cambridge/Mass. [u.a.] 2003, S. 391-404, hier S. 403. Im Smartphone gewinnt diese einerseits, abhängig von der Stromversorgung, eine nahezu unbegrenzte Mobilität, darüber hinaus wird der kommunikative Faktor der Medienproduktion, ihre unmittelbare Distribution via mobile Internetverbindung, ins Zentrum gestellt. 18 Vgl. Gunkel, Katja et al.: Vorwort und Dank, in: Dies. (Hg.): Hamster – Hipster – Handy. Bilder-Geschichten zum Mobiltelefon, Bielefeld/Berlin 2015, S. 4.
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Funktionen in Form von Kommunikation und Repräsentation“ 19 derartig kondensiert. 20 Vor dem Hintergrund dieser kommunikationstechnologischen Entwicklungen gilt das Interesse der vorliegenden Forschung dem Smartphone in seiner Funktion als bildgenerierender sowie -distribuierender Apparat.. Mit Veröffentlichung des iPhone 4 im Jahr 2010 rückte Sascha Kösch zufolge die integrierte Kamera stärker in den Fokus der Softwareentwicklung und schuf somit hardwareseitig die Vorbedingungen für die in der Folge explodierende Entwicklung und virale Verbreitung von sogenannten ‚Kamera-Apps‘. 21 Die zunehmende Priorisierung der Bildproduktion bei der Konzeptionierung und Vermarktung von Smartphones und die kontinuierliche Optimierung der verbauten Komponenten 22 lieferte in den letzten Jahren die nötigen Voraussetzungen für eine neue Kultur des mobilen Bildermachens, die mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten ikonischer (Selbst-)Inszenierung einhergeht und medienspezifische Bildästhetiken wie -praxen hervorbringt. 23 In Abhängigkeit zum konzeptionellen Möglichkeitsum19 Opp, Annemarie: Friseurumhänge für Smartphone-NutzerInnen, in: Katja Gunkel et al. (Hg.): Hamster – Hipster – Handy. Bilder-Geschichten zum Mobiltelefon, Bielefeld/Berlin 2015, S. 43. 20 Abhängig vom individuellen Nutzerverhalten beinhaltet es potentiell das gesamte Leben seines Besitzers in miniaturisierter Form; angefangen von persönlichen Kontakten, Nachrichten oder Terminen über Foto- und Videoaufnahmen und Playlists bis hin zu aktuellen Gesundheitsdaten. 21 Vgl. Kösch, Sascha: Bildlein Bildlein an der Wand. Von Flickr bis Pinterest, in: DE:BUG (#162) 5 (2012), S. 38-39. 22 Bezeichnend hierfür ist der herstellerseitige Fokus auf die Auflösung der verbauten Kamera in der Entwicklung und Vermarktung der Geräte. Vgl. hierzu bspw. die prämierte, in Zusammenarbeit mit der Werbeagentur TBWA/Media Arts Lab entstandene Werbekampagne des Apple-Konzerns für das iPhone 6. Untertitelt mit „Shot on iPhone 6“ wurden usergenerierte Inhalte, d.h. von iPhone-Nutzern erstellte Fotografien, großformatig in verschiedensten Metropolen plakatiert und projiziert. Vgl. bspw. Oram, Adam: Apple Launches ‘Shot on iPhone 6’ Ad Campaign, Showcases Beautiful iPhone Photographs From Around The World, http://www.todayisphone.com vom 02.03.2015, http://www.todaysiphone.com/2015/03/apple-launches-shot-iphone-6-adcampaign-showcases-beautiful-iphone-photographs-around-world/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 23 Einer BITKOM-Studie aus dem Jahr 2015 zufolge nutzen 63 % aller Bundesbürger ab 14 Jahren ein Smartphone. Mit 98 % verwenden nahezu alle Befragten das mobile Endgerät zum Fotografieren, 70 % greifen mobil auf soziale Netzwerke zu. Vgl. BIT-
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fang der hierfür verwendeten Mediensoftware formt die mobile Bildproduktion und -distribution folglich nicht bloß die Medienpraxis, sondern gleichwohl auch deren Artefakte um. Wie Gertraud Koch betont, wirken sich technologische Innovationen zumeist verändernd auf die „Produktionsmöglichkeiten von Kultur“ 24 aus. Demzufolge ist „Kulturelles […] immer eng an seine verschiedenen Mediatisierungen gebunden, weil dieses unabhängig von seiner Darstellung, Vermittlung und Externalisierung nicht existent wäre.“ 25 Eine kontextspezifische Bildkompetenz ist Voraussetzung für einen souveränen Umgang mit bildbasierter (Selbst-)Kommunikation und Identitätskonstruktion innerhalb Social Media. Diese bedingt einerseits Modifikationen, Verdichtungen oder Mutationen von bereits existierenden Bildphänomenen, Abbildungskonventionen und Medienformen, andererseits entstehen hierdurch „wiederum neue Darstellungsformate und -konventionen“ 26 sowie potentiell neue künstlerische Formen. Die Verbreitung internetfähiger Mobilgeräte führt folglich nicht nur zu einer Mobilisierung der Bilder, sondern popularisiert alltägliche Kommunikationsformen, die vorrangig bzw. wie beispielsweise im Fall der Video-MessagingApp Beme sogar ausschließlich 27 auf „bildvermittelt-ästhetische[r] Interaktion“ 28 KOM Research: 44 Millionen Deutsche nutzen ein Smartphone, http://www. bitkom.org vom 25.03.2015, https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/44Millionen-Deutsche-nutzen-ein-Smartphone.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 24 Koch, Gertraud: Empirische Kulturanalyse in digitalisierten Lebenswelten, in: Zeitschrift für Volkskunde. Beiträge zur Kulturforschung (#111) 2 (2015), S. 179-200, hier S. 183. 25 Ebd., S. 182. 26 Hagelmoser, Rebecca et al.: Die Medialisierung des Erzählens – narratologische und intermediale Erzähltext- und Medienanalyse, in: Jana Klawitter/Henning Lobin/ Torben Schmidt (Hg.): Kulturwissenschaften Digital. Neue Forschungsfragen und Methoden, Frankfurt a.M./New York 2012, S. 73-91, hier S. 87. 27 Während Instagram als ebenfalls primär bildbasierte Social-Media-Anwendung noch Likes und Kommentare zulässt, ermöglichte es Beme lediglich, über die Frontkamera ein Foto des eigenen Gesichtsausdrucks aufzunehmen und als Reaktion zurückzusenden. Um auf ein Bild zu reagieren, muss man folglich weitere Bilder produzieren; interagiert wird in Bildern, nicht über Bilder. Vgl. Nakhla, Ariana: Casey Neistat’s New Video App Asks You to Renounce the Artificial Self-Image, https://news.artnet.com/ vom 24.08.2015, https://news.artnet.com/art-world/casey-neistats-new-video-app-asks -renounce-artificial-self-image-327383 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 28 Reißmann, Wolfgang: Die Bedeutung von Bildern in einer digitaler werdenden Welt. Überlegungen zu einer wahrnehmungsnahen Kommunikation, http://www.stiftung
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basieren. Als Kommunikate erhalten Bilder infolgedessen eine neue Qualität im Alltagshandeln. Wie wir Lebenszeit gestalten und organisieren, wie wir uns räumlich orientieren und auf welche Weise wir Fotografien und Videos einsetzen, ist heute wesentlich durch eine Kombination aus lokativen personal media 29 und cloudbasierten Social Media bedingt. Mit Instagram parodiert das einleitend skizzierte Video-Remake ein Paradigma zeitgenössischer Bildproduktion und -distribution und benennt damit zugleich den Phänomenbereich der vorliegenden Untersuchung, der nachfolgend erneut unter Zuhilfenahme jener Variation 30 des Mems näher charakterisiert wird.
brandenburgertor.de vom Juli 2015, http://www.stiftungbrandenburgertor.de/wpcontent/uploads/2015/07/Bilderbilden_Rei%C3%9Fmann_Die-Bedeutung-von-Bild ern-in-einer-digitaler-werdenden-Welt.pdf, S. 1 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Vgl. hierzu weiterführend Reißmann, Wolfgang: Mediatisierung visuell. Kommunikationstheoretische Überlegungen und eine Studie zum Wandel privater Bildpraxis, Baden-Baden 2015. 29 Als Antipode zu zentralistisch organisierten Informationsmedien bezeichnet personal media mediale Kommunikationstechnologien, die von Privatpersonen verwendet werden, um individuelle Inhalte zu generieren, zu distribuieren und zu konsumieren. Im Unterschied zu traditionellen Massenmedien wie Radio oder Fernseher sind personal media weder institutionalisiert noch professionalisiert und zielen auf eine Interaktion zwischen Sender und Empfänger. Massenmedien und die sogenannten ‚persönlichen Medien‘ unterscheiden sich folglich nicht notwendigerweise auf technischer Ebene, sondern vor allem hinsichtlich der Qualität des Kommunikationsprozesses. Durch Symmetrie und Involvement gekennzeichnet, setzt dieser eine andere Form der Aktivität voraus. Vgl. Lüders, Marika: Conceptualizing Personal Media, in: New Media & Society (#10) 5 (2008), S. 683-702, hier S. 684 f. Timo Kaerlein verwendet den Begriff als Synonym für internetfähige Mobilgeräte und betont die für personal media kennzeichnende Diskrepanz zwischen ihrer wahrnehmbaren Form, die als handliche und in ihrer Reduktion trivialisiert wirkende Oberfläche erscheint, und den unsichtbaren Kapazitäten des Geräts (Programmierung, Produktionsumstände, widerstreitende agencies) sowie ihre extreme Benutzerfreundlichkeit. Vgl. Kaerlein, Timo: Playing with Personal Media. On an Epistemology of Ignorance, in: Culture Unbound 5 (2013), S. 651-670, hier S. 662. 30 Shifman zufolge existiert ein Mem nicht im Singular, sondern in verschiedensten Ausprägungen, die zur Wiedererkennbarkeit auf die Beibehaltung bestimmter – für das jeweilige Mem spezifischer – Merkmale angewiesen seien. Bei Memen handele es sich demnach um dynamische, intertextuelle Konstellationen. Diese strukturelle Ei-
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1.2 THE PENCIL OF INSTAGRAM 31 – MOBILE IKONISCHE KOMMUNIKATE UND AUTOMATISIERTE ÄSTHETISIERUNGSPROZESSE Das Video LOOK AT THIS INSTAGRAM (NICKELBACK PARODY) von CollegeHumor zieht nicht nur die Band Nickelback ins Lächerliche – die in Klammern gesetzte Titelergänzung lässt an dieser Absicht keinen Zweifel –, sondern versteht sich insbesondere als parodistischer Kommentar auf Instagram – die mit über 800 Millionen 32 registrierten Nutzern weltweit populärste App zur Bilderstellung, -nachbearbeitung und -distribution zeitgenössischer mobiler Bilder. „Look at this Instagram, it’s Eggs Benedict, side of ham. Started out as a lemon tart, then my phone went and made it art.“ 33 Die exemplarische Aufzählung an Gerichten und Lebensmitteln in der zitierten Strophe referenziert die unter dem genheit unterscheide sie grundlegend von virals, die demgegenüber auf „einer einzelnen kulturellen Einheit“ basierten. Shifman: Meme, S. 56; Herv. i.O. 31 Die gewählte Überschrift spielt auf das mehrbändige Werk The Pencil of Nature (1844-1846) von William Henry Fox Talbot aus den frühen Anfängen der Fotografie an. Innerhalb der verschiedenen theoretischen Zugänge zum fotografischen Medium ist das von Talbot propagierte „Konzept der natürlichen Einschreibung“ ganz der naturalisierenden Vorstellung eines materiellen Kontinuums zwischen Bild und Abgebildetem, einer uncodierten wie unmediatisierten Einschreibung des Realen, verpflichtet. Geimer, Peter: Theorien der Fotografie zur Einführung, Hamburg 2009, S. 17. Die Kontextualisierung mit Instagram weist einerseits grundsätzlich auf den artifiziellen Charakter jedweder Bildlichkeit hin. Implizit werden hierdurch gleichfalls die heiklen Naturalisierungseffekte, die den Umgang mit zeitgenössischen personal media kennzeichnen, thematisiert. Vgl. hierzu Kaerlein, Timo: Die Welt als Interface. Über gestenbasierte Interaktionen mit vernetzten Objekten, in: Florian Sprenger/Christoph Engemann (Hg.): Das Internet der Dinge. Über smarte Objekte, intelligente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt, Bielefeld 2015, S. 137-159. 32 Angabe auf dem Stand von September 2017. Laut Pressemitteilung nutzen 500 Millionen davon die App täglich. Vgl. N.N.: Strengthening Our Commitment to Safety and Kindness for 800 Million, http://instagram.tumblr.com vom 26.09.2017, http:// instagram.tumblr.com/post/165759350412/170926-news
(zuletzt
aufgerufen
am
01.06.2018). 33 Teile des Songtexts zum Musikvideo LOOK AT THIS INSTAGRAM (NICKELBACK PARODY)
von CollegeHumor. LOOK AT THIS INSTAGRAM (NICKELBACK PARODY),
00:08-00:18 min.
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Hashtag #foodporn oder dem bereits genannten #foodstagram bekannte Bildpraxis der fotografischen Dokumentation wie ikonischen Kommunikation von alltäglich verzehrten Speisen im Vorfeld ihres eigentlichen Konsums. Der satirische Kommentar zielt somit einerseits auf die Popularisierung derart banaler Bildmotive, die in spezifischen – insbesondere innerhalb der Instagram-eigenen, bildbasierten Online-Community omnipräsenten – visuellen Stereotypen kondensieren. Andererseits spielt er auf die ästhetische Aufwertung dieser gemeinhin als ‚wenig künstlerisch‘ 34 erachteten, trivialen Schnappschüsse an, die – so polemisiert zumindest der Text – unter Zuhilfenahme des Smartphones sogleich nobilitierend in Kunstwerke transformiert würden. Der beschriebene Ästhetisierungsprozess des Ausgangsbilds ist das Resultat einer One-Click-Anwendung von präfigurierten Filteroperationen, mit deren Hilfe sich das aufgenommene bzw. in die Software importierte Bild in situ nachbearbeiten lässt. Jene Instagram-immanenten Grafik-Presets adaptieren medienästhetische Charakteristika analoger, d.h. chemo-physikalischer fotografischer Verfahren. Digital simuliert werden insbesondere traditionell als ‚Bildfehler‘ 35 bzw. -störungen disqualifizierte, weil dem Ideal einer fotorealistischen Darstellung zuwiderlaufende optische Phänomene wie Über- oder Unterbelichtung, Farbverschiebungen, extreme Kontrastverstärkungen, Vignettierungen und Lichtflecke. Das obligatorisch quadratische Bildformat mitsamt den verschiedenen, optional auswählbaren Bildrahmen referenziert hierbei durchaus explizit die Konfektionierung des Mittelformatwie des Sofortbildfilms. Des Weiteren zitiert der Look der Grafikfilter haptische Qualitäten bzw. Materialbeschaffenheiten analoger fotografischer Abzüge, insbesondere die Struktur von zu lange gelagertem Fotopapier, dessen partielle Ausbleichung und Versehrung. Mit Rekurs auf die fotografische Ästhetik vergangener Jahrzehnte wird das derart modifizierte digitale Bild gleichsam mit den anhängigen historischen Sinndimensionen patiniert. Dabei geht es jedoch nicht ausschließlich darum, auf Knopfdruck eine möglichst authentische digitale Mimesis eines vorgängigen analogen Bildformats zu kreieren, vielmehr gilt es, das im Hier und Jetzt aufgenommene digitale Bild künstlich altern zu lassen bzw. zu verzeitlichen, als handele es sich dabei um ein überliefertes Relikt aus längst vergangenen Tagen. Jener für Instagram und andere ‚Retro-Kamera-Apps‘ kennzeichnende Bildstil lässt sich demnach im doppelten Wortsinn als eine Äs34 Bei der Abqualifizierung dieser Aufnahmen handelt es sich um ein diskursives Phänomen, dessen ästhetisches Werturteil auf jenen normativen Setzungen einer ‚künstlerisch wertvollen‘ Fotografie basiert, wie sie mit Aufkommen der sogenannten ‚Amateur- oder Schnappschussfotografie‘ seitens professioneller bzw. ambitionierter Fotografen zu Distinktionszwecken entwickelt wurden. Vgl. hierzu Kap. 4.1.5 und 4.2.3. 35 Vgl. bspw. Fritsche, Kurt: Das große Fotofehler-Buch, 2. Aufl., Halle 1959 [1958].
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thetik des Imperfekten bezeichnen – sowohl als etwas Fehlerhaftes aus normativästhetischer Perspektive wie etwas Vergangenes und Anachronistisches im temporalen bzw. technologischen Sinne. Jene spezifische Produktionsästhetik der Software ist infolge ihrer Omnipräsenz innerhalb zeitgenössischer Social Media mittlerweile selbst ikonisch, d.h. als ‚Instagram-Look‘ bzw. instagramesk identifizierbar und zitierfähig geworden. Die Popularität dieses, im Kontext des mobilen digitalen Bilds zunächst gänzlich unzeitgemäß anmutenden, Bildstils steht fraglos in einem kausalen – Lev Manovich spricht gar von einem intrinsischen 36 – Zusammenhang mit der technologischen Entwicklung im Bereich der Hardware. Zunehmend flächendeckendere und signalstärker werdende mobile Internetverbindungen realisieren uneingeschränkten Zugang zum World Wide Web und ermöglichen derart erstmalig eine vollständige Fusion von mobilem Endgerät und existierenden sozialen Netzwerken und anderen Anwendungen des Web 2.0. Speziell die populärsten Repräsentanten dieser neuen Bildästhetik im alten Gewand und vice versa – Hipstamatic und Instagram – sind bereits konzeptionell auf die direkte Distribution von Medieninhalten in besagten Online-Communities ausgelegt. Unbestritten ist, dass bildgenerierende mobile Softwareanwendungen – wie Instagram, Hipstamatic und dergleichen – die mobilen Kommunikationsmöglichkeiten des social web um die visuelle Komponente erweitern. Dies mag eine Begründung für den Hype dieser Apps liefern, ihre spezifische Bildästhetik und deren Anziehungskraft werden hierdurch jedoch nicht plausibel. Diese Beobachtungen markieren den phänomenologischen Ausgangspunkt für das im Jahr 2012 begonnene und hiermit nun vorliegende Promotionsprojekt. Die systematische Analyse dieser innerhalb der Anwendungen und ‚Plattformen‘ 37 des social web 38 omnipräsenten Bildästhetik stellte zum damaligen Zeit36 Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 332. Aus der Fusion von mobilen und sozialen Medien, wie sie das Smartphone auf zuvor ungekannte Weise ermöglicht, entsteht Manovich zufolge ein neues mediales Ökosystem, das die Hybridisierung von Medienformaten weiter vorantreibt. Vgl. ebd., S. 330 f. 37 Tarleton Gillespie problematisiert die unkritische Verwendung jener PlattformMetapher, da sie eine Neutralität der Content-Provider suggeriere, die faktisch nicht gegeben sei. Bei der Gestaltung des öffentlichen Diskurses übten jene Konzerne (Facebook, Google, Yahoo usw.) vielmehr eine kuratorische Funktion aus. Indem der Begriff Plattform jener regulativen Einflussnahme auf die sicht- wie sagbaren Inhalte keinerlei Rechnung trage, helfe er dabei, selbige zu kaschieren. Demgegenüber schlägt Gillespie behelfsmäßig die Bezeichnung intermediary vor. Vgl. Gillespie, Tar-
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punkt ein Forschungsdesiderat dar, zu dem bereits allein aufgrund seiner Aktualität kaum 39 einschlägige wissenschaftliche Literatur vorlag. Verhandelt wurde jener Phänomenbereich appgenerierter ‚Retro-Fotografie‘ lediglich kursorisch im Rahmen von Feuilleton-Artikeln, Weblogs, Online-Communities und Fotografie-Handbüchern. Die vorliegende Untersuchung versteht sich somit als Grundlagenforschung mit dem Ziel einer systematischen Kartierung jener neuen Bildtechnologien. Seine Relevanz bezieht das Forschungsvorhaben bereits aus der faktischen (Omni-)Präsenz der Bilder und ihrem damit einhergehenden Status einer neuen dominanten Bildpraxis wie -ästhetik, die als stilistische Gewandung einer Kulturtechnik mitunter gar Rückschlüsse auf einen übergreifenden Zeitstil zulässt. Neben dem faktischen Massenkonsum dieser fotografischen ‚Retro-Ästhetik‘ spielt auch deren primärer Verwendungszusammenhang eine entscheidende Rolle: Im Kulturraum des Internets 40 fungieren bildliche Repräsentationen wie visuelle Kommunikation als zentrale Medien zur Identitätsproduktion von Aktanten.
leton: The Politics of ‚Platforms‘, in: SAGE. New Media & Society (#12) 3 (2010), S. 347-364. Online abrufbar unter: http://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/1461 444809342738 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 38 So führte beispielsweise eine Schlagwortsuche nach den Begriffen „Hipstamatic“ und „Instagram“ auf der Foto-Community Flickr im Juni 2012 zu 1.264.747 bzw. 13.046.497 entsprechend getaggten Bilddateien; Angaben auf dem Stand vom 25.06.2012. 39 Ausnahmen fanden sich bei den ersten Literaturrecherchen 2012 lediglich im angloamerikanischen Raum. Zu erwähnen sind hier insbesondere drei online veröffentlichte Essays von Nathan Jurgenson. Vgl. Jurgenson, Nathan: Hipstamatic and Instagram (= The Faux-Vintage Photo, Teil 1), http://www.thesocietypages.org vom 10.05.2011, https://thesocietypages.org/cyborgology/2011/05/10/the-faux-vintage-photo-part-i-hip stamatic-and-instagram/; Ders.: Grasping for Authenticity (= The Faux-Vintage Photo, Teil 2), http://www.thesocietypages.org vom 11.05.2011, https://thesocietypages. org/cyborgology/2011/05/11/the-faux-vintage-photo-part-ii-grasping-for-authenticity/; Ders.: Nostalgia for the Present (= The Faux-Vintage Photo, Teil 3, http://www. thesocietypages.org vom 12.05.2011, https://thesocietypages.org/cyborgology/2011/ 05/12/the-faux-vintage-photo-part-iii-nostalgia-for-the-present/. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. 40 Vgl. Marotzki, Winfried: Online-Ethnographie – Wege und Ergebnisse zur Forschung im Kulturraum Internet, in: Ben Bachmair/Peter Diepold/Claudia de Witt (Hg.): Jahrbuch Medienpädagogik 3, Opladen 2003, S. 149-166.
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Vor allem in sozialen Netzwerken konstituiert sich impression management 41 maßgeblich über visuelle Praxen der Selbstinszenierung wie -darstellung. Als Massenmedium ist die – heute alltagspraktisch zunehmend mobile wie digitale – Fotografie somit nicht bloß „Machtmittel und konstituierendes Bildmedium ganzer Mediensysteme“ 42, sondern existiert simultan als soziale Praxis von Massen. 43 Will man heutige Welterfahrungen deuten, dann erweist sich eine „Wie41 Vgl. Goffman, Erving: The Presentation of Self in Everyday Life, New York [u.a.] 1959. 42 Mietzner, Ulrike/Pilarczyk, Ulrike: Das reflektierte Bild. Die seriell-ikonografische Fotoanalyse in den Erziehungs- und Sozialwissenschaften, Bad Heilbrunn 2005, S. 26. 43 Vgl. Bourdieu, Pierre et al.: Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie, Frankfurt a.M. 1981. Laut JIM 2011 ist Online-Kommunikation speziell für heutige Jugendliche eine absolut selbstverständliche Alltagspraxis – 99 % nutzen das Internet, wenn auch unregelmäßig. Vgl. JIM 2011, S. 30. Über vier Fünftel der befragten Jugendlichen, die älter als vierzehn Jahre sind, haben einen Account bei zumindest einer Online-Community und nutzen diesen aktiv, um „über Statuseinträge, dem Einstellen von Bildern und Kommentaren sowie im direkten Chat“ mit ihren Freunden in Kontakt zu treten. Ebd., S. 33. Hiervon speisen 38 % mindestens einmal wöchentlich eigene Inhalte ein; hierbei handelt es sich zumeist um Einträge in Onlineforen sowie den Upload von Fotografien und Videos. Vgl. ebd., S. 37. Aus der Fülle an sozialen Netzwerken wird vor allem der mittlerweile größte Anbieter Facebook quer durch alle Altersschichten am häufigsten frequentiert – 80 % nutzen diese Dienstleistung regelmäßig. Vgl. ebd., S. 47. Auch das Handy zählt inzwischen bei fast allen Jugendlichen in Deutschland (96 %) zur Grundausstattung ihres alltäglichen Sachinventares. Circa jeder Vierte nennt ein Smartphone sein Eigen; unter den Volljährigen sogar jeder Dritte. 95 % dieser Geräte sind mit einer integrierten Digitalkamera ausgestattet und 81 % der jugendlichen Handybesitzer haben die Möglichkeit, jederzeit online zu gehen. Optional installierbare Mini-Anwendungen, die bereits beschriebenen mobilen Apps, nutzen 21 % der befragten Jugendlichen. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich Apps von Online-Communities, wie beispielsweise Facebook, „die sie auch mobil über Statusmeldungen und aktuelle Nachrichten in ihrem Netzwerk auf dem Laufenden halten.“ Ebd., S. 58. Ungeachtet der sich zunehmend diversifizierenden Kommunikationsmöglichkeiten kommt dem Medium des Handys speziell bei Jugendlichen weiterhin das Primat zu. Neben der meistgenutzten Funktion der telefonischen Kontaktaufnahme verwendet „jeder Dritte […] die integrierte Digitalkamera (34 %) zum Fotografieren und Filmen“. Ebd., S. 59. Die Vernetzung mit sozialen Netzwerken via Smartphone liegt auch bei dem Untersuchungssample einer BITKOM-Studie bei 22 %. Vgl. BITKOM: Soziale Netzwerke. Eine repräsentative Untersuchung zur Nutzung sozialer
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derentdeckung des Bildes“ 44 – verstanden als „komplexes Wechselspiel von Visualität, Apparat, Institutionen, Diskurs, Körpern und Figurativität“ 45 – folglich allein schon aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz, die medialen Bildern als ubiquitären Informationsträgern wie Kommunikationseinheiten zukommt, geradezu als unumgänglich. Bilder sind zum Transport notwendigerweise an Medien gebunden. 46 Diese zeichnen sich durch einen doppelten Körperbezug aus: Einerseits fungieren sie als Träger für die symbolischen und virtuellen Körper der Bilder, andererseits schreiben sie sich selbst in menschliche Körper ein und verändern diese, auf dass sich jene Körper „zugleich […] selbst als Bilder [und damit lebende Medien] aufführen.“ 47 Jene Dialektik unterstreicht den performativen Aspekt, der jedweder Form von Bildlichkeit, jedwedem semiotischen Zeichensystem eigen ist. 48 Die vorliegende Forschung basiert demnach auf einem erweiterten Bildbegriff 49 und fasst Bilder daher gerade „nicht lediglich [als] Widerspiegelungen einer gesellschaftlichen Realität“ 50, sondern sowohl als Produkte wie Produzenten von gesellschaftlichen Diskursen auf. Als diskursive Derivate sind Bilder somit integraler Bestandteil des jeweiligen kulturellen Zeichen- und Repräsentationssystems und daher – analog zur Sprache – symbolisch aufgeladene Bedeutungskonstruktionen, die es kritisch zu hinterfragen gilt, vor allem da „sie für die Phantasie und die Identifikationen der Menschen und damit ihre[…] Subjektwerdung eine eminente Rolle“ 51 spielen. Folglich visualisieren bildliche RepräNetzwerke im Internet, 2. erw. Studie, Berlin 2011. Online abrufbar unter: http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Publikation_Soziale_Netzwerke_z weite_Befragung.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 44 Belting, Hans: Vorwort, in: William J.T. Mitchell: Das Leben der Bilder. Eine Theorie der Visuellen Kultur, München 2008, S. 7-10, hier S. 7. 45 Mitchell: Bildtheorie, S. 108. 46 Vgl. Mitchell, William J.T.: Das Leben der Bilder. Eine Theorie der Visuellen Kultur, München 2008, S. 162 f. 47 Belting: Vorwort, S. 8. Vgl. hierzu auch Belting, Hans: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001, S. 13. 48 Bezüglich der diskursiven Einschreibung vgl. auch Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt a.M. [u.a.] 1977 sowie Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a.M. 1991. 49 Vgl. hierzu auch Kap. 2.1. 50 Hammer-Tugendhat, Daniela: Kunst/Konstruktionen. Theoretische Überlegungen, in: Lutz Musner/Gotthart Wunberg (Hg.): Kulturwissenschaften. Forschung – Praxis – Positionen, 2. Aufl., Freiburg im Breisgau 2003 [2002], S. 341-365, hier S. 342. 51 Ebd., S. 344.
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sentationen kulturelle Trends, gesellschaftliche Entwicklungen wie Diskurse und fungieren somit sprichwörtlich als deren bildgebender Indikator. Aufgrund dieser Reziprozität stellen Bildpraxen sowie deren konkrete Resultate mehr denn je das geeignete Mittel für eine kritische Diskursanalyse dar. Im Versuch, das virulente Aufkommen jener digital erzeugten Bildästhetik „wie aus vergangenen Tagen“ 52 zu verorten und hinsichtlich seiner soziokulturellen Implikationen zu bewerten, kommen feuilletonistische wie wissenschaftliche Artikel zu recht ähnlichen Diagnosen bzw. Gemeinplätzen: Movens für den inflationären Rekurs auf die Bildästhetik anachronistischer Medientechnologien sei „die Verklärung von Vergangenem“ 53, die Bemühung um Entschleunigung bzw. Erdung im Angesicht der „technologische[n] Komplexität einer überbordenden Realitäts- und Informationsflut“ 54, der „verzweifelte[ ] Versuch der Anpassung des Digitalen an Greifbares“ 55 – ein hilfloses wie paradoxes Bestreben, das Virtuelle mit materiellen Qualitäten auszustatten, Selbstvergewisserung durch das Revival historischer Produktionstechniken 56 sowie die Errichtung eines Schutzschildes als „Akt der Verteidigung der eigenen Vergangenheit [mitsamt deren Kulturtechniken] vor der viel zu komplizierten Gegenwart.“ 57 Konsolidiert wer-
52 N.N.: Hipstamatic – Schöne neue Retrowelt, http://www.schallgrenzen.de vom 06.08.2011, o.S., http://www.schallgrenzen.de/iphone-app-hipstamatic-schoene-neueretrowelt/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 53 Gehlen, Dirk von: Das sieht so richtig schön alt aus, http://jetzt.sueddeutsche.de vom 07.11.2010, o.S., http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/513959 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 54 Kim, Ji-Hun: Netzbilder. Vor uns die Flut, in: DE:BUG (#162) 5 (2012), S. 26-27, hier S. 27. 55 Kösch: Bildlein Bildlein an der Wand, S. 39. 56 Vgl. Diederichsen, Diedrich: Zur Debatte um die Retro-Mode. Was James Bond und die Popmusik gemeinsam haben, http://www.sueddeutsche.de vom 30.11.2011, http://www.sueddeutsche.de/kultur/2.220/zur-debatte-um-die-retro-mode-was-jamesbond-und-die-popmusik-gemeinsam-haben-1.1222334 (zuletzt aufgerufen am 01.06. 2018). 57 Walter, Klaus: Woher kommt der Retro-Trend? Meine Musik, deine Musik, http:// www.sueddeutsche.de vom 16.01.2012, o.S., http://www.sueddeutsche.de/kultur/wo her-kommt-der-retro-trend-meine-musik-deine-musik-1.1258787.2 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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den jene Deutungsversuche des „Retrokitsch[s]“ 58 als zeitgenössisches Refugium unter anderem durch Hans Ulrich Gumbrechts Zeitdiagnose einer sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts zunehmend verbreiternden Gegenwart, die mit dem Unvermögen einhergehe, jedwede Form von Vergangenheiten loszulassen bzw. abzuschließen. 59 Für den kulturellen Teilbereich der Popmusik kommt Simon Reynolds in seiner 2011 publizierten Monografie Retromania gleichsam zu dem Ergebnis, dass die Dekade seit der Jahrtausendwende durch die simultane Präsenz vergangener Jahrzehnte sowie deren Wiederbelebung und daher durch das Manko einer klar konturierten Identität charakterisiert sei. 60 Die vom Magazin DE:BUG im Mai 2012 in Anbetracht virulenter Retro-Ästhetiken konstatierte und mittels titelgebendem Dossier gewürdigte „große Nostalgiephase“ 61 der „neue[n] Bilderflut im Internet“ 62 schließt an den skizzierten Diskurs an und bewertet das zu untersuchende Bildphänomen als visuelles Symptom von gesamtgesellschaftlich wahrnehmbaren rekursiven wie restaurativen Tendenzen – nach W.J.T. Mitchell eine Reaktion auf die zunehmende Virtualisierung von Lebenswelt in Form ihres „[…] dialektischen Gegensatz[es], dem Aufkommen eines neuen Materialismus, der Besessenheit von Dinglichkeit, Materialität und Objekthaftigkeit.“ 63 Nathan Jurgenson deutet den Hype um „faux-vintagephotography“ 64 innerhalb Social Media demgegenüber als Bemühen, eine ‚Nostalgie für die Gegenwart‘ 65 zu generieren, die den digitalen Aufnahmen allein schon dadurch Relevanz und Gewicht verleihe, dass sie selbige optisch als überlieferte Dokumente der Vergangenheit inszeniere. Jene Fetischisierung des Ruinösen lasse sich gleichfalls – so Jurgenson weiter – im Stadtbild moderner Metropolen beobachten, das Verfall architektonisch geradezu pornografisch inszeniere. Derartiger „‚decay porn‘‘“ 66 beschränke sich somit nicht auf Virtuelles, sondern sei vielmehr ein ästhetisches Signum der Gegenwart. Im Hinblick auf 58 Roten, Michèle: Was soll dieser Retrokitsch? in: Süddeutsche Zeitung Magazin 31 (2011). Online abrufbar unter: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/360 66/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 59 Vgl. Gumbrecht, Hans Ulrich: Unsere breite Gegenwart, Berlin 2010. 60 Vgl. Reynolds, Simon: Retromania. Pop Culture’s Addiction to its Own Past, London 2011. 61 Kösch: Bildlein Bildlein an der Wand, S. 39. 62 A.a.O. 63 Mitchell: Bildtheorie, S. 410. 64 Jurgenson: Hipstamatic and Instagram, o.S. 65 „‚[N]ostalgia for the present‘“ im engl. Originaltext. Jurgenson: Nostalgia for the Present, o.S., Herv. i.O. 66 Jurgenson, Grasping for Authenticity, o.S; Herv. i.O.
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den zu untersuchenden Phänomenbereich vertritt Dominik Schrey wiederum die These, dass selbiger durch eine „Form reflexiver Nostalgie“ 67 gekennzeichnet sei. Indem ‚digitale Retrofotografie‘ konzeptionell zwischen „distanzierte[r] Verfremdung und annähernde[r] Familiarisierung“ 68 oszilliere, verfüge sie über kritisches Potential. Mit Petra Eisele als eine Erscheinungsform retrofuturistischen Designs verstanden, ließe sich der Rekurs auf vergangene Medienformate und -ästhetiken aus designwissenschaftlicher Perspektive zunächst als Strategie zur Erzeugung ‚emotionaler Vertrautheit‘ im Umgang mit neuartigen Technologien erklären. 69 Plausibel wird jene Rückbezüglichkeit darüber hinaus bereits allein mit Blick auf die für Software typische Überschreitungsdynamik, die der Computer als universelle Medien-Maschine ermöglicht. 70 Überdies ist die optische Zitation spezifischer Bildqualitäten und Materialeigenschaften analoger Medienformate im Bereich digitaler Postproduktion wahrlich nicht neu, sondern vielmehr so alt wie das digitale Bild selbst. Sie stellt den Versuch dar, die als neutral und steril erlebte digitale Repräsentation an die durch Film und analoge Fotografie konditionierte Wahrnehmung anzupassen, da sich der „überhöhte[ ] Realismuseffekt [des
67 Schrey, Dominik: Retrofotografie. Die Wiederverzauberung der digitalen Welt, in: MEDIENwissenschaft. Rezensionen | Reviews 1 (2015), S. 9-26, hier S. 9. 68 Ebd., S. 24. 69 Vgl. Eisele, Petra: Retro-Design. Ende der Geschichte? in: Petra Eisele/Bernhard E. Bürdek (Hg.): Design, Anfang des 21. Jahrhunderts. Diskurse und Perspektiven, Ludwigsburg 2011, S. 136-149, hier S. 145. Dieser Lesart widerspricht die Tatsache, dass Digital Natives als primäre Zielgruppe von Social Media vielfach gar keinen Bezug zu analoger fotografischer Technik besitzen, wodurch die zugeschriebene emotional entlastende Funktion infrage steht. Einer Statistik der Hutter Consult GmbH mit Stand vom 05.10.2015 zufolge hat Instagram in Deutschland mit 35 % die größte Reichweite innerhalb der Zielgruppe der 13 bis 19-Jährigen; gefolgt von 25 % in der Altersspanne zwischen 20 und 24 Jahren. Vgl. Hutter, Thomas: Instagram. Reichweiten für Deutschland, Österreich, Schweiz und Europa, http://www.tomashutter.com vom 05.10.2015, http://www.thomashutter.com/index.php/2015/10/instagram-nutzer zahlen-fuer-deutschland-oesterreich-schweiz-und-europa/
(zuletzt
aufgerufen
am
01.06.2018). JIM 2017 bestätigt die Relevanz von Instagram unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen zudem, dass die App für den alltäglichen Medienkonsum von Mädchen und jungen Frauen relevanter ist (48 % im Vergleich zu 31 %) und somit eine genderspezifische Vorliebe für die Nutzung von Instagram existiert. Vgl. JIM 2017, S. 33 f. 70 Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 45 f.
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digitalen Bildes] […] kontraproduktiv auf die imaginäre Kraft der Fiktion auswirke.“ 71
1.3 KONSUMÄSTHETISCHE RAHMUNG In Abgrenzung zu den kursorisch skizzierten Zugängen beleuchtet die vorliegende Forschung das Bildphänomen aus einer konsumästhetischen Perspektive und schlägt somit eine weitere, nachfolgend dargestellte Lesart vor. Das der Arbeit zugrunde liegende Verständnis von Konsum geht dabei über Akte des Kaufens hinaus und bezieht – in Reminiszenz an die ursprüngliche Wortbedeutung – gleichwohl die verschiedensten Arten des Ge- oder Verbrauchs der Dinge, die vielfältigen Formen ihrer Aneignung, mit ein. Angestrebt wird somit weder eine vorverurteilende Kritik am konsumistischen Materialismus und seinen vermeintlichen Pathologien noch eine marktliberale Affirmation des Konsums; die Forschungsbemühungen gelten vielmehr einer neutralen wie differenzierten Betrachtung des Untersuchungsgegenstands. Der Terminus Konsumästhetik trägt hierbei der ästhetisch-semiotischen Besetzung von und Identifikation mit kulturindustriellen Gegenständen Rechnung, ohne sich dabei a priori wertend zu positionieren. Derart setzt er sich entschieden von dem diskursdominierenden, negativ konnotierten Begriff der Warenästhetik ab, deren ausgeklügelte Oberflächengestaltung Wolfgang Fritz Haug aus marxistischer Sicht im Verblendungszusammenhang der Kulturindustrie verortet und mit der Manipulation eines ausschließlich passiv wie unmündig gedachten Konsumenten kurzschließt. 72 Orientiert am Wortsinn von Ästhetik als aisthesis rekurriert die Konzeption von Konsumästhetik, auf der das vorliegende Forschungsprojekt gründet, folglich auf die Definition von Ästhetik als theoretisch gestützte Reflexion des – wie auch immer technisch zugerichteten – Wahrnehmbaren. Ästhetik wird deshalb gerade nicht
71 Flückiger, Barbara: Das digitale Kino – Eine Momentaufnahme. Technische und ästhetische Aspekte der gegenwärtigen digitalen Bildakquisition für die Filmproduktion, in: montage/av (#12) 1 (2003), S. 28-54, hier S. 29. Vgl. hierzu auch Kap. 4.3.1 der vorliegenden Arbeit. 72 Vgl. Drügh, Heinz: Einleitung – Warenästhetik. Neue Perspektiven auf Konsum, Kultur und Kunst, in: Heinz Drügh/Christian Metz/Björn Weyand (Hg.): Warenästhetik. Neue Perspektiven auf Konsum, Kultur und Kunst, Berlin 2011, S. 9-46 sowie Haug, Wolfgang Fritz: Kritik der Warenästhetik, Frankfurt a.M. 1971.
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als normative oder exklusiv dem Autonomieprinzip von Kunst vorbehaltene Disziplin verstanden. 73 Konsumwelten verfügen heutzutage über ein ausgeprägtes ästhetisches Potential, dessen Qualität in Konkurrenz zur traditionellen Kunstsphäre tritt. Hierbei bringt der Phänomenbereich zeitgenössischer Social Media Konsum und Ästhetik auf geradezu paradigmatische Weise zusammen. Bereits die rekordverdächtige, weil milliardenschwere Übernahme von Instagram durch das Unternehmen Facebook im September 2012, die umstrittene Änderung der Nutzungsbedingungen 74 im darauffolgenden Monat – durch welche Facebook die Erlaubnis erhielt, Bilddateien von Instagram-Nutzern ungefragt an Drittparteien verkaufen zu dürfen – sowie die zunehmende Kommerzialisierung der OnlineCommunity durch das Geschäft mit Werbeanzeigen, die als sponsored posts ebenfalls seit Oktober 2012 den personalisierten Newsfeed jedes Users durchsetzen, verweisen auf das immense ökonomische Potential der mobilen Softwareanwendung, deren warenförmige Zurichtung und die Monetisierung der Inhalte. So lässt sich die kontinuierlich wachsende kollektive Datenbank usergenerierter Mediendateien zwar (noch) nicht nach dem Geschäftsmodell von Bildagenturen nutzbar machen, gleichwohl stellt Instagram einen Marktplatz für Waren dar, die mithilfe von Bildern – insbesondere in Form von bildbasierten, autobiografisch anmutenden Narrativen bzw. Fiktionswelten 75 sogenannter ‚Influencer‘ 76 – be-
73 Vgl. Baßler, Moritz et al.: Kosumästhetik. Formen des Umgangs mit käuflichen Dingen (Projektantrag im Rahmen der Förderinitiative der Volkswagenstiftung: Schlüsselthemen für Wissenschaft und Gesellschaft – Integrative Projekte aus den Kulturund Gesellschaftswissenschaften), Frankfurt a.M. [u.a.] 2013. 74 In Anbetracht der massiven Proteste sah sich Facebook gezwungen, die umstrittene Klausel kurz darauf zu revidieren. Vgl. hierzu bspw. Haupt, Johannes: Instagram fühlt sich missverstanden, streicht umstrittene AGB-Passage, http://t3n.de vom 19.12.2012, http://t3n.de/news/instagram-streicht-umstrittene-433373/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 75 Vgl. Ullrich, Wolfgang: Alles nur Konsum. Kritik der warenästhetischen Erziehung, Berlin 2013. 76 Multiplikatoren, die wegen ihrer großen Reichweite und den damit zusammenhängenden Möglichkeiten der Einflussnahme im social web als Werbeträger für Unternehmen interessant sind. Vgl. bspw. Saal, Marco: Influencer Marketing hängt klassische Werbung in puncto Glaubwürdigkeit ab, http://www.horizont.net vom 31.10. 2016, http://www.horizont.net/marketing/nachrichten/Studie-Influencer-Marketing-ist -glaubwuerdiger-als-PR-Content-Marketing-und-klassische-Werbung-143768 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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worben werden und daher ebenfalls als Form der „Bildwirtschaft“ 77 gelten können. Dem ikonischen Kommunikationsprimat entsprechend, fungieren Bilder auf Instagram gewissermaßen als Währung. Gemäß der Warenlogik der New Economy korrespondiert der Marktwert eines Bilds hierbei mit dessen Aufmerksamkeitswert, welcher sich wiederum durch die Anzahl an Likes und Followern quantifizieren lässt. 78 Innerhalb dieser „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ 79 erfolgt der Umgang mit und die Auswahl von Bildern äußerst effizient und planvoll. Visuelle Selbstinszenierung wie -kommunikation auf Instagram bedeuten folglich Image-Arbeit im wörtlichen Sinne und fügen sich somit widerspruchsfrei in die Logik der Selbstoptimierung. Im Dienste einer „Kommunikation des Beeindruckens“ 80 wird das Sein zum Design und die ästhetische Arbeit am Inszenierungswert, d.h. der Fotogenität des Selbst, zur Vollzeitbeschäftigung. 81 Social Media können als Aggregatoren jener ästhetischen Ökonomisierungszwänge gelten. Sie formulieren einen Leistungsanspruch, der in einer wirtschaftlichen Verwendung des Selbst sowie des eigenen Lebensstils – polemisch gesprochen, einer gegenwärtig omnipräsenten ‚Lifestyle-Pornografie‘ – kulminiert. 82 Aufgrund ihrer Variabilität bzw. Modularität liefern digitale Bilddateien das ideale Rohmaterial für ästhetische Weiterbearbeitungen. Jene signifikante „Ästhetik der veränderbaren Form“ 83 ist Voraussetzung für eine Konzeption von elektronischer Bildlichkeit als temporäre Komposita, aus denen mithilfe zunehmend selbstverständlicher Bildbearbeitung potentiell immer wieder andere Versionen des amalgamierten Bildmaterials hervorgehen. Als kulturelle Produkti77 Bruhn, Matthias: Bildwirtschaft. Verwaltung und Verwertung der Sichtbarkeit, Weimar 2003. 78 Im Kontext von Instagram basieren symbolische Tauschgeschäfte auf dem ökonomischen Grundsatz des Quidproquo; in den entsprechenden Hashtags ausgedrückt: #followforfollow oder #likeforlike. 79 Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit, München/Wien 1998. 80 Reißmann: Die Bedeutung von Bildern in einer digitaler werdenden Welt, S. 4; Herv. i.O. 81 Vgl. Menninghaus, Winfried: Das Versprechen der Schönheit, Frankfurt a.M. 2003, S. 263 f. 82 Vgl. Bröckling, Ulrich: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt a.M. 2007. Vgl. hierzu auch Wagenbach, Mark: Digitaler Alltag. Ästhetisches Erleben zwischen Kunst und Lifestyle, München 2012. 83 Lunenfeld, Peter: Digitale Fotografie. Das dubitative Bild, in: Herta Wolf (Hg.): Paradigma Fotografie (= Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Band 1), Frankfurt a.M. 2002, S. 158-177, hier S. 172.
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onsmittel bieten mobile Apps wie Instagram und Hipstamatic hierbei eine potente Palette unterschiedlichster ikonischer Ausdrucksmöglichkeiten an, die als „material for action“ 84 derart für soziale Praxen zur Verfügung stehen. Jene vereinfachten, anfänglich auf eine weitgehend automatisierte One-Click-Anwendung reduzierten Möglichkeiten der Postproduktion bildbasierter mobiler Mediensoftware tragen folglich potentiell zur Erweiterung wie Demokratisierung des „Repertoire[s] an Zeichen- und Symbolsystemen“ 85 bei und erzwingen daher auch eine Neubewertung des, auf dem elitären Diskurs von Kunstakademien basierenden, Künstlertums. 86 Die vorliegende Dissertation fokussiert vor diesem Hintergrund eine medienstrukturelle wie -ästhetische Komponente des Konsums mit dem Ziel der systematischen Kartierung eines signifikanten Phänomenbereichs zeitgenössischer Konsumästhetik, namentlich schablonierte Grafikfilter zur instantanen Bildbearbeitung, wie sie durch Hipstamatic und Instagram breitenwirksam salonfähig geworden und zwischenzeitlich gar zum obligatorischen Bestandteil der Kamera-Firmware von internetfähigen Mobilgeräten avanciert sind. Das wissenschaftliche Interesse gilt hierbei insbesondere den formalen Veränderungen, die aus der Anwendung jener softwareseitig bereitgestellten visuellen Effekte resultieren. Dabei nimmt die Forschung „[d]as Digitale als Prinzip kultureller Produktion“ 87 und somit auch dessen Eigenlogik, seine „spezifischen Mittel kulturellen Produzierens und [die] neuen Weisen des Erdenkens, Entwerfens und Erfindens“ 88, ernst. Digitale Bildkulturen sind demnach maßgeblich durch Medienkonvergenz sowie künstlerische Strategien des mash-up und Remix gekennzeichnet. 84 Koch: Empirische Kulturanalyse in digitalisierten Lebenswelten, S. 191; bezugnehmend auf Ann Swidler. Vgl. Swidler, Ann: Culture in Action. Symbols and Strategies, in: American Sociological Review (#51) 4 (1986), S. 273-286. Online abrufbar unter: http://www.asanet.org/sites/default/files/savvy/introtosociology/Documents/ASRSwid ler1986.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 85 A.a.O. 86 So konstatiert beispielsweise Manovich seit der Jahrtausendwende eine neue Dimension des Zugangs zu und der Produktion von kulturellen Artefakten durch professionelle Nutzer – vor allem aber auch durch Amateure. Vgl. Manovich, Lev: Software takes Command (Softbook-Version 11/20/2008), http://www.softwarestudies.com vom 20.11.2008, softwarestudies.com/softbook/manovich_softbook_11_20_2008.pdf, S. 194 f. (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 87 Koch: Empirische Kulturanalyse in digitalisierten Lebenswelten, S. 194. 88 Ebd., S. 195.
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Ausgehend von diesem forschungsleitenden Bemühen, scheint die alltagssprachlich bzw. journalistisch gebräuchliche Etikettierung ‚Retro-Kamera-Apps‘ den Blick auf die Spezifika des Forschungsfeldes vorzeitig zu verengen und derart eine unproduktive Diskursverknappung herbeizuführen, hat sich die Idee des Originals doch im Digitalen überlebt und ist folglich weder medienadäquat noch zeitgemäß. In Abgrenzung von jener diskursbeherrschenden Originalitätsdebatte sowie der Pathologisierung kulturellen Recyclings 89 als visuelles Symptom gegenwärtiger Regression, „der intransitiven ‚Mobilmachung‘“ 90 nach Gumbrecht, interessiert sich das vorliegende Forschungsprojekt wertfrei, d.h. ohne voreingenommenes theoretisches Apriori, für die konkrete Beschaffenheit jener Programmästhetiken. Als visuelle Artefakte weitgehend automatisierter und daher stark vereinfachter Bildbearbeitungsprozesse stehen sie, so die These, im Dienste der unmittelbaren ästhetischen Optimierung des mobilen digitalen Bilds. Ästhetisierung erfolgt grundlegend mithilfe von bestimmten Stilmitteln bzw. gestalterischen Techniken, regelgeleitet nach einem bestimmten Schema und besitzt somit „Muster und Methode“ 91, die sich als „ein Set quantifizierbarer Charakteristika“ 92 bestimmen lassen. Für den Gegenstandsbereich bildbasierter mobiler Mediensoftware gilt dies ungleich mehr, da es sich bei besagten Grafikfiltern bereits um formalisierte, zur Anwendung auf Knopfdruck bereitliegende, Softwarefunktionen handelt. Mit über 800 Millionen registrierten Nutzern im September 2017 kann insbesondere Instagram als eines der bedeutendsten kulturellen Produktionsmittel der Gegenwart gelten. 93 Dessen medial vorgeformte Kommunikations- und Aus89 Vgl. kritisch hierzu Heidingsfelder, Markus: Retrologie, http://www.pop-zeitschrift.de vom 27.11.2012, http://www.pop-zeitschrift.de/2012/11/27/retrologievon-markus-hei dingsfelder27-11-2012/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 90 Gumbrecht: Unsere breite Gegenwart, S. 17. 91 Stöckl, Hartmut: Ästhetik und Ästhetisierung von Werbung – Begriffliche, forschungsmethodische und medientheoretische Überlegungen, in: Ders. (Hg.): Werbung – Keine Kunst!? Phänomene und Prozesse der Ästhetisierung von Werbekommunikation, Heidelberg 2013, S. 89-116, hier S. 93. 92 Sass, Maurice: Kunstwissenschaftliche Stilanalyse, in: DFG-Netzwerk Bildphilosophie (Hg.): Bild und Methode. Theoretische Hintergründe und methodische Verfahren der Bildwissenschaft, Köln 2014, S. 307-314, hier S. 307. Vgl. hierzu auch Rosenberg, Rainer: Stil, in: Karlheinz Barck et al. (Hg.): Postmoderne bis Synästhesie (= Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Band 5), Stuttgart/Weimar 2003, S. 641-664, hier S. 641. 93 Vgl. N.N.: Strengthening Our Commitment to Safety and Kindness for 800 Million, o.S.
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druckweisen geben den Rahmen für soziale Praxen vor und üben derart einen zentralen Einfluss auf die populäre Bildsprache wie -praxis und somit die „Prinzipien der Wirklichkeitserzeugung“ 94 aus. Gerade deshalb ist auch eine kritische Betrachtung der medienintern getroffenen Setzungen, die Zusammenstellung wie die Beschaffenheit der zur Instant-Ästhetisierung angebotenen Stilmittel, von besonderer Relevanz. Mit Wolfgang Reißmann übereinstimmend, besteht der medien- wie kunstpädagogische Bildungsauftrag in der Herausforderung, „ästhetische Symbolik und Produktionstechniken zu dechiffrieren und verstehbar zu machen […].“ 95 Als forschungsleitende Fragen formuliert: Durch welche Stilmittel zeichnet sich das implementierte Bildprogramm der jeweiligen Software aus? Welche ästhetischen Traditionen beerben jene neuen Bildphänomene? Welche Diskurse sind in ihnen „zu symbolischen Sachverhalten umcodiert[ ]“ 96? Das mobile digitale Bild lässt sich nicht ohne Blick auf sein Medium verstehen. Ausgehend von einem phänomenologischen und somit induktiven methodischen Zugang 97 zum Forschungsgegenstand, dem qua ‚historisierender‘ KameraApp generierten Bild, gilt es somit gleichsam dessen medienstrukturelle wie technologische Voraussetzungen zu durchleuchten (vgl. Kap. 3.2). Hieran schließt eine Dekomposition der softwareimmanenten Funktion Grafikfilter an. Auf einem deskriptiven Stilverständnis 98 basierend, dient die hierzu entwickelte Methode einerseits dazu, die algorithmisch formalisierten, stilrelevanten Elemente zu extrahieren, andererseits ermöglicht sie Einblicke in die dahinterstehende strukturgebende Programmlogik (vgl. Kap. 3.3). Auf dieses stilkritische Vorgehen folgt eine Perspektivierung der programmspezifischen Bildästhetik auf die augenfälligen medialen Vorläufer aus dem Bereich filmbasierter Fotografie – namentlich Polaroid und Lomografie (vgl. Kap. 4). Unter besonderem Fokus auf das zentrale Stilmittel der Farbe beleuchtet das fünfte und letzte Kapitel die BeStimmbarkeit des mobilen digitalen Bilds. Die qualitativ-empirische Forschung konzentriert sich ausschließlich auf die beiden Anwendungen Hipstamatic und Instagram. Beide Programme können als Innovationen im Bereich mobiler Mediensoftware angesehen werden. Sie haben sowohl hinsichtlich ihrer medienstrukturellen Verfasstheit als auch im Hinblick 94 Koch: Empirische Kulturanalyse in digitalisierten Lebenswelten, S. 189. 95 Reißmann: Die Bedeutung von Bildern in einer digitaler werdenden Welt, S. 5. 96 Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 7. Aufl., Göttingen 1994 [1983], S. 41. 97 Vgl. hierzu Amann, Klaus/Hirschauer, Stefan: Die Befremdung der eigenen Kultur. Ein Programm, in: Dies. (Hg.) Die Befremdung der eigenen Kultur. Zur ethnographischen Herausforderung soziologischer Empirie, Frankfurt a.M. 1997, S. 7-52. 98 Vgl. Sass: Kunstwissenschaftliche Stilanalyse, S. 308.
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auf die Funktionsweise wie ästhetische Beschaffenheit der implementierten Bildbearbeitungsfunktionen einen Standard begründet, der ein breite Schar an Nachahmern gefunden und sich mittlerweile als fester Bestandteil in der Kamera-Firmware von personal media etabliert hat. Neben ihrer faktischen Pionierstellung wie Popularität stützt sich die Einschränkung auf lediglich zwei Apps zudem auf eine intensive wie kontinuierliche Sondierung des gesamten Phänomenbereichs, auf deren Basis sich die Annahme erhärten lässt, dass beide Programme nicht nur eine ästhetisch-repräsentative Aussagekraft für das Forschungsfeld in toto besitzen, sondern hinsichtlich dessen Konstitution sogar als stilprägend gelten können. In dem Zusammenhang weist Manovich darauf hin, dass die von Anwendungssoftware zur Verfügung gestellten Medientechniken, welche als Computerprogramm wie -funktionen in selbige eingebaut sind, den Prinzipien moderner Softwareentwicklung unterliegen. Ihr Design stütze sich demzufolge auf etablierte Konventionen, die als inter- bzw. transkulturelle normative Verabredungen den gesamten Bereich von Anwendungssoftware durchziehen und ergo repräsentative Qualität besitzen. 99 Social Media und deren anhängige Bilddatenbanken sind vorrangig Gegenstand quantitativ-empirischer Forschung, wie beispielsweise der interdisziplinär arbeitenden Cultural Analytics. 100 Das Datenmaterial für derartige Big-DataAnalysen wird hierbei mithilfe entsprechender Software über die frei zugängliche Programmschnittstelle (API) des jeweiligen Content-Providers heruntergeladen. Jene Totalerhebung umfangreicher kultureller Datensätze – wie zum Bei99
Vgl. Manovich, Lev: The Language of Media Software, in: Paul D. Miller/Svitlana Matviyenko (Hg.): The Imaginary App, Cambridge/Mass. [u.a.] 2014, S. 187-204.
100 In diesem Kontext ist insbesondere die Forschung am Massachusetts Institute of Technology (MIT) sowie die seit 2007 unter Schirmherrschaft von Lev Manovich bestehende Software Studies Initiative, ein Forschungslabor und Designstudio, hervorzuheben (lab.softwarestudies.com). In Abgrenzung zur Forschungsdisziplin der Digital Humanities integrieren Cultural Analytics zeitgenössische Social-MediaAnwend-ungen in ihre Analysen und beschränken sich nicht ausschließlich auf historische Datensätze, die zuvor zum Zwecke der elektronischen Datenverarbeitung digitalisiert wurden. Ein weiterer Unterschied besteht in der stärkeren Gewichtung einer theoretischen Analyse der verwendeten Rechenwerkzeuge. Vgl. hierzu bspw. Manovich, Lev: Cultural Analytics, Social Computing and Digital Humanities, in: Mirko Tobias Schaefer/Karin van Es (Hg.): The Datafied Society. Studying Culture through Data, Amsterdam 2017, S. 55-68. Online abrufbar unter: http://oapen. org/download?type=document&docid=624771 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018) sowie Berry, David M.: Introduction. Understanding the Digital Humanities, in: Ders. (Hg.): Understanding Digital Humanities, Basingstoke [u.a.] 2012, S. 1-20.
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spiel dem mit über 40 Billionen 101 Mediendateien gigantischen Datenreservoir des Instagram-Onlinearchivs – wird in der Folge unter Verwendung der numerischen Bildinformationen wie Metadaten nach bestimmten formalen, inhaltlichen, spatialen und/oder temporalen Parametern 102 ausgewertet. Die vorliegende Forschung verfolgt demgegenüber einen kulturwissenschaftlichen Ansatz, welcher (am ehesten) der „(Post-)Disziplin“ 103 der Visual Culture Studies 104 verpflichtet ist. Geleitet von einer ‚experimentellen Erkundung‘ des Phänomenbereichs, werden innerdisziplinäre methodische Arsenale im Sinne Foucaults als „kleine Werkzeugkisten“ 105 verstanden und dementsprechend nach Maßgabe ihrer Zweckdienlichkeit interdisziplinär verwendet. Hierbei wirken sowohl die definitorische Demarkation des Forschungsfeldes, der methodische Zugang zu selbigem sowie die kontextuelle Verortung der Forscherin auf die Ergebnisse ein. Jene Setzungen wie Faktoren verändern den Forschungsgegenstand, welcher durch sie letztlich erst konstruiert wird. In Abgrenzung wie Ergänzung zu den skizzierten quantitativ-empirischen Big-Data-Analysen geht es folglich gerade nicht darum, Subjektivität möglichst aus der Forschung auszuschließen, sondern autologische Zusammenhänge transparent zu machen und ihre Stärke hervorzuheben. 101 Diese Zahl dürfte sich mittlerweile erhöht haben, ist die Angabe doch auf dem Stand von Dezember 2017. Der Digital-Marketing-Agentur Omnicore zufolge werden pro Tag circa 95 Millionen neue Bilddateien in Instagram eingespeist. Vgl. Aslam, Salman: Instagram by the Numbers. Stats, Demographics & Fun Facts, https://www. omnicoreagency.com/ vom 01.01.2018, https://www.omnicoreagency.com/insta gram-statistics/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 102 Vgl. exemplarisch die zweidimensionale Visualisierung großer Mengen an Bilddaten, die mittels eigens hierfür programmierter Software nach zuvor definierten Kriterien zu Bildclustern gruppiert und visualisiert werden – Crockett, Damon: Visualizing High Dimensional Image Clusters in 2D: The Growing Entourage Plot, http://lab.softwarestudies.com von November 2015, http://lab.softwarestudies.com/ 2015/11/visualizing-high-dimensional-image_16.html?utm_source=feedburner&utm _medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+SoftwareStudies+%28Software+Studies +Initiative%29 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 103 Holert, Tom: Kulturwissenschaft/Visual Culture, in: Klaus Sachs-Hombach (Hg.): Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden, Frankfurt a.M. 2005, S. 226-236, hier S. 226. 104 Vgl. hierzu Schade, Sigrid/Wenk, Silke: Studien zur visuellen Kultur. Einführung in ein transdisziplinäres Forschungsfeld, Bielefeld 2011. 105 Foucault, Michel: Mikrophysik der Macht. Über Strafjustiz, Psychiatrie und Medizin, Berlin 1976, S. 53.
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Die vorliegende Arbeit versteht sich nicht bloß als Präsentation des gewählten qualitativ-empirischen Erhebungsverfahrens und dessen Ergebnissen. Neben einer höchst aktuellen wie differenzierten Grundlagenstudie von genuin im Kontext des mobilen digitalen Bilds entstandenen Bildästhetiken wie -praxen und deren Produktionsmitteln besteht ihre Leistung insbesondere darin, dass sie ihre Methodologie kontinuierlich in praktischer Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand entwickelt und diesem gerade kein vorgefertigtes Methodengerüst überstülpt: „[…] [B]y selecting an object, you question a field. […] [I]ts methods (are not) sitting in a toolbox waiting to be applied; they, too, are part of the exploration. You do not apply one method; you conduct a meeting between several, a meeting in which the object participates so that, together, object and methods become a new, not firmly delineated, field.“ 106
Die methodischen Adaptionen und Rejustierungen dokumentieren gleichsam den gesamten Forschungsprozess. Dementsprechend ist die Aufgliederung in Methoden- und Ergebnisteil eine künstliche wie nachträgliche, die primär der Übersichtlichkeit wie komfortableren Navigation durch die einzelnen Teilbereiche der vorliegenden Arbeit dient. Praktisch haben Theorie und Empirie während des gesamten Forschungsprozesses ineinandergegriffen, sich wechselseitig bedingt, evaluiert, korrigiert und neujustiert. Die zutage geförderten Ergebnisse verstehen sich dabei im Wesentlichen als vorläufige ‚Wahrheiten‘, die sich als eine mögliche Lesart zeitgenössischer mobiler Bildproduktion in Form der vorliegenden Promotion materialisiert haben: No story can tell it all.
106 Bal, Mieke: Working with Concepts, in: Griselda Pollock (Hg.): Conceptual Odysseys. Passages to Cultural Analysis, New York/London 2007, S. 1-10, hier S. 1 sowie vgl. Bal, Mieke: Kulturanalyse, Frankfurt a.M. 2006.
2
Methodologie zur Analyse der Konsum|Bild|Ästhetik mobiler Mediensoftware
Einem induktiven, phänomenorientierten Forschungszugang verpflichtet, basiert die erarbeitete qualitativ-empirische Methodologie zur medienadäquaten Analyse der für den Forschungsgegenstand bildbasierter mobiler Mediensoftware ästhetisch-repräsentativen Fallbeispiele, Instagram und Hipstamatic, auf einem mehrschrittigen wie triangulativen Verfahren. Die aufeinander folgenden methodischen Teilschritte vollziehen dabei einen Zoom vom Makro- in den Mikrobereich des Forschungsfeldes: von den Fiktionswerten der Software als Warenform, die anhand des offiziellen Werbetexts im App Store sowie der Wort-BildMarke analysiert werden, über die medienstrukturelle Verfasstheit und das Interfacedesign, welches unter besonderem Fokus auf die konkrete Bildgenese und die zugrunde liegende Logik bildlicher Repräsentation betrachtet wird, zur systematischen Zerlegung der Grafikfilter in ihre wirksamen Gestaltungselemente. Obgleich der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit analog zum alltäglichen Sprachgebrauch als ‚mobile digitale Fotografien‘ oder mit dem Internet vernetzte ‚Smartphone-Fotografien‘ bezeichnet werden könnte, verfehlt die Verortung innerhalb fotografischer Genealogie die ontologische Beschaffenheit der Bilder als elektronische Computergrafik. Unter Rekurs auf Peter Lunenfeld ist die Fotografie mit ihrer Digitalisierung kein eigenständiges Repräsentationsmedium mehr, sondern der Grafik subordiniert, „[…] die ihrem Wesen nach grenzenlos ist.“ 1 Jedwede computergenerierte Grafik ist eine Repräsentation von binären Zahlen, daher lassen sich „fotorealistische Grafik und […] digitale Fotografie“ 2 strukturell nicht voneinander unterscheiden. Im Versuch diese unpro1
Lunenfeld, Peter: Digitale Fotografie, S. 165.
2
Ebd., S. 161; Herv. i.O.
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duktive 3 Einordnung auch sprachlich zu vermeiden, wird nachfolgend der bereits in der Einleitung eingeführte Ausdruck mobiles digitales Bild verwendet. Jene Spezialform digitaler Bildlichkeit ist durch einen spezifischen Produktions- und Distributionskontext gekennzeichnet. Minimal definiert subsumiert die Bezeichnung im Rahmen der vorliegenden Arbeit zunächst all jene visuellen Medienartefakte, die unter Verwendung von mobilen Endgeräten mit integrierter Digitalkamera – insbesondere Smartphones und Tablets – generiert werden. Als weiteres Charakteristikum und zweite Bedeutungsebene ihrer Mobilität kann ihr primärer Verwendungszusammenhang gelten – die Distribution innerhalb Social Media zu kommunikativ-informativen Zwecken; oftmals von unterwegs via mobiler Internetverbindung. Als theoretisches Fundament jenes erweiterten Bildbegriffs dient eine Positionsbestimmung von William J.T. Mitchell. Mitchell zufolge haften einem Bild (image) mehrere Konnotationen an, kann hiermit sowohl ein physischer Gegenstand „als auch eine mentale, imaginäre Entität […], eine psychologische Imago, de[r] visuelle[ ] Inhalt von Träumen, Erinnerungen und der Wahrnehmung“ 4 bezeichnet werden. Ohne Berücksichtigung seines Mediums lässt sich ein Bildphänomen nicht analysieren. Dies trifft in besonderem Maße auf digitale Bildlichkeit zu, die streng genommen nicht existiert. 5 Als anikonischer Datensatz muss diese zunächst maschinell verarbeitet werden, um sich anschließend über ein entsprechendes Ausgabegerät temporär in visueller Form zu manifestieren. Mediale Formate des alltäglichen Umgangs, visuelle Kulturtechniken und bildgebende Verfahren basieren heutzutage zum Großteil auf digitalen Bildtechnologien. Jener Status quo heutiger Medienkultur ist währenddessen weniger das Resultat einer Mediatisierung, sondern vielmehr „ein neuer Aggregatszustand
3
Bezüglich der Kritik an der inflationär-wahllosen und daher wenig trennscharfen Verwendung der Bezeichnung ‚digitale Fotografie‘ sowie der grundsätzlichen Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Integration der Fotografie in digitale Bildproduktion und umgekehrt vgl. Hagen, Wolfgang: Die Entropie der Fotografie. Skizzen zur Genealogie der digital-elektronischen Bildaufzeichnung, in: Herta Wolf (Hg.): Paradigma Fotografie (= Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Band 1), Frankfurt a.M. 2002, S. 195-235.
4
Mitchell: Das Leben der Bilder, S. 18; Herv. i.O.
5
Pias, Claus: Das digitale Bild gibt es nicht – Über das (Nicht-)Wissen der Bilder und die informatische Illusion, in: zeitenblicke 2 (2003), Nr. 1, o.S., http://www.zeiten blicke.de/2003/01/pias/pias.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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[sic!] von immer schon medial verfassten Lebensformen.“ 6 Die in Datensätzen codierten digitalen Informationen sind hierbei lediglich mithilfe von Software erfahrbar. Software ist somit einerseits das basale Medium des heutigen, vorwiegend digitalen Medienkonsums, anderseits das gängigste Werkzeug zur Produktion, Organisation, Bearbeitung und Distribution von Medieninhalten. Wenn es wie im vorliegenden Fall darum gehen soll, zeitgenössische digitale Bildästhetiken und -praktiken zu begreifen, ist die kritische Betrachtung der jeweils zur Bildproduktion verwendeten Programme unabdingbar. Da Genealogie, Anatomie sowie praktische und theoretische Implikationen von Software die Bildproduktion, welche sie ermöglichen, entscheidend und insbesondere latent determinieren, handelt es sich Manovich zufolge um einen wissenschaftlich notwendigen Schritt, ohne den dieses Feld nicht adäquat vermessen werden könne. 7 Im Kontext der vorliegenden Arbeit kann die Frage nach der Notwendigkeit, Software als Forschungsgegenstand zu etablieren, daher nur entschieden bejaht werden. 8 Hierin folgt die Arbeit dem Theorem der Software Studies 9, die Software aufgrund ihrer Ubiquität innerhalb gegenwärtiger Kultur als integrales Element selbiger erachten. Die gestenbasierten synthetischen Oberflächen heutiger Medieninterfaces 10 fungieren hierbei als Schnittstelle für „kulturelle[ ] Prak6
Hagener, Malte/Hediger, Vinzenz: Vorwort, in: Dies. (Hg.): Medienkultur und Bildung. Ästhetische Erziehung im Zeitalter digitaler Netzwerke, Frankfurt a.M. 2015, S. 7-16, hier S. 10.
7
Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 124.
8
Bezugnehmend auf die von Daniel Meßner aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive aufgeworfene Frage vgl. Meßner, Daniel: Coding History – Software als kulturwissenschaftliches Forschungsprojekt, in: Wolfgang Schmale (Hg.): Digital Humanities. Praktiken der Digitalisierung, der Dissemination und der Selbstreflexivität, Stuttgart 2015, S. 157-174.
9
Jene Forschungsrichtung entstand Anfang der Jahrtausendwende innerhalb der angloamerikanischen Geistes- und Medienwissenschaften mit dem Ziel, Software als eigenständigen Gegenstand (kultur-)wissenschaftlicher Theorie zu etablieren, da dieser zentrale Phänomenbereich zeitgenössischer Wissensproduktion bislang zugunsten der Hardware marginalisiert wurde. Für einen Überblick über das verhältnismäßig junge Forschungsgebiet der Software Studies vgl. bspw. What is Software Studies? in: Manovich: Software takes Command, S. 10-20 sowie FN 100 (Kap. 1).
10 Computerinterfaces (HCI, human-computer interaction) integrieren heutzutage weitere Medien und sprechen somit nicht nur die optische Wahrnehmung an. Sie können deshalb als multimediale bzw. -sensuelle Weiterentwicklung der grafischen Benutzeroberfläche (GUI, graphical user interface) verstanden werden. Der von Manovich aus dem industriellen Jargon übernommene Terminus Medieninterface (media interface)
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tiken der Interaktion“ 11 zwischen Mensch und Maschine. Um Software adäquat analysieren zu können, genügt es daher nicht, lediglich Quelltext und Hardware in den Blick zu nehmen, da selbige – wie Daniel Meßner überzeugend argumentiert – lediglich im Hinblick auf ihre „sozio-technischen Umgebungen analysierbar [werden].“ 12 Als multimediale wie -modale Gewandung der Software gibt eine Analyse des Medieninterfaces Aufschluss über die angebotenen sowie die nicht vorhandenen bzw. bewusst vorenthaltenen Funktionen der Anwendungsumgebung, deren Konzeption die performativen Praktiken determiniert. 13 Bevor sich die Analyse im vierten und zentralen Teilschritt mit den in Instagram und Hipstamatic implementierten Möglichkeiten der Bildbearbeitung und deren Stilmittel dem eigentlichen Forschungsgegenstand zuwendet (vgl. Kap. 2.5), wird zunächst die Software selbst untersucht. Dies geschieht aus einer bildwissenschaftlichen Perspektive und somit anhand des anschaulichen Charakters des optischen Interfacedesigns und dessen angebotenen Gebrauchsfeatures (affordances) (vgl. Kap. 2.4.1). Im Anschluss an Software Studies gilt das forschungsleitende Interesse den soziokulturellen Sinndimensionen der jeweiligen App, wodurch das (audio-)visuelle Design des Medieninterfaces, die strukturelle Funktionsweise wie angebotenen Interaktionsmöglichkeiten und die konkrete Anbindung an Social Media besondere Berücksichtigung finden. Die empirische Erschließung der in Instagram und Hipstamatic implementierten bildverändernden Programmfunktionen erfolgt anschließend medienbasiert unter Zuhilfenahme der Bildbearbeitungssoftware Adobe Photoshop. Folglich wird der „Gegenstand nicht nur als Medium, sondern selbst durch Medien bestimmt.“ 14
trägt dieser Entwicklung sprachlich Rechnung und ist daher besser geeignet, die Arbeitsweise heutiger Benutzeroberflächen zu charakterisieren. Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 29. 11 Meßner: Coding History, S. 168. 12 A.a.O. 13 Vgl. hierzu auch a.a.O. 14 Hediger, Vinzenz/Stauff, Markus: Empirie. Einleitung in den Schwerpunkt, in: ZfM – Zeitschrift für Medienwissenschaft (#5) 2 (2011), S. 10-14, hier S. 13. Vgl. auch Flückiger, Barbara: Die Vermessung ästhetischer Erscheinungen, in: ZfM – Zeitschrift für Medienwissenschaft (#5) 2 (2011), S. 44-60.
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2.1 MOBILE DIGITALE MEDIENARTEFAKTE – EINE THEORETISCHE EINFASSUNG Sämtliche digitalen (Medien-)Artefakte beruhen, unabhängig von ihrer konkreten Genese 15 und Erscheinungsform, strukturell auf einem binären Zahlencode, dessen kleinste Einheit das binary digit (bit) ist. Als eine Spezialform des technischen Bilds liegt das numerische Bild in Form einer Zahlenmatrize vor und kann daher mathematischen Operationen unterzogen werden. Technikgeschichtlich stammt das Computerbild, wie Friedrich Kittler veranschaulicht, vom Kriegsmedium Radar ab. 16 Ein Hauptmerkmal, das sich aus dem primären Verwendungszweck als militärisches Frühwarnsystem ableitet, ist seine Adressierbarkeit. Dem cartesianischen Koordinatensystem entsprechend, besteht die Grundstruktur aus horizontalen Zeilen und vertikalen Spalten, welche die gesamte Bildfläche rastern und es so ermöglichen, jeden einzelnen Bildpunkt gezielt anzusteuern und in seiner Farbigkeit zu manipulieren. Eine Computer- bzw. Rastergrafik stellt sich ergo als zweidimensionale Matrix aus einzelnen quadratischen Pixeln dar, denen jeweils ein numerischer Farbwert zugeordnet ist. 17 Vilém Flusser zufolge handelt es sich bei apparativ erzeugten und mit operativem Charakter ausgestatteten „Technobildern“ ontologisch um „Abstraktionen dritten Grades“ 18. Dementsprechend habe man es bei Exemplaren dieser Bildgattung nicht mit Phänomenen, sondern mit transcodierten Begriffen zu tun: „Sie [die technischen Bilder; K.G.] sind Metacodes von Texten, die […] nicht die Welt dort draußen bedeuten, sondern Texte.“ 19 Beziehen sich Flussers Ausführungen noch auf chemo-physikalisch entstandene und an Filmmaterial gebunde-
15 Obgleich beide ontologisch identisch sind, besteht genealogisch ein grundlegender Unterschied zwischen einem digitalisierten und einem algorithmisch erzeugten Bild. Als digitale Reproduktion muss sich ersteres zudem immer am Original messen, wohingegen das digitale Bild nicht notwendigerweise etwas real Existierendes nachbildet. 16 Vgl. Kittler, Friedrich: Computergrafik. Eine halbtechnische Einführung, in: Herta Wolf (Hg.): Paradigma Fotografie (= Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Band 1), Frankfurt a.M. 2002, S. 178-194, hier S. 178. 17 Vgl. ebd., S. 179. 18 Flusser: Für eine Philosophie der Fotografie, S. 13. 19 Ebd., S. 14.
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ne technische Bilder wie analoge Fotografie und Film, haben digitale Bilder mindestens eine weitere Abstraktionsstufe vollzogen. 20 Unter Rekurs auf Frieder Nake und Susanne Grabowski ist das Computerbild durch eine inhärente Simultaneität von Bild und Text gekennzeichnet; zwei objektiv vorhandene Seiten, die sich zum „algorithmischen Zeichen“ 21 zusammenfassen lassen: „Das Bild als digitales Bild […] besitzt nun eine unterflächliche Innerlichkeit bzw. ist Oberfläche und Unterfläche zugleich. […] Die Oberfläche des digitalen Bildes ist sichtbar, während die Unterfläche bearbeitbar ist. Die Oberfläche besteht für den Benutzer, die Unterfläche für den Prozessor (mit Programm). Zur Unterfläche gehört das und nur das, was als Datenstruktur und Algorithmus vorhanden ist.“ 22
Das numerische Bild existiert nicht unmittelbar in ikonischer oder piktoraler Form; seine Bildgebung 23 ist vielmehr an ein entsprechendes Medium gebunden, mit dessen Hilfe die qua binärem Zahlensystem codierten Informationen vorübergehend in Erscheinung treten können. Durch jene Numerik gekennzeichnet, ist folglich jede digitale Mediendatei ihrem Wesen nach anikonisch. Ein temporärer Zugang zu den sinnlich erfahrbaren (audio-)visuellen „Manifestationen der 20 Ungeachtet dessen lebt die Vorstellung eines medienfreien unverstellten Abdrucks der Realität auch im Diskurs des digitalen Bilds weiter. Die diskursiv als unbearbeitetes digitales Rohmaterial dargebotene fotografische RAW-Datei und andere Naturalisierungsphänomene im Kontext von Datenerhebung bzw. -erzeugung problematisiert Lisa Gitelman. Vgl. Gitelman, Lisa/Jackson, Virginia: Introduction, in: Lisa Gitelman (Hg.): „Raw Data“ is an Oxymoron, Cambridge/Mass. [u.a.] 2013, S. 1-14. 21 Nake, Frieder/Grabowski, Susanne: Zwei Weisen, das Computerbild zu betrachten. Ansicht des Analogen und des Digitalen, in: Martin Warnke/Wolfgang Coy/Georg Christoph Tholen (Hg.): HyperKult II. Zur Ortsbestimmung analoger und digitaler Medien, Bielefeld 2005, S. 133-158, hier S. 133. 22 Nake, Frieder: Das doppelte Bild, in: Horst Bredekamp et al. (Hg.): Digitale Form (= Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, Band 3.2), Berlin 2005, S. 40-50, hier S. 47. Jene von Nake beschriebene Bildverdoppelung ist Voraussetzung für eine technische Interaktion, „[d]ie sichtbare Oberfläche des Bildes wird zum Interface seiner unsichtbaren Unterfläche.“ Ebd., S. 49. 23 Der Terminus Bildgebung ist jenem der Visualisierung vorzuziehen, impliziert letztere doch, dass das optisch darzustellende bereits vorhanden ist und ihm lediglich zur Sichtbarkeit verholfen werden müsse. Jenes „Paradigma der Visualisierung“ klammere die Eingriffe und Manipulationen in das Sichtbar-zu-Machende aus. Weigel, Sigrid: Grammatologie der Bilder, Berlin 2015, S. 10.
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in binärer Form gespeicherten Daten […]“ 24 ist somit nur über entsprechende Softwareanwendungen in Kombination mit geeigneten, d.h. in dem Fall bildgebenden, Hardwarekomponenten möglich: „Computerbilder sind der Output von Computergrafik. Computergrafiken sind Softwareprogramme, die, wenn sie auf einer geeigneten Hardware laufen, etwas zu sehen und nicht bloß etwas zu lesen geben.“ 25 In seiner halbtechnischen Einführung definiert Kittler ein Computerbild vereinfacht als „eine zweidimensionale additive Mischung dreier Grundfarben, die sich im Rahmen oder Parergon eines Monitorgehäuses zeigt.“ 26 Das wahrgenommene Bild erscheine dem Auge als kontinuierliche Entität, weise jedoch tatsächlich strukturell die Eigenschaften eines Texts auf, bei dem jeder einzelne Bestandteil angewählt und verändert werden könne: „Diese Diskretheit oder Digitalität erstens der geometrischen Orte und zweitens der chromatischen Werte macht all die Zauberkunststücke möglich, die die Computergrafik von Film und Fernsehen unterscheiden. […] Computerbilder sind also […] die Fälschbarkeit schlechthin.“ 27 Als numerische Repräsentationen verfügen Computerbilder über eine grundlegende Variabilität, eine zentrale Eigenschaft digitaler Dateien, die Peter Lunenfeld als „Ästhetik der veränderbaren Form“ 28 bzw. „veränderbare Hyperästhetik“ 29 bezeichnet. Demzufolge bestehe die revolutionärste Neuerung, die das fotochemische Bild im Zuge der Digitalisierung erreicht habe, nicht in einer Transformation des Produktionssystems, sondern in der Beschaffenheit des Resultats: Der diskrete fotografische Abzug wandele sich zu einer wesenhaft grenzenlosen Computergrafik. Angesichts jener Subordination des Fotos unter die Grafik würden dessen „apparativ erzeugte[ ] Qualitäten“ 30 nivelliert, wodurch „[…] die Fotografie [ihre sicher geglaubte Stellung; K.G.] als Primus inter pares der Repräsentationsmedien […]“ 31 verliere. Unter Rekurs auf peircesche Zeichentheorie beschreibt Lunenfeld die Konsequenzen elektronischer Bildverarbeitung und -bearbeitung für die Semiotik des fotografischen Bilds folgenderma24 Lunenfeld: Digitale Fotografie, S. 165; Herv. i.O. 25 Kittler, Friedrich: Computergrafik, S. 178. 26 A.a.O. Unter der Bezeichnung Computerbild firmiert Kittler zufolge nicht nur das „Bild im emphatischen Wortsinn“, hierunter fallen auch grafische Benutzeroberflächen. A.a.O. 27 Ebd., S. 179. 28 Lunenfeld: Digitale Fotografie, S. 172. 29 Ebd., S. 173. 30 Ebd., S. 165. 31 Ebd., S. 160.
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ßen: Gehörte die analoge Fotografie aufgrund ihrer kausalen Verbindung zwischen fotografischem Abzug und realem Referenten noch zur Zeichenklasse des Index, handele es sich bei den numerischen Bildern nunmehr um Symbole, die demgegenüber durch eine arbiträre Beziehung zwischen Objekt und Zeichen gekennzeichnet seien. 32 Folglich habe sich der Wahrheitsgehalt und somit zwangsläufig auch der Autoritätsanspruch der Fotografie mit Aufkommen ihrer Digitalisierung grundlegend verändert. Als elektronisches Bild, d.h. als diskrete Computergrafik, verliert sie an Evidenz und wird zu einer bildlichen Repräsentation von Wirklichkeit, der nicht mehr zu trauen ist – zu einem „dubitativen Bild“ 33 . Wahrhaftigkeit, Echtheit oder Authentizität, allesamt wirkmächtige Diskursfiktionen des fotochemisch erzeugten technischen Bilds, haben wegen seiner in Zweifel zu ziehenden Indexikalität 34 im Kontext des digitalen Bilds offenbar an Autorität eingebüßt. Die elektronische Bildgenese setzt nicht notwendigerweise die Existenz eines realen Referenten voraus, da digitale Bilder mitunter komplett via Software generiert und demzufolge algorithmisch konstruiert werden können. Das wesentliche Charakteristikum des fotografischen Mediums, seine technische Reproduzierbarkeit, wird durch die elektronischen Bilder somit sowohl entgrenzt 35 als auch um „die Flexibilität von Form und Inhalt, in Gestalt der un32 Vgl. ebd., S. 166 f. sowie Peirce, Charles Sanders: Ikon, Index und Symbol, in: Helmut Pape (Hg.): Charles Sanders Peirce. Phänomen und Logik der Zeichen (1903), Frankfurt a.M. 1983, S. 64-66. 33 Ebd., S. 165-172. Lunenfeld führt den Begriff des Dubitativen in den Diskurs über digitale Fotografien ein. Das digitale Zeitalter ist für ihn gleichbedeutend mit dem „Zeitalter des Dubitativen“. Ebd., S. 171. 34 Die indexikalische Qualität chemo-physikalischer fotografischer Verfahren wird nicht nur dem Zweifel anheimgegeben, Wolfgang Hagen zufolge existiert das für die Zeichenklasse des Index obligatorische „Raum-Zeit-Kontinuum“ im Bereich digitaler Fotografie nicht länger, „da Raum und Zeit messtechnisch getrennt [werden].“ Hagen, Wolfgang: Digitalfotografie und Entropie, in: Stephan Günzel/Dieter Mersch (Hg.): Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart 2014, S. 267-272, hier S. 271. 35 Infolge ihrer technischen Reproduzierbarkeit sind Fotografien von jeher in der Lage, sich über unterschiedlichste Kanäle zu verbreiten, zwischen diesen zu diffundieren und somit, abhängig vom jeweiligen Kontext, fortlaufend neue Bedeutungen zu generieren. Die Entmaterialisierung des fotografischen Bilds im Zuge der ‚digitalen Revolution‘, d.h. sein Transfer in das binäre Zahlensystem der elektronischen Computergrafik, emanzipiert selbiges jedoch sowohl von der obligatorischen Fixierung auf ein konkretes taktiles Trägermedium als auch von der Notwendigkeit eines Originals – im Sinne eines Negativs bzw. einer Matrize – zum Zwecke seiner Vervielfältigung. Digitale Daten sind – zumindest theoretisch – unendlich kopier- und somit reproduzierbar.
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endlichen Metamorphose“ 36 erweitert. Digitale Bilder entbehren jeder immanenten Dinglichkeit und verdeutlichen durch eben diesen Wesenszug die Emphase der auf ihrer Oberfläche ansässigen – zunehmend immateriellen – Informationen. 37 Bereits das Internet des Web 2.0 fungiert als Katalysator dieser Fluidität, deren Durchlaufgeschwindigkeit sich mit mobil nutzbaren Social-Media-Anwendungen noch erhöht, und liefert somit den Nährboden für einen digitalen Bilderstrom, welcher eine potentiell unbegrenzte De- und Rekontextualisierung der vorhandenen elektronischen Bilder ermöglicht. Diese werden laut Birgit Richard somit zu „floating images“ 38, zu frei flottierenden Bildern, die sich neben ihrer Verfügbarkeit und Modifizierbarkeit qua digitaler Nachbearbeitung gerade dadurch auszeichnen, dass sie beliebig die Kanäle wechseln und somit ohne weiteres in einem anderen als dem ursprünglich intendierten Kontext bzw. Diskurszusammenhang in Erscheinung treten können. 39 Gemeinsam mit der, ebenfalls für digitale Daten kennzeichnenden, Modularität ihrer Inhalte liefert jene Medienmobilität eine der zentralen Vorbedingungen für den seit der JahrtausendwenJede einzelne dieser Kopien enthält selbst wiederum den notwendigen Datensatz, um hieraus ohne nennenswerten Qualitätsverlust weitere Duplikate zu generieren. Dateiformate mit verlustreicher Komprimierung wie das .jpg schränken die Gültigkeit jener Aussage praktisch jedoch ein. Vgl. hierzu auch Bunz, Mercedes: Die Utopie der Kopie, in: Rudolf Maresch/Florian Rötzer (Hg.): Renaissance der Utopie. Zukunftsfiguren des 21. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2004, S. 156-171. 36 Richard, Birgit: Floating Images oder Die Angst des Fotografen vor den synthetischen Bildern, in: Form (#139) 3 (1992), S. 23, hier S. 23. 37 Vgl. Flusser, Vilém: Das Foto als nachindustrielles Objekt. Zum ontologischen Status von Fotografien (1986), in: Gottfried Jäger (Hg.): Fotografie denken. Über Vilém Flussers Philosophie der Medienmoderne, Bielefeld 2001, S. 15-27, hier S. 19 f. Gerade in Kombination mit den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung bringt das den Vorwurf der Referenzlosigkeit digitaler Bilder mit sich, da diese somit nicht mehr bzw. weniger als je zuvor als seriöse Repräsentationen von Wirklichkeit gelten können. Die Authentizität der verwendeten digitalen und virtuell verfügbaren Fotografien resultiert analog zu Mietzner und Pilarczyk jedoch aus „ihrem Bezug auf die Welt, aus ihrer eigenen Faktizität als Fotografie und aus ihrem faktischen Gebrauch.“ Mietzner/Pilarczyk: Das reflektierte Bild, S. 63. 38 Richard: Floating Images, S. 23. 39 Ihre Mobilität verdanken Bilder jedoch nicht den neusten kommunikationstechnologischen Entwicklungen der Digitalisierung und des Internets, die Fähigkeit zu Wandern ist ihnen vielmehr strukturell eigen. Zum Verständnis von Bildern als Nomaden der Medien vgl. Belting: Bild-Anthropologie, S. 32.
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de exponentiell angestiegenen Zugang zu kulturellen Artefakten und deren Produktion, die nunmehr maßgeblich usergenerierte Inhalte umfasst. 40 2.1.1 Konfigurierbares Kompositum: Deep remixability 41, Photoshop und die Logik digitaler Bildlichkeit Digitale Technologien weichen traditionelle Gattungsgrenzen auf. Kittler antizipierte die Konvergenz vormals voneinander getrennter Medien bereits 1986: „In der allgemeinen Digitalisierung von Nachrichten und Kanälen verschwinden die Unterschiede zwischen den einzelnen Medien. […] Und wenn die Verkabelung bislang getrennte Datenflüsse alle auf eine digital standardisierte Zahlenfolge bringt, kann jedes Medium in jedes andere übergehen. Mit Zahlen ist nichts unmöglich. […] [E]in totaler Medienverbund auf Digitalbasis wird den Begriff Medium selber kassieren.“ 42
Kennzeichnend für dieses neue evolutionäre Stadium von Medien nach ihrer ‚Softwareisierung‘ ist Manovich zufolge das Konzept der Hybridität. 43 Als Metamedium sei der Computer demnach nicht bloß in der Lage, heterogene Medien unter Wahrung ihrer jeweils eigenen Spezifika zu integrieren, die algorithmische Formalisierung ermögliche vielmehr eine Rekombination von Elementen über traditionell bestehende Mediengrenzen hinweg. Auf diese Weise fusionierten vormals getrennte Medien im hybriden Medium potentiell zu einer vollkommen neuen Struktur, aus welcher wiederum mediale Bastarde bzw. Medienhybride und demnach hybride Ästhetiken resultierten. Laut Manovich sei dies grundsätzlich mit dem Konzept des Remix 44 vergleichbar, welcher jedoch eine völlig neue Qualität erhalte. Es sei daher angemessener, die Essenz dieser Hybridisierung als „‚deep remixability‘“ 45 , einem tiefenstrukturellen Crossover von vormals undenkbaren Kombinationen, zu beschreiben: Vermischt würden nicht lediglich
40 Vgl. Manovich: Software takes Command (Softbook-Version), S. 193. 41 Vgl. das gleichnamige Kapitel in Manovich: Software takes Command, S. 267-277. 42 Kittler, Friedrich: Grammophon, Film, Typewriter, Berlin 1986, S. 7f. 43 Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 46 sowie S. 161-198. 44 Demgegenüber besteht Manovich auf einer scharfen Abgrenzung zum Terminus Multimedia, der unterschiedliche Medien definitorisch lediglich nebeneinanderstelle. Vgl. ebd., S. 305 sowie Gehlen, Dirk von: Mashup. Lob der Kopie, Berlin 2011. 45 Manovich: Software takes Command, S. 268; Herv. i.O.
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Inhalte verschiedener Medien, sondern auch typische Techniken, Arbeitsmethoden sowie medienspezifische Repräsentations- und Ausdrucksweisen. 46 Die Entwicklung und globale Verbreitung internetfähiger Mobilgeräte verstärkt jene, für digitale Medienartefakte kennzeichnende, „paradigmatische Kombinatorik“ 47 . Wie bereits der Desktop-PC integriert auch dessen portable Version, die mobile Universal-Medien-Maschine Smartphone, eine breite Skala an formalisierten Medienästhetiken und -techniken, die – derart vereinheitlicht – einer Metabildlichkeit als Ausgangsmaterial dienen. 48 Weltmarktführend und demzufolge Standard im Bereich digitaler Bildbearbeitung ist das, erstmalig 1990 in Version S1.0 für Apple Macintosh veröffentlichte, Programm Photoshop des US-amerikanischen Softwarekonzerns Adobe Systems. Kernwerkzeug der Software ist seit Version 3.0 (1994) die Ebenenpalette, deren Konzeption nach Einschätzung Manovichs die Logik digitaler Bildlichkeit und deren arbiträre Konstruierbarkeit theoretisch wie praktisch grundlegend verändert hat. Der Programmlogik zufolge werde eine digitale Bilddatei nicht als Entität, sondern als provisorisches Kompositum verstanden, das versuchsweise wie temporär aus beliebig vielen Einzelelementen, d.h. aus diversen Bild- wie Effektbestandteilen, zusammengesetzt sei: „An image is thus redefined as a provisional composite of both content elements and various modification operations that are conceptually separate from these elements.“ 49 Zur didaktischen Veranschaulichung des abstrakten Konzepts arbeitet das Online-Handbuch von Photoshop mit dem Bild eines Stapels von Transparentfolien (vgl. Abb. 3), in dem jede einzelne Folie unterschiedliche, für das finale Kompositbild zentrale Bestandteile beinhaltet. Die Ebenen dienen hierbei nicht nur als Container für bestimmte Bildelemente, gleichwohl können sie spezifische Operationen zur Bearbeitung der Inhalte enthalten (Korrektur der Belichtung, Tonwertspreizung, Farbtönung usw.). Füllt eines dieser Elemente die ihm zuge46 Vgl. ebd. sowie Manovich: The Language of Media Software, S. 199. 47 Bruhn, Matthias et al.: Formschichten. Die Analyse digitaler Form, in: Dies. (Hg.): Digitale Form (= Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, Band 3.2), Berlin 2005, S. 9-17, hier S. 9. 48 Manovich spricht in dem Zusammenhang von einer neuen Metasprache: „United within the common software environment the languages of cinematography, animation, computer animation, special effects, graphic design, typography, drawing, and painting have come to form a new metalanguage. A work produced in this new metalanguage can use all the techniques, or any subset of these techniques, that were previously unique to the different media.“ Manovich: Software takes Command, S. 268 f.; Herv. i.O. 49 Ebd., S. 142; Herv. K.G.
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ordnete Folie lediglich partiell aus, verbleiben hierauf freie und somit transluzente Bereiche, in denen die darunterliegenden Ebenen sichtbar werden: „Sie können sich Photoshop-Ebenen wie transparente Folien vorstellen, die übereinander angeordnet sind. Durch die transparenten Bereiche einer Ebene können Sie die darunter liegenden [sic!] Ebenen sehen. Sie bewegen eine Ebene, um den Inhalt auf der Ebene zu positionieren, so als würden Sie eine Transparentfolie in einen Stapel schieben. Sie können auch die Deckkraft einer Ebene ändern, um den Inhalt teilweise transparent zu machen.“ 50
Gemäß jenem dreidimensionalen (Raum-)Modell resultiert das digitale Bild aus einer hierarchischen Schichtung von bildrelevanten, motivischen wie formalästhetischen Komponenten, die in abstracto von oben betrachtet eine zweidimensionale Einheit, die abschließend ausgegebene Bilddatei, formen. Digitale Bildlichkeit ist somit potentiell ein hybrides Gebilde aus unterschiedlichsten Bildelementen und -stilen, das sich beliebig modifizieren lässt. Hierdurch werden Nutzer der Software auf ein grundsätzlich anderes Denken über Bilder konditioniert: Eine mithilfe von Ebenen in Photoshop angelegte, zweidimensionale Bilddatei stellt die sichtbare Oberfläche einer unsichtbaren fiktiv-tiefenräumlichen Bildkomposition dar, die selbst wiederum auf geschichteten Einzelfragmenten basiert. Technisch vergleichbar mit Multitrack-Recording in der Musik werden die Daten nach bestimmten, automatisch oder manuell definierten Parametern miteinander verrechnet und zu einem kohärenten Einzelbild aufsummiert. 51 Als Master konserviert die Arbeitsdatei die modulare Struktur und enthält daher mitunter einen ganzen Satz möglicher Bildkompositionen und -modifikationen, die sich – insofern auf einer separaten Ebene angelegt – beliebig aktivieren und deaktivieren, d.h. ein- oder ausblenden lassen. Die Medienstruktur der Bildbearbeitungssoftware ermöglicht daher eine spielerische, weil reversible wie rekonfigurierbare Arbeit mit digitalen Bildern. Das (um-)gestaltbare Kom-
50 Deutschsprachige Erklärung des Photoshop-Ebenenkonzepts im online verfügbaren Benutzerhandbuch. Adobe.com: Photoshop Benutzerhandbuch. Ebenen – Grundlagen. Über Ebenen in Photoshop, https://helpx.adobe.com vom 17.06.2016, o.S., https:// helpx.adobe.com/de/photoshop/using/layer-basics.html (zuletzt aufgerufen am 01.06. 2018). 51 Vgl. hierzu auch das Kapitel Inside Photoshop in Manovich: Software takes Command, S. 124-147, hier S. 144 sowie ebd., S. 281.
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positum PSD-Datei 52 besitzt gewissermaßen grenzenlose ikonische Potentialität und spendiert daher – je nach Bedarf – immer wieder andere Versionen des eingespeisten Bildmaterials. Jenes Bildkonzept des Kompositums leitet sich medienhistorisch von Spezialeffekten des Kinos ab. Der genealogischen Betrachtung Manovichs zufolge entstanden jene Techniken des digital compositing 53 – maßgeblich Bildschichtungen und Transparenz („layers and transparency“ 54 ) – in den 1970er und 1980er Jahren ursprünglich im Kontext filmischer Spezialeffekte. In den darauffolgenden Jahrzehnten seien diese Gestaltungsprinzipien in andere visuelle Ästhetiken diffundiert, wodurch sie eine fundamentale Bedeutung für zeitgenössische visuelle Medienkulturen erhalten hätten. 55 Abbildung 3: Visualisisierung des Ebenenprinzips in Adobe Photoshop
52 .psd ist die Dateiendung des Photoshop-eigenen Dateiformats. In der Funktion als Arbeitsdatei sind hierin nicht nur sämtliche angelegten Ebenen erhalten, darüber hinaus handelt es sich auch um ein verlustfreies Format, bei dem die enthaltenen Bilddateien nicht (wie bspw. im Fall von .jpg) komprimiert werden. 53 Unter Fokus auf die Realismuseffekte des Kinos untersuchte Manovich bereits in seinem 2001 veröffentlichten Standardwerk The Language of New Media Techniken des digital compositing. Vgl. Manovich, Lev: The Language of New Media, Cambridge/ Mass. 2001; insbesondere das Unterkapitel Compositing, S. 136-160 sowie Manovich: Software takes Command, S. 281 f. 54 Manovich: Software takes Command, S. 281. 55 Vgl. a.a.O.
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2.2 FLÜCHTIGE DATEN: QUELLENKRITIK UND METHODISCHE HERAUSFORDERUNGEN DES MOBILEN DIGITALEN BILDS – EIN PROBLEMAUFRISS 56 ‚Flüssige Moderne‘ 57 , ‚Datenströme‘, ‚Bilderflut‘ oder ‚ephemere Medien‘, wenn es darum geht, die Logik digitaler Infrastrukturen oder die Informationsgesellschaft als solche zu charakterisieren, werden allenthalben Fließmetaphern bemüht. Wie Wolfgang Ernst überzeugend darlegt und Dirk von Gehlen als „Idee der flüssigen Kultur“ 58 formuliert, wandelt sich mit den elektronischen Medien die Funktion von Kultur „[v]on der Speicherung zur Übertragung“ 59. Kulturtechniken des Konservierens und Bewahrens werden Ernst zufolge durch ein „dynamische[s] Recycling von kulturellen Daten“ 60 abgelöst, die wiederum in „strömende[n] Medienarchive[n]“ 61 zirkulieren. Dementsprechend sind virtuelle Medieninhalte innerhalb von Social-Media-Anwendungen wie Instagram, Tumblr, Twitter und YouTube permanent im Fluss: Sie wachsen exponentiell, wuchern rhizomatisch, verbreiten sich viral, verschwinden spurlos, diffundieren in andere Kontexte, fusionieren miteinander oder verdichten sich lediglich temporär in prozessualen Bildclustern. Das statische Ordnungskonzept klassischer Archive lässt sich folglich nicht auf das World Wide Web übertragen. Auf die topologische Konfiguration Internet angewandt, vermöge die Archivmetapher nicht länger zu halten, was sie verspreche, nämlich die räumliche Konservierung von kulturellen Artefakten; vielmehr täusche sie darüber hinweg, „[…] daß hier nicht Produkte archiviert werden, sondern eine veränderte Verfügbarkeit von
56 Das Kapitel wurde in Teilen dem nachfolgenden Aufsatz entnommen; vgl. Gunkel, Katja/Richard, Birgit: „Feiern bis das Bild kommt“ – Methodische Ansätze zur Erforschung jugendkultureller Konsumästhetiken am Beispiel des Technoevents Mayday 2014 und 2015, in: Moritz Baßler/Heinz Drügh (Hg.): Konsumästhetik, Bielefeld (erscheint 2018). 57 Vgl. Bauman, Zygmunt: Flüchtige Moderne, Frankfurt a.M. 2003. 58 Vgl. das gleichnamige Kapitel in Gehlen, Dirk von: Eine neue Version ist verfügbar – Update. Wie die Digitalisierung Kunst und Kultur verändert, Berlin 2013, S. 23-30. 59 Vgl. das gleichnamige Kapitel in Ernst, Wolfgang: Das Gesetz des Gedächtnisses. Medien und Archive am Ende (des 20. Jahrhunderts), Berlin 2007, S. 308-312. 60 Ebd., S. 266. 61 Ebd., S. 312.
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Kulturwissen vorliegt.“ 62 John Ruskins Vorstellung archivarischer Ordnung als „order by fluctuation“ 63 folgend, plädiert Ernst für „eine prozessuale Theorie des Archivs in Bewegung, eine Art Fließgleichgewicht, […]“ 64 das eine alternative Form von Ordnung hervorbringe. Um den Datenmüll digitaler „Anarchive“ 65 bearbeiten zu können, sei die Entwicklung einer neuen Kulturtechnik erforderlich: Die Kompetenz, sich im „Datenwald dieser Un/ordnung“ 66 verlieren zu lernen. Diese Fluidität und Wandelbarkeit online verfügbaren digitalen Quellenmaterials sowie dessen non-lineare, netzwerkartige Relationierung via Hyperlinks sind kennzeichnend für die „digitale Vernunft“ 67 und daher auch für die Forschungsdaten der vorliegenden Untersuchung. Zu deren medienadäquater Erhebung und Beurteilung bedarf es folgelogisch eines mimetischen Forschungsdesigns, das die Eigenschaften ihrer Quelle berücksichtigt und deren inhärente Logik adaptiert. Im Sinne einer Forschungspraxis des search as research gilt es demnach „von den Methoden des Mediums zu lernen“ 68 und der Dynamik des Feldes mit „Intuition und Kreativität“ 69 nachzuspüren. Die medienstrukturelle Verfasstheit der jeweiligen Softwareanwendung sowie der ggf. angeschlossenen, cloudbasierten Bilddatenbank beeinflusst und determiniert sowohl die Möglich62 Ernst, Wolfgang: Das Rumoren der Archive. Ordnung als Unordnung, Berlin 2002, S. 131; Herv. i.O. 63 Richards, Thomas: The Imperial Archive. Knowledge and the Fantasy of Empire, London [u.a.] 1993, S. 87. 64 Ernst: Das Rumoren der Archive, S. 128; Herv. i.O. 65 A.a.O. 66 Ebd., S. 131. 67 Vgl. Schmale, Wolfgang: Digitale Vernunft, in: Historische Mitteilungen der Ranke Gesellschaft (#26) (2013/14), S. 94-100. 68 Rogers, Richard: Digitale Methoden für die Forschung im Netz, in: Malte Hagener/Vinzenz Hediger (Hg.): Medienkultur und Bildung. Ästhetische Erziehung im Zeitalter digitaler Netzwerke, Frankfurt a.M. 2015, S. 111-132, hier S. 112. Unter dem Begriff digitale Methoden stellt Rogers einen methodischen Entwurf für einen routinierten und sinnvollen Umgang mit Netzdaten vor. Hierbei handelt es sich um ein triangulatives methodisches Verfahren, bei dem die online erhobenen Daten – in Rogers Fallbeispiel stammen diese von Suchmaschinen – mit ‚Offline-Basisdaten‘ abgeglichen werden, um mithilfe jener Korrelation die Qualität der Netzdaten zu überprüfen. Vgl. ebd., S. 113. 69 Richard, Birgit/Grünwald, Jan G./Ruhl, Alexander: Me, Myself, I: Eine Studie zu den fluiden ikonischen Kommunikationswelten bei flickr.com, in: Kaspar Maase (Hg.): Die Schönheit des Populären. Ästhetische Erfahrung der Gegenwart, Frankfurt a.M./New York 2008, S. 114-132, hier S. 121.
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keiten der Bildproduktion wie -distribution als auch die Auswahl wie Auffindbarkeit von Bilddateien wesentlich. 70 Die konstitutiven Algorithmen und die hierin implementierten Parameter des digitalen Archivs sind hierbei für den Nutzer bzw. Forscher in der Regel nicht transparent – „[d]er Archivträger ist dem Blick des Betrachters entzogen […]. [D]ie Steuerzeichen gehören nicht zum Inhalt des Archivs, sondern zu seiner radikal gegenwärtigen Administration und sind mithin Archive im Sinne von Foucault – nämlich ein Dispositiv, von Groys treffend als submedialer Trägerraum bezeichnet.“ 71 Im radikalkonstruktivistischen Sinne Foucaults 72 verstanden, sind Social-Media-Anwendungen, bildgenerierende Apps, Onlinedienste und Datenbanken normierende Systeme und keinesfalls neutrale Orte oder passive Mittler der Datenspeicherung und Vernetzung – vielmehr produzieren sie Wissensformen und konstruieren derart die kommunizierten Medieninhalte. 73 Neben dem medienstrukturellen Aufbau der jeweiligen Softwareanwendung bzw. Online-Community wirken bereits konzeptionell verankerte Überwachung und Zensur innerhalb der digitalen Quasi-Öffentlichkeiten von Social Media diskursregulierend. 74 Als hintergründig mitlaufende, nicht wahrnehmbare und in ih70 Vgl. hierzu auch Manovich: Software takes Command. Neben kommerziellen Rahmenbedingungen entscheiden vor allem formal-ästhetische wie inhaltliche Faktoren über die Popularität eines Bilds und beeinflussen in der Folge maßgeblich dessen Sichtbarkeit. Vgl. hierzu bspw. Khosla, Aditya/Das Sarma, Atish/Hamid, Raffay: What makes an Image popular? WWW2014. International World Wide Web Conference 2014, 7.-11. April 2014, Seoul/Korea 2014, https://people.csail.mit.edu/khosla /papers/www2014_khosla.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 71 Ernst: Das Rumoren der Archive, S. 21; Herv. i.O. Wolfgang Ernst nimmt in der zitierten Textstelle Bezug auf eine Monografie von Boris Groys. Vgl. Groys, Boris: Unter Verdacht. Eine Phänomenologie der Medien, München 2000, S. 20. 72 Zum Begriff des Archivs als Dispositiv nach Foucault vgl. bspw. Foucault, Michel: Archäologie des Wissens, Frankfurt a.M. 1973 (hieraus insb. Kapitel 3 – Die Aussage und das Archiv) sowie Foucault, Michel: Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit, Berlin 1978, S. 119 f. 73 Vgl. hierzu FN 37 (Kap. 1) sowie Gillespie, Tarleton: Regulation of and by Platforms, in: Jean Burgess/Alice Marwick/Thomas Poell (Hg.): The SAGE Handbook of Social Media, London [u.a.] 2018, S. 254-278. 74 Als Kontrollinstanzen fungieren hierbei spezielle Filtersoftware (d.h. zensierende Algorithmen), Konzernangestellte und/oder soziale Kontrolle, sprich communityinterne, von Usern initiierte Zensur. Vgl. Bonde Thylstrup, Nanna: The Invisibilities of Internet Censorship, in: Henriette Steiner/Kristin Veel (Hg.): Invisibility Studies. Surveillance, Transparency and the Hidden in Contemporary Culture, Bern [u.a.] 2015,
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rer Beschaffenheit intransparente Kontrollfunktionen sind sie Agenten einer „Politik der Sichtbarkeit“ 75 und selektieren die jeweils verfügbaren Inhalte. Eine Analyse von Online-Bildphänomenen ist folglich bereits im Moment der Datenerhebung auf archivseitig angebotene Suchfunktionen (in YouTube, Flickr, Instagram usw.) oder auf Metasuchmaschinen wie Google Search und die jeweils verwendeten Algorithmen angewiesen. Mit der Diagnose Ernsts übereinstimmend, spiegeln „digitale Datenstrukturen […] [folglich; K.G.] kein kollektives Gedächtnis im anthropologischen Sinne mehr, sondern das Archiv ihrer Verarbeitungsprogramme.“ 76 Auch die Darstellung von Medieninhalten variiert in Abhängigkeit zur verwendeten Hardware sowie der hierauf vorinstallierten Firmware. 77 Zudem erfährt jedes Endgerät eine Personalisierung durch seinen jeweiligen Benutzer. Ob bzw. inwiefern diese individuelle Anpassung der Programme und -einstellungen sowie die darauf gespeicherten persönlichen Inhalte und Informationen von einer installierten Software hintergründig mitverarbeitet werden und in der Folge beispielsweise forschungsrelevante Suchergebnisse verzerren, ist eine weitere Unbekannte im Forschungsprozess. In jedem Fall schmälert jenes – von Eli Pariser mit filter bubble 78 bezeichnete – Phänomen selektiver Information deren repräsentative Aussagekraft und Rekonstruierbarkeit.
S. 301-320. Im Hinblick auf die Zensurpolitik von Instagram ist die von den Künstlerinnen Arvida Byström und Molly Soda zusammengetragene Bildersammlung zwangsweise gelöschter Fotografien äußerst instruktiv, verweisen jene ‚ausgestoßenen‘ Bilder doch auf die hintergründigen gesellschaftlichen Tabus. Vgl. Byström, Arvida/Soda, Molly: Introduction, in: Dies. (Hg.): Pics or It Didn’t Happen. Images Banned from Instagram, München [u.a.] 2016, S. 15-16, hier S. 16. 75 Vgl. Holert, Tom: Bildfähigkeiten. Visuelle Kultur, Repräsentationskritik und Politik der Sichtbarkeit, in: Ders. (Hg.): Imagineering. Visuelle Kultur und Politik der Sichtbarkeit, Köln 2000, S. 14-33, hier S. 33. 76 Ernst: Das Rumoren der Archive, S. 135. 77 Vgl. hierzu auch Dille, Annika: Kulturwissenschaftliche Betrachtungen von Smartphone-Anwendungen – methodologische Herausforderungen, Analysemöglichkeiten und Perspektiven, in: Wolfgang Schmale (Hg.): Digital Humanities. Praktiken der Digitalisierung, der Dissemination und der Selbstreflexivität, Stuttgart 2015, S. 75-94. 78 Vgl. Pariser, Eli: The Filter Bubble. What the Internet is hiding from you, London 2012.
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2.2.1 Update – Volatilität von Software als heuristisches Instrument Ein zentrales Merkmal von Software, das ebenso ein mitunter grundlegendes methodisches Problem darstellt, ist ihre kontinuierliche Veränderung. In Versionen veröffentlicht, wird sie regelmäßig durch Updates optimiert und modifiziert. Bei mobilen Softwareanwendungen geschieht dies besonders schnelltaktig. Die Forschungsarbeit wird, insofern sie nicht historisch motiviert ist, hierdurch deutlich erschwert, da die heute aktuelle Version einer App mitunter schon nächsten Monat durch die Folgeversion ersetzt und daher – unter Umständen samt Forschungsergebnissen – veraltet ist. Obgleich Updates in der Regel dazu dienen, die bestehende Programmversion beispielsweise durch das Ausmerzen von Programmierfehlern zu optimieren, können sie Programmelemente durchaus grundlegend verändern. Die im Rahmen des vorliegenden Dissertationsprojekts untersuchte und seit der im Dezember 2012 veröffentlichten Version 3.2 kontinuierlich beobachtete App Instagram ist zum Zeitpunkt der Drucklegung Anfang Juni 2018 beispielsweise bei Programmversion 46.0 79 angelangt. Dementsprechend zahlreich sind die Modifikationen, welche die Softwareanwendung im Zeitraum ihres nunmehr nahezu achtjährigen Bestehens durchlaufen hat. Diese betreffen nicht nur die grafische Gestaltung des Interfacedesigns, sondern zeitigen durchaus gravierendere Rekonfigurationen des Funktionsumfangs, der Menüführung und/oder der Handhabung. Hinsichtlich ihrer modularen Struktur handelt es sich bei digitalen Daten allgemein, jedoch bei Software im Speziellen, nicht um Entitäten bzw. um in sich abgeschlossene Endprodukte, sondern um Prozessversionen. Selbst gewissermaßen ein formalisierter kultureller Prozess, reagiert das modulare Artefakt Software wiederum empfindlich auf soziokulturelle Veränderungen. Aufgrund ihrer hochtaktigen Ver- und Entwertungszyklen sowie des geringeren Programmier- und Kostenaufwandes sprechen mobile Apps besonders auf gesellschaftliche Veränderungen und kulturelle Trends an und sind daher prädestiniert, als deren sensibler Indikator zu fungieren. 80 Dies gilt insbesondere
79 Die Angabe der Version bezieht sich auf das mobile Betriebssystem iOS und ist auf dem Stand vom 01.06.2018. Anhand einer Infografik von WeRSM (Akronym für We are Social Media) lässt sich die Update-Genealogie von Instagram auszugsweise nachvollziehen. Vgl. Desreumaux, Geoff: The Complete History of Instagram, http:// wersm.com vom 03.01.2014, http://wersm.com/the-complete-history-of-instagram/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 80 Zur indikatorischen Funktion von popkulturellen Artefakten im Allgemeinen wie der Popmusik im Speziellen vgl. auch Diederichsen, Diedrich: Die Auflösung der Welt –
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für die Softwareupdates einer global derart populären, soziokulturell wie ökonomisch potenten Social-Media-Anwendung wie Instagram. In ihrer Funktion als heuristisches Mittel ist die versatile Beschaffenheit von Software grundsätzlich positiv; damit sie als Quelle methodisch handhab- bzw. bearbeitbar wird, ist die Forschende jedoch dazu gezwungen, ihren Gegenstand durch Setzung äußerer Parameter – einer Momentaufnahme vergleichbar – künstlich stillzustellen. Die Festlegung eines Untersuchungszeitraums sowie die Beschränkung auf konkrete Programmversionen gewährleisten die Nachvollziehbarkeit des qualitativ-empirischen Datenerhebungsprozesses, auf welchem die nachfolgend präsentierten Forschungsergebnisse basieren. 81 Darüber hinaus werden die innerhalb dieser Zeitspanne analysierten Programmversionen mithilfe von Screenshots, die das Interfacedesign bzw. den formalen Aufbau sowie Funktionsumfang der Software zum Zeitpunkt der Datenerhebung dokumentieren, archiviert. In der Bildunterschrift des jeweiligen Screenshots sind zudem Zugriffsdatum, verwendetes Gerätemodell sowie die konkrete Ausgabe des installierten Betriebssystems vermerkt. Die nachfolgend in Kapitel 3 dargestellten Analysen beziehen sich im Fall von Instagram auf Version 3.4.1 sowie 4.1.2; Hipstamatic wird demgegenüber anhand der Versionen 262 und 271 untersucht. Neben den Vollerhebungen der genannten Programmversionen und einer umfassenderen Nacherhebung von Instagram – Version 7.3.0 im August 2015, deren Ergebnisse Eingang in Kapitel 5 finden, werden die Entwicklungen im Phänomenbereich ‚(Retro-)Kamera-Apps‘ – allgemeiner: populärer mobiler Mediensoftware zur InstantBearbeitung digitaler Bilder – seit Mitte 2012 stetig verfolgt und stichprobenartig via Screenshots archiviert. Diese kontinuierliche Auseinandersetzung mit einem vergleichsweise jungen, erst seit wenigen Jahren überhaupt in dieser Form existierenden, alltäglich zunehmend selbstverständlich verwendeten Medium populärer Bildproduktion eröffnet die seltene Gelegenheit, die Entwicklung und Ausdifferenzierung des Phänomenbereichs ‚Kamera-App‘ anhand ausgewählter Fallbeispiele forschend begleiten zu können. Indem konzeptionelle Umorientierungen bzw. Neuausrichtungen als Reaktionen auf bestimmte Anforderungen, ökonomische Interessen, kulturellen Wandel und/oder öffentliche Meinungen gelesen werden können, verfügen speziell Softwareupdates in diesem Zusammenhang über besagte indiVom Ende und Anfang, in: Diedrich Diederichsen/Dick Hebdige/Olaph-Dante Marx: Schocker. Stile und Moden der Subkultur, Reinbek bei Hamburg 1983, S. 165-188, hier S. 167. 81 Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, automatische Updates für die jeweilige App manuell zu deaktivieren und für den Erhebungszeitraum nur mit einer einzigen Version zu arbeiten.
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katorische Funktion. Am Beispiel bildbasierter mobiler Mediensoftware lassen sich über eine derartige medienarchäologische Längsschnittstudie gerade auch signifikante Veränderungen der implementierten Ästhetisierungsfunktionen sowie deren Handhabung ausmachen, die wiederum an Diskursformationen (z.B. Schönheitsideale) rückgebunden werden können. Ihre Prozessualität disqualifiziert Software demzufolge keinesfalls grundsätzlich als empirischen Untersuchungsgegenstand; medienadäquat gehandhabt, lässt sich diese vielmehr ausdrücklich konstruktiv und somit verdienstvoll für wissenschaftliche Forschungsvorhaben nutzen. Ungeachtet ihrer Modifikationen geht die vorliegende Forschung des Weiteren von der Annahme aus, dass das strukturgebende Kernprinzip bzw. die relevanten Kernelemente einer Software über die verschiedenen Prozessversionen hinweg stabil bleiben und nicht grundlegend variieren. Die kontinuierliche Beobachtung der Programmveränderungen trägt in diesem Fall geradewegs dazu bei, die wesenhaften Bestandteile einer Software, ihr konzeptuelles Konsistenzminimum, zu identifizieren.
2.3 SOFTWARE ALS WARE – ANALYSE DES MARKENAUFTRITTS UND SEINER FIKTIONSWERTE Gerade im Kontext eines Forschungsprojekts, das sich der Untersuchung zeitgenössischer, mobil generierter Konsumästhetiken verschrieben hat, spielt gleichfalls der Warencharakter von Software 82 selbst eine Rolle; zumal es sich speziell bei mobilen Apps, so die Einschätzung von Svitlana Matviyenko, um das „itobject“ 83 gegenwärtiger Warenökonomie handelt. Bezugnehmend auf die Defini-
82 In Anbetracht eines drohenden Kartellrechtsverfahrens entschied sich der Marktführer IBM im Dezember 1968 dazu, die Softwaresektion von jener der Hardware zu trennen. Die Auflösung dieses herstellerseitig zuvor ausschließlich als Gesamtpaket angebotenen Produktamalgams aus Hardware und zugehöriger Software (bundle) initiierte eine Liberalisierung des Marktes. Als separate Entität (unbundled) wurde Software in der Folge zu einer eigenständigen Produktkategorie und demnach warenförmig. Vgl. Mulligan, Catherine: The Communications Industries in the Era of Convergence, Milton Park [u.a.] 2012, S. 107-113. 83 Matviyenko, Svitlana: Introduction, in: Paul D. Miller/Svitlana Matviyenko (Hg.): The Imaginary App, Cambridge/Mass. [u.a.] 2014, S. xvii-xxxvi, hier S. xxv; Herv. i.O. Vgl. hierzu auch Pold, Søren Bro/Andersen, Christian Ulrik: Controlled Consumption Culture. When Digital Culture Becomes Software Business, in: Paul D. Mil-
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tion von Matviyenko lässt sich eine App im übertragenen wie wörtlichen, sprachlichen sowie technischen Sinne als Abbreviatur, d.h. als reduzierte, intuitiv-bedienbare und somit maximal benutzerfreundliche Version einer Softwareanwendung beschreiben. 84 In ihrer Funktion als programmierte Schnittstellen zwischen lokalem Endgerät bzw. den Intentionen des Nutzers und dem virtuellen Datenspeicher der ‚Cloud‘ 85 stehen Apps nach Meinung Matviyenkos in stärkerem Maße als das internetfähige Mobilgerät selbst als Synonym für Mobilität und Ubiquitäres Computing. 86 Mit der technologischen Komplexität von mobilen Endgeräten geht eine Standardisierung der Gerätebauweise einher, wodurch „stilistische Zugehörigkeiten und damit Identifikations- und Erkennungsmerkmale vom Gehäuse entkoppelt [werden] und […] sich so klassischen Darstellungskonzepten [entziehen].“ 87 Eine Aneignung des optisch vereinheitlichten Massenprodukts sowie eine Abweichung hinsichtlich seines konkreten Verwendungszusammenhangs findet sich Thilo Schwer zufolge demnach lediglich im Bereich der nutzerseitig jeweils installierten Softwareanwendungen und deren individueller Gruppierung nach bestimmten Funktionszusammenhängen. 88 Die subjektive Kombination einer großen Menge an Massenartikeln garantiert eine bestenfalls einmalige Repräsentation der eigenen Person. Jene Form der „Ich-Bildung qua Waren“ 89 findet aufgrund der Anwendungsoffenheit internetfähiger Mobilgeräte, die eine weitgehend personalisierte Auswahl und Anler/Svitlana Matviyenko (Hg.): The Imaginary App, Cambridge/Mass. [u.a.] 2014, S. 17-34 sowie Fagerjord, Anders: The Cloud, the Store, and Millions of Apps, in: Irina Kaldrack/Martina Leeker (Hg.): There is no Software, there are just Services, Lüneburg 2015, S. 91-103. 84 Vgl. Matviyenko: Introduction, S. xvii f. 85 Jene ätherische Metaphorik ist Bestandteil der hochproblematischen Trope der Immaterialität, die den Diskurs über Digitalität beharrlich dominiert. Vgl. hierzu Kap. 2.4. 86 Vgl. Matviyenko: Introduction, S. xviii sowie Bratton, Benjamin H.: On Apps and Elementary Forms of Interfacial Life: Object, Image, Superimposition, in: Paul D. Miller/Svitlana Matviyenko (Hg.): The Imaginary App, Cambridge/Mass. [u.a] 2014, S. 3-16. 87 Schwer, Thilo: Produktsprachen. Design zwischen Unikat und Industrieprodukt, Bielefeld 2014, S. 107. 88 Vgl. a.a.O. 89 Illouz, Eva: Emotion, Imagination und Konsum. Eine neue Forschungsaufgabe, in: Heinz Drügh/Christian Metz/Björn Weyand (Hg.): Warenästhetik. Neue Perspektiven auf Konsum, Kultur und Kunst, Berlin 2011, S. 47-91, hier S. 69.
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ordnung von Gerätesoftware ermöglicht, verstärkt auch im Bereich inmaterieller Konsumobjekte wie Software bzw. mobilen Softwareapplikationen statt. Wie zuvor What’s in my bag realisiert das Internet-Bildphänomen What’s on my phone somit die „Funktion der persönlichen Distinktion“ 90 . Das Mobiltelefon ist heute nicht mehr lediglich einer von mehreren Gegenständen des alltäglich mitgeführten Sachinventars, das als, mehr oder weniger sorgsam arrangiertes, Objektstillleben seinen Besitzer zu repräsentieren vermag (vgl. Tab. 1, 1), sondern dient im Fall des Smartphones nunmehr selbst als Container für die mittlerweile virtuellen Waren- bzw. App-Arrangements. Ein Screenshot des eigenen Homescreens (vgl. Tab. 1, 2) oder aber mehrere, die im Anschluss zu einem nahtlosen Gesamtbild montiert werden (vgl. Tab. 1, 3), fungieren so beispielsweise innerhalb der virtuellen Fotocommunity Flickr als eine Form des Selbstportraits. Die Icons der installierten Softwareanwendungen und deren Anordnung auf der Benutzeroberfläche dienen hierbei als soziale Identitätszeichen im Sinne Goffmans. 91 Das Massenprodukt Smartphone lässt sich somit nicht nur äußerlich, sondern auch auf Programmebene individualisieren und in seiner Bedeutung derart umfassend modifizieren, dass Screenshots der Benutzeroberfläche und der hierauf angeordneten Programmicons als stellvertretendes Selbstportrait dienlich erscheinen. 92 Zusammengefasst sind mobile Softwareanwendungen Konsumobjekte, die sich wiederum in kombinatorisch gebildeten App-Ensembles zu Konsumbiografien bzw. „Waren-Narrative[n]“ 93 mit Attributcharakter formen und somit semiotische Bedeutungskomplexe im Dienste individueller „Selbstkommunikation“ 94 darstellen. 90 Habermas, Tilmann: Geliebte Objekte. Symbole und Instrumente der Identitätsbildung, Frankfurt a.M. 1999, S. 190. 91 Vgl. Goffman: The Presentation of Self in Everyday Life sowie Habermas: Geliebte Objekte, S. 190. 92 Die Bedeutung eines Produktes wird kontextuell, d.h. in Relation zu anderen hergestellt. Die Kombination von Waren, die Bildung von Produktensembles, ermöglicht es, sich über das entstehende semiotische Amalgam zu identifizieren. Zur „Bedeutungsmodulation durch Ensemblebildung“ vgl. das gleichnamige Kapitel in Schwer: Produktsprachen, S. 219-246. Prominent vertreten findet sich jenes Phänomen der IchBildung qua Apps auch auf dem Online-Videoportal YouTube – das gleichnamige Genre What’s on my Phone stellt hierbei eine Hybridform aus Haul, Tutorial und Review dar. 93 Illouz: Emotion, Imagination und Konsum, S. 80 sowie Schwer: Produktsprachen, S. 134. 94 Habermas: Geliebte Objekte, S. 259 f. sowie Schwer: Produktsprachen, S. 133.
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Tableau 1: (1) „What’s in my bag“ – Zusammenstellung von privaten Besitztümern zum Zwecke der Selbstbeschreibung; „What’s on my phone“ – (2) Screenshot des persönlichen Homescreens und der hierauf angeordneten Apps sowie (3) eine nahtlose Montage mit zusätzlichen Screenshots sämtlicher Sidescreens.
Teilt sich der Markt für Desktop-Software unter wenigen etablierten Firmen auf, gestaltet sich das kontinuierlich wachsende und ökonomisch äußerst rentable Produktsegment mobiler Softwareanwendungen zumindest vordergründig 95 deutlich liberaler, wodurch das Angebot allein im Subsegment von ‚KameraApps‘, d.h. mobiler bildbasierter Mediensoftware, ungleich größer und mittlerweile aufgrund des ausdifferenzierten Warensortiments gar kaum noch zu überblicken ist. 96 Software ist in der Regel keine Einzelanfertigung, sondern ein für 95 Reglementiert und zensiert wird selbiges durch die Politik des App Store betreibenden Konzerns – Apple, Google oder Microsoft. Die Entscheidungsgewalt darüber, welche Apps überhaupt veröffentlicht werden, hängt letztlich lediglich von einer Handvoll Firmen – den ‚üblichen Verdächtigen‘ – und deren ökonomischen Interessen ab. Vgl. hierzu auch Srnicek, Nick: Platform Capitalism, Cambridge/Mass. [u.a.] 2016. 96
Die kumulierte Anzahl der weltweiten App-Downloads über den Apple App Store ist seit dessen Einführung im Juli 2008 kontinuierlich gestiegen. Von Januar 2011 bis Juni 2017 wurden Apple zufolge 180 Milliarden mobile Anwendungen herunterge-
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einen Massenmarkt konzeptioniertes Konsumobjekt, das – will es sich finanziell rentieren – auch auf eben diesem bestehen muss. Konkurrenz und Innovationsdruck sind im Bereich mobiler Apps besonders hoch, wodurch Entwicklerfirmen in besonderem Maße darauf angewiesen sind, genau zu überlegen, „[…] mit welchen Effekten oder Versprechungen [sie] überhaupt Interesse für [ihre] Waren wecken [können].“ 97 Eine App muss sich folglich nennenswert von anderen unterscheiden, d.h. einen Download- bzw. Kaufanreiz qua Mehrwert bieten. Ein größerer Vermarktungsdruck lastet hierbei fraglos auf kostenpflichtigen Apps, die gegenüber funktional vergleichbarer Freeware 98 bestehen müssen. In einer Wohlstandsgesellschaft, in der es mehr Dinge gibt, als benötigt werden und sich diese in ihrer Funktionalität, d.h. hinsichtlich ihres Gebrauchswertes, zumeist nicht nennenswert voneinander unterscheiden, beinhaltet die Frage nach dem Tauschwert eines Objekts somit immer bereits die Frage nach dessen fiktionalen Qualitäten. Bezugnehmend auf die von Wolfgang Ullrich als Ergänladen. Vgl. de.statista.com: Kumulierte Anzahl der weltweit heruntergeladenen Apps aus dem Apple App Store von Januar 2011 bis Juni 2017 (in Milliarden), https://de.statista.com/statistik/daten/studie/20149/umfrage/anzahl-der-getaetigtendownloads-aus-dem-apple-app-store/. Mit Stand von Januar 2018 führt die Rubrik Spiele (25,02 %) mit signifikantem Abstand zum zweitplatzierten App-Genre Business (9,8 %) die Top-20 der international beliebtesten Kategorien im App Store an. Einem ebenfalls über Statista verfügbaren Balkendiagramm zufolge liegt der prozentuale Anteil von Foto & Video (Platz 14) demgegenüber bei gerade mal 2,21 %, Soziale Netzwerke rangieren mit 2,11 % sogar noch dahinter auf Platz 17. Vgl. statista.com: Most Popular Apple App Store Categories In January 2018, By Share Of Available Apps, https://www.statista.com/statistics/270291/popular-categories-inthe-app-store/. Kombiniert man die beiden Statistiken, ließe sich dennoch näherungsweise von ca. vier Millionen Downloads im Bereich Foto & Video sprechen. Gemäß den statistischen Angaben von Google und Apple boten die konzerneigenen App Stores mit Stand von Oktober 2017 3.361.843 (Google Play) und 2.200.000 (Apple App Store) verschiedene Apps zum Download an. Vgl. de.statista.com: Anzahl der angebotenen Apps in den Top App-Stores bis Oktober 2017, https://de. statista.com/statistik/daten/studie/208599/umfrage/anzahl-der-apps-in-den-top-appstores/. Allen Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. 97
Ullrich: Alles nur Konsum, S. 16.
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Diese ist in der Regel werbefinanziert und versucht Nutzer zumeist durch einen beschränkten Funktionsumfang zum nachträglichen Kauf der Vollversion zu animieren. Zum Teil verlangt mobile Freeware auch deutlich umfangreichere Zugriffsrechte auf das mobile Endgerät, die sich nicht aus den Funktionen der App erklären lassen und daher aus datenschutzrechtlichen Gründen problematisch sind.
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zung zur marxschen Dichotomie eingeführte Kategorie des Fiktionswertes, lassen sich Konsumobjekte – im vorliegenden Fall mobile Softwareanwendungen – gleichsam wie Kunstwerke „[…] in Kategorien des Fiktionalen und der Inszenierung beschreiben.“ 99 Indem er den ästhetischen Eigenwert der fiktionalen Anteile von käuflichen Dingen betont, argumentiert Ullrich entschieden gegen den, maßgeblich von Wolfgang Fritz Haug geprägten, pejorativen Begriff der Warenästhetik und dessen moralisierende Implikation, die als etablierte Diskursfunktion der Konsumismus-Debatte Fiktion mit Lüge bzw. Betrug an einem arglosen Konsumenten kurzschließe. 100 Der Fiktionswert eines Konsumobjekts referiert demgegenüber wertfrei auf die Imaginationen, Emotionen, Inszenierungen und Narrative, die das Produkt selbst anbietet. 101 Um Aussagen über dessen Beschaffenheit zu treffen, „[…] untersucht man im Einzelfall, mit welcher Absicht und Wirkung ein Produkt inszeniert ist und wie das sowohl unter ästhetischen als auch unter gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten einzuschätzen ist.“ 102 Als konstruierte, aus strategischer Planung resultierende Bedeutungsträger gehen Markenzeichen nicht in einer kennzeichnenden Funktion auf, vielmehr dienen sie in deutlich stärkerem Maße dazu, „[…] auf Produkt- und Firmeneigenschaften zu verweisen bzw. sie zu symbolisieren, die ihm erst von der Werbung zugeschrieben werden.“ 103 Dominic Schüler zufolge kommt dem Markenzeichen wie dem Image – und folglich auch dem Fiktionswert – eine größere Bedeutung zu als den „genuinen Eigenschaften der beworbenen Produkte selbst.“ 104 Die im Kontext des Markenauftritts von Hipstamatic und Instagram angebotene Summe an werbekräftigen Vorstellungsbildern wird nachfolgend zunächst aus der verbalen Produktinszenierung extrahiert. Hierzu wird das Werbeversprechen der jeweiligen App untersucht, wie es sich im Begleittext auf der offiziellen Produktseite im App Store des entsprechenden Betriebssystems, Apple
99
Ullrich: Alles nur Konsum, S. 11. Vgl. hierzu auch die von Gernot Böhme eingeführte Kategorie des Inszenierungswerts in Böhme, Gernot: Zur Kritik der ästhetischen Ökonomie, in: Kaspar Maase (Hg.): Die Schönheit des Populären. Ästhetische Erfahrung der Gegenwart, Frankfurt a.M. 2008, S. 28-41.
100 Vgl. ebd., S. 20 sowie Haug: Kritik der Warenästhetik. 101 Erweitert werden jene durch Zuschreibungen seitens der Konsumenten, wobei beide nicht zwingend deckungsgleich sein müssen. 102 Ullrich: Alles nur Konsum, S. 11. 103 Schüler, Dominic: Werbekommunikation rhetorisch, in: Nina Janich (Hg.): Handbuch Werbekommunikation. Sprachwissenschaftliche und interdisziplinäre Zugänge, Tübingen 2012, S. 197-212, hier S. 206. 104 Ebd., S. 207.
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App Store (iOS) und/oder Google Play (Android), finden lässt. 105 Der Zugang erfolgt hierbei entweder über die jeweilige Webversion 106 oder direkt über die Firmware des mobilen Endgeräts. Sollte die App – wie im Fall von Instagram – sowohl in Form einer iOS- als auch in einer Android-Version existieren, werden die Produktseiten auf beiden Online-Vertriebsportalen aufgerufen und im Hinblick auf etwaige inhaltliche Abweichungen miteinander verglichen (vgl. Tab. 2). Jener vorgelagerte Analyseschritt erfolgt zunächst unabhängig von Kenntnissen des medienstrukturellen Aufbaus, des Funktionsumfangs, der Handhabung sowie konkreter Bilddateien, die sich mithilfe der Apps generieren lassen, und dient dazu, anhand der offiziellen Produktpräsentation der jeweiligen App on display die dominanten Diskursmuster des Werbetexts offenzulegen. Methodisch auf die Kritische Diskursanalyse 107 rekurrierend, geht die Untersuchung von der Grundannahme aus, dass der Umgang mit sowie der Einsatz von Sprache – speziell in Werbekontexten wie dem vorliegenden – äußerst reflektiert und intentional, d.h. nach marketingstrategischen Erwägungen, erfolgt. 108 Ergänzt wird die Studie der verbalen Produktinszenierung im Anschluss um ihr visuelles Pendant, das Grafikdesign des Markenlogos in Form des Programmicons sowie der typografischen 109 Umsetzung des Markennamens. Als Symbole 110 stellen Icons nicht notwendigerweise ein Realobjekt dar, sie fungieren jedoch in jedem Fall als Sinnbild des Produkts und seiner Eigenschaften. Form, Farbe und gegebenenfalls Textur sind die drei Grundkomponenten, deren Kom-
105 Keine Berücksichtigung findet der Windows Store von Microsoft, da das Windows Phone zum Zeitpunkt der Datenerhebung kaum verbreitet war und dementsprechend innerhalb der vorliegenden Forschung als zu vernachlässigend eingestuft wurde. 106 Vgl. Apple App Store, http://www.apple.com/itunes/, sowie Google Play, https:// play.google.com/store?hl=de. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06. 2018. 107 Vgl. hierzu Bendel Larcher, Sylvia: Werbekommunikation diskursanalytisch, in: Nina Janich (Hg.): Handbuch Werbekommunikation. Sprachwissenschaftliche und interdisziplinäre Zugänge, Tübingen 2012, S. 229-241. 108 Zur Rhetorik der Werbung vgl. Janich, Nina: Werbesprache. Ein Arbeitsbuch, 5. vollst. überarb. und erw. Aufl., Tübingen 2010 [1999]. 109 Typografie dient der Bildlichkeit des Sprachtexts und zieht in diesen eine weitere, auf visueller Codierung basierende, Bedeutungsebene ein. Vgl. hierzu Meier, Stefan: Vom Stil zum style – Typografie als intermediales Phänomen, in: KODIKAS/CODE. Ars Semeiotica (#29) 1-3 (2007), S. 59-77. 110 Vgl. Peirce: Phänomen und Logik der Zeichen, S. 63 ff.
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bination dazu dient, bestimmte Bedeutungen und Assoziationen bei einem potentiellen Nutzer bzw. Käufer zu evozieren. Aus einer soziosemiotischen Perspektive lassen sich die einzelnen Bestandteile jenes multimodalen Kommunikats als „‚illokutionäres Zeichenhandeln“ 111 systematisieren: „Unter Zeichenressourcen werden dabei alle Elemente subsumiert, die in der situativen Produktion und Interpretation Bedeutungszuschreibung erfahren bzw. kommunikative Funktionen erhalten können, also auch Farbe, Linien, Freiflächen. Zu Zeichenmodalitäten werden diese Ressourcen, wenn sie sinnhaft, regelorientiert und kommunikativ zum Einsatz gebracht werden.“ 112
Die intendierte Materialtriangulation aus Text und Bild ist folgelogisch, fusionieren beide Komponenten herstellerseitig doch letztlich zu einer argumentativen Einheit. Darüber hinaus ermöglicht sie einen ersten multiperspektivischen Blick auf die gewählten Fallbeispiele Hipstamatic und Instagram als mit Fiktionswerten ausgestattete Konsumobjekte. Angenommen wird, dass sich beide Materialformen inhaltlich ergänzen bzw. die Textquelle etwas offenlegt, was das visuelle Material nicht in dieser expliziten Form enthält und vice versa. 113 Mit dem Blick auf die verbalen Selbstbeschreibungen des Werbetexts, der in seinen verheißungsvollen Slogans und Kurznarrativen weit über eine nüchterne Darstellung des Funktionsumfangs hinausgeht, ist überdies die Erwartung verbunden, dass sich hierüber erste Erkenntnisse bzw. Hypothesen formulieren lassen, die produktive Anknüpfungspunkte für den weiteren Forschungsverlauf sowie die Theoriebildung liefern.
111 Meier, Stefan: (Bild-)Diskurs im Netz. Konzept und Methode für eine semiotische Diskursanalyse im World Wide Web, Köln 2008, S. 12. 112 Ebd., S. 13. 113 Zur Triangulation als Methode Qualitativer Sozialforschung vgl. Flick, Uwe: Triangulation. Eine Einführung, 3. aktual. Aufl., Wiesbaden 2011 [2004].
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Tableau 2: Exemplarische Übersicht der offiziellen Produktseite von Instagram in den deutschsprachigen Versionen (1) der Webpräsenz des App Store von Apple iTunes, (2) dessen App-Version als Bestandteil des mobilen Betriebssystems iOS sowie (3) der Webpräsenz von Google Play.
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2.4 „THE STORIES DIGITAL TOOLS TELL“ 114 – SOFTWARE ALS INMATERIELLE PRAXIS „Ich glaube nicht an ‚Immaterielles‘: Es existiert nicht. Das ist ein Wort, […] das eigentlich flüchtige Zustände der Materie bezeichnet, die aber dennoch Zustände der Materie bleiben. Es gibt nichts, was nicht ein Zustand der Materie wäre. Und um diese flüchtigen Zustände herzustellen, braucht man eine Menge Hardware [materiel]: viele Apparate.“ 115
Die faktische Omnipräsenz und die kausal daraus ableitbare innerkulturelle Relevanz von Software in heutigen Informationsgesellschaften verlangt zwingend, dafür wirbt Lev Manovich nachdrücklich, sowohl nach einer theoretischen Konzeption von Software als auch nach einer grundlegenden und systematischen Softwarekritik – beides bislang weitgehend blinde Flecke im wissenschaftlichen Diskurs. 116 Manovich zufolge handelt es sich bei Software um das Schlüsselme-
114 Der Titel des Kapitels nimmt Bezug auf den gleichnamigen Aufsatz von Tarleton Gillespie aus dem Jahr 2003. Am Beispiel des herstellerseitigen Tutorials, der sogenannten guided tour, zu Macromedia Dreamweaver untersucht Gillespie hierin jene ‚Politiken der Selbstinterpretation‘, welche in narrativer Form in die Software selbst eingelassen sind. Mit Fokus auf die konventionalisierten Metaphern des Computerinterface versucht Gillespie eine geeignete Methode zu entwickeln, um das naturalisierte technologische System dahinter sichtbar zu machen: „Dreamweaver is not a program; it is a tool, a community of designers, an array of users, a medium, a corporation, and series of cultural expectations […].“ Gillespie, Tarleton: The Stories Digital Tools Tell, in: John Caldwell/Anna Everett (Hg.): New Media. Theories and Practices of Digitextuality, New York/London 2003, S. 107-124, hier S. 120. 115 Stiegler, Bernard: Hypermaterialität und Psychomacht, Zürich 2010, S. 104 f. zit. n. Bernsteiner, Andreas: Immaterialität oder Hypermaterialität? Hermeneutisch-phäno menologische Überlegungen zur Entmaterialisierungshypothese, in: Valentin Dander et al. (Hg.): Medienräume. Materialität und Regionalität, Innsbruck 2013, S. 23-34, hier S. 29; Herv. i.O. Online abrufbar unter: http://books.openedition.org/iup/725? lang=de (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 116 Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 6 ff. Der schlechte Leumund von Software und die hieraus resultierende Marginalisierung insbesondere im innereuropäischen medienwissenschaftlichen Diskurs stehen in Zusammenhang mit der tech-
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dium des 21. Jahrhunderts: „[O]ur contemporary society can be characterized as a software society and our culture can be justifiably called a software culture – because today software plays a central role in shaping both the material elements and many of the immaterial structures that together make up ‚culture‘.“ 117 Als provokante Antithese zu Kittlers technikpessimistischer Diagnose „Es gibt keine Software“ 118 aus dem Jahr 1993 proklamiert Manovich zwanzig Jahre später deren monokratische Stellung: „There is only software.“ 119 Seiner Argu-
no-materialistischen Medientheorie Kittlers. Aus der Sicht von Kittler wird die intentionale Verknappung technischer Möglichkeiten sich Hardware anzueignen, strategisch durch immer weiter optimierte Benutzeroberflächen kaschiert – eine Entwicklung, die ihren vorläufigen Höhepunkt in mobilen Endgeräten gefunden hat. Mit dem Siegeszug standardisierter Betriebssysteme, wie beispielsweise MS-DOS, schiebt sich die grafische Benutzeroberfläche zwischen Mensch und Maschine – und fungiert derart als Schnittstelle bzw. Medium. Gemäß Kittlers Kritik dienen Benutzeroberflächen allerdings weniger der Optimierung des Computers selbst, sondern haben vielmehr den Zweck, die Manipulierbarkeit der Maschinensignale für deren Nutzer unmöglich zu machen – diese fällt einzig den Softwarekonzernen bzw. den Programmierern zu. Die Rhetorik von der Benutzerfreundlichkeit des PCs verschleiert Kittler zufolge die Tatsache, dass die Einführung grafischer Benutzeroberflächen faktisch einem Blackboxing zuarbeitet. Indem sie die gesamte Maschine sukzessive ihrem Nutzer entzögen, werde dieser entmündigt und schlussendlich selbst von der Maschine bzw. deren Produzenten beherrscht. Vgl. Kittler, Friedrich: Draculas Vermächtnis. Technische Schriften, Leipzig 1993, S. 225-242, insb. S. 233. 117 Manovich: Software takes Command, S. 33; Herv. i.O. 118 Vgl. das gleichnamige Kapitel in Kittler: Draculas Vermächtnis, S. 225-242. 119 Vgl. das gleichnamige Kapitel in Manovich: Software takes Command, S. 147-157. Der Titel eines 2015 veröffentlichten Sammelbandes There is no Software, there are just Services greift wiederum das manovichsche Postulat auf und verneint dieses ebenfalls zugunsten einer anderen Schlussfolgerung: Software werde nicht nur im Firmenbereich, sondern auch im Segment der End- bzw. Privatanwender zunehmend als Serviceleistung angeboten. Darüber hinaus basiere die Nutzung heute vielfach auf Abonnements (bspw. Adobe Creative Cloud, Office 365), so dass der Besitz von Software als Ware überflüssig und durch ihre Nutzung als Service ersetzt werde. Neben den technischen Bedingungen von Hardware und Software wird die ‚gegenwärtige Lage‘ den Autoren zufolge daher insbesondere durch Politik und Ökonomie sowie kooperative Konstellationen bedingt. Vgl. Kaldrack, Irina/Leeker, Martina: There is no Software, there are just Services – Introduction, in: Dies. (Hg.): There is no Software, there are just Services, Lüneburg 2015, S. 9-20, hier S. 12. Online ab-
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mentation zufolge hat erst die Entwicklung und Verbreitung grafischer Benutzeroberflächen den Computer als Massenmedium in das Zentrum der Kultur gerückt und jene Formen kultureller Software ermöglicht, die bis heute genutzt werden, um Medienobjekte und -umgebungen zu erschaffen und zugänglich zu machen. Ohne jenen Paradigmenwechsel von schrift- zu bildbasierter MenschMaschine-Kommunikation wäre die Computertechnologie weiterhin einer Elite von Experten vorbehalten. Als Forschungsrichtung des Digitalen Materialismus 120 gehen Software Studies von der Annahme aus, dass sämtliche digitalen Phänomene auf materiellen Entitäten basieren. Computing derart als materielle Praxis verstanden, besteht das zentrale Anliegen in der Dekonstruktion dominanter Diskursfiktionen des Digitalen. Zwei der bekanntesten Beispiele hierfür sind die Trope der Immaterialität und das Phantasma reiner Information. 121 Die Vorstellung von Materialität wird gemeinhin mit einer unmittelbar sinnlichen Erfahrung verbunden. Der Phänomenbereich digitaler Materialität ist demgegenüber durch mediatisierte Sinneswahrnehmungen gekennzeichnet. Nach Marianne van den Boomen et al. handelt es sich hierbei weniger um Immaterielles als vielmehr um Inmaterielles (in-material), d.h. um Dinge, die sich dem konkreten physischen Kontakt entziehen, aber dennoch untrennbar auf diversen Ebenen in Materialität(-en) eingebunden sind und folglich realiter Konsequenzen zeitigen. 122 Die ätherische Metapher ‚Cloud‘ ist der international diskursdominierende Begriff zur Bezeichnung der rhizomatischen Infrastruktur von Datenspeichern und -zentren und ar-
rufbar unter: http://meson.press/wp-content/uploads/2015/06/9783957960566-NoSoftware-just-Services.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 120 Die Pluralform Digitale Materialismen bildet die Heterogenität der hierunter rubrizierten Forschungsansätze auch sprachlich ab und ist, obgleich nicht geläufig, sprachlich im Grunde adäquater. Vgl. hierzu auch FN 121 (Kap. 2). 121 Vgl. Casemajor, Nathalie: Digital Materialisms. Frameworks for Digital Media Studies, in: Westminster Papers in Culture and Communication (#10) 1 (2015), S. 4-17. Online abrufbar unter: http://dx.doi.org/10.16997/wpcc.209 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Neben Definition und Genealogie liefert die Autorin auch einen aktuellen Überblick über die verschiedenen theoretischen Rahmungen, die unter dem Überbegriff Digitaler Materialismus firmieren. Vgl. hierzu auch Reichert, Ramón/ Richterich, Annika: Introduction. Digital Materialism, in: Digital Culture & Society (#1) 1 (2015), S. 5-17. 122 Vgl. Boomen, Marianne van den et al.: Introduction. From the Virtual to Matters of Fact and Concern, in: Dies. (Hg.): Digital Material. Tracing New Media in Everyday Life and Technology, Amsterdam 2009, S. 7-17, hier S. 9.
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beitet somit besagtem Mythos fingierter Immaterialität zu – „The cloud is a building. It works like a factory […]“ 123. In der bereits 2003 veröffentlichten Monografie Behind the Blip 124 unterstreicht Matthew Fuller die inhärente dialektische Repräsentationsqualität von Software. Verstanden als kulturelles Artefakt ist Software somit gleichsam Produkt wie Produzent jener soziokulturellen Diskurse und Machtkonstellationen, aus denen sie selbst hervorgegangen ist. 125 Wie Fuller begreift auch Manovich das Verhältnis von Software und Kultur als maßgeblich durch Reziprozität gekennzeichnet. Metaphorisch als zusätzliche Ebene vorstellbar, die sich über bereits vorhandene Kultur lege, verfüge Software über die Omnipotenz alles zu verändern, das in ihren Anwendungsbereich falle: „[…] ‚[A]dding‘ software to culture changes the identity of everything that a culture is made from.“ 126 Beide Autoren argumentieren entschieden gegen die Neutralität von Software, die ihr gemeinhin aufgrund ihrer Virtualität zugeschrieben werde und betonen demgegenüber deren materielle Aspekte – Fuller spricht in diesem Zusammenhang vom „stuff of software“ 127 bzw. ihrer agency 128. „Software is seen as a tool, something that you do something with. It is neutral, grey, or optimistically blue. […] [T]his ostensive neutrality can be taken as its ideological layer, as deserving of critique as any such myth.“ 129 „[…] [S]oftware is computation, which […] gains its power as a social or cultural artifact and process by means of a better and better accommodation to behaviors and bodies which happen on its outside.“ 130
123 Blum, Andrew: Tubes. A Journey to the Center of the Internet, New York 2012 zit. n. Matviyenko: Introduction, S. xxii. 124 Fuller, Matthew: Behind the Blip. Essays on the Culture of Software, New York 2003. 125 Vgl. ebd., S. 11. 126 Manovich: Software takes Command, S. 33. 127 Fuller, Matthew: Introduction. in: Ders. (Hg.): Software Studies. A Lexicon, Cambridge/Mass [u.a] 2008, S. 1-14, hier S. 1. 128 Agency ist ein zentraler Begriff der latourschen Sozialtheorie, dessen Bedeutung nicht kausal gegeben, sondern symbolisch vermittelt ist. Der Akteur-Status von Software als kulturelles Objekt ergibt sich demzufolge aus ihrer soziokulturellen Bedeutung. Vgl. Latour, Bruno: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2014 [2010]. 129 Fuller: Introduction, S. 3. 130 Ebd., S. 4.
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Manovich weist auf die Performativität von Software hin – jene „software performances“ 131 realisieren sich unmittelbar im Handlungsvollzug der Anwendung, d.h. digitale Medieninhalte werden simultan zur Mensch-MaschineInteraktion durch Software dynamisch in Echtzeit konstruiert bzw. konkretisiert. Dementsprechend geht die vorliegende Forschung von der Annahme aus, dass Software – wie alle Artefakte – normierende Gesellschaftskonzepte und soziokulturelle Denkmodelle in Form eines tacit knowledge 132 miteinschließt, die sich ihrerseits durch die Verwendung eben jener digitalen Artefakte performativ in soziale Praktiken einschreiben. Software wird nachfolgend als inmaterielles Medium verstanden. Als Grundlage für den im Kontext der Arbeit verwendeten Medienbegriff dient eine Definition William J.T. Mitchells, welcher ein Medium im Anschluss an Raymond Williams als „materielle soziale Praxis, ein Gefüge von Fähigkeiten, Gewohnheiten, Techniken, Werkzeugen, Codes und Konventionen“ 133 beschreibt. Bei Software handelt es sich demnach um eine komplexe kulturelle Formation – „[…] a discursive, meaning-making agent.“ 134 Analog zu einer neo-materialistischen Herangehensweise, gilt es den medienökologischen Umständen – dem
131 Manovich: Software takes Command, S. 33. Bezüglich der materiellen Effekte von Algorithmen vgl. bspw. Goffey, Andrew: Algorithm, in: Matthew Fuller (Hg.): Software Studies. A Lexicon, Cambridge/Mass. [u.a] 2008, S. 15-20. 132 Bevor ein Programm geschrieben werden kann, muss das konkrete Problem seitens der Entwickler zunächst verstanden und formalisiert werden. Im dreischrittigen Abstraktionsprozess der Programmierung (symbolische, syntaktische und algorithmische Abstraktion) fließt ihr implizites Alltagsverständnis in den Code ein. Demnach sind Software- wie Interfacedesign durch Kontingenz gekennzeichnet. Vgl. Nake, Frieder/Grabowski, Susanne: Abstraktion, System, Design. Zur Perspektive von Bildung, aus informatischer Sicht, in: Werner Sesink/Michael Kerres/Heinz Moser (Hg.): Jahrbuch Medienpädagogik 6. Medienpädagogik – Standortbestimmung einer erziehungswissenschaftlichen Disziplin, Wiesbaden 2007, S. 300-314. 133 Mitchell: Das Leben der Bilder, S. 167; Herv. i.O. Mitchell unterscheidet zwischen Bild, Objekt und Medium. Um in Erscheinung treten zu können, ist das Bild auf einen Träger angewiesen. Dieser wird gemeinhin auch als Medium spezifiziert. Mitchell plädiert jedoch entschieden dafür, jenen materiellen Gegenstand (auf dem das Bild Gestalt annimmt) und Medium konzeptuell voneinander zu trennen. Seinem Verständnis nach umfasst ein Bild-Medium „die gesamte Bandbreite der Praktiken, die es Vorstellungsbildern ermöglichen, in Form externer Bilder in der Welt vergegenständlicht zu werden […].“ Ebd., S. 162. 134 Reichert/Richterich: Introduction, S. 8.
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von McLuhan als Ökologie der Medien 135 bezeichneten Bereich – Rechnung zu tragen, da jene in die Konzeption von Mediensoftware einfließen und somit beispielsweise die Möglichkeiten des Darstellbaren determinieren. 136 2.4.1 Close reading mobiler Mediensoftware Die gewinnbringende Analyse von Softwareanwendungen bedarf einer geeigneten Methodologie. Theoretische Orientierung und methodische Anknüpfungspunkte hierfür liefert erneut die qualitativ-empirische Grundlagenforschung von Lev Manovich, der hierin den Begriff kulturelle Software (cultural software) zur Bezeichnung eines bestimmten Teilbereichs von Software 137 – der Anwendungssoftware – einführt. 138 Minimal definiert ermöglichten alle hierunter rubrizierten Programme kulturelle Handlungen. Dementsprechend zeichneten sie sich durch Verfügungslogik, Interaktivität wie Modularität aus und wiesen dem Nutzer damit eine aktive Rolle zu. 139 Darüber hinaus könne kulturelle Software unmittel135 Das prominenteste Theorem der technikdeterministischen Medientheorie McLuhans Das Medium ist die Botschaft fußt auf der Vorstellung einer Ökologie der Medien, in der die Eigengesetzlichkeit eines Mediums sowohl Einfluss auf die übermittelten Inhalte als in der Folge auch auf die menschliche Sinneswahrnehmung wie Erfahrung nimmt. Vgl. McLuhan, Herbert Marshall: Die magischen Kanäle. Understanding Media, Düsseldorf [u.a.] 1992, S. 18 sowie Levinson, Paul: McLuhan and Media Ecology, in: Proceedings of the Media Ecology Association 1 (2000), S. 1722. Online abrufbar unter: http://www.media-ecology.org/publications/MEA_pro ceedings/v1/levinson01.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 136 Vgl. hierzu auch Richard, Birgit et al.: Flickernde Jugend – rauschende Bilder. Netzkulturen im Web 2.0, Frankfurt a.M. 2010, S. 44 sowie Koch, Gertraud: Digitalisierung als Herausforderung der empirischen Kulturanalyse, in: Dies. (Hg.): Digitalisierung. Theorien und Konzepte für die empirische Kulturforschung, Köln 2017, S. 7-18, hier S. 11. 137 Unter den Oberbegriff Software fallen nach Manovichs erweiterter Definition nicht lediglich Anwendersoftware, Systemsoftware und Computer-Programmierwerkzeuge, sondern auch soziale Netzwerke sowie Social-Media-Technologien. Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 5 f. 138 Anhand konkreter Fallbeispiele wie Adobe Photoshop und After Effects versucht Manovich übergeordnete theoretische Kategorien und Instrumente zu entwickeln, mit deren Hilfe sich der Phänomenbereich bildgenerierender Mediensoftware möglichst strukturiert analysieren lässt. Vgl. ebd., S. 124-146 sowie 243-254 und 282289. 139 Vgl. ebd., S. 21 f.
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bar von einer Vielzahl von Menschen genutzt werden und enthalte ‚kulturelle Kleinstbestandteile‘ 140. „The term ‚cultural‘ is not reducible to separate media and design ‚objects‘ which may exist as files on a computer and/or as executable software programs or scripts. It includes symbols, meanings, values, language, habits, beliefs, ideologies, rituals, religion, dress and behavioral codes, and many other material and immaterial elements and dimensions.“ 141
Mit Mediensoftware (media software) wendet sich Manovich einem Segment von Anwendungssoftware zu, in dem auch der Phänomenbereich der vorliegenden Arbeit anzusiedeln ist. Hierunter fallen sämtliche Programme, mit deren Hilfe sich Medienartefakte generieren, modifizieren, distribuieren und/oder für andere zugänglich machen lassen. 142 Manovich geht davon aus, dass all diese Programme strukturelle Gemeinsamkeiten besitzen, die folglich als signifikante Merkmale für die bildliche Logik zeitgenössischer Software in toto gelten können. 143 Die vorliegende Forschung transferiert die manovichsche Typologie zur Strukturierung von Software auf das Feld mobiler Apps und bezieht somit einen neuen Typus von Software mit ein. Unter dem Begriff mobile Apps werden im Folgenden optional installierbare Softwareanwendungen für mobile, internetfähige Endgeräte mit Touchscreen verstanden. Aus der Fülle existierender, kostenloser wie -pflichtiger mobiler Anwendungssoftware fokussiert die vorliegende Arbeit anhand von Hipstamatic und Instagram das Segment der sogenannten ‚Kamera-Apps‘, d.h. bildgenerierende Softwareanwendungen, die auf die Hardwarekomponente der verbauten Kamera zugreifen. Indem sie Möglichkeiten nachträglicher Bildbearbeitung bieten, integrieren diese Programme zumeist zusätzlich Elemente der Postproduktion und ermöglichen eine anschließende Distribution der erstellten Bilddateien mittels mobiler Onlinedienste wie sozialen Netzwerken und Social Media. 144
140
„‚[A]toms‘ of culture“ im engl. Originaltext. Ebd., S. 7; Herv. i.O. Kulturelle Software bezeichnet hierbei lediglich den sichtbaren Teil eines weitaus größeren und unsichtbaren Softwareuniversums. Vgl. a.a.O.
141 Ebd., S. 32. 142 Vgl. ebd., S. 2. 143 Vgl. ebd., S. 4. 144 Manovich lässt diesen Bereich in seiner Monografie bewusst außen vor (eine detaillierte theoretische Analyse scheint ihm zum Zeitpunkt der Drucklegung verfrüht) und konzentriert sich stattdessen auf die grundlegenden Entwicklungen, die digitale
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Demzufolge handelt es sich bei dem Forschungsfeld um bildgenerierende Mediensoftware im Bereich von Softwareanwendungen für Smartphones und Tablets. Innerhalb dieser Unterkategorien richtet sich die Aufmerksamkeit insbesondere auf sogenannte ‚Retro-Kamera-Apps‘ (vgl. Abb. 4). Abbildung 4: Verortung des Phänomenbereichs innerhalb der manovichschen Typologie ‚kultureller Software‘, d.h. Anwendungssoftware.
Inwiefern beeinflusst die zur alltäglichen Medienproduktion verwendete Software zeitgenössische Bildästhetiken und -praktiken bzw. visuelle Imagination? Auf welche Weise verändern mobile Anwendungen wie Instagram und Hipstamatic die hiermit aufgenommenen, bearbeiteten und geteilten Bilder? Welche Konzepte von Bildlichkeit, Repräsentation o.a. stehen dahinter, realisieren sich durch die qua App-Design forcierte Ästhetik? Welcher Aufforderungscharakter (affordances) geht von der jeweiligen Anwendung aus? Wie das vorangehende Kapitel verdeutlicht, lassen sich jene forschungsleitenden Fragen nicht allein anhand von Bilddateien beantworten. Vielmehr gilt es gleichsam kritisch zu beleuchten, in welchem Kontext digitale Medien jeweils produziert, verwendet und verkauft werden. Wie kann nun aber eine bildwissenschaftliche Perspektive konkret zur systematischen Erforschung von Software beitragen – oder, anders formuliert, welMedien vor ihrer ‚sozialen Explosion‘ ermöglicht und geformt haben. Vgl. ebd., S. 47.
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che Softwarekomponente fällt in den Zuständigkeitsbereich ihrer Disziplin? Die Konzeption des bildbasierten Medieninterfaces der jeweiligen Softwareanwendungen ist hierfür der geeignete Ansatzpunkt. Als front end, d.h. als jene nutzerzugewandte Seite von Software, fungiert es obligatorisch als interaktive Schnittstelle der Mensch-Maschine-Kommunikation: „Software never appears without its interface. The human-computer interface is, first of all, the face of its software… [and] software cannot exist without face. The face of software is its appearance at the periphery of the computer; without its face, it does not exist at all.“ 145 Seit der Entwicklung einer grafischen Benutzeroberfläche (GUI) in den 1980er Jahren findet die Interaktion mit dem Computer „zunehmend über [standardisierte] Bildstrukturen [statt].“ 146 Ab dato bedarf es weder Programmierkenntnissen noch der Eingabe von Kommandozeilen; vonnöten ist nun vielmehr eine „technologie-spezifische Bildkompetenz.“ 147 Mit jener Wandlung des Screens zu einer interaktiven ikonischen Form – einem „Interaktionsbild“ 148 – avanciert laut Margarete Pratschke ein einschlägiges Bildwissen zur obligatorischen Voraussetzung und folglich zum Synonym für Technikkompetenz. 149 Über 145 Nake, Frieder/Grabowski, Susanne: The Interface as Sign and as Aesthetic Event, in: Paul Fishwick (Hg.): Aesthetic Computing, Cambridge/Mass. 2006, S. 53-70, hier S. 67. Grundsätzlich hängt das Gelingen interaktiver Systeme in besonderem Maße von einer erfolgreichen Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren ab. Nake und Grabowski zufolge sind Interfaces darauf angewiesen, sowohl funktional effektiv als auch ästhetisch attraktiv zu sein. Die Verschränkung von Funktionalität und Ästhetik bzw. Effektivität und Attraktivität sei hierbei kein Widerspruch, ihre glückliche Fusion stelle vielmehr das fundamentale Diktum des Kommunikationsdesigns dar. Vgl. ebd., S. 54. 146 Pratschke, Margarete: Interaktion mit Bildern. Digitale Bildgeschichten am Beispiel grafischer Benutzeroberflächen, in: Horst Bredekamp/Birgit Schneider/Vera Dünkel (Hg.): Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder, Berlin 2008, S. 68-81, hier S. 68 f. Die Autorin liefert einen historischen Abriss der Entwicklung grafischer Benutzeroberflächen unter besonderem Fokus auf das Sketchpad von Ivan Sutherland aus dem Jahr 1963 sowie den Personal Computer Alto von Xerox Parc, der ab 1972 verfügbar war und sich an Alan Kays Dynabook anlehnt. 147 Ebd., S. 68. Jener Paradigmenwechsel in der Geschichte des Computers, von einer ausschließlich schriftbasierten zu einer grafischen Mensch-Maschine-Interaktion, leistete einen wesentlichen Beitrag zu dessen Demokratisierung. 148 A.a.O. 149 Vgl. ebd., S. 71.
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Bildlichkeit gestiftet, impliziert die Mensch-Maschine-Interaktion somit auch eine ästhetische Dimension. Bei grafischen Benutzeroberflächen handelt es sich um eine konkrete sowie die „am weitesten verbreitete Anwendung von Computergrafik.“ 150 Ungeachtet ihrer Ubiquität stellen sie eine Spezialform digitaler Bildlichkeit dar, handelt es sich doch „[…] um eine digitale Bildform, die durch das Medium Computer genuin hervorgebracht wurde und auf dem Screen formal fixiert erscheint.“ 151 Diese standardisierte „visuelle[ ] Organisation der Bildfläche des Screens“ 152 besteht aus diversen Einzelelementen, die sich zu einem spezifischen Bildstil 153 zusam150 Ebd., S. 69. 151 A.a.O. 152 A.a.O. 153 Unverkennbare formal-ästhetische Merkmale grafischer Benutzeroberflächen sind beispielsweise mehrere, sich partiell oder komplett überlagernde Fenster, „deren bildliche Logik sich nicht allein aus ihrem instrumentellen Charakter erklärt.“ Ebd., S. 69. Durch die gestaffelten bzw. partiell überlagerten Bildtafeln sowie Licht- und Schattenlinien als formale Suggestionsmittel entstehe eine Illusion von Tiefenräumlichkeit, die jedoch – wie Pratschke überzeugend dargelegt – Brüche aufweise und (zentral-)perspektivisch inkohärent sei. Vgl. ebd., S. 70 sowie Pratschke, Margarete: „Overlapping Windows“ – Architektonische Raumkonzepte als Vorbilder des digitalen Bildraums grafischer Benutzeroberflächen, in: Jörg H. Gleiter/Norbert Korrek/Gerd Zimmermann (Hg.): Die Realität des Imaginären. Architektur und das digitale Bild. 10. Internationales Bauhaus-Kolloquium, Weimar 2007, S. 211-218, hier S. 211. Online abrufbar unter: https://e-pub.uni-weimar.de/opus4/files/1292/10_Bau haus-Koll.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Das gewählte und bis heute gültige Darstellungsprinzip übereinander gelegter Bildfelder, overlapping windows genannt, stammt von Alan Kay und beruht „[…] auf der Vorstellung des Screens als Schreibtischfläche in einer Büroumgebung, auf der Papier abgelegt wird.“ Pratschke: Interaktion mit Bildern, S. 71. Für einen historischen Abriss jener standardisierten visuellen Gestalt von Benutzeroberflächen vgl. Pratschke: „Overlapping windows“. Als Primärquelle vgl. bspw. Kay, Alan: User Interface. A Personal View, in: Brenda Laurel (Hg.): The Art of Human-Computer Interface Design, Reading/Mass. 1990, S. 191-207, hier S. 194 ff. Jene Konzeption bildhafter Interaktion basiert auf Lern- und Entwicklungstheorien aus Psychologie und Pädagogik. Gemäß dem von Kay formulierten Paradigma grafischer Mensch-Maschine-Interaktion what you see is what you get (WYSIWYG) galt es eine Systematik anschalichen Programmierens zu entwerfen, mit deren Hilfe die ikonische Mentalität des Menschen intuitiv angesprochen werden sollte. Vgl. Pratschke: Interaktion mit Bildern, S. 73. Pratschke zufolge wurde die Konzeption
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menfügen. Das Interface ist hierbei kein neutrales Informationsmedium, sondern vielmehr ein aggressiv selektierendes, Inhalte normierendes Repräsentationsmedium. 154 „Far from being a transparent window into the data inside a computer, the interface brings with it strong messages of its own.“ 155 Minimal und allgemein definiert handelt es sich bei einem Interface um einen Grenzbereich bzw. eine Schwelle, die zwischen zwei unterschiedlichen Realitäten mediatisiert. Alexander Galloway hebt dessen Eigenschaft als Zone autonomer Aktivität hervor und betont hierdurch dessen prozesshafte Qualität. Dieser theoretischen Konzeption folgend, ist ein Interface daher weniger durch einen Objektstatus, denn durch einen performativen Vollzug gekennzeichnet. 156 Je intuitiver, benutzerfreundlicher und alltäglicher technische Geräte werden, desto weniger sind sie noch als Medien wahrzunehmen. Nach Meinung Galloways sind die Interfaces der omnipräsenten dioptrischen Geräte heutiger Kontrollgesellschaften sämtlich durch diese Form der Transparenz gekennzeichnet. 157 Ihre derart naturalisierte Funktionsweise ermögliche eine erfolgreiche Ausübung ihres funktionalen Mandats, wodurch das Interface als Allegorie von Kontrolle gelten könne. 158 Als multisensuelles Amalgam aus Icons, Ordnern, Animationen, vibrierenden Oberflächen und Touchscreen verstanden, fällt das Interface nach Definition Manovichs ebenfalls in den Bereich kultureller Software, da es als sichtbare Seite von Software die Interaktion des Nutzers mit Medien und anderen Menschen, beispielsweise im Kontext von Social Media, mediatisiere. Das „kulturelle Interder grafischen Interaktionsschnittstelle zwischen Mensch und Maschine von Fragen der Repräsentation und Illusion geleitet. Aus diesem Grund diente die Gestalttheorie als zentrale Basis für die Konzeption grafischer Mensch-Maschine-Interaktion. Vgl. ebd., S. 74. 154 Vgl. Manovich, Lev: Eine Archäologie des Computerbildschirms, in: Florian Rötzer (Hg.): Die Zukunft des Körpers I (= Kunstforum International, Band 132), Köln 1996, S. 124-135, hier S. 125. 155 Manovich: The Language of New Media, S. 65. Vgl. auch Manovich, Lev: Das Interface als Kategorie der Mediengeschichte, in: Lorenz Engell/Joseph Vogl (Hg.): Mediale Historiographien, Weimar 2001, S. 161-171, hier S. 163 f. 156 Dem Autor ist daran gelegen, die prozessualen Strukturmerkmale des Interfaces, die sogenannten Interfaceeffekte (interface effects), herauszuarbeiten. Hierbei erfolgt die Interpretation auf Basis soziohistorischer Entwicklungen. Als methodischen Zugang wählt Galloway daher das Cognitive Mapping. Vgl. Galloway, Alexander R.: The Interface Effect, Cambridge/Mass. [u.a.] 2012, S. vii f. 157 Vgl. ebd., S. 25. 158 Vgl. ebd., S. 30.
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face“ 159 repräsentiere die computerseitig angebotenen Möglichkeiten der Interaktion mit kulturellen Daten, es sei „ein zentraler semiotischer Code der Informationsgesellschaft wie auch ihr Meta-Werkzeug.“ 160 Die Softwareebene des Interfaces als ästhetisch erfahrbare Bildform bzw. als primär visuelle Repräsentation abstrakter algorithmischer Operationen ist für die vorliegende Forschung von zentralem Interesse. Seine Konzeption ermöglicht einerseits Rückschlüsse auf das zugrunde liegende Verständnis von Medien, Kultur und Kommunikation sowie auf die Beschaffenheit jenes, bei der Programmierung antizipierten, idealtypischen Nutzers. 161 Darüber hinaus handelt es sich bei Software um vielschichtige politische, kulturelle wie konzeptionelle Formationen, die in einem reziproken Verhältnis zueinander stehen und, jeweils ökonomisch überformt, gleichsam der Marktlogik folgen. Mit bildwissenschaftlicher Expertise ausgestattet, fokussiert das methodische Vorgehen den anschaulichen Charakter des optischen Interfacedesigns und dessen affordances, die einer dichten Beschreibung 162 bzw. einem close reading der Medienstruktur entlang der softwareseitig jeweils angebotenen Menüführung unterzogen werden. 163 Im wahrnehmungspsychologischen Sinne 164 bezeichnet affordance 165 die Relation zwischen den Eigenschaften eines Objekts bzw. dessen Objektqualitäten und den Fähigkeiten des damit interagierenden Agenten. Die jeweils konkrete Beschaffenheit dieser Beziehung determiniert die in der gege159 Manovich: Das Interface als Kategorie der Mediengeschichte, S. 167. 160 Ebd., S. 165. 161 Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 29. 162 Vgl. Geertz, Clifford: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a.M. 1983, insb. S. 7-43. 163 Vgl. hierzu auch Hochman, Nadav/Manovich, Lev: Zooming into an Instagram City. Reading the Local through Social Media, in: First Monday (#18) 7 (2013), o.S., http://firstmonday.org/ojs/index.php/fm/article/view/4711/3698#fig22 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 164 Don Norman überträgt das ursprünglich auf den Wahrnehmungspsychologen James J. Gibson zurückgehende Konzept auf den Bereich des Produktdesigns. Vgl. Norman, Don: Affordances and Design, http://www.jnd.org, o.D., http://www.jnd. org/dn.mss/affordances_and.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Vgl. hierzu auch Norman, Don: The Design of Everyday Things, überarb. und erw. Neuaufl., New York 2013; insb. das Unterkapitel Human Centered Design, S. 8-30. 165 Ins Deutsche übersetzbar mit Angebotscharakter, Aufforderung und/oder Affordanz. Die deutschsprachige Übersetzung aus dem Jahr 1989 verwendet den Terminus Gebrauchseigenschaft. Vgl. Norman, Donald A.: Dinge des Alltags. Gutes Design und Psychologie für Gebrauchsgegenstände, Frankfurt a.M. [u.a.] 1989, S. 19.
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benen Konstellation realisierbaren Nutzungsmöglichkeiten des Objekts. Dieser relationalen Definition zufolge handelt es sich bei affordance nicht um eine feststehende Objekteigenschaft, sondern um ein wechselseitiges Verhältnis, das sich in Abhängigkeit zu den involvierten Akteuren konstituiert. Die Effizienz einer affordance hängt von ihrer sinnlichen Wahrnehmbarkeit ab. Hierfür bedarf es im Einzelfall bestimmten Markierungen; Don Norman bezeichnet diese Signaleigenschaft der affordance als Signifikat: „Good design requires, among other things, good communication of the purpose, structure, and operation of the device to the people who use it. That is the role of the signifier.“ 166 Grundsätzlich orientiert sich ein jedes Interfacedesign am Ideal der Benutzerfreundlichkeit. Maßgabe für die Usability eines Designs sind nach Norman die fünf Prinzipien Einfachheit, Eindeutigkeit, Sichtbarkeit, Feedback und Mapping. 167 Für das Grafikdesign von Benutzeroberflächen gelten hierbei die nachfolgenden vier Leitsätze: Rekurs auf etablierte Konventionen bei (1.) der Bildauswahl sowie (2.) den zulässigen Interaktionen, (3.) Verwendung von Text zur Beschreibung der gewünschten Handlung und (4.) Hervorhebung der interaktiven Bestandteile der Benutzeroberfläche. Letzteres geschieht im Idealfall derart, dass unmittelbar verstanden wird, wie diese zu interpretieren sind, d.h. auf welche Weise mit selbigen interagiert werden soll. Die zentralen Funktionen der Software werden im Interfacedesign in der Regel besonders deutlich wahrnehmbar hervorgehoben. 168 Von Interesse ist folglich auch die Frage, auf welchem konzeptionellen Modell 169 das spezifische Interfacedesign basiert bzw. ob und wenn ja auf welche etablierten metaphorischen Konzeptionen 170 es sich bezieht.
166 Norman: The Design of Everyday Things, S. 14. Normans Gebrauch unterscheidet sich von der Verwendung des Begriffs im Feld der Semiotik: „[…] [T]he term signifier refers to any mark or sound, any perceivable indicator that communicates appropriate behavior to a person.“ Ebd., S. 13; Herv. i.O. 167 Vgl. Preece, Jenny/Rogers, Yvonne/Sharp, Helen: Interaction Design. Beyond Human-Computer-Interaction, New York 2002, S. 21 sowie Norman: The Design of Everyday Things, S. 10. 168 Vgl. Norman: Affordances and Design, o.S. 169 Vgl. Norman: The Design of Everyday Things, S. 25-31. 170 Ordner und Dokumente sind beispielsweise Elemente der Desktop-Metapher. Der Rekurs auf nicht-digitale Objekte und Prinzipien der alltäglichen Umgebung ermöglicht die Ableitung einer Funktion und vereinfacht derart im Idealfall die Nutzung.
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2.5 DE/KONSTRUKTION DER VISUELLEN EFFEKTSCHABLONEN Hierbei handelt es sich um den zentralen Analyseschritt der vorliegenden Arbeit, der gleichfalls ein Forschungsdesiderat und demzufolge methodisches Neuland darstellt. Gemäß dem methodischen Paradigma des search as research wird die Methodik mittels praktischer Anwendung in Auseinandersetzung mit dem zu untersuchenden Medium, der Software Instagram und Hipstamatic, entwickelt und – wo nötig – rejustiert bzw. zugunsten eines geeigneteren Zugangs verworfen. Die dem aktuellen Teilschritt vorausgehende medienstrukturelle Analyse 171 der beiden Apps legt nahe, als Hilfsmittel zur systematischen Auslotung der formal-ästhetischen Effekte der programminternen Grafikfilter visuelle Testreihen zu generieren. Bei einem ersten Versuch, die Grafikfilter der Software Instagram zu analysieren, wird daher zunächst ein farbiges, motivisches Testbild erstellt, das daraufhin über die Bildergalerie in Instagram Version 3.0 importiert und nacheinander mit jedem der insgesamt 19 Grafikfilter bearbeitet wird (vgl. Mat. 1.1). 172 Die anschließende Evaluation dieser Erhebungsmethode sowie der hierdurch generierten 19 Versionen der Bilddatei offenbart, dass ein motivisches Testbild sowohl für eine empirische Erhebung als auch für die anschließende Interpretation des Datenmaterials ungeeignet ist. Konzeptionelle Schwierigkeiten ergeben sich bereits bei der Wahl des Motivs und dessen Begründung. Darüber hinaus zeigt sich in der vergleichenden Betrachtung des Ausgangsbilds und seinen jeweils via Filter modifizierten Versionen, dass sich deren visuelle Effekte auf diesem Weg weder befriedigend darstellen noch nachvollziehbar auswerten lassen. Manche der 19 Grafikfilter verändern das Referenzbild derart subtil oder sind sich optisch so ähnlich, dass eine exakte Beschreibung ihrer visuellen Bildeffekte unter Verwendung einer figurativen Bilddatei nicht nur müßig ist, sondern vor allem unter wissenschaftlichen Aspekten fragwürdig erscheint, da Transparenz, Nachvollziehbarkeit und somit
171 Bezüglich der zugehörigen Ergebnisse vgl. Kap. 3.2.3; für die betreffende Methode vgl. Kap. 2.4.1. 172 Das beschriebene figurative Referenzbild sowie die unter dessen Verwendung entstandene Testbildserie stehen auf der Buchseite des Verlages zum Download zur Verfügung – siehe https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-4445-6/der-insta gram-effekt/. Das bereitgestellte Dokument umfasst weitere farbige, großformatige und teils tabellarische Abbildungen, die das Format der vorliegenden Publikation gesprengt hätten. Nachfolgend wird auf selbige mit der Abkürzung Mat. verwiesen.
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Evaluierbarkeit des methodischen Vorgehens und seiner Ergebnisse derart nicht uneingeschränkt gewährleistet werden können (vgl. Mat. 1.2). Die einzelnen Filtereffekte auf monochrome Farbflächen anzuwenden und derart zu visualisieren, erscheint demgegenüber zielführender. Diese werden im Bildbearbeitungsprogramm Adobe Photoshop 173 erstellt, wobei Dateigröße, Farbmodus (RGB), Bittiefe (8 Bit) sowie das Dateiformat (JPG) exakt den qua Instagram selbst generierten digitalen Bilddateien entsprechen. 174 Hierfür wird zunächst eine mit Instagram aufgenommen Bilddatei vom Smartphone auf den Desktop-PC transferiert und dort mit oben genannter Desktopversion von Photoshop bearbeitet. Hilfsmittel zur Visualisierung der einzelnen Grafikfilter sind daher jene ‚Testkarten‘, die zuvor – nach dem oben beschriebenen Prinzip – in Adobe Photoshop angelegt, als .jpg exportiert, auf das mobile Endgerät geladen und schlussendlich über Zugriff auf dessen Mediengalerie in die mobile Mediensoftware Instagram importiert wurden. Mit der automatischen Bildbearbeitung fokussiert die vorliegende Untersuchung einen Aspekt der Bilderzeugung, der innerhalb der Bildgebung in Instagram üblicherweise unsichtbar bleibt. Isoliert von einer motivischen Bilddatei bzw. digitalen fotografischen Aufnahme, finden die Effekte der Grafikfilter bei den Nutzern der App in der Regel keinerlei Beachtung. Die Stilmittel der zu analysierenden Ästhetisierungsprozesse des mobilen digitalen Bilds (provisorisch als Ästhetik des Imperfekten bezeichnet) finden sich jedoch exakt auf dieser Ebene – in der Sphäre der Grafikfilter. Hierbei handelt es sich um jene Programmfunktionen, die – das Werbeversprechen einlösend – dazu dienen, das aufgenommene Bild durch eine alternative optische Anmutung zu optimieren. Mithilfe der verwendeten abstrakten Testkarten lässt sich ihre substantielle Beschaffenheit besonders gut analysieren, da sie derart isoliert von einem etwaigen Motiv zur Anschauung gebracht werden können und infolgedessen selbst zum eigentlichen Bildsujet avancieren. Die Entscheidung für abstrakte Testbilder ist der Objektivierbarkeit der Forschungsergebnisse verpflichtet und referiert auf ein etabliertes Prüfverfahren des Fernsehbilds, das sogenannte elektronische Farbtestbild (vgl. Tab. 3, 1). Mittels dieses – von der Funkkommission (FuBK) eingeführten – referenziellen Standbilds, das im Kontext des Fernsehens neben dem schwarzweißen Bildrauschen
173 Creative Suite 5 Extended, Version 12.1 x 64; installiert unter Windows 7. 174 Zum Erhebungszeitpunkt lauten deren Parameter: 2176 x 2176 Pixel (13,5 MB); 76,76 x 76,76 cm bei einer Auflösung von 72 dpi.
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als „Synonym für den gestörten Programmempfang“ 175 steht, lassen sich unkalkulierte wie unerwünschte Bildstörungen systematisch beschreiben und bezüglich ihrer Fehlerquelle klassifizieren: „Das ‚elektrische Farbtestbild‘ diente ursprünglich zur Prüfung von Antennen, Fernsehleitungen und Sendern, da der Aufbau des Testbildes aus Kreisform, Gitternetz, und Graufeldern es erlaubt, die Helligkeit, den Kontrast sowie die Bildposition genauer einzustellen und Störungen unterschiedlicher Herkunft sichtbar zu machen.“ 176
Als instrumenteller Bildtypus enthält das elektronische Farbtestbild eine Zusammenstellung von Normierungsparametern zur Diagnose und Rekalibrierung, die hinsichtlich der angestrebten und somit normgebenden wirklichkeitsgetreuen Bildwiedergabe eine optimale Einstellung des farbbildausgebenden Geräts ermöglichen (z.B. Farbbalken, Graukeil u.a). 177 In modifizierter, an die medienstrukturellen Charakteristika des Untersuchungsgegenstands angepasster Form lassen sich jene bildbasierten Testverfahren für die nachfolgende Analyse der schablonierten Bildbearbeitungseffekte nutzbar machen. Demnach dienen abstrakte wie achromatische Testkarten der vorliegenden Untersuchung als heuristisches Visualisierungsprinzip, mit dessen Hilfe die formal-ästhetischen Spezifika des jeweiligen Filtereffekts isoliert von einer motivischen Darstellung und somit quasi ‚in Reinform‘ zur Anschauung gebracht werden sollen. Von Interesse sind folglich gerade jene Bildphänomene, die sich in Abweichung 178 zum Darstellungsideal – der identischen (Farb-)Wiedergabe bzw. Reproduktion – zeigen und somit, so die Hypothese, als visuelle Essenz des jeweiligen Grafikfilters gelten können. Indem das ästhetische Kernprinzip der operationalisierten Bildbearbeitung auf diese Weise künstlich isoliert wird, besteht das Ziel folglich in einer essentialistischen Dekonstruktion der Grafikfilter. Die algorithmische Funktion bzw. formalisierte Operation Grafikfilter ist hierbei motivindifferent. Um sie auszuführen bzw. zur Anwendung zu bringen, 175 Bredekamp, Horst/Schneider, Birgit/Dünkel, Vera: Bildstörung, in: Dies. (Hg.): Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder, Berlin 2008, S. 164-167, hier S. 164. 176 Ebd., S. 165. 177 Im Kontext fotografischer Bilderzeugung ist der Einsatz von Graukarten vergleichbar. Jene Testkartons dienen als konstante optische Referenz zur Ermittlung der korrekten Belichtungszeit sowie zum Weißabgleich, d.h. zur Kalibrierung der Farbwiedergabe, um derart präventiv gegen unerwünschte Farbstiche vorzugehen. 178 Das Ziel der Grafikfilter besteht ja gerade nicht in einer farbgetreuen naturalistischen Darstellung, sondern vielmehr in deren Stilisierung.
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bedarf es daher einzig eines mit der Software kompatiblen Dateiformats (JPG). Was darauf dargestellt ist bzw. repräsentiert wird, ist für den Algorithmus unerheblich; dieser nimmt lediglich auf die Farbinformationen der einzelnen Bildpixel Bezug. 179 Das Anlegen der Testkarten erfolgt anhand der distinkten numerischen Farbwerte des RGB-Farbraums 180, ihre Farbigkeit lässt sich demnach in absoluten Zahlen beziffern. Infolgedessen ermöglicht ihr Einsatz größtmögliche Kontrolle der Farbveränderungen, da sich diese innerhalb jenes Darstellungssystems wiederum eindeutig angeben lassen. Die numerische Codierung von Farbe in absoluten Zahlen, wie sie bspw. der RGB-Farbraum zur Verfügung stellt, ermöglicht eine pixelgenaue Bestimmung der durch die Anwendung der Filter eintretenden Farbveränderungen (Farbton, Helligkeit und Sättigung). Die entwickelte Methode ist somit nicht nur medienadäquat, sie macht vielmehr sogar von der Adressierbarkeit des digitalen Bilds Gebrauch (vgl. Kap. 2.1): „An image is a rectangular array of values, called pixel values, all of which have the same type. These pixel values may be real numbers representing levels of gray (a grayscale image), or they may be triples of numbers representing mixtures of red, green, and blue (an RGB image), or they may contain, at each pixel, other information in addition to color or grayscale data […].“ 181
Nacheinander zur Anwendung kommen insgesamt fünf Referenzbilder (vgl. Tab. 3, 2-6): Eine (1) reinweiße, (2) tiefschwarze und (3) neutralgraue 182 quadratische 179 Die Fähigkeit zur Formwahrnehmung ist Voraussetzung für eine inhaltssensitive Reaktion und setzt somit zwingend eine formsensible wie -interpretierende künstliche Intelligenz voraus. 180 Das RGB-System entstand mit dem Aufkommen der Fernsehtechnologie und basiert auf dem Prinzip der additiven Lichtmischung der drei Grundfarben Rot, Grün und Blau, wobei das gesamte Farbspektrum üblicherweise schematisch in Form eines Würfels, dem RGB-Kubus, dargestellt wird. Die Matrize zur Festlegung des jeweiligen geometrischen Ortes eines Bildpixels ist hingegen zweidimensional. Vgl. hierzu bspw. Silvestrini, Narciso: Idee Farbe. Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft, Ausstellungskatalog, Zürich 1994, S. 124 sowie die assoziierte Webseite Colorsystem zu Farbsystemen, http://www.colorsystem.com/. 181 Foley, James D. et al.: Computer Graphics. Principles and Practice, 3. Aufl., Boston [u.a.] 2014 [1990], S. 482. 182 Neutralgrau bedeutet, dass die drei Farbrezeptoren des Auges zu gleichen Teilen angesprochen werden, daher auch die ausgeglichene Verteilung innerhalb der drei Farbkanäle des RGB-Modus – R: 128, G: 128, B: 128.
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Rastergrafik sowie (4) eine Bilddatei identischer Abmessung, welche mit Gelb, Cyan, Grün, Rot, Magenta und Blau sowohl die Primär- als auch die Sekundärfarben des RGB-Farbraums in Form vertikaler Farbbalken umfasst. Das letzte Referenzbild ist ein (5) schwarzes Bildraster auf weißem Grund, das dazu dient, die Arbeitsweise des computergenerierten Tilt-Shift-Effekts, d.h. der Simulation selektiver Schärfentiefe, von Instagram darzustellen. Die sechsstufige Farbtreppe kommt demgegenüber mit der Erwartung zum Einsatz, dass sich hierdurch jene Modifikationen, die der jeweilige Grafikfilter an den farbrelevanten Parametern 183 – Farbton, Sättigung und Helligkeit – vornimmt, differenzierter beurteilen lassen. Dieses sequentielle Vorgehen rechnet zum einen damit, dass sich hierdurch die konkrete Funktions- bzw. Arbeitsweise der Grafikfilter nachvollziehen lässt. Angenommen wird, dass sich die Prinzipien der mobilen Bildbearbeitungssoftware an den Konventionen etablierter Desktop-Programme orientieren und diese in reduziert-vereinfachter wie automatisierter Form auf das Feld mobiler Mediensoftware übertragen (vgl. hierzu Kap. 2.1.1). Der Einsatz von verschiedenfarbigen Testkarten verspricht somit Aufschluss darüber zu geben, ob der Filtereffekt analog zur Logik des – durch Adobe Photoshop im Bereich digitaler Bildbearbeitung als Standard etablierten – Ebenenmodells in Form einer semitransparenten Ebene über das bestehende Bild gelegt wird oder ob er in das Ursprungsbild selbst eingreift und die Farbwerte der einzelnen Pixel durch Verrechnung modifiziert. Zum anderen offenbaren die Testbilder im Idealfall, in welchem Tonwertbereich der Filter am wirksamsten, d.h. am sichtbarsten ist, sollte er sich nur auf ein bestimmtes Spektrum beziehen. Hinsichtlich der visuellen Resultate wird für wahrscheinlich gehalten, dass sich unter Verwendung der monochromweißen Bilddatei etwaige Abdunkelungen in den Randbereichen der Bildfläche wie auch Veränderungen der Farbtemperatur bzw. des Farbtons besonders deutlich abbilden. Die schwarze Referenzgrafik scheint demgegenüber geeignet, partielle Aufhellungen durch semitransparente Farbverläufe sowie farbliche Veränderungen darzustellen. Als drittes achromatisches Testbild deckt die neutralgraue Rastergrafik exemplarisch den mittleren Tonwertbereich ab. In einer ersten Annäherung erfolgt die Auswertung der Testkartenergebnisse über die sprachliche Beschreibung der wahrnehmbaren optischen Veränderungen. Die Rekonstruierbarkeit der Ergebnisse wird hierbei jedoch nicht erst durch die subjektive Farbwahrnehmung der Forschenden, sondern bereits durch die – in Abhängigkeit vom jeweiligen Ausgabegerät – nicht notwendigerweise farb-
183 Vgl. hierzu auch Feininger, Andreas: Das Buch der Farbfotografie, 3. Aufl., Düsseldorf 1960 [1959], S. 97 f.
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verbindliche Bildwiedergabe erschwert. 184 Die alleinige Beurteilung der Farbveränderungen anhand ihres anschaulichen Charakters ist aufgrund jener unwegsamen, weil nicht objektivierbaren Variablen nicht ausreichend. Präziser, da exakt numerisch und derart von der Medienspezifik digitaler Bilddateien profitierend, ist eine Analyse unter erneuter Zuhilfenahme von Adobe Photoshop. Die hierin implementierte Funktion Pipette ermöglicht es, die Farbwerte der Bilddatei pixelgenau aufzunehmen und im zugehörigen Dialogfenster (vgl. Tab. 4, 2) für verschiedene Farbräume bzw. -modelle (HSB, RGB, Lab, CMYK) zu bestimmen. Auskunft gibt dieses ebenfalls über den korrespondierenden hex code 185 eines konkreten Farbwertes. Abgesehen von dem beschriebenen Dialogfeld Farbwähler eignet sich insbesondere das optional zuschaltbare Info-Fenster zur exakten Anzeige der relevanten Parameter eines Bildpixels. Während der Cursor als virtuelles Äquivalent des Zeigefingers über die Bildebene bewegt wird, zeigt das Dialogfeld (vgl. Tab. 4, 1) simultan Informationen zu jenem Pixel an, über dem sich der Mauszeiger gerade befindet. Neben dem Farbwert im RGB- und CMYK-Modus werden anhand der XY-Koordinaten die exakte Position des Pixels innerhalb der zweidimensionalen Rastermatrix sowie Kontextinformationen zum Dokument (Größe, Seitenverhältnis und Auflösung) angegeben. 186 Bei dieser softwaregestützten Bildanalyse wird sowohl das ursprüngliche Testbild, d.h. das vorab erstellte Referenzbild, als auch dessen qua Filter modifizierte Version in Photoshop geladen und ausgewertet. In zwei vertikal nebeneinander platzierten Fenstern identischer Größe auf der Arbeitsoberfläche von Photoshop arrangiert, werden beide Bilddateien in gleicher Zoomstufe (25 % der 184 Um eine identische Darstellung und somit einen praktischen Nachvollzug der Testbildanalysen und ihrer Ergebnisse zu gewährleisten, müssen die jeweils zur Wiedergabe verwendeten Geräte zwingend durch Farbmanagement standardisiert bzw. kalibriert werden. Da die Farbdarstellung von der jeweiligen Hardware und deren Konfiguration abhängt, gilt dies für Bildschirme wie Drucker gleichermaßen. 185 Der dem RGB-Farbraum zugeordnete und mit einem vorangestellten Rautensymbol gekennzeichnete, auf dem hexadezimalen Zahlensystem basierende hex code gibt hierbei Aufschlüsse über den konkreten Farbton. Vgl. bspw. http://www.colorhexa.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 186 Für eine detailliertere Beschreibung der Handhabung und Funktion des Infobedienfeldes in Adobe Photoshop sei an dieser Stelle auf die entsprechende Unterseite des via Adobe Support verfügbaren Online-Benutzerhandbuchs verwiesen. Vgl. Adobe.com: Photoshop Benutzerhandbuch. Bilder und Farben – Grundlagen. Verwenden des Infobedienfeldes, http://helpx.adobe.com vom 10.02.2017, https://helpx.adobe. com/de/photoshop/using/image-information.html (zuletzt aufgerufen am 01.06. 2018).
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tatsächlichen Pixel) dargestellt (vgl. Tab. 4, 3). Angelehnt an das kunstgeschichtliche Verfahren der Dia-Doppelprojektion 187 ermöglicht jene relationale Anordnung des jeweiligen Bildpaars potentiell einen Erkenntnisgewinn durch vergleichendes Sehen. Die Wahl der Bilder ergibt sich kausal aus dem Input einerseits – dem jeweiligen Referenzbild – und dem Output – verstanden als eine Version desselben nach Anwendung eines bestimmten Grafikfilters – andererseits. Die Testbilder dienen sowohl dem anschaulich-optischen als auch dem numerischen Abgleich jeweils als Tertium Comparationis und gewährleisten derart die Vergleichbarkeit der Bilddateien. 188 Die Bildbearbeitungssoftware Photoshop erfüllt in diesem Fall die Funktion einer Prothese – sie ist probates Hilfsmittel, um die Bilder auf informationstechnologischer Ebene zu lesen. Zusammenfassend basiert die Analyse der Testkarten auf einem methodischen Zweischritt: (1) Die Beschreibung des anschaulichen Charakters durch vergleichendes Sehen und (2) die computergestützte Auswertung der Farbveränderungen mithilfe von Adobe Photoshop. Die pixelgenaue Identifizierung der Farbwerte lässt Farbveränderungen unterhalb der Schwelle physischer Wahrnehmung manifest werden und überführt diese entsprechend eines genormten Referenzsystems – dem RGB-Farbraum – in eine standardisiert-numerische Farbmetrik.
187 Bezüglich einer Kritik der Dia-Doppelprojektion, dem Dispositiv der kunstgeschichtlichen Disziplin, insbesondere hinsichtlich ihres fragwürdigen Einsatzes als Mittel der optischen Beweisführung und Evidenzproduktion vgl. Geimer, Peter: Vergleichendes Sehen oder Gleichheit aus Versehen? Analogie und Differenz in kunsthistorischen Bildvergleichen, in: Lena Bader/Martin Gaier/Falk Wolf (Hg.): Vergleichendes Sehen, München 2010, S. 45-69. 188 Vgl. ebd., S. 65.
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Tableau 3: (1) Offizielles elektronisches Farbtestbild der FuBK; Referenzbilder I-V im RGB-Farbraum: (2) Weiß, (3) Schwarz, (4) Neutralgrau, (5) sechsstufige Farbtreppe aus den Grund- und Mischfarben ersten Grades und (6) schwarzweiße Rasterstruktur zur Beurteilung von Unschärfeeffekten.
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Tableau 4: (1) Dialogfeld des Info-Werkzeugs und des (2) Farbwählers in Adobe Photoshop; (3) Screenshot der grafischen Benutzeroberfläche – Bei den geöffneten Bilddateien handelt es sich um „Referenzbild III“ (links) und eine Kopie desselben nach Anwendung des Grafikfilters „Amaro“ (rechts).
Der Rekurs auf etablierte, quantifizierende Farbsysteme dient der Empirie, da sich hierdurch die Subjektivität der Farbwahrnehmung und Bezeichnung 189 umgehen bzw. entsprechend der doppelten Logik des „algorithmischen Zei189 Das zur Verfügung stehende sprachliche Repertoire zur Bezeichnung wahrgenommener Farbe ist nicht nur kulturell wie historisch bedingt, sondern auch individuell verschieden (z.B. abhängig vom Differenzierungsvermögen, der Größe des Wortschatzes usw.) und daher ebenso subjektiv wie die ästhetische Wahrnehmung von Farbe.
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chen[s]“ 190 um die Programmebene des Zahlencodes ergänzen lässt. Indem sie das kontinuierliche Phänomen Farbe segmentieren und standardisieren, sind Farbsysteme Barbara Flückiger zufolge allesamt „als ‚operative Bilder‘ zu verstehen, die als Vermittlungsinstrumente der Erkenntnis dienen […].“ 191 Um dennoch der Gefahr einer Fetischisierung reiner Mathematik zu entgehen bzw. derlei Vorwürfe präventiv zu entkräften, lassen sich solcherart numerische Modelle nicht ohne ein kritisches Bewusstsein um die phantasmatische Qualität mathematischer Exaktheit und Objektivität verwenden: „Man sollte sich auch nicht von der Darstellung der Datensätze als Zahlenkolonnen täuschen lassen: Alphanumerische Zeichen sind um keinen Deut näher an einer vermeintlichen ‚Wahrheit‘ der Daten als bunte Pixel.“ 192 Der vorliegenden Arbeit ist folglich weder daran gelegen, zahlenbasierte Empirie als Ultima Ratio zu glorifizieren, noch den Eindruck eines geisteswissenschaftlichen Minderwertigkeitskomplexes 193 zu erwecken. Vielmehr gilt es, eine medienadäquate, qualitativ-empirische Methodologie zu entwickeln, deren Beobachtungen sich standardisieren und somit evaluieren lassen. Die Farbveränderungen werden daher numerisch festgehalten, Beschreibung und Interpretation der Ergebnisse sowie die Beurteilung ihrer ästhetischen Dimension erfolgt mithilfe des Vergleichenden Sehens. Für eine Auswertung der maßgeblich kulturell beeinflussten Farbakkorde eines Bilds, d.h. für das Zusammenspiel der einzelnen Farben im Gesamtbild, ist eine qualitativ-empirische Betrachtungsweise zwingend. 194 Obgleich die Bemühungen um eine universale Sprache der Farbe ihren Anfang bereits in der Antike nehmen, sind Farbwahrnehmung, -bezeichnung und -bedeutung weder transkulturell, ahistorisch noch generalisierbar. Vielmehr ist 190 Nake/Grabowski: Zwei Weisen, das Computerbild zu betrachten, S. 133 sowie S. 46 der vorliegenden Arbeit. 191 Flückiger: Die Vermessung ästhetischer Erscheinungen, S. 53 unter Rekurs auf Krämer, Sybille: Operative Bildlichkeit. Von der ‚Grammatologie‘ zu einer ‚Diagrammatologie‘? Reflexionen über erkennendes Sehen, in: Martina Heßler/Dieter Mersch (Hg.): Logik des Bildlichen. Zur Kritik der ikonischen Vernunft, Bielefeld 2009, S. 94-122. 192 Pias: Das digitale Bild gibt es nicht, S. 18; Herv. i.O. 193 Zum Dilemma der Empirie innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften vgl. Hediger/Stauff: Empirie, S. 10 f. 194 Vgl. Flückiger: Die Vermessung ästhetischer Erscheinungen, S. 55. Der Terminus Farbakkorde geht auf Christine N. Brinckmann zurück. Vgl. a.a.O. sowie Brinckmann, Christine N.: Dramaturgische Farbakkorde, in: Thomas Koebner/Thomas Meder (Hg.): Bildtheorie und Film, München 2006, S. 358-380.
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Farbe ein subjektives ästhetisches Phänomen, dessen Beschreibung mehr Auskünfte über die historische wie soziokulturelle Situierung des Rezipienten als über die betreffende Farbe ‚an sich‘ zu geben vermag. 195 Aus diesem Grund wird auf etablierte Modelle zur Typisierung von Farbe rekurriert, die als solche – obgleich nicht im Rahmen der vorliegenden Arbeit – kritisierbar sind und sein müssen. Dennoch bilden sie die genormte Basis bzw. ein Referenzmodell, um überhaupt empirisch über Farbe – zumal im Kontext technischer Reproduzierbarkeit wie elektronischer Datenverarbeitung – sprechen zu können. Der Fokus liegt dementsprechend auf der „systematische[n] Erfassung von Farbwerten“ 196. Im Ergebnisteil (vgl. Kap. 3.3) werden die Bilddateien anhand ihrer Monitordarstellung und nicht etwa auf Basis eines Digitalausdrucks analysiert. Dieses Vorgehen scheint in Anbetracht des originär virtuellen Habitats sowie Verwendungskontexts der untersuchten mobilen digitalen Bilder adäquat. Mit der Indienstnahme von Photoshop zur numerischen Auswertung der diskreten Bildinformationen lässt sich darüber hinaus das Problem der farbpräzisen Wiedergabe bzw. des Farbmanagements umgehen.
195 Vgl. hierzu bspw. Eco, Umberto: How Culture Conditions the Colours We See, in: Marshall Blonsky (Hg.): On Signs. A Semiotics Reader, Oxford 1985, S. 157-175. 196 Flückiger: Die Vermessung ästhetischer Erscheinungen, S. 49. Vgl. auch die OnlineFarbdatenbank Timeline of Historical Film Colors, http://zauberklang.ch/filmcolors/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Analyse der Fallbeispiele Hipstamatic und Instagram
Hipstamatic ist eine optional installierbare Softwareanwendung für internetfähige Mobilgeräte mit integrierter Digitalkamera der von Ryan Dorshorst und Lucas Buick gegründeten US-amerikanischen Entwicklerfirma Synthetic (heute Hipstamatic) mit Sitz in San Francisco. Als Version 100 wurde die App erstmalig am 09. Dezember 2009 im App Store von Apple veröffentlicht. Der zeitgleich auf einem eigens dafür eingerichteten Blog publizierten Entstehungsgeschichte zufolge versteht sich die mobile Kamerasoftware als Hommage auf eine gleichnamige analoge Kleinbildkamera aus Vollplastik, die Hipstamatic 100, welche die Brüder Bruce und Winston Dorbowski aus Merrill, Wisconsin im Jahr 1982 in Eigenregie entwickelten und in kleiner Stückzahl selbst in Handarbeit herstellten. Zur Massenproduktion des Kameramodells sollte es nicht kommen, da die Geschwister zwei Jahre später bei einem Autounfall auf tragische Weise ums Leben kamen. 1 Obgleich die Echtheit dieser, verkürzt wiedergegebenen, Hintergrundgeschichte in Frage steht – weder die Existenz der Brüder noch der Kamera lässt sich belegen –, hat das Begleitnarrativ das Interesse an sowie die Diskussion über die App wesentlich befeuert und kann somit in jedem Fall als erfolgreiches Beispiel für virales Marketing gelten. 2 1 2
Vgl. http://history.hipstamatic.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Vgl. Plummer, Libby: Hipstamatic – Behind The Lens, http://www.pocket-lint.com vom 16.11.2010, http://www.pocket-lint.com/news/106994-hipstamatic-iphone-appandroid-interview sowie Yawnick, Marty: News. Wasau City Pages Uncovers The Real Hipstamatic Backstory? http://www.lifeinlofi.com vom 23.12.2010, http://lifein lofi.com/2010/12/23/news-wausau-city-pages-uncovers-the-real-hipstamatic-backsto ry/ und LaFrombois, Rick: The Little Hipster Who Could, in: Wausau City Pages vom 22.12.2010, S. 8-10. Online abrufbar unter: https://lifeinlofi.com/wp-content/uploads/
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Neben jenem firmenseitig lancierten Mythos erhielt die App durch die Auszeichnung der Fotoserie A Grunt’s Life des New-York-Times-Fotografen Damon Winter nicht minder werbewirksam mediale Aufmerksamkeit. Über die Dauer eines Jahres begleitete Winter eine in Nordafghanistan stationierte USamerikanische Infanterieeinheit, deren Alltag er mithilfe von Hipstamatic fotografisch dokumentierte. 3 Die Verleihung des dritten Platzes in der Kategorie „Feature Picture Story – Newspaper“ der 68. POYi 4 im Februar 2011 entfachte eine kontroverse Grundsatzdebatte über die Rechtmäßigkeit derart offensichtlich durch Bildbearbeitung stilisierter Aufnahmen im Kontext des Fotojournalismus. Nach Einschätzung von Chip Litherland trage die Auszeichnung dazu bei, dessen ohnehin bereits ‚dahinsiechende‘ Prinzipien weiter zu demontieren; dem Fotojournalismus würde ‚das Messer derart noch tiefer in den verfaulenden Leichnam gerammt‘. 5 Litherland stört sich hierbei nicht am Einsatz des iPhones als bildproduzierendem Apparat, seine Polemik bezieht sich auf die bildverändernden Prozesse, die aus der Verwendung von Hipstamatic resultieren. Obgleich die dargestellten Inhalte nicht direkt – beispielsweise durch Retusche oder Montage 6 – manipuliert worden seien, modifiziere die App jedoch grundlegend den atmosphärischen Eindruck des Bilds, der derart nicht mit der erlebten Realität überthe-little-hipsta_city-pages_1210.pdf. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. 3
Winters Fotoserie ergänzte die New-York-Times-Titelstory des Journalisten James Dao, mit welchem er zusammen im nordafghanischen Kriegsgebiet unterwegs war. Vgl. Dao, James: A Year At War. Between Firefights, Jokes, Sweat and Tedium, http://www.nytimes.com/ vom 21.11.2010, http://www.nytimes.com/2010/11/22/wor ld/asia/22grunts.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Abkürzung für Pictures Of The Year International. Vgl. http://www.poyi.org/68/68 winnerslist.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
5
Vgl. Litherland, Chip: There’s an App for Photojournalism, http://blog.chiplitherland. com vom 09.02.2011, o.S., http://blog.chiplitherland.com/2011/02/09/theres-an-appfor-photojournalism/. Bezüglich der Stellungnahme Winters zum Einsatz der Kamerasoftware vgl. Winter, Damon: Through My Eye, Not Hipstamatics, http://lens.blogs .nytimes.com vom 11.02.2011, https://lens.blogs.nytimes.com/2011/02/11/throughmy-eye-not-hipstamatics/. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018.
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Die Monografie des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Dino Brugioni liefert diesbezüglich einen guten Überblick über die historische Entwicklung fotografischer Bildmanipulation und deren unterschiedliche Techniken. Darüber hinaus stellt der Autor Indikatoren vor, die eine Beurteilung von bearbeiteten bzw. ‚gefälschten‘ Aufnahmen erleichtern sollen. Vgl. Brugioni, Dino A.: Photo Fakery. The History and Techniques of Photographic Deception and Manipulation, Dulles/VA. 1999.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 95
einstimme und folglich kaum als wahr oder authentisch gelten könne. 7 Matt Buchanan fasst die Kernpunkte der Debatte um die Legitimität derartiger Aufnahmen im Speziellen sowie die Trennlinie zwischen akzeptierter Bildverbesserung und unzulässiger, weil wahrheitsverändernder Manipulation im Allgemeinen in folgenden zwei Fragen zusammen: „Is it photojournalism when an image is deliberately changed to heighten or affect mood that we literally can’t see with our eyes for the sake of aesthetics and emotion? Is the definition of reality here merely confined to the collection of objects depicted in the photograph?“ 8 Neben dem Erstling Hipstamatic hat Synthetic noch weitere bildbasierte Mediensoftware im Angebot. SwankoLab (April 2010; 1,99 €) simuliert eine virtuelle Dunkelkammer und fokussiert folglich die chemo-physikalische Postproduktion, IncrediBooth imitiert die Bildproduktion analoger Fotoautomaten (Juli 2010; 0,99 €), während Tintype (2014; 0,99 €) die Bildästhetik von Ferrotypien aus den frühen Anfängen der Fotografie digital nachahmt. Mit der Einführung von Oggl im Dezember 2011 – neben DSPO die einzig kostenlose App im Sortiment von Synthetic – und der stärkeren konzeptionellen Gewichtung kuratorischer Tätigkeiten innerhalb einer eigenen Online-Community, versucht das Unternehmen den bislang vernachlässigten sozialen Aspekt zu stützen. Als Reaktion auf das mit Veröffentlichung von Vine 9 im Januar 2013 aufkommende Interesse an ultrakurzen Mikrovideoclips präsentiert Synthetic mit Cinamatic (2,99 €) im Mai 2014 eine eigene Video-App. Kollektive Autorschaft wiederum ist kennzeichnend für die 2015 veröffentlichte Kamera-App DSPO. 10 Seit Februar 2017 bietet 7 8
Litherland: There’s an App for Photojournalism, o.S. Buchanan, Matt: Hipstamatic and the Death of Photojournalism, http://gizmodo.com vom 10.02.2011, http://gizmodo.com/5756703/is-hipstamatic-killing-photojournalism (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Mit Vine ließen sich ultrakurze, im Loop laufende Videoclips von maximal sechs Sekunden Länge erstellen und im social web distribuieren. Darüber hinaus verfügte die kostenlose App ebenfalls über eine angeschlossene Community. Im Januar 2017 stellte der Eigentümer Twitter, Inc. den Dienst ein und lancierte mit Vine Camera einen Nachfolger ohne eigenes Videoportal – die Mediendateien müssen nun über einen Twitter-Account veröffentlicht werden. Vgl. Ballein, Maurice: Vine ist tot. Das Ende bringt die Vine Camera-App für iOS und Android, https:/www.netzwelt.de vom 18.01.2017, https://www.netzwelt.de/news/159699-vine-tot-ende-bringt-vine-cameraapp-ios-android.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
10 Eine Gruppe von angemeldeten Nutzern erstellt innerhalb eines definierten Zeitraums Fotografien, die am Ende der Aufnahmezeit automatisch zu einem gemeinsamen virtuellen Fotoalbum zusammengefasst und als Sammlung für alle Beteiligten zugänglich
96 | Der Instagram-Effekt
das kostenpflichtige digitale Magazin Scene ein Forum für ‚iPhoneographen‘ der Hipstamatic-Community und darüber hinaus. Bis heute sind sämtliche Apps des Unternehmens exklusiv für das mobile Betriebssystem iOS und somit nur für Endgeräte der Apple i-Gerätereihe, wie iPhone, iPod touch und iPad, verfügbar. Im Unterschied zu Instagram sind nahezu alle Anwendungen kostenpflichtig und bedienen im App Store von iTunes ausschließlich die Sparte „Foto & Video“ bzw. „Digital Photo Software“. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung am 11. Juni 2013 kostete die Basisversion von Hipstamatic 1,79 €; mit Veröffentlichung der komplett überarbeiteten Programmversion 300 im September 2015 haben sich die Kosten der Erstanschaffung im Euroraum auf 2,99 € erhöht. Im in die Kamerasoftware implementierten HipstaStore lässt sich die Grundausstattung an Linsen, Filmen und Blitzen durch den Zukauf verschiedener, thematisch gruppierter Add-ons – den sogenannten HipstaPaks – erweitern. 11 Innerhalb des ersten Jahres wurde Hipstamatic bereits 1,4 Millionen Mal über iTunes gekauft. Bedeutenden Einfluss auf die Sichtbarkeit der App innerhalb des Webshops und demzufolge die Steigerung des Umsatzes nahm Apple durch ein Feature auf dessen Startseite Anfang des Jahres 2010 sowie durch die Auszeichnung zur „App des Jahres 2010“. 12 Der anfängliche Hype um die App ebbte jedoch aufgrund der erstarkenden Konkurrenz in den darauffolgenden zwei Jahren deutlich ab und gipfelte 2012 in einer Firmenkrise 13, aus der eine komplette Neukonzeption des Synthetic-Flaggschiffs Hipstamatic resultierte. gemacht werden. DSPO basiert konzeptionell auf dem Prinzip von Einmal- bzw. Wegwerfkameras, wie sie auf Partys zum Einsatz kommen, und zeichnet sich somit durch kollektive Autorschaft und ein unvorhersehbares Gesamtergebnis aus. 11 Zum Beispiel Portland HipstaPak, Foodie SnapPak, Williamsburg Starter HipstaPak – für jeweils 0,89 € – und dergleichen mehr. 12 Vgl. hierzu LaFrombois: The Little Hipster Who Could, S. 8 sowie Siegler, MG: Apple’s Apps Of Year: Hipstamatic, Plants vs. Zombies, Flipboard, and Osmos, https:// techcrunch.com vom 09.12.2010, https://techcrunch.com/2010/12/09/apple-top-apps2010/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 13 Vgl. Panzarino, Matthew: Hipsta-dramatic. Hipstamatic Lays Off All But Core Employees, Including Designers And Engineers [Update], https://thenextweb.com vom 16.08.2012, https://thenextweb.com/insider/2012/08/16/hipsta-dramatic-hipstama tic-lays-core-employees-including-designers-engineers/ sowie Carr, Austin: No Filter. Inside Hipstamatic’s Lost Year Searching For The Next Killer Social App, https:// www.fastcompany.com vom 10.09.2012, https://www.fastcompany.com/3001994/nofilter-inside-hipstamatics-lost-year-searching-next-killer-social-app. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 97
Instagram ist eine optional installierbare Softwareanwendung für internetfähige Mobilgeräte, die von Kevin Systrom und Mike Krieger entwickelt und mittels der von ihnen zu diesem Zwecke gegründeten Firma Burbn Inc. am 06. Oktober 2010 im App Store von Apple veröffentlicht wurde. Wie Hipstamatic lässt sich auch Instagram als bildbasierte mobile Mediensoftware klassifizieren. Die zentrale Innovationsleistung der App besteht zum Zeitpunkt des Markteintritts in der vollständigen Integration der verschiedenen, vormals getrennten bzw. vermittels unterschiedlicher Werkzeuge realisierten Arbeitsschritte digitaler Bilderzeugung, -nachbearbeitung und -distribution in eine intuitiv zu bedienende All-in-one-Software. Durch Zugriff auf die integrierte Front- wie Rückkamera des mobilen Endgeräts lassen sich fotografische Aufnahmen generieren, die unmittelbar danach mit schablonierten visuellen Effekten, den sogenannten (Grafik-)Filtern, nachbearbeitet und abschließend auf dem eigenen Profil innerhalb der angeschlossenen Community sowie in sämtlichen einschlägigen Anwendungskontexten des social web veröffentlicht werden können. Folglich vereint Instagram konzeptionell einerseits einen komprimierten und weitgehend automatisierten Workflow digitaler Bildgenese. Konsequent auf die Nutzung von unterwegs mithilfe eines mobilen Internetzuganges ausgelegt, stellt die App andererseits Möglichkeiten des primär bildbasierten Mikrobloggings sowie des ebenfalls vorrangig visuellen Informationsaustauschs zur Verfügung. Neben ihrer innovativen Konzeption und der kostenlosen Nutzung verhalfen Instagram auch prominente Testimonials wie Justin Bieber zu einem signifikanten Anstieg an neuregistrierten Nutzern. 14 Instagram profitiert somit von dem Synergieeffekt zwischen der Mediennutzung eines Stars, einer Marke usw. und der jeweils anhängigen Fangemeinde. Bereits zwei Monate nach der Markteinführung konnte die App eine Million registrierte Nutzer verzeichnen. Einer offiziel-
14 Unter den 100 populärsten Usern findet sich eine signifikante Häufung von Prominenten, vor allem Musiker, Social-Media-Celebrities wie die Kardashians, Models (z.B. Cara Delevingne), Sportler wie der Fußballer Christiano Ronaldo, Moderatorin Ellen Degeneres, Staats- und Regierungschefs sowie international bekannte Firmen bzw. Marken (Victoria’s Secret, Nike, Starbucks, Forever 21, Louboutin usw.). Vgl. die Kategorie featured users der Instagram-Metaseite Webstagram, https://websta.me/ category (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Vgl. hierzu auch N.N.: Justin Bieber boosts photo sharing service Instagram, http://www.telegraph.co.uk vom 22.07.2011, http://www.telegraph.co.uk/technology/news/8654861/Justin-Bieber-boosts-photosharing-service-Instagram.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
98 | Der Instagram-Effekt
len Pressemeldung vom September 2017 zufolge nutzen mittlerweile mehr als 800 Millionen Menschen weltweit die App, 500 Millionen davon sogar täglich. 15 Anfangs lediglich in einer iOS-Version und somit nur für mobile Endgeräte der Apple i-Gerätereihe verfügbar, lancierte das Jungunternehmen aufgrund der immensen Popularität Anfang April 2012 ebenfalls eine Version für das mobile Betriebssystem Android von Google, die sich ab dato über den Play Store beziehen lässt. 16 Apple prämierte Instagram in seinem im Dezember vorgelegten Jahresbericht App Store Rewind als „App des Jahres 2011“. 17 Kaum ein Jahr später, im September 2012, ging Instagram für die legendäre Summe von einer Milliarde US-Dollar an Facebook über. 18 Ursprünglich ausschließlich auf die Nutzung via internetfähigen Mobilgerät beschränkt, führte Facebook im November 2012 eine zusätzliche Webversion des Onlinediensts und somit auch Webprofile der registrierten Nutzer ein, die sich mit Kenntnis der zugehörigen URL im Webbrowser aufrufen lassen. Über diesen Weg lassen sich lediglich Bilder von Anderen konsumieren, jedoch keine Veränderungen am eigenen Profil vornehmen. Somit fungieren die Webprofile vielmehr als öffentliches Portfolio von Personen, Firmen, Marken u.a. und dienen daher ausschließlich der repräsentativen Ansicht. Sämtliche – ikonische wie verbale – Kommunikation findet nach wie vor ausschließlich über die mobile App statt. Instagram war bereits zu einem frühen Zeitpunkt für externe Firmen und Drittanbieter attraktiv, die mit ihrem Geschäftsmodell an die App andockten, um aus deren Popularität kommerziellen Erfolg zu schlagen. In diesem Zuge hat sich um den Nukleus Instagram ein florierendes wie ausdifferenziertes Waren- und 15 Vgl. N.N.: Strengthening Our Commitment to Safety and Kindness for 800 Million, o.S. Bezüglich der globalen Verteilung vgl. statista.com: Leading Countries Based on Number of Instagram Users as of April 2018 (in Millions), https://www.statista.com/ statistics/578364/countries-with-most-instagram-users/. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. 16 Im November 2013 folgte eine im Funktionsumfang eingeschränkte Betaversion für das mobile Betriebssystem Windows Phone von Microsoft. 17 In der Jahresbilanz für den US-amerikanischen App Store belegte Instagram den ersten, in jener für den deutschen Markt den zweiten Platz. Vgl. Cha, Bonnie/Kalenda, Florian: Apple zeichnet Foto-Tool Instagram als App des Jahres aus, http://www. zdnet.de vom 09.12.2011, http://www.zdnet.de/41558605/apple-zeichnet-foto-toolinstagram-als-app-des-jahres-aus/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 18 Vgl. hierzu bspw. Lindner, Roland: Milliardenübernahme. Facebook kauft Fotodienst Instagram, http://www.faz.net vom 09.04.2012, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ milliardenuebernahme-facebook-kauft-fotodienst-instagram-11712630.html aufgerufen am 01.06.2018).
(zuletzt
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 99
Dienstleistungsuniversum entwickelt. Das Angebot reicht von Digitaldruckanbietern 19, über ‚Lifestyle‘-Accessoires – wie beispielsweise die Sonnenbrille tens (vgl. Kap. 5.3) – zu virtuellen Dienstleistungen, insbesondere gekauften und somit künstlich erhöhten Followerzahlen 20, bis hin zu mobilen Bildbearbeitungsanwendungen, deren einziger Nutzen darin besteht, medienstrukturelle Limitierungen von Instagram – wie zum Beispiel das obligatorisch quadratische Bildformat – zu umgehen. 21 Eine Branche, für die Instagram aus ökonomischer Perspektive besonders interessant ist, sind Unternehmen, die sich auf Social-MediaManagement 22 spezialisiert haben, oder solche, die Software für Marketinganalysen vertreiben und es damit, so zumindest das Werbeversprechen, ermöglichen, die Effizienz von Marketingmaßnahmen im Bereich des primär bildvermittelten Social-Media-Marketings zu evaluieren und anschließend zu optimieren. 23 Im Unterschied zu Hipstamatic lässt sich Instagram unentgeltlich beziehen und nutzen. Kostenlos ist der Download selbstverständlich nur in finanzieller Hinsicht. Der Tauschwert besteht wie bei sämtlichen Apps in spezifischen Zugriffsrechten auf und Informationen über das mobile Endgerät, die insbesondere bei Gratis-Apps mitunter deutlich über jene hinausgehen, die zum unmittelbaren Betrieb der Software benötigt werden. In die Kritik geriet Instagram in diesem Zusammenhang insbesondere durch die Änderung seiner Datenschutzbestimmungen im Dezember 2012, die es dem Eigentümer Facebook erlaubten, usergeneriertes Bildmaterial ungefragt an Drittunternehmen zu verkaufen. Hieran entzündete sich ein massiver Protest der Nutzer, welche durch die Löschung ihrer Profile eine Revision der umstrittenen Passagen erzwangen. 24 Zum Abschluss dieser einleitenden Kurzbeschreibungen der gewählten Fallbeispiele – Hipstamatic und Instagram – erfolgt ein Exkurs zu korrespondierenden diagrammatischen Verlaufskurven von Google Trends (vgl. Abb. 5): Der statistischen Erhebung zufolge war das ‚Interesse‘ an Hipstamatic – Google 19 Siehe z.B. Social Print Studio, http://www.socialprintstudio.com (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 20 Vgl. hierzu exemplarisch buycheapestfollowers.com, https://buycheapestfollowers. com/de/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 21 Vgl. bspw. die App No Crop von Riley Cillian für Android, https://play.google.com/ store/apps/details?id=com.rcplatform.nocrop (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 22 Beispielsweise der international agierende Konzern Hootsuite, https://hootsuite.com /de/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 23 Beispielhaft zu nennen ist hier das US-amerikanische Software-MarketingUnternehmen TrackMaven, dessen Leistungsumfang „Social, Content, and Web Analytics“ beinhaltet, https://trackmaven.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 24 Vgl. hierzu auch FN 74 (Kap. 1).
100 | Der Instagram-Effekt
quantifiziert dieses über die Anzahl der Suchanfragen – zwischen Ende 2011 und Anfang 2012 auf seinem Höhepunkt, brach danach rapide ein, fiel bis zum Zeitpunkt der Abfrage kontinuierlich ab und ist heute weitgehend abgeebbt. Instagram hingegen kann seit der Erstveröffentlichung im Herbst 2010 eine stetige Zunahme an Suchanfragen verbuchen; dem Kurvendiagramm gemäß steigt das ‚Interesse im zeitlichen Verlauf‘ unablässig. Die über einen Zeitraum von nunmehr sechs Jahren gewonnene Expertise im Bereich mobiler Kamerasoftware bestätigt diese Trendentwicklungen. Da Hipstamatic die ältere von beiden mobilen Softwareanwendungen ist, kann davon ausgegangen werden, dass sie auf die Konzeption von Instagram einen Einfluss – hinsichtlich der Bildsprache mitunter sogar eine stilprägende (Vorbild-)Funktion – ausgeübt hat. Dessen ungeachtet orientieren sich die nachfolgenden Ergebnisdarstellungen nicht stringent an jener chronologischgenealogischen Reihung, sondern hierarchisieren die Apps, analog zu dem Befund von Google Trends, nach deren Relevanz für populäre Bildpraxen der Gegenwartskultur. Abbildung 5: Ergebnisse der Sucheingabe „Hipstamatic“ (oben) und „Instagram“ (unten) in Google Trends, dargestellt als Kurvendiagramm.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 101
3.1 VORGELAGERTE ANALYSE DES KOMMUNIKATIONSKONZEPTS 3.1.1 Wort | Digital-Analog-Konverter und Instant-Beautifier „Digital Photography never looked so analogue“ 25 – der offizielle Werbeslogan von Hipstamatic preist die Software hinsichtlich ihrer Simulationsleistung als Novität im Bereich digitaler Fotografie an. Das Adjektiv analog verweist darauf, dass der virtuellen Mimesis hierbei offenbar vorgängige chemo-physikalische – im Unterschied zur elektronischen Bilderzeugung gemeinhin als analog bezeichnete – fotografische Aufnahmenverfahren als gestalterischer Bezugspunkt dienten. Entgegen der unspezifischen Begriffsverwendung in jenem werbestrategischen Leitspruch, bezeichnet der Ausdruck analoge Fotografie grundsätzlich keine Entität, sondern ein heterogenes Feld, das unterschiedlichste fotografische Techniken, Kameraapparate, Bildstile wie -ästhetiken subsumiert. Als Konsistenzminimum kann das lichtempfindliche Trägermaterial gelten, in dessen Oberfläche sich das latente optische Bild einschreibt. ‚Das Analoge‘ existiert folglich genauso wenig wie ‚das Fotografische‘ oder ‚die Fotografie‘. 26 In obigem Zitat wird sprachlich jedoch zunächst nicht näher definiert, um welchen Phänomenbereich es sich genau handelt; in seiner Funktion als Retronym markiert ‚analog‘ lediglich den Bereich des ‚Nicht-Digitalen‘. Aufgrund der diffusen Referenz wird ‚das Analoge‘ als eine – wie auch immer konkret geartete – idealtypische Vorstellung eingeführt und zum Darstellungsziel des digitalen Bilds erklärt – eine erstrebenswerte, jedoch bis dato ‚unerreichte‘ 27 Bildästhetik. Dem Werbeversprechen gemäß lassen sich unter Verwendung von Hipstamatic digitale Bilder erzeugen, die vorgeblich aussehen, als ob sie aus einem anderen, d.h. einem chemo-physikalischen Aufnahmeverfahren hervorgegangen sind. „The Hipstamatic for iPhone is an application that brings back the look, feel, unpredictable beauty, and fun of plastic toy cameras from the past.“ 28 Mit den genannten Spielzeugkameras aus Plastik konturiert der nachfolgende Satz den konkret gemeinten ‚analogen‘ Referenten. Verfügt man über entsprechendes Hintergrundwissen, ist diese Beschreibung unschwer als Verweis auf das foto-
25 Die Werbetexte, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, sind im neunten Kapitel Quellentexte aufgeführt. Zum Zitat siehe Kapitel 9 – Quellentexte, Txt.1, S. 399. 26 Vgl. Geimer: Theorien der Fotografie zur Einführung, S. 9-12. 27 Hiervon kündet das verwendete Adverb never. 28 Kap. 9, Txt. 1, S. 401.
102 | Der Instagram-Effekt
grafische Subgenre Lomografie lesbar. 29 Die implizite Kernaussage ist jedoch auch ohne derartige Kennerschaft verständlich. Jene Klassifizierung der Kamera als Spielzeug evoziert einerseits die Vorstellung eines lustvoll-selbstzweckhaften, spielerisch-experimentellen Umgangs mit dem fotografischen Medium, frei von Leistungsdruck und ökonomischen Zwängen. Als zentraler Bestandteil des kindlichen Dinguniversums sind Spielsachen darüber hinaus zumeist kindgerechte Nachbildungen von Gegenständen der Erwachsenenwelt und daher in ihrem Funktionsumfang deutlich eingeschränkt bzw. mitunter gar völlig unzweckmäßig. Die Ähnlichkeit ist somit – darauf verweist bereits das Adjektiv „looked“ – keine faktisch-materielle, sondern lediglich äußerlich bzw. illusionär. Der Werbetext charakterisiert diesen Kameratypus durch eine Aufzählung von Attributen. Hierbei evozieren die Substantive „look“ und „feel“ einerseits einen Oberflächeneffekt sowie eine haptische Qualität der Spielzeugkameras, zusammengenommen (look-and-feel) zielen sie andererseits zugleich auf die spezifische Anmutung dieser Apparate ab. Im Deutschen als „gefühlsmäßiges, unbestimmtes Eindruckserlebnis“ 30 definiert, verspricht Hipstamatic folglich auch eine Emotionalisierung des digitalen Bilds. Eine weitere kameraspezifische Besonderheit besteht laut Werbetext in ihrer „unvorhersehbaren Schönheit“ 31 . Diesem Abstraktum liegt ein ästhetisches Werturteil und somit ein normatives Verständnis von Schönheit zugrunde. Innerhalb des ästhetischen Wertesystems von Hipstamatic können demnach Unberechenbarkeit und Kontingenz als Signa des Schönen gelten. Das NichtBerechenbare wird demzufolge nicht bloß als ästhetisches Darstellungsziel, sondern insbesondere als performatives Ideal des numerischen Bilds und seines Entstehungsprozesses eingeführt. Derart von Seiten des Werbetexts als innovativer Digital-Analog-Konverter vorgestellt, verspricht Hipstamatic insofern die glaubhafte digitale Mimesis einer vorgängigen Kulturtechnik bei gleichzeitiger Dissimulation ihrer diskret-digitalen – formalisierten wie quantifizierbaren, exakt numerischen – Verfasstheit. Die Bergung jener verloren gegangenen bzw. historisch gewordenen Kameramodelle und ihrer Qualitäten macht sich außerdem einer nostalgischen Verklärung der Vergangenheit verdächtig. In der englischen Textfassung findet der Aspekt der Distribution bzw. bildbasierten Kommunikation keine Erwähnung; von Relevanz ist einzig das avisier29 Vgl. hierzu Kap. 4.2. 30 Duden.de: Anmutung, die, o.S., http://www.duden.de/rechtschreibung/Anmutung (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 31 Obgleich noch kürzer, verzichtet auch der Zweizeiler in der deutschsprachigen Version des App Stores von iTunes nicht auf das Wertwort „schön“ zur näheren Charakterisierung der fotografischen Resultate. Vgl. Kap. 9, Txt. 2, S. 401.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 103
te ‚analoge‘ Referenzsystem nebst attestierten Attributen und das überzeugende Simulationsvermögen von Hipstamatic. Durch die Verwendung der Verben „machen“ und „teilen“ stellt die deutsche Variante demgegenüber Bildaufnahme und -veröffentlichung als zentrale softwareseitig angebotene Handlungsoptionen heraus. 32 Der vergleichsweise längere Werbetext von Instagram in der deutschsprachigen Version des App Stores von Apple weist ebenso unmittelbar auf den zentralen Nutzen der App hin: „100 Millionen Nutzern gefällt Instagram! Es ist kostenlos, macht Spaß und ermöglicht das Aufnehmen und Teilen von schönen Fotos auf deinem iPhone.“ 33 Wie beworben, steht neben der Aufnahme von digitalen Fotografien vor allem der Aspekt des Teilens und somit der visuellen Kommunikation innerhalb der programmeigenen, kontinuierlich wachsenden 34 Community im Vordergrund. Jene Gewichtung der sozialen Komponente im Werbetext korrespondiert mit der Klassifizierung von Instagram im App Store von Google; dort wird die mobile Mediensoftware unter der Produktkategorie Soziale Netzwerke und nicht wie andere Kamera-Apps (z.B. RetroCam, VSCO, EyeEm usw.) unter Fotografie rubriziert. Im Apple App Store hingegen findet sich Instagram in derselben Rubrik wie Hipstamatic – Foto & Video – und gerade nicht unter der ebenfalls vorhandenen Sparte Soziale Netze. Auch ohne nähere Kenntnisse der Software deuten diese Beobachtungen bereits auf eine für Instagram kennzeichnende 32 Vgl. a.a.O. 33 Kap. 9, Txt. 3, S. 402. Im Google Play Store ist – entsprechend des Betriebssystems – von „deinem Android“ die Rede (Kap. 9, Txt. 4, S. 402), folglich adressiert die Werbebotschaft von Instagram Apple- und Android-Nutzer in gleicher Weise. Eine Differenzierung findet diesbezüglich bereits zu einem früheren Zeitpunkt statt und zwar, wenn es darum geht zu entscheiden, für welche Betriebssysteme die App überhaupt verfügbar sein soll. Viele Apps werden ausschließlich für das mobile Betriebssystem iOS von Apple programmiert. Diese Entscheidung fußt in der Regel auf pragmatischen Gründen, im Fall von Hipstamatic und fraglos auch von anderen Apps (insbesondere im Bereich visueller Mediensoftware) ist die exklusive Kooperation jedoch das Resultat strategischer Erwägungen und führt zu einem Distinktionsgewinn ihrer Nutzer, der wiederum attraktivitätssteigernd auf Hipstamatic zurückwirkt. 34 Vgl. bspw. die grafische Darstellung des stetigen Nutzerzuwachses, von einer Millionen im Dezember 2010 zu 800 Millionen im September 2017; Richter, Felix: Instagram Now Has 800 Million Users, https://www.statista.com/ vom 05.12.2017, https:// www.statista.com/chart/9157/instagram-monthly-active-users/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
104 | Der Instagram-Effekt
Hybridisierung hin, die sich einer widerspruchsfreien Typisierung entlang der Archivstruktur des jeweiligen App Stores entzieht. Das Ausrufezeichen symbolisiert die inhaltliche Relevanz des ersten Satzes und unterstreicht dessen Aussage. Gewichtiges Argument für die Nutzung der App ist somit zunächst ihre große Popularität und weite Verbreitung; ein Umstand, der gerade im Kontext sozialer Netzwerke zentral ist. Darüber hinaus dient dieser statistische Rekurs dazu, der App ein durch das Kollektiv legitimiertes Prädikat auszusprechen: 100 Millionen registrierte Nutzer können sich nicht irren! Im zweiten Satz folgt eine komprimierte Auflistung der wesentlichen Vorzüge von Instagram. Eröffnet wird jene Abfolge mit dem Hinweis auf die kostenfreie Nutzung der App – ein stichhaltiges Argument zum Download, da sich die App bei Nichtgefallen ohne finanziellen Verlust einfach wieder löschen lässt. Weiterhin wird der Spaßfaktor („macht Spaß“) sowie erneut der kommunikativsoziale Aspekt positiv herausgehoben („mache und teile“). „Wähle einen der zahlreichen beeindruckenden Filtereffekte oder verwende Tilt-und-Shift, um deinen Handy-Fotos neues Leben einzuhauchen. Verwandle Momente des täglichen Lebens in Kunstwerke, die du mit deinen Freunden und deiner Familie teilen möchtest.“ 35 Der zitierte Abschnitt präzisiert ein weiteres Movens für die Bildproduktion bzw. visuelle Äußerung via Instagram. Nimmt man die Argumentation beim Wort, wird hierbei zugleich ein enormer Anspruch der Entwickler verdeutlicht: Diese App und somit auch jeder ihrer Nutzer ist in der Lage, quasi auf Knopfdruck aus allem ‚Kunst‘ zu generieren, und das bar etwaiger fotografischer Vorkenntnisse, unabhängig vom Motiv, jeden Tag, überall – eine optische Wunschmaschine, möchte man meinen, und somit ein schlagendes Argument für den Download. „Teile deine Fotos in einem einfachen Foto-Stream mit Freunden – und folge den Fotos deiner Freunde durch das Anklicken einer einzigen Schaltfläche. Jeden Tag, an dem du Instagram öffnest, siehst du neue Fotos von deinen engsten Freunden und kreativen Nutzern aus der ganzen Welt.“ 36 Neben der Garantie entstehender „Kunstwerke“ wird in der Beschreibung mehrfach auf die einfache Bedienung und Benutzerfreundlichkeit der App verwiesen, die somit alltäglich eine ästhetisch ansprechende ikonische Kommunikation zu gewährleisten vermag. Nebenbei verbrieft sie dem Nutzer nicht nur Kreativität, sie erhebt ihn gar in den Status eines ‚Künstlers‘. Den Suggestionen des Werbetexts zufolge findet sich in der Benutzung von Instagram gewissermaßen das Beuys’sche Diktum – Jeder Mensch ein Künstler – realisiert. Jene Demokratisierung der Kunst bzw. ihrer Produktionsmittel, die nunmehr keinerlei technische Kenntnisse oder 35 Kap. 9, Txt. 3, S. 402. 36 A.a.O.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 105
handwerkliche Fähigkeiten voraussetzen, verabschiedet sich in der Konsequenz von der Vorstellung eines Künstlergenius bzw. von fotografischer Professionalität im vorliegenden Kontext. Der Argumentation gemäß, erfährt nicht nur der Begriff Künstler, sondern auch das Kunstwerk selbst eine nivellierende Entgrenzung: Mit dieser App fotografiert, lässt sich jedes Motiv zu Kunst machen; es kommt quasi nur auf das richtige Werkzeug – nämlich Instagram – an. Hiermit wird sogleich die Rolle und Souveränität des Nutzers in Zweifel gezogen: Als beworbener Instant-Beautifier vollführt die Software ihre Kunststücke allem Anschein nach nämlich weitgehend autonom. Welches Schönheitsideal dem Ästhetisierungsprozess als Maßstab dient, lässt der Werbetext offen. Die automatisch ablaufende, ‚magische‘ Transformation von Alltagsaufnahmen in Kunstwerke deutet ex negativo darauf hin, dass diese als solche keinerlei ästhetischen Wert besitzen und demzufolge einer artifiziellen Ver-Kunstung 37 qua Algorithmus bedürfen. Mit Filtereffekten und TiltShift werden zwar zwei konkrete Programmwerkzeuge bzw. Gestaltungselemente benannt, die entsprechend der verwendeten animistischen Metapher zur ‚Wiederbelebung‘ der Handyfotografien dienen sollen, deren konkrete Beschaffenheit bleibt jedoch im Unklaren. Was sie auch immer verändern, das Ergebnis – insbesondere jenes der zentralen Ingredienz Filter – ist in jedem Fall, so verspricht der Werbetext mit dem Adjektiv „beeindruckend“, spektakulär. Im Umkehrschluss legt die Argumentation die Folgerung nahe, dass die – mittels Smartphone erzeugten – Fotografien in ästhetischer Hinsicht ‚tot‘, d.h. nicht ansprechend seien und daher den Betrachter im ‚unverwandelten‘ Ursprungszustand sprichwörtlich kalt ließen. 3.1.2 Bild | Hipstereskes Gadget und Bilddiagramm Ohne das Interfacedesign oder die Ästhetik der fotografischen Resultate von Hipstamatic und Instagram überhaupt gesehen haben zu müssen, lässt sich ein erster Bezug zu Medien, Formaten, Kameramodellen und Herstellern aus dem Referenzbereich chemo-physikalischer fotografischer Verfahren bereits sowohl aus dem Namen als auch aus der visuell-grafischen Gestaltung des jeweiligen 37 Im Kontext von Werbebotschaften prägt Verena Krieger den Begriff Verkunstung, um hierdurch jene Werbestrategien zu bezeichnen, die im Versuch, die Grenze zur Kunst aufzuweichen, „darauf abzielen, der Werbung einen kunstähnlichen Charakter und folglich auch Status zu verleihen.“ Krieger, Verena: Rätselhafte Botschaften. Ambiguität als strategisches Mittel zur ‚Verkunstung‘ von Werbung, in: Hartmut Stöckl (Hg.): Werbung – Keine Kunst!? Phänomene und Prozesse der Ästhetisierung von Werbekommunikation, Heidelberg 2013, S. 31-61, hier S. 32.
106 | Der Instagram-Effekt
Softwareicons ableiten. Dem Design beider Bildmarken 38 dient ein stilisiertes Kameragehäuse als Vorbild, das sich im Einzelfall wiederum auf einen konkreten historischen Referenten beziehen lässt. So weist das Bildsymbol von Hipstamatic signifikante Ähnlichkeiten zum Gehäusedesign der KleinbildKompaktkamera LOMO LC-A auf (vgl. Tab. 5, 1 u. 4); einem sowjetischen Kamerafabrikat, dessen zufällige Wiederentdeckung durch zwei österreichische Kunststudenten im Jahr 1990 laut Gründungsmythos die Geburtsstunde der Lomografie markiert. 39 Das Kameragehäuse ist unifarben und besteht aus schwarzem Kunststoff. 40 Eine gleichfarbige Zierverkleidung aus Plastik, deren geprägte Haptik die Struktur von Echtleder imitiert, ist mittig umlaufend auf den Korpus geklebt. Hinsichtlich seiner Positionierung zitiert der oberhalb des Objektivs platzierte, und mit selbigem entlang der Vertikalen zentrierte, gelbe Kreis ebenfalls das Produktdesign der LOMO LC-A. Neben der erneuten Referenz auf das fotografische Subgenre der Lomografie, die nicht nur den im Werbetext erwähnten Spielzeugkameras aus Plastik, sondern nun auch dem Design des Softwareicons als Vorlage dient, hat Synthetic zusammen mit der Hintergrundgeschichte, dem Mythos der Hipstamatic 100, eine Produktfotografie zweier Prototypen veröffentlicht (vgl. Tab. 5, 3) und somit eine eigene – wenngleich fiktive, jedoch explizite – Objektreferenz für das skeuomorphistische 41 Design des Icons 38 Deren Größe und quadratische Form wird durch die gerasterte Matrix des Multimediainterfaces (MUI) vorgeben, die selbst wiederum auf der Gitterstruktur des cartesianischen Koordinatensystems basiert. Vgl. hierzu Kittler, Friedrich: Optische Medien. Berliner Vorlesung 1999, Berlin 2002. 39 Vgl. Kap. 4.2.1. 40 Der integrierte Linsensatz wurde ebenfalls aus Plastik gefertigt. 41 Skeuomorphismus bezeichnet einen Designstil, der auf dem Konzept der Mimesis basiert. Die derart künstlich hergestellte optische Ähnlichkeitsbeziehung soll ein vertrautes – auf Wiedererkennung basierendes – Gefühl im Umgang mit neuartigen Technologien und anderen Artefakten evozieren. Speziell im Kontext virtueller Umgebungen erfüllt jenes Design didaktisch eine Brückenfunktion. So dient die mimetische Gestaltung der Elemente grafischer Benutzeroberflächen und die Verwendung von Metaphern dazu, neuartige virtuelle Technik durch sinnbildlichen Rekurs auf Alltagsphänomene und -gegenstände intuitiv nutzbar zu machen. Räumlichkeit und Textur wird beispielsweise durch stilisierte Beleuchtungseffekte wie Schattenfugen oder Schlagschatten formal suggeriert. Vgl. FN 153 (Kap. 2) sowie Boomen, Marianne van den: Transcoding the Digital. How Metaphors Matter in New Media (= Theory on Demand, Institute of Network Cultures, Band 14), Amsterdam 2014. Online abrufbar unter: http://networkcultures.org/wp-content/uploads/2014/02/TOD14-binnenwerk-defPDF.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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kreiert. Die Farbkombination Schwarz-Gelb dominiert das Kommunikationsdesign und somit die Corporate Identity von Hipstamatic. Besagte Kombination findet sich nicht nur in oben beschriebenem Icon, sondern auch im Schriftzug der App (vgl. Tab. 5, 1). 42 Für diesen wird eine fließend-geschwungene, leicht kursiv gesetzte Schriftart gewählt, deren tiefschwarze Farbe sich deutlich von dem sattgelben, rechteckigen Hintergrund abhebt. Als sogenannte handwriting font evoziert die Typografie den Eindruck von Handschriftlichkeit bzw. dient dazu, diesen im Rahmen des maschinell Möglichen zu simulieren. Referenziert werden hierdurch einerseits Subjektivität wie Individualität, aber auch ein intimpersönliches Moment, das Assoziationen an einen autobiografischen Tagebucheintrag oder händisch verfasste Briefe weckt und folglich ebenfalls eine konnotativ-emotionale Nebenbedeutung besitzt. Das Präfix hip- des Markennamens ist mehrdeutig und dockt derart an unterschiedliche Referenzsysteme an. In Kenntnis über die fotografische Praxis des hip shot 43 und deren dogmatische Bedeutung für die Lomografie findet sich auch hierin ein erneuter Verweis auf den zentralen Fixpunkt von Hipstamatic. 44 Allgemein weist die Wortbedeutung darüber hinaus auf etwas ‚Hippes‘ hin und die App somit – ganz im Sinne der Werberhetorik – als trendiges wie angesagtes, topaktuelles Gadget aus. In Anbetracht der zeitlichen Korrespondenz der Veröffentlichung von Hipstamatic und der aufkommenden Debatte über den Hipster als zeitgenössische Konsumfigur par excellence lässt der Markenname sogleich auf die anvisierte Käufergruppe schließen. Da hipsta im englischsprachigen Raum umgangssprachlich als Kosewort für Hipster verwendet wird, ist jener Rekurs sogar wortwörtlich zu nehmen. 45 Kennzeichnend für die diskursive Beschreibung des – auf weiße, ursprünglich US-amerikanische Männlichkeit abzielenden – Hipster-Stereotyps ist Nina Spöttling-Metz zufolge insbesondere „seine[ ] häufig persiflierte[ ] Obsession für Vintage-Objekte“, wobei „das Aus-derZeit-gefallen-Scheinen als oberstes Motiv einer dabei mehr als zeitgenössischen, 42 Das Farbenpaar dient ebenfalls als visuell strukturierendes Element der grafischen Benutzeroberfläche. Vgl. Kap. 3.2.2. 43 Beim ‚Schuss aus der Hüfte‘ wird ohne vorherigen Blick durch den Sucher ausgelöst. Da die Kamera nicht auf Augenhöhe, sondern wortwörtlich auf Höhe der Hüfte gehalten wird, eignet sich diese Technik für schnelle und unauffällige Aufnahmen, beispielsweise im Kontext der Street Photography. Durch die fehlende Kontrolle des Bildausschnitts wird das fertige Bild dem Zufall übereignet. 44 Vgl. hierzu auch Kap. 4.2.2. 45 Vgl. Ballderass, Dick: hipsta (Top Definition), http://www.urbandictionary.com vom 12.08.2010, http://www.urbandictionary.com/define.php?term=hipsta (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
108 | Der Instagram-Effekt
[konsumorientierten und technophilen; K.G.] jugendlichen Stilkultur […]“ 46 gelten kann. Im Vergleich dazu leitet sich das Suffix -matic vom englischen Adjektiv automatic ab. Mit der Wahl von Hipstamatic greift Synthetic den von Kodak 1963 zur Bezeichnung von 35-mm-Kassettenfilm (Typ 126) eingeführten Systemnamen Instamatic auf. 47 Beginnend mit Version 100, anstatt wie üblich 1.0, orientiert sich die Nummerierung der Softwareupdates an jener des zugehörigen Kameramodells, der Kodak Instamatic 100. Das Design des Programmicons von Instagram (vgl. Tab. 6, 1) ähnelt ebenfalls frappierend der Produktgestaltung eines konkreten Kameramodells. Nicht nur die Position des stilisiert dargestellten Suchers in der rechten oberen Ecke sowie das links neben dem zentriert mittig platzierten Objektiv positionierte Logo, sondern insbesondere die vertikal von diesem nach oben verlaufenden vier Farbstreifen Rot, Gelb, Grün und Blau zitieren das Produktdesign von PolaroidSofortbildkameras. Im Hinblick auf die signifikante gestalterische Korrespondenz zwischen Softwareicon und Kameragehäuse, scheint speziell die weiße Ausführung der Polaroid Land Camera OneStep aus dem Jahr 1977 (vgl. Tab. 6, 3) dem Grafikdesign von Instagram als Inspiration gedient zu haben. Der auffällige regenbogenfarbige Streifen, welcher unterhalb des Objektivs beginnend nach vorne zur Filmklappe verläuft, geht auf den US-amerikanischen Grafikdesigner und Illustrator Paul Giambarba zurück, der sich zwischen 1958 und 1977 als erster Artdirector für die Produktgestaltung des Polaroid-Konzerns verantwortlich zeigte. In Reaktion auf die Verbreitung des Farbfernsehens entwickelte er im Jahr 1968 sieben parallel angeordnete und nahtlos aneinandergefügte farbige Streifen, deren Anordnung an das prismatisch-gebrochene Farbspektrum des Lichts denken lässt. Als visuelle Signatur avancierte der stilisierte Regenbogen in der Folge zum zentralen Bestandteil der Corporate Identity des Unternehmens (vgl. Tab. 6, 4). 48
46 Spöttling-Metz, Nina: Aus den Fugen. Zur geisterhaften Qualität popkultureller Bildkulturen in einer digitalisierten Gegenwart, in: Birgit Richard/Eleni Blechinger/Jana Müller (Hg.): Konsumfashionista. Mediale Ästhetiken des Modischen, München 2018, S. 133-139, hier S. 136. 47 Der gewählte Produktname diente dazu, auf das dank Kassettenfilmsystem nunmehr schnelle und einfache Einlegen des Films hinzuweisen. 48 Vgl. Bonanos, Christopher: Instant. The Story of Polaroid, New York 2012, S. 65 sowie Giambarba, Paul: The Branding of Polaroid, http://giam.typepad.com vom 26.03.2013, http://giam.typepad.com/the_branding_of_polaroid_/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Einer offiziellen Stellungnahme zufolge handelt es sich bei dem Eigennamen Instagram um eine hybride Wortschöpfung aus den englischen Begriffen instant und telegram. 49 Folglich referiert die Wortendung auf das schriftbasierte Kommunikationsmedium des Telegramms und nicht auf – im Kontext bildbasierter Mediensoftware vermeintlich näherliegende – fotochemische Edeldruckverfahren wie Fotogramm, Chemigramm usw. Im Präfix insta- findet sich auch auf sprachlicher Ebene ein Verweis auf das fotografische Verfahren des Sofortbilds, des Polaroids 50, und die namensgebende Geschwindigkeit der Bildwerdung, die – so legt die Bezugnahme nahe – ebenfalls für die Bildproduktion in Instagram kennzeichnend ist. Beide im Kofferwort Instagram synthetisierten Begriffe referieren folglich jeweils auf eine historisch gewordene Kulturtechnik bzw. ein Kommunikationsmedium. Obgleich beide Verfahren strukturell verschieden und historisch unterschiedlich zu verorten sind, eint sie doch ihr grundsätzliches Bestreben, Informationen möglichst schnell sichtbar und somit zugänglich zu machen bzw. zu übermitteln. Zudem können beide Techniken, Sofortbildverfahren wie auch die historisch ältere Telegrafie, für die jeweilige Zeit als kommunikationstechnologische Revolutionen gelten. Eine Synthese beider Verfahren bildet die auf dem Prinzip des Linienschreibers basierende Bildtelegrafie, die derart in der Lage ist, ein „Porträt als Telegramm“ 51 bzw. Bilddiagramm zu übermitteln. Das Telegramm bedient sich der Sprache; um Kosten zu reduzieren 52, wurden die verwendeten Zeichen jedoch auf eine gerade noch verständliche Essenz reduziert. Auf diese Weise etablierte sich der Telegrammstil, ein sprachlicher Code, der lediglich die wichtigsten Fragmente eines Satzes in Form einer Zeichenkette enthielt. Hinsichtlich seiner Syntax ist das Telegramm somit in gewisser Weise ein historischer Vorläufer von, insbesondere durch Mikrobloggingdienste wie Twitter und Instagram popularisierte, Hashtags. Die zur Gestaltung der Wortmarke verwendete Typografie erinnert an kunstvoll geschwungene und sorgfältig unter Verwendung eines Füllfederhalters aus49 Kevin Systroms Antwort auf die Frage nach der Entstehung des Namens. N.N.: How Did Instagram Get Its Name? https://www.quora.com/, o.D., https://www.quora.com/ How-did-Instagram-get-its-name (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 50 Der Markenname hat die Bezeichnung eines gesamten fotografischen Verfahrens geprägt und wird dafür synonym verwendet. 51 Fischel, Angela: Bildbefragungen. Technische Bilder und kunsthistorische Begriffe, in: Horst Bredekamp/Birgit Schneider/Vera Dünkel (Hg.): Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder, Berlin 2008, S. 14-23, hier S. 16. 52 Die Gebühr für das Telegrafieren einer Nachricht wurde aus der Anzahl der übermittelten Wörter errechnet.
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geführte Handschrift (vgl. Tab. 6, 1). Wie auch im Fallbeispiel Hipstamatic wird hierdurch eine Nähe zum intimen Tagebucheintrag bzw. einer persönlichen Notiz hergestellt. Diese Konnotationen weisen auf einen, wenn nicht gar den primären, idealen Verwendungszweck von Instagram hin: Mittels bildbasierter Mikroblogging- wie Profilfunktion liefert die App ein probates Mittel zur visuellen Dokumentation des eigenen Alltags und seiner individuell bedeutsamen Momente. Anders als das physische Tagebuch dient diese subjektive Geschichtsschreibung bzw. ikonische Konstruktion der eigenen Biografie nicht nur der Selbstreflexion: Im Kontext von Instagram werden die Bilddiagramme an ein Gegenüber kommuniziert, d.h. Selbstvergewisserung und -bezeugung der eigenen Existenz findet durch unmittelbare wie kontinuierliche ikonische Kommunikation innerhalb einer selbst gewählten Teilöffentlichkeit statt. Tableau 5: (1) Initiales Programmicon und Markenlogo von Hipstamatic; (2) Wort-Bild-Marke seit Version 300; (3) Prototypen der analogen Kompaktkamera „Hipstamatic 100“; (4) Frontansicht der KleinbildKompaktkamera „LOMO LC-A“ (1984-2005).
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Tableau 6: (1) Ursprüngliche Wort-Bild-Marke von Instagram; (2) neue Wort-BildMarke nach dem kompletten Redesign der Corporate Identity im Mai 2016; (3) Polaroid Sofortbildkamera Modell „OneStep“ (1977); (4) Covergestaltung des Polaroid-Jahresabschlussberichts von 1969.
3.1.3 Wort-Bild | Zusammenfassung und Aktualisierung: Lomografie 2.0 und Kunstmaschine Die verbalen Produktinszenierungen stellen beide explizit auf eine ästhetische Optimierung des mobilen digitalen Bilds ab und diese derart als zentrale Funktion der Software heraus – sowohl mit Hipstamatic als auch mit Instagram lassen sich namentlich ‚schöne Fotos‘ anfertigen. Als Prädikat eines ästhetischen Urteils basiert Schönheit zwangsläufig auf einem Kriterienkatalog; der Werbetext legt die hierin enthaltenen Maßgaben jedoch nicht offen. In beiden Fällen wird
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Schönheit dennoch nicht als undifferenziert-kraftloser Gemeinplatz adressiert, sondern vielmehr als ultimatives Verkaufsargument bzw. dessen effektiver Stimulus eingeführt, der keiner näheren Erläuterung bedarf – der Zweck heiligt die Mittel. Von Interesse ist somit sichtlich weniger, wie jener Ästhetisierungsprozess konkret vonstattengeht bzw. welches Darstellungsideal ihm zugrunde liegt – die Garantie einer ‚geschönten‘ und somit ästhetisch nobilitierten Aufnahme scheint hinreichender Anreiz zum Download. Jene Optimierungsvorgänge werden in beiden Fällen argumentativ als notwendige Maßnahme eingeführt und attestieren damit zumindest dem mobil erzeugten digitalen Bild in ästhetischer Hinsicht ein fundamentales Defizit. In puncto Hipstamatic geschieht dies implizit: Im Rückbezug auf historische Kameramodelle und das zentrale Ansinnen, diesen im Bereich des Digitalen zu einer Renaissance verhelfen zu wollen, schwingt der nostalgische Impetus des ‚Früher-war-alles-besser‘ und somit die Idealisierung vergangener Zeiten nebst anhängigen Kulturtechniken mit. Die gewählte Reanimationsmetapher im Werbetext von Instagram ist demgegenüber konkreter und spricht den qua Smartphone aufgenommenen Bildern im unbearbeiteten Zustand sinnbildlich jegliche ästhetische Vitalität ab. Ihrer jeweiligen Argumentation zufolge visieren die ästhetisierenden Maßnahmen im einzelnen unterschiedliche Ziele an: Der englische Werbetext von Hipstamatic führt analoge fotografische Verfahren zunächst allgemein als Referenz ein und konkretisiert diese wenig aussagekräftige Kategorie mit dem nachfolgenden Verweis auf historische Plastikspielzeugkameras, deren optische und haptische Anmutung sowie „unberechenbare Schönheit“ der Software als ästhetisches Ideal gelten. Liegt dem Schönheitsbegriff von Hipstamatic das im Kontext digitaler Bildlichkeit utopische, weil strukturell unmögliche Ideal der Unkalkulierbarkeit bzw. des Nicht-Quantifizierbaren zugrunde, bleibt dessen konzeptionelle Fundierung demgegenüber im Fall von Instagram unklar. Mit „Filtereffekten“ benennt der kurze Werbetext zwar jene digitalen Funktionen, die dazu dienen, das Ausgangsbild ‚aufzuhübschen‘, welche Stilmittel hierbei zum Einsatz kommen bzw. welche Bildparameter durch deren Anwendung konkret modifiziert werden, erfährt man allerdings nicht. Dessen ungeachtet formuliert das Versprechen einer ‚zauberhaften‘ Verwandlung in „Kunstwerke“ gleichwohl ein äußerst ambitioniertes Darstellungsziel. Die Software wird demnach als potente ‚Kunstmaschine‘ beworben, die – jener Vorstellung entsprechend – auf Knopfdruck aus jedem Motiv geradezu warholesk Kunst zu fabrizieren vermag, welche dem User in der Folge als Dekoration seiner Kreativität dient. Jene weitgehend automatisierte, weil programmierte Fließbandproduktion impliziert eine Vermassung, die sowohl im Widerspruch zur Schöp-
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fungshöhe des Kunstwerks als auch zum Konzept von Kreativität 53 steht. Schönheit und Kunst erscheinen somit als werbewirksame Schlagworte, die ihre Suggestivkraft auch ohne irgendeine Form von inhaltlicher Fundierung zu entfalten vermögen – dies legt zumindest die Art ihres werberhetorischen Einsatzes nahe. Durch Emphase eines spielerisch-experimentellen Umgangs mit der App, der einfach ist und Spaß bereitet, findet in beiden Fällen eine affektive Besetzung der appbasierten Bildproduktion statt. Im Unterschied zu Instagram verfügt die App Hipstamatic über einen einprägsamen und konstanten Werbeslogan: „Digital photography never looked so analogue.“ Jenes Statement rückt die Simulationsleistung 54 der Software in den Mittelpunkt der Kaufargumentation, welche dem Nutzer zu einem möglichst wirklichkeitsnahen Erlebnis analoger Bildentstehung verhelfen will. Die mimetische Annäherung des mobilen digitalen Bilds an einen ‚analogen Idealtypus‘, besagte Plastikspielzeugkameras, mitsamt den anhängigen Determinanten des Bildentstehungsprozesses ist dabei zentraler Anspruch des Programms. Das Ziel besteht folglich in einer möglichst bruchlosen Emulation jenes, Vorbildcharakter besitzenden, Kameratyps. Indem der Werbetext auf die ästhetische Qualität jener Kameramodelle abstellt, kann davon ausgegangen werden, dass Hipstamatic nicht bloß auf die Simulation einer spezifischen Bildästhetik als Produkt digitaler Bildbearbeitung abzielt. Vielmehr scheint es darum zu gehen, das ganzheitliche Erleben, den performativen Vollzug jener idealtypischen analogen Bildlichkeit digital zu reproduzieren. Eine immersive Erfahrung kann jener DigitalAnalog-Konverter jedoch nur evozieren, wenn sich sein artifiziell-konstruierter Charakter und somit seine strukturell digitale Verfasstheit kaschieren bzw. dissimulieren lässt. Demgegenüber nimmt die soziale Komponente im Werbetext von Instagram ungleich mehr Raum ein. Die automatisierte und somit der Software übereignete Produktion von ästhetisch ansprechenden mobilen Bildern wird direkt mit deren 53 Vgl. Reckwitz, Andreas: Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung, Berlin 2012, S. 9-19. 54 Die Simulationsleistung der Kamera-App ist nicht nur bei Hipstamatic zentrales Verkaufsargument, sondern ein grundsätzlich signifikantes Merkmal von Werbetexten mobiler Mediensoftware, die ‚analoge‘ fotografische Verfahren und deren Bildästhetik virtuell imitieren. Besonders auffällig ist hierbei die Erwähnung eines, dem digitalen Nachbau vorgängigen, analogen Referenten bzw. eines Realobjekts, die dessen Authentizität verbürgt und jederzeit dem Vergleich mit einem ‚Originalfoto‘ standhalten kann: „What? Is it my android or a real camera?“ Zitat aus dem Begleittext der App Retro-Kamera von Wise Shark Software, https://play.google.com/store/apps/ details?id=com.onemanwithcameralomo&hl=en (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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primärem Verwendungszweck, der ikonischen Kommunikation innerhalb einer angeschlossenen Community, verschränkt. Wie die Analyse der Wort-BildMarke von Instagram offenbart, positioniert sich die App im Kontext der historischen Kommunikationsmedien Sofortbildfotografie wie Telegrafie und bezieht sich demnach, im Gegensatz zu Hipstamatic, gerade nicht ausschließlich auf das Feld ‚analoger‘ fotografischer Verfahren. Folglich ist Instagram auch kein Emulator, sondern ein neuartiger Hybrid aus Kamera- und Photo-Sharing-App mit zugehörigem sozialen Netzwerk und dadurch der Möglichkeit zum Mikroblogging. Die Vermittlungsgeschwindigkeit vorrangig visueller Informationen steht konzeptuell im Mittelpunkt. In ihrer Funktion als sinnbildliche Repräsentanten des jeweiligen Programms beziehen sich beide Icons auf das Referenzsystem chemo-physikalischer Fotografie. Mit Polaroid im Fall von Instagram und dem Kassettenfilmsystem Kodak Instamatic, das im Markennamen und der Nummerierung von Hipstamatic zitiert wird, werden zwei vormals weltmarktführende Konzerne im Bereich filmbasierter Amateur- bzw. Schnappschussfotografie adressiert. Durch Selbstverortung in deren Traditionslinie und somit als mobile digitale Nachfolger ist zugleich indirekt die Zielgruppe der Apps, fotografische Laien bzw. populäre mobile Digitalfotografie, definiert. Im Fall von Hipstamatic nimmt der Werbetext wie auch die Wort-BildMarke zudem auf das fotografische Subgenre Lomografie Bezug, wodurch selbiges als bedeutendstes Referenzsystem der App gelten kann. Bei dem Kultobjekt der Lomophilen, der russischen Kleinbild-Kompaktkamera LOMO LC-A, deren Gehäusedesign im Programmicon von Hipstamatic aufgegriffen wird, handelt es sich um eine billig produzierte Kamera aus Kunststoff, die aufgrund ihrer mangelhaften Konstruktion weder eine zuverlässige Bildproduktion noch kontrollierbare Ergebnisse gewährleistete. 55 Besagte Kontingenz der visuellen Resultate wurde durch die selbsternannte ‚lomografische Bewegung‘ bereits in den 1990er Jahren als eigenständige fotografische Ästhetik inthronisiert und in einem Kunstkontext verortet. Indem Lomografen traditionell als Ausschussware deklarierte fotografische Aufnahmen derart nobilitieren und ihre optischen Merkmale zu gewollten Stilmitteln erklären, positionieren sie Bild- wie Aufnahmefehler provokativ als subkulturelle Anti-Ästhetik. Durch die unverkennbare Bezugnahme auf Lomografie übernimmt Hipstamatic zugleich sämtliche an-
55 Vgl. hierzu Kap. 4.2.4.
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hängigen Konnotationen und transferiert jene ökonomisch überformte ‚Kunstrichtung‘ gewinnbringend auf den Bereich digitaler Bildproduktion. 56 Arbeitet die Ästhetisierung des Ausgangsbilds im Fall von Hipstamatic somit über die bereits durch die Lomografie fruchtbar gemachte Strategie der Nobilitierung des Zufalls sowie spezifischer, traditionell als Ausschussware disqualifizierter, imperfekter Bildästhetiken, wird das mobil aufgenommene digitale Bild in Instagram durch seine nachträgliche ‚Ver-Kunstung‘ bzw. ‚Professionalisierung‘ ästhetisch aufgewertet und derart aus seiner belanglosen Mittelmäßigkeit befreit: „Mobile photos always come out looking mediocre. Our awesome looking filters transform your photos into professional-looking snapshots.“ 57 Ohne Bildmaterial gesehen haben zu müssen, ist hierin bereits die Basis für eine These der vorliegenden Arbeit gelegt, nämlich jene der Ästhetisierung des Alltags und, damit einhergehend, der Nobilitierung profaner Motive mithilfe kulturell codierter Stilmittel. Aus der inflationären Verwendung wie automatisierten Vermassung jener programmierten Bildeffekte resultiert wiederum, so ist zu vermuten, eine ästhetische Uniformität, die den versprochenen, ästhetisch-kreativen Distinktionsgewinn de facto wieder einebnet. Beide Apps zielen jeweils auf einen anderen Konsumententypus. Während Instagram mit seiner selbsttätigen ‚Kunstmaschine‘ eine voraussetzungslose Handhabung sowie unmittelbare, ästhetisch nobilitierte Resultate bewirbt und somit Menschen anspricht, die einen stärkeren Wert auf den sozialen Aspekt ikonischer Kommunikation legen, visiert Hipstamatic eine design- und vor allem technikaffine Zielgruppe an, die ein grundlegendes Interesse am chemophysikalischen Bildentstehungsprozess mitbringt und sich nicht nur für die visuellen Effekte im späteren Bild interessiert. Anders als das kostenfreie und für drei der populärsten mobilen Betriebssysteme 58 verfügbare Instagram arbeitet Hipstamatic seit Beginn mit einer Strategie der künstlichen Verknappung. Durch die kostenpflichtige Anschaffung sowie die exklusive Bindung an Apple iOS und demzufolge zwangsläufig an die konzerneigenen i-Geräte, verschafft Hipstamatic seinen Nutzern sowohl einen monetä56 Das Marktsegment digitaler Fotografie hat die Lomografische Gesellschaft selbst stets gescheut, somit handelt es sich hierbei tatsächlich um ein bis dato fehlendes Angebot. Für eine signifikante Schnittmenge zur Marketingstrategie der Lomografischen Gesellschaft vgl. Kap. 4.2. 57 Zitat aus dem offiziellen Vision Statement von Instagram; N.N.: What is Instagram’s Mission and Vision Statement? https://www.quora.com, o.D., https://www.quora.com/ What-is-Instagrams-mission-and-vision-statement?share=1 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 58 iOS, Android und Windows.
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ren als auch einen ideellen Distinktionsgewinn. Adressiert wird ein Käuferkreis, der Wert darauf legt, sich über seine materiellen wie inmateriellen Konsumobjekte zu distinguieren. Hierbei haftet der Nimbus des kreativen und smarten Anti-Establishments, den Apple Ende der 1990er Jahre mit dem ikonischen Werbeslogan „Think different!“ geprägt hat, nicht nur bis heute den i-Geräten an, sondern strahlt zugleich auch auf Hipstamatic ab. Wenn Apple-Produkte, klischeehaft gesprochen, die prädestinierten Konsumobjekte des Hipsters sind, dann stellt Hipstamatic hierzu die passende ästhetische Ausdrucksform. Das Zwischenfazit schließt mit einem Blick auf das heutige Kommunikationskonzept der beiden Apps. In komprimierter Form werden nachfolgend die signifikantesten Veränderungen skizziert. Vergleicht man die untersuchten Versionen der jeweiligen Wort-Bild-Marke vom Juni 2013 mit dem aktuellsten Logodesign, fällt unmittelbar deren starke grafische Vereinfachung ins Auge (vgl. Tab. 5, 2 u. 6, 2). Während sich die analysierten Icons noch beide an einem fotorealistischen Darstellungsideal orientierten, wird dieser detailverliebt-mimetische Designstil in der aktuellen Version zugunsten einer reduziert-abstrakten Formsprache aufgegeben. Initiiert wurde die Hinwendung zu jenem sogenannten flat design in der grafischen Gestaltung virtueller Oberflächen von Microsoft. Anlässlich des Ende Oktober 2012 veröffentlichten Betriebssystems Windows 8 kreierte der Konzern eine für Touchscreens optimierte Benutzeroberfläche, die Windows Modern UI. Deren abstrakt-geometrisches Design basiert auf zweidimensionalen, bunten rechteckigen Formen, sogenannten Kacheln, die innerhalb einer Rasterstruktur personalisiert arrangiert werden können. Mit iOS 7 zog Apple am 18. September 2013 nach und verabschiedete sich ebenfalls von seinem skeuomorphistischen Oberflächendesign. 59 Während das Programmsymbol von Hipstamatic die mit der Erstveröffentlichung im Jahr 2009 etablierte Farbkombination Schwarz-Gelb beibehielt, wurde das Icon von Instagram grundlegend verändert. Sowohl Logo, Interfacedesign wie auch der Webauftritt erfuhren im Mai 2016 ein aufwändiges Redesign. 60 Die zuvor fotorealistische Umsetzung der Frontseite eines Kameragehäuses wurde in 59 Zur grundlegenden Überarbeitung des Interfacedesigns mit iOS 7 vgl. bspw. Kemp, Matthias: Update für iPhones, iPads und iPods. Diese Neuerungen bringt Apple iOS 7, http://www.spiegel.de vom 18.09.2013, http://www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/ update-fuer-iphones-ipads-und-ipods-die-neuerungen-von-apple-ios-7-a-922685.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 60 Vgl. N.N.: A New Look for Instagram, http://blog.instagram.com vom 11.05.2016, http://blog.instagram.com/post/144198429587/160511-a-new-look (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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beiden Fällen auf ihre formale Essenz reduziert: Ein Quadrat mit abgerundeten Ecken, das zwei unterschiedlich große Kreise umfasst. Positioniert sind diese jeweils an entsprechender Stelle des zuvor figurativ dargestellten Objektivs sowie des Suchers. Beide Bauteile des Fotoapparats sind somit wesentlich, um dessen Lesbarkeit als Piktogramm zu gewährleisten. Der vorher explizit das Corporate Design von Polaroid zitierende regenbogenfarbige Streifen wurde für die modernisierte Version im Hintergrund als formatfüllender Farbverlauf angelegt, von dem sich die reduzierte Strichgrafik als weiße Negativform absetzt. Während Instagram weiterhin an einer handschriftlich wirkenden Typografie in schwarzen Lettern festhält, besteht der Schriftzug von Hipstamatic mittlerweile aus serifenlosen Großbuchstaben und wirkt dadurch weniger retrograd, sondern deutlich moderner. Im Zuge der grundlegenden Überarbeitung und dem anschließenden Relaunch als all-new version 300 im August 2015 hat sich der Werbetext von Hipstamatic grundlegend verändert: Das zuvor im Begleittext zentrale Feature, die Emulation eines analogen Kameramodells, ist komplett aus der Argumentation verschwunden. Als initiale Begründung für den Erwerb der App dient nunmehr nicht deren mimetische Leistung, sondern die Auszeichnung durch Apple zur „App des Jahres“ 61. Jener Hinweis reiht sich in die Superlative „WeltklasseFotografie-App“ 62 und „kreativste Community“ 63 ein und hebt abschließend deren exklusive Verfügbarkeit für i-Geräte als Verkaufsargument hervor. Im relevanten ersten Absatz stellt auch der aktuelle Werbetext von Instagram überhaupt nicht mehr auf Aspekte der Bildbearbeitung oder Ästhetisierung ab, sondern fokussiert einzig die Vorteile der angeschlossenen Community. 64
3.2 INTERFACEDESIGN UND MEDIENSTRUKTURELLER AUFBAU 3.2.1 Instagram – Version 3.4.1 und 4.1.2 Zur Nutzung der App Instagram ist das Anlegen eines eigenen Profils obligatorisch. Das erstmalige Starten der Anwendung mündet folglich unmittelbar wie unweigerlich in der Aufforderung, sich entweder neu zu registrieren oder mit be61 Kap. 9, Txt. 5, S. 402 f. 62 A.a.O. 63 A.a.O. 64 Vgl. Kap. 9, Txt. 6, S. 403 f.
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reits vorhandenen Nutzerdaten einzuloggen. Seit der Übernahme von Instagram durch Facebook im Herbst 2012 lassen sich die Accounts beider Dienste kombinieren, was es ermöglicht, die Anmeldung auf Instagram alternativ mithilfe vorhandener Login-Daten eines bestehenden Facebook-Accounts durchzuführen. 65 Im Fall der Neuregistrierung erfolgt der Zugang zu Instagram auf standardisiertem Wege, d.h. über die Eingabe von E-Mail-Adresse, Nutzername und Passwort, unter Akzeptanz der Nutzungsrechts- und Datenschutzbestimmungen. 66 Optional lassen sich jene zur erfolgreichen Indienstnahme bzw. Initiation in die Online-Community bindenden persönlichen Angaben um Telefonnummer und Profilbild ergänzen. Im Unterschied zum Mutterkonzern Facebook verpflichtet Instagram hierbei bis heute nicht zur Nennung des Klarnamens. Insofern Interesse daran besteht, eigene Inhalte zu produzieren und mit anderen zu teilen – beides ist zur Nutzung von Instagram nicht obligatorisch –, gilt es, zunächst ‚Freunde zu finden‘, das heißt eine bestimmte Teilöffentlichkeit zu konstituieren. Vergleichbar mit dem Vorgehen anderer sozialer Netzwerke wie beispielsweise Facebook liefert Instagram hierfür unmittelbar nach erfolgreicher Registrierung mehrere Optionen: Durchsuchen der E-Mail-Kontakte und automatischer Abgleich mit der Instagram-Datenbank, Verlinkung des Instagram-Accounts mit dem eigenen Facebook- bzw. Twitter-Profil oder das Verschicken von Einladungen an Freunde, die bislang keine dieser Social-Media-Anwendungen nutzen. Die nachfolgenden Beschreibungen der Menüführung sowie des Interfacedesigns von Instagram basieren auf den exemplarisch dargestellten deutschsprachigen 67 65 Eine derartige Fusion beider Accounts scheint aufgrund des Synergieeffekts für den Nutzer zunächst komfortabel, hilft jedoch auch dem dienstanbietenden Unternehmen – in dem Fall Facebook – bei der Sammlung identitätsbezogener Daten, die hierdurch um die ikonische Kommunikation auf Instagram erweitert werden. Besonders bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass die mittels unterschiedlicher Social-MediaAnwendung gewonnenen Daten schlussendlich in den Händen weniger Konzerne wie z.B. Facebook, Google und Yahoo zusammenlaufen. Mit dem Messenger WhatsApp, Instagram sowie dem eigenen sozialen Netzwerk besitzt allein Facebook als Unternehmen bereits drei der weltweit populärsten Social-Media-Dienste. 66 In Programmversion 3.0 verlangt Instagram folgende Zugriffsrechte auf das mobile Endgerät: Bilder und Videos aufnehmen, genauen Standort ermitteln, Kontakte lesen, USB-Speicherinhalte ändern oder löschen, Daten vom Internet erhalten, voller Netzwerkzugriff, aktive Apps abrufen, Ruhezustand deaktivieren sowie Zugriff auf geschützten Speicher testen. 67 Seit der im Dezember 2012 veröffentlichten Version 3.4.1 ist Instagram in 24 verschiedenen Sprachen verfügbar.
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Programmversionen 3.4.1 und 4.1.2. Die signifikanteste Änderung zwischen den beiden Versionen besteht in der seit Mai 2013 vorhandenen Möglichkeit, auf Instagram gepostete Bilddateien unmittelbar auf Bildebene mit Tags zu versehen. Eine Verdatung des Dargestellten ist somit nicht mehr ausschließlich auf das Textfeld unterhalb des Bilds beschränkt, sondern kann direkt in selbigem stattfinden und konkrete Bildelemente sprachlich indizieren. Mit dem im Juni 2013 veröffentlichten Update auf Version 4.0 erweitert Instagram die Möglichkeiten bildbasierter Medienproduktion und -distribution um das bewegte Bild. Als Reaktion auf den Mikrovideodienst Vine des konkurrierenden Twitter-Konzerns lassen sich mit Instagram ab dato ebenfalls Kurzvideos mit maximal 15 Sekunden Länge aufnehmen, optional mithilfe von Presets optisch nachbearbeiten und anschließend veröffentlichen. Jene Erweiterung des Funktionsumfangs um audiovisuelle Kommunikate führt jedoch nicht zu einer Veränderung der Medienstruktur bzw. der programminhärenten Logik. Auf eine eingehendere Darstellung der Videofunktion sowie der ebenfalls hierin implementierten Möglichkeit der Postproduktion qua schablonierter Videofilter wird daher nachfolgend aus Gründen der Redundanzvermeidung verzichtet. Eine Perspektivierung der mittels Fallbeispielanalysen gewonnenen Ergebnisse auf die aktuellste Programmversion von Instagram – zum Zeitpunkt der Drucklegung der vorliegenden Arbeit Anfang Juni 2018 Version 46.0 (iOS) – findet in verknappter Form Eingang in das Zwischenfazit (vgl. Kap. 3.2.3). Die lineare Struktur des anschließenden Texts orientiert sich inhaltlich am Aufbau der Menü- bzw. Symbolleiste, die das zentrale Bedienelement der Software darstellt, und folglich zur Navigation durch die einzelnen Programmfunktionen und -teilbereiche der grafischen Benutzeroberfläche dient. In Korrespondenz mit der Logik der Desktop-Metapher referiert das zur Strukturierung digitaler Datensätze konventionalisierte Ordnungsprinzip der tab bar auf Daumenbzw. Griffregister von Zettel- oder Karteikästen und somit auf archivarische Ordnungssysteme. Als Produkt einer US-amerikanischen Entwicklerfirma und mit Blick auf die als primäre Zielgruppe anvisierten westlichen Industrienationen basiert die Menüführung von Instagram dabei konzeptionell auf den Konventionen der lateinischen Schreibrichtung, die somit auch die Lesrichtung der nachfolgenden Beschreibung, von links nach rechts, vorgibt. Vertikal positioniert findet sich die grau unterlegte Menüleiste prominent am unteren Displayrand und nimmt diesen in der Breite komplett ein (vgl. Abb. 6). Sie umfasst fünf gleich große bildhafte Symbole in hellem Grau, die sich in identischem Abstand horizontal nebeneinander aufreihen. Eine senkrechte Linie in Dunkelgrau grenzt sie jeweils voneinander ab. Durch die ungerade Anzahl und
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die alternierende Farbgebung wird die mittig platzierte Darstellung einer stilisierten Kamera optisch besonders hervorgehoben. Der verwendete Schlagschatteneffekt verleiht allen fünf Icons optisch Plastizität; aufgrund seiner farblichen Akzentuierung tritt das Kameraicon jedoch am deutlichsten hervor, wodurch seine haptische Anmutung noch verstärkt wird. Welcher der fünf Bereiche bzw. Registerkarten gerade aktiviert ist, lässt sich optisch an der Taskleiste ablesen: Aktive Icons sind mit dunklerem Grau unterlegt und zusätzlich mit einer, parallel zu Oberkante verlaufenden, blauen Linie markiert. Neben den achromatischen Farben Weiß und Grau ist Blau die einzige Farbe, die im minimalistisch gehaltenen Layout der grafischen Benutzeroberfläche Verwendung findet. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung basiert das Corporate Design folglich auf unterschiedlichen Schattierungen der Farb-Trias Blau, Weiß und Grau. Neben dem Kameraicon sind grundsätzlich auch alle Links durch die Farbe Blau gekennzeichnet. Als einzig bunte und im Vergleich zu Weiß und Grau optisch hervorstechende Farbe kennzeichnet Blau folglich die interaktiven Bestandteile des GUI und markiert somit die zentralen Elemente und Funktionen der App.
Abbildung 6: Interfacedesign und medienstrukturelle Konzeption in Instagram – Version 4.1.2: Aufbau und Darstellung eines Eintrags in der linearen Präsentationsform des Feeds.
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Als Startbildschirm fungiert in Instagram ein vertikaler Fotostream bzw. ein von Bildern dominierter Newsfeed, der die neusten Uploads abonnierter User in chronologischer Reihenfolge darstellt und es ermöglicht, beliebig weit nach unten, ‚in die Vergangenheit‘, zu scrollen (vgl. Abb. 6). Vergleichbar mit der Medienstruktur des Mikrobloggingdiensts Twitter oder der Timeline von Facebook finden sich hierbei die jüngsten Einträge oben und rutschen in Abhängigkeit zur Anzahl neuer Uploads sukzessive nach unten in die Bedeutungslosigkeit. Der Feed lässt sich über das kreisförmige Pfeilsymbol rechts oben aktualisieren und fungiert somit quasi als profilgebundener und personalisierter Liveticker, der die neusten Informationen in Echtzeit bereithält. Über das Haussymbol, ganz links in der Menüleiste, lässt sich der Feed jederzeit ansteuern. Neben einer miniaturisierten Darstellung des Profilbilds links vom Namen des Users, im gewählten Beispiel @13thwitness, gibt die Zahl in der rechten oberen Ecke Auskunft über den Zeitpunkt des Uploads. Bei näherer Betrachtung der Zeitangabe, im Fallbeispiel „7h“, wird deutlich, dass die medienstrukturell implementierte Repräsentation von Zeit keine absolute ist, sondern auf ein dynamisch-subjektzentriertes und daher relatives Zeiterleben abzielt. 68 Der Upload-Zeitpunkt eines Eintrags wird zum jüngsten Programmstart des jeweiligen Nutzers ins Verhältnis gesetzt. In Abhängigkeit zur lokativen Komponente, dem zugehörigen Account, ist „7h“ demnach gleichbedeutend mit „vor 7 Stunden“. Obgleich multimodal angelegt, dominiert im eigentlichen Kommunikat das Bild den Text. Reine Texteinträge sind medienstrukturell nicht vorgesehen. Als Supplement des Bilds gedacht, kann Eingabetext folglich nicht alleine stehen, es sei denn, er wird in eine Bilddatei integriert, d.h. entweder abfotografiert oder digital erzeugt. Entsprechend kennzeichnet Instagram ein visuelles Primat. Diese medienstrukturelle Limitierung lässt sich nicht umgehen, es finden sich jedoch vereinzelt Beispiele, die den Zwang zur bildbasierten (Selbst-)Darstellung zu subvertieren versuchen. Während @itssteviewonder die gegenständliche Abbildung durch das konsequente Hochladen monochromer Bilddateien verweigert, die sich als schwarze Quadrate gleichförmig an- wie untereinander reihen und durch ihre Abstraktion den Fokus auf die Archivstruktur selbst lenken (vgl. Tab. 7, 1), verfolgt @satiregram eine andere Strategie: Fotografiert werden ausschließlich handschriftlich verfasste Notizen, deren Satz das quadratische Bildformat und somit ihre anschließende Mediatisierung qua Instagram antizipiert (vgl. Tab. 7, 2). Die Texte beschreiben ein bestimmtes Motiv und lassen somit ein Vorstellungsbild entstehen. Jene abweichende Form der Repräsentation ver-
68 Vgl. hierzu Hochman/Manovich: Zooming into an Instagram City, o.S. sowie Unterkapitel 3.2.3. der vorliegenden Arbeit.
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steht sich insbesondere als Parodie auf sogenannte ‚Instagram-Klischees‘; motivische Stereotype, welche die Online-Bilddatenbank inflationär bevölkern. Tableau 7: Ausschnitt aus den Instagram-Webprofilen der Nutzeraccounts (1) @itssteviewonder und (2) @satiregram.
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Charakteristisch für das ikonische Kommunikat, die Instagram-spezifische Bilddatei, ist ihr obligatorisch quadratisches Bildformat, welches das im Hochformat gehaltene Display in der Breite nahezu randlos ausfüllt. Die schematische Darstellung von Freepik visualisiert das Layout der grafischen Benutzeroberfläche, dessen Komponenten und Funktionen (vgl. Abb. 7). Anhand dieser isometrischen Ansicht lassen sich die geometrische Segmentierung der hochformatig konzipierten Bildfläche sowie die zentrale Platzierung des quadratischen Einzelbilds besonders gut nachvollziehen.
Abbildung 7: Aufbau der grafischen Benutzeroberfläche von Instagram. Schematische Darstellung der einzelnen Komponenten und ihrer Funktionen via Freepik.
Direkt unterhalb eines Bilds findet sich ein Herzsymbol mit nachgestellter Zahl. Diese gibt Auskunft über die Frequenz der Interaktion anderer Nutzer mit dem Eintrag und somit über dessen Resonanz innerhalb der Instagram-Community (vgl. Abb. 6). Ein Fingertapp auf das Herz färbt es rot und signalisiert die wohlwollende Kenntnisnahme des Uploads, dem derart das Prädikat „Gefällt mir“ verliehen wird. Diese Geste positiver Anerkennung kann stattfinden oder ausbleiben, mithilfe der softwareseitig angebotenen Icons lässt sich jedoch keine aversive Haltung zum Ausdruck bringen. 69 Ein Antippen des Zählerstandes verlinkt zu einer Übersichtsseite, auf der sämtliche User aufgelistet werden, die den Eintrag bis dato gelikt haben. Das Symbol der Sprechblase unterhalb der Gefällt mir-Angaben kennzeichnet den Bestimmungsort optionaler textbasierter Interaktion. Insofern vorhanden, findet sich rechts neben dem Icon eine Bildunterschrift inklusive Hashtags und 69 Medienstrukturell ist eine differenziertere Meinungsäußerung lediglich innerhalb der Kommentarfunktion vorgesehen.
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ggf. direktem Verweis auf andere, mit dem Bild in irgendeiner Form assoziierte Nutzer (bspw. „Special thanks to @lachiou, @mosi12“). Hierunter wird die aktuelle Gesamtzahl der Kommentare zu diesem Bild angezeigt. Wenn es darum geht, mit dem Bildeintrag eines Users zu interagieren, bietet Instagram zum Zeitpunkt der Datenerhebung konzeptionell drei verschiedene Wege an: Wie oben beschrieben entweder via Aktivieren des herzförmigen Gefällt-mir-Buttons und/oder mittels Antippen des Kommentar-Buttons, was eine freie Texteingabe ermöglicht. Darüber hinaus lässt sich eine hochgeladene Bilddatei auch als unangebracht melden. Diese implementierte Funktion der communitybasierten Zensur bzw. sozialen Kontrolle wird durch Antippen der drei grauen Punkte am rechten Bildrand verfügbar. Das Icon einer stilisierten Kompassrose führt zur Suchfunktion von Instagram, die sinnbildlich Orientierung bei der Navigation durch die gigantischen Datenmengen der angeschlossenen Bilddatenbank zu geben verspricht. Mit „Erforschen“ betitelt, präsentiert die Unterseite in Form eines Bildtableaus automatisch eine Auswahl an hochgeladenen und zur öffentlichen Ansicht freigegebenen Bilddateien (vgl. Tab. 8, 1). Intransparent bleibt, welche Auswahlkriterien jener algorithmischen Zusammenstellung zugrunde liegen. Dem Bildarrangement dieser zunächst ausschließlich visuellen Ergebnispräsentation dient eine rasterartige Matrix als strukturgebendes Prinzip. Im Sichtfeld des Displays werden jeweils 15 Fotografien – 3-spaltig und 5-zeilig – angeordnet. 70 Ein Fingertapp auf das Pfeilsymbol rechts oben lädt eine neue Zusammenstellung an Bildern. Inwiefern dieses zufällig wirkende Potpourri das Resultat hintergründig mitverarbeiteter Metadaten ist – denkbar wäre beispielsweise, dass jene algorithmisch gesteuerten Auswahl auf aufmerksamkeitsökonomischen Parametern wie Popularität oder Aktualität basiert –, bleibt auch in diesem Fall nebulös. Die beschriebene Erforschen-Funktion orientiert sich am Aufbau vorgängiger, ursprünglich ausschließlich webbasierter Online-Bildcommunities wie beispielsweise Flickr oder Webpräsenzen von Bildagenturen (z.B. Getty Images, Shutterstock u.a.). Hierbei dient die implementierte – scheinbar vollständig randomisierte – Zusammenstellung der archivierten Mediendateien einer unsystematischen Erkundung als Inspiration. Demgegenüber gelangt man mittels Fingertapp auf das Vergrößerungsglas in der rechten oberen Bildschirmecke zu Eingabefeldern, die eine gezielte Suche innerhalb der Datenbank ermöglichen. Anders als es die bilddominierte Medienstruktur von Instagram suggeriert, erfolgt die Verdatung des Archivs nicht bild-, sondern textbasiert – entweder qua Hashtag oder Profilname.
70 Die Beschreibung bezieht sich auf das verwendete Testgerät, ein Google Nexus 4.
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Tableau 8: Interfacedesign und medienstrukturelle Konzeption in Instagram – Version 4.1.2: (1) Standardansicht im Untermenü „Erforschen“; (2) Einzelansicht einer aus dem Bildverbund isolierten Mediendatei; (3) Profilseite von @riisa1018naka mit Header und (4) Screenshot aus dem scrollbaren Bildtableau der Nutzerin.
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Einzelbilder lassen sich durch Antippen aus dem relationalen Verbund des temporären Bildclusters herauslösen und isolieren. Dabei greift die Einzelansicht das bereits aus dem Feed bekannte Darstellungsprinzip auf und stellt die vereinzelte Aufnahme proportional – auf die Gesamtbreite des Displays – vergrößert dar (vgl. Tab. 8, 2). Im Textfeld unterhalb des Bilds finden sich ebenfalls die innerhalb der Community relevanten Kontextinformationen wie Likes, Kommentare, Bildunterschriften und Hashtags. In diesem, das Interfacedesign von Instagram kennzeichnende, Layout wird das jeweilige Bild an Ober- wie Unterkante durch Textbausteine eingebettet. Diese enthalten Hypertext und fungieren folglich nicht nur optisch als Rahmung, sondern dienen tatsächlich der Kontextualisierung des Einzelbilds. Ein Antippen des Usernamens in blauen Lettern rechts neben dem miniaturisierten Profilbild in der horizontalen Leiste oberhalb des Bilds – im vorliegenden Beispiel riisa1018naka – verlinkt auf die entsprechende Profilseite (vgl. Tab. 8, 3). Der Aufbau eines jeden Nutzerprofils ist standardisiert: Im oberen Drittel des Bildschirms befindet sich links eine miniaturisierte Version des derzeitigen Profilbilds, rechts daneben werden erneut aktuelle, für die Community relevante statistische Informationen aufgeführt. Hierbei handelt es sich um aufmerksamkeitsökonomische und quantifizierbare Parameter, die Rückschlüsse auf die Reichweite eines Nutzers und somit auf seine Sichtbarkeit und Signifikanz innerhalb von Instagram ermöglichen. Zum Abfragezeitpunkt am 02.09.2013 hat Riisa Naka bzw. riisa1018naka 856 Beiträge, sprich Fotografien, auf ihrem Instagram-Profil veröffentlicht, dem wiederum 96.554 Nutzer folgen, während die Userin selbst im Vergleich dazu lediglich 71 Feeds von anderen abonniert hat. Wie bereits anhand der Einzelbilder im Feed skizziert, zentriert der optische Aufbau des multimodalen Eintrags auf die Bilddatei und somit auf die ikonische Komponente. Im Kontext von Instagram lässt sich ohne selbige nicht kommunizieren. Auf der Seite des jeweiligen Profils wird die Gesamtheit der bis dato von dessen Besitzer veröffentlichten Bilddateien in Form von quadratischen Thumbnails angelegt. Die Anordnung erfolgt chronologisch, gemäß der lateinischen Schriftrichtung von links nach rechts und von oben nach unten, sowie entlang eines Bildrasters. Dementsprechend handelt es sich bei der Bilddatei in der obersten Reihe ganz links um den jüngsten Upload. Das obligatorisch quadratische Bildformat kommt der softwareseitig implementierten Form der Überblicksdarstellung via Rastermatrix entgegen, da dessen geometrische Beschaffenheit das Layout vereinfacht und homogenisiert. Eingepasst in das gerasterte Ensemble, treten die Einzelbilder zwangsläufig in Relation zueinander und beginnen derart miteinander zu ‚kommunizieren‘. Sie fungieren als eine unabgeschlossene, patchworkartige visuelle Skizze ihres Urhebers. Der sprachlich ver-
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mittelte Kontext der Bilder spielt bei dieser Präsentationsform überhaupt keine Rolle, handelt es sich doch um eine ausschließlich bildbasierte Art der Selbstdarstellung. Die zum Raster arrangierten Einzelbilder lassen sich so lange vertikal nach unten scrollen, bis man bei der ältesten Aufnahme und somit dem ersten Profileintrag angelangt ist. Im Zuge dessen verschwinden sowohl das Profilbild als auch nahezu alle weiteren personengebundenen Metadaten, den Nutzernamen ausgenommen, so dass die Bilder bzw. der Flow der Bilder zum eigentlichen und ausschließlichen Inhalt des Displays avanciert (vgl. Tab. 8, 4). Die Medienstruktur gibt das chronologische Arrangement der Einzelbilder vor. Ein nachträgliches Eingreifen in die Bildanordnung bzw. -abfolge ist lediglich durch das händische Löschen einzelner Einträge, nicht jedoch durch ein etwaiges Umsortieren möglich. Für eine zielgerichtete visuelle Konzeption des pluralen Bildtableaus als kohärentes Ensemble bedarf es daher eines planvollen Vorgehens bei der Veröffentlichung der Einzelbilder, das der sequentiellen Logik der Chronik Rechnung trägt. 71 Die Profilseite sowie sämtliche hierauf enthaltenen Elemente bzw. multimodalen Identitätsfragmente formen rezeptionsseitig ein Narrativ, d.h. sie werden als kohärente Gesamtidentität einer Person verstanden. Ihr Aufbau misst dem, aus Einzelbildern collagierten, pluralen Bild eine deutlich größere Bedeutung als dem eigentlichen Profilbild zu. In der Übersicht ist jenes nicht nur kleiner dargestellt, im Unterschied zu den veröffentlichten Bilddateien lässt es sich auch nicht in einer Einzelansicht vergrößern: Ein Einzoomen in die einzelnen Bilder ist in den untersuchten Programmversionen medienstrukturell nicht vorgesehen. 72 Das Selbstportrait in Instagram ist demzufolge auf Serialität wie Modularität ausgelegt. Die Standardansicht des profileigenen Bildarchivs kann optional von dem visuellen Tableau auf eine sequenzierte Listenansicht gewechselt werden. Letztere greift jenes lineare Darstellungsprinzip auf, das auch für den eingangs beschriebenen Feed grundlegend ist. Sortieren lassen sich die Bilddateien auf dem jeweiligen Profil auch anhand ortsbezogener Metadaten, insofern der Software zuvor die entsprechenden Rechte zum automatischen Geotagging der Aufnahmen verliehen wurden. Haben andere Nutzer den Besitzer des jeweiligen Profils auf einem ihrer Bilder verlinkt, besteht die Möglichkeit, die betreffenden Mediendateien auf einer separaten Unterseite anzuzeigen. Neben dem mittig platzierten Kameraicon, dessen Untermenü separat im anschließenden Kapitel analysiert wird, verbleiben noch zwei weitere bildhafte 71 Vgl. hierzu auch Kap. 3.2.3. 72 Abgeschafft wurde diese Limitierung mit der am 31.08.2016 veröffentlichten Version 9.2. Seither lässt sich jede Bilddatei über die entsprechende gestische Steuerung, das sogenannte ‚Zwei-Finger-Ziehen‘, vergrößern.
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Symbole auf der Navigationsleiste. Bei dem zweiten Icon von rechts handelt es sich um eine, ein Herzsymbol umfassende, Sprechblase. Durch Antippen öffnet sich eine neue Unterseite, die selbst wiederum durch zwei Reiter segmentiert ist. Unter Abonniert findet sich eine vertikal strukturierte Listenansicht aller Abonnements, d.h. aller Instagram-Profile, denen der Accountbesitzer folgt. Neben dieser Übersichtsfunktion gibt jene Darstellung auch Auskunft über jüngste Aktivitäten der gelisteten User innerhalb der Instagram-Community, d.h. über Uploads, Likes und/oder Kommentare (vgl. Tab. 9, 1). Als pronominale Anrede adressiert der Tab Du demgegenüber den Inhaber des Profils und führt mit Freundschaftsanfragen und Nachrichten die zwei zentralen Kategorien sozialer Interaktion ein, deren Inhalte dort aufgeführt werden (vgl. Tab 9, 2). Tableau 9: Interfacedesign und medienstrukturelle Konzeption in Instagram – Version 4.1.2: (1) Layout der Unterseite „Nachrichten“, aktiv ist der Karteireiter „Abonniert“; (2) das Untermenü „Du“ gibt Aufschluss über Freundschaftsanfragen, Likes, Kommentare und Messages; (3) Profilseite des eingeloggten Nutzers, wie sie anderen erscheint.
Die eigene Profilseite, wie sie auch allen anderen Nutzern erscheint, lässt sich über das in der Navigationsleiste rechts außen befindliche Symbol eines stilisierten Steckbriefs aufrufen (vgl. Tab. 9, 3). Über die drei senkrecht untereinander angeordneten Quadrate in der rechten oberen Ecke des Interfaces gelangt man zu den Programmeinstellungen. Neben den Profildaten sowie der Möglichkeit, selbiges auf privat zu setzen und somit nur für bestimmte Personen, die akzeptierten Follower, zugänglich zu machen, lässt sich dort auch die Vernetzung zu externen Social-Media-Anwendungen konfigurieren. Mit Twitter, Facebook,
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Flickr, Tumblr, Posterous und Foursquare können die populärsten Anbieter allesamt via Instagram mit visuellem Content versorgt werden. Bildgenese und Instant-Bildbearbeitung Um ein Kommunikat zu generieren, d.h. eine (audio-)visuelle Mediendatei mit der programmeigenen Kamerasoftware aufzunehmen oder aus der Fotogalerie des Endgeräts zu importieren, wählt man per Fingertapp das mittig auf der Menüleiste platzierte und farblich prominent hervorgehobene Kamerasymbol aus. Derart öffnet sich der entsprechende Startbildschirm, wodurch die Software unmittelbar auf die rückseitige Kamera des Endgeräts zugreift. 73 Die in der Breite des hochkant gehaltenen Displays bildschirmfüllende, einen virtuellen Kamerasucher simulierende Liveview zeigt den Bildausschnitt an und gibt durch sein quadratisches Format die Konfektionierung der fertigen Aufnahme vor (vgl. Tab. 10, 1). Die horizontal am oberen Displayrand verlaufende, dunkelgrau unterlegte Menüleiste enthält vier verschiedene Icons, deren Aktivierung unterschiedliche Effekte zeitigt: Während das links separierte X-Symbol den kompletten Aufnahmedialog beendet, dienen die drei anderen Icons dazu, die Parameter der Aufnahme zu ändern bzw. näher zu definieren. Neben dem Wechsel auf die Frontkamera lässt sich der integrierte Kamerablitz dreistufig regulieren 74 sowie die, in der Standardansicht eingeblendete, Kompositionshilfe 75 deaktivieren. Durch Auseinanderbewegen von Daumen und Zeigefinger der freien Hand wird die digitale Zoomfunktion innerhalb der Liveansicht der Kamera gesteuert – dabei handelt es sich um die standardisierte Zoomgeste zur vergrößernden Darstellung virtueller Inhalte auf Touchscreens. Analog zum bereits beschriebenen Schema des Interfacedesigns (vgl. Abb. 7) ist eine zweite, etwas breitere Menüleiste horizontal entlang des unteren Display73 Das Objektiv der rückseitig verbauten Kamera ist im Unterschied zur Frontkamera in der Regel lichtstärker, besitzt eine signifikant höhere Auflösung sowie den integrierten LED-Blitz. Deshalb adressiert mobile Kamerasoftware in der Standardansicht diese. Ausnahmen stellen Apps dar, die konzeptionell auf Selfies ausgelegt sind (Snapchat, Facetune, 365Perfect usw.) und demzufolge bei der Aufnahme automatisch die Frontkamera aktivieren. 74 In der beschriebenen Programmversion 4.1.2 kann zwischen drei Einstellungen gewählt werden: Blitz immer unterdrücken, Blitz erzwingen sowie automatischer, d.h. in Abhängigkeit zu den vorherrschenden Lichtverhältnissen auslösender Blitz. 75 Die Rasterstruktur basiert auf dem kompositorischen Prinzip der Drittelregel und unterteilt die Bildfläche in neun gleichgroße Quadrate. Die vertikalen wie horizontalen Linien und deren Schnittpunkte dienen der Bildkomposition als Orientierung.
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randes fixiert. Sie umfasst ebenfalls drei Icons auf dunkelgrauem Grund, wobei das zentriert platzierte Kameraicon mit einer weiß umrandeten, ovalen und vollflächig mit einem blauen Farbverlauf gefüllten Form unterlegt ist. In Kombination mit der umlaufenden Schattenfuge verleiht jene Farbgradation der ovalen Fläche eine dreidimensionale Qualität. Optisch derart prominent hervorgehoben, handelt es sich hierbei um die zentrale Schaltfläche jener Benutzeroberfläche, deren Signalcharakter 76 den Nutzer nachgerade zur Interaktion, d.h. zur Aufnahme einer digitalen Fotografie, auffordert. Alternativ gelangt man über das links daneben platzierte Icon 77 zur Mediengalerie des Endgeräts und kann dort gespeicherte Dateien anderen Ursprungs in den Bildbearbeitungsdialog der Software importieren, ggf. bearbeiten und anschließend entweder erneut lokal abspeichern und/oder im social web veröffentlichen. Beim Öffnen von externen Bilddateien in Instagram ist eine Rekonfektionierung in das medienstrukturell vorgegebene quadratische Bildformat zwingend erforderlich. 78 Mithilfe eines in Größe wie Position veränderbaren quadratischen Rahmens muss folglich ein Ausschnitt aus einem ursprünglich hoch- oder querformatigen Bild entnommen werden. 79 Das Interfacedesign des beschriebenen Kamerabildschirms orientiert sich an zuvor im Kontext desktopbasierter Mediensoftware (z.B. Adobe Photoshop) etablierten Darstellungskonventionen, wobei diese selbst wiederum auf spezifischen Prinzipien vorgängiger technischer Medien wie Fotografie und Film basieren. Grundlegend für die Gestaltung des virtuellen Arbeitsplatzes von Adobe 76 In Korrespondenz mit dem mimetischen Gestaltungsprinzip des Skeumorphismus wird durch jene Gestaltungsmittel die Illusion eines dreidimensionalen Objekts, eines erhabenen Schalters, evoziert. Als Signifikat im Sinne Normans signalisiert dieser die Handlungsaufforderung „Durch Drücken aktivieren“. Vgl. Norman: The Design of Everyday Things, S. 13-20 sowie Kap. 2.4.1 der vorliegenden Arbeit. 77 Dargestellt ist eine quadratische Fotografie mit einem umlaufenden weißen Bildrand, die ein Bergpanorama abbildet. Die zwei versetzt hintereinander gestaffelten Dreiecke stehen im Bereich technischer Bilder emblematisch für eine Landschaftsaufnahme. 78 Auch dieses softwareseitige Obligo wurde zwischenzeitlich abgeschafft. Seit Version 7.5 – veröffentlicht am 31.08.2015 – müssen hoch- bzw. querformatige Bilddateien bei ihrem Import nicht mehr beschnitten werden. Um die Bildinhalte der Medienstruktur entsprechend vollformatig darstellen zu können, legt die App bei der Vorschauansicht in Profil wie Feed weiterhin, nun jedoch automatisch, einen quadratischen Ausschnitt fest. 79 Durch die Verwendung von Drittprogrammen wie zum Beispiel InstaSize lässt sich das vorgegebene quadratische Format subvertieren. Vgl. http://www.instasize.com (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Photoshop ist beispielsweise das Prinzip des Leuchttisches bzw. der Bildbühne (vgl. hierzu auch Tab. 4, 3). Der unbunte, monochrome Hintergrund mitsamt den farblich korrespondierenden Navigationsleisten tritt optisch zurück und exponiert die mittig platzierte Mediendatei, die derart einer genauen Begutachtung unterzogen werden kann. Fällt die Wahl des Bildausschnitts zufriedenstellend aus, wird die Fotografie durch Antippen des mittig platzierten Kameraicons aufgenommen. Um zu fokussieren, tippt man zuvor auf die gewünschte Stelle innerhalb des Bilds; hierdurch erscheint ein weißer quadratischer Rahmen, dessen Grünfärbung die erfolgreiche Scharfstellung des Autofokus auf den gewählten Bildbereich indiziert. Wie bereits eingangs erwähnt wurde Instagram mit dem Softwareupdate auf Version 4.0 im Juni 2013 zusätzlich die Möglichkeit zur Aufnahme von Kurzvideos implementiert. Diese Funktion ließe sich durch Fingertapp auf das rechts platzierte Icon einer stilisierten Videokamera aufrufen. Im Kontext der vorliegenden Arbeit findet sie jedoch keine nähere Beachtung, da ihre medienstrukturelle Logik und folglich auch das Prinzip der Bildproduktion mit jener der fotografischen Aufnahme identisch sind. Im zweiten Teilschritt des Bildentstehungsprozesses, der Postproduktion bzw. In-App-Bildbearbeitung, bleibt das Layout der Benutzeroberfläche mit Ausnahme der unteren Navigationsleiste unverändert (vgl. Tab. 10, 2). Diese umfasst nun ein Sortiment an präfigurierten Grafikfiltern – 19 Stück in der beschriebenen Programmversion 4.1.2 – deren Effekte anhand eines miniaturisierten farbigen Beispielbilds 80 visualisiert werden. Durch Antippen eines konkreten Vorschaubilds wird der betreffende Filter ausgewählt und probeweise an der zuvor aufgenommenen oder importierten Bilddatei visualisiert. Im dunklen Bildbereich entlang der Unterkante des Thumbnails prangt in weißen Lettern der Name des jeweiligen Filters. Analog zur Menüführung von links nach rechts handelt es sich dabei um Amaro, Mayfair, Rise, Hudson, Valencia, X-Pro II, Sierra, Willow, Lo-Fi, Earlybird, Sutro, Toaster, Brannan, Inkwell, Walden, Hefe, Nashville, 1977 und Kelvin. Die Namensgebung ermöglicht eine eindeutige sprachliche Identifizierung der einzelnen Effektfilter, darüber hinaus ergänzt sie das nunmehr multimodale Artefakt Grafikfilter um eine weitere Bedeutungsebene. 81 Der umlaufende blaue Rahmen gibt optisch Aufschluss über die aktive Auswahl. Eingangs steht dieser ganz links auf dem mit Normal untertitelten Vorschaubild. Die gewählte Bezeichnung legt nahe, dass in diesem Modus softwareseitig kei80 Abgebildet ist ein vielfarbiger, diagonal gestreifter Heißluftballon, der in der Bildmitte vor einem unscharf gesetzten Hintergrund schwebt, dessen dreistufiger horizontaler Farbverlauf an eine stilisierte Landschaftsdarstellung denken lässt. 81 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden dieser jedoch keine weiteren interpretatorischen Anstrengungen gewidmet.
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nerlei Bearbeitung stattfindet; das aufgenommene bzw. importierte Bild bleibt wie es ‚normalerweise‘ ist, ohne zusätzliche Veränderungen. Eine derartige Klassifizierung setzt ein normatives Ordnungsprinzip voraus, anhand dessen Maßgaben Phänomene überhaupt als konform bzw. abweichend eingestuft werden können. Die parallele Anordnung entlang einer horizontalen Linie sowie die Verwendung eines identischen Musterbilds zeigen die Vergleichbarkeit an. In der Funktion als Standardauswahl an erster Position der Grafikfilter-Reihung markiert Normal gewissermaßen deren Ursprung. Der Logik dieser genealogischen Lesart folgend, kennzeichnet Normal das Original, von welchem sich die folgenden visuellen Effektschablonen als Derivate bzw. Mutationen ableiten. Jene terminologisch mitschwingende naturalisierende Implikation täuscht darüber hinweg, dass die Aufnahme bereits in diesem Stadium eine automatische Bildoptimierung durchlaufen hat, deren Ausmaß für den Nutzer weder ersichtlich noch beeinflussbar ist. Normal ist somit nicht nur dem formalen Aufbau der grafischen Benutzeroberfläche nach ein Bildstil unter anderen, sondern als diskursive wie digitale Konstruktion in gleichem Maße artifiziell. Bereits die erste Betrachtung der visuellen Effekte offenbart, dass die Grafikfilter insbesondere Farbton, -sättigung und -helligkeit des Bilds und folglich dessen Gesamtfarbigkeit modifizieren. Des Weiteren findet in den meisten Fällen eine sichtbare Kontrastverstärkung statt, einige Grafikfilter applizieren der Bildoberfläche überdies subtile Strukturen wie beispielsweise Körnung, Kratzer und dergleichen. Dreiviertel der auswählbaren Filtereffekte besitzen zudem einen zugehörigen Bildrahmen, der sich über das quadratische Rahmensymbol in der oberen Menüleiste aktivieren lässt. 82 Unabhängig von der Verwendung eines Filters bietet die In-AppBildbearbeitung Möglichkeiten, die Schärfe-/Unschärferelation des Bilds, den sogenannten depth of field, zu modifizieren. Mobile digitale Bilder sind vom Vorder- bis in den Hintergrund durchgehend scharf, da die bildgebenden Hardwarekomponenten von Smartphones bislang nicht in der Lage sind, die Schärfentiefe optisch zu variieren bzw. die Schärfeebene zu verlagern. Um Unschärfe als Stilmittel im Kontext mobiler Bildproduktion einsetzen zu können, muss dieser Effekt folglich softwarebasiert simuliert werden. 83 Über Antippen des tropfenförmigen Icons kann ein radial oder linear verlaufender Schärfebereich definiert werden. Die Funktion radiale Schärfe stellt das Bildmotiv innerhalb eines 82 Eine detaillierte De- und Rekonstruktion von Arbeitsweise wie visuellen Grundbestandteilen der schablonierten Filtereffekte anhand von achromatischen wie ungegenständlichen Testbildern erfolgt in Kapitel 3.3.1. 83 Dieses technische Unvermögen mag auch ein Grund für die Popularität des Tilt-ShiftEffekts im Bereich mobiler Mediensoftware sein.
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zuvor manuell in Größe und Position definierten kreisförmigen Bereichs scharf dar. Bei Setzung eines linearen Schärfebereichs wird das Verhältnis von Schärfe und Unschärfe mithilfe einer geraden, beliebig um 360° dreh- und in der Breite händisch justierbaren Linie festgelegt. Während der Anpassung des jeweiligen Werkzeugs werden alle unscharf zu setzenden Bildareale in der Vorschauansicht milchig eingetrübt, lediglich der Schärfebereich – im Fallbeispiel die ovale Öffnung der Tasse – ist weiterhin sichtbar (vgl. Tab. 10, 3 u. 4). Diese instrumentelle Visualisierung dient dazu, den Wirkbereich des Unschärfeeffekts besser einschätzen und kontrollieren zu können. Die letzten beiden Funktionen der InApp-Bildbearbeitung betreffen die automatische Erhöhung 84 des gesamten Bildkontrasts über Fingertapp auf das Sonnensymbol sowie die Drehung des gesamten Bilds um 90°, 180° oder 270° durch entsprechend häufiges Antippen des rechtsdrehenden Pfeilsymbols (vgl. Tab. 10, 2). Nach abgeschlossener Bildbearbeitung kann die Bilddatei auf dem Endgerät gespeichert und/oder in das social web eingespeist werden. In den untersuchten Programmversionen können bis zu 30 Hashtags bei der Verschlagwortung bzw. Verdatung eines Einzelbilds Verwendung finden; an dieser Obergrenze hält Instagram bis heute 85 fest. Zusätzlich lässt sich diesem eine optionale Bildunterschrift sowie eine automatisch über GPS ermittelte Ortsangabe hinzufügen. Überdies ist es möglich, Personen auf der Bildfläche zu markieren oder sprachbasierte Tags zu applizieren. Speziell letztgenannte Funktion hat sich der rege social commerce auf Instagram weidlich zunutze gemacht. Im JPG-Format gespeichert, entspricht die Auflösung der Bilddateien in Version 4.1.2 2176 x 2176 Pixel bei einer Dokumentengröße von 76,76 x 76,76 cm (72 dpi). Instagram rechnet somit die hardwareseitig mögliche Bildauflösung automatisch wie obligatorisch herunter. Dieses Vorgehen ist einer möglichst geringen Datengröße geschuldet, damit die Bilder – gemäß dem herstellerseitig intendierten Verwendungszweck der Instant-Kommunikation – unmittelbar von unterwegs über mobile Internetverbindungen online veröffentlicht werden können. Die gigantische Bilddatenbank ist cloudbasiert, so dass sämtliche Mediendateien zu Darstellungszwecken jeweils erneut geladen werden müssen. Die Funktionsfähigkeit von Instagram ist somit unmittelbar von der mobilen Datenübertragung abhängig. Aus diesem Grund fällt die Bildqualität der einzelnen Aufnahme der priorisierten Geschwindigkeit der ikonischen Kommunikation wie dem Ideal reibungsloser Transmission zum Opfer. 84 Dessen Einstellungen lassen sich nicht regulieren, sondern lediglich an- bzw. ausschalten. 85 Gültigkeit beansprucht diese Aussage bis zum Zeitpunkt der Drucklegung Anfang Juni 2018 und somit bis Programmversion 46.0 (iOS).
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Tableau 10: Kamera- bzw. Aufnahmemenü in Instagram – Version 4.1.2: (1) Liveview der Rückkamera mit Kompositionshilfe und Fokuspunkt; (2) Menübildschirm der implementierten Bildbearbeitungsfunktionen; (3) Visualisierung der radialen Verlaufsform der Tilt-Shift-Funktion; (4) Ausgangsbild nach Anwendung des zuvor definierten radialen Schärfebereichs.
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Das externe app- und somit kontextunabhängige Speichern von veröffentlichten Mediendateien anderer Nutzer sowie deren repost auf dem eigenen InstagramProfil unterstützt die Medienstruktur vermutlich aus bildrechtlichen Gründen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt 86 nicht. Um die skizzierten Einschränkungen auszuhebeln, hat sich in der Folge das Abfotografieren des Displays im Bereich alltäglicher Medienpraxis etabliert. Der derart gespeicherte Screenshot wird anschließend erneut in Instagram importiert, zugeschnitten und auf dem eigenen Profil gepostet. Hierbei handelt es sich um eine herstellerseitig nicht intendierte Umgangsform, die sich in praktischer Auseinandersetzung mit den Limitierungen der Software entwickelt hat. Aufgrund der verlustbehafteten Kompression von JPG-Dateien führt diese Strategie zu einer immer stärkeren Degeneration der Bildqualität, ein gängiges Phänomen innerhalb von Social Media, das Brian Feldman mit Shitpic bezeichnet. 87 3.2.2 Hipstamatic – Version 262 und 271 Die nachfolgende Beschreibung des Interfacedesigns wie der medienstrukturellen Logik von Hipstamatic basiert auf Programmversion 262 sowie 271. 88 Hinsichtlich ihres linearen Verlaufes orientieren sich die Ausführungen wie bereits im Fall von Instagram an der softwareseitig qua Menüführung angebotenen Sequenzierung. Im Anschluss an den Erwerb der kostenpflichtigen Basisversion von Hipstamatic via iTunes oder für Windows Phone über den Microsoft Store und der Installation der Software lässt sich diese unmittelbar verwenden. 89 Da die App keine angeschlossene Online-Community besitzt, ist eine Registrierung nicht zwingend erforderlich. Angeboten wird jedoch das Anlegen eines Hipstaccounts. 86 Dies gilt bis zum Moment der Drucklegung Anfang Juni 2018 und somit bis Programmversion 46.0 (iOS). 87 Vgl. Feldman, Brian: The Triumphant Rise of the Shitpic, http://.www.theawl.com vom 17.12.2014, www.theawl.com/2014/12/the-triumphant-rise-of-the-shitpic (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Vgl. hierzu auch Kap. 7. Ferner hat sich eine eigenständige Subkategorie an Apps entwickelt, die genau dieses Problem zu beheben verspricht. Vgl. bspw. Regram (Repost for Instagram), https://play.google.com/store/apps/details ?id=regram.instagram.download (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 88 Als Testgerät diente in beiden Fällen ein iPhone 5 (iOS Vers. 6.1). 89 Um die Programmfunktionen vollumfänglich nutzen zu können, ist es notwendig, der Software Zugriffsrechte auf die Kamera sowie den Speicher des Endgeräts zu gewähren. Optional ist die Einwilligung in das Senden von Push-Mitteilungen sowie die Nutzung der Ortungsfunktion via GPS.
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Dieser ermöglicht zum einen die Teilnahme an communityinternen Fotowettbewerben, zum anderen ist diese Registrierung, insbesondere das Hinterlegen von Kreditkarteninformationen, Voraussetzung für In-App-Käufe. Über die implementierte Verlinkung zum HipstaMart lassen sich so beispielsweise Druckabzüge direkt aus der App heraus bestellen, Software-Add-ons beziehen oder materieller Merchandise, wie T-Shirts oder Silikonhüllen, käuflich erwerben. Anders als das für eine hochformatige Ansicht optimierte Interfacedesign von Instagram ist Hipstamatic für die Darstellung im Querformat ausgelegt. Dies wirkt auch auf die Handhabung des mobilen Endgeräts zurück, da jenes zur Nutzung der App waagrecht gehalten und daher zweihändig bedient werden muss. In besagtem obligatorischem Querformat füllt die grafische Benutzeroberfläche das Display randlos aus. Beim erstmaligen Öffnen der App wird diese partiell mit gelb unterlegten Dialogfenstern überblendet, die in Form eines textbasierten Tutorials, beginnend mit der Aufnahmefunktion, durch die zentralen Features der App führen. Nach Abschluss dieser initialen Unterweisung wird man derartiger Informationen im weiteren Verlauf nicht nochmal ansichtig (vgl. Abb. 8). Unmittelbar nach dem Programmstart erscheint als erste grafische Oberfläche und somit in Funktion des Startbildschirms die Rückansicht einer analogen Kompaktkamera (vgl. Tab. 11, 1). Die optisch simulierten Materialeigenschaften des stilisiert dargestellten Kameragehäuses inszenieren eine hochglänzend schwarze Hülle, in die mittig eine dekorative Bordüre eingelassen ist. Aufgrund ihrer Oberflächenstruktur ähnelt sie einer ledernen Verkleidung. Die beschriebene skeuomorphistische Gestaltung der Benutzeroberfläche greift das Grafikdesign des Programmicons auf (vgl. Kap. 3.1.2 sowie Tab. 5, 1) und zitiert folglich ebenfalls das durch die Lomografie popularisierte Gehäusedesign der analogen Kleinbildkamera LOMO LC-A (vgl. Tab. 5, 4). Mittig auf der Rückseite des dargestellten Kameragehäuses befindet sich ein quadratisches Sucherfenster, das den Bildschirm in der Breite zu zwei Dritteln ausfüllt. Im Hinblick auf die anvisierte Vorlage, eine analoge Kleinbildkamera, ist der stilisierte Sucher unverhältnismäßig groß. Um dem Grafikelement eine möglichst haptische Anmutung zu verleihen und seine illusionäre Materialbeschaffenheit näher zu charakterisieren, arbeitet das Interfacedesign mit Lichtund Schatteneffekten. Die angedeuteten hellen Lichtreflexe auf der Glaslinse des Suchers modellieren diesen und bescheren ihm hierdurch optisch Plastizität. Darüber hinaus trüben sie jedoch zugleich unweigerlich die Durchsicht auf das aufzunehmende Motiv und erschweren dessen Beurteilung. Ein Doppeltapp auf das Sucherfenster vergrößert dieses und somit auch die hierin gezeigte Liveview der rückseitigen Kamera.
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Tableau 11: (1) Startbildschirm von Hipstamatic – Version 262; (2) Menübildschirm der ‚Kameravorderseite‘ in Version 271.
Durch softwareseitigen Verzicht auf die Implementierung der digitalen Zoomfunktion wird die Bildproduktion zusätzlich verkompliziert. Das Konzept von Hipstamatic beschränkt sich folglich nicht bloß auf die optische Simulation formal-ästhetischer Merkmale eines idealtypischen fotografischen Abzugs, sondern zielt gleichermaßen auf eine multisensorische, praktisch-ästhetische Erfahrung vorgängiger Medientechnologien. Zum Zwecke einer möglichst konsistenten Illusion erfahren faktisch vorhandene Funktionen bzw. technische Möglichkeiten der Hardware – in dem Fall jene des iPhone 5 – medienstrukturell eine künstliche Limitierung. In genanntem Beispiel wird die Variabilität des Digitalzooms zugunsten der Simulation eines Objektivs mit Festbrennweite geopfert. Über den Schieberegler unterhalb des Suchers lässt sich der Blitz aktivieren bzw. in seiner Intensität regulieren. Standardmäßig mittig positioniert und somit inaktiv, legt das Verschieben des Reglers nach rechts ein gelb unterlegtes Sonnensymbol auf der linken Seite frei. In umgekehrte Richtung bewegt, erscheint rechts eine verkleinerte Version des besagten Symbols, die somit eine schwäche-
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re Blitzleistung indiziert. Farblich prominent hervorgehoben, fungiert der gelbe Knopf rechts neben dem Sucher im Folgenden als Auslöser. Das längliche, parallel zum linken Bildrand verlaufende Sichtfenster ermöglicht einen Blick auf die eingelegte Filmrolle und dient somit der Vergegenwärtigung bzw. Kontrolle des zur Aufnahme ausgewählten Parameters. Auch bei diesem Element handelt es sich um einen gängigen Gehäusebestandteil einiger Modelle analoger Fotoapparate. In der Querleiste am unteren Rand des Bildschirms, d.h. auf dem Fußteil des dargestellten Kameragehäuses, befinden sich mehrere kleine Icons, die farblich Ton in Ton gehalten und daher optisch vergleichsweise unauffällig sind. Sie dienen der Navigation durch die verschiedenen Programmoberflächen und -funktionen und fungieren daher als Taskleiste der Software. Über ein zentriert platziertes, mit Sucher und Blitzregler entlang einer Vertikalen angeordnetes Sternsymbol gelangt man zur Funktion Favoriten. In der zugehörigen Menüansicht lassen sich bevorzugte Kombinationen aus Objektiv, Film, Blitz (optional) und Kameragehäuse gruppieren und als Presets speichern. Derart stehen sie künftigen Aufnahmen als individualisierte Voreinstellungen zur Verfügung und müssen nicht erneut einzeln ausgewählt und kombiniert werden. Jedes dieser mindestens drei-, potentiell vierteiligen Arrangements wird in der Überblicksdarstellung zu einem Produktstillleben gruppiert und derart als virtuelles Warenensemble inszeniert (vgl. Tab. 12, 1). Mithilfe des gelben Pluszeichens oben rechts lässt sich ein neuer Favorit aus den verfügbaren Einzelelementen erstellen und individuell benennen (vgl. Tab. 12, 2). Tableau 12: (1) Untermenü „Favoriten“, dargestellt ist die Standardkombination namens „Das Original“; (2) Listenansicht der verfügbaren Komponenten zur Festlegung eines „neuen Favoriten“.
Ein Klick auf das quadratische Symbol ganz links außen, das den stilisierten Rahmen eines fotografischen Abzugs darstellt, öffnet die softwareeigene Galerie (vgl. Tab. 11, 1). Diese beinhaltet ausschließlich via Hipstamatic aufgenommene
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Fotografien; ein Import von kompatiblen und auf dem Endgerät befindlichen Bilddateien ist medienstrukturell nicht vorgesehen. Unter dem Karteireiter Ausdrucke findet sich ein rasterartig angeordnetes Übersichtstableau aller bis dato mit der Software generierten digitalen Fotografien (vgl. Tab. 13, 1). Der Fingertapp auf ein Einzelbild isoliert dieses aus dem Bildverbund und öffnet es in einer vergrößerten Ansicht vor schwarzem Hintergrund (vgl. Tab. 13, 3). Mit ausdrucken, löschen sowie im social web veröffentlichen bietet das Untermenü verschiedene Interaktionsmöglichkeiten mit der Aufnahme an. Ein erneutes Antippen dreht das quadratische Bild auf seine Rückseite (vgl. Tab. 13, 4). Dort sind bildrelevante Kontextinformationen – die verwendete Kombination aus Linse, Film und Blitz sowie eine Datumsangabe – abrufbar. Entgegen dem in den Metadaten einer jeden digitalen Datei sekundengenau dokumentierten Zeitpunkt ihrer Entstehung, datiert Hipstamatic die Aufnahme lediglich auf einen spezifischen Monat – im Fallbeispiel „Juni 2013“. Der auf fotorealistische Darstellung bedachte Designstil des Skeuomorphismus 90 inszeniert die digitalen Bilddateien als dreidimensionale, Vorder- und Rückseite besitzende, materielle Entitäten innerhalb eines analogen, d.h. vorgeblich unverdateten sowie händisch organisierten Bildarchivs. Einzig der Stempelabdruck verweist auf die Existenz eines maschinell vorgefertigten bzw. schablonierten Hilfsmittels zur Klassifizierung des Bilds, durch die selbiges in eine Archivalie überführt wird. Das skeuomorphistische Prinzip wird ebenso rhetorisch gestützt: Als Ausdrucke – namentlich HipstaDrucke – rubriziert, wird den digitalen Bilddateien innerhalb des multimodalen Illusionsraums des Medieninterfaces eine Physis attestiert. Dass hierbei tatsächlich auf ein Druckmedium und nicht auf – gleichfalls in der Wortbedeutung enthaltene – stilistische Qualitäten bzw. emotionale Konnotationen referiert wird, offenbart die Übersetzung als print in der englischen Version. 91 Geht man vom Einzelbild zurück in die Galerieansicht (vgl. Tab. 13, 1), findet sich als zweites Menüsymbol erneut ein quadratischer Rahmen. An dessen linker Seite wie Oberkante verläuft eine verkürzte, ebenfalls rechtwinklige Linie. Hierdurch werden zwei versetzt übereinanderliegende Quadrate dargestellt, wobei das untere bzw. hintere in weiten Teilen vom oberen bzw. vorderen überdeckt wird. Diese grafische Simulation von Perspektive durch die gedoppelten Seitenlinien transportiert eine Illusion von Räumlichkeit, die mit dem intendier90 Für eine Definition vgl. FN 41 (Kap. 3). 91 Die deutsche Wortwahl irritiert, müsste es im Jargon chemo-physikalischer Fotografie doch Abzug heißen. Offenbar handelt es sich hierbei um einen Übersetzungsfehler von dem englischen Original in eine deutschsprachige Version der Software. Zur Bezeichnung eines fotografischen Abzugs ist print im Englischen gängig; das Wort copy verweist demgegenüber auf ein drucktechnikbasiertes Herstellungsverfahren.
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ten Vorstellungsbild von in die Höhe gestapelten fotografischen Abzügen korrespondiert. Durch Antippen des mit Stapel (in der englischen Version stacks) untertitelten Piktogramms gelangt man zu einer Alternativansicht und -ordnung der Bilddateien: Insofern eine Auswahl an Einzelbildern zuvor gruppiert und betitelt wurde, wird diese in der Aufsicht als Bildstapel visualisiert (vgl. Tab. 13, 2). Über die zwei weiteren Icons der Galerie-Menüleiste lassen sich im Fall des stilisiert dargestellten Bilddruckers Abzüge ausgewählter Bilddateien im angeschlossenen Drucklabor, dem Hipstamatic PrintLab, bestellen. Jene Rematerialisierung der mobilen wie digital aufgenommenen Bilder ist seit 2010 integraler Bestandteil des Konzepts. Die entsprechende Webpräsenz wirbt insbesondere für das verwendete analoge Druckverfahren, in dem die digitalen Bilddateien in einem chemo-physikalischen Prozess – „with real photo chemistry“ 92 – auf hochwertigem Archivfotopapier entwickelt würden. Tableau 13: (1) Galerieansicht sämtlicher Hipstamatic-Aufnahmen; (2) Alternativansicht bzw. -sortierung des Bildmaterials als „Stapel“; (3) displayfüllende Ansicht eines Einzelbilds; (4) Kontextinformationen derselben Aufnahme, visuell präsentiert in Form einer rückseitigen Etikettierung.
92 https://printlab.hipstamatic.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Neben dem beschriebenen Fotopapier (Fuji Crystal Archive Paper) der PrintPaks umfasst das Sortiment an Bildträgern auch Leinwände, Holz und Aludibond.
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Das Wolkenpiktogramm ganz rechts steht sinnbildlich für sämtliche cloudbasierten Dienstleistungen, welche die Software zur Verfügung stellt: das Einrichten eines Hipstaccounts, die Teilnahme an sporadisch communityintern stattfindenden Fotowettbewerben sowie das Bestellen und Verwalten von HipstaDruckaufträgen oder Abonnements. Insofern zuvor die entsprechenden Zugangsdaten eingegeben wurden, lassen sich Bilddateien des Weiteren über das Untermenü direkt aus der App heraus auf assoziierten Profilen externer SocialMedia-Anwendungen distribuieren. Um die Galerieansicht und folglich das angeschlossene fotografische Archiv zu verlassen, genügt es, das gelbe Kameraicon in der linken oberen Ecke anzutippen (vgl. Tab. 13, 1). Dessen grafische Gestaltung orientiert sich an der Bauweise der in Hipstamatic simulierten Kleinbildkamera und führt erwartungsgemäß zum Startbildschirm zurück (vgl. Tab. 11, 1). Ein Fingertapp auf das letzte bislang unerwähnte Icon der dortigen Menüleiste, das Pfeilsymbol ganz rechts, aktiviert den Bildwechsel auf einen neuen Menübildschirm. Dieser zeigt die – ebenfalls displayfüllend im Querformat dargestellte – Vorderseite des stilisierten Kameragehäuses (vgl. Tab. 11, 2). Das Design der Rückseite setzt sich hier fort. Ungeachtet der fragmentierten Darstellung wird derart optisch der Eindruck von Kontinuität erzeugt, der die Illusion eines dreidimensionalen Realobjekts stützt, das – die Richtung des umgekehrten Pfeils legt es bereits nahe – lediglich über die Schmalseite umgedreht wurde. 93 Kennzeichnend für das Produktdesign der i-Geräte-Generationen, das als stilbildend für die Gehäusegestaltung von personal media im Allgemeinen gelten kann, ist die geschlossene Gesamtform eines maßgeblich vom Display dominierten Gehäuses bei weitgehendem Verzicht auf mechanische Komponenten, wodurch die Geräte und ihre Funktionen nahezu vollständig abstrakt bleiben. Speziell beim iPhone 5 realisiert Apple nach Meinung von Thilo Schwer ein idealtypisches Blackbox-Design. Die homogene Farbgebung und die nahezu fugenfreie Verbindung der einzelnen Komponenten erwecke „den Eindruck eines ‚Unibody-Designs‘, also eines aus einem Materialblock gefrästen Gehäuses […].“ 94 Im ausgeschalteten Zustand gleicht die schwarze Fläche des Displays einem leeren ‚unbeschriebenen Blatt‘, das geschlossene und glatte Oberflächendesign lässt den Apparat als opaken schwarzen Monolithen – die Material gewordene Blackbox – erscheinen, dessen „Besonderheiten […] sich erst im Rah93 Dieser Bildwechsel profitiert von der Konditionierung durch filmische Montagetechnik; den etablierten Sehkonventionen entsprechend, werden hintereinander gezeigte Einzelbilder kognitiv miteinander verknüpft. 94 Schwer: Produktsprachen, S. 225; Herv. i.O.
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men der Nutzung erschließen.“ 95 Durch den prominenten Platz, der dem verbauten Touchscreen innerhalb des Produktdesigns zugewiesen wird, entsteht optisch der Eindruck, als bestünde das Gerät selbst nahezu ausschließlich aus einem Display bzw. aus den temporär darauf repräsentierten digitalen Inhalten. In jenem minimalistischen Gehäusedesign tritt die technische Apparatur zugunsten einer maximalen Vergrößerung des Screens als Projektionsfläche bzw. Imaginationsraum zurück. Die Dissimulation des technischen Geräts verstärkt dessen imaginatives Potential und steht im Dienste einer möglichst bruchlosen immersiven Erfahrung virtueller Inhalte, deren Eindruck durch die gestisch-intuitive Bedienung noch verstärkt wird. Die ästhetische Konzeption der grafischen Benutzeroberfläche von Hipstamatic macht sich die Wechselwirkung zwischen Gehäusegestaltung, Touchscreen-Technologie und softwareseitigen Eigenschaften zunutze und ist derart in der Lage, einen Eindruck physischer Kohärenz zu vermitteln. Optisch fusionieren Endgerät (Hardware – iPhone) und Medieninterface (Software – Hipstamatic) zu einer einzigen Apparatur, die somit haptisch als dreidimensionales Objekt erfahrbar wird. Um die Illusion einer materiellen Einheit zu komplettieren, lassen sich Silikonhüllen – sogenannte HipstaCases – in weißer und schwarzer Ausführung erwerben, mit welchen das iPhone entsprechend der jeweiligen Gehäuseausführung rückseitig farblich passend ummantelt werden kann (vgl. Tab. 14, 1 u. 2). Die Basisausstattung der Software beinhaltet eine schwarze Version des virtuellen Kameragehäuses und korrespondiert derart mit dem gleichfarbigen Gehäusetyp des iPhones. Bei Besitz eines iPhones in weißer Ausführung lässt sich die visuelle Darstellung der Kameraoberfläche durch den In-App-Kauf des Add-ons The Mission HipstaPak und des hierin enthaltenen Gehäuses in der Farbe Eggshell White entsprechend modifizieren (vgl. Tab. 14, 3 u. 4) – weitere virtuelle Gehäusedessins sind wiederum in anderen Verkaufseinheiten des InApp-Stores enthalten.
95 Ebd., S. 105 sowie vgl. Gunkel, Katja: Das Smartphone berühren! Ein Werk von Britta Thie, in: Kunst + Unterricht (#146/147) 2017, S. 62-63, hier S. 62. Das bedeutungsoffene Gerätedesign lässt optisch weder Rückschlüsse auf dessen Funktionsumfang noch auf etwaige Veränderung der verbauten Hardwarekomponenten innerhalb einer Produktreihe zu.
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Tableau 14: Materielle wie virtuelle Bestandteile, deren Zusammenspiel den Eindruck eines kohärenten dreidimensionalen Objekts, der zu emulierenden Kleinbild-Kompaktkamera „Hipstamatic 100“, evoziert.(1) „HipstaCase 100 White“ für iPhone 4 und 4s; (2) iPhone 4s in weißer Ausführung, ins Querformat gedreht; grafische Darstellung des (3) virtuellen Kameragehäuses „Eggshell White“ und (4) dessen Umverpackung.
Ganz im Dienste der optischen Illusion eines kohärenten Objekts zeigt der neue Menübildschirm die Frontansicht des virtuellen Kameragehäuses (vgl. Tab. 11, 2), deren grafischer Aufbau mit jenem der Rückseite korrespondiert (vgl. Tab. 11, 1). Die mittig in das Gehäuse eingelassene lederne Verkleidung setzt sich auf der Vorderseite fort und trägt durch die derart suggerierte Kontinuität zur ästhetischen Erfahrung eines dreidimensionalen Objekts bei. Entlang der oberen Längsseite ist das Markenlogo, der geschwungene Schriftzug des Eigennamens Hipstamatic, verortet. Die Lichtführung und dementsprechend der Schattenwurf charakterisieren nicht nur die materielle Oberflächenbeschaffenheit des Objekts,
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sondern verleihen selbigem auch Plastizität, so dass der Schriftzug als hervorstehendes Relief erscheint. Rechts daneben findet sich eine kreisförmige Erhebung, in deren Mitte eine gelb unterlegte Zahl – im Fallbeispiel 271 – zu sehen ist. Diese gibt Auskunft über die aktuelle Programmversion der Software; entsprechend dem fiktionalen analogen Referenten des Werbenarrativs – der Hipstamatic 100 – nahm diese ihren Beginn ebenfalls mit der initialen Version 100 (vgl. Kap. 3). Jene Modellnummer ist mit dem darunterliegenden, zentriert auf dem Medieninterface platzierten Kameraobjektiv entlang der Querachse angeordnet. Die Position des Objektivs entspricht hierbei jener des Sucherfensters auf der virtuellen Rückseite (vgl. Tab. 11, 1), dessen frontseitiges Substitut in der rechten oberen Ecke demzufolge jedoch nicht mit dem Layout der – als optischer Sucher maskierten – Liveview der Kamerarückseite korrespondiert. Die virtuell simulierte Unität eines allansichtigen, kohärenten Objekts wird durch diesen ‚Anschlussfehler‘ irritiert. Das Interfacelayout der Frontseite imitiert die Produktgestaltung des fiktiven Kameramodells Hipstamatic 100 (vgl. Tab. 5, 3), das folglich maßgebend für den Aufbau des grafisch dargestellten Gehäusedesigns ist.
Abbildung 8: Infotext zu den verfügbaren Bildqualitäten in der Tutorialansicht.
Ein Wischen in der Horizontalen nach links oder rechts initiiert einen Objektivwechsel. Mithilfe jener gestischen Steuerung lässt sich durch alle verfügbaren Modelle rotieren. Im Anschluss an die fünf bereits in der Basisversion der App enthaltenen Objektive werden weitere kostenpflichtige Exemplare angezeigt, die sich per one click erwerben und unmittelbar im Anschluss verwenden lassen. 96 An der linken Außenseite des Objektivs ist ein Regler angebracht, der es ermöglicht, zwischen drei verschiedenen Bildgrößen zu wechseln. Das eingangs obligatorisch zu durchlaufende Tutorial weist den Nutzer jedoch darauf hin, dass 96 Voraussetzung ist das vorherige Einrichten eines Hipstaccounts, auf dem die zum Kaufabschluss nötigen Zahlungsinformationen hinterlegt wurden.
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„Drucke mit höherer Qualität […] länger zur Entwicklung brauchen […]“ (vgl. Abb. 8). Die Funktion Bildgröße verdeutlicht erneut exemplarisch die konsequente Dissimulation von Digitalität im Kontext von Hipstamatic. Nicht nur auf sprachlicher Ebene kommt durchweg Jargon aus dem Bereich chemophysikalischer Fotografie zur Anwendung, auch die medienstrukturelle Konzeption der Software zielt beharrlich auf eine konsistente Erfahrung analoger Bildentstehung. Deswegen ist an dieser Stelle nicht nur keine Rede von Bildauflösung – ein Terminus, der die digitale Verfasstheit der Bilder als Rastergrafiken demaskieren würde –, medienstrukturell verlängert sich de facto die Zeit bis der Fotograf seiner Aufnahme ansichtig wird. Das Konzept Entwicklungszeit wird formalisiert und der Software als Bedingung implementiert, die eine künstliche Verzögerung der Bildwerdung in Abhängigkeit zur gewählten Bildgröße herbeiführt. Eine weitere artizifielle Limitierung erfährt die Bildproduktion bei seriellen Aufnahmen: So lassen sich maximal neun Bilder in kurzem Abstand hintereinander ablichten, dann blockiert die App weiteres Auslösen und zwingt den Nutzer zum Abwarten der ‚Entwicklungszeit‘. Im Sucherfenster erscheinen währenddessen weiße Lettern auf schwarzem Grund, die mit „Rolle Filmrolle“ anzeigen, dass der virtuelle Film ‚voll‘ ist. Erneut in Korrespondenz mit dem Design der Kamerarückseite bzw. dem Aufbau des vorherigen Menübildschirms befindet sich die Navigationsleiste ebenfalls an der unteren Längsseite des Kameragehäuses (vgl. Tab. 11, 2). Bei Antippen des Icons links außen, einer stilisierten 35-mm-Filmdose, öffnet sich ein neues Untermenü: Die fotorealistische grafische Darstellung zeigt nun das Innere des Kameragehäuses und den aktuell eingelegten Film, der sich durch eine senkrechte Wischbewegung, nach oben oder unten, auswechseln lässt (vgl. Tab. 15, 1). Tableau 15: (1) Grafische Umsetzung der Funktion „Filmauswahl“; (2) Untermenü zur Auswahl der Programmfunktion „Blitz“.
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Das zweite Symbol von links stellt einen stilisierten externen Blitz dar, dessen runde Form an birnenbetriebene Fächerblitze erinnert (vgl. Tab. 11, 2). Entsprechend der gedachten Position – im Blitzschuh auf der Oberseite des Kameragehäuses – schiebt sich die zugehörige Menüunterseite über den oberen Bildschirmrand ein und vergrößert den virtuellen Illusionsraum derart um den Blitzaufsatz (vgl. Tab. 15, 2). Wie bereits bei der Innenansicht der Kamera wird räumliche Integration nicht nur dynamisch, sondern auch bildlich durch die an der unteren Längsseite in abgeschwächter Form weiterhin sichtbare Oberkante der Gehäusevorderseite gestützt. Auch in diesem Untermenü kann die Blitzauswahl mittels horizontaler Wischgesten verändert werden. Über Bearbeiten lassen sich die Einzelelemente der drei Kategorien Objektiv, Film und Blitz im jeweiligen Untermenü aktivieren bzw. deaktivieren. Im inaktiven Zustand sind sie nicht Bestandteil der Fototasche und werden folglich nicht als auswählbarer Ausrüstungsgegenstand aufgeführt. Darüber hinaus dient selbiger Menübildschirm zur Definition jener Komponenten, die einer zufälligen, durch Schütteln des Endgeräts initiierten Auswahl zur Verfügung stehen. Zurück auf der Navigationsleiste führt das Icon eines Einkaufswagens, den Symbolkonventionen des E-Commerce entsprechend, zum In-App-Store, dem HipstaMart (vgl. Tab. 11, 2). Die Menüansicht der Kameravorderseite beinhaltet folglich sämtliche zur Konfiguration und Einflussnahme auf die Bildästhetik der fotografischen Resultate relevanten Parameter. Um die Aufnahmefunktion zu aktivieren, muss der Menübildschirm – dem analogen Vorbild entsprechend – erneut über das Pfeilsymbol rechts außen auf die Rückseite gewechselt werden. Bildgenese und implementierte Stilmittel Wie bereits zuvor im Kontext der Galeriefunktion erwähnt, sieht die Medienstruktur von Hipstamatic konzeptionell keinen Import von Bildmaterial vor. Die Bildproduktion basiert folglich auf einem geschlossenen System. Obgleich die mobile Mediensoftware ebenfalls in das digitale Bild eingreift und dieses mithilfe formalisierter Presets modifiziert, kann der User jene Parameter nicht beeinflussen. Es handelt sich somit zwar strukturell um eine Form der In-AppBildbearbeitung, diese ist als solche jedoch nicht auf Interaktivität ausgelegt, sondern läuft vollautomatisch unmittelbar im Anschluss an die Aufnahme – d.h. an das Antippen jenes Interfacebereichs, der optisch als Auslöser gekennzeichnet ist – ab. Eine nachträgliche Bearbeitung der aufgenommenen Fotografie bietet die Software nicht an – ergo sind visuelle Effekte nicht optional, sondern essentiell bzw. konstitutiv für die Genese von Bildmaterial in Hipstamatic.
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Tableau 16: (1) Grafische Produktpräsentation der Basisfilme „Blanko“, „Ina’s 69“, „Ina’s 82“ und „Kodot XGrizzled“; (2) grafische Darstellung des Standardobjektivs „Kaimal Mark II“ und der zugehörigen Umverpackung; (3) Unterseite der „Pak-Info“ mit Informationen zum Objektiv „Jane“.
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Der Nutzer kann den Bildstil der Aufnahme somit lediglich indirekt durch eine vorangehende Auswahl wie Kombination der hierfür relevanten Softwarefunktionen steuern; die Grundfrage danach, ob bildverändernde gestalterische Elemente überhaupt Anwendung finden sollen, entzieht sich seiner Handlungsmacht. Die Bildproduktion erfolgt über die freie Kombination der drei bereits bekannten Variablen Linse, Film und externer Blitz. Auf die Blitzfunktion kann hierbei auch verzichtet werden, die Festlegung auf ein Objektiv nebst Film ist jedoch zwingend – ein Parameter alleine reicht zur Bilderzeugung nicht aus. Jenes Ensemble an Programmfunktionen ist im Vorfeld der Aufnahme festzulegen und beeinflusst in der Folge maßgeblich deren Bildstil. Metaphorisch auf basale bildgenerierende Komponenten chemo-physikalischer Fotografie rekurrierend, verbergen sich die programmierten Elemente der digitalen Bildbearbeitung bzw. -manipulation in Hipstamatic dementsprechend hinter den interaktiven Elementen von Linse, Objektiv und Blitz. In der Standardausführung verfügt die App in Version 262 über fünf Objektive (Jane, John S, Jimmy, Kaimal Mark II, Buckhorst H1), vier Filme (Blanko, Ina’s 69, Ina’s 82, Kodot XGrizzled) und drei Blitzgeräte (Standard, Dreampop, Cherry Shine). Der In-App-Store bietet eine Fülle an weiteren, zumeist kostenpflichtigen Kamera-Packs, um das eigene Sortiment an verfügbaren Objektiven, Filmen wie Kamerablitzen und derart die Klaviatur potentiell möglicher visueller Effekte zu erweitern. Besäße man alle bis dato veröffentlichten Einzelkomponenten 97, ließen sich hieraus 117.936 verschiedene Kombinationen und dementsprechend viele visuelle Effekte generieren. Als Ausrüstungsgegenstände gewandet, werden jene Softwarekomponenten im Infomenü (Pak-Info) bzw. im In-App-Store allesamt mit einer dazugehörigen Umverpackung inszeniert und derart als Ware bzw. Produktensemble präsentiert. So orientiert sich die grafische Darstellung der Funktion Film beispielsweise an der Warenform des 35-mm-Kleinbildfilms (vgl. Tab. 16, 1). Neben der Platzierung des Labelings auf der Filmdose wird ebenfalls die konventionelle Bezeichnungspraxis übernommen – ein Markenname (z.B. Kodot) und der konkrete Filmtyp (z.B. XGrizzled). Begleitet wird jene ausgeklügelte warenförmige Produktpräsentation von einer Kurzbeschreibung, welche die Charakteristika der einzelnen Komponenten zumeist in assoziativ-anekdotischer Form bzw. unter Einsatz einer Atmosphärensemantik umschreibt (vgl. Tab. 16, 3). Diese Zweizeiler statten das jeweilige Kameraelement – durchaus mit selbstironischem Unterton – mit einer spezifischen, ja einmaligen Historie aus. So wird zum Beispiel 97 78 Linsen, 84 Filme und 18 Blitze zum Abrufzeitpunkt am 19.03.2017. Vgl. http:// gear.hipstamatic.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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die Linse Kaimal Mark II als indisches Fabrikat eingeführt, dessen Name einem bekannten Herrscher huldige: „Take a stroll through Bollywood with the Kaimal Mark II Lens, named after a famous Indian Prince. Even Amitabh will stop and let you take his photo when you’re sporting these finely crafted optics.“ 98 Sowohl der an prominenter Stelle im Innenring des Objektivs platzierte Herkunftsnachweis „Made in India“ als auch die aufgrund der gelb-roten Farbgebung sowie des ornamentalen Dekors exotisch wirkende Verpackung tragen auf visueller Ebene zur Konsistenz jenes fiktiven Warennarrativs bei (vgl. Tab. 16, 2). Im Hinblick auf den Verwendungskontext des derart beworbenen Objekts fällt auf, dass die Beschreibung keinerlei Aussagen über dessen bildrelevante Merkmale trifft. Dies ist für alle Kontextinformationen bezeichnend, die direkt in der App verfügbar sind, so dass sich die spezifischen visuellen Effekte der jeweiligen Komponente lediglich indirekt aus Betrachtung der beigefügten Beispielbilder ableiten lassen (vgl. Tab. 16, 3). Folglich fordert die Software dazu auf, die spezifischen bildrelevanten Eigenschaften, d.h. die in einer Programmfunktion codierten visuellen Effekte, mittels praktischer Anwendung experimentell zu erproben. Um den eigenen Lernprozess zu beschleunigen oder gar komplett zu umgehen, finden sich im Internet diverse Quellen, die Aufschluss über die verschiedenen Kameraelemente, ihre Kombinationsmöglichkeiten und ästhetischen Effekte geben. Entweder lässt sich das konzernseitig erstellte Wiki, der Hipstamatic Field Guide, zu Rate ziehen oder ein usergeneriertes Schaubild verwenden. Als Hipstamatic Matrix, Chart oder Cheat Sheet bezeichnet und in der Komplexität variierend, zielen jene – im Internet zuhauf auffindbaren – rasterartig arrangierten Testreihen auf eine systematische Übersichtsdarstellung der in Hipstamatic möglichen visuellen Effekte. Diese werden in der Regel anhand eines gleichbleibenden Motivs, das als Tertium Comparationis sukzessive mit verschiedenen Voreinstellungen fotografiert wird, zur Anschauung gebracht. Die früheste wie populärste motivische Übersichtsdarstellung, The Hipstamatic Combination Chart, stammt vom Fotografen Marc Bruce, der seine Testreihen an unterschiedlichen Motiven durchexerziert, um derart die verschiedenen Bildstile zu katalogisieren. In Form einer motivischen Übersichtsdarstellung zeigt das gewählte Tabellenfragment 64 verschiedene Looks, die sich aus der Kombination von einem Objektiv, acht Filmen und acht verschiedenen Blitzen ergeben (vgl. Abb.
9). Jene online kursierenden Schaubilder zeugen von dem Wunsch nach Kontrolle über die zahllosen formal-ästhetischen Effekte. Das medienstrukturell angebotene Kombinationsspiel triggert die Lust am Kampf mit dem Apparat um die Ge-
98 Kap. 9, Txt. 10, S. 405. Wahrscheinlicher ist, dass es sich bei dem Namensgeber um Aravind Kaimal, den Kreativdirektor von Hipstamatic, handelt.
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staltungshoheit. „Taming the Badly Behaved Camera“ 99 – diese Kenntnisse versprechen eine souveräne Handhabung und somit eine Domestizierung der ‚ungezogenen‘, weil eigenwilligen Kamera. Insofern derartiger Ehrgeiz nicht vorhanden ist, lässt sich die Kombination auch aleatorisch festlegen; ein Schütteln des Endgeräts initiiert hierbei die algorithmische Randomisierung. Abbildung 9: Mark Bruce, „The Hipstamatic Combination Chart“ (2011).
Die nachfolgenden ausführlicheren Beschreibungen betreffen die Charakteristika der jeweiligen Komponente. Sie sind dem Hipstamatic Field Guide entnommen, der wortwörtlich Orientierung bei der Bestimmung von visuellen Effekten zu geben verspricht. 100 Demnach verändert das Softwareelement Linse bzw. Objektiv insbesondere die Farbigkeit der Aufnahme, d.h. Farbton, Helligkeit, Sättigung und Kontrast. 101 Darüber hinaus implizieren die im Online-Handbuch befindlichen Beschreibungen, dass die Funktion sowohl für die Schärfe des Bilds als auch für etwaige Bildstörungseffekte verantwortlich ist: „[Jane; K.G.] 99
Belden-Adams, Kris: Taming the Badly Behaved Camera. Michelle Bates and the Holga, in: exposure (#44) 1 (2011), S. 26-32. Online abrufbar unter: http://www. michellebates.net/images2/exposure%20all%20sm.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06. 2018).
100 Vgl. Hipstamatic Field Guide; insbesondere Menüpunkt Camera Gear und dessen Unterteilung in Info, Lens Characteristics, Suggested Combinations and Uses und Gallery Examples, http://wiki.hipstamatic.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 101 Vgl. Kap. 9, Txt. 7-11, S. 404 f.
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[s]eems to be the most ‚normal‘ of all lenses. Bright colors, but not overly saturated. Good contrast, but not overblown. No apparent grain, light leaks or other ‚analog‘ imperfections. Clean and sharp.“ 102 Demgegenüber legt die Beschreibung der einzelnen Filme wiederum nahe, dass die optische Simulation von taktilem Trägermaterial, beispielsweise durch die Addition von Bildrahmen, in den ästhetischen Zuständigkeitsbereich jener Komponente fällt. Sämtliche Filme der nachfolgend näher untersuchten Basisausstattung werden als „effect-neutral color ‚frame only‘ film“ 103 beschrieben. Jene Kennzeichnung weist im Umkehrschluss darauf hin, dass andere, zusätzlich erhältliche Filmtypen überdies durchaus in die Farbigkeit der Aufnahme eingreifen: „Like its cousin Ina’s 1969 film, Inas’s 1982 is an effect-neutral color ‚frame only‘ film. The frame consists of a textured retro cardboard frame with squared corners, emblematic of a mid-50’s to late 60’s era photo album. The frame pattern does not rotate.“ 104 Der zitierte Begleittext zum Film Ina’s 1982 umfasst eine Kurzbeschreibung der Funktion: Optisch simuliert wird demzufolge ein umlaufender rechtwinkliger Bildrahmen aus strukturiertem Karton. Des Weiteren, und dies ist kennzeichnend für alle Texte, liefert die Beschreibung sogleich die herstellerseitig intendierten historischen Konnotationen – im vorliegenden Fall gar eine fotografiegeschichtliche Einordnung. Der abschließende Hinweis, das Muster drehe sich nicht, lässt ex negativo den Rückschluss zu, dass dies bei anderen Filmen durchaus der Fall ist. Den Beschreibungen zufolge bewirkt der optionale Einsatz der Blitzfunktion – abhängig von den Eigenschaften der konkret gewählten Komponente – zumeist eine Intensivierung der Farbkontraste und/oder Veränderung des Farbtons. 105 Das Subsegment der Pop-Blitze addiert demgegenüber unregelmäßig verteilte Lichtflecke, deren Muster algorithmisch randomisiert werden: „DreamPop’s most prominent effect is a [sic!] randomly selected color flares, reminicent of the uneven processing found on classic Poloroid instant films.“ 106 Ein grünes Licht signalisiert optisch die vollständige Aufladung des Blitzes und dessen Einsatzbereitschaft. Über den grafischen Schieberegler lässt sich das Blitzverhalten auf zwei verschiedene Weisen näher definieren. Seine Positionierung auf der linken Seite aktiviert den ‚virtuellen Blitzeffekt‘ und verrechnet somit den im jeweiligen Filter codierten Effekt – zusammen mit jenen von Objektiv und Film – mit der aufgenommenen Bilddatei. In umgekehrter Richtung, 102 Vgl. Kap. 9, Txt. 7, S. 404; Herv. i.O. 103 Kap. 9, Txt. 12-15, S. 406 f.; Herv. i.O. 104 Kap. 9, Txt. 13, S. 406; Herv. K.G. 105 Vgl. Kap. 9, Txt. 16-18, S. 407 f. 106 Kap. 9, Txt. 17, S. 407.
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ganz rechts, platziert, greift die Software zusätzlich auf den integrierten Blitz des i-Geräts zu; bei der anschließenden Aufnahme wird somit tatsächlich der rückseitig verbaute LED-Blitz ausgelöst. Jener Einstellungsmodus unterscheidet sich nicht nur optisch, sondern auch auf akustischer Ebene von erstgenanntem, ausschließlich softwarebasiertem Blitzeffekt. Das begleitende Audiosample, ein elektronisches Summen, weist darauf hin, dass nun tatsächlich eine Hardwarekomponente angesteuert wird. Nicht nur das surrende Begleitgeräusch eines sich aufladenden elektronischen Kamerablitzes wird auf auditiver Ebene simuliert, auch durch das Klicken beim Berühren des Auslösers imitiert die Software die sonische Entourage des analogen Bildentstehungsprozesses. Wie im Fall von Instagram werden auch in Hipstamatic sämtliche Aufnahmen mithilfe eines obligatorisch quadratischen Bildformats standardisiert, dessen Konfektionierung die Proportionen des Suchers vorgeben. Gerade im Kontext des mobilen digitalen Bilds besteht eine signifikante Besonderheit der Bildgenese in Hipstamatic darin, dass ein Wechsel von der Rück- auf die Frontkamera unmöglich ist. Das Selfie als zeitgenössische, generisch digitale und zumeist via Smartphone aufgenommene Variation des Selbstportraits wird durch die Mediensoftware nicht unterstützt bzw. auf die fummelige Praxis des blind zielenden one arm’s-length shot zurückgeworfen. Erneut in Verweigerung des technologisch Möglichen geht unter Verwendung von Hipstamatic somit auch die Kontrolle über das Selbstbildnis abhanden bzw. wird sichtlich erschwert. 3.2.3 Ergebnisse und Aktualisierung Instagram Maßgebend für die medienstrukturelle Konzeption von Instagram ist eine hundertprozentig mobile Nutzung der App. Jenen primären Verwendungskontext en passant kennzeichnet in der Regel nutzerseitig eine geringe Aufmerksamkeitsspanne. In Kombination mit der durch relativ kleine Displays limitierten Darstellungsgröße findet der Informationsaustausch daher maßgeblich über einprägsamere 107 (audio-)visuelle Medienartefakte statt. Verglichen mit den global bedeutsamen sozialen Netzwerken des Web 2.0 (Facebook, MySpace usw.) ist bildbasierte Kommunikation auf Instagram nicht länger optional, vielmehr avanciert sie zur Conditio sine qua non der angeschlossenen Community im Speziellen wie zeitgenössischen Social Media im Allgemeinen. 107 Vgl. Schierl, Thomas: Werbungsforschung, in: Sachs-Hombach, Klaus (Hg.): Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden, Frankfurt a.M. 2005, S. 309-319, hier S. 312 f.
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Folgelogisch zentriert die Präsentation eines multimodalen Kommunikats auf dessen Bildkomponente und rückt diese durch ein entsprechendes Interfacelayout in den Fokus. Die Medienstruktur von Instagram kennzeichnet darüber hinaus eine duale Organisationsform der visuellen Inhalte, die sich entweder als Feed oder in Form eines Bildtableaus anzeigen lassen. Aufgrund seiner identischen Seitenlängen vereinfacht das ebenfalls bindende quadratische Bildformat hierbei die Passung der Bilddateien und folglich den Wechsel zwischen diesen Layouts. Obgleich es sich bei beiden Präsentationsformen um chronologisch strukturierte und somit diachrone Narrative handelt, sind sie dennoch fundamental verschieden: Als visueller Liveticker betont die Ansicht im Feed das Einzelbild, das erst im performativen Vollzug durch Herunterscrollen in Bewegung gerät und derart zu den nachfolgenden Einträgen in Beziehung tritt. Im Unterschied zu dessen sequentiellem Aufbau basiert die Übersichtsdarstellung als Tableau auf einem Gestaltungsraster (grid) und ist demnach durch simultane Pluralität charakterisiert. Ikonische Serialität ist in dieser Ansicht zugleich gegeben und muss nicht erst in einem linearen Verlauf manuell vom Rezipienten erschlossen werden. Die Organisation in Form des Tableaus oszilliert demnach zwischen den binären Kategorien diachron und synchron. Analog zur Dynamik des kollektiven Bildarchivs, dessen beständiger Erweiterung durch die konstante Akkumulation von usergenerierten Daten, befinden sich beide Arten der visuellen Chronik in einem Zustand unablässiger Veränderung. 108 Feed und grid dienen jeweils unterschiedlichen Zwecken, die mit ihrem logischen Aufbau korrespondieren. Die lineare Abfolge kommentierter Einzelbilder sämtlicher abonnierter Profile zwingt dem heterogenen, weil aus diversen Kontexten stammenden Bildmaterial eine vereinheitlichende sequentielle Logik auf. Derart kann sich der Nutzer bequem und vor allem beliebig schnell in einem Menüfenster über sämtliche Uploads informieren, die sich seit dem letzten Öffnen der App auf den für ihn relevanten Profilen ereignet haben. Der Feed in Instagram fungiert in dieser Weise primär als bildbasierter Newsticker. Dessen idealerweise kontinuierlich fließender Datenstrom ist dabei nicht bloß kuratierter Livestream, sondern – bezogen auf die Inhalte – zugleich auch life(style) stream 109 . Dem filmischen Montageprinzip vergleichbar, präpariert jener die fragmentarisch in Einzelbildern dargestellten Leben der relevanten wie interessanten Anderen mittels Aneinanderreihung für den händischen Vollzug 110 . In Abhängigkeit zur Qualität der Internetverbindung basiert der durch kollektive 108 Vgl. hierzu Ernst: Das Rumoren der Archive, S. 128 sowie Kap. 2.2. 109 Treffender wäre die Pluralform stream of lives. 110 Dieser erfolgt auf dem Touchscreen über repetitive Wischgesten entlang der Vertikalen.
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Autorschaft gekennzeichnete Feed auf einem hochtaktigen Informationsdurchlauf und somit extrem kurzen Ver- und Entwertungszyklen der Medieninhalte, wodurch die einzelnen Einträge mitunter – je nach Anzahl der abonnierten Profile sowie deren Veröffentlichungsfrequenz – schnell nach unten und, da nicht mehr direkt sichtbar, geschweige denn unmittelbar auffindbar, somit zugleich in die Bedeutungslosigkeit rutschen. Inszeniert die Medienstruktur des Feeds die Bilder als konsumierbar und ephemer, verstetigen sich diese wiederum in der Übersichtsdarstellung im individuellen Bildarchiv des eigenen Profils. Obgleich aus Einzelbildern zusammengesetzt und daher fragmentarisch, lässt sich jene plurale Bildform rezeptionsseitig als kohärentes Identitätsnarrativ ihres Urhebers verstehen. Medienstrukturell obligatorisch chronologisch angeordnet, können die derart aneinandergereihten Einzelbilder wie ein Storyboard oder eine Bildergeschichte – in umgekehrter Richtung, d.h. von unten nach oben bzw. von der Vergangenheit in die Gegenwart – gelesen werden. Jene visuelle Chronik gibt nicht nur Aufschluss über die jeweilige Selbstdarstellung und deren Besonderheiten, sie ist sprichwörtlich auch ein Indikator für die zunehmende Professionalisierung, welche Instagram-Nutzer über die Zeit in Auseinandersetzung mit dem Bildmedium entwickelt haben. Das Bildtableau umfasst sämtliche Einträge des jeweiligen Profils und ermöglicht somit eine Längsschnittbetrachtung. Mit zunehmender Nutzungsdauer lässt sich eine steigende Souveränität im Umgang mit dem Bildmedium beobachten, die sich neben planvoller Bildgestaltung und Motivwahl insbesondere in stimmigen pluralen Bildkompositionen bzw. -arrangements und einem zunehmend ausdifferenzierten, individualisierten Bildstil äußert. Neue Medienformate wirken sich grundsätzlich verändernd auf die bestehende Medienpraxis aus, da sie die Nutzer mit bestimmten und oftmals anderen Anforderungen konfrontieren. Eine Instagram-spezifische Medienkompetenz, die bei Einführung der App gleichwohl ein innovatives Alleinstellungsmerkmal im Gesamtbereich von Social Media darstellte, besteht in dem konzeptionellen Oszillieren zwischen zwei strukturell verschiedenen Existenzweisen einer Bilddatei – als Einzelbild im ‚Fluss‘ der Bilder sowie als Teil eines diachronen und kontinuierlich wachsenden Bildtableaus. Eine souveräne Handhabung des eigenen Bildmaterials verlangt von den Nutzern folglich, jene duale Formation einer Mediendatei zu antizipieren, d.h. ein Gespür für das Einzelbild zu entwickeln und dabei zugleich dessen Passung in das plurale Bild der eigenen Profilansicht mitzudenken. Nur so kann eine Aufnahme sowohl für sich alleine stehen als auch innerhalb des aus Einzelbildern collagierten Selbstportraits ihre intendierte Wirksamkeit entfaltet.
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Tableau 17: (1) Zwei Ausschnitte des Instagram-Profils von @angeladoe; (2) Ausschnitt des Instagram-Profils von @jvliakoch (links), Einzelansicht eines Eintrags mit Bildunterschrift (rechts).
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Mit zunehmender Routine im gestalterischen Umgang mit Instagram und dessen Medienstruktur entwickelt sich ein ästhetisches Bewusstsein für eine formale Kohärenz des eigenen Tableaus, so dass sich eine vereinheitlichende Gestaltung, ein Denken über das Einzelbild hinaus, beobachten lässt. Ein Gestaltungsphänomen ist beispielsweise die serielle Anordnung von drei horizontal nebeneinander dargestellten Thumbnails zu einem dreiteiligen Bildensemble. Als Beispiel für diese plurale Bildform dienen zwei Screenshots aus dem Profiltableau von @angeladoe, einer deutschen ‚Lifestyle‘-Bloggerin (vgl. Tab. 17, 1): Durch ihre spiegelsymmetrische Komposition flankieren die äußeren Bilder das mittlere im Zentrum und heben dieses besonders hervor. Die Ensemblewirkung dreier Einzelbilder entlang der Horizontalen wird nicht nur formal-ästhetisch, sondern auch durch inhaltliche Kohärenz erzeugt und erinnert derart an den formalen Aufbau eines Triptychons. Eine andere Form der bewussten Gestaltung der Übersichtsansicht besteht im Hochladen von monochrom-weißen Bilddateien. Im Fallbeispiel, beide Screenshots stammen ebenfalls aus dem Profil einer deutschstämmigen Bloggerin, werden innerhalb des Tableaus absichtlich Leerstellen erzeugt, die das rigide Bildraster aufbrechen und die plurale Komposition luftiger gestalten (vgl. 17, 2). Durch die begleitenden Hashtags #blankpages und #writeyourstory wird die weiße Bildfläche in der Einzelansicht zum Konzept erklärt. In der Übersichtsdarstellung auf der Profilseite korrespondiert die reinweiße Bildfläche mit der medienstrukturell vorgegebenen Hintergrundfarbe, die im Zwischenraum hervorblitzt und als Demarkationslinie die Grenzen des Einzelbilds kennzeichnet. Indem sich die abstrakten Bilddateien farblich derart unsichtbar einfügen, evozieren sie eine uniforme weiße Fläche, eine white wall, auf der die Einzelbilder nach kuratorischen Maßgaben ‚gehängt‘ werden. Die Nutzerin umgeht in dem betreffenden Abschnitt ihres Tableaus bewusst das softwareseitig intendierte quadratische Bildformat und wechselt Hoch- und Querformat gelegentlich miteinander ab. Eingepasst werden diese wiederum in eine quadratische Bilddatei, deren weiße Seitenränder den Abstand zwischen den Einzelbildern in der Gesamtansicht zusätzlich vergrößern. Jene bewusste Abweichung von den medienstrukturell vorgegebenen Standards zum Zwecke der individuellen Adaption ist ebenfalls ein Indiz für zunehmende Professionalisierung und Medienkompetenz. Eine weitere gängige Bildpraxis besteht in der vergrößerten Darstellung eines Bilds durch dessen Segmentierung in mehrere quadratische Einzelbilder, die sich anschließend – in der richtigen Reihenfolge hochgeladen – zu einem Bild zusammensetzen (vgl. Tab. 18). 111 Neben der klassischen Methode, ein in dem 111 Die Fragmentierung einer Bilddatei lässt sich hierbei komfortabel an Apps von Drittanbietern delegieren. Vgl. bspw. die kostenlose App Insta Collagram, https://
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Fall quadratisches Bild durch Zerlegung in neun gleichgroße Quadrate bereits in der Vorschauansicht auf Displaybreite zu vergrößern (vgl. Tab. 18, 1), finden sich auch experimentellere plurale Bildformen. Der gewählte Bildausschnitt aus dem Profiltableau des in New York ansässigen Jungdesigners zero waste daniel transferiert die künstlerische Technik der materiellen Bildcollage in die Instagram-spezifische Medienstruktur und erschafft derart gewissermaßen eine Form der Metacollage (vgl. Tab. 18, 2). Tableau 18: Ausschnitte aus den Instagram-Profilen (1) des Schuhlabels „Lika Mimika“ sowie (2) des New Yorker Designers „zero waste daniel“.
Neben dem Arrangement der Einzelbilder innerhalb der softwareseitig vorgegebenen Rasterstruktur erhält die Bildnachbearbeitung eine essentielle Bedeutung im Workflow ikonischer Kommunikation auf Instagram und darüber hinaus. Die nunmehr seit über sechs Jahren andauernde intensive Auseinandersetzung sowie kontinuierliche Beobachtung von Instagram erlaubt nicht bloß, valide Aussagen itunes.apple.com/app/id1139478867 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Dem Werbetext zufolge „Instagrid Photo for Instagram“ zerteilt die Software das Einzelbild nicht nur in die gewünschte Anzahl an Bildquadraten, sondern nummeriert selbige entsprechend der diachronen Logik der Medienstruktur durch, um derart den Upload zu vereinfachen. A.a.O.
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über softwareseitige Veränderungen zu treffen; durch die erarbeitete Sachkenntnis lassen sich zudem Auffälligkeiten in der Mediennutzung identifizieren. So werden Grafikfilter zur Instant-Bildbearbeitung heute viel subtiler eingesetzt als zu Beginn der Forschung im Jahr 2012. Eine visuelle Beweisführung dieser These lässt sich erneut mithilfe des Profiltableaus antreten. Signifikante Anhaltspunkte hierfür sind beispielsweise die Abkehr von vorgefertigten, stark stilisierenden visuellen Effekten hin zu einem manuell angepassten, personalisierten Bildbearbeitungsworkflow, der den eigenen Bilddateien idealerweise eine formal-ästhetische Individualität verleiht. Eine vergleichende Betrachtung von fotografischen Aufnahmen, die wie im Fall der zwei gewählten deutschen Modebloggerinnen @desifare und @its.alix jeweils kurz nach Registrierung des Instagram-Accounts 2012 veröffentlicht wurden (vgl. Tab. 19, 1 u. 3) mit einem jüngeren Ausschnitt ihres Profiltableaus von 2017 (vgl. Tab. 19, 2 u. 4) offenbart in beiden Fällen signifikante Unterschiede. Obgleich die gewählten Sujets (Selfies, Outfits, Essen, Interieurs, Freunde usw.) nicht grundlegend variieren, lässt sich doch eine deutlich veränderte Bildsprache ausmachen. Während der stilistische Eklektizismus der älteren Profilfragmente die Verwendung der vorgefertigten instagramesken Effektschablonen nicht verhehlt, sondern vielmehr offenkundig wie experimentierfreudig zur Schau stellt, fällt die Bildbearbeitung der jüngeren Ausschnitte weitaus distinguierter aus. Speziell im Hinblick auf den Aspekt der Farbigkeit ist darüber hinaus ein Bemühen um Homogenität und somit um einen farblich stimmigen Gesamteindruck der pluralen Bildkomposition augenfällig. Diese ästhetische Modulation resultiert hierbei fraglos nicht nur aus einer auf Nutzerseite gewachsenen Medienkompetenz im Umgang mit der ikonischen Selbstkommunikation auf Instagram, sondern steht gleichfalls in einem reziproken Verhältnis zu dem zunehmend komplexer werdenden Funktionsumfang der implementierten Bildbearbeitungswerkzeuge.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 159
Tableau 19: Jeweils zwei Ausschnitte aus den Instagram-Profiltableaus von @desifare (1 u. 2) und @its.alix (3 u. 4).
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Abbildung 10: Schema der Bildproduktion, -nachbearbeitung und -distribution in Instagram. Als Grundlage dient die medienstrukturelle Konzeption von Version 3.4.1.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 161
Dem Schaubild der Bildgenese in Instagram entsprechend (vgl. Abb. 10), basiert die zum Zeitpunkt der Datenerhebung in den untersuchten Programmversionen 3.4.1 und 4.3.1 mögliche In-App-Bildbearbeitung auf vorschablonierten Grafikeffekten, die zum Großteil lediglich für eine binäre Interaktion zur Verfügung stehen (ja/nein, ein/aus) und nicht zusätzlich manuell justiert werden können. Dies betrifft insbesondere die grundlegende Entscheidung für oder gegen die Verwendung eines Filters 112, gegebenenfalls des zugehörigen Bildrahmens sowie einer etwaigen Kontrastintensivierung. Lediglich der Tilt-Shift-Effekt verlangt dem User in begrenztem Umfang eigene Fingerfertigkeit und kompositorische Überlegungen im Prozess der Postproduktion ab. Jene durch Automatisierung beschränkten gestalterischen Möglichkeiten dienen der Komplexitätsreduktion und ermöglichen derart eine weitgehend intuitive wie voraussetzungslose Handhabung der mobilen Mediensoftware. Die implementierten, feinjustierbaren Bildbearbeitungsfunktionen haben sich mittlerweile deutlich ausdifferenziert 113, auch die Anzahl verfügbarer Grafikfilter wurde erweitert. Die Intensität des jeweiligen Effekts ist nunmehr manuell anpasbar. Presets, die nicht benötigt werden, können durch Individualisieren der Voreinstellungen deaktiviert werden, außerdem lässt sich deren Reihenfolge händisch umsortieren. Obgleich sowohl die temporalen als auch die lokativen Kontextinformationen einer Mediendatei für deren softwareseitiger Verarbeitung und Klassifizierung von zentraler Bedeutung sind und in Form von absoluten Werten in den Metadaten einer jeden Datei vorliegen, werden diese exakten Angaben bei der Präsentation der Bilder im Interfacedesign des Feeds unterdrückt. Wie Nadav Hochman und Lev Manovich in einer 2013 veröffentlichten Studie der Mediensoftware Instagram einsichtig schlussfolgern, gehorcht die Organisation und Repräsentation der (audio-)visuellen Mediendateien innerhalb jener Timeline nicht der vertikalen zeitlichen Struktur des gregorianischen Kalenders, sondern orientiert sich vielmehr an einer dynamischen Zeitspanne. 114 Den Autoren zufolge fokussiert das Zeiterleben stets das Individuum und ist somit nutzerspezifisch: Der tatsächliche, fixe Aufnahmezeitpunkt der Bilddatei diene der Software zwar als not112 Positiv beantwortet schließt sich daran natürlich die offene Frage nach dem konkreten Filter an, wobei die Auswahl mit 19 Stück noch überschaubar ist. 113 In der am 01.06.2018 aktuellen Android-Programmversion 47.0.0.16.96 (Huawei P9; EMUI 5.0.1) umfassen die Bearbeitungsfunktionen im O-Ton: Ausrichtung, Helligkeit, Kontrast, Struktur, Wärme, Sättigung, Farbe, Verblassen, Hervorhebungen, Schatten, Vignette, Tilt-Shift und Schärfe. 114 Vgl. Hochman/Manovich: Zooming into an Instagram City, o.S.
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wendiger Ausgangspunkt für ihre dynamische Zeitrechnung, innerhalb des Interfacedesigns werde er jedoch lediglich in ungefährer Relation zum gegenwärtigen Zeitpunkt des individuellen Programmstarts angegeben. 115 Die Repräsentation von Zeitlichkeit und entsprechend das für Instagram medienstrukturell kennzeichnende Zeiterleben seien folglich hochgradig relativ und – so fassen die Autoren zusammen – rekurrieren auf mindestens drei verschiedene Zeitebenen: (1) den faktischen wie singulären Zeitpunkt der Aufnahme; (2) die historische Zeit, welche durch die jeweilige ver-zeitlichende Konnotation eines Grafikfilters appliziert wird sowie (3) die subjektzentrierte Zeitspanne bzw. die Eigenzeit des ausführenden Subjekts, an der sich die Datierung der Bilder im Feed orientiert. 116 Nach Hochman und Manovich gipfelt diese zeitliche Komprimierung, diese Multi- bzw. Hyperzeitlichkeit, in einer Art temporaler Implosion, wodurch sich das einzelne Zeit-Bild letztlich zu einem atemporalen Paradoxon wandle. 117 Verstärkt werde dieses Moment der Un-Zeitlichkeit außerdem durch die implementierte Photo-Sharing-Funktion des Programms. Indem die Programmlogik von Instagram raumbezogene Daten zeitspezifischen vorziehe 118, erschaffe sie eine neuartige Darstellungsform von Bildlichkeit. Dieser, in jedem Einzelbild angelegte, temporale Pluralismus werde durch die simultane wie egalitäre Präsentation von Bildern verschiedenster Urheber noch verstärkt, da die autonome Zeitlichkeit wie Lokalisierbarkeit des jeweiligen Bilds nicht als solche ausgewiesen und somit gewissermaßen geleugnet werde. 119 Die strukturelle Verfasstheit von Instagram im Allgemeinen wie die Repräsentation von Zeit im Speziellen ist den Autoren zufolge Symptom einer übergeordneten Logik gegenwärtiger Kultur – dem Bestreben, die Welt in Gänze fotografisch zu kartografieren und digital zu simulieren. Indem jede individuelle Fotografie medienstrukturell zu einem
115 Vgl. ebd., o.S sowie erneut Abb. 6 und die hierin enthaltene Zeitmarke „7 h“. 116 Vgl. ebd., o.S. 117 Vgl. ebd., o.S. 118 Laut Auffassung der Autoren eliminiert Instagram einerseits statische Zeitmarken zugunsten eines relativen und dynamischen Zeiterlebens, andererseits betont das Interface den physischen Ort, d.h. die Position des Nutzers, durch die Möglichkeit, Fotografien mit dem Tag eines bestimmten Ortes zu versehen und/oder diese der eigenen Photomap hinzuzufügen. Somit privilegiere die Medienstruktur den Raum bzw. Geodaten bei gleichzeitiger Vernachlässigung exakter temporaler Angaben. Vgl. ebd., o.S. 119 Vgl. ebd., o.S.
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Ganzen 120 in Bezug gesetzt werde, ließe sich die autobiografisch motivierte fotografische Dokumentation alltäglicher Lebenswelt mit Vorhaben von Google Earth oder Bing Maps parallelisieren, die ebenfalls darauf abzielten, die Welt in toto fotografisch zu erfassen. Beanspruchten letztgenannte dabei Objektivität, zeichneten sich die Instagram-Fotografien durch Emphase des individuellen persönlichen Erlebens demgegenüber als authentische Erfahrungsberichte aus. 121 Während das primäre Ziel von Instagram in jenen Dokumentationsbestrebungen zu finden sei, verfolge das Medieninterface mit dem Versuch, eine neuartige Organisations- und Repräsentationsform kollektiver visueller Erfahrungen zu etablieren, noch eine weitere Absicht. Hochman und Manovich schließen ihre medienstrukturelle Betrachtung mit der These, dass die ‚Interfacesignatur‘ von Instagram als Zeichen für ein neues Bedürfnis – Altes und Neues, Lokales und Globales, Teile und Ganzes auf unterschiedliche Weise kreativ zu kombinieren – lesbar sei. 122 Medienstrukturell erfolgt die Verdatung der einzelnen Archivalien textbasiert mithilfe von Hashtags. Neben inhaltlicher Zensur sind jene sprachlichen Codierungen das entscheidende Regulativ innerhalb des ‚skopischen Regimes‘ 123 des Archivs. Vergleichbar dem Telegrammstil auf eine gerade noch verständliche Essenz kondensiert, dient ihre Verwendung der Klassifizierung wie Vergesell120 Die operationale Logik der mobilen Mediensoftware Instagram basiert auf einer kontinuierlichen Relationierung des Individuums und seiner medialen Artefakte mit einem dokumentarischen Ganzen, der gesamten Bilddatenbank. Dieses Prinzip findet sich nicht nur in der relationalen zeitlichen Anordnung der Bilder im Feed, sondern beispielsweise auch in den Tags und Hashtags, die ebenfalls mit den Tags bzw. Hashtags aller anderen User verknüpft werden, da sie Teile eines gemeinsamen Koordinatensystems sind. 121 Vgl. ebd., o.S. Objektivität versus Subjektivität – Hochman und Manovich zufolge lassen sich jene bildlichen Antagonismen mit der historischen Kunstrichtung des Impressionismus parallelisieren, die sich um 1870 als Antipode der kurz zuvor erfundenen Fotografie entwickelte. Bereits damals habe man zwei unterschiedliche Arten des Sehens gegenübergestellt: eine sachliche, erhabene und statisch-fixierende Form der apparativen Repräsentation sowie basisdemokratisch motivierte, hochgradig persönliche und spontane Dokumentationsbestrebungen, welche die technischen Errungenschaften von Detailtreue und Präzision eines mechanischen – heutzutage digitalen – Apparats zurückwiesen. Vgl. a.a.O. 122 Vgl. ebd., o.S. 123 Vgl. Jay, Martin: Scopic Regimes of Modernity, in: Hal Foster (Hg.): Vision and Visuality, Seattle 1988, S. 3-27.
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schaftung einer Mediendatei entlang usergenerierter Kategorien. Obgleich nicht verpflichtend, ist die Verschlagwortung des eigenen Uploads via Hashtags Voraussetzung für dessen Auffindbarkeit innerhalb der Datenbank und somit auch zentral für die Anzahl der Likes. Als Indikator für die wohlwollende Kenntnisnahme und somit Sichtbarkeit eines Kommunikats steht der Faktor Like hierbei symbolisch für soziale Kompetenz. Im Kontext der numerischen Vermessung der Welt ist er dem Paradigma der Quantifizierbarkeit verpflichtet: „Kontrolle heißt nicht länger Überwachen und Strafen, sondern liegt in den diskursiven Effekten der Messung selbst; als unsichtbare Gewalt symbolischer Infrastruktur wird die Statistik damit auf den Begriff von Staatswissen(schaft) zurückgefaltet.“ 124 Um die Reichweite eines Eintrags über die bereits bestehende Peergroup der Abonnenten auszudehnen und das Tagging-System von Instagram möglichst effizient zu nutzen, ist die Qualität der Schlagworte sowie deren Kombination in einem Hashtag-Verbund von entscheidender Bedeutung – es gilt folglich, das jeweils passende Hashtag-Ensemble zusammenzustellen. Pro Eintrag sind maximal 30 Hashtags möglich, die unterhalb des Bilds manuell eingegeben werden müssen. Welchen zentralen Stellenwert jene aufmerksamkeitsökonomischen Parameter in Instagram bekleiden, verdeutlicht nicht zuletzt die wiederholte wie prominente Positionierung von entsprechenden Zählerständen im Interfacedesign. Eine Monetisierung dieser numerisch repräsentierten Attribute findet zuhauf und in verschiedensten Formen statt. Die App Tagstagram Lite 125 wirbt beispielsweise damit, kategorienbezogene Hashtag-Clouds für Instagram zu generieren, die im Anschluss per Copy-and-Paste in die Bildunterschrift der entsprechenden Mediendatei einfügt werden können. Nach dem gleichen Prinzip arbeitet auch #TagsForLikes, das es sowohl in einer Webversion als auch als App für iOS und Android gibt. 126 Derartige aufmerksamkeitsökonomische Arrangements an Schlagworten entwickeln mitunter ein Eigenleben unabhängig vom Inhalt der Mediendatei, die sie eigentlich sprachlich näher charakterisieren sollen. Ein großes und kontrovers diskutiertes Thema, insbesondere unter Bloggern, sind des Weiteren gekaufte bzw. künstlich in die Höhe getriebene Followerzahlen. 127 124 Ernst: Das Rumoren der Archive, S. 67. 125 Vgl. https://itunes.apple.com/us/app/tagstagram-lite-copy-and-paste-tags-for-instagr am/id587756737?mt=8 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 126 Vgl. http://www.tagsforlikes.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 127 Vgl. hierzu bspw. Fashionqueens Diary: Wenn sich Blogger Follower kaufen…, http://fashionsqueensdiary.de vom 07.03.2017, http://fashionqueensdiary.de/wennsich-blogger-follower-kaufen/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Über die Webseite buycheapestfollowers.com lassen sich Follower für alle relevanten Social-
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Seit Markteinführung ist die Instagram-Community und somit der Einfluss der Social-Media-Anwendung konstant gewachsen. In dem Bemühen sämtliche Innovationen im Bereich mobiler ikonischer Kommunikation zu absorbieren und derart die eigene Monopolstellung nicht nur zu wahren, sondern weiter auszubauen, hat sich der Funktionsumfang der Mediensoftware dank aggressiver Updatepolitik zwischenzeitlich signifikant erweitert. Als Reaktion auf die Veröffentlichung der Mikrovideo-App Vine von Twitter Anfang 2013 wurde Instagram beispielsweise durch die im Juni desselben Jahres veröffentlichte Version 4.0 ebenfalls mit einer Videoaufnahmefunktion ausgestattet. Die im August 2016 implementierte Funktion Instagram Stories kopiert wiederum das Prinzip des Konkurrenten Snapchat – Slideshows aus Bild- und Videomaterial, das nach 24 Stunden automatisch verschwindet. 128 Ebenfalls mit Blick auf die durch Snapchat popularisierten Face-Filter wurde Instagram im Mai 2017 um ein vergleichbares Programmfeature erweitert, seit Januar 2018 können Instagram Stories zusätzlich auf Bildebene um Animated Gifs ergänzt werden. Mittlerweile lassen sich einzelne Posts zudem gezielt mit Lesezeichen versehen und zu Kollektionen gruppiert speichern – eine Verfahrensweise, die deutlich an die strukturelle Logik von Bloglovin’, einer Metaapp zur Organisation von Blogabonnements, oder auch Pinterest erinnert. Mit dem Redesign von Instagram im Mai 2016 hat sich das Interfacedesign grundlegend verändert: In Reaktion auf den Darstellungstrend des flat design wurden die skeuomorphistischen Züge zugunsten einer abstrakt-reduzierten Bildsprache aufgegeben. Seitdem inszeniert das nunmehr schwarzweiß gehaltene Interfacedesign die grafische Benutzeroberfläche als weiße Leerstelle bzw. Negativum der zumeist farbenfrohen Mediendateien, die hierdurch nicht nur zum eigentlichen, sondern vermeintlich gar zum ausschließlichen Inhalt des Displays avancieren (vgl. Tab. 20).
Media-Kanäle (YouTube, Facebook, Twitter, Instagram, Pinterest usw.) zukaufen. Dieser Anbieter steht hierbei lediglich exemplarisch für ein florierendes Geschäftsmodell. Vgl. https://buycheapestfollowers.com/de/ (zuletzt aufgerufen am 01.06. 2018). 128 Vgl. N.N.: Introducing Instagram Stories, http://blog.instagram.com vom 02.08. 2016, http://blog.instagram.com/post/148348940287/160802-stories (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Tableau 20: Aktuelles user interface design (UI) von Instagram, veröffentlicht am 11.05.2016 im Zuge des Redesigns der Corporate Identity. Offizielle Screenshots des Interfacedesigns: (1) Feed und (2) Profil.
Hipstamatic Genau wie im Fallbeispiel Instagram orientiert sich das close reading von Hipstamatic und demzufolge auch die Sequenzierung der in Kapitel 3.2.2 erfolgten sprachlichen Darstellung der Medienstruktur an der softwareseitigen Menüführung, welche die Navigation durch die App dirigiert. Am Umfang jener Textbeschreibung lässt sich bereits erkennen, dass Hipstamatic im Vergleich zu Instagram deutlich komplexer aufgebaut bzw. verschachtelter konzeptioniert ist. Die sprachliche Darlegung wird durch den Umstand erschwert, dass sich die medienstrukturellen Eigenheiten von Hipstamatic nur durch kontinuierlichen (Perspektiv-)Wechsel zwischen den Ebenen der Computersimulation einerseits und der hierüber erzeugten Illusion andererseits adäquat erfassen lassen. Zentrales Merkmal und Darstellungsziel von Hipstamatic ist die glaubhafte digitale Emulation einer vollautomatischen Kleinbild-Kompaktkamera. Ganz anders als das minimalistische und abstrakt-geometrische Interfacedesign von Ins-
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tagram, dem skeuomorphistische Stilelemente wie Schattenfugen lediglich als Signifikat für eine Handlungsaufforderung (affordance) im Sinne Normans dienen (vgl. hierzu Kap. 2.4.1), ist die grafische Oberflächengestaltung daher auffallend detailliert und durch eine hohe symbolische Dichte gekennzeichnet. Die virtuelle Mimesis von Hipstamatic ist demnach bis ins kleinste Detail dem Designprinzip des Skeuomorphismus verschrieben. Sämtliche Einzelelemente der grafischen Benutzeroberfläche zeichnen sich durch ihre Objekthaftigkeit aus. Mithilfe der Lichtführung werden derart nicht nur Plastizität, der Eindruck eines sich an den Außenseiten rundenden Kameragehäuses, sondern auch verschiedene haptische Qualitäten bzw. Materialeigenschaften – wie hochglänzender Kunststoff, strukturierte Lederverkleidung usw. – formal suggeriert. Das Interfacedesign greift hierbei die Gehäusegestaltung des fiktiven, weil als Bestandteil des begleitenden Werbenarrativs erfundenen Kameramodells Hipstamatic 100 auf, dessen Design sich wiederum an einem vorgängigen Realobjekt, der Lomo LC-A, orientiert. Im Kontrast zu Instagram, dessen Grafikfilter ihren Look ebenfalls populären Medienästhetiken filmbasierter Fotografie entlehnen, simuliert Hipstamatic jedoch nicht nur qua fotografischem Resultat Bildstile spezifischer ‚analoger‘ fotografischer Verfahren, die App transformiert zudem das Display des Endgeräts optisch in eine Kamera. Indem sie Rück- wie Frontansicht ein und desselben Kameragehäuses darstellen, suggerieren die zwei zentralen Menübildschirme ein dreidimensionales, kohärentes Objekt. Verstärkt wird jene Dinghaftigkeit über die raffinierte Passung zwischen dem Produktdesign der Hardware und dem grafischen Interfacedesign der Software. Das zurückgenommene, auf das Display und somit den Illusionsraum des Screens zentrierende Design des iPhones fusioniert mit der planvoll abgestimmten bildlichen Repräsentation zu einem geschlossenen Apparat, dem Digital-Analog-Konverter. Innerhalb des Phänomenbereichs mobiler Kamera-Apps ist jene Finesse in Konzeption wie Umsetzung ein Alleinstellungsmerkmal von Hipstamatic. Aufgrund des vollumfänglichen Simulationsanspruchs wird zusätzlich auch die Bildgenese akribisch an idealtypische Verfahrensweisen des anvisierten vorgängigen technischen Bildmediums angeglichen. Um den analogen Bildentstehungsprozess und dessen kennzeichnende Determinanten auch im praktischen Vollzug erlebbar zu machen, ist die Software mit künstlichen Limitierungen ausgestattet. Das querformatige Layout sowie die Platzierung der bildauslösenden Schaltfläche zwingen zunächst zu einer vergleichsweise umständlichen, weil durchgängig zweihändigen Bedienung des i-Geräts. Darüber hinaus erschwert die plastische Modellierung des Suchers durch die gesetzten Glanzlichter die Sicht auf das aufzunehmende Motiv. Digitalzoom wie Frontkamera des Endge-
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räts werden softwareseitig nicht unterstützt und verkomplizieren derart ebenfalls die Aufnahme, insbesondere die innerhalb des social web omnipräsente Form des Selbstausdrucks – das Selfie. Diese Beschränkungen sind technologisch bewusst nicht zeitgemäß; gerade die vergleichsweise mühsame wie anachronistische Handhabung der App zeichnet deren Emulationsleistung aus, die ein praktisches Erleben der prototypisch konzipierten analogen Kulturtechnik und somit einen gerätimmanenten Vergleich zu den Prinzipien mobiler digitaler Bildentstehung ermöglicht. Analog zum Paradigma automatische Kleinbild-Kompaktkamera, werden die visuellen Effekte den drei Komponenten Objektiv, Film und Blitz als Attribute beigegeben. Konzeptionell mit der vollautomatischen Bildproduktion verwoben, entziehen sich die formalisierten Ästhetisierungsprozesse nicht nur der direkten Einflussnahme, sie werden erst gar nicht als solche definiert bzw. symbolisiert. Auf diese Weise wird ihre generisch digitale Beschaffenheit und derart sogleich ihre arbiträre Gestaltung dissimuliert. Die medienstrukturellen Prinzipien ‚analoger‘, d.h. mechanisch-optischer wie filmbasierter Bildproduktion aufgreifend, zwingt Hipstamatic den Nutzer dazu, vor Betätigen des Auslösers eine Kombination von aufnahmerelevanten Parametern zu definieren (vgl. Abb. 11). Dermaßen ist es jenem zu keinem Zeitpunkt möglich, einen prüfenden Blick auf eine weitgehend unbearbeitete Bilddatei zu werfen. Die formal-ästhetische Stilisierung des digitalen mobilen Bilds ist in Hipstamatic folglich obligatorischer Bestandteil der Simulation und somit Conditio sine qua non der Bildgenese. In Übereinstimmung mit der von Manovich formulierten Definition softwarebasierter Simulation vorgängiger Medientechnologien beschränkt sich die virtuelle Nachahmung des analogen fotografischen Idealtyps nicht bloß auf die Manipulation der aufgenommenen digitalen Bilder, vielmehr präsentieren das Interfacedesign und die hierin implementierten Bildwechsel die kohärente optische Illusion eines dreidimensionalen Kameragehäuses, dessen Handhabung gleichsam eine Angleichung an das vorgängige fotografische Verfahren erfährt: „[…] [T]o simulate a medium in software means to simulate its tools and interfaces, rather than only its ‚material‘.“ 129 Voraussetzung für eine überzeugende Illusion ist eine bruchlose wie stimmige Inszenierung. Deren Kohärenz wird daher zusätzlich über die sprachliche wie sonische Ebene abgesichert: Fachjargon aus dem Bereich filmbasierter Fotografie (Abzug, Entwicklung, Film usw.) und Audiosamples, wie ein Klicken beim Drücken des Auslösers oder ein Fiepen während der Ladung des externen Blitzes, verleihen der Simulation Plastizität und steigern derart ihre Glaubwürdigkeit. 129 Manovich: The Language of Media Software, S. 199; Herv. i.O.
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Fraglos verkompliziert Hipstamatic die digitale Bildproduktion; im Hinblick auf den musterhaft emulierten analogen Fotoapparat, dessen Handhabung sowie bildgebende Parameter findet demgegenüber jedoch faktisch eine Komplexitätsreduktion statt. Von Nutzerseite wurde dennoch mehrfach moniert, dass Hipstamatic verglichen mit anderen Kamera-Apps umständlich und kompliziert sei. 130 Diese Kritik deutet bereits an, dass die App vorrangig für eine bestimmte Zielgruppe von Konsumenten von Interesse ist, handelt es sich hierbei doch um den Prototypen eines ‚nerdigen‘ Software-Gadgets. Durch die detailverliebt ausgestaltete, weitgehend bruchlose Simulationsleistung eines in sich geschlossenen, inmateriell wie materiellen Dinguniversums visiert die App eine distinguierte, fotoaffine Käuferschicht an, die Wert auf derartige Details legt und den damit verbundenen herstellerseitigen Produktionsaufwand durch den kostenpflichtigen Bezug der App mitzufinanzieren bereit ist. Angesichts der exklusiven Bindung an iOS adressiert Hipstamatic ausschließlich Besitzer eines kompatiblen i-Geräts und profitiert daher von jenen soziokulturellen Imaginationen (z.B. bestimmte Lebensweisen), die auf Apple-Produkte projiziert und in der Folge mit diesen assoziiert werden. 131 Das Start-up Synthetic sah sich 2012 von Insolvenz bedroht. Austin Carr zufolge hatten die Nutzerzahlen von Hipstamatic mit vier Millionen bereits im Januar desselben Jahres ihren Zenit erreicht. Verglichen mit dem jüngeren Instagram eine geradezu bescheidene Zahl, hatte jene konkurrierende App zu diesem Zeitpunkt doch längst die 15 Millionenmarke an registrierten Nutzern mit steigender Tendenz hinter sich gelassen. 132 Gerade die versäumte, weil irrtümlicherweise nicht ernst genommene stärkere Ausrichtung auf den Kommunikationsaspekt mobiler digitaler Bilder über sogenannte ‚Social Apps‘ sollte Synthetic zum Verhängnis werden. Jener Konnex einer einfach zu bedienenden KameraApp und einem angeschlossenen Sozialen Netzwerk kann demgegenüber als Innovation sowie Erfolgsformel von Instagram gelten. Durch herstellerseitigen 130 Vgl. bspw. Taylor, Brittanny: Hipstamatic | iPhone Photography App Review, https://brittannytaylor.com vom 07.02.2010, https://brittannytaylor.com/blog/hipsta matic-iphone-photography-app-review.html sowie N.N.: Photo App Review: Hipstamatic, https://blog.fractureme.com/ vom 11.11.2014, https://blog.fractureme.com/ photography/apps/hipstamatic-app-review/. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. 131 Vgl. hierzu auch Fischer: Der i-Kosmos, S. 50. 132 Vgl. Carr, Austin: An Intimate Portrait of Innovation, Risk, And Failure Through Hipstamatic’s Lens, https://www.fastcompany.com vom 10.11.2012, https://www. fastcompany.com/3002103/intimate-portrait-innovation-risk-and-failure-through-hip stamatics-lens (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Fokus auf die Bildqualität der integrierten Digitalkamera 133 und die hierdurch zunehmende Attraktivität des Smartphones als Apparat zur mobilen Bilderzeugung expandierte das Marktsegment von Kamera-Apps in den letzten Jahren explosionsartig, was einen immer größeren Konkurrenzdruck zur Folge hatte. Bemüht auf dem Markt zu bestehen, ist Synthetic beim Flaggschiff Hipstamatic von der Originalkonzeption abgerückt. Die komplett überarbeitete, im September 2015 eingeführte Programmversion 300 erscheint hierbei jedoch als unentschiedene Kompromisslösung: Im Versuch, den Wesenskern des Hipstamatic-Prinzips zu bewahren, der gerade in der beschriebenen Simulationsleistung eines vorgängigen Bildmediums sowie dessen medienstrukturellen und stilistischen Spezifika besteht, und gleichzeitig den Funktionsumfang wie die Handhabung der App an die von Instagram, VSCO, Snapseed, Camera+ und anderen populären mobilen (Social-)Kamera-Apps anzugleichen, wurden mit Version 300 zwei verschiedene Kameramodi eingeführt. Die Wahl des Classic ModeTM ruft das bereits beschriebene Interfacedesign sowie den hiermit korrespondieren Weg der ‚analogisierten‘ Bildgenese auf (vgl. Abb. 12). Ergänzt wird jenes ursprüngliche Konzept um den ProModeTM mit angeschlossener Darkroom SuiteTM. Jenen zweiten Modus der Software kennzeichnet laut Aussage des Herstellers maximale Bildkontrolle, die durch manuelle Feineinstellung der aufnahmerelevanten Parameter sowie die Möglichkeit anschließender In-AppBildbearbeitung gewährleistet werde. 134 Ergänzend hierzu bietet die App die Möglichkeit, das soziale Feedback einer veröffentlichten Bilddatei providerübergreifend gebündelt anzuzeigen. 135 Durch die nunmehr umfassenden Möglichkeiten manuell kontrollierbarer Bildoptimierungsfunktionen zielt Hipstamatic weiterhin auf ambitionierte (Profi-)Fotografen. 136 Die Fan-Community reagierte auf die Neukonzeption zwiegespalten und warf dem Unternehmen unter anderem Inkonsistenz und Opportunismus vor. Jene marktkonforme Entscheidung habe die Besonderheiten der App nivelliert, die nunmehr lediglich eine unter endlos vielen und somit im „Mittelmaß“ angekommen sei. 137 133 Vgl. hierzu auch FN 22 (Kap. 1). 134 Vgl. Kap. 9, Txt. 5, S. 402 f. 135 Vgl. Estrada, Mario (amusedmario): Hipstamatic 300! http://blog.hipstamatic.com vom 25.09.2015, http://blog.hipstamatic.com/post/129834651302/hipstamatic-300after-months-of-working-on-it (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 136 Jedoch ist auch das Marktsegment jener Kamera-Apps bereits durch mobile Anwendungen mit vergleichbarem Funktionsumfang besetzt, deren Nutzung zudem kostenlos ist (z.B. Snapseed, VSCO und PicsArt). 137 Vgl. Mel: Willkommen im Mittelmaß. Hipstamatic launcht Version 300 der RetroKamera, http://www.appgefahren.de vom 25.09.2015, http://www.appgefahren.de/
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Abbildung 11: Weg des Bilds oder Bildwerdung, -speicherung und -veröffentlichung in Hipstamatic. Schaubild basiert auf der medienstrukturellen Konzeption von Programmversion 262.
willkommen-im-mittelmass-hipstamatic-launcht-version-300-der-retro-kamera-1500 04.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Abbildung 12: Vorstellung des grundlegenden Redesigns von Hipstamatic – Version 300 auf dem offiziellen Blog.
3.3 VISUAL EFFECTS DECONSTRUCTED – DEKOMPOSITION DER STILMITTEL 3.3.1 Instagram – Stilelemente der Grafikfilter Die folgenden Ergebnisdarstellungen basieren in Teilen auf einer Analyse der Bilddateien, die in einer ersten Annäherung mithilfe eines konstanten motivischen Testbilds (vgl. Mat. 1.1 u. 1.2) generiert wurden. Während sich eine Umwandlung in Graustufen wie im Fall der beiden einzigen Schwarzweißfunktionen Willow und Inkwell hierauf noch deutlich abbildet, stößt eine differenzierte Beurteilung des Formelements Bildrahmen unter Verwendung des motivischen Referenzbilds bereits an ihre Grenzen. Wie schon im entsprechenden Methodenteil ausführlich dargelegt (vgl. Kap. 2.5), umfasst das initiale Instrumentarium der angestrebten systematischen Dekomposition der Stilmittel daher insgesamt fünf abstrakte Referenzbilder. Diese orientieren sich konzeptionell am operativen Bildtypus des Farbtestbilds und werden nacheinander mit jedem der 20 Grafikfilter – die Einstellung Normal inbegriffen – bearbeitet. Die zweiteilige Übersichtsdarstellung (vgl. Mat. 2.1 u. 2.2) beinhaltet sämtliche visuellen Resultate dieser Operation. Eingang in das Schaubild finden hier-
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bei die Ergebnisse der vier Testbilder Weiß, Schwarz, Neutralgrau sowie die RGB-Farbtreppe (Referenzbild I – IV). Verzichtet wurde demgegenüber auf die Integration des Referenzbilds V, dessen optisch dominante Gitterstruktur die Sichtbarkeit des einzelnen Filtereffekts einschränkt und in erster Linie dazu dient, die Arbeitsweise des softwareseitig angebotenen Tilt-Shift-Effekts zu visualisieren (vgl. Mat. 3). Untereinander am Bildrand arrangiert, gehen von den Referenzbildern I bis IV jeweils zwei horizontale Reihen ab: Die obere stellt die visuellen Resultate des betreffenden Grafikfilters ohne Bildrahmen dar. Auf die Testbildversionen der unteren Zeile wurde – insofern vorhanden – zusätzlich der zugehörige Rahmeneffekt appliziert. Entsprechend ihrer medienstrukturellen Reihung entlang des oberen Bildrandes gelistet, erhält jeder Grafikfilter eine Spalte, die sämtliche Kombinationen umfasst. Dieses Schaubild zeigt bereits ganz eindeutig, dass sich die filterimmanenten formal-ästhetischen Gestaltungselemente auf dem neutralgrauen Referenzbild III am explizitesten abbilden. Um das visuelle Resultat, welches der jeweilige Grafikfilter im Gesamtbild hervorruft, nachvollziehen zu können, scheint die RGB-Farbtreppe des Referenzbilds IV angesichts ihrer Segmentierung weniger gut geeignet. Aus diesem Grund findet sie im weiteren Verlauf der Auswertung, die ausschließlich auf die drei achromatischen Testbilder fokussiert, keine Beachtung. Die in Microsoft Excel angelegte tabellarische Darstellung liefert eine überblicksartige Ergebniszusammenstellung der formalen Bildveränderungen, die mit der Anwendung des jeweiligen Instagram-Filters einhergehen (vgl. Mat. 4-6). Gemäß ihrer medienstrukturellen Reihung sind die Namen der untersuchten 19 Grafikfilter (Vers. 4.1.2) in aufsteigender Nummerierung entlang der ersten beiden Spalten angeordnet. Die schwarz unterlegten Markierungen der Grafikfilter Willow (#8) und Inkwell (#14) symbolisieren den Schwarzweißeffekt der beiden Filter. Die binäre numerische Codierung in der nachfolgenden Spalte gibt Aufschluss darüber, ob der jeweilige Grafikfilter einen optional aktivierbaren Bildrahmen besitzt (1) oder nicht (0). In der Vertikalen schließen hieran drei mehrspaltige Abschnitte an, welche jeweils die Resultate der Filteranwendung auf die monochromen Referenzkarten – Weiß, Schwarz und Grau – darstellen. Segmentiert werden die einzelnen Bereiche erneut durch die drei zentralen bildverändernden Stilmittel: (1) Farbe, (2) Vignettierung 138 bzw. Hell-Dunkel-Gradation 138 Bei dieser Rahmung durch Abdunkelung handelt es sich um eine Reminiszenz an das optische Phänomen der Vignettierung. Üblicherweise ein unerwünschter Effekt, der insbesondere bei Weitwinkelaufnahmen auftritt, wird der Lichtabfall zum Bildrand hin mitunter jedoch intentional als fotografisches Stilmittel eingesetzt, um Elemente in der Bildmitte zu betonen bzw. eine Aufnahme besonders ‚stimmungsvoll‘ wirken zu lassen. Vgl. hierzu Flückiger, Barbara: Zur Konjunktur der analogen Stö-
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sowie (3) Struktureffekte als Symbol für Materialität bzw. Medialität, wie beispielsweise Filmkörnung, farbiges Bildrauschen, Schlieren oder Kratzer. Mit Ausnahme der Normal-Einstellung (#0), die nicht verändernd in das Ausgangsbild eingreift, beeinflussen und alternieren sämtliche Grafikfilter dessen Farbigkeit. Folglich – und das bildet gleichsam die Konzeption der Tabelle ab – stellt sich bei jener stilbildenden Kategorie nicht die Frage, ob sich der Farbton verändert oder nicht; von Interesse ist vielmehr die Art der Modifikation. Demgegenüber kommen die Stilmittel Vignettierung und Strukturierung nicht bei allen Filtern zum Einsatz, so dass eine zusätzliche Spalte anhand eines binären Zahlenpaars zunächst eindeutig Auskunft über Präsenz (1) bzw. (0) Absenz des jeweiligen Elements gibt. In allen drei Fällen schließt hieran eine stichpunktartige Kurzbeschreibung des Stilmittels an. Aufgrund der farbgenormten digitalen Referenzbilder und der exakt numerischen Auswertung mithilfe der Farbwahlfunktion bzw. dem Info-Tool in Adobe Photoshop werden die Farbveränderungen ergänzend in den absoluten Zahlen des RGB-Modus sowie des wahrnehmungsnahen HSB-Systems 139 angegeben. Jede elektronisch darstellbare Farbe lässt sich anhand des hexadezimalen Zahlensystems in Form eines eindeutigen hex code bzw. einer Hex-Zahl ausdrücken. Die Metaseite ColorHexa 140 ermöglicht die Umrechnung von Farbe in verschiedenste numerische Darstellungssysteme wie Farbmodelle und wurde als lexikalisches Hilfsmittel zur eindeutigen Identifizierung der Farbveränderungen herangezogen. Viele Grafikfilter ersetzen die Farbinformation des monochromen Referenzbilds nicht uniform durch eine andere Farbe, sondern vervielfachen die Anzahl unterschiedlicher Farben – unter anderem durch einen farbabdunkelnd wie -aufhellend wirkenden Vignettierungseffekt. Im Fall eines vielfarbigen Testergebnisses werden Hex-Zahl, RGB- sowie HSB-Wert für den hellsten, mittleren und dunkelsten Farbton innerhalb der jeweiligen Bilddatei bestimmt. Für einen ungerung im digitalen Bild, in: Alexander Böhnke/Jens Schröter (Hg.): Analog/Digital – Opposition oder Kontinuum? Beiträge zu Theorie und Geschichte einer Unterscheidung, Bielefeld 2004, S. 407-428, hier S. 418 ff. 139 Als englischsprachiges Akronym für hue, saturation und brightness (oder lightness, dann HSL) gibt dieses System Auskunft über die Verteilung der drei zur Charakterisierung von Farbe zentralen, physisch wahrnehmbaren Parameter: Farbton, Sättigung und Helligkeit. Der Farbton (H) wird hierbei in Gradzahlen von 0 bis 360°, Sättigung (S) und Helligkeit (B) in Prozentzahlen von 0 bis 100 % angegeben. Vgl. bspw. Jewett, Tom: Color Tutorial. HSB: Hue, Saturation, and Brightness, http:// www.tomjewett.com, o.D., http://www.tomjewett.com/colors/hsb.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 140 Vgl. https://www.colorhexa.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 175
fähren Farbeindruck wurde die Tabellenzelle im Hintergrund vollflächig mit der, dem hex code entsprechenden, Farbe unterlegt. Farbe + (Gradation + Struktur) Die folgenden Ausführungen nehmen ihren Beginn bei zwei ausführlicheren Darstellungen der Anwendungsergebnisse von Voreinstellung Normal (#0) sowie dem ersten Grafikfilter Amaro (#1) auf Referenzbild I bis III. Bereits mittels dieser zwei Beispiele lassen sich verallgemeinerungsfähige Rückschlüsse auf die Funktionsweise der Filter wie die methodische Effizienz der achromatischen Bilddateien ziehen, welche die weitere Auswertung beeinflussen. Sämtliche Pixel der reinweißen Testgrafik besitzen den identischen RGBFarbcode (R: 255, G: 255, B: 255). Eine Anwendung des ersten Filter-Presets Normal verändert die Farbwerte nicht; gleiches gilt auch für die Verwendung der monochrom-schwarzen sowie der neutralgrauen Rastergrafik. Da keine Modifikation des Inputs stattfindet und die Bildpixel demnach sämtlich ihre Ausgangsfarbe beibehalten, verhält sich die im Untermenü der Postproduktion mit Normal betitelte Einstellung ihrer Bezeichnung entsprechend. 141 Bei der Auswertung des Grafikfilters Amaro lässt sich anhand des weißen Testbildresultats (vgl. Mat. 4 sowie Tab. 21, 1) eine minimale Farbveränderung feststellen, die sämtliche Pixel des Bilds betrifft und diese von Reinweiß, dem korrespondierenden hex code #fdfef8 zufolge, in ein helles, graustichiges Grüngelb (R: 253, G: 254, B: 248) 142 transformiert: „In a RGB color space, hex #fdfef8 is composed of 99,2 % red, 99,6 % green and 97,3 % blue. […] It has a hue angle of 70 degrees, a saturation of 75 % and a lightness of 98,4 %.“ 143 Das schwarze Testbild (R: 0, G: 0, B: 0) weist nach Bearbeitung mit demselben Grafikfilter ebenfalls eine subtile Farbveränderung auf und erhält gemäß der Farbbezeichnung des zugehörigen hex code #1a0019 eine leicht violette Tönung (R: 26, G: 0, B: 25) – „Very dark (mostly black) magenta“ 144 (vgl. Mat. 5). Im 141 Durch eine Anpassung von Bildformat und -auflösung durchlaufen importierte Bilddateien dessen ungeachtet dennoch eine obligatorische Standardisierung. Zur Problematisierung der Typisierung Normal aufgrund ihrer normativ-biologistischen Implikationen vgl. Kap. 3.2.1., S. 131 f. 142 Der dem RGB-Farbraum zugeordnete und mit einem vorangestellten Rautensymbol gekennzeichnete, auf dem hexadezimalen Zahlensystem basierende hex code gibt hierbei Aufschluss über den konkreten Farbton – im vorliegenden Fall „Light grayish yellow“. http://www.colorhexa.com/fdfef8 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 143 A.a.O. 144 http://www.colorhexa.com/1a0019 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Unterschied zur weißen und schwarzen Referenzgrafik resultiert die Anwendung von Amaro auf dem neutralgrauen Testbild (R: 128, G: 128, B: 128) nicht lediglich in einer kaum merklichen Modifikation des gesamten Farbtones, vielmehr verwandelt sich das zuvor monochrome Bild in ein vielfarbiges (vgl. Mat. 6). Erkennbar wird eine Aufhellung der Bildmitte bei gleichzeitiger Abdunkelung zu den Bildrändern hin – besonders deutlich zeigt sich dieser Helligkeitsabfall in den vier Bildecken. Zu sehen ist ein radialer Farbverlauf, welcher besagte Vignettierung erzeugt. Eine derartige graduelle Veränderung der Farbwerte lässt sich im weißen und schwarzen Testbild weder optisch wahrnehmen noch softwaregestützt numerisch nachweisen. 145 Auffällig an der nun sichtbaren Vignettierung ist ihre Unregelmäßigkeit wie Grobkörnigkeit. So ist die radiale Verlaufsform nicht exakt mittig gesetzt, wodurch die Bildecke links unten deutlich stärker abgedunkelt ist als die restlichen drei. Anhand der vergleichenden Betrachtung des ursprünglichen motivischen Testbilds und dessen bearbeiteter Version lässt sich neben einer allgemeinen Intensivierung des Kontrasts ebenfalls eine Aufhellung der Bildmitte bei gleichzeitiger Verblauung der Tonwerte beobachten (vgl. Tab. 21, 1). Diese wirkt nun leicht überbelichtet, wodurch sowohl das umlaufende Dekor der Tasse als auch deren Konturen zu verschwinden beginnen. In der vergrößerten Ansicht (vgl. Tab. 21, 2 u. Mat. 7) ist deutlich erkennbar, dass das Referenzbild nach Anwendung des Filters optisch Struktur erhalten hat, d.h. mit einer Körnung versehen wurde. Besonders auffällig ist diese in den durch den Vignettierungseffekt abgedunkelten Randbereichen. Die Farbgradation ist nicht kontinuierlich, sondern vielmehr unregelmäßig gesprenkelt. Derart finden sich beispielsweise rötlich-graue Pixel zwischen dunkelgrauen, die selbst wiederum einen bläulichen Farbstich besitzen. Aufgrund der auseinandertretenden, flimmernd erscheinenden Farbpunkte weist der Filtereffekt formale Ähnlichkeiten mit dem Phänomen der chromatischen Aberration auf. Hierbei handelt es sich um einen optischen Abbildungsfehler von Kameralinsen, der vor allem den blauen und roten Farbkanal betrifft und sich zumeist in Form eines Farbsaums am Übergang zwischen hellen und dunklen Bildbereichen zeigt. Die Ergebnisse geben erste Hinweise auf die Arbeitsweise des Grafikfilters Amaro. Dass dieser auf allen drei Testkarten jeweils verschiedene Resultate zeitigt, deutet zunächst darauf hin, dass der Filter nicht lediglich in Form einer semitransparenten Bildebene über das zu modifizierende Ausgangsbild gelegt, sondern mit dessen Farbinformationen verrechnet wird. Die farbliche Beschaf145 In beiden Fällen tritt weder eine Aufhellung noch eine Abdunkelung bestimmter Bildpixel auf; von einer sichtbaren Vignettierung ganz zu schweigen. Angesichts der kontrastierenden Farbigkeit wäre deren Darstellung zumindest im weißen Testbild zu erwarten.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 177
fenheit des Inputs ist somit nicht gleichgültig, andernfalls müsste sich die auf dem neutralgrauen Referenzbild deutlich in Erscheinung tretende Vignettierung auch auf den zwei anderen, wenn schon nicht optisch, dann zumindest numerisch, mithilfe der Funktion Info-Tool in Photoshop nachweisen lassen. Der radiale Farbverlauf bildet sich nur auf Referenzbild III ab; ein Blick auf das Ergebnistableau legt nahe, dass sich dieser Befund verallgemeinern lässt (vgl. Mat. 2.1 u. 2.2). Aus diesem Grund eignet sich jener achromatische Mittelwert zwischen RGB-Weiß und -Schwarz besonders zur Sichtbarmachung wie Analyse der Grafikfilter und ihrer formalen Gestaltungselemente. Anhand der in Form jener schematischen Zusammenschau angeordneten Ergebnisse lässt sich folglich belegen, dass abstrakte wie farbgenormte digitale Referenzbilder ein probates Mittel zur isolierten Darstellung der visuellen Effekte des jeweiligen Grafikfilters sind. Das konkrete methodische Vorgehen ähnelt hierbei in gewisser Weise einer geologischen Tätigkeit: Die formale Essenz des jeweiligen Filters bildet sich auf unterschiedliche Art und in variierender Intensität in den Farbbereichen der drei Testkarten ab; am deutlichsten zeigt sich das jeweilige Substrat jedoch unter Anwendung des neutralgrauen Testbilds. Mit dessen Hilfe tritt nicht nur der immanente Vignettierungseffekt der einzelnen Filter besonders artikuliert hervor, sondern insbesondere auch deren ‚Bemühungen‘ um Spuren von Materialität durch Addition optischer Textureffekte – ein substantielles Moment im physischen Wortsinne. Die nachfolgende Beschreibung jener ‚substantiellen Sedimente‘ der Grafikfilter nimmt daher explizit nur auf die Ergebnisse des neutralgrauen Referenzbilds Bezug (vgl. Mat. 6). Sämtliche Grafikfilter verändern die Farbigkeit des Ausgangsbilds. Ergo ist Farbe das grundlegende (Stil-)Element, mit dem die In-App-Bildbearbeitung operiert. 14 von 19 Bildeffekten und somit circa drei Viertel der verfügbaren Grafikfilter (74 %) weisen zudem eine Vignettierung auf, d.h. sie applizieren Referenzbild III einen graduellen Hell-Dunkel-Verlauf. Hierbei handelt es sich um Amaro (#1), Mayfair (#2), Rise (#3), Hudson (#4), X-Pro II (#6), Sierra (#7), Willow (#8), Lo-Fi (#9), Earlybird (#10), Sutro (#11), Toaster (#12), Brannan (#13), Walden (#15) und Hefe (#16). Exakt dieselben vierzehn Effektfilter kennzeichnet ebenfalls eine Form von Oberflächenstruktur. Jene bildlichen Verweise auf haptische Qualitäten bzw. formale Suggestionsmittel von Materialität wie auch Medialität sind demzufolge immer an eine Gradation gebunden, d.h. diese beiden, für die instagrameske Bildästhetik kennzeichnenden, Stilmittel stehen in Korrelation zueinander. 146
146 Vgl. hierzu Tab. 22 sowie Mat. 2.1 und 2.2.
178 | Der Instagram-Effekt
Tableau 21: (1) Übersichtstableau zum Instagram-Grafikfilter „Amaro“ (#1); (2) „Amaro“; angewandt auf „Referenzbild III – Neutralgrau“.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 179
Tableau 22: Instagram-Grafikfilter (1) „Hefe“ (#16) und (2) „Toaster“ (#12) sowie die jeweils korrespondierende Rahmenfunktion; angewandt auf „Referenzbild III – Neutralgrau“.
180 | Der Instagram-Effekt
Tableau 23: Übersichtsdarstellung der vier Grundtypen an Farbverläufen in Instagram – Version 4.1.2. Schematische Schwarzweiß-Darstellung der Verlaufsform mithilfe der Funktion „Schwellenwert“ in Adobe Photoshop; angewandt auf die Ergebnisse des Referenzbilds III. Sofern nicht anders numerisch angegeben, liegt der Schwellenwert bei 128.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 181
Die verbleibenden fünf Grafikfilter – Valencia (#5), Inkwell (#14), Nashville (#17), 1997 (#18) und Kelvin (#19), führen auf allen drei Referenzbildern lediglich eine homogene Farbveränderung der gesamten Bildfläche herbei – sie färben die Bilddatei um bzw. rekolorieren sie. Vignettierungseffekte sind eine weitere augenfällige formale Ingredienz des spezifischen Instagram-Looks. Wie die Bildergebnisse von Referenzkarte III in der Übersichtsdarstellung zeigen (vgl. Mat. 2.1 u. 2.2), lassen sich innerhalb dieser Programmfunktion verschiedene Schablonen identifizieren, die in Variation bei mehreren Grafikfiltern zum Einsatz kommen. Die radiale Verlaufsform sowie deren Positionierung, leicht rechts von der Bildmitte, ist bei Amaro (#1), Rise (#3), Hudson (#4) und Sierra (#7) identisch. Alle vier unterscheiden sich lediglich in puncto Intensität bzw. Deckkraft. Die Gradation der Grafikfilter Mayfair (#2) und Willow (#8) stimmt ebenfalls völlig miteinander überein und basiert daher auf derselben digitalen Matrize. Um grafische Variation zu erzeugen, wird diese lediglich einmal entlang der Vertikalen gespiegelt. Die Verlaufsform bei Mayfair und Willow ist nicht radial und somit keine Vignettierung im klassischen Sinne, vielmehr zeichnet sie sich durch mehrere, leicht versetzt senkrecht entlang der Bildmitte angeordnete und unregelmäßig helle Bereiche aus, die formal an Lichtblitze oder -flecken bzw. light leaks erinnern. Hefe (#16) verfügt als einziger Effektfilter über eine individuelle Hell-Dunkel-Abstufung. Diese verläuft quadratisch und vergleichsweise schmal parallel entlang der Bildinnenkante, zusätzlich weist sie einen deutlichen Treppeneffekt auf. Zum besseren Nachvollzug wird jener Grafikfilter im Folgenden exemplarisch beschrieben: Hefe versieht Referenzbild III mit einem warmen orangestichigen Braunton, „[m]ostly desaturated dark orange“ 147 , der an eine Sepiatönung erinnert (vgl. Tab. 22, 1 u. Mat. 20). Darüber hinaus erscheinen feine, unregelmäßige Linien in einem etwas helleren Farbton, die dynamisch der Bildecke links unten entspringen und sich insbesondere im unteren Teil des Bilds zeigen. Die Oberflächenstruktur erinnert an den Duktus von händisch ausgeführten grafischen Strichen oder Pinselspuren. Irritiert wird die ästhetische Qualität dieser digitalen Reminiszenz an gestische Zeichen eines analogen Unikats jedoch durch die Beschaffenheit der radialen Verlaufsform. Diese fällt relativ schmal aus und offenbart ihren digital konstruierten Charakter bereits aufgrund ihrer geometrischen Exaktheit. Des Weiteren zeigen sich innerhalb des Vignettierungseffekts mehrere umlaufende Linien; der graduelle Übergang – der Helligkeitsabfall zu den Bildrändern hin – ist folglich nicht kontinuierlich, sondern in alternierenden Farbtönen sichtbar gestuft. Diese Bänderung (banding) ist ein typisches digitales 147 Beschreibung der mittleren Farbe #79644f auf www.colorhexa.com. http://www. colorhexa.com/79644f (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Vgl. Mat. 6.
182 | Der Instagram-Effekt
Kompressionsartefakt, das aus „Rundungsfehler[n] im Wandlungsprozess“ 148 resultiert, und ist daher ein untrügliches Zeichen für einen digital angelegten Farbverlauf im 8-Bit-Modus, dessen geringe Farbtiefe 149 es nicht vermag, Verläufe kontinuierlich darzustellen. Bei jenen konzentrisch um die Bildmitte angeordneten Kreisen handelt es sich somit weder um ein beabsichtigtes ästhetisches Stilmittel noch um eine optische Täuschung; als untrügliches Indiz digitaler Verfasstheit bezeugen sie vielmehr die eigene Genealogie und können deshalb als ungewollte, medienreflexive Geste verstanden werden: „Deshalb heißt Digitalisierung für die Wahrnehmung immer auch Verzerrung. […] Die Abtastung erzeugt stetige und daher ins Auge fallende Formen vielmehr auch dort, wo der Programmcode gar keine vorgeschrieben hat.“ 150 Die verbleibende Hälfte jener 14 Instagram-Grafikfilter, die über eine derartige Helligkeitsabstufung verfügen, besitzt eine kreisrunde, zentriert platzierte Vignettierung. Ihre geometrische Exaktheit sowie der sichtbare Banding-Effekt weisen die Vignettierung ebenfalls als generisch digital aus. Im Fall von Lo-Fi (#9), Sutro (#11) und Brannan (#13) hat sie einen kleineren, bei XPro II (#6), Earlybird (#10), Toaster (#12) und Walden (#15) einen größeren, bis zum Bildrand reichenden, Durchmesser. Jene Ergebnisdarstellung der HellDunkel-Verlaufsformen erfolgte auf Basis ihres anschaulichen Charakters, lässt sich jedoch ebenso softwaregestützt validieren. Mithilfe der entsprechenden Funktion ermöglicht Adobe Photoshop das Durchführen einer SchwellenwertOperation, mit deren Hilfe das digitale Signal binarisiert und die Bilddatei infolgedessen als Schwarzweißform ausgegeben wird. Jene Reduktion in eine kontrastreiche Zweitongrafik erleichtert die Beurteilung der jeweiligen Verlaufsform (vgl. Tab. 23). Wie die soeben deskribierte Funktion Verlauf umfasst auch das Stilmittel der Oberflächenstrukturierung diverse Effekte wie beispielsweise Körnung bzw. Verpixelung der Bildoberfläche, die bei Amaro (#1), Mayfair (#2), Rise (#3) und Sierra (#7) besonders auffällig ist. Dynamische, grafisch-gestische Spuren finden sich in Variation bei Hudson (#4) sowie Hefe (#16). Unter Anwendung von Toaster (#12) auf Referenzbild III zeigen sich feine vertikal wie senkrecht verlaufende Linien, die sich angesichts formaler Ähnlichkeiten mit einer Schraffur 148 Flückiger: Das digitale Kino, S. 37. 149 Im RGB-Farbmodus mit 8 Bit in Adobe Photoshop „werden in den drei Kanälen pro Pixel jeweils 24 Bit (8 Bit x 3 Kanäle) an Farbinformationen gespeichert.“ Adobe.com: Photoshop Benutzerhandbuch. Bilder und Farben – Grundlagen. Farbmodi, https://helpx.adobe.com vom 22.02.2017, https://helpx.adobe.com/de/photoshop/ using/color-modes.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 150 Kittler: Computergrafik, S. 180.
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oder der Webstruktur eines textilen Trägermaterials, wie Baumwolle oder Leinen, und dementsprechend der Bespannung einer Leinwand assoziieren lassen (vgl. Tab. 22, 2 u. Mat. 17). Aufgrund kleiner, unterschiedlich heller Flecken, die sich in unregelmäßigem Abstand insbesondere in der Bildmitte finden, erhält die Bildfläche nach Anwendung von Sutro (#11) optisch nicht nur eine Körnung, es wirkt fast so, als sei die Farbe partiell (z.B. durch aufgelegte Silbersalzkristalle) weggefressen. Insgesamt mutet das auf Referenzbild III sichtbare Resultat vergleichsweise dynamisch an: Die Vignettierung erscheint in der vergrößerten Monitoransicht wolkig, zudem durchziehen die Bildfläche subtile diagonale Linien (vgl. Mat. 16). Als Interferenz bzw. Artefakt digitaler Datenverarbeitung sind ebenfalls die streifigen Farbverläufe der Vignettierungen als medienmaterielle Zeichen zu lesen, stellen sie doch eine nicht intentionale Selbstthematisierung ihres inmateriellen Dispositivs dar. Jene Bänderung findet sich in den meisten Ergebnisbildern, in Reinform jedoch bei X-Pro II (#6) (vgl. Mat. 11), Lo-Fi (#9) (vgl. Mat. 14), Earlybird (#10) (vgl. Mat. 15), Brannan (#13) (vgl. Mat. 18) und Walden (#15) (vgl. Mat. 19). Farbe als elementares Stilelement Von den 19 Filtern in Instagram – Version 4.1.2 sind lediglich zwei – Willow (#8) und Inkwell (#14) – unbunt. Ihre Anwendung führt zum Verwerfen der Farbinformationen, wodurch die Bildpixel der Rastergrafik entsprechend ihrer HellDunkel-Verteilung in Graustufen umgewandelt werden. Auf diese Weise entsteht optisch der Eindruck einer Schwarzweißfotografie. Im Gegensatz zu Willow verfügt Inkwell über einen optionalen weißen Bildrahmen (vgl. Mat. 21). Der Unterschied zwischen den beiden Filtern fällt augenscheinlich recht subtil aus. Diese Beobachtung irritiert, wäre zwischen den einzigen beiden Schwarzweißfiltern, die wiederum 17 farbigen Grafikfiltern gegenüberstehen, doch eine größere ästhetische Differenz zu erwarten. Beide Filter verursachen eine leichte Vignettierung und bewirken somit einen Helligkeitsabfall zu den Randbereichen des Bilds bei simultaner Überbelichtung der Bildmitte. Verglichen mit Inkwell wirkt Willow nicht nur kontrastärmer, sondern auch leicht braunstichig; ein Farbton, der wegen seiner Ähnlichkeit als dezente Reminiszenz an Sepiafilmmaterial erscheint. Gemäß einer online abrufbaren Statistik 151 zur Nutzung der einzelnen 151 Die angeführten prozentualen Angaben wurden der regelmäßig aktualisierten und frei verfügbaren Statistik auf der Instagram-Metaseite Webstagram entnommen. Vgl. https://websta.me/hot. Laut Erklärung basierten die Ergebnisse zum Abrufzeitpunkt am 03.09.2013 auf einem Sample von 3.529.601 Fotografien, die nach den
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Instagram-Effektfilter sind beide Schwarzweißfilter absolut unpopulär. Innerhalb des untersuchten Bildkorpus, auf dessen Evaluation die Statistik gründet, kommt Inkwell gerade mal bei 1,2 %, Willow sogar nur bei 0,34 % der hochgeladenen Fotografien zur Anwendung – beide Filter belegen damit die letzten Plätze. Dieser empirischen Auswertung zufolge besteht – zumindest zum Zeitpunkt der Datenerhebung im September 2013 – seitens der Instagram-User kein sonderliches Interesse an der Ästhetik von Schwarzweißfotografien. Indem sie ein Bild liefern, das nicht den Sehgewohnheiten des menschlichen Auges entspricht, abstrahieren und stilisieren monochrome fotografische Aufnahmen die abgebildete Wirklichkeit. Infolge der fehlenden Farbtreue stellt eine Schwarzweißfotografie daher den dokumentarischen Anspruch des fotografischen Mediums ungleich stärker in Frage als eine mimetische Farbaufnahme desselben Motivs. 152 Vor dem Hintergrund jener Überlegungen ließe sich der statistische Befund als Ablehnung derart offensichtlicher Symbolisierung bzw. Selbstthematisierung des fotografischen Mediums lesen. In Anbetracht der Hyperfarbigkeit der restlichen Grafikfilter scheint das anvisierte Darstellungsziel jedoch grundsätzlich nicht in größtmöglicher Realitätsnähe zu bestehen; bei allen farbigen Grafikfiltern ist die Stilisierung viel zu offensichtlich. Eine pragmatische Erklärung für die softwareseitige Begünstigung von farbintensivierenden Effektfiltern, die in verschiedensten Variationen wie Nuancierungen zur Verfügung stehen, könnte auf die aufmerksamkeitsgenerierende 153 Wirkung sowie die Kriterien Popularität (quantifizierbar über die Anzahl an Likes) und Veröffentlichungsdatum – „recent popular photos“ – ausgewählt wurden. Eine erneute Überprüfung der Webseite am 22.02.2017 ergab, dass die Statistik in dieser Form nicht mehr existiert bzw. zumindest nicht mehr öffentlich, d.h. unentgeltlich, zugänglich ist. Offenbar hat sich Webstagram in den letzten Jahren zu einem kostenpflichtigen Analysetool für Instagram entwickelt. 152 Vgl. Feininger: Das Buch der Farbfotografie, S. 21 f. In der analogen Farbfotografie werden Farbfilter eingesetzt, um die Farbwiedergabe zu beeinflussen. Dies erfolgt in der Regel zu dem Zweck, sie an die Normen des menschlichen Farbengedächtnisses anzupassen, so dass sie als farbrichtig anerkannt werden. Wie Andreas Feininger anschaulich beschreibt, handelt es sich bei diesem Eingriff somit mitunter um eine intentionale Verfälschung der Farben, da ein faktisch farbentreues Foto nicht zwingend als natürlich erscheint. Vgl. ebd., S. 23 ff. 153 Ungefähr 40 % aller aufgenommenen Informationen werden mithilfe von Farbe bereitgestellt. Als visuell erfahrbares Kommunikationsmedium spielt Farbe folglich eine entscheidende Rolle im menschlichen Leben. Vgl. Welsch, Norbert/Liebmann, Claus Chr.: Farben. Natur – Technik – Kunst, 3. verb. und erw. Aufl., Heidelberg 2012 [2002], S. 1.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 185
Bedeutung von Farbe zur Attraktivitätssteigerung 154 einer fotografischen Aufnahme abstellen. Als spezifischer Kolorit des mobilen digitalen Bilds verleiht die Farbtönung des Grafikfilters der Aufnahme darüber hinaus eine affektive Qualität. 155 Rahmen als optionales semiotisches Additiv Von 19 Grafikfiltern besitzen 15 zusätzlich einen Bildrahmen, der über das entsprechende Symbol in der oberen Menüleiste aktiviert wird (vgl. Tab. 10, 2). Dieser ist an den jeweiligen Filter gebunden und lässt sich daher weder isoliert von diesem anwenden noch beliebig mit anderen kombinieren. Die Wahl eines spezifischen Rahmens steht somit immer in kausaler Verbindung zur Wahl des entsprechenden Filters und seiner konkreten Bildeffekte. Die Rahmen selbst werden wie eine Schablone über das bestehende Bild gelegt, sind mit 100 Prozent Deckkraft allesamt opak und verengen infolgedessen den sichtbaren Bildausschnitt.
154 Mittels einer quantitativ-empirischen, computergestützten Analyse versuchen Jose San Pedro und Stefan Siersdorfer aus einem Bilddatensample von 2,3 Millionen Flickr-Fotografien quantifizierbare – formale wie inhaltliche – Indikatoren für die Attraktivität einer fotografischen Darstellung festzusetzen. Hierbei kommen sie zu dem Ergebnis, dass die menschliche Wahrnehmung von Bildern im Wesentlichen durch zwei Faktoren beeinflusst werde: der Farbverteilung sowie der ‚Grobkörnigkeit‘ der enthaltenen Elemente („coarseness of patterns“), d.h. von deren wahrnehmbarer Differenz und folglich ihrer Schärfe. Ansprechende und somit attraktive Bilder zeichneten sich demzufolge durch Vielfarbigkeit, Kontrastreichtum und Bildschärfe aus. Vgl. San Pedro, Jose/Siersdorfer, Stefan: Ranking and Classifying Attractiveness of Photos in Folksonomies (Conference Paper), WWW ’09 – 18. International Conference on World Wide Web, 20.-24.04.2009, Madrid 2009. Online abrufbar unter: http://www.l3s.de/~siersdorfer/sources/2009/p771.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Die Bedeutung von Farbe für die Popularität einer Bilddatei hebt auch die quantitativ-empirische Studie von Aditya Khosla et al. aus dem Jahr 2014 hervor, die hierzu ebenfalls auf den Bildpool von Flickr zugreift. Bezüglich des bildimmanenten Aspektes der Farbe gelangen die Autoren zu dem Ergebnis, dass Fotografien, deren dominante Farben sich im rötlichen Spektrum befinden, eine höhere Relevanz als blau-grünliche Farbwerte besitzen. Vgl. Khosla/Das Sarma/Hamid: What makes an Image popular? 155 Vgl. hierzu auch Kap. 5.
186 | Der Instagram-Effekt
Tableau 24: (1) Bildrahmen der Grafikfilter „Walden“(#15), „Hefe“ (#16) und „Sutro“ (#11); (2) Bildrahmen zu „X-Pro II“ (#6), (3) „Mayfair“ (#2), (4) „Hudson“ (#4), (5) „Brannan“ (#13) und (6) „Nashville“ (#17); isoliert mithilfe des Farbauswahl-Werkzeugs in Adobe Photoshop.
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 187
Zum Zwecke einer besseren Vergleichbarkeit wurden die Bildrahmen unter Anwendung der Auswahlwerkzeuge in Adobe Photoshop 156 künstlich aus dem Verbund des Gesamtbilds separiert. Isoliert von dem zugehörigen Filtereffekt betrachtet, ist die Variationsbreite an verfügbaren Rahmen in Instagram sehr gering. Anhand ihrer Farbigkeit lassen sich diese in zwei Kategorien aufteilen: Schwarz und Weiß sowie vereinzelt pastellige Farbtöne, nachfolgend der Rubrik Weiß zugerechnet. Insgesamt gibt es acht tiefschwarze Rahmen, die sich untereinander marginal, einzig in der Stärke der abgerundeten Ecken und/oder aber in ihrer Breite, unterscheiden. Minimal abgerundete Ecken bei gleicher Rahmenbreite finden sich bei Walden (#15), Hefe (#16), Sutro (#11) und X-Pro II (#6), deren Rahmen eine signifikante Ähnlichkeit aufweisen. Diese ist nicht zufällig, handelt es sich in allen Fällen, wie ihre kongruente Überlagerung mithilfe der Ebenen-Funktion in Photoshop offenbart, um die identische grafische Schablone (vgl. Tab. 24, 1). X-Pro II weicht einzig durch die konvexen, leicht nach außen gewölbten Innenkanten von jener Matrize ab (vgl. Tab. 24, 2). Die schwarzen Umrahmungen bei den Filtern Mayfair (#2) (vgl. Tab. 24, 3), Hudson (#4) (vgl. Tab. 24, 4) und Brannan (#13) (vgl. Tab. 24, 5) sind demgegenüber filigraner und differieren untereinander subtil in der Rundung der Ecken, die bei Hudson am stärksten ausgeprägt ist. Der letzte, mit dem Filter Nashville (#17) verfügbare, schwarze Bildrahmen stellt einen Sonderfall dar, da diesem ein konkretes analoges Medium, der Mittelformatfilm, als Modell dient (vgl. Tab. 24, 6). Bei der Grafik des Bildrahmens handelt es sich vermutlich nicht um einen generisch digitalen Nachbau, sondern sehr wahrscheinlich um das Digitalisat eines Mittelformatabzugs, bei dem der Bildrand mitbelichtet wurde. 157 Die Ziffern und Buchstabenkürzel auf selbigem, RVP 100 158 , referieren auf einen konkreten, bis heute erhältlichen Filmtyp, den Farbumkehrfilm Velvia Professional der japanischen Firma Fujifilm mit der Lichtempfindlichkeit ISO 100. Während die Ziffernfolge 465 in 156 Programmversion CS 5 Extended 12.1 x 64. Zum Freistellen der Bildrahmen wurde das Auswahlwerkzeug Zauberstab verwendet. 157 Alternativ kann auch der Negativstreifen eingescannt und qua Bildbearbeitungssoftware entsprechend farbig invertiert worden sein. Tatsächlich, und das legt die exakt geometrische Beschaffenheit des schwarzen Rahmens nahe, handelt es sich hierbei um eine Bildmontage: Die relevanten, weil identitätsstiftenden Zeichen RVP 100 sind einem realen Referenten entnommen, digitalisiert und anschließend mit dem digital generierten schwarzen Bildrand zu einem kohärenten Bildelement montiert worden. Das konkrete Vorgehen spielt für die weitere Argumentation letztlich jedoch keine Rolle. 158 RVP ist die Abkürzung für Reversal/Velvia/Professional Series.
188 | Der Instagram-Effekt
der Funktion als Emulsionsnummer die konkrete chemische Zusammensetzung der Filmemulsion codiert, dienen die einstelligen Zahlen zur Nummerierung der einzelnen Negativbilder des Filmstreifens. Als Positivabzug der dritten Aufnahme eines RVP 100-Mittelformatfilms evoziert die Anwendung des Bildrahmens Nashville somit den Eindruck eines Realobjekts. Die vorgebliche Selbstthematisierung des analogen Mediums in Form jener medienreflexiven Geste dient dazu, die digitale Verfasstheit und standardisierte Genese des mobilen digitalen Bilds zu dissimulieren. Im Hinblick auf die Simulationsleistung besteht hierin ein grundlegender Unterschied zu den Bildrahmen der restlichen Filter, die als unverkennbar digital generierte Schablonen demgegenüber vielmehr als grafische Idealform bzw. formales Kondensat der Idee des Mittelformatfilms bzw. des fotografischen Abzugs im Allgemeinen dienen. Die sieben hellen, bis auf zwei Ausnahmen weißen Bildrahmen gehören zu den Filtern Sierra (#7), Lo-Fi (#9), Earlybird (#10), Toaster (#12), Inkwell (#14), 1977(#18) und Kelvin (#19). Abseits der unbunten Farben Schwarz und Weiß existieren lediglich der in zart pastelligem Orange gehaltene Bildrahmen des Grafikfilters Sierra (vgl. Mat. 22, 2) sowie eine, Earlybird zugehörige, cremefarbige Variation (vgl. Mat. 22, 3). Allesamt weiß basieren Inkwell, 1977 und Toaster erneut auf einer identischen Schablone mit leicht abgerundeten Ecken (vgl. Mat. 22, 1). Die gleiche Breite besitzt auch der dem Sierra-Filter zugeordnete Rahmen, allerdings sind die Ecken hier nicht abgerundet, sondern spitz zulaufend. Aufgrund ihrer Beschaffenheit fallen unter den hellen Bildrahmen drei auf: Einmal die cremefarbene Umrahmung des Grafikfilters Earlybird (vgl. Mat. 22, 3), deren Ecken unter allen verfügbaren Fotorahmen am stärksten nach Innen abgerundet sind. Dabei ist die quadratische Rahmenform nicht nur genauso breit, wie bei den zuvor genannten, sondern auch durch die gleiche geometrische Präzision gekennzeichnet. Der Bildrahmen von Earlybird basiert folglich ebenfalls auf demselben Prototyp (vgl. Tab. 24, 1 u. Mat. 22, 1), der lediglich in Farbe und/oder Form variiert wird. Signifikantes Alleinstellungsmerkmal von Earlybird ist jedoch die Strukturierung des Bildrahmens, deren rautenförmiges Alloverdessin an die Oberflächenbeschaffenheit von Sofortbild-Umrahmungen erinnert. Jene grafische Imitation der stofflichen Beschaffenheit des Polaroids evoziert ein haptisches Moment und dient demzufolge als Suggestionsmittel von Materialität. Die Reminiszenz an das Direktpositiv-Verfahren der Sofortbildtechnologie verleiht dem generisch digitalen Bild die optische Signatur eines Unikats. Die ebenfalls nachträglich applizierten Bildrahmen der beiden Filter Lo-Fi und Kelvin sind deutlich stärker mit der Bilddatei verwoben, es bedarf daher ei-
Fallbeispiele Hipstamatic & Instagram | 189
ner vergleichsweise größeren Anstrengung, sie aus dem visuellen Verbund der Bildebene zu isolieren. Unter Verwendung des motivischen Testbilds stoßen die Auswahlwerkzeuge in Photoshop an ihre Grenzen, da Rahmen und Bild insbesondere im Fall von Lo-Fi farblich nahtlos ineinander übergehen und derart eine in sich geschlossene Einheit bilden (vgl. Tab. 25, 1). Dieses Beispiel belegt erneut die Eignung von Adobe Photoshop in seiner Funktion als heuristisches Mittel. Demnach sind die Auswahlwerkzeuge des Bildbearbeitungsprogramms geeignet, als Gradmesser der Simulationsleistung des jeweiligen Bildrahmens zu fungieren. Als Analysekriterium formuliert kann hierbei folgende Faustregel gelten: Je schwerer sich ein Bildrahmen aus dem Verbund des Kompositbilds isolieren lässt, desto stärker wird die artifiziell qua Bildbearbeitung konstruierte, generisch digitale Beschaffenheit des Bilds dissimuliert bzw. umgekehrt und somit dialektisch die Illusion eines vorgängigen physischen Ensembles, einer materiellen Entität, evoziert. Oder anders gesagt: Die Qualität der digitalen Mimikry bemisst sich am Verhältnis von Automation und manueller Justierung des Farbauswahl-Werkzeugs. Genügt dessen weitgehend automatisierte One-Click-Anwendung, um das Kompositbild in seine Einzelteile zu zerlegen, oder muss die Auswahl vergleichsweise aufwändig händisch ausgerichtet und korrigiert werden? Je automatisierter das Auswahlwerkzeug bzw. dessen Algorithmus zu arbeiten in der Lage ist, desto stärker offenbart das Kompositbild seine digitale Genese. Diese Beobachtung schließt an das von Manovich zur Systematisierung von Anwendungssoftware eingeführte Analysepaar automatisch – manuell an. 159 Jene binären Kategorien dienen Manovich dazu, die jeweilige Software in Abhängigkeit zu prädigitalen Medientechnologien zu beurteilen. In diesem Zusammenhang sei gleichfalls der Automatisierungsgrad von softwareseitigen Operationen bedeutsam. Funktionen, die auf analoge Medien bzw. physische Instrumente rekurrierten – wie beispielsweise das Pinsel-Werkzeug in Adobe Photoshop –, verlangten dem Nutzer bei ihrer Ausführung in stärkerem Maße manuelle Einflussnahme ab:
159 Basierend auf der Hypothese struktureller Gemeinsamkeiten innerhalb von Anwendungssoftware, kategorisiert Manovich die softwareseitig angebotenen Operationen und überführt diese derart in eine abstrakte generalisierende Systematik. Der entwickelte Baukasten zur Organisation von Softwaretechniken basiert auf zwei Schemata. Das erste heuristische Kategorienpaar medienspezifisch – medienunabhängig klassifiziert Anwendungssoftware in Abhängigkeit zu den Datenarten bzw. -typen, die sie verarbeiten kann. Bei der zweiten dichotomen Typisierung handelt es sich um automatisch – manuell. Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 113-124.
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„Many software techniques that simulate physical tools share a fundamental property with these tools: they require a user to control them ‚manually‘. The user has to micro-manage the tool […]. In contrast, many of the techniques that do not simulate anything that existed previously – at least, not in any obvious way – offer higher-level automation of creative processes. Rather than controlling every detail, a user specifies parameters and controls and sets the tool in motion.“ 160
Übertragen auf das visuelle Kompositum, das aus der Anwendung einer Filterschablone nebst entsprechender Rahmenform resultiert, dient das heuristische Kategorienpaar automatisch – manuell demnach zur Qualitätsprüfung der digitalen Mimikry im Hinblick auf den – als ästhetisches Darstellungsziel anvisierten – analogen Referenten, den materiellen fotografischen Abzug. Evident wird jener heuristische Mehrwert des Auswahlwerkzeugs nachfolgend am Beispiel der Bildrahmen von Lo-Fi(#9) und Kelvin (#19). Der Rahmen von Lo-Fi ist außen weiß und wird an der Innenkante durch eine schwarze, an den Bildecken leicht abgerundete Linie begrenzt. Diese ist jedoch nicht gerade, sondern zur Innenseite hin leicht unregelmäßig ausgefranst und weist zudem partielle Unschärfen bzw. Transparenz auf. Da der zugehörige Effektfilter eine starke Vignettierung besitzt, verschmilzt die schwarze Rahmenlinie optisch nahezu vollständig mit dem derart abgedunkelten äußeren Bildrand und hebt so die Trennung von nachträglich appliziertem Bildrahmen und dem – der hierarchischen Logik der Ebenen-Metapher entsprechend – darunterliegenden Bild auf. Beide fusionieren zu einer Einheit, die sich – zumindest unter Verwendung des motivischen Testbilds – nicht mehr in ihre Einzelteile zerlegen und folglich dekonstruieren lässt (vgl. Tab. 25, 1). 161 Bei Anwendung auf das neutralgraue Referenzbild III hingegen setzt sich der Rahmen farblich deutlich von der Vignettierung des Filtereffekts ab und lässt sich erneut komfortabel, d.h. automatisch via One-ClickAnwendung, freistellen (vgl. Tab. 25, 2). Ähnlich verhält es sich bei dem Bildrahmen des Filters Kelvin (vgl. Tab. 25, 3). Dieser ist komplett weiß, jedoch nur partiell opak, da der Außenbereich des Bilds durch die Rahmenleisten nicht komplett abgedeckt wird. Vielmehr finden sich unregelmäßig Durchbrüche sowie an der Innenkante eine semitransparente Verschattung. Selbst bei Verwendung des neutralgrauen Testbilds ist es nahezu unmöglich, den Rahmen verlustfrei aus dem Verbund des digitalen Kompositums zu isolieren (vgl. Tab. 25, 4). Die unregelmäßige und ausgefranste Beschaffenheit des Bildrahmens zitiert formal Emulsions- oder Kleberückstände, wie sie für das chemo-physikalische Trennbildverfahren von Sofortbildfilmen kenn160 Ebd., S. 128. 161 Für eine Farbversion von Tableau 25 vgl. Mat. 23.
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zeichnend sind, und verweist somit gleichsam auf den Objekt- wie Unikatstatus jenes fotografischen Abzugs. Indem sie ein Prinzip repräsentieren, sind auch die ‚cleanen‘, exakt geometrischen wie einfarbigen, offenkundig digital erzeugten Bildrahmen von Interesse. Als weitgehend abstrakte Bildelemente besitzen sie eine emblematische Funktion: Sie symbolisieren einen idealtypischen, auf seine formale Essenz reduzierten fotografischen Papierabzug und stellen derart insbesondere auf die Objektqualität prädigitaler fotografischer Medientechnologien ab. Tableau 25: Grafikfilter (1) „Lo-Fi“ (#9) und (3) „Kelvin“ (#19) mit zugehörigem Bildrahmen, angewandt auf motivisches Testbild; (2) Bildrahmen zu „Lo-Fi“, von neutralgrauer Testkarte freigestellt; (4) Bildrahmen von Kelvin, zur besseren Sichtbarkeit vor hellgrauem Hintergrund. Über die Funktion „Farbflächenauswahl“ (Toleranz: 111 %) anhand der neutralgrauen Testkarte ebenfalls in Adobe Photoshop freigestellt.
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3.3.2 Hipstamatic – Grafische Presets in disguise Wie bereits in Kapitel 3.2.2 und 3.2.3 herausgearbeitet, ist im Fall von Hipstamatic zum Zeitpunkt der Datenerhebung medienstrukturell kein Import von fremdgeneriertem Bildmaterial vorgesehen (vgl. Abb. 11). Im Unterschied zu Instagram zielt der Digital-Analog-Konverter Hipstamatic darauf ab, den chemophysikalischen, auf lichtempfindlichem Filmmaterial basierenden Bildentstehungsprozess möglichst glaubhaft digital zu imitieren. Um die hierzu nötige suggestive Wirksamkeit entfalten und die einmal geschaffene Illusion kontinuierlich aufrecht erhalten zu können, muss die Möglichkeit einer Fremdeinwirkung wie -störung auf ein Minimum reduziert werden. Ganz im Dienste der Simulationsleistung dissimuliert die systematische Abgeschlossenheit der Software deren faktische Digitalität. Obgleich Hipstamatic ebenfalls massiv in die aufgenommenen Bilddateien eingreift, kann der User selbst jene bildverändernden Prozesse weder direkt kontrollieren noch deren Resultat anschließend bei Bedarf anpassen. Die visuellen Effekte kommen in Hipstamatic bereits während der Aufnahme zum Tragen und ergeben sich aus einem komplexen Kombinationsspiel der drei modifizierbaren Parameter Linse, Film und Blitz. Bildbearbeitung findet folglich nicht nachträglich unter einer Vorschauansicht der Effekte in Echtzeit statt, sondern basiert auf Erfahrungswerten, die sich der Nutzer im Umgang mit der Software aneignen muss – zumindest dann, wenn er seine Aufnahmen unter formal-ästhetischen Gesichtspunkten im Rahmen des programmseitig Möglichen weitgehend souverän gestalten möchte. Folglich handelt es sich strukturell zwar um eine In-App-Bildbearbeitung; diese ist als solche jedoch nicht interaktiv, sondern läuft automatisch anhand zuvor getroffener Einstellungen ab. Als Schönheitsideal wie Darstellungsziel ist das Zufallsprinzip im Prozess der Bildentstehung Maxime, das jedweden kontrollierten bzw. regelgeleiteten Versuch, seine tatsächlichen algorithmischen Gesetzmäßigkeiten zu demaskieren, torpediert. In der Konsequenz lässt sich die an Instagram erprobte Methode, die Darstellung wie Analyse der visuellen Effekte unter Zuhilfenahme von monochromen Bilddateien, nicht ohne grundlegende Veränderung auf Hipstamatic übertragen. Aufgrund der medienstrukturell nicht vorhandenen Möglichkeit des Dateiimports bedarf es folglich eines physischen Referenzobjekts, das fotografischen Testreihen als Tertium Comparationis dient und somit als konstante Größe Vergleichbarkeit gewährleistet. Die vorangehende Analyse der Instagram-Grafikfilter konnte zeigen, dass die Verwendung eines figurativen Testbilds nicht zielführend ist. Mittels einer monochrom-abstrakten Farbfläche – insbesondere einer neutralgrauen Bilddatei – ist das gewünschte Resultat, die Bildgebung des jeweiligen visuellen Effekts
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‚in Reinform‘, deutlich leichter zu erzielen, da sich die ikonische Quintessenz der formalisierten ästhetischen Operationen, von einem etwaigen Motiv unverstellt, sichtbar machen und beurteilen lässt. An die Erkenntnis jener Methodenevaluation anknüpfend, dient der nachfolgenden Analyse ein farbgenormter, achromatischer Testkarton als instrumentelles Referenzbild. Wie im Beispiel des elektronischen Farbtestbilds wird auch in diesem Fall auf ein etabliertes, diesmal physisches Hilfsmittel des Farbmanagements zurückgegriffen: die GretagMacbethTM ColorChecker® Color Rendition Chart (vgl. Tab. 26, 1). Das gewählte Modell umfasst 24 Farbtöne, die in gleich großen Quadraten entlang eines vierzeiligen und sechsspaltigen Rasters angeordnet sind. Optisch durch ein schwarzes Passepartout vereinzelt, beinhaltet die Farbpalette die sechs Primärfarben (Rot, Grün, Blau, Cyan, Magenta, Gelb), farbliche Imitationen natürlicher Objekte sowie eine unbunte Grautreppe. 162 Als genormte Referenz dienen derartige Farbkarten dazu, eine abweichende Farbwiedergabe zu erkennen und zu verhindern – derart gewährleisten sie eine möglichst farbpräzise Reproduktion. Für die nachfolgende Analyse ist jedoch nicht die gesamte Karte, sondern lediglich die sechsstufige Grauskala in der unteren Zeile, insbesondere das Farbfeld neutral 5 mit der Nummer 22, von Interesse. Die Beschränkung auf eine einzige Testkarte ist der besagten, bereits an Instagram demonstrierten, Effizienz eines neutralen Grauwertes zur Visualisierung der ikonischen Effektbeschaffenheit verpflichtet. Als mittlerer Grauton – „[m]edium gray“ 163 – beschrieben, kommen die RGB-Werte von Nummer 22 (R: 122, G: 122, B: 121; vgl. Tab. 26, 2) 164 dem zur Analyse der Stilelemente des instagramesken Bildlooks verwendeten Referenzbild III (R: 128, G: 128, B: 128) am nächsten.
162 Vgl. McCamy, Cal/Marcus, Harold/Davidson, James D.: A Color-Rendition Chart, in: Journal of Applied Photographic Engineering (2) 3 (1976), S. 95-99. Online abrufbar unter: www.cis.rit.edu/~cnspci/references/mccamy1976.pdf. Vgl. hierzu auch: N.N.: Solving Color Reproduction Issues in Photography, Printing & Television for 40 Years, http://www.munsell.com, o.D., http://munsell.com/color-blog/ color-reproduction-photography-printing-television-40-years-colorchecker/. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. 163 McCamy, Cal/Marcus, Harold/Davidson, James D.: A Color-Rendition Chart, S. 96 (Table I. Color Names and Specifications). 164 sRGB-Werte stammen von Pascale, Danny: RGB Coordinates of the Macbeth ColorChecker, http://www.babelcolor.com vom 01.06.2006, http://www.babelcolor. com/index_htm_files/RGB%20Coordinates%20of%20the%20Macbeth%20ColorCh ecker.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Tableau 26: (1) „GretagMacbethTM ColorChecker® Color Rendition Chart“ (seit 2006 x-rite), Farbfeld Nr. 22 dient der Analyse von Hipstamatic als achromatische Referenzkarte; (2) in Photoshop angelegte JPG-Datei, Farbton entspricht dem sRGB-Wert von Nr. 22; (3) visuelles Resultat des abfotografierten Farbfeldes Nr. 22.
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Tableau 27: Linse „John S“ und Film „Blanko“ unter Verwendung vier verschiedener Blitzeinstellungen.
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Tableau 28: In Hipstamatic sind Rahmeneffekte an die Komponente „Film“ gebunden. Bildrahmen (1) „Blanko“, (2) „Ina’s 69“, (3) „Ina’s 82“ und (4) „Kodot XGrizzled“, zur besseren Sichtbarkeit auf dunkelgrauen Untergrund montiert; (5) Linse „Kodot XGrizzled“ und „John S“ auf Farbfeld Nr. 22.
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Obgleich sich die Farbe des Referenzobjekts exakt bestimmen lässt, verändert sich deren Farbeindruck dennoch zwangsläufig in Abhängigkeit zu den in der Testsituation jeweils vorherrschenden Lichtverhältnissen. Derart entsteht mitunter ein völlig anderer Farbeindruck, der als solcher jedoch nicht als Resultat eines softwarebasierten visuellen Effekts gelten kann, sondern auf unstete Umwelteinflüsse zurückzuführen ist. Um die Farbabweichungen während der Produktion der Testreihe so gering wie möglich zu halten, muss dementsprechend eine künstliche Lichtsituation geschaffen werden. Selbst wenn diese gewährleistet ist, fehlt immer noch die Möglichkeit eines Weißabgleichs zur Kalibrierung der iPhone-Kamera hinsichtlich der Farbtemperatur des Studiolichts. Hipstamatic bietet derartige Kontroll- bzw. Korrekturfunktionen ebenfalls nicht an, da sämtliche Aufnahmen bereits unmittelbar nach ihrer Entstehung die softwareseitige Effektmaschine durchlaufen haben. Eine farbidentische digitale Reproduktion des analogen Referenten lässt sich folglich weder mit der Kamera-Firmware des Testgeräts iPhone 5c noch mit Hipstamatic selbst anfertigen. Bereits im Bemühen, einen empirischen Versuchsaufbau zu konzipieren, zeigt sich der softwareseitige Widerstand, welcher auf die Konzeption von Hipstamatic als geschlossenes System hindeutet. In jenen Limitierungen spiegelt sich gleichsam die medienstrukturelle Verfasstheit der App. Hierbei handelt es sich folglich um ein Wesensmerkmal, wenn nicht gar das Kernprinzip von Hipstamatic, das sich folgelogisch auch in einer ‚Analogisierung‘ der Methode, im Hinblick auf das nunmehr stoffliche Referenzbild sowie die nicht vollends kontrollierbaren Aufnahmeparameter, niederschlägt. Die nachfolgende Versuchsreihe entstand ohne künstlich erzeugte Lichtverhältnisse bei Tageslicht. Unter Verwendung der proprietären Kamerasoftware von iOS 10.2 wurde die Referenzkarte zuvor fotografiert, um hierdurch ebenfalls einen Vergleichswert zu archivieren. Obgleich aufgrund des fehlenden Weißabgleichs nicht farbgetreu, ist jene digitale Referenz jedoch zumindest frei von den obligatorisch in Hipstamatic applizierten Stilisierungseffekten (vgl. Tab. 26, 3). In Hipstamatic basieren die formalen Ästhetisierungsprozesse auf einem kombinatorischen Prinzip – die abrufbaren visuellen Effekte resultieren aus der variablen Trias Linse – Film – Blitz. Wie sich den offiziellen Kurzbeschreibungen der einzelnen Komponenten entnehmen lässt, rotieren die Muster der schablonierten Bildeffekte dabei mitunter (vgl. Kap. 3.2.2). Um diese Variation, ihre Beschaffenheit sowie eine gegebenenfalls erkennbare Regelhaftigkeit analysieren zu können, ist es notwendig, mehrere Testbilder unter identischen Voreinstellungen anzufertigen. Im Vorfeld des anschließend dargestellten Erhebungsvorhabens wurden daher folgende Wiederholungen festgelegt: Vier Aufnahmen bei gleichbleibender Kombination von Film und Objektiv (ohne Blitz) sowie je
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sechs weitere Fotografien unter Hinzunahme von einem der drei auswählbaren Blitze. Um die Effekte der zwei verschiedenen Blitzmodi – (1) virtueller Blitzeffekt alleine und (2) in Kombination mit einem Auslösen des verbauten LEDBlitzes – darstellen zu können, werden pro Blitzeinstellung jeweils drei Aufnahmen erstellt. Die systematische Abarbeitung der innerhalb der Basisversion möglichen Kombinationen ergibt bereits 80 verschiedene Testbilder. 165 Im Zuge der bildlichen Darstellung der beiden Blitzmodi sowie einer etwaigen algorithmischen Randomisierung von schablonierten Bildeffekten bzw. -mustern erhöht sich deren Gesamtsumme auf 440. 166 Die ersten Konstanten der Versuchsanordnung sind der analoge Referent, das Farbfeld 22 auf der Color Chart, sowie dessen farbidentischer digitaler Nachbau im sRGB-Farbraum (vgl. Tab. 26, 2), der in Funktion einer idealtypischen Farbreproduktion in sRGB den visuellen Testergebnissen als Vergleichswert dient. Eine zweite fixe Größe wird durch Festlegung einer konstanten Programmfunktion definiert, mit welcher sich die verbleibenden, nunmehr variablen Komponenten von Linsen bzw. Filmen und Blitzen systematisch durchtesten lassen. Im ersten Durchgang fungiert Filmtyp Blanko, im zweiten Linse John S als gleichbleibender Parameter. Zur besseren Beurteilung der Bilddetails wurden sämtliche Einzelbilder mit der größtmöglichen Bildauflösung (1936 x 1936 Pixel; 68,3 x 68,3 cm bei 72 dpi) aufgenommen. Nachfolgend wird ein Ergebnistableau exemplarisch detaillierter beschrieben. Hieraus lassen sich bereits Erkenntnisse über die grundlegende Funktionsweise wie die zentralen Gestaltungselemente der drei stilbildenden Kategorien Linse, Film und Blitz ziehen. Deren gestalterische Variationsbreite wird anschließend anhand der Zusammenschau beschrieben 167 Wie sich der entsprechenden Übersichtsdarstellung entnehmen lässt, stattet das Effektpaar John S-Linse und Blanko-Film die aufgenommene Bilddatei mit einer irregulären Vignettierung aus (vgl. Tab. 27). Das Testbild gibt eine schmale, allumlaufende und tiefschwarze Umrandung am inneren Saum eines weißen Bildrahmens zu sehen, deren Farbigkeit ungleichmäßig zur deutlich aufgehellten Bildmitte hin ausblendet. Aufgrund der asymmetrischen Form sind die Bildecken unterschiedlich stark abgedunkelt. Weiterhin lässt sich eine starke Kör165 Fünf Linsen bzw. Objektive, vier Filme und vier Blitzeinstellungen (5 x 4 x 4 = 80) in Version 471. 166 22 Bilder pro Film setzen sich aus 4 (ohne Blitz) + 2 x 3 x 3 (verschiedene Blitzintensitäten; drei unterschiedliche Blitzarten; dreimaliges Auslösen mit gleichbleibenden Parametern) zusammen. 22 x 5 (fünf verschiedene Linsen) x 4 (vier unterschiedliche Filme) ergibt in Summe 440. 167 Vgl. hierzu die online verfügbaren Bildtableaus Mat. 25.1 und 25.2.
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nung ausmachen, welche die gesamte Bildoberfläche mit einer Struktur versieht. Mit Ausnahme der beschriebenen abgedunkelten Randbereiche nimmt ein unregelmäßig geformter, s-förmig geschwungener, großer Lichtfleck den Bildraum nahezu vollständig ein. Im Übergang zwischen hellen und dunklen Bildbereichen finden sich zudem vereinzelt kleine hellere Flecken. Neben der HellDunkel-Verteilung sticht die Farbveränderung deutlich hervor. Die gewählte Kombination ruft vibrierende, satte Farben im Spektrum von Gelb bis Grün mit einem dunklen Petrol- sowie einem zarten Rotton hervor. Betrachtet man die vier Testbilder in der obersten Zeile des entsprechenden Bildtableaus, die direkt nacheinander mit konstant bleibenden Parametern aufgenommen wurden, ist deren Heterogenität evident. Im Unterschied zur Programmierung der Grafikfilter in Instagram, die verlässlich immer denselben Effekt zeitigen, lassen sich unter diesen vier Aufnahmen keine zwei identischen ausmachen. Die sichtbare Form des Grafikeffekts dreht sich nicht einfach im oder gegen den Uhrzeigersinn, sondern wird zudem entlang der horizontalen wie vertikalen Bildachse gespiegelt. Auch die Gestalt des Lichtfleckes bzw. des hellen Bereichs in der Bildmitte sowie die Intensität der einzelnen Farbtöne variiert. Es handelt sich somit um unterschiedliche Einzelelemente, die qua algorithmischer Variation in der Funktion John S-Linse unabhängig voneinander angesteuert werden. Die serielle Aufnahme bestätigt mithin die These, dass die Bildbearbeitung in Hipstamatic nach gänzlich anderen Regeln abläuft, als dies in Instagram der Fall ist. Eine fixe Kombination von Effektkomponenten ist in der Lage, verschiedene Versionen und somit ästhetische Variationen zu generieren. 168 In Korrespondenz mit ihrer Beschreibung im Online-Handbuch von Hipstamatic, dem Hipstamatic Field Guide, intensiviert die Blitzfunktion Standard den Kontrast der Aufnahme. Demgegenüber addiert Dreampop einen länglichen Lichtfleck in der unteren Bildhälfte, dessen warmer Gelbton teils von orangenen, pinken wie auch weißen Farbeinsprengseln begleitet wird. Jene mehrfarbige Aufhellung variiert ebenfalls nach dem Zufallsprinzip in ihrer Intensität wie farblichen Zusammensetzung. Wie das mittlere Testbild der oberen Bildreihe demonstriert, ist jener Effektbestandteil dabei mitunter auch gar nicht aktiv. Im Fall von Dreampop gibt der Field Guide differenzierte Auskünfte über das Verhalten jener „color flares“: „Four patterns are provided: No flare, Subtle purple ‚bruise‘, Bright orange flare, Subtle purple ‚bruise‘ combined with a bright orange flare. The patterns provided do not rotate.“ 169 Die unter Einsatz der Blitzfunk168 Wollte man allerdings wirklich wissen, wie das genau vonstattengeht, müsste man mehr als vier Aufnahmen machen. Erst dann wird vermutlich eine Systematik durch Redundanzen, d.h. wiederkehrende Bilder, sichtbar. 169 Kap. 9, Txt. 17, S. 407; Herv. i.O.
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tion Cherry Shine entstandenen Testbilder weichen in ihrer Farbigkeit deutlich von jenem Grünton ab, der alle anderen Aufnahmen der Testreihe dominiert. Die dunklen, nahezu schwarzen Randbereiche sind nunmehr durch einen RotGelbstich aufgewärmt; der hellste Bildbereich ist demgegenüber blaustichig weiß und daher deutlich kühler als zuvor, während der unregelmäßig gesetzte Hell-Dunkel-Verlauf zwischen Petrol, Blau und Violett changiert. Die lapidare, einsilbige und vergleichsweise lieblos wirkende Beschreibung aus dem Hipstamatic Field Guide, dem zufolge die Softwarekomponente Cherry Shine die Farbigkeit der Aufnahme aufwärmt, lässt sich anhand des Testbilds nicht widerspruchsfrei belegen. 170 An die ausführliche Beschreibung der Kombination John S Linse und Blanko Film schließt nun eine kursorische Betrachtung sämtlicher Linsen-FilmPaarungen an, die innerhalb der Standardversion möglich sind. Wie oben beschrieben, wurden diese ebenfalls an allen verfügbaren Blitz-Funktionen und -modi durchgetestet. Der ersten Übersichtsdarstellung dient die John S Linse als konstante Programmfunktion bei wechselnder Filmkomponente. In der vergleichenden Zusammenschau lässt sich deutlich erkennen, dass sich die visuellen Effekte des bildverändernden Parameters Film auf das Applizieren einer Rahmenschablone beschränken. Sowohl Farbqualität und Kontrast als auch aleatorisch variierende Vignettierungen weisen keine nennenswerten Modifikationen auf (vgl. Mat. 25.1). Mit der Funktion Bildrahmen in Instagram vergleichbar, dient die Filmkomponente auch in diesem Fall als grafisches Suggestionsmittel der Medienmaterialität des, als Darstellungsideal anvisierten, filmbasierten fotografischen Abzugs. Im Unterschied zu Instagram wird die grafische Matrix des Bildrahmens in Hipstamatic algorithmisch durch Drehung und/oder Spiegelung moduliert. Die Variationsbreite an Rahmenformen ist mit Instagram vergleichbar (vgl. Tab. 28): Blanko bietet eine schmale, reinweiße Rahmenform an, die dank ihrer exakt geometrischen Ausführung ihre digitale Genese offenbart. Mit der anhängigen Jahresangabe in vergangene Jahrzehnte zurückdatiert, suggeriert die grafische Gestaltung der Bildrahmen von Ina’s 69 und Ina’s 82 auch formal verzeitlichende Alterungserscheinungen. 171 Diese fallen bei der 69er-Version erwartungsgemäß stärker aus: Durch unregelmäßig braun gefärbte Ecken wirkt die Rahmenform angeschmutzt und abgegriffen; auch der gesamte Farbton erinnert 170 Vgl. Kap. 9, Txt. 18, S. 408. Sollte der nebulöse Einzeiler mit dem Ausdruck „solar flare“ tatsächlich auf die Farbgebung einer Sonneneruption anspielen, ließe sich darüber mitunter der vielfarbige, entfernt an einen Regenbogen erinnernde, visuelle Effekt erklären. A.a.O. 171 Für eine Farbversion von Tableau 28 vgl. Mat. 24.
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an Gilb und weckt somit Assoziationen an ein gealtertes reales Objekt – ein fotografisches Relikt aus dem Jahr 1969. Ähnlich der Rahmenfunktion der Instagram-Filter Lo-Fi (#9) und Kelvin (#19) ist auch der Bildrahmen von Kodot XGrizzled durch seine unregelmäßig ausgefranste Kontur derart mit dem Gesamtbild verschränkt, dass er sich ebenfalls nur unbefriedigend, weil verlustreich, aus dem Bildverbund isolieren lässt. Wie an anderer Stelle ausgeführt, ist jenes Rahmenelement daher besonders geeignet, eine vorgängige physische Entität zu simulieren. 172 Bezüglich des Parameters Linse kann aus einer Zusammenschau der Testergebnisse geschlussfolgert werden, dass jenes bildverändernde Element in allen Fällen maßgeblich für die Farbtönung der Aufnahme verantwortlich ist (vgl. Mat. 25.2). Auch das bereits anhand von Instagram herausgearbeitete Stilelement der Hell-Dunkel-Gradation ist der Programmfunktion Linse zuzuordnen. Obgleich in unterschiedlicher Form und Intensität lässt sich bei allen fünf Linsenvarianten der Standardversion eine sichtbare Verlaufsform bzw. Vignettierung ausmachen; am deutlichsten tritt diese bei John S und Jane hervor. Buckhorst H1 ist die einzige der fünf Linsenoptionen, die formal materielle Qualitäten bzw. Spuren des zeitlichen Gebrauches suggeriert. Aufgrund ihrer filigranen Beschaffenheit lassen sich jene Zeichen am besten mithilfe eines leuchtenden Monitors (bzw. mit einem iPhone-Display), jedoch nur schwerlich mittels eines Papierausdrucks wahrnehmen. Erkennbar werden filigrane Streifen, Knicke, vereinzelte hellbraune Flecken unterschiedlicher Größe und Gestalt sowie eine unregelmäßig durchbrochene Aufhellung. In Form eines breiteren Streifens ragt diese vom Bildrand zur -mitte hin und erinnert formal an Klebeband, das den Bildträger bei seiner Ablösung beschädigt hat. Aus dieser Beobachtung lässt sich schließen, dass Oberflächenstrukturierungen ebenfalls Bestandteil der Softwarekomponente Linse sind. Wie auch bei den Grafikfiltern in Instagram basiert deren stilistische Bildformel somit ebenfalls auf der Trias Farbe, Vignettierungseffekt und Oberflächenstrukturierung. Die zusätzliche Komponente des Blitzes dient einerseits dazu, den externen Kamerablitz in die fiktionale Narration miteinzubeziehen. In Abhängigkeit zum ausgewählten Exemplar addiert sie andererseits weitere farbverändernde Effekte, die entweder nur Teile des Bilds betreffen (vgl. Dreampop) oder aber zu einer globalen Veränderung der Farbwerte führen (vgl. Cherry Shine). In Korrespondenz mit dem Simulationsanspruch des Digital-AnalogKonverters Hipstamatic besteht der signifikante Unterschied zu den GrafikPresets von Instagram in den qua Algorithmus randomisierten grafischen Matrizen. Bei jedem der drei Einzelelemente – Linse, Film, und Blitz – lässt sich phä172 Vgl. hierzu Kap. 3.3.1.
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nomenologisch eine Variationsbreite erkennen, die auf jene Implementierung des Zufalls verweist. Aus dem medienstrukturell als Apriori der Bildgenese aufgezwungenen kombinatorischen Prinzip, das die Festlegung von mindestens zwei Komponenten verlangt, ergibt sich in Summe bereits allein medienmateriell – d.h. ohne Motiv, kompositorische Anstrengungen oder andere zusätzlich individualisierende Faktoren – der Eindruck einer einzigartigen Aufnahme. 3.3.3 Visuelle Effektfilter als temporales wie temporäres „Ge-Schichte“ 173 – ein Fazit Im vorangehenden Kapitel wurden die Instagram-Grafikfilter anhand ihrer visuellen Effekte beschrieben, wie sie insbesondere auf Referenzbild III zutage treten. Als Softwarekomponente basieren diese auf programmierten, algorithmisch formalisierten Filteroperationen. Minimal wie allgemein definiert besteht die grundlegende Aufgabe eines Filters darin, bestimmte Aspekte einer Information oder eines Objekts in ihrem ursprünglichen Zustand zu modifizieren: So werden bestimmte Anteile minimiert bzw. eliminiert, während andere demgegenüber erhalten bleiben und/oder eine Intensivierung erfahren. Durch die Reduktion unwichtiger oder unerwünschter Bestandteile erhält und betont eine gelungene Filteranwendung den jeweils intendierten Bestandteil des Ausgangsmaterials. 174 Eine derartig selektierende Operation ist grundsätzlich intentional: Die Emphase einzelner Komponenten geht zulasten anderer und setzt daher eine Gewichtung der Einzelelemente im Hinblick auf die handlungsleitenden Absichten, die Bildintention im vorliegenden Fall, voraus. Als Instrumente der Selektion und Kontrolle üben Filter demnach eine paradigmatische Funktion innerhalb einer „Politik der Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit“ 175 aus.
173 Die orthografische Variation mit Bindestrich geht auf Aby Warburg und sein Modell der/des „Ge-Schichte [der Bilder]“ zurück, das auf der Vorstellung einer „‚achronologisch geschichteten Materie‘“ basiert. Schulz, Martin: Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bildwissenschaft, 2. überarb. und erw. Auflage, München 2009 [2005], S. 20; Herv. i.O. Zitiert wird Warburg, Aby: Einleitung (1929) in: Martin Warnke (Hg.): Aby Warburg. Der Bilderatlas MNEMOSYNE (= Aby Warburg. Gesammelte Schriften. Studienausgabe, Band 2.1), Berlin 2000, S. 3-6, hier S. 4. 174 Vgl. Heidenreich, Stefan: Form und Filter. Algorithmen der Bilderverarbeitung und Stilanalyse, in: zeitenblicke (#1) 2 (2003), http://www.zeitenblicke.de/2003/01/hei denreich/index.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 175 Holert: Bildfähigkeiten, S. 33; Herv. i.O.
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Der Einsatz des, in Anlehnung an das elektronische Farbtestbild entwickelten, Instrumentariums an abstrakten, einfarbig achromatischen Bilddateien schafft die nötigen Voraussetzungen für eine Darstellung des jeweiligen Effektfilters isoliert von dessen – in der Medienpraxis üblichen – Anwendung auf ein figuratives Ausgangsbild. Wie bereits in der Ergebnisdarstellung ausführlich beschrieben, bildet sich dieser semantische Kern des jeweiligen Grafikfilters besonders deutlich auf dem neutralgrauen Testbild ab. Die vergleichende Analyse der Ergebnisse eröffnet Einsichten in strukturelle Gemeinsamkeiten wie Unterschiede jener ‚ikonischen Essenzen‘, aus denen sich anschließend ein Bauplan der Instagram-Effektfilter und ihrer signifikanten Stilmittel ableiten lässt. Das nachfolgend vorgestellte Schichtenmodell (vgl. Abb. 13) visualisiert eine konzeptuelle Segmentierung jener Substratbilder 176; letztlich präsentiert sich eine qua Instagram bearbeitete Bilddatei immer als Unität bzw. kohärentes Bildensemble aus Effektschablone und Aufnahme. Die grafische Darstellung orientiert sich dabei an dem Vorstellungsbild übereinander gestapelter Transparentfolien, das Adobe als didaktisches Hilfsmittel zum Nachvollzug der in Photoshop Version 3.0 eingeführten Ebenen-Funktion entwickelt hat – ein topologisches Modell, das dazu dient, die Logik digitaler Bildlichkeit zu veranschaulichen. Die diagrammatisch als tiefenräumlich geschichtet dargestellten einzelnen Bildelemente bzw. -ebenen werden in der ideellen Draufsicht zu einer zweidimensionalen Bilddatei aufsummiert. 177 Den Ergebnissen zufolge besteht ein schabloniertes Preset zur InstantBildbearbeitung in Instagram idealtypisch aus zwei Grundbestandteilen: (1) dem eigentlichen Grafikfilter sowie (2) einer Rahmenform, die entsprechend der dreidimensionalen Konzeption des Ebenenmodells obenauf positioniert wird. Deren Verwendung ist optional, allerdings – dies indiziert auch das im Schaubild verwendete Kettensymbol – ist der Einsatz des global wirksamen, d.h. die gesamte Bildfläche betreffenden Grafikfilters vorgängig. Ein Rahmenelement kann somit 176 Der gewählte Terminus referiert bewusst auf eine abstrakte Bildserie des deutschen Fotografen Thomas Ruff, dessen künstlerisches Vorgehen der eingeführten Methodik nicht unähnlich ist. Ruff zerlegt den figürlichen Referenten seiner großformatigen Substrate, Abbildungen aus Mangas, per Bildbearbeitungssoftware so lange in seine Einzelteile „bis eine psychedelisch strömende Flut von ineinander verschwimmenden Farben aus dem eigentlichen, digitalen Ursprungsmotiv freigesetzt wurde, die den leeren Kern des Bildes gleichermaßen offenbarten und kaschierten.“ Kröner, Magdalena: Form, Fragment, Formation. Aktuelle Tendenzen der Abstrakten Fotografie, in: Sven Drühl (Hg.): Neue Abstraktion (= Kunstforum International, Band 206), Köln 2011, S. 107-121, hier S. 108 f. 177 Vgl. hierzu Kap. 2.1.1 sowie Abb. 3.
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weder alleine stehen noch beliebig mit anderen Grafikfiltern kombiniert, sondern lediglich in Addition zum visuellen Effekt eines spezifischen Filters appliziert werden. Interpretieren muss man die Stilmittel Grafikfilter und Rahmen folglich als formal-ästhetisches Ensemble. Abbildung 13: Schematische Darstellung der instagramesken Stilmittel „Grafikfilter“ und „Bildrahmen“, deren gestaltgebender Komponenten sowie Hierarchisierung; visualisiert in Anlehnung an das topologische Ebenenmodell von Adobe Photoshop.
Das Kompositum Grafikfilter basiert grundlegend auf der abgebildeten hierarchischen Schichtung dreier Stilelemente: (a) Farbe, (b) Vignettierung und (c) Struktureffekte, welche die aufgenommene Bilddatei beispielsweise durch die Überlagerung mit Störeffekten oder Körnung optisch an den anvisierten Filmlook des analogen Darstellungsideals anpassen. 178 Zentrales stilprägendes Element ist hierbei die Farbveränderung, die sämtliche Grafikfilter initiieren. Vignettierung und strukturgebende dekorative Effekte sind wiederum aneinandergebunden; ohne Hell-Dunkel-Abstufung keine formale Suggestion von Oberflächentextur. Aus der Anwendung eines Grafikfilters nebst etwaigem Bildrahmen resultieren – der Ebenen-Metapher entsprechend – mehrschichtige, aus vorgefertigten 178 Die Ergebnisse korrespondieren mit dem informatischen Vorgehen des Softwareentwicklers Changneng Chen, der auf Quora eine detaillierte mathematische Rekonstruktion der Instagram-Filter vorlegt. Chen hackt deren Funktion mithilfe von 255 monochromen Bildern, angelegt in allen Grautönen des RGB-Farbraums und leitet daraus den zugrunde liegenden Algorithmus ab. Vgl. Chen, Changneng: How Does Instagram Develop Their Filters, http://www.quora.com vom 05.05.2012, http:// www.quora.com/Instagram/How-does-Instagram-develop-their-filters/answer/Chang neng-Chen (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Einzelelementen zusammengesetzte Bilddateien bzw. Komposita. Wie die vorangehende Analyse zeigen konnte, stellen der präfigurierte Grafikfilter und die hierin formalisierten visuellen Effekte eine eigene, in sich abgeschlossene und somit autonome Bildebene dar, die mit einem ebenfalls eigenständigen Eingangs- bzw. Ausgangsbild im Prozess der In-App-Bildbearbeitung zu einer polysemen ikonischen Einheit verschmilzt. Somit überlagern sich nicht nur mindestens zwei separate Bilder, sondern folgelogisch auch deren anhängige Konnotationen. Wie bereits in Kapitel 3.2.1 unter Rekurs auf eine Studie von Hochman und Manovich ausgeführt, ist Instagram nicht nur auf Ebene der Medienstruktur durch ein paradoxes Zeiterleben gekennzeichnet; kraft der visuellen Adaption von Stilelementen prädigitaler fotografischer Verfahren amalgamieren die instagramesk zugerichteten Bilder ebenfalls multiple Zeitebenen. Die bereits medienstrukturell beobachteten temporalen Paradoxien korrespondieren folglich mit dem softwarespezifischen Bildprogramm. Indem sich die Grafikfilter der untersuchten Programmversionen 3.4.1 und 4.3.1 stilistisch an der Optik analoger fotografischer Abzüge und somit an der historischen Kulturtechnik des chemophysikalischen Bilds orientieren und diese qua One-Click-Anwendung der gerade getätigten, soeben noch gegenwärtigen digitalen Aufnahme applizieren, ziehen sie in selbige gewissermaßen eine weitere Zeitebene ein. Als künstliche Patinierung ist diese Ver-Zeitlichung zwar lediglich ein leicht zu durchschauender Oberflächeneffekt, nichtsdestotrotz führt sie zu einer manifesten Veränderung des Ausgangsbilds, die im Hinblick auf dessen Bildwirkung auch nicht folgenlos bleibt. Unter Einbezug des zitierten fotografischen Vor-Bilds handelt es sich bei jenem qua Grafikfilter nachbearbeiteten mobilen digitalen Bild um ein paradoxes zeitliches Gebilde: Mit Präsens und Vergangenheit enthält es zwei gegenläufige und sich daher gegenseitig ausschließende Zeitebenen. Die Zeitform des Präsens findet sich auf Ebene der gegenwärtig getätigten Aufnahme, deren kommunikativer Reiz Ullrich zufolge im Kontext von Instagram gerade in einem unmittelbaren Live-Erlebnis liegt. 179 In situ teilbar sind Bilder heutzutage, maßgeblich dank Instagram, somit präsenter denn je. Zur Ästhetisierung dieser produktionsseitigen ‚Sofortbilder‘ bietet die App jedoch schablonierte Bildstile an, die einerseits durch Rekurs auf vergangene Bildästhetiken, andererseits durch die grafische Simulation materieller Blessuren eine Ver-Zeitlichung des Bilds vornehmen. Auf Ebene des Grafikfilters wird dieses imperfekt im doppelten Wortsinne: Sein Aufnahmezeitpunkt wird optisch rückdatiert und re-materialisiert; durch die künstlich aufgebrachten Versehrungsspuren wird es als Überbleibsel einer vergangenen Zeit inszeniert – als etwas Überliefertes und daher durch sein zeitliches Überdauern Beschädigtes. Während das Präsens singuläre Qualität besitzt, 179 Vgl. Ullrich: Die Rückkehr der Aura in der Handy-Fotografie, o.S.
206 | Der Instagram-Effekt
die Aufnahme in diesem einmaligen, nicht wiederholbaren Moment, handelt es sich bei dem Modus der Vergangenheit eher um eine Potentialität im Plural: Abhängig vom applizierten Grafikfilter lässt sich das soeben aufgenommene Bild anhand des gewählten Bildstils in eine der algorithmisch als idealtypische Repräsentation formalisierten Dekaden rückdatieren. Das entstehende polyseme Kompositbild ist hierbei immer nur eine unter mehreren möglichen Variationen. Die in Instagram implementierte Klaviatur an präfigurierten Bildstilen und Medieneffekten vereinfacht und popularisiert die durch Photoshop etablierte Vorstellung des digitalen Bilds als beliebig gestaltbares Kompositum (vgl. Kap. 2.1.1) und verweist damit paradigmatisch auf die Konfigurierbarkeit von Kultur 180. Als „‚material for [filter; K.G.] action‘“ 181 ist das aufgenommene oder importierte digitale Bild Ausgangs- bzw. Arbeitsmaterial einer sich in der Praxis zeitgenössischer mobiler Alltagskommunikation selbstverständlich anschließenden Bildbearbeitung. Somit ist es offen für zusätzliche Bedeutungsebenen, die sich abhängig von der intendierten Bildaussage und dem Funktionsumfang der verwendeten Software beliebig und immer wieder anders applizieren lassen. Transformiert in die digitale Form einer Rastergrafik bzw. Bitmap werden vormals verschiedene physische Materialien auf eine identische Datenstruktur vereinigt. Jene Medienkonvergenz, welche die Digitalität ermöglicht, ist nach Manovich Voraussetzung für zwei grundlegende, aufeinander basierende ästhetische Operationen von Mediensoftware – Selektion und Compositing: „They work in tandem: One operation is used to select elements and styles from the ‚database of culture‘; another is used to assemble them into new objects.“ 182 Das mobile digitale Bild bekleidet folglich den Status eines potentiellen Polysems und ist demnach durch eine Poetik der Offenheit gekennzeichnet. 183 180 Vgl. hierzu Sinnreich, Aram: Mashed Up. Music, Technology, The Rise of Configurable Culture, Amherst/Mass. 2010. 181 Ann Swidler zit. n. Koch: Empirische Kulturanalyse in digitalisierten Lebenswelten, S. 191. „Culture provides the materials from which individuals and groups construct strategies of action.“ Swidler: Culture in Action, S. 280; Herv. K.G. 182 Manovich: The Language of New Media, S. 141; Herv. i.O. Beide Operationen, Compositing und Selektion, seien für computerbasierte Autorschaft kennzeichnend. Mit Pastiche und Zitation unterstützten sie darüber hinaus zwei substantielle künstlerische Strategien der Postmoderne. Vgl. ebd., S. 142. 183 Vgl. Eco, Umberto: Das offene Kunstwerk, Frankfurt a.M. 1973. Eco selbst bezieht jene Poetik auf die Werke aus den Bereichen Literatur und Kunst. Verkürzt dargestellt, vollendet sich das offene Kunstwerk durch Zutun der Betrachtenden, d.h. im individuellen Rezeptionsprozess. Übertragen auf das mobile digitale Bild erfährt
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Es besitzt keine feste oder endgültige Form, sondern steht als Rohmaterial einem freien semiotischen Kombinationsspiel zur Verfügung. Jene konzeptionelle Veränderung wie auch die Selbstverständlichkeit der Bildbearbeitung spiegelt sich gleichsam in der Weiterentwicklung der werkseitig installierten Kamerasoftware internetfähiger Mobilgeräte. Mit Update des proprietären mobilen Betriebssystems auf iOS 7 im September 2013 führt Apple die Funktion realtime image filters ein. 184 In Form einer Liveansicht visualisiert ein neues Untermenü der Kamera-App hierbei gleichzeitig neun verschiedene stilistische Templates. Die Verwendung von darstellungsverändernden, realitätsverzerrenden Filtern ist, so ließe sich hieraus schlussfolgern, zumindest im Bereich mobiler elektronischer Bilderzeugung zwischenzeitlich breitenwirksam zum fotografischen Apriori avanciert. Bei der vergleichenden Betrachtung von jenem Kamera-Menüfenster in zwei verschiedenen proprietären mobilen Betriebssystemen, iOS (Apple) und EMUI 5.0 (Huawei), fällt auf, dass die gewählten Namen zur sprachlichen Charakterisierung jener ‚Live-Filter‘ konzeptionell grundverschieden sind (vgl. Tab. 29). Verweist die Namensgebung im Fall des deutschsprachigen iOS explizit auf das chemo-physikalische fotografische Referenzsystem (z.B. Prozess, Transfer oder Sofortbild), stehen der formal-ästhetischen Beschaffenheit der einzelnen Filterschablonen in EMUI deutlich abstraktere Konzepte Pate. iOS, so suggeriert zumindest die Namenswahl, zielt auf die schematische Nachbildung vorgängiger Medientechnologien wie deren -ästhetik (vgl. Tab. 29, 1). Jene Imitationen von tradierten Bildformeln des technischen Bilds orientieren sich dementsprechend am Konzept der Mimesis. Im Gegensatz dazu stellt EMUI neun stilistische Schablonen zur Verfügung, die offenkundig Abstrakta wie Nostalgie, Kindheit, sentimental oder Einfluss in bildfähige Formeln überführt haben (vgl. Tab. 29, 2). Die Fotofilter versprechen folglich, verlässlich die angekündigte Bildwirkung zu evozieren.
selbiges erst im herstellerseitig einkalkulierten und medienstrukturell implementierten Schritt der Postproduktion seine explizit vorläufige, weil beliebig remodulierbare, individuelle Vollendung. 184 Ihre Verwendung ist an bestimmte Gerätemodelle des Herstellers, iPhone 5 oder neuere, gebunden. Bei älteren iPhone-Generationen lassen sich die Filter erst nachträglich, im Zuge der Postproduktion, anwenden.
208 | Der Instagram-Effekt
Tableau 29: Menübildschirm der neun auswählbaren „realtime photo filter“ in (1) iOS – Version 10.2 und (2) EMUI 5.0 (Android 7.0), der Androidbasierten mobilen Firmware des chinesischen Elektronikherstellers Huawei.
Abgeschlossen wird dieses Zwischenfazit mit einem Blick auf den signifikantesten Unterschied zwischen den visuellen Testergebnissen von Instagram und Hipstamatic. Dieser besteht in der algorithmischen Implementierung eines Zufallsprinzips. Selbst wenn sich Hipstamatic-Nutzer vorab mit den spezifischen bildverändernden Grafikeffekten der einzelnen Parameter befassen und, derart in Kenntnis über deren Charakteristika, diese intentional miteinander kombinieren, bleibt aufgrund der aleatorisch rotierenden, teilweise auch gänzlich inaktiven Effektmuster immer ein Rest Ungewissheit. Das Bildergebnis entzieht sich folglich der Kontrolle; in Anbetracht der hochästhetisierten wie planvoll inszenierten populären Bildpraxen im Kontext von Social Media eine gänzlich unübliche Erfahrung. Indem mit Hipstamatic kein aufgenommenes Bild dem anderen gleicht, ließe sich auch von dem gleichsam utopischen Versuch sprechen, Unikate im Digitalen zu erzeugen. Indizien hierfür finden sich, wie bereits gezeigt wurde, im Konzept der Medienstruktur, insbesondere im Hinblick auf deren künstlich eingezogene Limitierungen (v.a. der fehlenden Importfunktion), sowie in der
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soeben genannten Randomisierung der formal-ästhetischen Stilelemente, deren Variationsreichtum sich durch die Fülle an zukaufbaren Add-ons ins geradezu Unüberschaubare erweitern lässt. Das firmenseitige Interesse am Unikatstatus des fotografischen Mediums wird auch durch Rekurs auf DirektpositivVerfahren wie die Ferrotypie oder Fotofix-Automaten (emuliert in den herstellereigenen Apps Tintype wie IncrediBooth) evident.
4
Remediation – Perspektivierung auf die medialen Vor-Bilder Polaroid und Lomografie „[…] [P]redecessors [in the same medium or art] must influence successors. Even when their effect is negative, it serves as a simulant.“ 1 „There is simply no transcoding and transference without transformation.“ 2
Analoge technische Bilder wie Fotografie und Film, Massenmedien und zentrale Kulturtechniken des 20. Jahrhunderts, sind im Zuge der Digitalisierung weitgehend, wenn nicht gar vollends, aus der Praxis alltäglicher Bildproduktion verschwunden. Für die Generation der Digital Natives, welche die weitaus größte Gruppe der Instagram-Nutzer 3 stellen, wirken mechanische, auf Filmmaterial basierende Fotoapparate eher wie eine aus der Zeit gefallene Kuriosität. Umso bemerkenswerter ist die Persistenz analoger fotografischer wie filmischer Aufnahmeverfahren, die speziell im Bereich des digitalen Bilds ein reges und vielgestaltiges kulturelles Nachleben führen. Als Idee und visuelles Schema ist insbesondere die Sofortbildtechnik offenkundig ungebrochen ein vitaler ästhetischer Bestandteil des zeitgenössischen Bildrepertoires: In Form des sogenannten, qua digitaler Bildbearbeitung erzeugten, ‚Retro‘- oder Polaroid-Looks überdauert sie im Virtuellen. 4 1
Kroeber, Alfred Louis: Style and Civilizations, Ithaca/NY 1957, S. 32; Herv. i.O.
2
Boomen: Transcoding the Digital, S. 20.
3
Vgl. FN 69 (Kap. 1).
4
Vgl. hierzu auch Buse, Peter: The Camera Does the Rest. How Polaroid Changed Photography, Chicago/London 2016, S. xiii sowie Bonanos: Instant, S. 162 ff.
212 | Der Instagram-Effekt
Wie die vorangehende multiperspektivische Analyse von Hipstamatic und Instagram zeigen konnte, rekurrieren beide Fallbeispiele auf vordigitale Medientechnologien, schreiben deren Bildästhetik und -praktiken fort. Als zentraler Orientierungspunkt dienen hierbei spezifische chemo-physikalische fotografische Verfahren, die auf unterschiedliche Weise zitiert werden. Im Fall von Hipstamatic fungiert die Anfang der 1990er Jahre aufkommende, zunächst subkulturell verortete, später zunehmend kommerzialisierte fotografische Bewegung der Lomografie als signifikante Referenz. So finden sich einerseits implizit Parallelen in der Argumentation des Werbetexts, welcher gerade die Unkalkulierbarkeit der fotografischen Resultate als Darstellungsideal auslobt, garantiere doch speziell jene Autonomie des Mediums ästhetisch ansprechende Aufnahmen (vgl. Kap. 3.1.1). Evident wird die Vorbildfunktion der Lomografie andererseits jedoch insbesondere in der grafischen Gestaltung des Softwareicons, das in Farbe und Form frappierende Analogien zum Gehäusedesign der LOMO LC-A erkennen lässt. Mit dem Wortbestandteil instant nimmt Instagram demgegenüber bereits im Markennamen Bezug auf das fotografische Verfahren der Sofortbildtechnologie, das aufgrund seiner umfassenden Patentierung bis heute exklusiv 5 mit einem Konzern, der Polaroid Cooperation, und dessen Warensortiment assoziiert wird. Die Perspektivierung medienhistorischer Vorläufer auf den Forschungsgegenstand ermöglicht eine Bestimmung von Unterschieden bzw. Gemeinsamkeiten. Mithilfe jener komparatistischen Vorgehensweise lässt sich, so die Annahme, der innovative Gehalt der jüngeren Kulturtechnik ermitteln. Hierbei wird grundlegend davon ausgegangen, dass das Veralten einer Technologie nicht zwangsläufig mit dem Verschwinden ihrer kulturellen Form einhergeht, vielmehr erfahren bereits existierende Praktiken durch technologische Innovationen eine Veränderung, d.h. sie bestehen in modifizierter Form fort. 6 Einerseits integriert die elektronische Datenverarbeitung traditionelle Medien und synthetisiert diese in der Meta-Medien-Maschine Computer zu neuartigen Medienhybriden, andererseits reproduzieren sich anachronistisch gewordene Medientechniken im Digitalen. Das binär konzipierte Begriffspaar analog/digital bildet folglich keine Opposition, vielmehr sind die spezifischen „Ausdrucks- und Kommunikationsformen […] zu einem sich wechselseitig bestärkenden Gegen5
Einzige Ausnahme ist der bis heute produzierte Sofortbildfilm Fujifilm Instax der japanischen Firma Fuji. Vgl. hierzu Bonanos: Instant, S. 131 f.
6
Vgl. hierzu auch Buse, Peter: Polaroid into Digital. Technology, Cultural Form, and the Social Practices of Snapshot Photography, in: Continuum. Journal of Media & Cultural Studies (#24) 2 (2010), S. 215-230. Online abrufbar unter: http://usir.salford. ac.uk/18795/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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und Ineinander geworden.“ 7 Einer Argumentation Yvonne Spielmanns folgend, begreift die anschließende Analyse das Verhältnis zwischen digitalen und analogen fotografischen Verfahren dementsprechend nicht als Bruch, sondern als Dialektik: „Folglich geht es bei einem Strukturvergleich von ‚alten‘ und ‚neuen‘ Medien, von analog und digital hergestellten Bildern, um die Zusammenhänge von Kontinuitäten und Diskontinuitäten und nicht um Ablösung oder Aufhebung. Im Zentrum stehen Fragen der Transformation von und durch Medien und der Figuration solcher Prozesse in Medienbildern, nicht so sehr die Phänomene der Kopräsenz.“ 8
Für jenes Phänomen der Repräsentation eines vorgängigen Mediums in einem anderen prägen Jay David Bolter und Richard Grusin den Begriff Remediation. In ihrem gleichnamigen Standardwerk aus dem Jahr 1999 stellen die Autoren weiterhin die These auf, dass derlei Bezugnahmen nicht nur für die aufkommenden digitalen, sondern für sämtliche Medientechnologien seit der Renaissance grundlegend seien: „Media are continually commenting on, reproducing, and replacing each other, and this process is integral to media. Media need each other to function as media at all.“ 9 „Digital visual media can best be understood through the ways in which they honor, rival, and revise linear-perspective painting, photography, television, and print. […] What is new about new media comes from the particular ways in which they refashion older media and the ways in which older media refashion themselves to answer the challenges of new media.“ 10
7
Bruhn, Matthias et al.: Formschichten, S. 9.
8
Spielmann, Yvonne: Schichtung und Verdichtung im elektronischen Bild, in: Yvonne Spielmann/Gundolf Winter (Hg.): Bild – Medium – Kunst, München 1999, S. 59-75, hier S. 60; Herv. i.O.
9
Bolter, Jay David/Grusin, Richard: Remediation. Understanding New Media, Cambridge/Mass. 1999, S. 55. Charakteristisch für den untersuchten Phänomenbereich, die in den 1990er Jahren aufkommende Digitaltechnik, aus dessen Analyse die Autoren ihr Konzept der Remediation entwickeln, sei eine inhärente Doppelstruktur, d.h. ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen medialer Unmittelbarkeit (immediacy) und Hypermedialität (hypermediacy). Vgl. ebd., S. 5 f.
10 Ebd., S. 15.
214 | Der Instagram-Effekt
Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, kann ein Bild zudem nicht losgelöst von seiner konstituierenden kulturellen Bildpraxis interpretiert werden (vgl. Kap. 2). Diese methodische Weisung gilt Peter Buse zufolge in besonderem Maße für den Phänomenbereich der – selbst nunmehr digitalen – Schnappschuss- bzw. Amateurfotografie 11, in deren Tradition sich die beiden Apps mit Reminiszenz an Polaroid und Lomografie selbst verorten. Folglich besteht die Absichtserklärung von Kapitel 4 darin, jene expliziten medialen Vor-Bilder genauer in den Blick zu nehmen, um derart intermediale Transkriptionen identifizieren und bewerten zu können. Es gilt insbesondere, die algorithmisch in der Softwarefunktion Grafikfilter formalisierten visuellen Schemata an die jeweils referenzierten Bildformeln und deren kulturelle Konnotationen rückzubinden. Hinsichtlich des fotografischen Mediums Polaroid ist die wissenschaftliche Literaturlage umfassend. Im Folgenden dient vor allem Peter Buse als Gewährsmann. Seine zahlreichen Veröffentlichungen sind wesentliche Grundlage für die äußerst komprimierte Darstellung der Sofortbildtechnologie und ihrer Spezifika. 12 Besondere Beachtung finden hierbei die medienstrukturellen wie -ästhetischen Charakteristika, die medienspezifischen sozialen Praxen und Präsentationsformen. Im Vergleich zu Polaroid wird Lomografie im Rahmen der vorliegenden Arbeit ausführlicher behandelt. Dies hat gleich mehrere Gründe: Zunächst fällt das Ergebnis an einschlägigen Publikationen mit gerade mal zwei Monografien 13 relativ mager aus und lässt daher weiteren bzw. vertiefenden Forschungsbedarf erkennen. Als historisch jüngere fotografische Bildpraxis, die selbstbewusst den 11 Vgl. Buse: Polaroid into Digital, S. 12 (Seitenzahl der PDF-Version). 12 Die ausführlichste Zusammenschau der historischen Entwicklung – Gründung, Welterfolg und Niedergang des Polaroid-Konzerns – liefert Bonanos. Vgl. Bonanos: Instant. Für den deutschsprachigen Raum ist insbesondere der Sammelband Polaroid als Geste hervorzuheben, dessen Autoren signifikante kulturelle Gebrauchsweisen des Sofortbilds schlaglichtartig beleuchten. Vgl. Meike Kröncke/Barbara Lauterbach/ Rolf F. Nohr (Hg.): Polaroid als Geste – über die Gebrauchsweisen einer fotografischen Praxis, Ostfildern-Ruit 2005. 13 Vgl. Chen, Tsai-Ying: The Lomo Way of Taking Pictures. Snapshot Photography and Culture Industry, Masterthesis, National Central University Taiwan, Taiwan 2001. Online abrufbar unter: http://ir.lib.ncu.edu.tw:88/thesis/view_etd.asp?URN=87122009 sowie Shadwell, Dan: Soliciting User Participation. A Critical Investigation of Lomography Users in an Online Economy, MA Dissertation, University of Brighton, Brighton 2011. Online abrufbar unter: http://www.academia.edu/1195546/Soliciting_ ser_participation_A_critical_analysis_of_Lomography_users_in_an_online_economy. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018.
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Anspruch formuliert, etablierte Konventionen im Bereich der Amateurfotografie zu subvertieren, stellt die Lomografie bereits eine Reaktion wie Weiterverarbeitung des Sofortbilds dar. Innerhalb der von Lomografen anvisierten filmbasierten Amateurfotografie kann das weitgehend automatisierte Massenmedium Polaroid neben Kodak als weltmarktführend gelten. Demnach mag es kaum verwundern, dass das lomografische Warensortiment mit der Produktreihe Lomo’Instant zusätzlich zum 35-mm-Kleinbild- und Mittelformatfilm auch die Sofortbildfotografie assimiliert. 14 Ihr nunmehr 25-jähriges Bestehen und der finanzielle Erfolg weisen die Lomografie als zeitgemäße Neuauflage historischer Kameramodelle und chemo-physikalischer Fototechniken aus dem Bereich der Schnappschussfotografie aus. Zudem oszilliert die Werbestrategie beständig zwischen Kunstform, Ideologie und Kommerz und kann daher als konsumästhetischer Idealtyp gelten. In beiden Fällen steht der eingetragene Name sowohl für eine Marke, ein spezifisches fotografisches Verfahren und die hierdurch erzeugten Bilder sowie für eine bestimmte Art der fotografischen Praxis – die polaroide bzw. lomografische Geste. Aufgrund ihrer jeweils patentrechtlich abgesicherten, marktdominierenden Stellung fungieren jene generischen Markennamen nicht nur als Gattungsbegriff für eine bestimmte Gruppe an Konsumobjekten, in der kulturellen Vorstellung sind sie gleichermaßen mit einer spezifischen Kulturtechnik verknüpft.
4.1 POLAROID Im Kontext der vorliegenden Arbeit muss ein historischer Abriss über Entwicklung wie Niedergang des US-amerikanischen Polaroid-Konzerns im Allgemeinen sowie des fotografischen Sofortbildverfahrens im Speziellen notwendigerweise unvollständig bleiben. Die nachfolgenden Absätze dienen daher vorrangig dazu, vereinzelte signifikante Begebenheiten schlagwortartig zu erwähnen. Für eine umfassende Darstellung der Konzerngeschichte sei insbesondere auf die Monografie von Christopher Bonanos verwiesen. 15
14 Als Filmmaterial dient der von Fuji entwickelte und bis heute produzierte Fujifilm Instax. Vgl. bspw. die Produktreihe Lomo’Instant Wide, https://shop.lomography.com/ en/cameras/lomo-instant-wide, sowie Lomo’Instant Automat, https://shop.lomogra phy.com/en/cameras/lomo-instant-automat. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. 15 Vgl. Bonanos: Instant.
216 | Der Instagram-Effekt
Die Polaroid Cooperation ging 1937 den Land-Wheelwright-Laboratories hervor, die Edwin H. Land fünf Jahre vorher zusammen mit George Wheelwright zur Vermarktung der von ihm erfundenen Polarisationsfolie J-sheet ins Lebens gerufen hatte. Jene grundlegende Forschungsausrichtung des Konzerns auf die naturgesetzlichen Eigenschaften des Lichts und deren Manipulation sowie die hieraus entwickelten physikalischen Untersuchungen und Erkenntnisse sind nach Einschätzung von Daniel Gethmann konstitutiv für die spätere Erfindung der Sofortbildtechnologie. 16 Im Zuge des Zweiten Weltkriegs wurde die Firma komplett in die USamerikanische Kriegsindustrie integriert. In seiner ausführlichen Aufarbeitung der Firmenhistorie zeichnet Gethmann die lukrative Zusammenarbeit des Jungunternehmens mit dem US-Militär nach. Mit seiner firmeneigenen Entwicklungsabteilung habe Polaroid wesentlich zur grundlegenden Überarbeitung und Erweiterung militärischer Wahrnehmungstechnologien beigetragen. Besonders hervorzuheben sei ein von Polaroid entwickeltes stereoskopisches Luftaufklärungsverfahren, Vectography genannt, das in kürzester Zeit standardmäßig in den Flugzeugen der US-Armee verbaut wurde und die Forschung auf dem Gebiet der Fototechnik initiiert habe. Um bürgerliche Märkte zu erschließen, sei die ursprüngliche Kriegstechnologie Ende der 1940er Jahre in zivile Medientechnik transformiert worden. Wie Gethmann betont ist jene duale Nutzbarkeit der Technologie wesentlich für die Polaroid-Produkte. 17 Seine Hochzeit erlebte der Konzern in den 1970er Jahren mit Einführung der SX-70-Technologie. Die günstige Polaroid OneStep aus dem Jahr 1977, deren Gehäusedesign dem Instagram-Logo als grafische Referenz dient, avancierte Anfang der 1980er Jahre zum weltweit meistverkauften Kameramodell. Zu dem Zeitpunkt war Polaroid bereits zu einem Weltkonzern aufgestiegen und hatte sich neben Kodak global als zweitgrößter Hersteller von fotografischem Equipment im Amateurbereich etabliert. 18 Kurz nach der Jahrtausendwende sah sich die Polaroid Corporation gezwungen, Konkurs anzumelden. Im Jahr 2005 wurde sie vom Großkonzern Petters Group Worldwide aufgekauft, welcher den traditionsträchtigen Namen Polaroid hauptsächlich zum Vertrieb von LCD16 Vgl. Gethmann, Daniel: Das Prinzip Polaroid, in: Meike Kröncke/Barbara Lauterbach/Rolf F. Nohr (Hg.): Polaroid als Geste – über die Gebrauchsweisen einer fotografischen Praxis, Ostfildern-Ruit 2005, S. 44-65, hier S. 45. 17 Vgl. ebd. S. 54 ff. Das Medium Sofortbild bestätigt dementsprechend die These Friedrich Kittlers, der zufolge Medien „Missbrauch von Heeresgerät“ seien und genealogisch auf einer funktionalen Verwendung basierten, die erst später diskursiv werde. Kittler: Grammophon, Film, Typewriter, S. 149. 18 Vgl. Buse: Polaroid into Digital, S. 5 f.
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Fernsehern und DVD-Playern nutzt. Im Februar 2008 wurde die Produktion von Sofortbildfilm endgültig eingestellt und das letzte verbleibende Werk im niederländischen Enschede geschlossen. 19 Die Gründer des dänisch-österreichischen Start-ups Impossible Project kauften die Fabrikanlage noch im selben Jahr, entwickelten in Ermangelung überlieferter Formeln ihren eigenen Sofortbildfilm und nahmen die Produktion mit den verbliebenen Originalmaschinen wieder auf. Seit 2014 stellen sie weltweit den einzigen Sofortbildfilm im Polaroid-Originalformat her. 20 Mit Erwerb der entsprechenden Lizenzrechte der Marke Polaroid durch den Mehrheitseigner der Impossible-Aktien Wiaczeslaw Smolokowski fand im September 2017 eine Umbenennung in Polaroid Originals statt. 21
19 Vgl. Buse, Peter: The Polaroid Image as Photo-Object, in: Journal of Visual Culture (#9) 2 (2010), S. 189-207, hier S. 193. Online abrufbar unter: http://journals.sagepub. com/doi/pdf/10.1177/1470412910372754 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Vgl. hierzu auch Bonanos: Instant, S. 160. 20 Vgl. https://eu.impossible-project.com/pages/about-us sowie Morscher, Mathias: Der Retter des Polaroids, https://kurier.at vom 22.03.2013, https://kurier.at/kultur/impossi ble-project-der-retter-der-polaroids-im-interview/6.286.653. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. Die Produktpalette umfasst hierbei Schwarzweiß- und Farbfilm für Polaroid Type 600-, SX-70- und Image-/Spectra-Kameras ebenso ein eigenes Sofortbild-Kameramodell, die Impossible I-1. Ein Film der Marke Impossible beinhaltet acht Aufnahmen und kostet circa 20 €, womit er für einen hochfrequenten Gebrauch absolut ungeeignet, weil zu kostenintensiv ist. Der nahezu verdoppelte Verkaufspreis für das Filmmaterial ergänzt den symbolischen Wert um einen faktisch monetären und steigert diesen. Sofortbildfotografie ist heutzutage eine verschwenderisch luxuriöse Tätigkeit und knüpft damit an den exklusiven Status der ersten Polaroid-Kameras an. Vgl. hierzu auch Kap. 4.1.1. 21 Jener Relaunch des Unternehmens ging mit einer Neuauflage des ikonischen Kameramodells OneStep einher. Vgl. Schellhase, Anne: Polaroid Originals. OneStep 2 Sofortbildkamera. Aus The Impossible Project wird Polaroid Originals, https://www. fotomagazin.de/ vom 14.09.2017, https://www.fotomagazin.de/technik/news/polaroidoriginals-onestep-2-sofortbildkamera (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
218 | Der Instagram-Effekt
4.1.1 Das Polaroid-Prinzip – ‚Pictures-in-a-minute‘ und ‚One-step-photography‘ Aufgrund des in der vorangehenden Einleitung kursorisch dargestellten primären Verwendungszweckes des Sofortbildverfahrens als militärischer Ausrüstungsgegenstand lag die größte Priorität bei dessen Entwicklung, wie Gethmann erläutert, sowohl auf „eine[r] Verringerung der Zeitdifferenz zwischen Bilderfassung und Bildauswertung“ 22 als auch auf einer „möglichst hohen Vereinfachung der Erfassung jedes visuellen Objekts, was sowohl aus bildkompositorischer wie aus bildverarbeitender Sicht gilt.“ 23 Demnach wurden die semiotischen Repräsentationsqualitäten des fotografischen Bilds, die Ähnlichkeit zwischen fotografischem Abbild und realem Referenten, dem Ideal maximaler Effizienz der fotografischen Bildproduktion untergeordnet. Durch jene konzeptionelle Schwerpunktsetzung auf Schnelligkeit und vollautomatische Abläufe mit dem Ziel größtmöglicher Komplexitätsreduktion, d.h. der „rigorosen Vereinfachung der Handhabung“ 24, finde ein Transfer „militärischer Technikprinzipien auf künstlerische Medientechnik statt.“ 25 Diese spezifische Hierarchisierung der technischen Eigenschaften, d.h. die Vernachlässigung der Abbildgenauigkeit zugunsten der Unmittelbarkeit der fertigen Aufnahme und somit der Verfügbarkeit des Bilds, kontrastiert Gethmann zufolge mit dem (foto-)realistischen Darstellungsideal sämtlicher fotografischer Anwendungen der damaligen Zeit und sei daher innovatives Alleinstellungsmerkmal des Polaroids – „Schnelligkeit, Größe, Bildauflösung und Haltbarkeit des Fotos bildeten in dieser Reihenfolge die wesentlichen Kriterien der Entwicklungsarbeit [des Sofortbildfilms; K.G.].“ 26 Die Verortung der Forschung an einem Sofortbildverfahren im Kontext optischer Technologien für den militärischen Einsatz erkläre darüber hinaus die Konstruktionsweise des Filmmaterials, dessen Aufbau einem fotografischen survival kit gleiche: „Ein Polaroid-Bild ist insofern ein […] kleines Fotolabor, denn auf ihm verläuft der Prozess des Entwickelns und des Umkopierens auf ein Positiv. Das Besondere dabei ist die Reagenzpaste, die anfänglich vor jedem Positiv in einer Stanniolkapsel untergebracht war
22 Gethmann: Das Prinzip Polaroid, S. 58. 23 A.a.O. 24 Ebd., S. 60. 25 A.a.O. 26 A.a.O.
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und sich auf Walzendruck beim Herausziehen des Polaroids zwischen Positiv und Negativ verteilte.“ 27
Unter dem Namen Polaroid Land Modell 95 kam 1948, drei Jahre nach Kriegsende, die erste Sofortbildkamera auf den US-amerikanischen Verbrauchermarkt. 28 Ausschließlich in hochpreisigen Warenhäusern erhältlich, besaß jener initiale zivile Gerätetyp den Status eines exklusiven Konsumobjekts. Obgleich unter Experten, beispielsweise in fotografischen Fachzeitschriften, als Spielzeugkameras deklassiert (vgl. Kap. 4.4), waren die ersten Polaroid-Kameras Luxusgüter, deren Besitz vor allem symbolischen Wert hatte und eine bestimmte Klassenzugehörigkeit signalisierte. 29 Ungeachtet des strukturell mit Luxus unvereinbaren Prinzips industrieller Massenproduktion inszenierte der Konzern seine Ware laut Buse erfolgreich als ‚Simulakrum des Luxuriösen‘ 30. In diesem Zusammenhang stelle auch das Vorurteil von Polaroid als Spielzeug kein Stigma dar, vielmehr unterstreiche jene Verortung im kindlichen Dinguniversum den herstellerseitig intendierten mondänen Charakter: Frei von Produktionszwängen ist eine Beschäftigung mit Spielsachen Selbstzweck; das Gadget Polaroid symbolisiert demzufolge finanzielle Potenz, die den Luxus einer ins Erwachsenenalter verlängerten Kindheit ermöglicht. 31 Die von Polaroid verfolgte Marketingstrategie orientierte sich bei Markteintritt im Übrigen an jener der Eastman Kodak Company, die ihre Rollfilmkameras bereits Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Slogan „You press the button, we do 27 Ebd., S. 61; Herv. i.O. 28 Vgl. Buse, Peter: Surely Fades Away. Polaroid Photography and the Contradictions of Cultural Value, in: Photographies (#1) 2 (2008), S. 221-238, hier S. 4 (Seitenzahl der PDF-Version). Online abrufbar unter: http://usir.salford.ac.uk/18774/3/busephotogra phies3.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 29 Vgl. ebd., S. 13 f. sowie Bourdieu, Pierre: Kult der Einheit und kultivierte Unterschiede, in: Ders. et al. (Hg.): Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie, Frankfurt a.M. 1981, S. 25-84. Insbesondere im Vergleich zu Boxkameras wie der Kodak Brownie war das Polaroid-Modell für Amateurfotografen unverhältnismäßig teuer. 30 „[S]imulacrum of luxury“ im engl. Originaltext. Buse, Peter: Surely Fades Away, S. 14. 31 Vgl. ebd., S. 14 f. Eine ähnliche Strategie verfolgte Polaroid bei der Vermarktung der SX-70-Kamera: Das Gehäuse wurde mit Rindsleder verkleidet; es gab Sondereditionen; u.a. Buse zufolge waren die hochpreisigen Modelle der SX-70 für den Konzern finanziell jedoch nicht rentabel, so dass in der Folge immer billigere Kameramodelle lanciert wurden. Vgl. a.a.O.
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the rest“ bewarb und Frauen wie Kinder als primäre Zielgruppe anvisierte. 32 Dieser auf patriarchalen Strukturen gründenden Logik entsprechend, adressierte die Polaroid Land Modell 95 insbesondere die Figur der amerikanischen Mutter; ihre Handhabung hatte aus diesem Grund vor allem einfach, in Lands Worten „‚mother-proof‘“ 33, zu sein. Wie Buse weiterhin darlegt, wurde die Zielgruppe der Frauen und Kinder in besonderem Maße als Gradmesser für die Benutzerfreundlichkeit von (Kamera-)Technik verstanden. Als Personifikationen des technischen Laienstandes gegenüber einem ausschließlich männlich wie erwachsen gedachten Expertentum habe ihr fotografischer Erfolg die niedrigschwellige Handhabung des Apparats garantiert. 34 Den Ausführungen von Buse zufolge nahmen findige Journalisten, welche über die neue Polaroid-Kameratechnik und das Sofortbildprinzip berichteten, auf den weithin bekannten Werbespruch von Kodak Bezug. 35 Auf diese Weise wurden die beiden konkurrierenden Konzerne nicht bloß in Beziehung zueinander gesetzt, die redaktionelle Abänderung der zweiten Satzhälfte hob zudem prägnant die signifikante Innovationsleistung des Sofortbildverfahrens hervor: Im Unterschied zum etablierten Prozess der Bildentstehung im angepeilten Marktsegment der Amateurfotografie, bei dem die Filmentwicklung durch professionelle Fotolabore vorgenommen wurde, war die von Polaroid konzipierte Sofortbildkamera nun erstmals in der Lage, den gesamten Prozess der Bildgenese nahezu autonom zu vollziehen: „You Press the Button and the Camera Does the Rest.“ 36 Indem das Sofortbildverfahren derart externe Labore überflüssig werden ließ, demokratisierte es die Schöpfungsmacht – auch der technisch aufwändige Prozess der Farbfilmentwicklung 37 konnte somit in der Hand der Foto32 Vgl. ebd., S. 12. 33 Ebd., S. 11; Herv. i.O. Zitiert wird Wensberg, Peter: Land’s Polaroid. A Company and the Man Who Invented It, Boston 1987, S. 92 34 Vgl. a.a.O. Mit Einführung der SX-70 wandte sich Polaroid von dieser geschlechtsspezifischen Marketingstrategie ab. Der Mann war nicht länger in seinen technischen Kenntnissen der Frau überlegen, sondern dank weitgehend selbsttätigem Apparat als Experte gänzlich überflüssig geworden. Vgl. ebd., S. 12. 35 Vgl. a.a.O. 36 A.a.O.; Herv. K.G. Vgl. auch Slater, Don: Consuming Kodak, in: Jo Spence/Patricia Holland (Hg.): Family Snaps. The Meaning of Domestic Photography, London 1991, S. 49-59. 37 Anfang der 1960er Jahre entwickelte Polaroid den ersten Trennbild-Farbfilm namens Polacolor, der aufgrund seiner natürlichen Wiedergabe von Hauttönen und der kurzen Entwicklungszeit von gerade mal zwei Minuten äußerst erfolgreich war. Vgl. Roberts, Pamela: 100 Jahre Farbfotografie, London/Berlin 2007, S. 147.
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grafen bleiben. Mit jener Emanzipation von einer zwischengeschalteten Instanz ging zugleich die Befreiung des Bildinhaltes von der öffentlichen Zensur einher, wodurch die Verwendung des Polaroid-Verfahrens intimere, mitunter pornografische Aufnahmen von tabuisierten Sujets beförderte und bildlichen Zugriff auf bislang schwer zugängliche Motive, Szenen und Milieus ermöglichte. 38 Die Sofortbildfotografie schließt die temporale Lücke zwischen der Belichtung als dem Moment der Bildentstehung und seiner anschließenden Entwicklung, so dass nahezu unmittelbar nach Bedienen des Auslösers ein fertiges Positivbild in physischer Form vorliegt. Jene mit dem Werbeslogan „Pictures-in-aminute“ 39 beworbene Geschwindigkeit der Bildwerdung ist Buse zufolge eine genuine Eigenschaft des Polaroids. 40 Neben dem augenblicklichen Erscheinen des Bilds ist dessen vollautomatische, selbsttätige Genese und somit die konsequente Vereinfachung der fotografischen Bildproduktion kennzeichnend für die polaroide „‚one-step‘-photography“ 41. Zudem existiert kein verwertbares Negativ und somit auch keine Möglichkeit der konventionellen fotografischen Reproduktion zur Herstellung multipler Abzüge – jedes Polaroid ist ein Unikat. 42 4.1.2 Das Polaroid als Bild-Objekt und visuelles Schema: Die SX-70-Technologie Bis heute kann der SX-70 als bekanntester und kommerziell erfolgreichster Sofortbildfilm der Firma Polaroid gelten. 43 Hierbei handelt es sich um den ersten Integralfilm des Konzerns, der 1972 zusammen mit der gleichnamigen Kamera auf den Markt kam. Die verbauten Linsen sowie das Belichtungssystem waren für Porträtaufnahmen optimiert. Der Apparat selbst wiederum ließ sich in wenigen Schritten auf ein handliches Format zusammenfalten und wurde hierdurch zum portablen Begleiter. 44 Während die Handhabung des Trennbildfilms bei der
38 Vgl. Guibert, Hervé: Phantom-Bild. Über Photographie, Leipzig 1981, S. 114 sowie Buse, Peter: Polaroid into Digital, S. 18. Buse verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die enge Verbindung zwischen Sofortbildfotografie und Prominenten. Vgl. Buse: The Polaroid image as Photo-Object, S. 193. 39 Buse: Polaroid into Digital, S. 16. 40 Vgl. ebd., S. 4. 41 Edwin Land zit. n. a.a.O. Vgl. Land, Edwin: A New One-Step Photographic Process in: Journal of the Optical Society of America (#37) 2 (1947), S. 61-77, hier S. 62. 42 Vgl. Buse: Polaroid into Digital, S. 13. 43 Vgl. ebd., S. 5 f. 44 Vgl. Roberts: 100 Jahre Farbfotografie, S. 165.
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Bildentwicklung noch einige Aufgaben 45 für den Fotografen bereit hielt, konnten diese Arbeitsschritte bei der SX-70-Technologie eliminiert werden. Durch die Erfindung des einstufigen Integralverfahrens 46, das Negativ und Positiv auf einem Bildträger vereint, gelang es Polaroid, die notwendigen manuellen Schritte im Prozess der Bildgenese auf ein Minimum zu reduzieren. Die Interaktion zwischen Fotograf und Kamera beschränkt sich nun auf das Einlegen des Films und das anschließende Betätigen des Auslösers. In der Folge wirft die Kamera automatisch einen weiß umrandeten Bildträger aus, auf dessen Bildfläche sich daraufhin sukzessive ein Positiv entwickelt. Hatte Edwin Land die SofortbildKameratechnik der Polaroid Land Camera 95 im Jahr 1947 noch als „‚onestep‘-photography“ 47 beworben, realisierte der Konzern mit der Entwicklung des Integralfilmverfahrens bereits 25 Jahre später das forschungsleitende Ideal der „‚absolute one-step‘ photography“ 48 und somit maximale Komplexitätsreduktion durch Automatisierung der chemo-physikalischen Bildentwicklung. 49 Die Ikonografie von Polaroid wird bis in die Gegenwart in erster Linie von den formalen Spezifika des kleinformatigen SX-70-Integralfilms geprägt, dessen signifikantestes optisches Charakteristikum der umlaufende weiße Bildrahmen darstellt. 50 Der SX-70, welcher zusammen mit seinem Nachfolger Type 600 zum populärsten Filmmaterial der Polaroid-Produktpalette zählt, hat ein unverkennbares Format: Die fotografische Aufnahme selbst ist quadratisch, während der Bildträger mitsamt dem umlaufenden weißen Rahmen ein hochformatiges
45 Hierzu zählten das manuelle Stoppen der Filmentwicklung nach Ablauf der angegebenen Entwicklungszeit durch Öffnen der Kamerarückseite, die Entnahme des Filmmaterials und händische Trennung des Abzugs vom Negativ. 46 Alle zur Bildentwicklung nötigen Komponenten sind in das Filmmaterial integriert, das sich unter den jeweils vorherrschenden Lichtverhältnissen entwickeln lässt. Im Prozess der Bildentstehung wird das Negativ unwiederbringlich zum Positiv. Bezüglich des Aufbaus eines SX-70-Polaroids, das aus siebzehn verschiedenen chemischen Schichten besteht, vgl. Buse, Peter: 40,000 Roses – or the Perversity of Polaroid, in: Mary-Kay Lombino (Hg.): The Polaroid Years. Instant Photography and Experimentation, New York [u.a.] 2013, S. 32-53, hier S. 37. 47 Land: A New One-Step Photographic Process, S. 62 zit. n. Buse: Surely Fades Away, S. 4; Herv. i.O. 48 A.a.O; Herv. i.O. 49 Vgl. hierzu auch Buse: Polaroid into Digital, S. 5. 50 Vgl. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 190.
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Rechteck bildet. 51 Jene Rahmenkonstruktion resultiert aus einer technischen Notwendigkeit, realisiert sie die Anwendbarkeit der selbsttätig ablaufenden fotochemischen Prozesse. Der einseitig breitere Rand ermöglicht es, den Chemikalienbehälter unauffällig in den Bildträger zu integrieren, während die allseitige Rahmung das Auslaufen der beim Entwicklungsprozess freigesetzten Flüssigkeiten verhindert. Die breitere Seite gewährleistet ein sicheres Hantieren mit dem Polaroid, das an dieser Stelle gefahrlos angefasst werden kann. Indem er die Bildfläche derart begrenzt, fungiert der Rahmen formal als Passepartout. Zudem determiniert er die Bildgröße und gibt die quadratische Konfektionierung des Bildausschnitts vor. Der breitere Abschnitt an der Bildunterseite wird überdies häufig zur Beschriftung der Aufnahme verwendet (z.B. Titel, Datierung, Widmung, Signatur usw.). Jedoch ist der Rahmen weder im eigentlichen Sinne Bestandteil des fotografischen Bilds noch fügt er diesem a priori, d.h. fabrikseitig bzw. im unbeschrifteten Zustand, weitere Informationen hinzu. Seine Existenz ist primär pragmatischen Erwägungen geschuldet und legitimiert sich durch die spezifische technische Konstruktion des Integralfilms. Streng genommen handelt es sich hierbei nicht um eine Bild-, sondern um eine produktionsbedingte, (medien-)ästhetische Objektkomponente, d.h. ein Element des Filmmaterials bzw. des materiellen Bildträgers. Obgleich für die fotografische Abbildung als solche unerheblich, ist das Polaroid Peter Buse zufolge jedoch ohne seinen Rahmen nicht länger als Sofortbild zu identifizieren, seine technisch-medialen Spezifika gingen verloren. 52 Um diese These zu fundieren, verweist Buse auf einen stillschweigenden kulturellen Konsens, der sich bei der Digitalisierung von Sofortbildern beobachten lasse. Beim Transfer eines Polaroids in den elektronischen Code einer Rastergrafik 53 werde der Bildrahmen obligatorisch mitdigitalisiert: „[I]f it [the Polaroid; K.G.] is scanned to reduce its three-dimensionality to electronic code, invariably the frame is scanned as well, in a tacit acknowledgement that the instant photo is irreducible to its image alone.“ 54 Diese Konvention verdeutliche die besondere, für die Wiedererkennbarkeit geradezu unaufkündbare Verbindung des polaroiden Bilds mit seinem Bildträger 51 Die Gesamtgröße eines Polaroids vom Typ SX-70 beträgt 10,7 x 8,8 cm, das eigentliche Bildformat der darin eingepassten Fotografie ist quadratisch und misst 7,9 x 7,9 cm. 52 Vgl. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 190. 53 Dies geschieht beispielsweise durch Einscannen der Aufnahme. 54 Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 190. Ebenfalls denkbar wäre eine Beschneidung des Bilds durch Freistellen der eigentlichen fotografischen Abbildung von ihrem technisch notwendigen Bildrahmen.
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– auch eine digitale Repräsentation des Polaroids lasse sich folglich nicht auf das fotografische Bild allein reduzieren. Das Polaroid sei daher simultan Bild und physisch konkretes Objekt, ihm eignen zugleich skulpturale wie piktorale Qualitäten. 55 Hiermit ist eine Eigenschaft beschrieben, die zunächst kein Alleinstellungsmerkmal darstellt, sondern auf alle fotografischen Abbildungen zutrifft, insofern sich diese mit einem spezifischen physischen Trägermaterial zu einer festen Bild-Objekt-Einheit verbinden und hierdurch ebenfalls jene dinghaft materielle Qualität besitzen. Der Polaroid-spezifische, fundamentale Unterschied gegenüber anderen chemo-physikalischen fotografischen Verfahren gründet vielmehr auf der verwendeten Positivtechnik. Im Zuge des chemischen Entwicklungsprozesses wird das Negativ unwiederbringlich in ein Positiv transformiert, wodurch das Sofortbild einzig im Singular existiert und sich der pluralisierenden Logik der technischen Reproduzierbarkeit entzieht. 56 Seine Existenzweise ist das Original, daher kann das Polaroid weder befriedigend vervielfältigt noch vergrößert werden. In der Sofortbildfotografie verschmelzen Bild und Trägermaterial untrennbar zu einem materiellen Unikat. Wie Buse argumentiert, widersetzen sich jene Singularität und der daraus resultierende besondere Objektcharakter einer adäquaten digitalen Transformation. Da die Sofortbildtechnik nicht auf Reproduzierbarkeit fuße, sei dieser widerständige, nicht konvertierbare Rest ungleich größer als bei anderen negativbasierten fotografischen Verfahren. 57 Im Feld der technischen Bilder teile das Polaroid derartige Reproduktionsbeschränkung lediglich mit der Daguerreotypie, Ferrotypie und Ambrotypie. Demzufolge sei die Polaroid-Technik gewissermaßen ein Rückgriff auf fotografische (Edeldruck-)Verfahren des 19. Jahrhunderts. Buse bezeichnet jene technologische Rückschrittlichkeit – das bewusste Abweichen von der etablierten Norm, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts auf dem Negativ basiere – wertfrei als Perversion. 58 Durch die konzeptionell verkomplizierte bzw. verunmöglichte Vervielfältigung einer fotografischen Aufnahme pervertiert das Sofortbildverfahren ergo den Wesenskern technischer Bilder. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Bildästhetik wie technisches Verfahren integrale Bestandteile der kollektiven Vorstellung ‚Polaroid‘ sind. 55 Vgl. Buse: Polaroid into Digital, S. 21. 56 Aufgrund des Bedarfs von professionellen Fotografen an einem Negativfilm entwickelte Polaroid den 1961 eingeführten Type 55. Für den Bereich der Amateur- bzw. Schnappschussfotografie, den weiterhin ausschließlich das Positivverfahren dominierte, blieb jener Filmtyp jedoch ohne Bedeutung. Vgl. ebd., S. 22 (FN 8). 57 Vgl. ebd., S. 21. 58 Vgl. Buse: 40.000 Roses – or the Perversity of Polaroid, S. 37 f.
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Die fotografische Technologie muss zwingend erkennbar sein, um jedwede Repräsentation des Sofortbilds als solche identifizieren und von anderen fotografischen Aufnahmeverfahren unterscheiden zu können. Derart unverzichtbarer Bildbestandteil wird die apparative Konstellation auch im Digitalen obligatorisch mitzitiert. Der umlaufende Bildrahmen erfüllt hierbei eine emblematische Funktion und garantiert die Wiedererkennbarkeit des Mediums Polaroid. Im Unterschied zu anderen Medientechniken zielt das Polaroid offenbar nicht in demselben Maße auf Transparenz ab. 59 Vielmehr scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Die mediale Verfasstheit ist deutlich zu erkennen, ja geradezu obligatorische Ingredienz des Ikons Polaroid. Buse weist darauf hin, dass der in seinen Proportionen unverkennbare weiße Bildrahmen des Polaroid-Films SX-70 bzw. Type 600 ein erstaunliches Nachleben im Digitalen, insbesondere in der Werbung, führe. 60 Belegen lässt sich jene Beobachtung exemplarisch mithilfe einer Google-Bildersuche unter Eingabe des unspezifischen Stichwortes „Polaroid“. Deren Ergebnisse bestätigen zum einen, dass der umlaufende Bildrahmen tatsächlich sämtliche digitalen Repräsentationen eines Polaroids kennzeichnet (vgl. Abb. 14) und derart als integraler Bestandteil der Polaroid-Ikonografie, wenn nicht gar als deren symbolisches Konsistenzminimum, gelten kann. Anhand der in der Ergebnisübersicht verkleinert dargestellten Bilddateien zeigt sich zum anderen deutlich die Dominanz eines bestimmten Filmmodells, der erwähnte SX-70 bzw. Type 600, das in Form einer digitalen bzw. digitalisierten Schablone idealtypisch das Medium Polaroid repräsentiert.
59 Im Unterschied zu den klassischen Bildmedien (Malerei, Druckgrafik usw.) eint die technisch erzeugten, bewegten wie unbewegten Bilder (Fotografie, Film wie Video) die Disposition, ihre immanente Subjektivität, Selektivität und folglich auch die damit einhergehende Konstruktion von Wirklichkeit zu verschleiern bzw. zu negieren. Durch ihre vermeintliche Nähe zur ‚Realität‘, welche auf ihrer indexikalischen Zeichenklasse fußt, suggerieren sie vielmehr, dass sie diese eins zu eins abbildeten. Als Repräsentation von Wirklichkeit verleugnet das fotografische Medium folglich die Aspekte seiner Inszenierung und beruft sich durch seinen dokumentarischen Charakter auf ein vermeintliches Authentizitätsprimat: „[D]ie Technizität des Mediums als dem ältesten der ‚Neuen Medien‘ […] [steht in einem spannungsreichen Verhältnis zu den] Strategien der Verleugnung seiner Technizität.“ Amelunxen, Hubertus von: Von der Theorie der Fotografie 1980-1995, in: Ders. (Hg.): 1980-1995 (= Theorie der Fotografie. Eine Anthologie, Band 4), München 2000, S. 11-22, hier S. 18. 60 In seinem Artikel nennt Buse exemplarisch Werbekampagnen von National Rail, Peugeot, Manchester Tourist Board, Virgin Megastore u.a. Vgl. Buse: Polaroid into Digital, S. 21 f.
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Abbildung 14: Screenshot der ersten Ergebnisse zum Suchbegriff „Polaroid“ in Google (Ausschnitt).
Abbildung 15: Visuelles Template eines idealtypischen Polaroids als Vorlage zur digitalen Weiterverarbeitung.
Unter dem Titel Instant photo paper (Single polaroid raised shadow.jpg) zeigt die aufgrund ihrer Repräsentativität als Fallbeispiel gewählte digitale Bilddatei ein Polaroid besagten Filmtyps vor weißem Hintergrund (vgl. Abb. 15). Auffällig an der Darstellung ist zweierlei: Durch die Positionierung des Bildobjekts, diagonal im Bildraum sowie hinten erhöht, und die suggerierte Lichtführung wirft dieses einen deutlichen Schlagschatten, der die Plastizität und somit Objektqualität des modellhaft dargestellten Sofortbilds betont. Die quadratische
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Bildfläche weist eine homogene Schwärzung auf. Jener Kontrast zwischen Bildrahmen und -innenfläche erleichtert das softwaregestützte Einfügen einer weiteren Bilddatei und somit die digitale Bildmontage. Die Reduktion auf markante Eigenschaften mit hohem Wiedererkennungswert ermöglicht es, das Bezeichnete zu identifizieren. Die digitale Schablone bzw. das visuelle Schema Polaroid zielt hierzu offenbar insbesondere auf die Suggestion einer materiellen Entität. Jene Beobachtung kongruiert mit Buses Interpretation des Sofortbilds als Bildobjekt, dessen Medialität und insbesondere Materialität im Unterschied zu anderen fotografischen Verfahren von besonderer, ja substantieller Bedeutung sei. Nach der von Buse vorgeschlagenen Lesart seien jene digitalen Doubles Symbol für die Fotografie als physisches Objekt. Um materielle Qualitäten des digitalen Bilds zu simulieren, eigne sich keine fotografische Technik besser als das Polaroid mit seinem Objektcharakter: „[T]hey want us to see their images as if they were singular material objects and not just bits of code. […] The simulated border is, therefore, a kind of compensation for the absence of the photo as tangible and tactile.“ 61 Nat Trotman attestiert dem Polaroid ebenfalls eine einzigartige Materialität, eine besondere Dichte, physische Tiefe und Präsenz, die es grundsätzlich von anderen Schnappschussmedien unterscheide. Das Polaroid verfüge über einen Innenraum, der eine viskose ätzende Masse beherberge, die das eigentliche Bild erzeuge und bei unsachgemäßer Handhabung, beispielsweise beim Aufschneiden eines Polaroids, austreten könne. 62 Die auslaufende Entwickleremulsion deutet Trotman als Symbol für die Physis des Polaroids und dementsprechend dessen Verletzbarkeit: „‚[…] [T]hese photographs can be wounded, violated. Their frame protects and preserves them like clothing around a vulnerable body.‘“ 63 61 Ebd. S. 22. Die Objektkomponente eines jedweden fotografischen Abzugs, der materielle Überschuss, den der Bildträger generiert, sei als Supplement des Bilds von besonderer Bedeutung. Bezugnehmend auf bildtheoretische Überlegungen Mitchells, führt Buse das Schweigen des fotografischen Bilds und die inhärente Dialektik von Mangel und Begehren als Gründe für die Relevanz der materiellen Qualitäten einer Fotografie an. Seiner Auffassung zufolge weist jedes Bild einen strukturellen Mangel auf, welcher im Fall des Polaroids mittels seiner herausgehobenen Dinghaftigkeit als einzigartiges Objekt gemindert, im besten Fall sogar kompensiert werde. Gemäß dieser Interpretation sei das Polaroid zugleich taktiles Foto-Objekt wie Foto-objet a im Sinne Lacans. Vgl. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 192. 62 Vgl. Trotman, Nat: Polaroid – The Life of the Party. The Polaroid SX-70 Land Camera and Instant Film Photography, in: Afterimage (#29) 6 (2002), S. 10 zit. n. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 190. 63 A.a.O. zit. n. ebd., S. 190.
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In der praktischen Auseinandersetzung mit dem Bildmedium sei dessen taktile Qualität, wie Trotman hervorhebt, von zentraler Bedeutung: „[…] [U]sers shake the print, scratch it, write on it, or bend its flexible surface between thumb and forefinger […].“ 64 Speziell die materielle Beschaffenheit des Integralfilms scheint für experimentelle künstlerische Herangehensweisen prädestiniert. Während des, mehrere Minuten andauernden, Entwicklungsprozesses lassen sich so beispielsweise die noch feuchten Farbstoffe unterhalb der versiegelnden Mylarschicht verformen; eine Materialeigenschaft, die sich insbesondere der Performancekünstler und Fotograf Lucas Samaras in seiner Serie Photo-Transformations (1973-76) zunutze machte. 65 Wie Buse beschreibt, veränderen sich durch diese manuelle Einwirkung Farbe und Struktur des Bilds, das derart eine malerische Anmutung erhalte: „[…] [F]irm pressure applied to its surface would break down into lower levels in the layers of dye and change the color and texture of the image. The emulsion could even be worked upon in this way without initially exposing the print. The effect was an object that looked like a strange hybrid of photograph and painting.“ 66
Andere Künstler wie John Reuter oder Bruce Charlesworth experimentierten während der Bildentwicklung mit Kälte und Hitzeeinwirkung, um derart die Farbigkeit der Aufnahme zu intensiveren bzw. im Farbton zu alternieren. 67 Weiterhin gängig ist die Transfertechnik, bei welcher die ikonische Schicht oberhalb der Emulsion vorsichtig freigelegt und auf einen neuen Untergrund umgebettet wird, oder aber die Ablösung der Bildrückseite, um derart schichtweise oder punktuell Teile des aufgenommenen Bilds zu entfernen. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Bild-Objekt Polaroid beschränkt sich folglich nicht auf die Manipulation der Bildoberfläche, sondern mündet in verschiedensten Formen der operativen Sezierung wie Versehrung und Fragmentierung des polaroiden Körpers. 68
64 A.a.O. zit. n.ebd., S. 201. 65 Vgl. Roberts: 100 Jahre Farbfotografie, S. 179 sowie Lombino, Mary-Kay: Instant Photography: The Allure and the Legacy, in: Dies. (Hg.): The Polaroid Years. Instant Photography and Experimentation, New York [u.a.] 2013, S. 12-31, hier S. 16 f. 66 Buse: 40.000 roses – or the perversity of Polaroid, S. 42. 67 Vgl. Lombino: Instant Photography, S. 17. 68 Für einen umfassenden Einblick in fotografische Experimente unter Verwendung der Sofortbildtechnologie vgl. Mary-Kay Lombino (Hg.): The Polaroid Years. Instant Photography and Experimentation, New York [u.a.] 2013.
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4.1.3 Imperfekte Attribute und die Eigenwilligkeit des Mediums „Polaroids sind Gesten fotografischer Differenz. Durch ihre Besonderheit in Technik, Material, Format und Bildästhetik grenzen sie sich von der klassischen Fotografie ab.“ 69
Offenkundig liegt die Stärke des Sofortbilds, so schlussfolgert Barbara Lauterbach aus dessen „flaue[r] Farbigkeit“ 70, nicht in seinem präzisen Dokumentationsvermögen. Jener Polaroid-spezifischen Bildästhetik, von Lauterbach im eingangs gewählten Zitat als deviante bzw. unorthodoxe Erscheinungsform des fotografischen Bilds bezeichnet, eignet Maren Polte zufolge eine gesellschaftlich akzeptierte Art der ästhetischen Verwerfung: „Das Bild ist rot- oder gelbstichig, das Volumen verflacht, die Optik arbeitet keineswegs verzeichnungsfrei, und entgegen der scheinbaren Möglichkeit zur punktgenauen Scharfstellung der SX-70-Kamera überzieht das ganze Bild eine leichte Unschärfe.“ 71 Gemessen an einem fotorealistischen Darstellungsideal, d.h. einer möglichst realitätsgetreuen fotografischen Abbildung, ist die von Polte beschriebene medienspezifische Bildqualität mangelhaft. Wie aus dem Zitat hervorgeht, tragen nicht nur chemische, sondern auch optische Komponenten ihren Teil dazu bei, dass sich das ikonische Resultat nur bedingt kontrollieren lässt und somit „das auf dem Bild Erscheinende einen Rest Ungewissheit birgt.“ 72 Aus Sicht von Polte gründet die Faszination für das Medium Polaroid insofern nicht nur auf dem multisensorischen Erleben des technischen Vorgangs, sondern entspringt gleichsam der Spannung auf das Bild, das sich aufgrund der genannten Unwägbarkeiten nur eingeschränkt vorhersagen lässt. Ins Positive gewendet, sei der „[…] Äs-
69 Lauterbach, Barbara: Polaroid als Geste – das instantane Bild in der zeitgenössischen Kunst, in: Meike Kröncke/Barbara Lauterbach/Rolf F. Nohr (Hg.): Polaroid als Geste – über die Gebrauchsweisen einer fotografischen Praxis, Ostfildern-Ruit 2005, S. 154163, hier S. 154. 70 A.a.O. 71 Polte, Maren: Taschenspielertricks – Skizzen eines flüchtigen Fotoautomaten. Die BfA in einer Polaroid-Reportage Stephan Erfurts, in: Meike Kröncke/Barbara Lauterbach/Rolf F. Nohr (Hg.): Polaroid als Geste – über die Gebrauchsweisen einer fotografischen Praxis, Ostfildern-Ruit 2005, S. 33-43, hier S. 37. 72 Ebd., S. 35.
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thetik des Bildes [daher; K.G.] eine mediale Autonomie zuzugestehen […]“ 73, welche das Medium für eine künstlerische Nutzung prädestiniere. 74 Im Verbund mit der spezifischen fotografischen Ästhetik lasse die Unkalkulierbarkeit des Ergebnisses das Dargestellte gewissermaßen unwirklich erscheinen: „Sie [die Polaroid-Technik; K.G.] ist immer etwas verfremdend, wodurch ihr der Eindruck einer privaten Perspektive anhaftet.“ 75 Die Spontaneität der Aufnahme, in Kombination mit der Schnelligkeit der Bildwerdung und dem Unikatstatus des fertigen Bilds, beförderte dessen Status als fotografische Skizze: „[…] [E]in Eindruck […] und damit ein herausgelöster Moment, der durch die, dem Polaroid eigene, Farbverfremdung der Realität enthoben scheint.“ 76 Jene surreale Bildwirkung und die kulturelle Wahrnehmung des Polaroids als Medium des Augenblicklichen münden nach Polte in einem ungezwungenspielerischen Umgang mit dem Sofortbildverfahren. Als situativ bedeutsame Momentaufnahme mit Darstellungsmängeln verstanden, sei das Polaroid gerade kein repräsentatives Abbild für die Ewigkeit. Laut Polte besitzt es einen vergleichsweise unverbindlichen Charakter, wodurch das polaroide Medium in geringerem Maße nach einer Inszenierung bzw. Positur verlange. Diese Entlastung baue eine Distanz zum fotografischen Apparat ab und schaffe dadurch eine vertraute Nähe und Intimität: „Die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, kann demnach nicht in der Erwartung eines gelungenen Porträts liegen, vielmehr in dem persönlichen Moment, der den Bildern anhaftet und in dem sich etwas Individuelles zeigt. Von vorneherein abstrahiert man vom Idealbild und kann sich für Polaroid-Verhältnisse noch gut getroffen finden, wenn weder die Farben noch der Fokus und die Tiefenschärfe mit den Sehgewohnheiten übereinstimmen.“ 77
Die Farbigkeit unterliegt temperaturabhängigen Schwankungen, die innerhalb der Aufnahme mitunter zu kompletten oder partiellen Farbverschiebungen füh73 A.a.O. 74 Vgl. a.a.O. 75 A.a.O. Polte beschreibt die Charakteristika des Polaroids anhand einer Fotoserie von Stefan Erfurt, in der selbiger Eindrücke aus dem Arbeitsalltag in der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) festhält. Der Autorin zufolge ist die fotografische Umsetzung des Projekts einzig im Medium Polaroid denkbar, unter dessen Anwendung sich der unpersönliche und funktionale Verwaltungsbetrieb individuell aneignen lasse – „Statt eines dokumentarischen Abbildes wird ein persönliches Bild entworfen, das von der spontanen, ungeschminkten Wiedergabe lebt.“ Ebd., S. 37. 76 Ebd, S. 39. 77 Ebd. S. 37.
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ren. Zudem ist der Bildausschnitt vergleichbar schwer zu handhaben und das Gestaltungselement der Tiefenschärfe kaum justierbar; in Kombination mit dem Objektcharakter des Polaroids geben diese „ […] ästhetisch wirksame[n] Phänomene […] dem Foto, unabhängig vom Abgebildeten, eine Autonomie.“ 78 Flüchtig – manifest, verlässlich – unvorhersehbar, schnell produziert, aber aufgrund seines Unikatstatus auch leicht zu vernichten, nach Poltes Bilanz handelt es sich bei Polaroid um ein hochgradig ambivalentes Medium, dessen „[Markenzeichen] [d]as Vexierspiel zwischen ‚sowohl – als auch‘ [zu sein] scheint.“ 79 4.1.4 Technik als Arkanum: Fotografische Attraktionen und der Ereignischarakter instantaner Bildwerdung „[D]er Gegenstand hat magisch zu sein, er muß uns in Erstaunen versetzen und darf sein Geheimnis niemals zur Gänze preisgeben.“ 80
Das einleitende Zitat stammt aus der deutschen Übersetzung eines 1981 veröffentlichten Essays des französischen Literaten und Fotografen Hervé Guibert, der hierin die vom Polaroid-Verfahren ausgehende Faszination zu beschreiben sucht. Er führt den kommerziellen Erfolg der Sofortbildfotografie dabei im Wesentlichen auf die planvolle Mystifizierung des nahezu vollständig selbsttätigen Apparats zurück. Dass die Verrätselung des technischen Bildentstehungsprozesses herstellerseitig intendiert und bereits mit Markteintritt Teil der Werbestrategie von Polaroid war, verdeutlicht folgende Aussage des Firmengründers und Erfinders der Sofortbildtechnologie Edwin H. Land, mit welcher dieser im Jahr 1947 jenes fotografische Verfahren erstmalig einem Fachpublikum 81 demonstrierte: „‚Der Vorgang [der Bildgenese; K.G.] muß im Verborgenen bleiben oder für den Photographen nicht-existent sein, weil dieser definitionsgemäß nur an seine Photographierkunst zu denken hat und nicht an die Technik, nach der das Photo sich bildet.‘“ 82 Ein Wissen über die vollautomatisch, verborgen im Gehäu-
78 Ebd., S. 35 (FN 4). 79 A.a.O. 80 Guibert: Phantom-Bild, S. 113. 81 Besagte Präsentation fand im Februar 1947 vor einem geladenen Kreis aus Wissenschaftlern der amerikanischen Optical Society (OSA) statt. Vgl. a.a.O. 82 Edwin Land zit. n. ebd. Vgl. hierzu auch Buse: Surely Fades Away, S. 6.
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seinneren ablaufenden Kameraprozesse oder Kenntnisse der chemo-physikalischen Vorgänge bei der Positiventwicklung auf dem Bildträger sind zur Nutzung der Kamera irrelevant. Für den Fotografen beschränken sich die Möglichkeiten der Einflussnahme dementsprechend auf motivische bzw. kompositorische Aspekte des Bilds. Die US-amerikanischen Magazine Time und Life widmeten Land und der neu entwickelten SX-70-Technologie 1972 jeweils exklusive 83 Titelstories und popularisierten hierdurch jenen – auf dem Narrativ der ‚magischen Kamera‘ 84 gründenden – Sensationscharakter, der das Sofortbildverfahren von Anfang an begleitete. Aus heutiger Sicht erscheint die Dauer der Bildgenese eines Polaroids mit mehreren Minuten unverhältnismäßig lang. Verglichen mit der hochtaktigen Geschwindigkeit digitaler Bildentstehung, deren Ergebnis in Bruchteilen von Sekunden und somit in situ zur Betrachtung vorliegt, lässt sich die Zeitlichkeit des Polaroids treffender mit dem von Achim Heine vorgeschlagenen Begriff „Gleichbild“ 85 beschreiben – zumal die gewählte Bezeichnung das Ausharren in Erwartung der Bildwerdung impliziert. Die Dauer des chemo-physikalischen Prozesses und die damit verbundene Wartezeit identifiziert Heine als entscheidenden Bestandteil des Polaroid-Verfahrens und zentrale Ursache für die bis heute andauernde magische Wirkung der Sofortbildtechnologie. 86 Jan Verwoert argumentiert ähnlich, wenn er davon spricht, dass sich die Lust an der Nutzung des Sofortbildverfahrens gerade an einer Verzögerung der Bildentwicklung entzünde. 87 Er untermauert diese These mit der gemeinschaftsbildenden Wirkung des Polaroids, die maßgeblich von dem Prozess der Bildentstehung als eigen83 Der Polaroid-Konzern vergab die Story hinter seinem jüngsten Kameramodell hiermit exklusiv an zwei US-amerikanische Zeitschriften mit einem Massenpublikum und sprach derart bewusst gerade nicht ausschließlich eine fotografische Fachzeitschriften lesende Elite von Experten an. Vgl. Buse: Surely Fades Away, S. 10. 84 Vgl. ebd., S. 4. 85 Heine, Achim: Wenn sofort nicht mehr gleich ist. Über die Geschwindigkeit der Bilder, in: Peter Coeln et al. (Hg.): From Polaroid to Impossible. Masterpieces of Instant Photography – The Westlicht Collection, Ostfildern 2012, S. 7-11, hier S. 8; Herv. i.O. 86 Vgl. a.a.O. 87 Vgl. Verwoert, Jan: Kommt sofort! Über die Faszination der Sofortbildfotografie als gemeinschaftsbildende Lust am Bezeugen des allmählichen Erscheinens des Bildes auf dem Papier und die Erleichterung des sozialen Lebens durch dessen sofortige Bestätigung im Bild, in: Meike Kröncke/Barbara Lauterbach/Rolf F. Nohr (Hg.): Polaroid als Geste – über die Gebrauchsweisen einer fotografischen Praxis, Ostfildern-Ruit 2005, S. 20-32, hier S. 21.
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ständigem sozialen Ereignis, der „kollektive[n] Begutachtung der Genese des Sofortbildes“ 88 , abhänge. Für jenen Ereignischarakter ist die verzögerte bzw. allmählich vollzogene Sichtbarwerdung entscheidender Faktor des Lustgewinns. Das Abwarten ist Bestandteil eines ritualisierten Ablaufs, bei dem Verwoert zufolge jeder einzelne Schritt bedeutsam ist. In der beschriebenen Funktion als soziale Praktik komme der Bildwerdung eine weitaus größere Bedeutung als dem finalen Produkt zu. 89 Durch das Sofortbildverfahren reduziert sich die zeitliche Distanz zwischen Bildproduktion und -konsumption eklatant. Unmittelbar aufeinander folgend, lässt sich die just zuvor getätigte Aufnahme noch in ihrem ursprünglichen Entstehungskontext, d.h. an Ort und Stelle, als ausentwickelte Fotografie betrachten. Nach Verwoert wird der Vergleich zwischen Bild und Welt hierbei auf das Kriterium der Ähnlichkeit reduziert; diese „einfache Anerkennung der Gegenwart“ erfülle eine Entlastungsfunktion im Sozialen, da „die sofortige Abbildung […] die Beteiligten vom Zwang zur Beurteilung ihrer momentanen Situation [befreit].“ 90 Wie Buse mit Rekurs auf Don Slater argumentiert, habe die Polaroid Corporation mit dem geläufigen Werbeslogan „Pictures-in-a-minute“ bereits in den späten 1940er Jahren die Sofortbildfotografie als ‚strukturierte Aktivität‘ 91 beworben: „‚[H]old photographic parties with a prize for the best picture made by a guest… enjoy your pictures with friends when they mean the most – while they
88 Ebd., S. 22. 89 Vgl. a.a.O. 90 Ebd., S. 26. 91 „[S]tructured activity“ im engl. Originaltext. Buse: Polaroid into Digital, S. 16. Vgl. auch Slater, Don: Domestic Photography and Digital Culture, in: Martin Lister (Hg.): The Photographic Image in Digital Culture, London 1995, S. 129-146, hier S. 141. Bezeichnet wird hiermit ein etablierter Bestandteil von Freizeitaktivitäten. Slater analysiert in seinem Aufsatz, inwiefern die Schnappschusskultur zur häuslichen Ideologie und Freizeitgestaltung beiträgt. Seine Studie offenbart eine fundamentale Diskontinuität: Das Familienalbum als identitätsstabilisierende und Erinnerung ordnende Praxis werde überbewertet, da die meisten der befragten Probanden höchstens einmal im Jahr hineinschauten. Im alltäglichen Leben besitze das Familienalbum somit kaum Bedeutung. Zudem bestehe eine eklatante Differenz zwischen dem Aufnehmen und dem Anschauen von Bildern. Während die Bildproduktion eine selbstverständliche Freizeitaktivität sei, spiele die Betrachtung der entwickelten Aufnahmen kaum eine Rolle. Vgl. Buse: Polaroid into Digital, S. 14 sowie Slater: Domestic Photography and Digital Culture, S. 138 f.
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are still news.‘“ 92 Buse stimmt mit Verwoert überein, wenn er davon spricht, dass die Konvergenz von Aufnahme und Verwendung, wie sie das Polaroid ermögliche, die kollektive Natur der fotografischen Bildpraxis begünstige und die Kontaktaufnahme vereinfache. Jene dem Sofortbild zugeschriebene Funktion als ‚sozialer Katalysator‘ sei insbesondere im Kontext der Werbeargumentation zu einer zentralen Tugend der Kamera bzw. des gesamten fotografischen Verfahrens hochstilisiert worden. 93 Eine werbestrategische Maßnahme bestand beispielsweise in der Vermarktung von Polaroid als ‚ultimative Partykamera‘. 94 Neben den kommunikativen Vorzügen hob jenes Werbenarrativ insbesondere den Unterhaltungswert des selbststätigen Apparats hervor. Buse zufolge avancierte Polaroid in der Folge zum Synonym für Party bzw. wurde, auf das narzisstische Interesse der Gäste am eigenen Abbild spekulierend, als deren Erfolgsgarant gehandelt: „In the discourse on the Polaroid as party camera […] it is not so much that the Polaroid records the party, but that it is the party, the main attraction that gets things going.“ 95 Jene situative Verortung führt Polaroid als Kulturtechnik des Festes ein und verbindet das Sofortbild in der innerkulturellen, kollektiven Vorstellung mit positiv konnotierten sozialen Zusammenkünften. In Form des PartySchnappschusses entwickelte sich das zuvor marginalisierte 96 Betrachten fotografischer Aufnahmen nicht bloß zu einem probaten Mittel, sondern sogar zu einem integralen Bestandteil der Freizeitgestaltung. 97 Der beschriebene, aus den performativen Qualitäten des Bildentstehungsprozesses resultierende, Sensationscharakter wurde in Form von LiveDemonstrationen vor geladenen Pressevertretern gleichfalls von Edwin Land bewusst in Szene gesetzt. 98 In Anlehnung an einen vom Filmwissenschaftler Tom Gunning im Kontext des Kinos geprägten Begriff bezeichnet Buse die Er-
92 Zitat aus einer Polaroid-Werbung Ende der 1940er Jahre zit. n. Buse: Polaroid into Digital, S. 16. 93 Vgl. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 194 sowie Verwoert: Kommt sofort! S. 21. 94 Buse: Polaroid into Digital, S. 16. 95 Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 195; Herv. i.O. 96 Vgl. FN 91 (Kap. 4). 97 Unter den verschiedenen Szenerien und Personifikationen, die zur öffentlichkeitswirksamen Inszenierung von Anwendungskontexten der Polaroid-Technik dienten, etablierte sich die Figur des narzisstischen Bildkonsumenten infolgedessen als eigenständiges Genre. Vgl. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 195. 98 Vgl. ebd., S. 197 f.
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eignishaftigkeit der Sofortbildtechnologie als ‚Fotografie der Attraktionen‘ 99 – als technologisches Spektakel inszeniert, avanciert der fotografische Apparat zur Hauptattraktion: „In the photography of attractions, the representational value of the image is not entirely negligible, but it has reduced in importance, giving way to what might be called its ‚demonstration value‘, where it is the process and not the product that takes precedence.“ 100 4.1.5 Ephemeres Unikat – Prekarisierung und posthume Glorifizierung des Polaroids „[…] Schönheit und Kraft dieses Materials liegen […] im Hingeworfenen, Hastigen und Fragilen, in seiner angstvollen Jagd nach Unmittelbarkeit, zurück in die Zeit.“ 101
Mit Blick auf die kulturellen Bedeutungszuschreibungen des Sofortbilds vertritt Buse die These, dass das Prinzip ‚Polaroid‘ im kollektiven Gedächtnis fest als fragilste Form der fotografischen Manifestation verankert sei. So werde das polaroide Filmmaterial nicht nur im Hinblick auf die begrenzte Haltbarkeit des Bilds, sondern zudem bezüglich der fotografischen Resultate allenthalben mit Unbeständigkeit bzw. Unzuverlässigkeit assoziiert. Es habe schlechte konservatorische Eigenschaften, sei nicht lichtecht und daher besonders anfällig für Ausbleichung bzw. in Anbetracht zeitlicher Schädigungen allgemein wenig widerstandsfähig. Gerade so, wie es aus dem Nichts der quadratischen Fläche erscheine, verblasse es auf dieser auch allmählich wieder. 102 Jener unterstellte Wankelmut der materiellen Komponenten betont das Momenthafte und somit den bereits in Kapitel 4.1.4 beschriebenen performativen Ereignischarakter des Polaroids, das als soziale Bildpraxis maßgeblich situativ bedeutsam, als dauerhafte Konservierungstechnik jedoch völlig unbrauchbar sei. 103 Bei der weitverbreiteten Vorstellung des Sofortbilds als primär ephemeres
99
„[P]hotography of attractions“ im engl. Originaltext. Ebd., S. 192. Vgl. hierzu auch Gunning, Tom: The Cinema of Attractions. Early Film, its Spectator and the AvantGarde, in: Thomas Elsaesser (Hg.): Early Cinema. Space Frame Narrative, London 1990, S. 56-63.
100 Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 198; Herv. i.O. 101 Guibert: Phantom-Bild, S. 116. 102 Buse: Surely Fades Away, S. 2. 103 Vgl. ebd., S. 5 ff.
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fotografisches Abbild, das sich aufgrund des besonders anfälligen Filmmaterials nicht für dokumentarische Zwecke eigne, handelt es sich gemäß Buse um ein hartnäckiges Vorurteil. Faktisch verblasse jeder Farbfilm im Laufe der Zeit, insbesondere wenn er falsch gelagert und somit beispielsweise Licht oder Feuchtigkeit ausgesetzt werde – das Polaroid bilde somit keine Ausnahme. Unabhängig vom tatsächlichen Verhalten des Materials, halte sich – und das ist für Buse der springende Punkt – die kulturelle Bedeutungszuschreibung des kurzlebigen Bilds hartnäckig. 104 Das für Sofortbilder charakteristische Positivverfahren und der damit einhergehende Unikatstatus, welcher die Reproduzierbarkeit des technischen Bilds außer Kraft setze bzw. in Buses Worten ‚pervertiere‘, adele das Polaroid und verstärke hierdurch zusätzlich den materialseitig zugeschriebenen Eindruck von Fragilität. Genährt werde die Vorstellung von der kurzen Halbwertszeit des instantanen Abbilds auch durch die schnelle Verfügbarkeit des fertig entwickelten Bilds, das derart in situ konsumiert werden könne. 105 Buse zufolge ist die Prekarisierung des Polaroids ein diskursives Phänomen; die unterstellte Zerbrechlichkeit des Sofortbilds lasse selbiges umso kostbarer erscheinen und trage somit zu dessen Nobilitierung bei. 106 Jene Um- bzw. Aufwertung erreicht das Polaroid posthum; d.h. zu einem Zeitpunkt, da es als alltägliche Kulturtechnik längst zu einem Anachronismus geworden ist. Im Jahrhundert ihrer Erfindung wurde die Polaroid-Technik gemeinhin als vollständig automatisiertes Massenmedium verstanden und dementsprechend im Bereich der Schnappschuss- bzw. Amateurfotografie verortet. Durch eine Analyse von Artikeln und Rezensionen der Sofortbildtechnik in fotografischen Fachschriften rekonstruiert Buse den kulturellen Wert, welcher dem Polaroid-Verfahren innerhalb jener zeitgenössischen Expertenkreise zugemessen wurde. 107 Hierbei geht er von der Grundannahme aus, dass Fotomagazine eine Leserschaft aus technologischen Experten mit privilegiertem Wissen adressieren wie konstituieren, der selbst daran gelegen ist, eine Aura des Mysteriösen und Magischen um die eigene Expertise herum zu kultivieren. 108 Gemäß Buse ist die Fetischisierung von 104 Vgl. ebd., S. 2. 105 Vgl. ebd., S. 3. 106 Vgl. ebd. S. 2 f. 107 Der Artikel versucht den jeweiligen Ursprung von kulturellen Bedeutungen, die der Sofortbildfotografie bis in die Gegenwart zugeschrieben werden, aufzuspüren. Deren Rekonstruktion ermöglicht es, die grundlegende Widersprüchlichkeit und Wandelbarkeit selbiger zu demonstrieren. Zu diesem Zweck analysiert Buse die Darstellung seitens der Fachpresse, des Polaroid-Konzerns selbst sowie populäre Darstellungen der Technologie. Vgl. Buse: Surely Fades Away, S. 3. 108 Vgl. ebd., S. 4 f.
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Kamera- und Filmtechnologien in derartigen Fachzeitschriften essentielle Praxis zur Demarkation des Hoheitsgebiets von Fotoexperten gegenüber einem gleichzeitig konstruierten Anderen, dem infantilisierten und derart für unmündig erklärten fotografischen Laien. Kennerschaft bemisst sich in diesem Zusammenhang zumeist am souveränen Umgang mit der Kameratechnik, d.h. an dem Vermögen, selbige innerhalb des technisch vorgegebenen Rahmens – der eigenen fotografischen Intention entsprechend – manipulieren zu können. Durch die technologischen Entwicklungen wurde diese etablierte Kategorisierung Buse zufolge im dritten Quartal des 20. Jahrhunderts, der Polaroid-Epoche, zunehmend ausgehöhlt, wodurch Profifotografen ihre Souveränität bedroht gesehen und infolgedessen eine zunehmend ambivalente Haltung gegenüber der vollautomatisierten Sofortbildtechnologie eingenommen hätten. 109 Im Bemühen Polaroid durch die Überführung in den Kontext Bildender Kunst zu adeln, arbeitete der Konzern seit Ende der 1960er Jahre eng mit zeitgenössischen Künstlern zusammen. Hieraus erwuchs eine Tradition des künstlerischen Umgangs mit der Sofortbildtechnologie, die sich in der sogenannten Polaroid Collection verstetigte. 110 Das grundlegende Dilemma, welches sich in den unterschiedlichen kulturellen Bewertungen der Sofortbildfotografie ablesen lasse, gründet Buse zufolge auf der Effizienz dieser Technologie: Obgleich sie de facto eine außergewöhnliche wissenschaftliche wie technologische Leistung darstelle, symbolisiere das Konsumobjekt Polaroid gerade deshalb ‚den Nullpunkt fotografischen
109 Vgl. ebd., S. 5. Profifotografen und Fotomagazine nahmen die Sofortbildkamera von Beginn an betont nicht ernst. Man verstand sie als Gimmick in der Tradition von Fotokabinen wie beispielsweise dem Bosco-Automaten. Vgl. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 195 f. Kritik entzündete sich durchweg an der fehlenden technischen Reproduzierbarkeit der Aufnahmen; für kommerzielle oder professionelle Anwendungen sei das Polaroid-Verfahren allein schon aufgrund dieser Limitierung unattraktiv. Der Fotograf Ansel Adams, technischer Berater und Cheflobbyist für die Verbesserung von Filmen und Kameras, störte sich an der negativen Haltung seiner Zeitgenossen und verfasste 1963 ein Handbuch mit dem Titel Polaroid Land Photography, in dem er das ästhetisch-kreative Potential des Sofortbildfilms stark machte und hierdurch einen Gegendiskurs initiierte. Vgl. Buse, Peter: Surely Fades Away, S. 6 f. 110 Vgl. bspw. Lombino: Instant Photography, S. 13 sowie Buse, Peter: Polaroid, Aperture and Ansel Adams. Rethinking the Industry-Aesthetics Divide, in: History of Photography (#33) 4 (2009), S. 354-369.
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Knowhows‘ 111. Automatisierung und in dem Zuge auch Demokratisierung seien im historischen Diskurs nicht als Prädikate wahrgenommen worden, sondern hätten Kritikern vielmehr unfreiwillig die entscheidenden Argumente zur Trivialisierung des Verfahrens geliefert. 112 4.1.6 Das Multiple Polaroid-Mosaik als plurale Bildform In seiner Analyse jener materiellen sozialen Praktiken, die für den Umgang mit Polaroid kennzeichnend seien, stellt Buse neben dem bereits in Kapitel 4.1.3 beschriebenen Ereignischarakter instantaner Bildwerdung und dessen gemeinschaftsbildender Wirkung das Kompositbild als eine spezifische Präsentationsform des Sofortbilds heraus. 113 Für jene collagierte Bildform prägt Buse den Begriff ‚Polaroid-Mosaik‘ 114 und trägt somit sprachlich den kachelartigquadratischen Abmessungen des Polaroids Rechnung. Speziell die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Medium finde signifikant häufig mithilfe pluraler Bildarrangements statt, die eine Subordination des Einzelbilds unter das plurale Bild-Objekt anzeigten. 115 Exemplarisch sei an dieser Stelle auf David Hockneys composite polaroids verwiesen, großformatige Portraits wie Stillleben, in denen der Künstler in kubistischer Manier verschiedene Perspektiven auf das jeweilige Motiv qua Montage zu einer pluralen Bildform vereinigt. 116 Besagtes PolaroidMosaik finde jedoch keinesfalls ausschließlich im Kontext Bildender Kunst Verwendung, vielmehr handele es sich hierbei um eine Gestaltungsform, die sich gleichfalls innerhalb populärer Bildpraxis etabliert habe. 117 Die mosaikartig ar111 „‚[D]egree zero‘ of photographic skill“ im engl. Originaltext. Buse: Surely Fades Away, S. 3; Herv. i.O. Vgl. hierzu auch Buse, Peter: Photography Degree Zero. Cultural History of the Polaroid Image, in: New Formations 62 (2007), S. 29-44. 112 Vgl. Buse: Surely Fades Away, S. 3 ff. 113 Vgl. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 200-203. 114 „Polaroid mosaic“ im engl. Originaltext. Ebd., S. 200. 115 Vgl. a.a.O. 116 Vgl. http://www.davidhockney.co/works/photos/composite-polaroids (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Für weitere Beispiele aus dem Bereich der Bildenden Kunst vgl. Lombino: The Polaroid Years. 117 Buse verweist exemplarisch auf die Online-Communities polanoid.net und savethepolaroid.com, beides Foren von und für Fans analoger Sofortbildfotografie. Vgl. Buse: The Polaroid image as photo-object, S. 202. Wie Geoffrey Batchen anhand einer Analyse von kompositen Foto-Objekten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts feststellt, ist das Collagieren von Fotografien miteinander, gegebenenfalls auch unter Hinzunahme anderer Materialien, eine popu-
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rangierten Polaroid-Multiples könnten verschiedene Formen annehmen – zum Beispiel De- und Refragmentierung von Objekten oder Personen sowie die wiederholte Aufnahme ein und desselben Motivs unter verschiedenen Bedingungen –, es eine sie jedoch die Präsentation multipler Einzelbilder. 118 Der entscheidende Unterschied zwischen einem Mosaik aus Polaroid SX-70Einzelbildern und anderen Arten der Fotomontage besteht laut Buse in der medienästhetisch bedingten Betonung der Bildgrenze: Die Rahmen der jeweiligen Einzelbilder durchzögen das Gesamtbild gut wahrnehmbar und seien daher das augenfälligste strukturgebende Element der kompositen Bildfläche. Die Aufmerksamkeit der Betrachtenden werde somit in besonderem Maße auf die derart demarkierten Einzelbilder und deren Zwischenräume, den NichtBildraum, gelenkt. Verstärkt werde der Eindruck des off-screen space im Fall des polaroiden Mediums durch die kleine Bildgröße sowie den geringen Schärfentiefebereich des Objektivs, der insbesondere die billigeren Modelle der SX70-Produktreihe charakterisiere. Aufgrund dieser technischen Determinanten eigne sich die fotografische Sofortbildtechnik am besten für Nah- und Großaufnahmen. Bedingt durch die kleinen Bildausschnitte jener Einstellungsgrößen könnten Motive zwangsläufig nur stark fragmentarisch abgebildet werden. Deswegen wirke ein Mosaik aus Polaroids stärker segmentierend, denn synthetisierend. 119 Das derart durch die technischen Parameter in seinen Darstellungsmöglichkeiten limitierte Einzelbild gewinne erst in einem Verbund aus Bildern an Bedeutung. Der Argumentation von Buse folgend, ist ikonische Serialität demnach Voraussetzung für die Sinnstiftung. 120 Unter Bezugnahme auf den französischen Filmtheoretiker Christian Metz erfülle jene Pluralisierung zudem eine kompensatorische Funktion: Der umlaufende weiße Bildrahmen akzentuiere farblich die Demarkationslinie zwischen Bild und Nicht-Bild. Selbst bereits außerhalb des fotografischen Bilds situiert, markiert er symbolisch die irreversible Abwesenheit des off-frame space 121, dessen Absenz angesichts der hervortretenläre Umgangsform (innerhalb) volkstümlicher Fotografie. Aus dieser, zumeist privaten, kuratorischen Praxis gehen Batchen zufolge sowohl klar strukturierte Präsentationsformen als auch weniger kohärente bzw. regelgeleitete Anordnungen hervor. Vgl. Batchen, Geoffrey: Each Wild Idea. Writing Photography Histoy, Cambridge/ Mass. 2001, S. 26 ff. sowie Lombino: Instant Photography, S. 19. 118 Vgl. Buse: 40.000 Roses – or the Perversity of Polaroid, S. 39 f. 119 Vgl. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 202 f. 120 Vgl. a.a.O. 121 Jede fotografische Aufnahme lässt sich durch die Beschneidung des Realraums charakterisieren. Der Mangel ist Christian Metz zufolge somit integraler Bestandteil des fotografischen Bilds, dem unausweichlich immer etwas (der Raum außerhalb des
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den Materialität des Polaroids besonders betont wird. Indem das Sofortbildverfahren die Aufmerksamkeit nachdrücklich auf den partialen Charakter des fotografischen Einzelbilds lenke, könne das Polaroid-Mosaik als kompensatorische Bemühung interpretiert werden, den verlorenen Realraum zumindest in imaginärer Form wiederherzustellen. 122 Demzufolge suche das Kompositbild den inhärenten Mangel des Einzelbilds, die traumatische Leere des off-frame space, durch dessen Vergesellschaftung zu heilen: „[T]he placing of photos in grids or the allied practice of arranging them in albums, is often a way of getting the pictures to tell a story that they cannot tell on their own, since narrative is ‚always a weakness of individual photographs‘.“ 123
4.2 LOMOGRAFIE Lomografie ist eine Wortschöpfung und eingetragene Handelsmarke der Lomografischen Aktiengesellschaft, die von den österreichischen Kunststudenten Matthias Fiegl und Wolfgang Stranzinger im Jahr 1992 als Lomographic Society International (LSI) in Wien gegründet wurde und dort bis heute ihren Hauptsitz hat. Darüber hinaus wird hiermit eine fotografische Bewegung mit einer großen, global agierenden Community bezeichnet. Der Begriff setzt sich aus dem Eigen- bzw. Markennamen Lomo – als Verweis auf das gleichnamige Akronym der sowjetischen Waffen- und Munitionsfabrik LOMO PLC 124 und deren Kleinbild-Kompaktkamera, der LOMO LC-A – sowie dem Suffix -grafie 125 zusammen. Letzteres dient dazu, die Lomografie bereits namentlich im Feld fotografischer Reproduktionstechniken zu verorten und den Status eines eigenständigen Genres innerhalb selbigem zu beanspruchen. Um diese distinkte Position sprachlich zu zementieren, werden die fotografi-
sichtbaren Bilds) fehle: „Photography is a cut inside the referent, it cuts off a piece of it, a fragment, a part object, for a long immobile travel of no return.“ Metz, Christian: Photography and Fetish, in: October (#34) 3 (1985), S. 81-90, hier S. 84. Obgleich der Rezipient kein Wissen über den verlorenen Raum außerhalb des Bilds habe, imaginiere er selbigen im Versuch, diese Leerstelle zu füllen. Jener werde derart zur Projektionsfläche für Imaginationen – „a projective off-frame“. Ebd., S. 87. 122 Vgl. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 24 f. 123 Batchen: Each Wild Idea, S. 66 zit. n. ebd., S. 23. 124 Leningradskoye Optiko Mechanichesckoye Obyedinenie ausgeschrieben (Transliteration der russischen Originalbezeichnung). 125 Im Englischen entsprechend -graphy.
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schen Aufnahmen konsequent als Lomografien und deren Urheber als Lomografen bezeichnet. Die stringente Verwendung dieser kreierten Termini folgt zugleich einer ökonomischen Logik bzw. wohlüberlegten Marketingstrategie: Mit dem Wortbestandteil Lomo enthalten sie bereits den Markennamen und somit den expliziten Verweis auf die entsprechenden, für die lomografische Betätigung obligatorischen Konsumobjekte. Die beständig wachsende Produktpalette wird sowohl lokal in Filialen als auch über länderspezifische Onlineshops der Lomografischen Gesellschaft vertrieben. Nukleus und Konsistenzminimum des lomografischen Dinguniversums ist hierbei besagte LOMO LC-A, das Kultobjekt der Lomophilen (vgl. Kap. 4.2.4). Als Lomografien gelten folglich nur jene Fotografien, die einerseits unter Verwendung des entsprechenden fotografischen Equipments, d.h. den Konsumobjekten der Lomografischen Gesellschaft, entstehen, anderseits mit der Einhaltung bestimmter fotografischer Richtlinien, den sogenannten Zehn Goldenen Regeln, einhergehen. 126 Letztere verstehen sich jedoch nicht bloß als fotografischer Leitfaden, sondern vielmehr als Gebote zu einer richtigen Lebensführung. Wie in Kapitel 4.2.2 dargelegt wird, handelt es sich um eine ideologische Welthaltung, eine bestimmte Art und Weise der fotografischen Sinnerzeugung, die konsumistisch überformt ist. Die lomografische Praxis wird hierin argumentativ zu einer sinnstiftenden Lebensphilosophie stilisiert, deren Glücksversprechen, so die These, ohne den Erwerb der angebotenen Waren nicht zu realisieren ist. Diese kausale Verschränkung ist Teil der Marketingstrategie, zielt sie doch darauf ab, potentielle Kunden an die angebotenen Produktserien zu binden. Lomografische Aufnahmen zeichnen sich durch einen spezifischen Bildstil aus, der ebenfalls zum visuellen Emblem der Marke avanciert ist (vgl. Kap. 4.2.5). Aus diesem Grund kann die lomografische Bildästhetik als eine Konsumästhetik par excellence bzw. ein konsumästhetisches Idealmodell gelten. 4.2.1 Entstehungsgeschichte der Lomografischen Bewegung 127 Der erste Prototyp der LOMO LC-A wurde 1982 in der sowjetischen Optik- und Waffenfabrik LOMO hergestellt. Zwei Jahre später lief die Massenproduktion der Kleinbildkamera an. Nach der Markteinführung in Russland wurde sie bald darauf ebenfalls in Polen, der Tschechoslowakei und Kuba zum Verkauf angebo126 Vgl. Kap. 9, Txt. 19, S. 408-412. 127 Insofern nicht anders angegeben, basieren die nachfolgend angeführten Informationen auf der offiziellen Version der (Firmen-)Historie, wie sie sich unter anderem auf der deutschsprachigen Homepage der Lomografischen Gesellschaft finden lässt. Vgl. http://www.lomography.de/about/history/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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ten. Als Vorbild diente das japanische Kompaktkameramodell Cosina LCX-1, das es in einer optimierten Version für die kommunistische Föderation zu produzieren galt. Motivation war die Markteinführung einer kostengünstigen und benutzerfreundlichen Kleinbildkamera, mit deren Hilfe die Bevölkerung Alltägliches, insbesondere jedoch die Schönheit der russischen Heimat, fotografisch einfangen sollte. Innerhalb der Sowjetunion war das Kameramodell aufgrund der unzureichenden Bildqualität der Aufnahmen sowie seiner technischen Unzuverlässigkeit nicht sonderlich populär. 128 Speziell jene imperfekten Eigenschaften der Kamera erfuhren durch die Lomografie eine nobilitierende Stilisierung. Zwei Jahre nach Ende des Kalten Kriegs und der Öffnung des Eisernen Vorhangs wurde die LOMO LC-A in einem Prager Fotogeschäft zufällig von zwei Studenten aus Wien, Matthias Fiegl und Wolfgang Stranzinger, entdeckt, die sogleich ein Exemplar dieses exotischen, in Westeuropa bislang nicht bekannten, sowjetischen Fabrikats erstanden. Gemäß der skizzierten mythisierenden Historie auf der offiziellen Homepage der Lomografischen Gesellschaft initiierte dieser Zufallsfund die ‚Geburt‘ der Lomografie, da die Kamera und ihre spezifische Bildästhetik beide faszinierte und in ihrer Heimatstadt unmittelbar auf große Nachfrage stieß. Um diese bedienen zu können, wurde 1992 die Lomographic Society International (LSI) gegründet. Noch im November desselben Jahres veröffentlichte die LSI das Lomografische Manifest sowie die Zehn Goldenen Regeln der Lomografie in der Wiener Zeitung, bezog ein leerstehendes Gebäude in Wien und eröffnete die erste lomografische Ausstellung. Neben der Präsentation von Fotografien wurde auch die LOMO LC-A zum Verkauf angeboten und generierte einen unerwartet großen Absatz. Zur Hängung der kleinformatigen Abzüge wurde die Präsentationsform der LomoWall 129 gewählt, ein kuratorisches Konzept, das sich mittlerweile als Markenzeichen der Lomografischen Gesellschaft etablieren konnte. 130 128 Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 4 f. 129 Vgl. hierzu Kap. 4.2.6. 130 1994 folgten Ausstellungen in New York und Moskau, bei denen ebenfalls die beschriebene Präsentationsform Verwendung fand, sowie die Eröffnung der ersten Lomografischen Botschaft in Berlin und die Einrichtung einer offiziellen Domain. Zum Zwecke der weltweiten Distribution wurde 1995 ein Exklusivvertrag mit den russischen Fabrikanten geschlossen. Mit dem Relaunch der Homepage unter der bis heute gültigen Webadresse www.lomography.com im Jahr 1997 erweiterten sich deren Funktionen um einen Webshop, diverse Onlinedienste sowie das LomoWorldArchive (vgl. Kap. 4.2.6). Ohne darauf im Rahmen der vorliegenden Arbeit weiter eingehen zu können, sei an dieser Stelle dennoch explizit auf die gewählte Bezeichnung der weltweiten Depen-
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In den darauffolgenden Jahren vergrößerte sich die Produktpalette kontinuierlich um weitere, zumeist zum Patent angemeldete Kameramodelle und entsprechende Zubehörteile: Actionsampler (1998), Supersampler (2000), Fisheye (2005), eine Neuauflage der sowjetischen LC-A, genannt LC-A+ (2006), eine Reproduktion der Mittelformatkamera Diana 131, die Diana+ (2007), die zweiäugige Mittelformatkamera Lubitel+ 132 (2008) und dergleichen mehr. Mittlerweile ist die Lomografische Gesellschaft ein weltweit agierender Konzern mit mehreren Sitzen in Europa, Asien, Nordamerika, Kanada sowie Südamerika, dessen Sortiment neben analogen Kameramodellen und Zubehör auch LifestyleAccessoires und Bekleidung umfasst. Von Beginn an profitierte die Lomografische Gesellschaft von Testimonials verschiedenster prominenter Persönlichkeiten, die öffentlich ihre Liebe zur Lomografie bekundeten und die Marke durch ihr eigenes Star-Image nobilitierten. 133
dancen bzw. Filialen als Botschaften hingewiesen, die den Firmencharakter verschleiert und unter Rekurs auf diplomatische Tätigkeiten zudem ein soziopolitisches Agens impliziert. Dieser Konnotation entsprechend, begleitet die lomografische Praxis den Status einer diplomatischen Handlung im Dienste des interkulturellen Dialogs. So fand 1994 die erste lomografische Ausstellung simultan in New York und Moskau in dem Bemühen statt, einen Austausch zwischen den beiden, durch den Kalten Krieg entfremdeten, Nationen herzustellen. Vgl. hierzu auch Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 40. 131 Ein preiswertes chinesisches Mittelformat-Kameramodell komplett aus Plastik, das erstmals Anfang der 60er Jahre auf den Markt kam. Hierbei handelt es sich um ein frühes Beispiel einer für den Massenmarkt hergestellten Spielzeugkamera, die oft als Werbegeschenk diente. Dieser historische Vorläufer wurde von der Lomografischen Gesellschaft detailgetreu nachgebaut und durch Erweiterung des Funktionsumfangs optimiert bzw. modernisiert. Vgl. hierzu Belden-Adams: Taming the Badly Behaved Camera, S. 29 sowie Detrich, Allan: The Diana Camera. Diana Camera Pictorial History, http://www.allandetrich.com, o.D., http://www.allandetrich.com/diana.htm (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 132 Wie die LOMO LC-A ist auch die zweiäugige Spiegelreflexkamera Lubitel ursprünglich ein sowjetisches Fabrikat, das ebenfalls in der LOMO PLC hergestellt wurde. 133 So haben sich beispielsweise der Schauspieler Elijah Wood, Autor Neil Gaiman, die Band The White Stripes, Vladimir Putin sowie der Dalai-Lama zum Besitz einer Lomo-Kamera bekannt. Vgl. Plummer, Libby: Lomography – the Return of the Analogue, http://www.pocket-lint.com vom 03.03.2011, http://www.pocket-lint.com/ news/108954-lomography-return-of-analogue-interview (zuletzt aufgerufen am 30. 04.2018) sowie Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 3 f.
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Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens basiert auf einer durchkalkulierten Marketingstrategie und ist nach Einschätzung von Tsai-Ying Chen eng mit dem zeitgeschichtlichen Kontext der 1990er Jahre verschränkt. 134 Nach dem Niedergang der Sowjetunion habe in den westlichen Ländern ein großes Interesse an Waren des Ostblocks bestanden. Als Gründe hierfür ließen sich Nostalgie, Exotismus sowie die Neugier nach Alltagsgegenständen, welche die stereotypen Vorstellungen über die rückständige kommunistische Lebensführung befriedigen sollten, anführen. Ein technisch veraltetes und unsauber konstruiertes, geradezu ‚archaisches‘ Kameramodell wie die LOMO LC-A habe genau dies symbolisiert. Darüber hinaus kursierte speziell in der Anfangszeit der Lomografischen Bewegung hartnäckig der durchaus vermarktungsfähige Mythos, dieses Kameramodell sei vormals von Agenten des russischen Geheimdiensts KGB verwendet worden. 135 Im weltpolitischen Kontext der 1990er Jahre habe die aufkommende Lomografie die Ideale der demokratischen Gesellschaftsform verkörpert, proklamierte sie doch auf verschiedensten Ebenen eine totale Demokratisierung der Fotografie. 136 Ungeachtet ihrer sukzessiven Kommodifizierung lässt sich das Aufkommen der Lomografie somit auch als Reaktion auf die massiven politischen und ideologischen Umwälzungen lesen. Die Anfänge der Lomografie korrespondieren zeitlich jedoch nicht nur mit dem Niedergang der Sowjetunion, sondern ebenso mit der zunehmenden Digitalisierung, auf die sie ebenfalls antithetisch Bezug nimmt. 137 Jene dezidiert aversive Haltung der Lomografischen Gesellschaft gegenüber dem technologischen Fortschritt, die in einer Dämonisierung des Digitalen gipfelt, wird in der abschließenden Zusammenfassung nochmal aufgegriffen. 138
134 Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 5 f. 135 Diese Legende speise sich aus der historischen Tatsache, dass die sowjetische Fabrik LOMO PLC optische Geräte vormals insbesondere für den militärischen Einsatz hergestellt habe. Erst seit den 1970er Jahren seien dort auch Güter für die Zivilbevölkerung produziert worden. Unbestritten ist Chen zufolge jedoch, dass die LOMO LC-A niemals für den militärischen, sondern ausschließlich für den zivilen Einsatz bestimmt gewesen sei. Vgl. a.a.O. 136 Vgl. ebd., S. 8. 137 Vgl. hierzu auch Ullrich, Wolfgang: Die Geschichte der Unschärfe, Berlin 2002, S. 95. 138 Vgl. Kap. 4.3.2.
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4.2.2 Die Zehn Goldenen Regeln – Diskursive Naturalisierung einer Konsumästhetik Die sogenannten Zehn Goldenen Regeln 139 wurden 1992, im Gründungsjahr der Lomografischen Gesellschaft, zusammen mit dem Lomografischen Manifest 140 in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um ein paradoxes Regelwerk, dessen zehntes und letztes Gebot bilanzierend zur Missachtung von sämtlichen zuvor formulierten Direktiven aufruft – „Vergiss’ die Regeln!“ 141 Die vorangehenden Handlungsanweisungen werden derart aufgehoben und ad absurdum geführt. Das gewählte Prinzip schriftlich festgehaltener und offiziell verabschiedeter Regularien hat seine früheste wie prominenteste kulturelle Referenz im religiösen Kontext, dem biblischen Dekalog. Mit der Herausgabe ihres Kanons nebst Manifest stellen die Wiener Kunststudenten Stranzinger und Feigl die ausgerufene Lomografie ebenfalls in die Tradition avantgardistischer Kunstströmungen der Moderne wie der Postmoderne 142 und positionieren sie auf diese Weise im Bereich der Bildenden Kunst. 143 Innerhalb der Fotografie greift ihr Regelwerk gängige Normierungen konventioneller Handbücher 144 auf, persifliert und verspottet die hierin enthaltenen Instruktionen. Neben jenem Dogmatismus wird gleichermaßen das ‚technische Hochrüsten‘ bzw. der Technikfetisch unter Fotografen der Lächerlichkeit preis-
139 Vgl. Kap. 9, Txt. 19, S. 408-412. 140 Vgl. Kap. 9, Txt. 21, S. 413-415. 141 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #10, S. 412. 142 Zum Beispiel die nahezu zeitgleich, im Jahr 1995, um den dänischen Regisseur Lars von Trier entstandene Gruppierung Dogma 95. 143 Für einen Exkurs zu konzeptionellen Berührungspunkten zwischen Surrealismus und Lomografie vgl. Kap. 4.2.2. 144 Herkömmliche Fotografiekompendien und Kamerahersteller geben ihren Lesern ebenfalls ein Regelwerk mit, welches es zu beachten gilt. Dieses Manual verhandelt jedoch üblicherweise ausnahmslos die Beherrschung der fotografischen Technik sowie die Schulung des Auges für einen richtigen – d.h. ausgewogenen und somit ‚interessanten‘ bzw. ‚attraktiven‘ – Bildaufbau. Auf symbolischer Ebene verweisen derartige Handbücher auf zentrale Vorstellungen populärer Fotografie. Inhaltlich allesamt ähnlich, fußen sie auf der gleichen Ideologie (bspw. hinsichtlich der implizit propagierten Schönheitsvorstellung bzw. des fotografischen Darstellungsideals). Unterschiedliche Kamerahersteller empfehlen selbstverständlich die Verwendung ihrer eigenen Produktreihen, wodurch eine Rückbindung an die jeweilige Marke angestrebt wird. Vgl. hierzu auch Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 9.
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gegeben: „Vergiss den Foto-Kurs aus der Schule und die verächtlichen Blicke dieses Nerds mit seiner teuren Spiegelreflex-Kamera. Gehe unbeirrt deinen eigenen Weg. Richtig oder falsch? – diese Kategorien haben für dich schon längst keine Bedeutung mehr.“ 145 Die Zehn Goldenen Regeln formulieren folglich das lomografische Paradigma und schaffen die Grundlage der lomografischen Wertegemeinschaft. Obgleich ihrer provokativ-humoristischen Gewandung, die selbstbewusst einen Platz im Kunstkanon einfordert und sich dabei zugleich anschickt, überkommene Konventionen im Bereich des Fotografischen zu revolutionieren, steht ihre Argumentationsweise dezidiert im Dienste ökonomischer Interessen. Was in den 1990er Jahren als innovative, subkulturelle Gegenbewegung junger Künstler begann, die sich laut ihrer Absichtserklärung 146 zum Ziel gesetzt hatte, die Fotografie durch günstiges wie simples Equipment zu demokratisieren, ist zunehmend warenförmig geworden. Vor dem Hintergrund dieser Kommerzialisierung wird die Annahme plausibel, dass sich anhand der Zehn Goldenen Regeln die Vermarktungslogik der Lomografischen Gesellschaft und die hierin wirksamen Fiktionswerte analysieren lassen. 147 In seiner sprachwissenschaftlichen Analyse aus dem Jahr 2011 identifiziert Dan Shadwell drei basale Diskursstränge in jenem Schlüsselkonzept der Lomografie, oft auch als ‚lomografische Philosophie‘ bezeichnet, die nachfolgend um eine eigene kritische Textlektüre erweitert werden. 148 Shadwell kann überzeugend nachweisen, dass die lomografische Betätigung der adressierten User, ihr kreativer Output bzw. ihre lomografische Produktion, argumentativ naturalisiert und idealisiert wird. Darüber hinaus finde eine Abwertung von kanonisierten fotografischen Kenntnissen und Erfahrungswerten statt, die mit einer gleichzeitigen Nobilitierung der lomografischen Praxis einhergingen. Das letzte und Shadwell zufolge signifikanteste diskursive Thema – quasi der Kulminationspunkt der Zehn Goldenen Regeln – besteht in dem Versuch, die Lomografie wiederum selbst zu kanonisieren. 149 Anhand der Zehn Goldenen Regeln lassen sich exemplarisch sprachliche Auffälligkeiten aufzeigen, die den Jargon sämtlicher Werbetexte der Lomografischen Gesellschaft kennzeichnen. Signifikant häufig werden so beispielsweise der grammatikalische Modus Imperativ und die Steigerungsform Superlativ verwendet. Hierbei handelt es sich um gängige Stilmittel der Werberhetorik, 145 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #10, S. 412. 146 Vgl. Kap. 9, Txt. 21, S. 413 f. 147 Vgl. Kap. 2.3. 148 Vgl. Shadwell: Soliciting User Participation. 149 Vgl. ebd., S. 46-56.
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dient der direkte Appell doch dazu, mit dem Adressaten in einen Dialog zu treten, um ihn schlussendlich zu einer Kaufhandlung aufzufordern. 150 Die rhetorische Emphase transportiert Euphorie und emotionalisiert die zu übermittelnde Botschaft. Zudem unterstreicht die sprachliche Befehlsform den normativen wie absoluten Charakter bestimmter Aussagen und verdeutlicht deren Dringlichkeit. Der inflationäre Gebrauch des Imperativs erinnert des Weiteren an die Rhetorik von Motivationshandbüchern bzw. Selbsthilfelektüre, eine Assoziation, die – wie nachfolgend anhand von Zitaten verdeutlicht wird – mit dem Inhalt der Zehn Goldenen Regeln konvergiert. Darüber hinaus findet konsequent die pronominale Anredeform Du Verwendung. Diese evoziert Jugendlichkeit, stiftet Identität und integriert den Leser durch ihre vertraute wie verschwörerische Intimität sogleich in die lomografische Community. Signifikant sind ferner die Beseelung des nunmehr anthropomorphen Konsumobjekts sowie die allegorische Sprache. 151 Die exzessive Metaphorik steht im Dienste einer Atmosphärensemantik und korrespondiert mit den anhängigen Konnotationen der signifikanten visuellen Stilmittel. 152 Über „Lomografische Lust“ 153, anthropoide Apparate und die organische Einheit von Mensch und Maschine Bereits die erste Regel 154 führt die Lomografie als eine Leidenschaft ein, die, ihrem Wesen nach unberechenbar wie unkontrollierbar, jederzeit – psychoanalytisch gesprochen – von einer latenten zu einer aktiven Triebregung werden kann: „Die Lomografie lauert dir auf und fällt dich ganz plötzlich an – ohne Vorwarnung!“ 155 Um diese unmittelbar befriedigen zu können, bedarf es daher einer allzeit einsatzbereiten Kamera, die wie selbstverständlich unablässig mitgeführt wird. Erst durch die erotisch konnotierte lomografische Betätigung kann sich ein kathartisch-lustvolles Moment, „die Lomographische Lust“ 156 , einstellen bzw. gewährleistet werden. Der technische Apparat fungiert in diesem Zusammenhang als essentielles Hilfsmittel zur Triebbefriedigung und ist notwendige Voraussetzung für den Lustgewinn. Durch die strukturelle Gleichsetzung von Lo150 Vgl. hierzu auch Janich: Werbesprache, S. 129 ff. 151 Zum Beispiel: „Deine Erinnerungen haben es verdient, in die zauberhaften Formen deiner Lomografien gegossen zu werden.“ Kap. 9, Txt. 19 – Regel #2, S. 409. 152 Vgl. Kap. 4.2.5. 153 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #1, S. 408. 154 Vgl. a.a.O. 155 A.a.O. 156 A.a.O.
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mografie mit Leidenschaft bzw. Triebregung wird diese als unbewusstes und instinktiv-drängendes Verlangen charakterisiert, dem man sich nicht erwehren kann, handelt es sich doch um einen integralen Bestandteil des eigenen Lebens – „Die Lomografie ist mit deinem Leben verschmolzen“ 157 –, insbesondere der eigenen Psyche: „Deiner Seele dürstet nach neuen Bildern.“ 158 Mithilfe dieser intrapsychischen Verortung erfährt die Lomografie eine Naturalisierung. Jedoch wird hier keine Psychopathologie geschrieben, vielmehr erhält diese eingeführte Sucht und die Intensität des daraus resultierenden Abhängigkeitsverhältnisses eine positive Konnotation: „Die beste und stärkste Abhängigkeit der Welt!“ 159 Die ‚lomografische Lust‘ ist ihrem Wesen nach unersättlich, sie verlangt kontinuierlich nach neuen Bildern, wodurch der antizipierte Adressat mit der unablässigen fotografischen Dokumentation seines Alltags beauftragt wird. In den Ausführungen zur dritten Regel 160 wird die Kamera suggestiv als Objekt der Begierde eingeführt, dessen Besitz einer ultimativen Wunscherfüllung gleichkommt: „Die LOMO LC-A ist alles was du jemals wolltest.“ 161 Zudem findet eine Vermenschlichung des technischen Objekts statt, das mehrere Personifikationen und folglich soziale Funktionen in sich vereint. Je nach Bedarf fungiert die Kamera mal als „bester Freund“, „Party-Begleiter“ oder aber „spiritueller Führer“. 162 Durch die Gleichsetzung mit basalen Ausdrucksformen menschlicher Kommunikation wie „sprechen, lachen, schreien und lieben“ 163 wird der Apparat zudem emotionalisiert. All dies arbeitet einer dialektischen Verschränkung von Lomografie und Leben zu, welche mehrfach im Text explizit wird: „Die Lomografie gehört zum Leben, das Leben gehört zur Lomografie.“ 164 Dies stellt eine Strategie im Diskursmuster der Naturalisierung lomografischer Betätigung dar. In der englischsprachigen Textversion ist die animistische Komponente sprachlich besonders frappierend, da dort zur Beschreibung jener Dialektik das Verb inhale verwendet wird, das die lomografische Betätigung mit einer lebensnot-
157 A.a.O. 158 A.a.O. 159 A.a.O. 160 Vgl. Kap. 9, Txt. 19 – Regel #3, S. 409. 161 A.a.O. 162 Alle zitierten Ausdrücke a.a.O. 163 A.a.O. 164 A.a.O.
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wendigen Vitalfunktion, der Atmung, ausstattet bzw. gleichsetzt. 165 Des Weiteren vergleicht der englische Text Lomografie mit menschlichen Grundbedürfnissen wie Essen und Schlafen und zementiert hierdurch zusätzlich jenen Biologismus. Aufgrund ihrer diskursiv als einzigartig dargestellten Charakteristika, Handlichkeit und Schnelligkeit, verschmilzt die LOMO LC-A unmittelbar mit ihrem Nutzer – sie wird „zur idealen Verlängerung deines Körpers […]!“ 166 Demzufolge ist der Apparat kein externes technisches Gerät, sondern mit dem Leib zu einer physischen (Aktions-)Einheit verwachsen und somit quasi Teil der menschlichen Organe. Eine derartige Symbiose von Mensch und Maschine ermöglichen, der Argumentation entsprechend, lediglich die Lomografie und der Gebrauch der damit assoziierten Konsumobjekte. Bedeutsame Fotografien können nur durch lomografische Betätigung und das hiermit verbundene Lebensgefühl entstehen. Auf diese Weise werden alle anderen fotografischen Praktiken ausnahmslos disqualifiziert. 167 „Esse est percipi est Lomography“ 168 – kontinuierliche Bildproduktion als Existenzbedingung Dem lomografischen Credo zufolge verdient es jedes Motiv, fotografiert und somit konserviert zu werden: „Jede Sekunde ist wertvoll für dich und deine 165 Vgl. Kap. 9, Txt. 20 – Rule #3, S. 412 sowie Shadwell: Soliciting User Participation, S. 47. 166 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #1, S. 408. Nach der psychoanalytischen Kulturtheorie Sigmund Freuds besteht Kultur vorrangig aus der Erfindung von Werkzeugen, mit deren Hilfe „der Mensch seine Organe [vervollkommnet].“ Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur (1929), in: Alexander Mitscherlich et al. (Hg.): Fragen der Gesellschaft, Ursprünge der Religion (= Sigmund Freud. Studienausgabe, Band 9), Frankfurt a.M. 1982, S. 191-270, hier S. 221. Freud stellt in seinen Ausführungen insbesondere auf den unheimlichen Aspekt dieser kulturellen Bestrebung ab, da „der heutige Mensch sich in seiner Gottähnlichkeit nicht glücklich fühlt.“ Ebd., S. 222. Demgegenüber nährt die Lomografie das Phantasma der vollkommenen Einswerdung von Mensch und Maschine. Indem sie eine restlos geglückte Fusion proklamiert, nimmt sie der freudianischen Argumentation gemäß erfolgreich den Platz der Götter als Kulturideale ein. Vgl. a.a.O. Mithilfe der LOMO LC-A lässt sich somit ein gottähnlicher Idealzustand realisieren. 167 Vgl. a.a.O. 168 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #2, S. 409. Aus dem Lateinischen wörtlich ins Deutsche übersetzt: Sein ist wahrgenommen werden, ist Lomografie.
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LC-A, jeder Moment ist etwas besonderes [sic!] […] sei bereit und lass dir nichts entgehen.“ 169 Der dokumentarisch-erinnernden Geste wird folglich ein hoher Stellenwert eingeräumt. Dennoch geht es hierbei nicht bloß um die fotografische Konservierung ephemerer Momente zur Bewahrung von Vergangenem, vielmehr ermöglicht der lomografische Akt gleichzeitig eine Intensivierung des gegenwärtigen Erlebens: „Wenn du Lomographierst [sic!], dann lebst du nicht bloß im Moment, sondern konservierst einen Teil der Gegenwart für die Zukunft.“ 170 Die zweite Regel weist den antizipierten Leser auf die Bedeutsamkeit wie Kostbarkeit seiner eigenen Existenz hin und betraut ihn mit dem Auftrag, diese umfassend lomografisch zu dokumentieren. Mit der Adaption des Grundprinzips empirischer Erkenntnistheorie – „Esse est percipi est Lomography“ 171 – wird die Dringlichkeit dieser Weisung zusätzlich radikalisiert: Will er selbst wahrgenommen werden, muss der Adressat seine Existenz ‚authentisch‘ dokumentieren. Authentizität ist in diesem Zusammenhang an eine kontinuierliche, wahllose lomografische Betätigung gebunden – der einzig probate modus operandi, der es vermag, das Leben in all seinen Facetten zu bezeugen. Es handelt sich folglich um eine Mission im Dienste der Selbstvergewisserung wie autobiografischen Überlieferung, der man sein gesamtes Leben zu verschreiben hat, denn lomografiert wird idealerweise jederzeit und überall. Sollte man entgegen diesem Diktum einmal nicht ‚allzeit bereit‘ sein oder sollten sich gar längere Phasen der lomografischen Abstinenz einschleifen, ist dies im Umkehrschluss geradezu existenzgefährdend, da das eigene Sein argumentativ kausal mit seiner Bezeugung durch die Bilder verschränkt wird: Dass ich lebe bzw. gelebt habe muss in einen Akt der Wahrnehmung durch die Kamera validiert werden – „Die Lomografie ist ein starker Ausdruck deiner Existenz […].“ 172 In dem proklamierten – fast schon als manisch zu bezeichnenden wie zu betreibenden – Dokumentationszwang tritt der Anspruch an eine absolute und nahtlose fotografische Erfassung der Welt aus einer subjektiven Perspektive der eigenen Lebenswirklichkeit offenkundig zutage. Bereits in diesen kurzen Analysen der Diskursmuster wird deutlich, dass der quantitativen Bildproduktion ein klarer Vorzug vor der qualitativen gegeben wird. Anders formuliert: Die Qualität steht gar nicht zur Debatte, präsentiert sich doch das Medium LC-A als verlässlicher Garant für „zauberhafte Lomographien“ 173. Um die ästhetische Beschaffenheit der Bilder muss sich ein Lomograf 169 A.a.O. 170 A.a.O. 171 A.a.O. 172 A.a.O. 173 A.a.O.
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folglich nicht sorgen, da diese gänzlich an den Apparat delegiert und durch dessen Verwendung sichergestellt wird. Das Einzelbild wird somit der fotografischen Sammlung untergeordnet, ist ein integraler Bestandteil von ihr, aber dennoch nur in der Summe bedeutsam. Dies spiegelt sich konsequent in dem vonseiten der Lomografischen Gesellschaft etablierten Ausstellungskonzept LomoWall wider, für deren kaleidoskopartige Bildhängung ebenfalls tausende kleinformatige Abzüge notwendig sind. 174 „Botschaft ohne Code“ 175 – oder: Der lomografische ‚Königsweg zum Unbewussten‘ Mit einer instinkthaften Handlung gleichgesetzt, läuft die lomografische Betätigung im Idealfall – und diesen gilt es anzustreben – unbewusst ab. Um die dafür notwendige Symbiose von Fotograf und Apparat herzustellen, ist eine kontinuierliche Bildproduktion vonnöten – eine Grundvoraussetzung, die, wie bereits gezeigt wurde, an verschiedensten Stellen im lomografischen Regelwerk betont wird. Lomografie erfolgt idealerweise reflexartig auf intuitiver Basis des Bauchgefühls, ohne Gebrauch des Verstandes, und ist daher geeignet, Botschaften des Unbewussten hervorzubringen bzw. diese in Bildern zu manifestieren. Sollte dieser Zustand noch nicht erreicht sein, ist hiermit in jedem Fall das Ziel formuliert, welches es mithilfe von (Selbst-)Konditionierung zu realisieren gilt. Indem er jene Werte der Zehn Goldenen Regeln durch Identifikation mit selbigen verinnerlicht, trägt der Nutzer bestenfalls selbst zur Naturalisierung der lomografischen Kulturtechnik bei. Die gewählte Formulierung „Lomographische[s] Dasein“ 176 unterstreicht erneut, dass es sich bei der Lomografie nicht bloß um ein Hobby, sondern vielmehr um eine Lebensform und Weltanschauung handelt, deren erklärtes Ziel es ist, den „Dingen auf den Grund zu gehen und sie von innen zu erkunden.“ 177 Diese Vorstellung rekurriert auf einen Mythos aus den frühen Anfängen der Fotografie, 174 Zum Kompositbild LomoWall vgl. Kap. 4.2.6. 175 Roland Barthes charakterisiert mit jener Formulierung den paradoxen Sonderstatus des fotografischen Bilds. Aufgrund seiner Indexikalität biete sich dessen Botschaft als perfektes, weil kontinuierliches „mechanisches Analogon des Wirklichen“ dar. Vermeintlich finde keine Codierung zwischen Objekt und Abbild statt, so dass man es scheinbar mit einer ausschließlich denotativen Zeichenbedeutung zu tun habe, die keiner Entzifferung bedürfe. Barthes, Roland: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn (= Kritische Essays, Band III), Frankfurt a.M. 1990, S. 14. 176 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #5, S. 410. 177 A.a.O.
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die dem als unheimlich und magisch empfundenen Apparat zugeschriebene Fähigkeit, den fotografierten Subjekten in die Seele schauen, ja ihnen diese sogar rauben zu können. 178 Durch jene diskursive Aufladung der LOMO LC-A mit magischen Qualitäten wird der Apparat sowie die durch ihn ermöglichte fotografische Praxis als Erkenntnisinstrument bzw. -mittel eingeführt, das in der Lage ist, zum „Wesen der Dinge“ 179 vordringen zu können. Damit dies gelingen könne, müsse sich der Lomograf möglichst nah an sein Objekt heranbewegen. 180 „Wenn du spürst, dass der Augenblick gekommen ist, mach ein Bild. Versuche es, und du wirst merken, dass du die starke Leidenschaft, die du für die Lomographie hegst, in deinen Fotos wiederfindest.“ 181 Diese Textstelle dient erneut dazu, das Lomografieren als intuitive Handlung zu charakterisieren, deren fotografische Derivate daher sprichwörtlich Selbstausdruck und -abdruck der eigenen Psyche sind. Ein weiterer (selbst-)therapeutischer Aspekt ist die Funktion der Kamera als Mediator bzw. Kommunikator, mit dessen Hilfe die eigene Unsicherheit in sozialen Interaktionen sublimiert werden könne. 182 Nur das intuitive Betätigen des Auslösers ermögliche einen Zugang zum Unmittelbaren. 183 Die Automatisierung des fotografischen Vorgangs in der Fusion von Mensch und Maschine eröffnet quasi den ‚Königsweg zum Unbewussten‘ 184. Im Unterschied zur psychoanalytischen Therapie werden Botschaften des Unbewussten hierbei jedoch nicht sprachlich vermittelt, sondern manifestieren sich in den visuellen Resultaten dieses automatisch ablaufenden fotografischen Aktes. Um jenen gewünschten Effekt zu erreichen, müssten die Informationen „ungefiltert“ 185 und frei von „mentale[m] Ballast“ 186 sein: „[…] Don’t think! 178 Vgl. Behrend, Heike: Seelenklau. Zur Geschichte eines interkulturellen Medientransfers, in: Johannes Bilstein/Matthias Winzen (Hg.): Seele. Konstruktionen des Innerlichen in der Kunst, Nürnberg 2004, S. 72-89. Online abrufbar unter: http://pub likationen.ub.uni-frankfurt.de/files/13079/Seelenklau_HB.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 179 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #5, S. 410. 180 Vgl. a.a.O. 181 A.a.O. 182 Vgl. a.a.O. 183 Vgl. a.a.O. 184 Freud zufolge weist die Traumdeutung den direkten Weg zu verdrängten Bewusstseinsinhalten. Sie gilt ihm daher als „Via regia zur Kenntnis des Unbewußten im Seelenleben.“ Freud, Sigmund: Zur Psychologie der Traumvorgänge, in: Alexander Mitscherlich et al. (Hg.): Die Traumdeutung (1900) (= Sigmund Freud. Studienausgabe, Band 2), Frankfurt a.M. 1982, S. 488-588, hier S. 577; Herv. i.O. 185 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #5, S. 410.
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Denken verboten! Wirf deine ganze intellektuelle Bildung über Bord und gib dir das pure, unverfälschte Leben! Mach Fotos ohne zu denken, lebe im Augenblick, finde deine Motive ohne zu suchen: Klick, Klick, Klick! […] Lomografie […][,] [d]ie beste Kur, die besten Bilder!“ 187 Das gewählte Zitat führt exemplarisch die ausgeprägte Aversion gegen industrielle Standards und fotografische Kenntnisse, wie sie beispielsweise in der klassischen Fotografenausbildung vermittelt werden, vor. Diese werden mit negativen Eigenschaften belegt und diskreditiert. Wie Shadwell darlegt, wird diese herabwürdigende Rhetorik in der englischen Textversion noch expliziter: Menschen, die sich selbst als Experten bzw. professionelle Fotografen bezeichneten oder Wissen und Erfahrung als Grundvoraussetzungen für gelungene Fotografien erachteten, würden durch unerwünschte Merkmale klassifiziert: „[…] such as being ‚shy‘ and ‚clumsy‘, or even as being socially inept-‚party-pooping‘ […].“ 188 Im absolut zu verstehenden Diktum „Denken verboten!“ offenbart sich eine grundlegend antireflexive Haltung, die über den Bereich des Fotografischen hinausgeht und ihre Entsprechung im performativen Vollzug der unmittelbaren fotografischen Geste findet. Mithilfe der beharrlich propagierten direkten und spontanen Bildpraxis versucht die Lomografie das Konnotat der fotografischen Botschaft 189 zu umgehen. Es gilt, gerade möglichst keine Kenntnis über das aufgenommene Bildmotiv zu besitzen. Somit stellt sich weder die Frage nach der Motivation der Aufnahme noch nach dem Dargestellten, dient die Lomografie doch dezidiert dazu, alles Seiende möglichst wertfrei durch den Apparat festzuhalten und zu bezeugen. Bei der Aufnahme wird die menschliche Intervention auf ein Minimum, die Betätigung des Auslösers bzw. die Ingangsetzung der maschinellen Vorgänge, reduziert, um derart möglichst ‚authentische‘ Eindrücke – „das pure, unverfälschte Leben“ 190 – einfangen zu können. Der Vorstellung nach zeichnen sich diese insbesondere dadurch aus, dass sie frei von Konnotationen und symbolischer Bedeutung sind und somit Chen zufolge einen ‚paradiesischen Urzustand‘ 191 des Bilds verkörpern. Indem die Zehn Goldenen Regeln Ignoranz wie Arglosigkeit zur idealen Grundhaltung des Lomografen bzw. der lomografischen Bildproduktion stilisierten, sei der Bildstatus einer Lomografie durch eine 186 A.a.O. 187 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #6, S. 410. 188 Shadwell: Soliciting User Participation, S. 50; Herv. i.O. Vgl. Kap. 9, Txt. 20 – Rule #6, S. 412 f. 189 Vgl. Barthes: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, S. 11-27. 190 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #6, S. 410. 191 „‚[A] kind of Edenic State‘ of the Image“ im engl. Originaltext. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 31; Herv. i.O.
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paradoxe wie hochproblematische Verschränkung von Naivität und Autorität gekennzeichnet. Auf diesen Nexus hatte Susan Sontag bereits im Kontext surrealistischer Fotografie hingewiesen: „Je weniger frisiert, je weniger kunstfertig fabriziert, je naiver ein Foto ist, desto eher wird es für glaubwürdig gehalten.“ 192 Gemäß der Argumentation der Zehn Goldenen Regeln verfügt die lomografische Abbildung aufgrund ihrer Unkalkulierbarkeit über einen höheren Wahrheitsgehalt und daher über ein größeres Maß an Autorität als andere fotografische Aufnahmen. Image Automatique – Unmittelbarkeit des fotografischen Abdrucks als ästhetisches Ideal „Es gibt keine ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Fotos, nur mehr oder weniger ‚wahre‘ und ‚authentische‘ Fotos. Diese Authentizität wird durch fast mechanische, routinierte und ‚gedankenlose‘ Schnappschüsse erzielt.“ 193
Im dritten Absatz der ersten Regel wird Spontaneität als zentrales Charakteristikum der lomografischen Praxis herausgestellt. 194 Der Argumentation folgend, entstünden beeindruckende Fotografien somit ‚erfahrungsgemäß‘ 195 unmittelbar durch das zufällige Abpassen des richtigen Augenblicks und seien daher nicht auf fotografische Kenntnisse oder ähnliches zurückzuführen, sondern einzig unvorhersehbare Resultate des Zufalls. 196 Als handliche und leicht zu bedienende Kamera wird das zu vermarktende Konsumobjekt, die LOMO LC-A, zum einzig probaten Mittel für derartige lucky shots: „Mit der LC-A erreichst du Momente, die dir andere Kameras vorenthalten: spontan, ursprünglich, unvorhersehbar und einmalig!“ 197 Bei den zugeschriebenen Attributen – Spontaneität, Ursprünglichkeit, Unvorhersehbarkeit und Einmaligkeit – handelt es sich um zentrale Begrifflichkei192 Sontag, Susan: Über Fotografie, 10. Aufl., Frankfurt a.M. 2010 [1980], S. 54 sowie vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 36. 193 Zitat aus dem Lomografischen Manifest. Kap. 9, Txt. 21, S. 413-415, hier S. 413; Herv. i.O. 194 Vgl. Kap. 9, Txt. 19 – Regel #1, S. 408. 195 Hierbei bleibt völlig unklar, welche Quellen bzw. Fotografen diese Behauptung stützen, vielmehr wird sie als Faktum bzw. Gemeinplatz präsentiert. 196 Vgl. Kap. 9, Txt. 19 – Regel #1, S. 408. 197 A.a.O.
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ten der lomografischen Nomenklatur. Eingeführt als zentrale Bestandteile des ästhetischen Kanons, bemisst sich an ihnen die Qualität einer Fotografie. Das rhetorische Mittel der Aufzählung gewährleistet die Äquivalenz der einzelnen Adjektive, die allesamt der Diskursformation des Authentischen 198 angehören. Im zitierten Textabschnitt werden sie als exklusive Eigenschaften eines speziellen Kameramodells – der LOMO LC-A – ausgewiesen und argumentativ untrennbar an dieses gekoppelt, um derart ein ultimatives Verkaufsargument zu konstruieren, das seine Autorität aus der angenommenen Kausalitätsbeziehung zwischen Apparat und ästhetischer Qualität der Aufnahme bezieht. 199 Neben der Maxime kontinuierlicher, spontaner Bildproduktion ist der Schuss aus der Hüfte, der sogenannte hip shot, ein anderes zentrales Charakteristikum der lomografischen Praxis. Wortwörtlich zu verstehen, handelt es sich hierbei um eine völlig andere Herangehensweise an die fotografische Bilderzeugung: Aufnahmen werden gerade nicht unter Zuhilfenahme des Suchers getätigt, sondern zufällig, ohne vorherige Prüfung des Bildausschnitts oder der Komposition, aus allen nur denk- bzw. realisierbaren Perspektiven. Das konkret aufgenommene Motiv entzieht sich somit vollends den Kenntnissen des Fotografen, wodurch die performative Praktik des hip shot planvoll eine weitere unberechenbare Variable in den lomografischen Bildentstehungsprozess integriert. Die hierdurch implementierte Kontingenz verstärkt den angestrebten Eindruck des Authentischen, da en passant aufgenommene Bilder unmittelbar real und daher als uncodierte visuelle Botschaften erscheinen, die „das buchstäblich Wirkliche“ 200 abbilden: „Gerade die Beiläufigkeit eines Bildes verheißt Echtheit, da der Film ‚nur‘ zeigt, worauf das Objektiv zufällig gerichtet war, und keiner Gestaltungsabsicht – manipulativen Energie – unterworfen war.“ 201 198 Authentizität und mit ihr assoziierte Begriffe werden im Kontext der vorliegenden Arbeit als kollektive Diskursfiktionen und daher dekonstruierbar verstanden: „[…] Vorstellungen von Echtheit, Eigentlichkeit, Unmittelbarkeit, Ursprünglichkeit sind gesellschaftlich bedingte, kontingente Konstrukte, die kommunikativ generiert und im Rahmen von Machtbeziehungen verhandelt werden.“ Rössner, Michael/Uhl, Heidemarie: Vorwort, in: Dies. (Hg.): Renaissance der Authentizität? Über die neue Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, Bielefeld 2012, S. 9-14, hier S. 9. 199 Außer Frage steht hierbei, dass Schnappschussfotografie selbstverständlich nicht an ein spezifisches Kameramodell gebunden ist. Gerade aufgrund der Fragwürdigkeit dieser angeblichen Alleinstellungsmerkmale der LOMO LC-A, in Kombination mit dem finanziellen Erfolg der Marke, zeigt sich bereits, dass mehr als der eigentliche Gebrauchswert auf dem Spiel steht. 200 Barthes: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, S. 12. 201 Ullrich: Die Geschichte der Unschärfe, S. 95; Herv. i.O.
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Die fotografische Geste des hip shot, der nonchalante Schuss aus der Hüfte, bricht ganz bewusst mit etablierten Konventionen sowie den hieraus resultierenden Limitierungen und fordert explizit zum ‚totalen Ungehorsam‘ auf: „[V]ergiss alles was du über Fotografie gelesen hast. […] Brich mit allen Grenzen, mach dich frei!“ 202 Derart als rebellische Geste geführt, verspricht der hip shot auf performativer Ebene Freiheit durch Zwanglosigkeit; gleichzeitig kann er als fotografische Antithese gelesen werden. Klassische fotografische Konventionen werden zugunsten eines lustvollen spielerisch-experimentellen Umgangs mit Fotografie abgelehnt. 203 Dies ermöglicht eine Demokratisierung der Fotografie, die – zumindest in Form der Lomografie – nunmehr von jedem praktiziert werden kann, völlig unabhängig von etwaigen Kenntnissen im Umgang mit dem Medium. 204 Folglich findet eine Wertverschiebung vom fotografischen Endprodukt auf den Prozess, die unablässige fotografische Produktion, statt. Dieser wird zum eigentlichen künstlerischen Moment stilisiert, wohingegen die Qualität der resultierenden Fotografien im Moment der Aufnahme von untergeordneter Bedeutung ist. Auf letztere müssen, dem ‚Ästhetik-Garant‘ LOMO LC-A sei Dank (vgl. Kap. 4.2.4), keine Gedanken verwendet werden. Da das entscheidendste Qualitätsmerkmal einer Lomografie in ihrer Authentizität besteht, kann selbst das unschärfste und stark überbelichtete Bild mit einer besseren Resonanz innerhalb der ästhetischen Wertegemeinschaft rechnen, als eine normenkonforme Aufnahme des gleichen Motivs dort je erzielen könnte. Die Syntax des einleitenden Zitats offenbart die synonyme Verwendung von Wahrhaftigkeit bzw. Wahrheitsanspruch und Authentizität, die hierin argumentativ an eine spezifische unreflektierte fotografische Haltung gebunden werden. Aufgrund ihres avantgardistischen Selbstverständnisses sucht die Lomografische Gesellschaft seit Ausrufung der Lomografie im Jahr 1992 die Nähe zur Bildenden Kunst. Dies geschieht auf verschiedensten Wegen; die signifikanteste Referenz findet sich jedoch zu einer konkreten Kunstströmung der Moderne, dem Surrealismus, welcher in den 1920er Jahren die Nachfolge des Dadaismus antrat. Obgleich hierauf nicht explizit Bezug genommen wird, ist die Parallele auf Argumentationsebene signifikant. Ähnlich wie seinerzeit die Surrealisten hegen auch die Lomografen eine große Faszination für psychoanalytische Theo202 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #4, S. 409 f. 203 Weitere Verstöße gegen den traditionellen Kanon finden sich auf Ebene der verwendeten Lo-Fi-Kameramodelle sowie der hierdurch generierten Bildästhetik und werden in Kapitel 4.2.4 und 4.2.5 ausführlicher behandelt. 204 Unter einem ökonomischen Gesichtspunkt betrachtet, vergrößert sich hiermit sogleich die potentielle Zielgruppe.
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rien. Ihr besonderes Interesse gilt dabei dem psychischen Register des Unbewussten, dessen verborgene Inhalte durch die Anwendung spezifischer Methoden zutage gefördert werden sollen. Zu diesem Zweck experimentierten die Surrealisten beispielsweise mit der assoziativen Praktik der écriture automatique 205. Das spontane wie unreflektierte Notieren der eigenen Gedanken und Gefühle diente dazu, die sprachliche Manifestation unbewusster Vorstellungen zu ermöglichen. Der niedergeschriebene Text ist einzig der Unmittelbarkeit des Einfalls, nicht jedoch grammatikalischer oder orthografischer Regeln verpflichtet, da gerade Schreibfehler bzw. sprachliche ‚Anomalien‘ als Indikator für unbewusste Inhalte gelten und daher explizit erwünscht sind. 206 Eine Ahnung von der ‚wahren‘ und ‚eigentlichen‘ Botschaft des Unbewussten ergibt sich folglich ausschließlich im Moment unmittelbarer wie intuitiver Artikulation. Als Werkzeuge des zensierenden Über-Ichs verhindern Kognition und Reflexion eben jenen Zugang, daher müssen sie zumindest temporär außer Kraft gesetzt werden. Trotz ihrer Affinität zur Psychoanalyse interessierte die Surrealisten das assoziative Verfahren nicht als Behandlungsmethode, vielmehr deklarierten sie dieses zu einer innovativen künstlerischen Herangehensweise, die eine ungekannte Form von Kreativität fördere. 207 205 Das derart benannte Konzept entstammt dem Kontext der Psychologie und geht auf den Psychotherapeuten Pierre Janet zurück, der es Ende des 19. Jahrhunderts als Behandlungsmethode formulierte. Die Patienten wurden dabei in tranceartige Zustände versetzt und zum Schreiben aufgefordert. Vgl. hierzu auch Spies, Werner: Der Surrealismus: Kanon einer Bewegung, Köln 2003. 206 Analog zur freudianischen Theorie sind sprachliche Fehlleistungen wie Versprechen, Verschreiben oder Verlesen keine zufälligen und somit bedeutungslosen Phänomene, sondern ähnlich wie Zufalls- und Symptomhandlungen als sinnhafte psychische Akte zu verstehen. Sie resultieren aus einer konflikthaften Überlagerung zweier Absichten und markieren selbige durch eine Störung des Sprachflusses. Vgl. Freud, Sigmund: Die Fehlleistungen (1916 [1915]), in: Alexander Mitscherlich et al. (Hg.): Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse und Neue Folge (= Sigmund Freud. Studienausgabe, Band 1), Frankfurt a.M. 1982, S. 41-98, hier S. 80 ff. Der französische Kunsthistoriker Clément Chéroux überträgt in seinem Konzept der Fautographie das unter Autoren gefürchtete Phänomen des Erratums, den Fehler in einer Drucksache, auf das Feld der Fotografie. Dabei geht er von der – ebenfalls auf psychoanalytische Theorie rekurrierenden – Grundannahme aus, dass speziell fotografische Fehler als heuristisches Mittel bei der Analyse einer Fotografie dienen können. Vgl. Chéroux, Clément: Fautographie. Petite Histoire de l’Erreur Photographique, Crisnée 2003, S. 16 f. 207 Vgl. bspw. Spies, S. 17 ff.
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Implizit das Erbe der veristischen Strömung des Surrealismus antretend, ersetzt die Lomografie sieben Jahrzehnte später das Schreibwerkzeug bzw. alphabetische Aufschreibesystem 208 durch den Fotoapparat und versucht mit dessen Hilfe gleichfalls Vorstellungen des Unbewussten fotografisch abzubilden. Analog zur freien sprachlichen Assoziation werden hierbei auf unterschiedlichsten Ebenen des Bildentstehungsprozesses Variablen eingeführt, deren unvorhersehbares Kombinationsspiel im Dienste des planmäßigen Kontrollverlustes eine möglichst unvorhersehbare und daher ‚authentische‘ Aufnahme garantieren soll. Das resultierende Bild wird als ein unmittelbares angenommen, das ohne kognitive Kontrolle entsteht und somit a priori nicht reflexiv ist. Als intuitiver BildAkt 209 beansprucht eine Lomografie daher maximale Autorität, kam sie doch ohne manipulierendes Korrektiv bzw. Zensor zustande. Diese phantasmatische Vorstellung fußt auf der Annahme, dass Authentizität, verstanden als wahrhafte Äußerung, und kognitive Prozesse sich gegenseitig ausschließen: „The authenticity of images is […] vouched for […] by the unconscious way in which the release is pressed over and over again.“ 210 In ihrem Essay Objekte der Melancholie aus dem Jahr 1978 widmet sich Susan Sontag dem Verhältnis von Surrealismus und fotografischer Reproduktionstechnik. Laut Sontag bestand der Anspruch des Surrealismus darin, „die Grenze zwischen Kunst und sogenanntem Leben zu verwischen, zwischen dem Absichtsvollen und dem Unabsichtlichen, zwischen Professionellen und Amateuren, zwischen dem Erhabenen und dem Abgeschmackten, zwischen echtem handwerklichem Können und erfolgreicher Stümperei.“ 211 Diese Absichtserklärung ist geradewegs auf die Lomografie übertragbar und verdeutlicht nochmals deren ideelle Nähe zur surrealistischen Ideologie.
208 Vgl. Kittler, Friedrich: Aufschreibesysteme 1800/1900, München 1985. 209 Vgl. hierzu Dubois, Philippe: Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv, Amsterdam 1998. 210 Albers, Philipp/Nowak, Michael: Lomography. Snapshot Photography in the Age of Digital Simulation, in: History of Photography (#23) 1 (1999), S. 101‐104, hier S. 103. 211 Sontag: Über Fotografie, S. 53.
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4.2.3 Das Oxymoron der „spontanen Chronik“ 212 – Lomografie im Kontext der Schnappschusstradition In seinem Forschungsprojekt aus dem Jahr 2001 perspektiviert Chen die Lomografie auf ihren historischen Vorläufer, die Amateurfotografie. 213 Indem sie deren häuslichen, insbesondere familiären Kontext sowie die damit verbundenen Topoi unterminiere, stellt Lomografie nach Auffassung von Chen den Versuch dar, die fotografischen Konventionen in jenem Bereich traditioneller Schnappschussfotografie neu zu interpretieren. 214 Nicht ohne despektierlichen Beiklang bezeichnet der Begriff ‚Schnappschuss‘ jene Fotografien, die von Laien unter Verwendung einer einfach zu bedienenden, weitgehend automatisierten Kamera aufgenommen werden. Popularisiert wurde diese Form der Amateurfotografie 1888 durch die Markteinführung von George Eastmans erster Kodak-Kompaktkamera, deren begleitender Werbeslogan „You press the button, we do the rest“ bereits auf die radikale Vereinfachung des fotografischen Verfahrens verweist. 215 Mit Erfindung des Zelluloidfilms und dem immensen Erfolg der Kodak Brownie Camera erlebte die Amateurfotografie ihren initialen Boom, war die fotografische Technik dank diesem kostengünstigen und einfach zu bedienenden Fotoapparat nun nicht mehr ausschließlich professionellen Anwendern vorbehalten. Die Entstehung der Amateurfotografie wird üblicherweise auf das Jahr 1900 datiert, in welchem Kodak besagtes Kameramodell lancierte. Bei der Brownie handelt es sich um das zentrale Artefakt der Kodak’schen Warenwelt, deren Entwicklung der Fotografie eine neue Zielgruppe, insbesondere Frauen und Kinder, und somit einen weiteren Markt erschloss. Konsumenten war es zum ersten Mal möglich, eigene Bilder aufzunehmen, ohne sich zuvor näher mit der Funktionsweise des Apparats auseinandersetzen zu müssen. Zusätzlich bietet die Kompaktkamera Gelegenheit zu einer räumlichen wie zeitlich-performativen Emanzipierung: Die kurzen Belichtungszeiten erlauben erstmals das Einfangen von spontanen ephemeren Momen-
212 King, Barry: Über die Arbeit des Erinnerns. Die Suche nach dem perfekten Moment, in: Herta Wolf (Hg.): Diskurse der Fotografie (= Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Band 2), Frankfurt a.M. 2003, S. 173-214, hier S. 185. 213 Unter anderem mithilfe einer Kontextualisierung der fotografischen Arbeiten Christian Boltanskis verdeutlicht er, wie warenförmig und somit systemkonform die lomografische Bewegung ihrem revolutionären Impetus zum Trotz ist. Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, insb. S. 26-48. 214 Vgl. ebd., S. 19. 215 Vgl. Buse, Peter: Surely Fades Away, S: 12.
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ten und brechen die rigide wie artifizielle fotografische Pose auf. In Kombination mit der fortschreitenden Miniaturisierung der Apparate war die Fotografie zudem nicht länger an den Studioraum gebunden. 216 Diese technischen Innovationen schufen folglich die Voraussetzungen für die Popularisierung der Fotografie als Kulturtechnik. Laut Chris Chesher kann das Kodak-Universum daher als erstes einschlägiges Beispiel für usergenerierte Inhalte gelten. 217 Indem der Beitrag der Konsumenten zur Bildentstehung bzw. -werdung auf das Betätigen des Auslösers beschränkt wird, findet jedoch zugleich eine symbolische Abwertung ihrer Arbeit bzw. eine Umkehrung des Souveränitätsverhältnisses statt. Mit Vilém Flusser wird der Fotograf zum Funktionär des weitgehend selbsttätigen Apparats, dem er – in Unkenntnis der technischen Abläufe – lediglich bei der Bildproduktion assistiert. 218 Die Marketingstrategie von Kodak propagierte von Beginn an die Verschränkung von Fotografie und Familienleben, welche in der Folge insbesondere das familiäre Umfeld als zentrales Motiv populärer Fotografie etablieren sollte. 219 Der Schnappschuss entwickelte sich somit zur Dokumentationsform des familiären Lebens und dessen individuell bedeutsamer Momente. In diesem Kontext war die Fotografie vor allem unter performativem Aspekt von Belang; als Ritus, der „Zeugnis von familiärer Verbundenheit ablegt“ 220 und die gesellschaftliche Institution Familie festigt. In ihm konvergierten Fotografie, Alltagsleben und Konsumismus. Die derart entstehenden Aufnahmen sind privat und öffentlich zugleich, wobei ihr öffentlicher Einsatz eigene formale und thematische Einschränkungen und folglich konventionell-stereotype Inszenierungsformen mit sich bringt. Im Feld der traditionellen Schnappschussfotografie ist fotografische Betätigung vor allem besonderen Anlässen vorbehalten, wie beispielsweise der Urlaubszeit und somit touristischer Praxis, bedeutenden Erlebnissen, wie der 216 Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 10 ff. 217 Vgl. Chesher, Chris: Between Image and Information. The iPhone Camera in the History of Photography, in: Larissa Hjorth/Jean Burgess/Ingrid Richardson (Hg.): Studying Mobile Media. Cultural Technologies, Mobile Communication and the iPhone, New York [u.a.] 2012, S. 98-117, hier S. 5 (Seitenzahl der PDF-Version). Online abrufbar unter: http://www.academia.edu/1121831/Between_image_and_in formation_the_iPhone_camera_in_the_history_of_photography (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 218 Vgl. Flusser: Für eine Philosophie der Fotografie, S. 26. 219 Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 15. 220 Sontag: Über Fotografie, S. 14. Vgl. auch Bourdieu et al.: Eine illegitime Kunst, S. 32.
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Geburt der eigenen Kinder, und relevanten transitorischen Biografiemarkern – Geburtstag, Einschulung, Hochzeit oder ähnlichem. 221 Verortet im Feld der häuslichen Tätigkeiten, hatte die Frau als Teil der Familienarbeit und -pflege für deren fotografische Dokumentation zu sorgen. 222 Mit Vergleichen zu hauswirtschaftlichen Arbeiten – wie beispielsweise „as easy as pie“ 223 – adressierte die Vermarktung von Kleinbildkameras explizit die als wenig technikaffin und -bewandert eingestufte Hausfrau und Mutter. Die skizzierte Genese der Schnappschussfotografie und deren zentrale Paradigmen dienen Chen als Analyseinstrument zur Beurteilung der lomografischen Praxis, die sich seiner Einschätzung nach offensichtlich in deren Tradition verorten lässt. 224 Obgleich der motivische Fokus auf Szenen des Familienlebens seitens der Lomografie entgrenzt werde, entstammten die gewählten Sujets dennoch explizit dem individuell-persönlichen Lebensumfeld. Nicht minder diene der rituelle Charakter der fotografischen Praxis auch unter Lomografen zur Herstellung einer identitätsstiftenden Gemeinschaft, innerhalb derer sie mithilfe von ebenfalls konventionalisierten fotografischen Stereotypen kommunizieren könnten. 225 Das angebotene Equipment der Lomografischen Gesellschaft folgt dem Schnappschuss-Paradigma 226 und zeichnet sich demzufolge durch einfach zu bedienende Apparate aus, deren Bildqualität dennoch verlässlich ist. 227 Bei der anvisierten Käuferschicht handelt es sich somit um ambitionierte Amateurfotografen, welche die fotografische Tätigkeit aufgrund fehlender technischer Kenntnisse dankbar auf den Vorgang des Zielens und Auslösens reduzieren. In 221 Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 15-18. Portraits der eigenen Kinder sind ein zentraler Topos des familiären Schnappschusses, bezeugen sie doch die elterliche Liebe: „Keine Aufnahmen von den Kindern zu machen – insbesondere, wenn sie noch klein sind – gilt als Zeichen elterlicher Gleichgültigkeit, wie es andererseits als Zeichen jugendlicher Auflehnung gilt, sich nicht für ein Examensfoto zur Verfügung zu stellen.“ Sontag: Über Fotografie, S. 14. 222 Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 17. 223 Holland, Patricia: Introduction. History, Memory and the Family Album, in: Patricia Holland/Jo Spence (Hg.): Family Snaps. The Meanings of Domestic Photography, London 1991, S. 1-14, hier S. 7. 224 Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. i. 225 Vgl. Kap. 4.2.6. Vgl. hierzu auch Bourdieu et al.: Eine illegitime Kunst, S. 55. 226 Dieses Modell basiert auf Simplizität und Reliabilität des Apparats, laut Slater revolutionäre Verkaufsargumente, die erstmals von Kodak zur Vermarktung ihrer Kleinbildkameras verwendet wurden. Vgl. Slater: Consuming Kodak, S. 52. 227 Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 20.
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Kombination mit ihrem Leitfaden, den Zehn Goldenen Regeln, adressiert die Lomografie nach Ansicht von Chen jene Konsumentenschicht fotografischer Laien, die wenig Geld und Zeit investieren, sich aber dennoch von den stereotypen Topoi bzw. motivischen Gemeinplätzen konventioneller Schnappschussfotografie – dem traditionellen Familienportrait – absetzen wollten. 228 Neben der motivischen Liberalisierung unterscheidet sich die Lomografie ebenfalls durch die Frequenz der fotografischen Betätigung, die möglichst kontinuierlich erfolgen soll und nicht ausschließlich an die Dokumentation besonderer Anlässe gebunden ist: „Jede Sekunde ist wertvoll für dich und deine LC-A, jeder Moment ist etwas besonderes [sic!].“ 229 Demnach werden auch die im Kontext der Amateurfotografie kanonisierten Anlässe fotografischer Betätigung entgrenzt: Um sich gesellschaftlich zu integrieren, gilt es nun nicht mehr ausschließlich, die soziokulturellen ‚Höhepunkte‘ bildlich zu bezeugen, vielmehr ist jeder Augenblick, sei er auch noch so banal, ein Foto wert. Wie Chen bilanziert, modernisiere und liberalisiere die Lomografie zwar die bestehende Schnappschussästhetik, nichtsdestotrotz sei sie selbst mittlerweile ebenso warenförmig und von kommerziellen Interessen determiniert wie ihr fotografischer Vorläufer. 230 4.2.4 Fetischisierung des alten Objekts 231: LC-A als Nukleus des lomografischen Dinguniversums Schlüsselkonsumobjekt und Konsistenzminimum der Lomografie sowie des angeschlossenen Warensortiments ist ein ursprünglich sowjetisches KleinbildKompaktkameramodell, die LOMO LC-A (vgl. Tab. 5, 4; S. 112). Von Lomophilen wird dieses vor allem für seine technischen Spezifika, insbesondere die Linse
228 Vgl. ebd., S. 19. 229 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #2, S. 409. 230 Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 1. Obgleich von den Initiatoren als eine Revolution fotografischer Konventionen angepriesen, gehe die Lomografie, einem kritischen Urteil von Rick Poynor zufolge, absolut mit den um die Jahrtausendwende vorherrschenden Haltungen im Bereich von Fotografie und Design konform. Ihre Versprechungen vermöge die Lomografie nicht zu halten, da sie sich letztlich als zu vorhersehbar erweise. Vgl. Poynor, Rick: Depth Imperception, in: Print (#54) 6 (2000), S. 40B + 148 f., hier S. 148. 231 Speziell zum Fetischcharakter der Antiquität vgl. Baudrillard, Jean: Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2007 [1991], S. 95-109.
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sowie die automatische Belichtung, geschätzt. Bei der verbauten Linse handelt es sich um die Minitar 1, eine lichtempfindliche Weitwinkellinse, die Farben besonders intensiv reflektiert und einen Lichtabfall zu den Bildrändern hin generiert. Im Lomografischen Manifest wird die Kamera als besonders benutzerfreundlich beschrieben. 232 Aufgrund einer als einmalig dargestellten Kombination verschiedener Merkmale – konkret die handlichen Abmessungen der Kamera (10 x 6 x 4 cm), der automatische Belichtungsmesser sowie die „exzellente Schärfe und hohe Schärfentiefe“ 233 des Objektivs – handele es sich bei der LC-A um ein innovatives, geradezu ‚revolutionäres‘ Kameramodell. Der Argumentation zufolge ermögliche ihr geringer Preis eine andere, spielerisch-experimentelle Art der Fotografie, die Lomografie. Diese mache „[d]as ‚extravagante Experiment‘“ 234 massentauglich und reformiere somit den Bereich der Amateurfotografie. Die signifikante Bildästhetik wird der verbauten Linse zugeschrieben und somit untrennbar an die fotografische Hardware rückgebunden; ohne das entsprechende, exklusiv von der Lomografischen Gesellschaft vertriebene, Equipment sind derartige Fotografien folglich nicht zu haben. Laut der deutschsprachigen Version der offiziellen Internetpräsenz ist die ästhetische Beschaffenheit einer Lomografie durch Charme, Magie sowie eine geheimnisvolle Aura gekennzeichnet. 235 Der mysteriöse Zauber der Aufnahmen wird an verschiedenster Stelle betont, so beispielsweise in dem Text aus der Timeline zum Jahr 1991 – dem Entdeckungsjahr der LC-A: Als Grund für die Faszination, die jene billig produzierte Kompaktkamera auslöste, wird ebenfalls die „befremdliche Schönheit“ 236 ihrer Bilder angegeben. Konkrete Stilmittel, die zur beschriebenen mystischen Ausstrahlung lomografischer Aufnahmen beitragen, sind Vignettierungen, unvorhergesehene Lichtflecke, Körnung, intensive Farbsättigung und Kontrastintensivierungen. 237 Auf der entsprechenden Mikroseite des Kameramodells LOMO LC-A werden insbesondere dessen brillante Farbwiedergabequalitäten hervorgehoben: Indem sie Farbe extrem dynamisch bzw. lebendig reproduziere, ließen sich mit der Kamera Bilder aufnehmen, die ‚vor Leben geradezu strotz-
232 Vgl. Kap. 9, Txt. 21, S. 413-415. 233 Ebd., S. 413. 234 Ebd., S. 414; Herv. i.O. 235 Vgl. Kap. 9, Txt. 22, S. 416. 236 http://www.lomography.de/about/timeline; zitiert wird aus dem Text zum Jahr 1991 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 237 Vgl. Kap. 9, Txt. 22, S. 416.
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ten‘ 238. Aufgrund der lichtempfindlichen Linse wie der automatischen Belichtung eignet sich die Kamera insbesondere für Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen bzw. Dunkelheit, wobei die längeren Belichtungszeiten und die damit verbundene Bewegungsunschärfe schemenhaft verwischte Darstellungen mit sich bringen. Der manuelle Fokus wird näherungsweise über die ungefähre Abschätzung der Entfernung zwischen Kamera und Motiv eingestellt, daher weisen die Fotografien mitunter ebenfalls Unschärfen in Folge falscher bzw. ungenauer Fokussierung auf. 239 Obgleich die Entdeckung der LomoLC-A und ihre darauffolgende Renaissance in westlichen Industrienationen konstitutiv für die Entstehung der Lomografie sind, handelt es sich hierbei faktisch um einen billig produzierten und daher mitunter fehlerhaft verbauten Apparat, der sich – entgegen der Versprechungen – in der Bedienung als unzuverlässig herausstellte. Diese imperfekten Charakteristika stehen im Widerspruch zu den von Kodak eingeführten technischen Paradigmen der Kleinbildkamera, Simplizität und Verlässlichkeit. Die Lomo LC-A ist gerade nicht im Stande, „‚völlig fehlerfreie‘ Bilder [zu] garantier[en].“ 240 Ihrer simplen Handhabung steht eine mangelnde Bildqualität gegenüber, da sich die fotografischen Resultate durch Kontingenz und zufällige Bildeffekte auszeichnen: Undichten im Kameragehäuse führen zur unkontrollierten Belichtung einzelner Bildbereiche; hängt der Filmtransport, kommt es mitunter zu unvorhergesehen Doppelbelichtungen usw. Bei dem Rekurs auf die LOMO LC-A handelt es sich somit um einen Anachronismus im doppelten Sinne: Einerseits zeitgeschichtlich, da die Kamera als kommunistisches Fabrikat nunmehr an den Niedergang der Sowjetunion gemahnt, anderseits hinsichtlich ihrer technischen Ausführung, die, verglichen mit dem westlichen Industriestandard der 1990er Jahre, hoffnungslos veraltet ist. Folglich ist die Verwendung der LOMO LC-A nicht nach ihrem faktischen Ge238 Im englischen Originaltext: „Shoot Ultra-Vibrant Photos: Equipped with the legendary Minitar 1 32/2.8 Lens, the LC-A+ takes photos bursting with life, contrasts and vignettes.“ http://microsites.lomography.com/lca+/features/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 239 Vgl. hierzu auch Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 7. Diese geisterhaften Schatten und bunten Lichtmalereien liefern Chen zufolge ein geeignetes formalästhetisches Stilmittel für die ebenfalls in den 1990er Jahren aufkommenden Musikrichtungen Techno und Psychedelic Trance. Durch ihre spezifische Bildästhetik werde die Lomografie somit an subkulturelle Szenen wie Stile anschlussfähig und habe speziell in ihren Anfängen den Status einer jugendkulturellen Ausdrucksform begleitet. Vgl. ebd., S. 6. 240 Sontag: Über Fotografie, S. 55; Herv. i.O.
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brauchswert, sondern nach ihrem symbolischen Tauschwert zu beurteilen. Manifest wird dieser Fiktionswert beispielswiese in dem extremen Preisanstieg 241 und den damit einhergehenden immensen Gewinnmargen der angebotenen Kameras, der Chen zufolge seitens der Lomografischen Gesellschaft durch die mitgelieferte „creative licence“ 242, die Idee der Lomografie sowie das anhängige Glücksversprechen – „Lomo makes you happy“ 243 – legitimiert werde. Folgerichtig ermisst sich die Güte der Lomografie weniger an ihrem Gebrauchswert als an dem symbolischen Tauschwert ihres Markenimages und den damit assoziierten fiktionalen Qualitäten. 244 Die Lomografische Gesellschaft ist bemüht, die aufgeführten technischen Beschränkungen ihres Flaggschiffs, der LOMO LC-A, ins Positive zu wenden, um auf diese Weise deren imperfekte wie technisch veraltete Charakteristika in eine Tugend und somit in ein Verkaufsargument ummünzen zu können. Folglich erfährt das Kameramodell eine Fetischisierung im Dienste der Kommodifizierung. Derart entsteht ein Warenkult um das, nunmehr in einen Fetisch transformierte, Konsumobjekt. 4.2.5 Nobilitierung imperfekter Bildästhetiken Die lomografische Bildästhetik zeichnet sich neben irregulären Unschärfen, Vignettierungen, Lichtflecken und partiellen Überbelichtungen durch intensive Kontraste, extreme Farbsättigung wie Farbverschiebungen aus, die im Stadium der Filmentwicklung mithilfe von cross processing 245 erreicht werden. In Kombination mit der Praktik des hip shot führt die handlungsleitende Devise „Don’t Think, Just Shoot“ 246 mitunter ebenfalls zu (bewegungs-)unscharfen Aufnahmen. 241 Betonte das Lomografische Manifest 1992 noch den „außergewöhnlich niedrigen Preis“ als einen zentralen Vorzug des Kameramodells, kann hiervon heutzutage keine Rede mehr sein. Kap. 9, Txt. 21, S. 413. Im Webshop wird das Flaggschiff LOMO LC-A in verschiedenen, teilweise limitierten Ausführungen angeboten, für die Basisversion der neu aufgelegten LOMO LC-A+ sind jedoch bereits 250 € zu zahlen. Vgl. https://shop.lomography.com/de/cameras/lomo-lc-a-family/lomo-lc-a-new-pack aging (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 242 Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 51. 243 Ebd., S. 55. 244 Bzgl. des Fiktionswertes von Konsumobjekten vgl. Ullrich: Alles nur Konsum sowie Kap. 2.3 der vorliegenden Arbeit. 245 Hierbei wird der Farbnegativfilm nicht mit den darauf abgestimmten Chemikalien (C-41), sondern mit jenen des Farbdiafilms (E-6) entwickelt und umgekehrt. 246 Kap. 9, Txt. 19, S. 408.
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Durch die Negierung des Suchers sowie die präferierte Einstellungsgröße der Nahaufnahme entstehen hierbei zumeist fragmentierte Sujets, extreme Detailaufnahmen aus unkonventionellen Blickwinkeln, aufgenommen ohne kompositorisches Apriori. Von professioneller Warte aus betrachtet, zeugen die entstehenden Fotografien von fehlenden fotografischen Grundkenntnissen, minderwertiger künstlerischer Bildgestaltung sowie niedrigen technischen Fähigkeiten. Gemäß fotografischen Konventionen handelt es sich bei Lomografien somit durchweg um Ausschussware. 247 Innerhalb des lomografischen Bilduniversums dominiert die Farbfotografie. Farbige Aufnahmen überwiegen signifikant entsättigte bzw. monochrome Ausführungen; zudem wird die Farbigkeit einer Fotografie durch die abweichende Verwendung von Entwicklerchemikalien häufig bewusst intensiviert bzw. alterniert. Ein gängiges Verfahren unter Lomografen ist das bereits erwähnte cross processing: Der belichtete Farbnegativfilm durchläuft dabei den Entwicklungsprozess für Diapositivfilm und vice versa. Insbesondere bei der Crossentwicklung eines Diapositivfilms entsteht ein kontrastreiches Negativ, dessen Positivabzug zumeist eine satte blaugrüne Farbtönung aufweist. Neben Farbtönungen bzw. -verschiebungen sind, abhängig vom verwendeten Filmmaterial, intensivierte Farben, hoher Kontrast, Großkörnigkeit und leichte Unschärfe weitere signifikante Effekte. Durch Farbverschiebungen, extremen Kontrast wie Sättigung und ausgeprägte Vignettierungen oder den motivverzerrenden Effekt von extrem weitwinkligen Objektiven bedienen sich lomografische Aufnahmen idealtypisch an einer surrealistischen Bildsprache (vgl. Tab. 30, 1). Jene spezifische Bildästhetik kann als unverkennbares Markenzeichen bzw. ikonografische Formel der Lomografie gelten. Weniger positiv formuliert ist der lomografische Bildstil durch ästhetische Redundanz gekennzeichnet. Diese lässt sich auf die soeben erwähnte Formulierung herunterbrechen und bringt in der Konsequenz eine bildgewaltige ästhetische Uniformität hervor. Signifikante Bedeutung kommt hierbei dem Gestaltungselement Farbe zu, da sich die meisten formalästhetischen Merkmale auf die Farbqualität beziehen. Nach Pierre Bourdieu kann speziell die Farbfotografie als Technologie des Festes verstanden werden, mit deren Hilfe sich dessen Flüchtigkeit konservieren und beliebig oft abrufen lasse. Die Feierlichkeit finde in der farbigen Aufnahme ihre symbolische Fortsetzung und endlose Wiederholung. 248
247 Vgl. hierzu bspw. Rodrigues, Vailancio: Lomography, http://www.smashingmaga zine.com vom 20.04.2009, http://www.smashingmagazine.com/2009/04/20/the-dis turbing-beauty-of-oversaturated-pictures/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 248 Vgl. Bourdieu et al.: Eine illegitime Kunst, S. 38.
Remediation – Polaroid & Lomografie | 267
Tableau 30: (1) Prototypische lomografische Bildästhetik – eine von drei Begleitabbildungen zu „Regel #4“ auf der offiziellen Homepage; (2 + 3) Beispiele für die Zurichtung von Filmmaterial, veröffentlicht im lomografischen Onlineforum unter der Rubrik „Tipster“.
268 | Der Instagram-Effekt
Indem die Lomografie die Farb- der Schwarzweißfotografie vorzieht, ließe sich mit Bourdieu ebenfalls von einer Ausweitung bzw. Verlängerung des Festes in die alltägliche Lebenswelt sprechen. Lomografie avanciert derart zu einer pathetischen Alltagsästhetik, die in der Konsequenz das Leben in all seinen noch so profanen Facetten nicht nur bezeugt, sondern sogleich adelt. Im Unterschied zur Schwarzweißaufnahme, die sich durch ihre reduzierte und daher abstrakte Farbigkeit als offensichtliche Symbolisierung zur erkennen gibt, wird die Farbfotografie aufgrund ihrer mimetischen Qualität als realistischer wahrgenommen. Die farbige Aufnahme scheint somit weniger Symbol als vielmehr Imitation der Wirklichkeit. 249 Laut Andreas Feiningers Handbuch zur Farbfotografie werden verzerrte Farbwerte als „unnatürlich abgelehnt“ 250, da sie nicht dem antrainierten Farbengedächtnis entsprächen. Bezüglich ihres Realismuseffekts überzeuge eine falsche Farbwiedergabe daher weniger als der komplette Verzicht auf Farbe. 251 Jene Hyperfarbigkeit, die verzerrten Farbwerte durch die sich die Lomografie auszeichnet, beißt sich bewusst mit einem fotorealistischen Darstellungsideal. Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass der allenthalben proklamierte Wahrheitsanspruch der Lomografie nicht in einer dokumentarischen Bildsprache und somit einer mimetischen Abbildfunktion zu suchen ist; vielmehr scheint das fotografische Medium im Kontext der Lomografie zur Erzeugung von Sinnbildern zu dienen. Ein weiteres charakteristisches Stilmittel lomografischer Aufnahmen ist Unschärfe. In Bezug auf das fotografische Medium lassen sich unter dieser formalästhetischen Kategorie verschiedenste Effekte subsumieren, so beispielsweise „Weichzeichnung, […], Verwischung [im Fotografischen erzeugt durch Bewegungsunschärfe], pastelliges Verblassen, Überbelichtung, und Grobkörnigkeit“ 252 . Aus professioneller Perspektive werden unscharfe Bilder zumeist als minderwertige, fehlerhafte Aufnahmen herabgewürdigt, welche es zu vermeiden gilt, stellen sie doch das technische Knowhow ihres Urhebers in Frage bzw. diesen in den Verdacht, nicht über die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu verfügen, scharfe Bilder aufnehmen zu können. Ungeachtet ihrer Stigmatisierung verweisen intentional eingesetzte bzw. bewusst provozierte Unschärfeeffekte auf kulturelle Codes, deren Bedeutung zur Dekonstruktion des ideologischen Gehalts einer fotografischen Botschaft zwingend entschlüsselt werden muss. 253 Ullrich zufolge wurde das Stilmittel der Unschärfe von Anfang an in ideologischen 249 Vgl. Feininger: Das Buch der Farbfotografie, S. 21 ff. 250 Ebd., S. 23. 251 Vgl. ebd., S. 23 ff. 252 Ullrich: Die Geschichte der Unschärfe, S. 7. 253 Vgl. hierzu auch Barthes: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, S. 11-27.
Remediation – Polaroid & Lomografie | 269
Kontexten gebraucht. 254 Eines der wichtigsten Attribute, das der mitunter bis zu Unkenntlichkeit verwackelten Fotografie zugeschrieben wird, ist hierbei Authentizität. Unter diesem Aspekt wirkt eine starke Bewegungsunschärfe besonders glaubwürdig, bezeugt sie doch die „‚authentische Geste‘“ 255, mit welcher das Bild aufgenommen wurde. Hierdurch wird „die Unschärfe [als Medium der Unmittelbarkeit] einmal mehr zu einem Wahrheitsfaktor […]“ 256 und das derart fotografierte Motiv, seine konnotierte Botschaft, mit größerer Autorität ausgestattet. Unschärfeeffekte können die authentische Wirkung eines fotografischen Bilds auf verschiedenste Weise intensivieren. Im Fall der Lomografie dient die zufällige Qualität der beiläufig festgehaltenen Motive dazu, den Bildern eine besondere Lebendigkeit und Präsenz zu verleihen. Negative in verschiedenste, aus haushaltsüblichen Zutaten wie etwa Salz- oder Gurkenwasser, Kaffee, Tee oder Backpulver hergestellte Lösungen einlegen, die Filmrolle im Wasserkocher oder Backofen erhitzen, mit Säure übergießen, schockfrosten, vergraben und dergleichen mehr – ob vor oder nach der Belichtung, innerhalb der lomografischen Community herrscht ein spielerisch254 Vgl. Ullrich: Die Geschichte der Unschärfe, S. 7 f. So habe beispielsweise die Bewegungsunschärfe, die im westlichen Kulturkreis bis heute als Zeichen für Zeitlichkeit wie Dynamik verwendet und verstanden werde, im Kontext der industriellen Revolution zur Symbolisierung von Fortschrittsstolz gedient. Ihre Antipode, die Weichzeichnung, sei demgegenüber integraler Bestandteil des ikonografischen Kanons einer romantisch-antimodernen und eskapistischen Welthaltung. Vgl. ebd., S. 8. Neben ihrer Indienstnahme zu progressiven oder restaurativen Zwecken kann die Unschärfe im Bereich der Fotografie auch dazu beitragen, den Sensationscharakter einer Aufnahme zu verstärken. Ullrich zufolge handelt es sich hierbei nicht selten um ein dialektisches Verhältnis, da der Unschärfeeffekt in der Regel konstitutiv für den Eindruck des Sensationellen sei. Insbesondere im Fotojournalismus werde Unschärfe ganz bewusst als dramaturgisches Element eingesetzt, um das Sujet durch die schlechte Qualität der Aufnahme zu nobilitieren und die voyeuristische Neugier durch einen vermeintlichen Enthüllungscharakter zu befriedigen. Vgl. ebd., S. 90. Vgl. auch Ullrich, Wolfgang: Unschärfe, Antimodernismus und Avantgarde, in: Peter Geimer (Hg.): Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, Frankfurt a.M. 2002, S. 381-412. Ullrich fokussiert in seinem Aufsatz den ästhetischen Effekt der Weichzeichnung – eine mögliche Erscheinungsform der Unschärfe – und deren Bedeutung für den Kunstbegriff im Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert. 255 Ullrich: Die Geschichte der Unschärfe, S. 91. 256 A.a.O.
270 | Der Instagram-Effekt
experimenteller Umgang mit dem Filmmaterial. Jene unorthodoxe Handhabung dient der Hervorbringung devianter Bildästhetiken, wobei der Überraschungseffekt, die Unvorhersehbarkeit des Ergebnisses, zentral ist. Entsprechend dieser Logik wird auch abgelaufenes Farbfilmmaterial geadelt; „wie Wein“ werde dieses „mit den Jahren besser […].“ 257 Großes Interesse besteht in der lustvoll-aggressiven Zurichtung des Negativfilms, welcher auf unterschiedlichsten Wegen drangsaliert wird, als ginge es darum, die Grenzen seiner Abbildfähigkeit auszuloten. Wie viel kann man dem Film ‚antun‘, bevor er – komplett zerstört und folglich unfunktional – die Bildgebung verweigert. Derartige Manipulationen fokussieren auf das Material und arbeiten sich wortwörtlich an selbigem ab. Besonders gewürdigt werden in den entsprechenden Blogbeiträgen die Farbverschiebungen, welche aus der jeweiligen Filmpräparation resultieren. Gerade jene Experimente gilt es für andere Lomografen nachvollziehbar festzuhalten. Traditionell sind Filmversehrungen negativ konnotiert und somit explizit unerwünscht. Seit Erfindung der Fotografie existieren zahllose Handbücher, die jene Bildfehler einzig zu deren künftiger Prophylaxe akribisch katalogisieren. In der lomografischen Community geht es demgegenüber exakt umgekehrt zu. Das fotografische Material sowie die apparative Konstellation einer Fotografie fristen ihr Dasein in der Regel im Verborgenen. Insbesondere jene Eigenschaft der Transparenz erweckt in Kombination mit der indexikalischen Qualität des fotografischen Mediums den Eindruck, als handele es sich bei den ikonischen Artefakten um „authentische Bruchstücke der Realität“ 258. Mit ihren ikonoklastischen Handlungen führen Lomografen somit nicht nur bewusst eine Störung der Verweisfunktion 259 durch partiellen Bildverlust herbei, sie thematisieren damit genauso die substantielle Beschaffenheit der fotografischen Repräsentation. An die Fehlstelle des Bilds tritt die stoffliche Konsistenz des Bildträgers, welche derart selbst zum Bildinhalt wird: „Was an Sichtbarkeit des Motivs verloren geht, kommt als Sichtbarwerden des Bildträgers hinzu.“ 260Abschmelzende 257 Brandkow93: Abgelaufener Farbfilm – Er wird mit den Jahren besser, wie Wein, http://www.lomography.de vom 05.10.2012, http://www.lomography.de/magazine/ 170988-abgelaufener-farbfilm-er-wird-mit-den-jahren-besser-wie-wein (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 258 Richard: Floating Images, S. 23. 259 Vgl. Geimer, Peter: Was ist kein Bild? Zur „Störung der Verweisung“, in: Ders. (Hg.): Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, Frankfurt a.M. 2002, S. 313-341. 260 Geimer, Peter: Bilder aus Versehen. Eine Geschichte fotografischer Erscheinungen, Hamburg 2010, S. 15.
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Farbschichten, sichtbare Entwickleremulsion, Kratzer wie Einrisse oder gar Löcher im Negativ avancieren auf diese Weise zu gleichwertigen Bildmotiven (vgl. Tab. 30, 2) oder sind derart mit der Abbildung verwoben, dass sich fotografische Repräsentation und bildgebendes Material nicht mehr zweifelsfrei voneinander unterscheiden lassen und zu einer abstrakten Bildform fusionieren bzw. eine autonome Ästhetik – Peter Geimer spricht von einem „ikonografische[n] Eigenleben“ 261 – entwickeln (vgl. Tab. 30, 3): „Manche [Artefakte; K.G.] erscheinen als Flecken und bloße Zusätze auf der Oberfläche des Bildes, andere treten unmittelbar in den Bildraum ein, wo sie mit Details der Darstellung zusammentreffen und oftmals bis zur Ununterscheidbarkeit mit diesen verschmelzen. Neben ihrer Wirkung als technische Störung der Erkennbarkeit bieten diese Spuren oftmals eine zusätzliche Lesbarkeit an.“ 262
Geimer verweist auf die „Ambivalenz der Störung“ 263, die einerseits als Feind des Fotografen bekämpft, andererseits in den künstlerischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts bewusst als künstlerisches Mittel bzw. ästhetische Ausdrucksform verwendet wurde: „Künstler […] entwickelten […] eine Ästhetik der Störung und nutzten das Eigenleben der fotochemischen Ingredienzen zur Herstellung unvorhersehbarer Bilder.“ 264 Hierbei wertet Geimer den entstehenden Verlust von Bildinformationen nicht negativ, sondern sieht die Leistung der Bildstörung in ihrer Fähigkeit, eine neue „Sichtbarkeit durch Zer/Störung“ 265 zu ermöglichen. 4.2.6 Kollektive Kartografie und polyperspektivischer Bilderatlas LomoWall LomoWall ist die Bezeichnung für die spezifische Präsentationsform lomografischer Aufnahmen. Seine Premiere feierte dieses kuratorische Prinzip der fotogra-
261 Ebd., S. 66. 262 Ebd., S. 66 f. 263 Ebd., S. 17. 264 A.a.O. 265 Ebd., S. 14 f.
272 | Der Instagram-Effekt
fischen Bilderwand 266 1992 im Zuge der ersten öffentlichen Ausstellung der Lomografischen Gesellschaft in Wien und etablierte sich in der Folge als deren Markenzeichen. Eine LomoWall besteht aus unzähligen kleinformatigen Abzügen, die zumeist im Querformat – nahtlos aneinandergereiht – zu einem Fotomosaik kompiliert und anschließend auf Kunststoffpaneelen kaschiert werden. Rückseitig durch eine Holzkonstruktion stabilisiert, werden die einzelnen Paneele am Ausstellungsort zu einem bruchlosen Tableau zusammengesetzt. Um eine standardisierte Präsentationsform und somit Wiedererkennbarkeit zu gewährleisten, bietet die Lomografische Gesellschaft beratende Hilfestellung sowie eine Bauanleitung zum Download an. 267 Dieser schriftliche Leitfaden weist die kommunikative Funktion der LomoWall als deren bedeutendstes Charakteristikum aus. Als zentrales visuelles Kommunikationsmedium der lomografischen Community steht sie für Egalität, Demokratie und Partizipation; Werte, die nicht nur im Hinblick auf die positive Außenwirkung bzw. Imagepflege der Lomografie von Bedeutung sind, sondern ebenfalls zur Stärkung der globalen wie lokalen lomografischen Gemeinschaft 268 dienen sollen: „Never forget, that the Lomowall was created as 266 Bei Bilderwänden handelt es sich Felix Thürlemann zufolge um komplexe ästhetische Systeme, „[…] die entweder persönliche ästhetische Anschauungen sichtbar machen […]“ oder aber ein „[…] für die entsprechende Epoche gültiges ästhetisches Wertesystem illustrieren.“ Thürlemann, Felix: Mehr als ein Bild. Für eine Kunstgeschichte des hyperimage, Paderborn 2013, S. 22. 267 Das ideale Format der Einzelbilder wird hierin mit 6,8 x 10,2 cm angegeben, jedes einzelne Paneel misst wiederum 91,1 x 61 cm und fasst folglich 81 Abzüge. Neben Kostenersparnis in Anbetracht der hohen Anzahl an Einzelbildern dient die angeratene Papiergröße dazu, etwaige Unschärfen der Aufnahme optisch auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Vgl. N.N.: How To Built A LomoWall, http://www. lomo.de, o.D., www.lomo.de/docs/HowToBuildaWall-1.pdf, S. 4 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 268 Aus diesem Grund bilden LomoWalls oftmals den krönenden Abschluss von offiziellen Happenings wie Zusammenkünften der lomografischen Community. Die ausgeprägte Beziehungsarbeit bindet die Nutzer in die lomografische Community ein und somit mittelbar auch an die Marke Lomografie und deren Produktpalette. Zur Wertgenerierung innerhalb Marken-Fancommunities vgl. Jensen Schau, Hope/ Muñiz, Albert M. Jr./Arnould, Eric J.: How Brand Community Practices Create Value, in: Journal of Marketing (#73) 5 (2009), S. 30-51. Online abrufbar unter: http:// docentiold.unimc.it/docenti/elena-cedrola/2009/marketing-2009-3/casi-ed-esercitazi oni/community-on-line-7/at_download/brand%20community%203.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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a community tool. It is perfectly communicating the idea of presenting the work of all lomographers in an equal way. […] It is very important to involve as many people as possible in the development and production of a Lomowall.“ 269 Abmessung und Form einer LomoWall korrespondieren gewöhnlich mit der Architektur des jeweiligen Ausstellungsortes und werden daher individuell konzipiert. Insbesondere bei deren Installation im urbanen Raum fusionieren häufig fiktive architektonische Elemente mit bereits im Realraum vorhandenen zu einer temporär-spatialen Konstellation. 270 Ein typisches Beispiel hierfür ist das begehbare dreidimensionale Fotomosaik 271, welches im Juli 2012 vor dem Eingang des Museum of London enthüllt wurde (vgl. Tab. 32, 1): Auf einer unmittelbar vor der Museumsfassade errichteten Stellwand formen tausende Farbfotografien das stilisierte Bild einer Skyline, die vor einem leicht bewölkten Himmel emporragen. Jene Fotocollage der installierten Rückwand setzt sich nahtlos auf am Boden verlegten Paneelen fort. Farblich rhythmisiert angeordnet, bedecken die Lo269 N.N.: How To Built A LomoWall, S. 1. 270 LomoWalls werden nicht ausschließlich im musealen Kontext, sondern ebenso auf öffentlichen Plätzen sowie in Cafés oder Bars ausgestellt, allesamt Orte der Begegnung und Kommunikation; soziale Attribute, die auch die Lomografische Gesellschaft für sich und ihre Community beansprucht. Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 33 f. 271 Die betreffende LomoWall ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen dem Museum of London und der Lomografischen Gesellschaft anlässlich der Olympischen Sommerspiele in London. Auf dem Areal des Museums wurden insgesamt vier LomoWalls aus über 30.000 Einzelbildern, ausgewählt von sogenannten LomoWall Designern, errichtet. In besagten Fotomosaiken fanden analoge Fotografien Verwendung, die Anfang 2012 im Rahmen von Lomografie-Workshops zu den Themenvorgaben inspiring und archiving entstanden. Die Teilnehmer wurden hierbei ermutigt, sowohl inspirierende Londoner Persönlichkeiten als auch ihren individuellen Blick auf die Stadt zum Bildthema zu machen. Des Weiteren wurden Athleten des britischen Paralympics-Teams aufgefordert, ihre Vorbereitungen im Trainingslager fotografisch zu dokumentieren; zudem konnten Mitglieder der Lomo-Community Bilder einreichen. Vgl. N.N.: Olympic Lomography. LomoWall to be Unveiled at Museum of London, museumoflondon.org.uk vom 23.01.2012, http://www.museumof london.org.uk/corporate/press-media/archived-press-releases/olympic-lomographylomowall-be-unveiled-museum-london/ sowie littlemisslove: Ist dein Foto auf der Museum of London Lomowall zu begutachten? http://www.lomography.de vom 25.07.2012, http://www.lomography.de/magazine/news/2012/07/25/ist-dein-foto-auf -der-museum-of-london-lomowall-zu-begutachten. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018.
274 | Der Instagram-Effekt
mografien in einer Art Zickzackmuster weitläufig den Platz vor dem Eingang des Museums. Als Teil der Rauminstallation symbolisiert das Fotomosaik der Bodenplatte die Weltmeere, weshalb hierfür ausschließlich Fotografien mit dominanten Blautönen verwendet wurden. Komplettiert wird die stilisierte Erdoberfläche mit dreidimensionalen, ebenfalls vollständig mit Fotografien kaschierten Plateaus, deren Formen die Umrisse der fünf Kontinente imitieren. Das Mosaik ist eine paradigmatische Technik des Kompositbilds und ermöglicht daher die Integration von Einzelelementen in ein neues plurales Bild. Entscheidend für die intendierte Bildaussage der LomoWall ist jedoch, dass die Fragmente hierbei zwar essentieller Bestandteil der formierten Bilderwand sind, von dieser aber nicht schlicht absorbiert werden, sondern ihre Autonomie als distinktes, in sich abgeschlossenes und vollwertiges Einzelelement bewahren. Die temporäre Fusion der Einzelbilder löst deren individuelle Anteile folglich nicht auf, vielmehr sind diese auf Mikroebene des Fotomosaiks weiterhin sichtbar und bilden somit sprichwörtlich dessen integrale Grundlage. Da jede Fotografie ihre eigene Lesbarkeit sowie ihren singulären Objektstatus beibehält, handelt es sich bei der LomoWall um eine spezifische Ausprägung eines visuellen Suprazeichens, ein sogenanntes hyperimage 272. Gekennzeichnet ist diese Spezialform des pluralen Bilds, „die kalkulierte Zusammenstellung von ausgewählten Bildobjek-
272 Unter dem Begriff hyperimage entwirft Felix Thürlemann eine Theorie des pluralen Bildgebrauches. Kennzeichnend ist die „nachträgliche Montage getrennt produzierter Bilder, wie sie im Kontext von Sammlungen, Museen oder Ausstellungen oder im Kontext didaktischer oder wissenschaftlicher Bildpraxis anzutreffen ist.“ Ganz, David/Thürlemann, Felix: Zur Einführung. Singular und Plural der Bilder, in: Dies. (Hg.): Das Bild im Plural. Mehrteilige Bildformen zwischen Mittelalter und Gegenwart, Berlin 2010, S. 7-38, hier S. 14. Jede planvolle Zusammenstellung von Bildwerken zu einem temporären Ensemble sei hierbei seit der Antike charakteristisch für die Handhabung von Bildern in der abendländischen Kultur. Derartige relationale Bildanordnungen implizierten eine Deutung und ästhetische Wertung der involvierten Einzelwerke. So referiert die Wortschöpfung hyperimage explizit auf das syntagmatische „Verfahren der ‚Verlinkung‘“, wie es der Hypertext ermöglicht, „[…] die Produktion von Bedeutung durch Kombination von vorgegebenen, bereits bedeutungstragenden Einheiten […], um so neuen Sinn zu generieren.“ Hierdurch entstehe eine Bildaussage, die mehr sei als die Summe ihrer Teile. Thürlemann, Felix: Vom Einzelbild zum Hyperimage. Eine neue Herausforderung für die kunstgeschichtliche Hermeneutik, in: Ada NeschkeHentschke (Hg.): Les herméneutiques au seuil du XXIème siècle. Évolution et débat actuel, Louvain [u.a.] 2004, S. 223-247, hier S. 230.
Remediation – Polaroid & Lomografie | 275
ten […] zu einer neuen, übergreifenden Einheit“ 273, sowohl durch ihren episodischen Charakter als auch durch den autonomen Status der enthaltenen Einzelbilder, „die unabhängig voneinander entstanden und nur temporär zu räumlichen Anordnungen zusammengefasst sind.“ 274 Folglich resultieren hyperimages aus einer kuratorischen Praxis; im Fall der LomoWall ist diese – ebenso wie die Autorschaft – eine multiple bzw. kollektive, wobei auktoriales und kuratorisches Kollektiv hierbei zumeist nicht identisch sind. Wie alle hyperimages integriert auch die LomoWall verschiedene Betrachtungsstandpunkte. Der Blickwechsel zwischen Makro- und Mikroperspektive bzw. Supra- und Subzeichen ermöglicht nicht bloß einen Bedeutungszuwachs durch das hiermit verbundene vergleichende Sehen; die Rezeption eines hyperimage ist zudem stets ein dynamischer und sensorischer Prozess, welcher den Betrachtenden eine kontinuierlich alternierende Wahrnehmung, eine „doppelte Blickstellung“ 275, abverlangt. Im Fall der LomoWall werden die Körper der Rezipienten in besonderem Maße miteinbezogen: Ihre räumliche Annäherung an das Fotomosaik realisiert den „performativen Vollzug der Bilder“ 276 und initiiert somit die sukzessive Individuation des Einzelbilds von dem farbigen Flächenverbund des Suprazeichens: „Erst im performativen Mitwirken des Betrachters kommt die angelegte Gesamtheit des Bildgeschehens zustande.“ 277 Die Wiedererkennbarkeit der Einzelbilder und deren Bildinhalte spielt in der totalen Ansicht einer LomoWall folglich keine Rolle, vielmehr sind jene von diesem Standpunkt aus lediglich als geometrische Farbflächen bzw. farbige Bildpunkte wahrnehmbar. Aus der Fernsicht betrachtet ist das hyperimage LomoWall zumeist durch eine abstrakt-rhythmisierte Ornamentik gekennzeichnet, wodurch diese totale Perspektive eine primär dekorative Funktion suggeriert (vgl. Tab. 31, 1). Um das jeweilige Ornament realisieren zu können, werden von jeder ausgewählten Fotografie sechs bis fünfzehn Abzüge angefertigt. Jene Multiplikation des Einzelbilds erfüllt somit primär eine pragmatische Funktion im Dienste der angestrebten Ästhetik, da Bildwiederholungen die farbige Rhythmisierung der Fläche vereinfachen. Die Farbigkeit der Aufnahmen ist insbesondere für die fernsichtige Rezeption das zentrale Kompositionskriterium. Um die gewünschte
273 Thürlemann: Mehr als ein Bild, S. 7. 274 Ganz/Thürlemann: Zur Einführung, S. 14. 275 Thürlemann: Mehr als ein Bild, S. 16. 276 Ganz/Thürlemann: Zur Einführung, S. 19. 277 Schneider, Wolfgang Christian: Geschlossene Bücher – offene Bücher. Das Öffnen von Sinnräumen im Schließen der Codices, in: Historische Zeitschrift (#271) (2000), S. 561-592, hier S. 562.
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Bildwirkung zu erreichen, wird demnach bereits während der Konzeption des hyperimage eine duale Blickstellung antizipiert. Tableau 31: „LomoWall“; installiert im Foyer des Museum of London anlässlich der lomografischen Begleitausstellung zu den Olympischen Sommerspielen (Laufzeit Juli 2012 – Januar 2013) – (1) totale Ansicht und (2) fragmentierte Nahsicht.
Das strukturgebende Prinzip der LomoWall, ihre substantielle Beschaffenheit als seriell-repetitive Anordnung mehrfach reproduzierter Einzelbilder, offenbart sich erst in der Nahsicht. Innerhalb des Bildtableaus liegen deren konkreter Positio-
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nierung keine narrativen, sondern primär formal-ästhetische Überlegungen zugrunde. So werden die multiplizierten Einzelbilder beispielsweise an der horizontalen Achse lückenlos aneinandergelegt, wobei das untere Exemplar das obere spiegelverkehrt ergänzt und vice versa. Diese horizontale Spiegelung betont die formalen Qualitäten der jeweiligen Fotografie. Zwar bleibt das Motiv aus der Nahsicht weiterhin erkennbar, beispielsweise das angeschnittene, untersichtig aufgenommene Riesenrad, durch das addierte seitenverkehrte Duplikat entsteht jedoch eine neue geometrische Form: Die identischen Abzüge formieren sich zu einer geschlossenen Ellipse, auch der Farbverlauf des Himmels im Hintergrund wirkt durch die nun allseitige Vignettierung in sich geschlossen (vgl. Tab. 31, 2). Die Reproduktion des Einzelbilds steht somit formal im Dienste des angestrebten repetitiven Dekors, generiert darüber hinaus jedoch gleichwohl duale Bildpaare und somit Suprazeichen auf Mikroebene des hyperimage. Obgleich die serielle Anordnung des Fotomosaiks grundsätzlich eine sequentielle Lesart und somit eine Narration begünstig, ist diese beim Arrangement des Bildsystems LomoWall nebensächlich, da seine Konzeption primär anhand formal-ästhetischer Qualitäten erfolgt. Strukturgebend für die Gestaltung ist hierbei das schematische Ordnungsprinzip des Rasters bzw. Gitters, dessen strikte Geometrie durch die industriell-standardisierte Konfektionierung des Kleinbildfilms bedingt und von dem gewählten homogenen Querformat der verwendeten Abzüge noch verstärkt wird. Jene antihierarchische Formation garantiert einerseits die Äquivalenz der Einzelbilder; derart in ein gleichwertiges Verhältnis gesetzt, ermöglicht das aus dem Raster entstehende plurale Bild andererseits eine relationale Betrachtung seiner Bestandteile und daher die „Assoziierbarkeit von Bildern“ 278. Die Präsentationsform der LomoWall ist zur Visualisierung lomografischer Ideale und Ziele geradezu geeignet, da diese sich hierdurch konsequent auch auf formaler, nonverbaler Ebene prägnant darstellen lassen. Das homogene Format der Abzüge sowie deren egalitäre Anordnung 279 gemäß einem Rastersystem symbolisieren das scheinbar basisdemokratische Moment der Lomografie und suggerieren die gleichwertige wie -berechtigte Stellung aller Teilnehmer innerhalb der Community. Die bildgebende Technik des Mosaiks dient folglich nicht einzig dekorativen Zwecken; seine strukturelle Verfasstheit, die Subordination 278 Pichler, Wolfram: Topologie des Bilds. Im Plural und im Singular, in: David Ganz/Felix Thürlemann (Hg.): Das Bild im Plural. Mehrteilige Bildformen zwischen Mittelalter und Gegenwart, Berlin 2010, S. 111-134, hier S. 111. 279 Die LomoWall ist somit ein formaler Antipode zum hierarchisierenden Arrangement pluraler Bildsysteme, der Pendanthängung. Vgl. Thürlemann: Vom Einzelbild zum Hyperimage, S. 231 f.
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des Einzelbilds unter das Kompositbild, symbolisiert vielmehr die erfolgreiche Integration des Subjekts in die lomografische Gemeinschaft sowie dessen basale Relevanz für das Zustandekommen selbiger. In einem kulturellen Kontext fungiert das plurale Bild LomoWall „als Medium von Integration und Desintegration […], und dient auf der Ebene nicht nur der Darstellung, sondern auch der Herstellung von Ordnung und Differenz.“ 280 Mit der konzeptionellen Einbindung von Fotografien, aufgenommen von Athleten des britischen Paralympics-Teams während des Trainingslagers, stellt das exemplarisch gewählte LomoWallProjekt gleichsam inhaltlich jene Inklusionskraft der lomografischen Bewegung unter Beweis, die bereits formal symbolisiert wird, und suggeriert ein gesellschaftspolitisches Agens. Bei der Konzeption einer LomoWall ist deren global repräsentativer Charakter essentiell. Maßgebend ist daher nicht nur eine möglichst hohe Quantität an verbauten Einzelbildern, in der Regel mehrere tausend, sondern gleichwohl größtmögliche Diversität hinsichtlich deren Provenienz. Jene Pluralität erfüllt zugleich mehrere Funktionen: Durch die weltweite, paritätische Einbindung möglichst vieler Lomografen wird die Gruppenidentität der Community gestärkt; ein Effekt, der sich gleichwohl positiv auf das Unternehmen, die Lomografische AG, auswirkt und deren Fortbestehen garantiert. 281 Darüber hinaus werden konventionelle Vorstellungen vom singulär agierenden wie begnadeten Künstlergenius mit der spielerischen Kreativität des Schwarms sowie dessen kollektiver Autorschaft konfrontiert und derart unterminiert. Die Versammlung subjektiver Perspektiven verschiedenster, rund um den Globus verteilter Individuen im lomografischen Kompositbild steht im Dienste der möglichst flächendeckenden visuellen Dokumentation der Welt aus der Sichtweise ihrer Bewohner und bildet das missionarische Ziel bzw. Ideal der Lomografischen Bewegung. Jeder einzelne Lomograf ist hierfür unverzichtbar, liefert er doch das Bildmaterial und somit die notwendigen Fragmente für das weltumspannende, polyperspektivische Panorama des lomografischen Mosaiks. 280 Ganz/Thürlemann: Singular und Plural der Bilder, S. 11. 281 Die Lomografische Gesellschaft verwendet viel Energie auf den Ausbau und die Pflege ihrer Community, wohl wissend wie stark die Nachfrage und somit auch die Stabilität der Marke von ihren Fans abhängig sind. Paritätische Mitbestimmung und Teilhabe an der lomografischen Bewegung werden daher nach Kräften gefördert und gefordert. Eine Marke, deren Absatzzahlen auf dem aufgebauten Kult-Image ihrer Produkte basieren, bedarf zwingend loyaler Anhänger, die rituelle Handlungen an und mit den entsprechenden Kultobjekten vollziehen. Auf dem erschaffenen Kult um die LOMO LC-A – der simultan ein Warenkult ist – basiert in weiten Teilen der persistente ökonomische Erfolg der Lomografischen Gesellschaft.
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Bei einer LomoWall handelt es sich folglich um eine methodische Herangehensweise zur Kartografie der Welt, eine subjektorientierte Alternative bzw. Antithese zum apparativ-artifiziellen, vermeintlich objektiven Blickwinkel des allsehenden Auges von Satellitenbildern, wie sie beispielsweise die NASA oder seit 2005 prominent Google Inc. in Google Earth bzw. Google Maps verwendet. 282 Die erste und wohl berühmteste Außenansicht unseres Planeten entstand im Kontext des Apollo-Programms der NASA 1972 auf dem Flug Apollo 17 (vgl. Tab. 32, 2). Als Blue Marble bezeichnet zeigt die fotografische Aufnahme eine plastische Ansicht der Erdkugel, umschlossen von einer tiefschwarzen Fläche, welche als Negativform den unendlichen Raum des Universums repräsentiert. Die naturalistische Anmutung dieser dreidimensional wirkenden Darstellung täuscht über deren digitale Zurichtung hinweg: Mithilfe von digital compositing wurden zahllose Einzelbilder ebenfalls nach dem Prinzip des Mosaiks zu einem Kompositbild montiert. 283 Anders als im Fall der LomoWall handelt es sich hierbei nach Definition von Thürlemann jedoch nicht um ein hyperimage, da die einzelnen Fotografien als solche nicht mehr zu erkennen und zudem permanent in die bruchlose visuelle Simulation einer fotorealistischen Außenansicht des Planeten eingegangen sind, zu deren Zweck sie überhaupt erst angefertigt wurden. Es ist gerade jener Verlust an Autonomie des Einzelbilds, der das strukturell komposite Bild kohärent erscheinen lässt. Das objektiv-wissenschaftliche Darstellungsideal, welches derartigen Satellitenaufnahmen zugrunde liegt, bewertet diese anhand der Kriterien von Exaktheit, Detailliertheit, Erkenn- bzw. Sichtbarkeit und Nahtlosigkeit. Maßgabe ist größtmögliche Wirklichkeitsnähe, da naturalistisch anmutende Darstellungen eine höhere Glaubwürdigkeit und folglich auch größere Autorität für sich beanspruchen können. 284 All das spielt bei der lomografischen Kartografie der Welt augenscheinlich keine Rolle, vielmehr konstituiert sich deren visueller Datensatz offenkundig wie nachdrücklich aus einer Fülle privater Fotoarchive und folglich, so ist zunächst zumindest anzunehmen, pluralistischer Welt-(an-)sichten. Der Lomografie geht es demzufolge weder darum, eine objektiv gültige Sicht auf die Welt zu etablieren, noch ein singuläres Abbild selbiger zu kanonisieren, sondern eine Vielzahl von Weltbildern mithilfe der LomoWalls in gleichwertiger wie gemeinschaftlicher Koexistenz zu präsentieren. 282 Vgl. hierzu auch Hochman/Manovich: Zooming into an Instagram City, o.S. 283 Eine Ahnung von dem Arbeitsaufwand zur Herstellung jener digitalen Collage geben bereits allein die in der Bildunterschrift angegebenen Credits. 284 Die Dissimulation des kompositen – aus fotografischen Fragmenten zusammengesetzten – Charakters ist eine Strategie der Naturalisierung im Dienste objektiver und somit apodiktischer Wahrheit.
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Tableau 32: (1) Weitwinklige Aufnahme der raumgreifend installierten „LomoWall“ vor dem Museum of London; (2) „Blue Marble“, eine Serie kompositer Fotografien; erstellt 1972 im Rahmen des Apollo-Programms der NASA. Das gewählte Bild zeigt den Blick aus dem Weltall auf die östliche Hemisphäre.
Wie bereits demonstriert wurde, basiert das Arrangement einer LomoWall medienstrukturell auf der technischen Reproduzierbarkeit des fotografischen Abzugs. Die Pluralisierung des Einzelbilds wird sowohl durch seine Vergesellschaftung im Bildgefüge als auch durch seine Vervielfältigung realisiert. Jene multiplizierenden Strategien stehen im Dienste größtmöglicher räumlicher Ausdehnung. 285 Die strukturgebenden Prinzipien von Serialität und Wiederholung korrespondieren mit der Medienstruktur des gewählten fotografischen Reproduktionsmediums, ihr Einsatz ist daher auch als medienreflexive Geste lesbar. In Kombination mit der ‚aufgeblasenen‘, fast schon monströsen, raumgreifenden Präsentationsform, die sich architektonisch organisch in den Realraum einfügt, rufen jene Multiplikationsstrategien aufgrund der schieren Masse an Bildern durchaus ein latent bedrohliches Gefühl hervor. Die nahtlose 286 Aneinanderreihung der Ein-
285 Chen zufolge ist das lomografische Fotomosaik daher von strukturell ähnlichen künstlerischen Verfahren wie der Collage oder der Fotomontage abzugrenzen, seien diese doch primär motiviert zu bezeugen, dass die Welt radikal de- und rekonstruiert werden könne. Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 34. 286 Obgleich die einzelnen Abzüge nahtlos Kante an Kante angeordnet werden und zwischen ihnen keinerlei Abstand besteht, bleibt die Bildgrenze im Suprazeichen LomoWall als solche sichtbar. Die Demarkationslinie der Bildfläche zeigt auch den terminologischen Unterschied zwischen einem Mosaik, bei dem die einzelnen
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zelbilder auf der Wand greift deren reale Physis auf und verstärkt diese durch eine ikonische Schicht, so dass der Eindruck einer soliden – materiell manifesten – Bilderfront entsteht, die den Betrachtenden vehement in natura entgegentritt. Genährt wird die Assoziation einer massiven, die Erdoberfläche überziehenden Bilderflut speziell im gewählten Beispiel durch sprichwörtliche Umsetzung dieser Fantasie in miniaturisierter Form (vgl. Abb. Tab. 32, 1). LomoWorldArchive Mit über 600.000 287 verschiedenen Abzügen plus Negative verschiedenster Autoren enthält das Lomo(graphy) World Archive (Akronym LWA) das visuelle Kapital der lomografischen Bewegung bzw. der Lomografischen Gesellschaft als Konzern. 288 Archiviert werden hierin sämtliche Filmrollen, die jemals im archiveigenen Fotolabor entwickelt wurden, insofern diese nicht ausdrücklich als vertraulich gekennzeichnet sind. Laut Selbstaussage handelt es sich um das „umfassendste[ ] und vollständigste[ ] Schnappschussarchiv aller Zeiten“ 289, das sämtliche zeitgenössischen Ereignisse, und seien diese auch noch so banal oder abseitig, beinhalte – ein fotografisches Archiv „mit allen, ja wirklich allen verrücktesten und unmöglichsten An- und Augenblicken unserer Zeit.“ 290 Die eingereichten Fotografien werden von der Lomografischen Gesellschaft selektiert – eine Bildpolitik, die in eklatantem Widerspruch zu den proklamierten Grundprinzipien von ungefilterter wie totaler Dokumentation steht. Zu Beginn existierte das Bildarchiv ausschließlich ‚offline‘ in materieller Form. Zwischenzeitlich wurden zahllose Fotografien digitalisiert, um derart ein virtuelles Duplikat der Sammlung zu erstellen, das über die offizielle Homepage www.lomography.com öffentlich zugänglich ist. Von der Community kontinuierlich erweitert, umfasste das Online-Bildarchiv zum Zeitpunkt des letzten Abrufs 14.099.507 Bilder. 291 Gekennzeichnet ist diese virtuelle Bilddatenbank durch eiFragmente sichtbar ‚vernäht‘ werden, und einer Montage, die auf dem Prinzip einer nahtlosen, unsichtbaren Synthese basiert an. 287 Angabe auf dem Stand von April 2011. Vgl. mandi: Exploring The Lomography Archive, http://www.lomography.de vom 22.04.2011, http://www.lomography.de/mag azine/lifestyle/2011/04/22/exploring-the-lomography-archive (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 288 Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 31. 289 N.N.: Lomographie. Geschichte und Profil, http://www.lomo.de, o.D., http://www. lomo.de/docs/Geschichte.htm (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 290 A.a.O. 291 Vgl. http://www.lomography.de/photos/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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ne komplexe Vernetzung der inventarisierten fotografischen Aufnahmen, die mithilfe verschiedener inhaltlicher wie formaler Kriterien gefiltert werden können. Die Übersichtsdarstellung hebt folgende Kategorien besonders hervor: Kameras, Filme, Länder, Städte, Datum, Zeit, Walls und Farben. Jene übergeordneten Rubriken sind motivindifferent, d.h. sie geben keine Auskunft über etwaige Bildinhalte, sondern fokussieren auf das fototechnische Equipment sowie auf temporal-(geo-)spatiale Kontextinformationen. Die Verdatung des digitalisierten Archivguts anhand von Farbwerten sticht aus der genannten Typisierung hervor. Als einziges fotografisches Stilmittel derart prominent akzentuiert, fungiert Farbe als strukturgebendes wie autonomes Kriterium des Bildarchivs. Im Kontext der Lomografie verwundert jene Relevanz von Farbe nicht, bedient sich diese doch zumeist farbfotografischer Verfahren, wobei die Farbwirkung hinsichtlich Kontrast, Sättigung und Brillanz durch deviante Entwicklungsprozesse und/oder entsprechend präpariertes Filmmaterial zusätzlich intensiviert wird (vgl. Kap. 4.2.5). Abbildung 16: Exemplarische Umsetzung der pluralen Bildform LomoWall in der Onlineversion des Lomo World Archive.
Die Unterkategorie Walls deutet an, dass das Prinzip LomoWall nicht nur im realen, sondern ebenfalls im virtuellen Raum der Online-Bilddatenbank Anwendung findet und somit als prototypische, serielle Präsentationsform der Lomografie gelten kann. Hierbei ist die Menge der im Bildmosaik verwendeten Einzelbilder vergleichsweise überschaubar und wird von dem jeweiligen Urheber nach formal-ästhetischen und/oder inhaltlichen Kriterien arrangiert; mitunter gibt der Titel des Kompositbilds Aufschluss über die kuratorische Intention, die dem jeweiligen Arrangement zugrunde lag. Untertitelt mit mmm tasty camera! inszeniert das exemplarisch gewählte Fotomosaik von zoezo den analogen Fotoappa-
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rat als kulinarischen Leckerbissen (vgl. Abb. 16). Neben einem narrativen Moment, die Köchin bei der Zubereitung wie dem anschließenden Verzehr der Speise, erhält die plurale Bildanordnung durch die Verwendung verschiedenster Bildformate und -größen sowie Bildwiederholungen eine ästhetische Eigendynamik. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Präsentationsform LomoWall nicht nur im Zusammenhang mit kollektiver Autorschaft genutzt wird, vielmehr scheint Serialität integraler Bestandteil der lomografischen Bildpraxis zu sein. Unter der Rubrik Fotos finden sich diverse Möglichkeiten der Ergebnisdarstellung: So lässt sich eine zufällige, sequentiell als Slideshow angeordnete Selektion von Fotografien oder – über die Unterkategorie Stream – eine täglich wechselnde „Auswahl an 12.000 der beliebtesten Fotos“ 292 in Form eines prozessual erweiterbaren Tableaus aus Thumbnails anzeigen (vgl. Tab. 33, 1). Durch Anklicken eines der miniaturisiert dargestellten Einzelbilder wird dieses vom Bildverbund separiert und, von archivrelevanten Metadaten flankiert, auf einer neuen Seite in Vergrößerung dargestellt (vgl. Tab. 33, 2). Somit ist auch in dieser digitalen Variante der LomoWall das Moment der „doppelte[n] Blickstellung“ 293, das dynamische Alternieren zwischen dem pluralen Bild und einzelnen Bilddateien, gegeben. Weiterhin lässt sich das online zugängliche Archivgut des LWA anhand von vorgegebenen Tags durchsuchen; eine personalisierte Suchanfrage via freier Texteingabe sieht die Achivstruktur zum Zeitpunkt des Abrufs am 24. Oktober 2014 jedoch nicht vor. 294 Die beliebtesten Tags werden auf der Unterseite in einer aus aktiven Links bestehenden tag cloud dargestellt. Inhaltlich beziehen sich die dort versammelten Stichwörter auf technische Angaben, wie beispielsweise das verwendete Filmformat (35mm, 120, 135, Medium Format, square), die Filmempfindlichkeit via ISO-Wert (100, 200, 400), Herstellerfirma des Films (Agfa, Kodak, Fuji, Ilford), der konkrete Filmtyp (Elitechrome, Redscale, Velvia) sowie die verwendete Lomo-Kamera (Diana, Holga, LC-A, Lubitel, Sardina, Supersampler). 295 Klassifiziert wird das Bildmaterial weiterhin nach Entstehungsjahr 296 und -ort 297 sowie Tages- (day, night) und Jahreszeit (autumn, fall, spring, 292 Tab. 33, 1; die zugehörige URL ist nicht mehr aktiv. 293 Thürlemann: Mehr als ein Bild, S. 16. 294 Zwischenzeitlich wurde die Funktion Freitextsuche in das Online-Bildarchiv integriert. Vgl. http://www.lomography.de/search/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 295 Letztgenannte Rubrik ist unter ökonomischen Aspekten besonders relevant, stellt sie doch die direkte Verbindung zu den entsprechenden firmeneigenen Konsumprodukten her. 296 Unter den versammelten, explizit als populär ausgewiesenen Tags finden lediglich die Jahre 2009, 2010 und 2011 Erwähnung.
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summer, winter) der Aufnahme. Zudem existiert eine Anzahl diffus-hybrider Tags, die – zumindest ohne Kenntnis des konkreten Bildmaterials – sowohl temporal als auch spatial verstanden werden können (holidays, travel, vacation, walk, christmas, wedding) und gleichwohl motivisch so unkonkret sind, dass sie über einen größeren Abstraktionsgrad verfügen. In die Kategorie der abstrakten Begrifflichkeiten fallen weiterhin Gemeinplätze wie Fun, happy, Life, Love, aber auch – und das sticht aus dieser Reihung hervor – das Adjektiv old. Bei Angaben, die explizit auf Aspekte der Bildästhetik Bezug nehmen, handelt es sich um das verwendete fotografische Verfahren (Schwarzweiß- oder Farbfilm). Wie bereits in Kapitel 4.2.5 dargelegt, arbeiten Lomografen hauptsächlich mit farbigem Filmmaterial. Der distinkte Status, den Farbe als Stilmittel innerhalb des lomografischen Bildprogramms bekleidet, schlägt sich gleichsam in der Archivstruktur und den zur Typenbildung relevanten Parametern nieder, beispielsweise in der großen Bandbreite an Tags, die auf bilddominante Farben Bezug nehmen (white, black, blue, green, orange, pink, red, yellow). Darüber hinaus findet sich in der Einzelansicht (vgl. Tab. 33, 2) ein Balkendiagramm, das dazu dient, die dominanten Farben und deren proportionale Verteilung innerhalb der entsprechenden Bilddatei schematisch abzubilden. Jene abstrakt-reduzierte Darstellung der signifikanten Farbwerte repräsentiert das Farbschema bzw. die Farbpalette der jeweiligen Aufnahme und somit die Essenz ihres Kolorits. In Form einer zweidimensionalen Rastermatrix, bestehend aus quadratischen Farbflächen, visualisiert eine weitere Suchmaske die 1500 häufigsten, nunmehr hexadezimal codierten Farbwerte (vgl. Tab. 34, 1). Durch Klick auf ein Farbquadrat öffnet sich eine neue Unterseite, die ein Arrangement aus miniaturisiert dargestellten Lomografien zu sehen gibt, deren dominanter Farbton mit dem gewählten HexWert korrespondiert, Underage Pink im gewählten Fallbeispiel (vgl. Tab. 34, 2). All diese Phänomene verdeutlichen die herausgehobene, wenn nicht gar entscheidende Rolle, die Farbe bei der Navigation durch das Bildarchiv zufällt. Charakteristische lomografische Techniken wie Doppel- oder Mehrfachbelichtung (double/s, exposure), die Vertauschung der chemischen Entwicklungsprozesse von Farbnegativ- und Farbdiafilm (C-41, cross process, x-pro) und die unter Lomografen populäre Verwendung von abgelaufenem Filmmaterial (expired) werden durch die Schlagworte ebenfalls repräsentiert. Es ist vor allem dieser experimentelle, unorthodoxe bzw. inkorrekte Umgang mit dem Mate297 In dieser Kategorie werden einerseits allgemeine, d.h. unspezifische Orte (City, Park, outdoors) wie Kontinente (Asia, Europe), andererseits aber auch eine Vielzahl konkreter Länder (China, Canada, France, Germany, Indonesia, Italy, Japan, Malaysia, Netherlands, Philippines, Russia, Singapore, Spain, Taiwan, Thailand) und Städte (Barcelona, Berlin, London, Madrid, nyc, Paris) genannt.
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rial, welcher die lomografische, durch Hyperfarbigkeit gekennzeichnete Bildästhetik bedingt. Selbstredend geben die Tags auch Aufschluss über konkrete Bildsujets: In den verwendeten Bezeichnungen spiegeln sich jene, von anderen Online-Fotocommunities 298 bekannten, motivischen Gemeinplätze wider. Ihrer alphabetischen Anordnung entsprechend wären das: Beach, Boat, Bridge, Building, Car, Cat, Church, Clouds, Dog, Family, Festival, Flower/s, Food, Friends, Garden, Girl/s, Graffiti, Home, Horizon, Island, Kids, Lake, Landscape, Light/s, Music, Nature, Ocean, People, Party, Playa, Portrait, River, Sand, Sea, Sky, Snow, Street, Sun, Sunset, Tree/s und Water. Ungeachtet des Diktums totaler wie unzensierter fotografischer Dokumentation des Alltags scheinen die im Onlinearchiv auffindbaren lomografischen Aufnahmen die Darstellung bestimmter Emotionen und Situationen nahezu vollständig auszublenden: Negative Aspekte des Lebens finden keinen sichtbaren Eingang in die lomografische Ikonografie und fallen somit offenbar der Zensur einer hintergründig wirksamen Bildpolitik zum Opfer. Unter Rekurs auf psychoanalytische Theoriesprache, derer sich die Lomografische Gesellschaft gleichwohl selbst exzessiv bedient, ließe sich diese motivische Leerstelle mit dem psychischen Vorgang der Verleugnung, d.h. der Abspaltung unliebsamer negativer Affekte parallelisieren und somit, überspitzt formuliert, als visuelles Symptom einer kollektiven Psychopathologie interpretieren, die sich in derart ‚psychotischen‘ Bildern manifestiert. In jedem Fall lässt sich von einer stilisierten, unter anderem durch Auslassung geschönten Darstellung des eigenen Lebens oder auch von visuellen Wunschproduktionen sprechen. Negativ konnotierte Gegebenheiten, Gefühle und Probleme werden zugunsten des Idealbilds eines ‚geglückten Lebens‘ vollständig aus der fotografischen Repräsentation ausgeschlossen oder nachträglich qua Zensur aus dem privaten bzw. kollektiven Bildarchiv verbannt. Die sorgfältig kuratierten Inhalte der lomografischen Chroniken und deren ‚dissoziierter‘ Charakter führen folglich die motivischen Konventionen des klassischen Fotoalbums fort. 299 Wie bei sämtlichen stilisierenden Darstellungsformen geht dies zu Lasten von Individualität und Spontaneität.
298 Wie bspw. Flickr, Fotocommunity, DeviantArt. Vgl. hierzu Richard et al.: Flickernde Jugend, rauschende Bilder, S. 77 sowie Richard/Grünwald/Ruhl: Me, Myself, I, S. 118 f. 299 Im Dienste einer idealisierten Darstellung des eigenen Lebens, welche für die Zukunft überliefert werden soll, bezeugt jene repräsentative Form der fotografischen Sammlung zumeist ausschließlich feierliche Höhepunkte des (Familien-)Lebens. Chen zufolge ändert die Lomografie grundlegend nichts an jenen Schnappschusskonventionen, einzig die feierlichen Anlässe würden radikal zugunsten alltäg-
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Versehrungen werden, so ließe sich die exzessive Drangsalierung des Filmmaterials deuten, auf die Bildoberfläche ausgelagert bzw. an die materielle Beschaffenheit des Bildträgers delegiert – eine Ersatzhandlung, um die Bildinhalte, d.h. das bildlich Dargestellte, von jeglicher Negativität frei halten zu können. Dem reformatorischen Impetus der lomografischen ‚Streitschriften‘ – der Zehn Goldenen Regeln wie dem Lomografischen Manifest – zum Trotz produziert die Lomografie ihre eigene klischeehafte, stilistisch wie motivisch uniforme Bildsprache. In diesem Zusammenhang wertet Rick Poynor die rhythmischen Wiederholungen des Einzelbilds in der Präsentationsform LomoWall als kompensatorisches Bemühen, eine visuelle Komplexität herzustellen, die im Einzelbild nicht vorhanden sei: „Most [lomographs; K.G.] consist of a single prominent subject and a depthless pictoral space that the eye can absorb at a glance: shadows, clouds, dogs and babies, silhouettes of hands and feet, street signs, a man’s butt, planes passing overhead, a woman drinking tea. Not much to make you linger and few, if any, epiphanies to be had. The strongest statement comes from the designer’s decision to repeat some of the more graphic pictures, and generate unifying rhythms across the poster, giving it a visual complexity that is missing from the individual images.“ 300
licher, jedoch weiterhin ausschließlich positiv besetzter Begebenheiten erweitert. Vgl. Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 33. 300 Poynor: Depth Imperception, S. 148.
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Tableau 33: (1) Screenshot der Ergebnisdarstellung in der Unterrubrik „Stream“; (2) Aufbau der Einzelansicht.
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Tableau 34: (1) Unterseite der farbwertbasierten Suchfunktion. Im abgebildeten Fall lassen sich die digitalen Archivalien des LWA nach den 1500 hierin am häufigsten vorkommenden Hex-Zahlen sortieren. (2) Ergebnisseite für den Hex-Wert namens „Underage Pink“ (#f9e6f4).
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4.3 FAZIT UND PERSPEKTIVIERUNG AUF DAS MOBILE DIGITALE BILD Das vorliegende Unterkapitel fasst die Charakteristika der fotografischen Referenzsysteme Lomografie und Polaroid zunächst zusammen und perspektiviert sie sodann auf die Fallbeispiele Instagram und Hipstamatic. Die einleitende Synopse fokussiert die beiden analogen Vor-Bilder hierbei nicht in gleichem Maße, handelt es sich bei der in den 1990er Jahren aufkommenden Lomografie doch bereits um eine Weiterverarbeitung und somit Interpretation traditioneller Schnappschussfotografie, in deren Kontext wiederum die Sofortbildtechnologie zu verorten ist. Demnach liegt der Schwerpunkt der nachfolgenden Darstellung auf dem lomografischen Dispositiv – jenes verdichtet die diskursrelevanten Formationen sowie Topoi der Amateurfotografie und lässt diese derart besonders deutlich hervortreten. Ergänzend erfolgt vorab jedoch ein Exkurs zu phänomenunabhängigen Legitimationen für die explizite Bezugnahme auf vorgängige Medientechnologien sowie deren -ästhetik im Digitalen. 4.3.1 Fotorealismus als Vorbild und Fetisch digitaler Darstellung Eine Motivation für die Integration analoger Ausdrucksformen in virtuelle Umgebungen liegt in der didaktischen Brücken- bzw. Vorbildfunktion, die dem sinnbildlichen Rückgriff auf bereits Bekanntes bei der Vermittlung neuartiger Technologien zukommt. 301 Der Updateverlauf von Instagram und die damit zusammenhängende Entwicklung der mobilen Mediensoftware über die diversen Programmversionen hinweg kongruiert mit der bereits in den 1970er Jahren von Alan Kay und Adele Goldberg akzentuierten Überschreitungsdynamik des Computers als Universal-Medien-Maschine. 302 Demnach werden zunächst bekannte ‚analoge‘ Medien formalisiert und im zu etablierenden Medium Computer großteils unverändert remedialisiert. 303 Im Fall von Instagram fokussierte die 301 Prominentestes Beispiel ist die Desktop-Metapher. Die grafische Benutzeroberfläche des PCs und deren virtuelle Komponenten versinnbildlichen einen Schreibtisch und sind demzufolge konzeptionell der klassischen Büroumgebung nachempfunden. Vgl. hierzu auch FN 170 (Kap. 2) sowie das von Kay formulierte Paradigma WYSIWYG, dargestellt in FN 153 (Kap. 2). 302 Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 55-106. 303 Vgl. ebd., S. 105 f.
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Bildsprache der Software bei Markteinführung ebenfalls geläufige fotografische Kulturtechniken, insbesondere jedoch deren vertraute Stofflichkeit – den als Idealtypus formalisierten fotografischen Abzug. Wie in Kapitel 3.3.1 beschrieben, wird der Eindruck eines vorgängigen Mediums und dessen spezifischer Materialität bildimmanent mithilfe von in die Funktion Grafikfilter implementierten formalen Suggestionsmitteln – der bildwirksamen Trias Farbe, Vignettierung und Oberflächenstrukturierung – erreicht. Die optionale Beigabe Bildrahmen hingegen fungiert als Symbol für eine medienspezifische Haptik und indiziert ein in sich abgeschlossenes Objekt. Dies geschieht einerseits durch optische Reminiszenz an die Konfektionierung vorgängiger Filmformate, andererseits durch die Akzentuierung der Bildgrenze. Digitale Medientechnologien orientieren sich bei Markteinführung demnach an bereits bekannten, nicht-digitalen medialen (Darstellungs-)Formen und sind zudem weitgehend automatisiert. Mit zunehmender Etablierung erfahren die Softwareprogramme eine Erweiterung ihres Funktionsumfangs, dessen einzelne Komponenten überdies an interaktiver Komplexität gewinnen und sich so beispielsweise graduell anpassen oder beliebig miteinander kombinieren lassen. An die initiale Remediatisierung vorgängiger Medientechnologien schließt Manovich zufolge die Entwicklung eines hybriden Mediums an. Dieses verfüge über generisch digitale Funktionen, Methoden sowie Werkzeuge und kombiniere diese mit vormals medienspezifischen zu innovativen Hybridformen. 304 Im Hinblick auf seine analogen Vorgänger sei das digitale Bild, so eine weitere These Manovichs, durch einen wesenhaften logischen Widerspruch gekennzeichnet: Einerseits breche es mit älteren Formaten visueller Repräsentation, andererseits trage es entscheidend zu deren Persistenz als kulturelle Form bei – das Fotografische werde im Digitalen glorifiziert und verewigt, gelte der Fotorealismus der Computergrafik doch als Darstellungsziel. 305 Am Beispiel des Films demonstriert Manovich, dass digitale Technologien als Metaphern des kinematografischen Apparats und dessen Codes modelliert würden. 306 Obgleich der 304 Computersimulationen von physischen oder elektronischen Medien sind in der Lage, ihren analogen Referenten neue Eigenschaften hinzuzufügen. Demzufolge verändere sich die Identität bzw. Beschaffenheit eines Mediums im Zuge seiner softwaregestützten Simulation. Vgl. Manovich: Software takes Command, S. 329 f. 305 „The digital image annihilates photography while solidifying, glorifying and immortalizing the photographic.“ Manovich, Lev: The Paradoxes of Digital Photography, in: Hubertus von Amelunxen/Stefan Iglhaut/Florian Rötzer (Hg.): Photography After Photography, München 1995, S. 240-249, hier S. 241. 306 Dies werde bereits auf Ebene des Programmnamens (z.B. Director oder Premiere) augenfällig. Vgl. a.a.O.
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analoge Film als Technik verschwinde, habe das Prinzip Kino auch im Digitalen nicht bloß weiterhin Bestand, es begleite vielmehr den Status eines Fetischs. Dies gelte in besonderem Maße für die filmische Bildästhetik, den sogenannten Filmlook, welcher durch seine imperfekten, materiellen Charakteristika besteche: „[…] the soft, grainy, and somewhat blurry appearance of a photographic image which is so different from the harsh and flat image of a video camera or the too clean, too perfect image of computer graphics.“ 307 Jene bereits von Manovich angesprochene ‚cleane‘ Ästhetik des digitalen Bilds geht aus Sicht von Flückiger mit einem übersteigerten Realismuseffekt einher, „der sich kontraproduktiv auf die imaginäre Kraft der [kinematografischen; K.G.] Fiktion auswirke […]“ 308, da er nicht den, durch die Ästhetik des 35-mm-Farbfilms konditionierten Sehgewohnheiten, entspreche. 309 Obgleich ein digital aufgenommenes Video die Realität viel genauer und daher faktisch realistischer abbilde, werde dessen Hypersichtbarkeit als unrealistisch empfunden. Jener hyperreale und befremdliche Eindruck, den das digitale Bewegtbild bei den Betrachtenden hervorrufe, resultiere aus der Transparenz des Mediums, das nicht über die vertrauten Abbildungscodes verfüge: „Den Bildern fehlen die gewohnten Störungen, […] die zum lebendigen Eindruck des Filmbildes führen.“ 310 Um diesen – der Illusion des Kinos entgegenstehenden – Mangel des digitalen Bilds zu kaschieren, würden die relevanten Stilelemente analogen Filmmaterials – tanzendes Korn, wackelnde Vignettierungen, subtile Weichzeichnungseffekte und Bildstandfehler – nunmehr in der Postproduktion computergestützt imitiert: „Schon werden Prozesse entworfen, die den ‚Filmlook‘ synthetisch herstellen, mit dem Ziel, das digitale Bild durch die Schönheit des Zufalls aufzuwerten. An allen Ecken und Enden versucht man, die Schwankungen des photochemischen Prozesses dem digitalen Verfahren zu überlagern, um die kühle Perfektion zu maskieren und sie dem menschlichen Bewusstsein zu entziehen.“ 311
Im Zuge der Digitalisierung finde, so Manovich weiter, folglich eine Aufwertung des chemo-physikalischen fotografischen Bilds statt, dessen kulturelle Codes konserviert würden. Habe dessen Objektivität und Technizität vormals als inhuman und teuflisch gegolten, erscheine es im Vergleich mit dem digitalen 307 Ebd., S. 242. 308 Flückiger: Das digitale Kino, S. 31. 309 Vgl. hierzu auch Kress, Gunther/Leeuwen, Theo van: Reading Images. The Gram mar of Visual Design, London/New York 1996, S. 163. 310 Flückiger: Das digitale Kino, S. 29. 311 Ebd., S. 32; Herv. i.O.
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Bild geradezu vertraut und domestiziert. Dementsprechend seien Erinnerung und Nostalgie unabhängig vom konkreten Bildinhalt an die spezifische Ästhetik des Mediums gebunden: „Regardless of what it signifies, any photographic image also connotes memory and nostalgia, nostalgia for modernity and the twentieth century, the era of the pre-digital, pre-post-modern. Regardless of what it represents, any photographic image today first of all represents photography.“ 312 Der wahrgenommene Realitätsgrad von Computergrafiken ermesse sich folglich an ihrer Fähigkeit, Fotorealismus grafisch zu imitieren: „[…] [W]hat computer graphics has (almost) achieved is not realism, but only photorealism – the ability to fake not our perceptual and bodily experience of reality but only its photographic image. […] It is only this film-based image which computer graphics technology has learned to simulate. And the reason we think that computer graphics has succeeded in faking reality is that we […] have come to accept the image of photography and film as reality.“ 313
Diesem Erklärungsansatz zufolge üben vorgängige Medientechnologien, insbesondere der 35-mm-Kleinbildfilm, eine „stilbildende visuelle Wirkung“ 314 aus. Über das Bewegtbild hinaus gilt dies gleichermaßen für das stille fotografische Bild. Matthias Bruhn et al. sehen den Rekurs auf ältere Bilderwartungen als kausal mit der technologischen Entwicklung der Bildausgabegeräte verschränkt. Jene hardwareseitigen Parameter, die Bilddiagonale des Displays wie dessen Auflösung, definierten wie determinierten die darstellbare Bildgröße. Die verhältnismäßig kleinen Displays von Smartphones und die geringe Bildauflösung erzwängen „eine Reduktion der Darstellung“, wodurch „[k]ulturell verankerte Muster und kulturell wertende Kriterien der Bildherstellung und -auswahl […] in der spontanen, technisch ermöglichten Aufnahmepraxis deutlicher hervor[treten].“ 315 Eine pragmatische Begründung für die Zitation imperfekter Stilelemente aus dem Bereich des chemo-physikalischen Bilds besteht darin, die gerade anfangs äußerst bescheidene Auflösung des mobilen digitalen Bilds durch den Einsatz von Grafikfiltern zu kaschieren. Mario Estrada, Community Director bei Hipstamatic, antwortete auf die Frage nach der Motivation hinter der spezifischen Bildästhetik: „‚The reality is that we take a bad camera and make it worse
312 Manovich: The Paradoxes of Digital Photography, S. 242. 313 Ebd., S. 246. 314 Bruhn et al.: Formschichten, S. 15. 315 Ebd., S. 10.
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in the most beautiful way‘ […].“ 316 Jenes Zitat bestätigt Manovichs These einer Fetischisierung des Filmlooks, dessen Bildfehler als probates kosmetisches (Hilfs-)Mittel zur Ästhetisierung des mobilen digitalen Bilds gehandelt werden. Bill Brown weist in diesem Zusammenhang auf eine problematische Dynamik, die Verklärung des analogen Bilds und die Verleugnung seiner Technizität, hin. Verglichen mit seinem digitalen und, wie Lunenfeld herausstellte, „dubitativen“ 317 Nachfolger erstarkten dessen Authentizitätsversprechen und autoritative Wirkung: „New media always seem to provoke this old melodrama. One of the ironies of the digital regime […] has been the extent to which photography and film are now reputed to have had intimate contact with the material world.“ 318 4.3.2 Polaroid und Lomografie als Antipoden des Digitalen – eine Zusammenfassung Wolfgang Ullrich zufolge entstand die Lomografie aus dem erwachsenden Bedürfnis nach ‚authentischen‘ Fotografien, das Ende des 20. Jahrhunderts als Reaktion auf die zunehmende Digitalisierung und verlorene bzw. zumindest zweifelhafte Glaubwürdigkeit des digitalen Bilds hervorging. 319 Der Digitalen Revolution und den damit verbundenen medienstrukturellen wie soziokulturellen Veränderungen stehen Lomografen dezidiert negativ gegenüber. 320 In Korrespondenz mit den Zehn Goldenen Regeln veröffentlichte die Lomografische Ge-
316 Estrada zit. n. N.N.: Mobile Phone Cameras: Bad Camera Made Beautiful, http:// www.independent.co.uk vom 02.03.2011, http://www.independent.co.uk/life-style/ gadgets-and-tech/features/mobile-phone-cameras-lsquoa-bad-camera-made-beauti fulrsquo-2229514.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 317 Vgl. Lunenfeld: Das dubitative Bild sowie Kap. 2.1. 318 Brown, Bill: Materiality, in: William J.T. Mitchell/Mark B.N. Hansen (Hg.): Critical Terms for Media Studies, Chicago 2010, S. 49-63, hier S. 53. 319 Vgl. Ullrich: Die Geschichte der Unschärfe, S. 95 sowie Kap. 2.1. 320 Ungeachtet der rigiden Präferenz des analogen fotografischen Bilds kann es sich auch die Lomografische Gesellschaft unter ökonomischen Aspekten nicht leisten, Digitaltechnik vollends zu ignorieren. Um den aktuellen Trend zur mobilen Bildproduktion wie -distribution innerhalb des social web nicht zu verpassen, umfasst das lomografische Warensortiment immerhin zwei Produkte, mithilfe derer sich analoges Filmmaterial via Smartphone digitalisieren lässt: Der manuell zu bedienende Projektor LomoKinoScope, welcher auf dem Prinzip des Abfilmens basiert, sowie der Lomography Smartphone Scanner. Vgl. https://shop.lomography.com/de (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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sellschaft ihre Zehn Prophezeiungen der analogen Zukunft 321. Auf einer eigens zu diesem Zwecke eingerichteten Mikroseite wird provokativ das Ende des digitalen Zeitalters – zugunsten der titelgebenden ‚analogen Zukunft‘ – proklamiert. Erwartungsgemäß entwerfen jene Weissagungen ein düsteres Bild der digitalen Welt, die durch ein „Wirrwarr aus Kabeln, Elektrosmog, Maschinen und technischen Spielereien“ 322 gekennzeichnet sei. Gänzlich technophob wird eine Dystopie skizziert, in welcher der Mensch vollends auf seine technischen Geräte sowie das Internet fixiert sei und darüber zunehmend den Kontakt zur realen Welt verliere. 323 Als Synonym für ‚das Analoge‘ verwendet, wird der Begriff ‚Realität‘ kontrastiv zum Digitalen durch Glück, Zufall, Potentialität wie Überraschung charakterisiert; allesamt Attribute, die bereits in den Zehn Goldenen Regeln zu lomografischen ‚Kernkompetenzen‘ deklariert wurden. Digitalität zeichne sich demgegenüber sowohl durch Fremdbestimmtheit wie Entfremdung, Inflexibilität, Immobilität, abgestumpfte Sinneswahrnehmungen als auch durch Anspannung aus, die das Resultat eines neurotischen Kontroll- wie Wissenszwanges seien. 324 Das Chaos bzw. der Kontrollverlust, welchen die Lomografie durch die gezielte Implementierung des Zufalls ermöglicht, wird dagegen positiv konnotiert und als notwendige Voraussetzung für Experimente, Kreativität und Innovation erachtet. Als Antipode des dämonisierten Digitalen erfährt das Analoge dementsprechend eine Idealisierung. Der folgende durchaus pathetische Appell verdeutlicht die Bandbreite an Eigenarten, die jenem Gemeinplatz des NichtDigitalen hierbei zugeschrieben werden: „Analog bedeutet Authentizität. Analog bedeutet Wahrheit. Analog ist Wirklichkeit. Es wird Zeit, die analoge Zukunft einzuläuten. Und was für eine fantastische Zukunft! – Ein Ort voller Liebe, Spaß, Freude und Fotografie! Es gibt so viele aufregende Möglichkeiten, so viele Dinge zu entdecken. So viele Schnappschüsse und Farben und Schattierungen und Töne. Zögere nicht! Werde Teil des Lomography Zugs [sic!] der Liebe. Zielort: Glückseligkeit!“ 325 321 Vgl. Kap. 9, Txt. 24, S. 417-420. 322 Ebd., Prophezeiung #1, S. 417. 323 Vgl. a.a.O. 324 Vgl. ebd., Prophezeiung #2, S. 417 f.. 325 A.a.O. Bezogen auf die materiellen Qualitäten des analogen fotografischen Bilds, seine Dinghaftigkeit, ist insbesondere die fünfte Prophezeiung von Interesse, da bereits in der Überschrift das Filmmaterial – konkret Negativfilm wie Fotopapier – als Garant für Echtheit, Authentizität und – diese Zuschreibung irritiert besonders – Ewigkeit ausgewiesen werden: „FILM & PAPER ENSURE ORIGINALITY, AUTHENTICITY AND ETERNITY“. Ebd., Prophezeiung # 5, S. 416; Herv. i.O.
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Der Argumentationsweise zufolge gilt ‚das Analoge‘ per se nicht nur als integraler Bestandteil der Diskursfiktion Authentizität, sondern auch als deren probater Erfüllungsgehilfe, welcher darüber hinaus mit weiteren charakteristischen Vorstellungen des Authentischen, namentlich Wahrheit und Wirklichkeit, gleichgesetzt wird. Abschließend findet eine Einreihung der Kulturtechnik analoger Fotografie in die verheißungsvolle Trias der Glückseligkeit – Liebe, Spaß und Freude – statt. Zur Re-Eroberung der Idiome des Unmittelbaren im Feld der Fotografie propagiert die Lomografische Gesellschaft beharrlich die Verwendung einer simplen und billigen Kompaktkamera sowie eine gewisse Anspruchslosigkeit, was die ästhetischen Resultate der fotografischen Betätigung betrifft. In der Tradition des Schnappschusses und dementsprechend als Antithese zur inszenierten Fotografie liegt die Emphase dabei auf der Beiläufigkeit des fotografischen Aktes, der umso authentischer wirkt, je nebensächlicher – und somit mitunter unschärfer – die Aufnahme ist. 326 Folglich handelt es sich bei ‚performativen‘ Unschärfeeffekten um gängige Stilmittel im ikonografischen Kanon der Authentizität. Bereits die vorangehende Analyse der Zehn Goldenen Regeln konnte zeigen, dass die Lomografische Gesellschaft zur Indoktrinierung wie zur Legitimation ihres eigenen Status 327 auffallend häufig die Diskursfiktion der Authentizität bemüht. Neben der direkten Verwendung des Adjektivs ‚authentisch‘ kommen weitere Redewendungen zum Einsatz, die Authentizität indirekt implizieren, wie beispielsweise „das pure, unverfälschte Leben“ 328 , „lebe im Augenblick“ 329 , „unbewusster Prozess“ 330 oder „spontane Einfälle“ 331. Shadwell zufolge arbeitet die inflationäre Nutzung des Adjektivs ‚analog‘ ebenfalls einer Kanonisierung der Lomografie zu. Bezüglich der Wortverwendung operiere die Werberhetorik über zwei Ebenen: Zunächst im wörtlichen Sinne, wenn klargestellt werde, dass sich die lomografische Bildpraxis ausschließlich analogen fotografischen Verfahren bediene, um ‚analog‘ anschließend als Metapher für Authentizität einzu-
326 Vgl. Ullrich: Die Geschichte der Unschärfe, S. 95. 327 Wie Shadwell resümiert, dient die argumentative Dialektik von Abwertung aller anderen Positionen bei gleichzeitiger Aufwertung der eigenen schlussendlich dazu, Lomografie als einzig wahre Form fotografischer Betätigung auszuloben. Vgl. Shadwell: Soliciting User Participation, S. 53-56. 328 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #6, S. 410. 329 A.a.O. 330 Kap. 9, Txt. 19 – Regel #8, S. 411. 331 A.a.O. Vgl. Shadwell: Soliciting User Participation, S. 53.
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führen und derart eine indirekte Verbindung zwischen Authentizität und Lomografie herzustellen. 332 Innerhalb der lomografischen Community bemisst sich der ästhetische Wert einer Fotografie folgelogisch ebenfalls am Grad ihrer Authentizität. Als probater Indikator dient die Kontingenz der fotografischen Resultate. Unkalkulierbarkeit kennzeichnet nicht nur die fertig ausentwickelte Lomografie, sondern auch die lomografische Geste bzw. Grundhaltung der Bilderzeugung. Der Akt des Fotografierens und die damit verbundene Herangehensweise sind in der Lomografie entscheidend. Auch die allenthalben betonte intellektuelle Distanz des Fotografen dient zur Verfechtung der absichtslosen Aufnahme. Authentizität ist in dem Zusammenhang gleichbedeutend mit technischer Komplexitätsreduktion: Je einfacher der Apparat zu bedienen ist, das heißt je mehr Arbeitsschritte er autonom verrichtet, desto ‚ehrlicher‘ ist dessen Output. 333 Im Kontext der Lomografie besitzen automatisch ablaufende Bildgebungsprozesse größtmögliche Glaubwürdigkeit und maximieren somit den Wahrheitscharakter eines Bilds. 334 Indem die Verwendung des ‚einzig richtigen‘ Werkzeugs, der LOMO LC-A, derartige Automation durch die implementierte Programmautomatik gewährleistet, wird jene Kleinbild-Kompaktkamera zur omnipotenten Authentizitätsmaschine und in der Folge zum verlässlichen Garant ästhetisch ansprechender Bilder, quasi zu einem Instant-Beautifier, hochstilisiert. Die apparative Konstellation erfährt im Kontext der Lomografie auf unterschiedliche Weise eine Naturalisierung. So wird die Kamera beispielsweise vermenschlicht und als ganzheitliches Supplement des menschlichen Körpers in selbigen integriert. Darüber hinaus findet eine Mystifizierung des automatisch ablaufenden Bildentstehungsprozesses statt, aus dem nicht nur ‚Magisches‘, sondern vor allem ‚Wahrhaftiges‘ hervorgehe. Im Hinblick auf ihre Glaubwürdigkeit beanspruchen Lomografien folglich nichts weniger als maximale Autorität. Als selbsttätige Blackbox fetischisiert, ist der Apparat und somit eben auch der dahinterstehende Konzern letztlich Souverän der Bildproduktion. Als vorgängiges fotografisches Verfahren, welches die Lomografische Gesellschaft mit dem Sofortbildfilm Fuji Instax mittlerweile auch ihrem Warensortiment einverleibt hat, kennzeichnet das Prinzip Polaroid demgegenüber die konzeptionelle Ausrichtung auf maximale Effizienz. Diese schlägt sich in Schnelligkeit wie Automatisierung der fotografischen Bildproduktion nieder. 332 Vgl. Shadwell: Soliciting User Participation, S. 55. 333 Vgl. hierzu auch Chen: The Lomo Way of Taking Pictures, S. 20. 334 Vgl. hierzu auch Kessler, Frank/Schäfer, Mirko Tobias: Trust in Technical Images, Manuskript 2013, http://mtschaefer.net/media/uploads/docs/Kessler_Schafer_TrustinTechnical-Images.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Die instantane Bildwerdung vermittels eines weitestgehend selbsttätigen Apparats wurde konzernseitig als Sensation – ‚Fotografie der Attraktionen‘ 335 – vermarktet. Hiermit geht eine Überhöhung der Technik einher, die zu einer mythischen Aufladung des Apparats als ‚magische Maschine‘ führt. Jene Fetischisierung steht Barry King zufolge in engem Zusammenhang mit dem Phänomen des „Deskilling“ 336 – die Ent-Fähigung des Fotografen durch zunehmende Automation. 337 Apparative Simplizität und Benutzerfreundlichkeit können derart als technologische Voraussetzungen für die Abbildung von Spontaneität und somit Authentizität gelten. Hieraus resultiert eine enge Verzahnung von Technizität eines Mediums und dem ästhetischen Wert, welcher dessen Hervorbringungen zugemessen wird. Im Kontext der Lomografie ist die anvisierte „Apotheose des unmittelbaren Fotos“ 338 nicht nur von einer überwiegend automatisierten Bildgebung, sondern gleichfalls von weiteren Faktoren abhängig: Lomografen verwenden insbesondere einfache, billig produzierte Kameramodelle, die aufgrund dessen mitunter unzuverlässige Bildergebnisse liefern. Jene apparativen Effekte, wie beispielsweise unkontrolliert auftretende Lichtflecke auf dem Negativ, erfahren im Kontext der Lomografie eine Aufwertung. Folglich handelt es sich nicht länger um Indizien mangelhafter fotografischer Reproduktionen, sondern um begrüßenswerte 339 Stilmittel einer Ikonografie der Authentizität. Hinsichtlich des im Bildausschnitt sichtbaren Motivs zieht die fotografische Geste des hip shot auf performativer Ebene eine zusätzliche Unbekannte ein. Die bevorzugte Verwendung abgelaufenen Filmmaterials sowie dessen unsachgemäße Lagerung, Entwicklung und Handhabung dienen auf Materialebene dazu, das fotografische Resultat mit einer weiteren Prise Ungewissheit zu würzen. Die hieraus resultierenden Versehrun-
335 „[P]hotography of attractions“ im engl. Originaltext. Buse: The Polaroid Image as Photo-=bject, S. 193 sowie FN 99 (Kap. 4). 336 King: Über die Arbeit des Erinnerns, S. 196. 337 Einerseits verliere die menschliche Arbeitskraft hierdurch an Wert, andererseits fehlten die nötigen Kenntnisse sowie ein tiefergehendes Verständnis der mechanischen Funktionsweisen, um die Möglichkeiten eines Apparats ausloten zu können. Vgl. a.a.O. 338 Ebd., S. 205; Herv. i.O. 339 Eine Um- bzw. Neubewertung, die im eklatanten Widerspruch zur professionellen fotografischen Praxis steht. Diese ist gerade darum bemüht, das Bildergebnis maximal kontrollieren, d.h. voraussagen zu können. Jene souveräne Handhabung des Apparats wird in diesem Zusammenhang als eigentliche Herausforderung und somit als Kunstfertigkeit angesehen.
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gen der Abbildung sind explizit gewünscht. Durch akribische Dokumentation 340 der jeweiligen Versuchsanordnung gilt es gar deren Wiederholbarkeit zu garantieren. Bildstörungsphänomene werden in der Lomografie folglich ebenfalls katalogisiert, allerdings nicht mit dem Ziel, diese künftig zu vermeiden, sondern sie im Gegenteil von nun an kontrolliert hervorrufen zu können. Das fehlerhafte Bild kann folglich als ein Darstellungsideal der Lomografie gelten, das auf unterschiedliche Art und Weise, mit allen Mitteln, zu erzeugen versucht wird. Obgleich anfänglich fraglos eine dissidente Geste ist jene Adelung fotografischer Ausschussware keinesfalls frei von ökonomischen Erwägungen, dient sie doch der Attraktivitätssteigerung der LOMO LC-A, deren unzuverlässige Performance und fehlerhafte Aufnahmen sich andernfalls kaum vermarkten ließen. Jene Eigengesetzlichkeit des Kameramodells, das prototypisch das lomografische Medium verkörpert, wird argumentativ als innovatives Alleinstellungsmerkmal einerseits und Garant für eine künstlerisch-kreative Ausdrucksform andererseits eingeführt. Ursprünglich für den militärischen Einsatz konzipiert, wurden ästhetische Belange bei der Entwicklung der Sofortbildtechnologie der Effizienzsteigerung fotografischer Bildproduktion untergeordnet. Demnach ist auch im Fall von Polaroid die Abbildgenauigkeit, insbesondere die farbgetreue Wiedergabe, nachrangig. Herstellerseitig ist diese Gewichtung jedoch nicht wie im Fall der Lomografie ästhetisch motiviert, sondern einzig pragmatischen Erwägungen geschuldet. Wie Polte darlegt, ist die Polaroid-Technik in Anbetracht ihrer verfremdeten, weil nicht dem fotorealistischen Darstellungsideal entsprechenden Bildwiedergabe vornehmlich für die Darstellung von Subjektivität bzw. einer persönlichen Perspektive geeignet. 341 Besonders im Hinblick auf das Gestaltelement der Farbe wirkt die lomografische Bildsprache durch die verschobenen, stark gesättigten und kontrastintensivierten Farbtöne mitunter abstrakt-malerisch und surreal. Anhand der – mittels Crossentwicklung bewusst hervorgerufenen – Hyperfarbigkeit ist evident, dass jenes ‚authentische Moment‘, das der Lomografie herstellerseitig allenthalben zugeschrieben wird, ebenfalls nicht in einer möglichst realitäts- und somit farbgetreuen Wiedergabe der Wirklichkeit zu suchen ist. Plausibel wird jene Abkehr vom naturalistischen Darstellungsideal 342 zugunsten einer als unrea340 Geteilt werden diese Rezepturen communityintern im Tipster. Vgl. http://www.lomo graphy.de/tags/8049-tipster/articles (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 341 Vgl. Polte: Taschenspielertricks, S. 37sowie Kap. 4.1.3. 342 Die Wirklichkeitstreue einer bildlichen Repräsentation wird anhand ihrer visuellen Korrespondenz mit dem menschlichen Seheindruck definiert. Bilder können auch zu real erscheinen, als ‚hyperreal‘, und zwar dann, wenn sie zu detailreich sind, eine zu hohe Farbsättigung aufweisen oder eine zu große Tiefenwirkung hervorrufen. Die
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listisch wahrgenommenen artifiziell-stilisierenden Farbigkeit mittels des psychoanalytisch angehauchten Werbenarrativs der Zehn Goldenen Regeln. Durch Bildgebung des Seelenlebens dient die darin beschriebene Bildpraxis der Psychohygiene. Als Beweggrund für die lomografische Bildproduktion kann demnach der „Wunsch nach Vermittlung innerer Bilder und Darstellung der Welt aufgrund ihrer subjektiven Wahrnehmung und Bewertung“ 343 gelten. Die Wahrhaftigkeit der Aufnahme ermisst sich folglich nicht an der äußeren, sondern vielmehr der inneren Realität. Dieser Lesart entsprechend, ließe sich jener lomografische Bildstil als formal-ästhetisches Äquivalent der motivisch anvisierten ‚inneren Bilder‘ interpretieren, die ihre Authentizität aus ihrer Glaubwürdigkeit als subjektives Sinnbild und daher gerade nicht aus einer naturgetreuen Abbildfunktion beziehen. 344 „The Lomo has a warmth and depth you can’t get with most cameras […]. […] Other cameras might be better at reproducing reality, but the Lomo is all about what you feel.“ 345 Die Bildgebung von Sentiments wird nicht nur seitens der Zehn Goldenen Regeln als ein Darstellungsziel formuliert, wie sich obigem Zitat entnehmen lässt, besteht der Vorzug für den Lomografen Marc David im subjektiv adäquaten gefühlsmäßigen Ausdruck, den die Kamera durch die ‚Wärme‘ und ‚Tiefe‘ ihrer Aufnahmen ermögliche. Die beschriebenen ästhetischen Qualitäten zielen auf die spezifische Farbgebung des lomografischen Apparats, dessen imperfekte Bildästhetik demzufolge im Dienste des Stimmungsbilds steht. Lomografen arbeiten sich am Filmmaterial ab und bringen dessen Verweisfunktion an ihre Grenzen. Der experimentelle Umgang mit Chemikalien und Materialien dient dazu, das fotografische Medium, dessen materielle Qualitäten wie jeweils gültige Definition von Realität ist hierbei nicht nur an soziokulturelle Verabredungen gebunden, gleichwohl wird sie durch die technologischen Möglichkeiten der Repräsentation wie Reproduktion determiniert. Vgl. Kress/Leeuwen: Reading Images, S. 163. 343 Jäger, Gottfried: Bildsystem Fotografie, in: Klaus Sachs-Hombach (Hg.): Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden, Frankfurt a.M. 2005, S. 349-364, hier S. 349. 344 Vgl. hierzu auch Wiedemann, Dieter: Bilder im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung: Neue Ästhetiken und verschwundene Wahrheiten? in: Klaus Sachs-Hombach (Hg.): Bildwissenschaft zwischen Reflexion und Anwendung, Köln 2005, S. 443456, hier S. 446. 345 Marc David zit n. Carson, Paula: Lomo, Lomo, Lomo, Lomo, in: Creative Review (#24) 8 (2004), S. 65-66, hier S. 65; Herv. K.G. David ist selbstständiger Webdesigner und Gewinner des Lomo World Congress im Jahr 2004.
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bildgebende Mittel, bildimmanent zu thematisieren. Die kollektive Experimentierwut weist hierbei durchaus obsessive Züge auf. An die eingangs skizzierte These Ullrichs anschließend, wird jene medienreflexive Geste, die insbesondere auf die Stofflichkeit des Bildträgers abzielt, im historischen Kontext als Reaktion auf die Hyperrealität 346 wie Entkörperlichung des digitalen Bilds lesbar. Lomografie kann somit als Antithese des Digitalen gelten – ein Antagonismus, welcher mittels der Positionsbestimmung in den Zehn Prophezeiungen als unüberwindbar zementiert wird. Jeder fotografische Abzug ist zugleich Bild und physisch konkretes Objekt. In der Sofortbildfotografie verschmelzen Bild und Trägermaterial untrennbar zu einer materiellen Entität. Infolge des Direktpositiv-Verfahrens besitzt das Polaroid einen Unikatstatus, der ihm verglichen mit anderen negativbasierten fotografischen Verfahren eine besondere Objektqualität verleiht. Sensu Buse verfüge das Polaroid für die digitale Simulation von Materialität demnach geradezu über eine paradigmatische Eignung. 347 Hinsichtlich der präferierten Bildsujets steht die Lomografie prototypisch für die Nobilitierung profaner Motive. Nach Aussage der lomografischen Doktrin findet dabei ein Umsturz von, im Bereich traditioneller Amateurfotografie etablierten, stereotypen Darstellungsformen und Motivtraditionen statt. Dieser Anspruch besteht lediglich nominell, findet sich im Bildmaterial jedoch letztlich nicht eingelöst – schreibt die lomografische Ikonografie doch die selektive Motivwahl des Schnappschusses fort. Letztlich geht es vorrangig um eine Ästhetisierung des Alltags und die Darstellung des ‚gelingenden Lebens‘, die sämtliche Negativität – zumindest auf den ersten Blick – auszusparen scheint. Die Lomografie feiert den Dilettantismus sowie eine fotografische AntiÄsthetik, als deren charakteristischste Stilmittel Unschärfe, Hyperfarbigkeit sowie die Zurichtung des Filmmaterials gelten können. Durch offensichtliche ideologische wie künstlerisch-praktische Anleihen am Surrealismus verortet sich die Lomografie im Bereich der Bildenden Kunst. Dabei profitiert sie vom vorherrschenden kantschen Kunstverständnis, demzufolge Kunst selbstzweckhaft und, installiert als Antipode des Konsums, deshalb vor einer Vereinnahmung durch ökonomische Interessen gefeit ist. Jener Antagonismus wird im lomografischen Narrativ bewusst ausgespielt. Die Selbstdarstellung als infant terrible der Fotografie und die proklamierten ästhetischen wie gesellschaftspolitischen Subversionen verschleiern den Firmencharakter der Lomografischen Gesellschaft wie die Warenförmigkeit der Lomografie als solcher. Von einer subkulturellen Bewegung Ende des 20. Jahrhunderts hat sich die Lomografie in weniger als zwanzig 346 Vgl. hierzu Flückiger: Das digitale Kino, S. 29 f. 347 Vgl. Buse: The Polaroid Image as Photo-Object, S. 203 f. sowie Kap. 4.1.2.
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Jahren zu einem Lifestyle-Produkt entwickelt, das eng mit der Modeindustrie in Verbindung steht und beispielsweise zum festen Sortiment der britischen Bekleidungsketten Urban Outfitters und ASOS gehört. Die Lomografie ist daher ein geradezu ideales Beispiel für die erfolgreiche Inkarnation einer Konsumästhetik. Die künstlerische Arbeit wie auch die gewählten Präsentationsformen sind bei Polaroid wie auch im Kontext der Lomografie durch Serialität und plurale Bildformen gekennzeichnet. Mit Sequenz und Mosaik bedienen sich die Polaroid-Multiples zwei grundverschiedenen Darstellungsformen. Die Einzelbilder sind zumeist einem Autor zugeordnet, zudem werden sie in der Regel für eine serielle Arbeit angefertigt, d.h. die Vergesellschaftung des Einzelbilds ist a priori konzeptueller Bestandteil der Bildproduktion. 4.3.3 Transfer auf die Fallbeispiele – einige Überlegungen Im Hinblick auf Geschwindigkeit wie Automation des Bildentstehungsprozesses antizipiert die Kulturtechnik des Polaroids bereits das digitale Bild als fotografische Praktik und kulturelle Form. 348 Auch die Verwendungsweise der Sofortbildtechnologie in ihrer Funktion als sozialer Katalysator – ein Attribut, das in den Zehn Goldenen Regeln übrigens auch der LOMO LC-A beigegeben wird – greift dem Gebrauch mobiler digitaler Bilder vor. Das Polaroid kann folglich nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf seine kommunikativen und sozial integrierenden Eigenschaften als ein geistiger Wegbereiter von Smartphones sowie der ikonischen, nunmehr in den virtuellen Raum ausgelagerten Kommunikation in Echtzeit gelten. 349 Die bei der Entwicklung des Sofortbildverfahrens maßgebende Priorisierung der Geschwindigkeit der Bilderzeugung, die Verringerung der Distanz zwischen Bildproduktion und -konsumption, stimmt gleichsam mit der Zielsetzung von Instagram überein, der ebenfalls die rapide, näherungsweise unmittelbare bzw. lückenlose Transmission der aufgenommenen Bilddatei als konzeptuelles Ideal dient. Damit diese auch über das – in seiner Signalstärke mitunter schwankende – mobile Internet auf Server geladen und derart cloudbasiert standortunabhängig zugänglich ist, steht die Bildqualität deutlich hintenan. Für die vergleichsweise kleine und anfänglich auch nicht einzoombare Darstellung auf dem miniaturisierten Touchscreen des mobilen Endgeräts ist diese gerade ausreichend. Obgleich aus anderen Gründen setzt auch die Lomografie auf ‚schnelle Bilder‘, wodurch die Geschwindigkeit und
348 Vgl. Buse: Polaroid into Digital, S. 13. 349 Vgl. ebd., S. 19.
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somit Quantität der Bildproduktion eine größere Rolle spielt als beispielsweise kompositorische Aspekte. Durch die Negierung des Suchers sind diese sogleich völlig obsolet, läuft doch jedwede Form intentionaler Bildgestaltung der lomografischen Geste zuwider. Die kontinuierliche Produktion von Serienbildern wird im Fall des Polaroids durch die Autonomie des weitgehend selbsttätigen Apparats befördert. Wie Buse im Kontext des Sofortbilds betont, sei die serielle Aufnahme aufgrund des Direktpositiv-Verfahrens zudem die einzige Möglichkeit der qualitativ-adäquaten Vervielfältigung eines Motivs. Zusammengefasst stehen Polaroid und Lomografie exemplarisch für eine schnelle und vermassende Form der Bildproduktion. Dies spiegelt sich auch in der geteilten Präferenz für ikonische Ensemblebildung wider; es eint sie somit ebenfalls die Verwendung pluraler Bildformen. In beiden Fällen dient die Vergesellschaftung des Einzelbilds ebenso dazu, medienstrukturelle Limitierungen – insbesondere ein kleines Bildformat und weitwinklige Aufnahmen – zu kompensieren; eine Beobachtung, die auch für Instagram gelten kann. LomoWall und LomoWorldArchive basieren auf pluraler Autorschaft und zielen auf die Erstellung globaler, polyperspektivischer Panoramen bzw. eines – durch die Bildproduktion innerhalb der Community – kontinuierlich anwachsenden Bildatlanten. Jene kollektiven Strukturen sind maßgeblich von der regen Partizipation der Lomografen abhängig, bilden deren individuelle Subarchive doch die substantielle Grundlage für die Supraarchivstruktur. Hierin besteht eine offensichtliche Parallele zur Funktionsweise der Online-Bilddatenbank von Instagram im Speziellen wie Anwendungen des social web im Allgemeinen. Verwoert verweist darauf, dass die „Spannung des Wartens“ 350 im Zeitalter der Digitalisierung eine anachronistische Erfahrung sei. Sie mache einen Prozess sichtbar und im Abwarten auf das fertige Bild zugleich erlebbar, der in der Digitalität nicht mehr existiere, da jene Kluft zwischen Aufnahme und Betrachtung der Fotografie verschwunden sei. Im Versuch, die Bedingungen des analogen Bildentstehungsprozesses schematisch nachzubilden, ist Hipstamatic gerade bemüht, jene performative Qualität – die Verklausulierung wie Verzögerung der Bildwerdung – digital zu imitieren. Wie die Aufarbeitung der medienhistorischen Vorbilder zeigt, orientiert sich Hipstamatic medienstrukturell an der Sofortbildfotografie. Als computerisiertes Äquivalent der Polaroid-spezifischen ästhetischen Autonomie kann hierbei die algorithmisch implementierte Zufallskomponente gelten. Zwischen Instagram und Lomografie besteht demgegenüber konzeptionell keinerlei Passung, steht die absichtsvolle wie kontrollierte Bildmanipulation dem lomografischen Ausdruck diametral entgegen.
350 Verwoert: Kommt sofort! S. 22.
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Wie die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Medium Sofortbild zeigt, besitzt selbiges eine besondere Eignung für experimentelle fotografische Herangehensweisen. In diesem Zusammenhang wird sich von Fotografenseite signifikant häufig am Objektstatus des Polaroids und somit an dessen materiellen Qualitäten abgearbeitet. Derartige teils gewaltsame Zurichtungen des Filmmaterials erfahren auch unter Lomografen großen Zuspruch. Auffällig ist demnach, dass Instagram und Hipstamatic zwei fotografische Vorbilder adressieren, die besonders auf eine bildimmanente Medienreflexion abzielen. Durch die intentionale Versehrung des Filmmaterials wird die Beschädigung des Bildträgers manifest. Als visueller Effekt der digitalen Bildbearbeitung ist jene Zerstörung des Trägermaterials jedoch zwangsläufig bloße Zitation. In Anlehnung an einen Gedankengang Geimers wird derart zwar die Beschädigung des Bilds vorstellbar, da das mobile digitale Bild, „das diesen Effekt zu denken gibt“ 351, jedoch der zitierten Physis entbehrt, fungiert jene formal suggerierte Bildstörung vielmehr als emblematisches Stilmittel. Bei Grafikfiltern mobiler Mediensoftware handelt es sich um zweckgerichtete Werkzeuge im Dienste der ästhetischen Bildoptimierung, in die Störelemente bereits konzeptionell eingelassen sind. Das Charakteristikum der Störung liegt Geimer zufolge demgegenüber jedoch gerade in der „Abwesenheit von Intention. Intendierte Störungen sind von vorneherein bereits entstört.“ 352 Die kalkulierte Störung ist demnach ein Widerspruch in sich. So vermag die für Hipstamatic kennzeichnende aleatorische Variation die anvisierte ästhetische Autonomie des Bildmediums zwar zu simulieren, dessen ungeachtet existiert sie fraglos nicht. Derartige Zitation von Medienmaterialität eines filmbasierten fotografischen Abzugs steht, wie bereits in Kapitel 4.3.1 dargelegt, im Dienste der Dissimulation des Digitalen. Entgegen der von Manovich vertretenen These einer Fetischisierung des Filmlooks im Kontext des digitalen Bilds, lässt sich mit Buse gerade die umgekehrte Auffassung vertreten: Demzufolge besteht das eigentliche ‚Kunststück‘ jener digital simulierten filmischen Bildästhetik darin, vom eigentlichen Fetisch – den digitalen Möglichkeiten fotorealistischer Bilderzeugung – abzulenken: „Thus the trick […] is to distract us from what is really being festishised – modern digital filmmaking technologies – by the sentimental remembrance of now obsolete forms. In this way we can regard with complacent condescension the derelict technological idols that block our view of our contemporary ones.“ 353
351 Geimer: Bilder aus Versehen, S. 12. 352 Geimer: Was ist kein Bild? S. 326. 353 Buse: Surely Fades Away, S. 17.
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Wie unter Bezugnahme auf Polte dargelegt wurde, ermöglicht das Sofortbild fotografische Skizzen und erfüllt derart eine Entlastungsfunktion. Obgleich die spezifische imperfekte Bildästhetik von Instagram und Hipstamatic kopiert wird, führt dies innerhalb von Social Media jedoch nicht zu einem entspannteren Umgang mit der eigenen Selbstdarstellung. Unmittelbar, spontan und ‚aus dem Leben gegriffen‘ sind die dortigen Bilder nur auf den ersten Blick – zumeist nicht mal das. Dieser beobachteten Diskrepanz zufolge lässt sich dem Rekurs auf die Bildsprache zweier fotografischer Verfahren, die dezidiert im Kontext der Schnappschussfotografie zu verorten sind, auch eine Naturalisierung der Inszenierung unterstellen. Die Farbfotografie ist sowohl für Polaroid als auch für Lomografie kennzeichnend. In beiden Fällen korrespondiert diese jedoch nicht mit dem Seheindruck des menschlichen Auges. Die fehlende Farbtreue steht im Widerspruch zu einer dokumentarischen Bildsprache, eignet sich dafür jedoch umso mehr für sinnbildliche Darstellungen bzw. die Bildgebung von Sentiments – eine Beobachtung, die – wie im nachfolgenden Kapitel noch zu zeigen sein wird – auch im Kontext des mobilen digitalen Bilds Relevanz besitzt.
5
#instamood – Be-Stimmbarkeit als Leitkonzept mobiler ikonischer Kommunikate
Einer Statistik auf der Instagram-Metaseite Webstagram zufolge zählt #instamood zu den 35 populärsten Hashtags innerhalb der Social-MediaAnwendung. 1 Das Hashtag steht in Verbindung mit dem gleichnamigen Instagram-Account @instamood 2, stellt jedoch nicht zwangsläufig einen Verweis auf jenes Profil dar; vielmehr dient #instamood der Typisierung bzw. adäquaten Verschlagwortung wie Verortung von ‚Stimmungsbildern‘: „You’re supposed to use the #instamood hashtag if the photo you’ve taken reflects your mood.“ 3 Da sich jeder Aufnahme eine bestimmte Form von Stimmung zuordnen lässt, ist #instamood potentiell auf sämtliche Bilddateien anwendbar und wird communityintern dementsprechend inflationär und motivisch undifferenziert, zumeist als Floskel bzw. automatisch in Hashtagverbünden mitzitiertes Füllwort, verwendet. Neben Phrasen wie #instagood und #instalikes dient auch #in1
In 184.423.486 Posts verwendet, rangiert es zum Abfragezeitpunkt am 30.06.2017 auf Platz 34. Mittlerweile ist die Rangliste der 100 beliebtesten Hashtags auf Webstagram nicht mehr verfügbar. Vgl. http://websta.me/hot (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Eine hashtagbasierte Suche in Instagram selbst verzeichnet am 01.06.2018 „202.824.239 öffentliche Beiträge“.
2
Unter dem Slogan „Mood & Tone of Everyday Life“ werden hierauf in erster Linie fotografische Naturaufnahmen – gehäuft Fotografien von Sonnenuntergängen, Nahaufnahmen von Pflanzen, insbesondere Blüten, sowie Tieren – veröffentlicht. Vgl. https://www.instagram.com/instamood/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
3
Lancet, Yaara: The Complete Guide to Cryptic Instagram Hashtags No One Understands, http://www.makeuseof.com vom 01.11.2013, http://www.makeuseof.com/tag/ the-complete-guide-to-cryptic-instagram-hashtags-no-one-understands/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
306 | Der Instagram-Effekt
stamood vorrangig dazu, die Reichweite und folglich die Resonanz eines Bilds zu vergrößern. 4 Nimmt man das titelgebende Hashtag beim Wort, impliziert jene Chiffre zugleich multiple Lesarten und somit Bedeutungsvariationen: Erstens eine – wie auch immer konkret geartete – Stimmung, die kennzeichnend für die mobile Mediensoftware und deren Bildpraxis ist; sozusagen die spezifische Insta(gram)mood als Wesensmerkmal. Analog zur eingangs zitierten Definition könnte das Hashtag zweitens auch die momentane Stimmung, die insta(nt) mood, des Nutzers kennzeichnen oder, drittens, auf den vorgefertigten, apparativ in der Funktion Grafikfilter zur sofortigen One-Click-Anwendung bereitliegenden Stimmungseffekt, quasi den insta(nt) mood (filter), abzielen. Dass alle drei Bedeutungsebenen passend sind, wird nachfolgend anhand eines Internetbilds beschrieben, das sich auf knowyourmeme.com im dort angelegten Bildpool zu Instagram finden lässt (vgl. Abb. 17).
Abbildung 17: Künstlerische Interpretation des „Instagram-Prinzips“ – Grafikfilter als affektive Marker.
4
Vgl. hierzu bspw. Kobilke, Kristina: Das muss man über Hashtags bei Instagram wissen, http://www.gruenderszene.de vom 15.05.2015, http://www.gruenderszene.de/all gemein/instagram-hashtags-buch (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
#instamood – Be-Stimmbarkeit als Leitkonzept | 307
Bei der schwarzweiß gehaltenen, reduzierten Strichzeichnung handelt es sich um eine stilisierte Darstellung des Bildbearbeitungsmenüs von Instagram. Zum Zwecke der Bildaussage wurde das tatsächliche Interfacelayout des betreffenden Menübildschirms leicht abgewandelt, so dass alle verfügbaren Filter unmittelbar auf jener Startseite sichtbar sind. Die quadratische Rahmenlinie demarkiert die zu bearbeitende Aufnahme: Deren Inhalt liegt jedoch nicht als Bild vor, sondern wird vielmehr verbal als „my current situation“ beschrieben. Jene aktuelle Lagebestimmung des antizipierten Instagram-Nutzers ist demnach ganz offensichtlich motivindifferent. Für die Intention des Zeichners ist somit weder entscheidend, um welche Situation es sich konkret handelt, noch wie diese bildlich umgesetzt wird; von Relevanz ist einzig die gegenwärtige Gültigkeit der Selbstaussage. Als deren Platzhalter fungiert der formatfüllend zentriert gesetzte handschriftliche Text. Durch die Applikation einer weiteren Bedeutungsebene ermöglichen die zweizeilig unterhalb des eigentlichen Bilds aufgereihten Effektfilter eine nähere Charakterisierung jener dargestellten bzw. in den Bildrahmen gesetzten temporären Subjektposition. In der gewählten künstlerischen Interpretation des Bildbearbeitungsprinzips von Instagram handelt es sich bei sämtlichen Filternamen um Adjektive, welche die Gemütsverfassung des kommunizierenden Subjekts genauer beschreiben: I am – im Geiste addiert – silly, dramatic, horny, envious, deeply contemplative usw. – oder auf die sprachliche Formel gebracht: „I am […] now.“ Die Lücke lässt sich je nach Gusto mit einem der softwareseitig bereitgestellten prädikativen Adjektive füllen. Hierdurch ändert sich die inhaltliche Aussage des Satzes und, übertragen auf die eigentlich von Instagram verarbeiteten bildbasierten Mediendateien, folglich die Bildbedeutung. Gemäß der beschriebenen künstlerischen Auslegung der Programmlogik ist in jedem Filtereffekt ein ‚Stimmungsbegriff‘ codiert. Die Auswahl des situativ zutreffenden Grafikfilters dient demnach als Instrument, um die subjektivgefühlsmäßige, aktuelle Situation näher zu charakterisieren. Ergo besteht die Aussagefunktion nicht in einer Standortbestimmung der äußeren Realität – diese Funktion erfüllt das Geotagging – vielmehr ist die qua Grafikfilter bildsprachlich zu spezifizierende Lage eine innerliche. Nie zuvor versprach ikonische Artikulation mehr Spontaneität und Unmittelbarkeit als in der Fusion von Social Media und internetfähigem Mobilgerät, basiert deren temporale Logik infolge maximaler mobiler Internetnutzung doch gerade auf Echtzeitlichkeit. Speziell im Kontext von Instagram beziehen Bilder ihre Relevanz vorrangig aus ihrer Aktualität bzw. unmittelbaren Teilhabe. In Kombination mit der integrierten Kamera bieten Smartphones erstmalig die Möglichkeit
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einer instantanen ikonischen Kommunikation über räumliche Grenzen hinweg. Im Kontext zeitgenössischer mobiler digitaler Bildproduktion wandelt sich das von Roland Barthes formulierte Noema der Fotografie „Es-ist-so-gewesen“ 5 laut Ullrich zu einer situativen Ich-Botschaft mit stark begrenzter Halbwertszeit, einer im Präsens formulierten subjektiven Aussage: Es-ist-bei-mir-gerade-so 6 . Seinen Wahrheitsanspruch beziehe das mobile digitale Bild demzufolge aus seinem Status als Live-Erlebnis. 7 Jene Gegenwärtigkeit der Aufnahme, die auf der Annahme einer nahtlos anschließenden Veröffentlichung basiert und mithin an die „Ideologie der Realzeit-Verfügbarkeit von Internetmedien“ 8 andockt, dient somit als deren authentifizierendes Signum. Dass Instagram in der kollektiven Vorstellung mit unverzüglicher ikonischer Kommunikation assoziiert wird, lässt sich auch an den Konventionen im Bereich des social tagging ablesen: So sind Mediendateien, die nicht unmittelbar nach ihrer Aufnahme in das kontinuierlich wachsende Bildarchiv von Instagram eingespeist werden, sprachlich als solche zu kennzeichnen. Signifikanten zeitlicher Asynchronizität sind hierbei Hashtags wie #latergram oder #throwbackthursday; usergenerierte Schlagwörter, deren etablierte Verwendung innerhalb der Online-Community bereits indiziert, dass jedwede Nachträglichkeit, jedes post festum veröffentlichte Dokument eine Abweichung von der Norm, d.h. von der kollektiv gängigen Bildpraxis darstellt und folglich als solche zu deklarieren ist. 9 Die allenthalben proklamierte und derart normative Instant-Kommunikation steigert den Authentizitäts-(ein-)druck der Bilder und lässt fotografische Aufnahmen erwarten, die durch ihre vorgeblich unmittelbare Veröffentlichung wie ‚aus dem Leben gegriffene‘ Realien erscheinen. Irritiert wird jener Authentizitätstopos jedoch durch die stark stilisierte Bildsprache der fotografischen (Selbst-) Darstellungen auf Instagram, vermittels welcher die softwaregestützte grafische Nachbearbeitung offenkundig zutage tritt. Hierdurch scheint jedoch weder die Glaubwürdigkeit der Aufnahmen, geschweige denn deren Suggestivkraft nennenswert Schaden zu nehmen. Authentizität beziehen die Bilder folglich nicht aus ihrem dokumentarischen Charakter, sondern, mit Ullrich übereinstimmend, 5
Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie, Frankfurt a.M. 1985, S. 87.
6
„‚Es-ist-gerade-So[sic!]‘“ im Original. Ullrich: Die Rückkehr der Aura in der HandyFotografie, o.S; Herv. i.O.
7
Vgl. a.a.O.
8
Becker, Ilka: Fotografische Atmosphären. Rhetoriken des Unbestimmten in der zeitgenössischen Kunst, München 2010, S. 105.
9
Der Absatz wurde in Teilen dem folgenden Aufsatz entnommen: Gunkel/Richard: Feiern bis das Bild kommt.
#instamood – Be-Stimmbarkeit als Leitkonzept | 309
aus ihrem „emotionale[n] Erlebniswert“ 10. Die Bildbearbeitung diene, so Ullrich weiter, daher primär dazu, den „akut richtigen Stimmungswert[ ]“ 11 hervorzuheben bzw. diesen bisweilen gar unter Berücksichtigung der anvisierten Adressaten individuell zu gestalten. Indem eine bestimmte Kombination aus schablonierten Stilelementen – im Fall von Instagram namentlich Farbe, Gradation und Struktureffekte (vgl. Kap. 3.3.1) – im jeweiligen Grafikfilter zur Anwendung bereitsteht, erfüllt dieses semiotische Konglomerat, Ullrichs Argumentation gemäß, den Zweck einer atmosphärischen Intensivierung der fotografischen Botschaft: Dem Sujet könne „im Moment des Fotografierens […] die gegenwärtige eigene Stimmung [aufgepfropft werden].“ 12 Sprachliche Wendungen wie ‚Weltanschauung‘ oder ‚Färbung des Gemütszustandes‘ bedienen sich zur Beschreibung von Effekten sowie Wirkweisen der Stimmung gehäuft optischer Metaphern, insbesondere aus dem Bereich der Farbwahrnehmung. Jener Nexus zwischen dem Polysem Stimmung und dem ästhetischen Phänomen Farbe ist im alltäglichen Sprachgebrauch fest verankert. 13 Als wahrnehmungspsychologische Variable verstanden, wird Stimmung daher vornehmlich durch das Stilmittel Farbe bedingt bzw. sinnbildlich repräsentiert. 14 10 Ullrich: Die Rückkehr der Aura in der Handy-Fotografie, o.S. 11 A.a.O. 12 A.a.O. 13 Vgl. Welsch/Liebmann: Farben, S. 3. 14 Als wegweisend für das Interesse am optischen Phänomen Farbe als Sinneswahrnehmung gilt Johann Wolfgang von Goethes 1810 veröffentlichte Abhandlung Zur Farbenlehre. Goethes Motivation für die Anfertigung dieses umfassenden Kompendiums sind seine Untersuchungen des subjektiven Farbempfindens. Triadisch aufgebaut liegt der inhaltliche Schwerpunkt auf dem „didaktischen Teil“, der unter anderem Goethes Vorstellungen von der „sinnlich-sittlichen Wirkung“ der Farbe beinhaltet: „Die Erfahrung lehrt uns, daß die einzelnen Farben besondre Gemütsstimmungen geben.“ Goethe, Johann Wolfgang von: Didaktischer Teil, in: Manfred Wetzel (Hg.): Zur Farbenlehre. Das gesamte Hauptwerk von 1810, Frankfurt a.M. 1991, S. 21-294, hier S. 248, Nr. 762. Goethe schreibt „Gelb, Rotgelb (Orange), Gelbrot (Mannig, Zinnober)“ eine positive psychische Wirkung zu, da die Farben das Gemüt „regsam, lebhaft, strebend“ stimmten. Ebd., Nr. 764. Negative Effekte provozierten demgegenüber „Blau, Rotblau und Blaurot. Sie stimmen zu einer unruhigen, weichen und sehnenden Empfindung“. Ebd., S. 252, Nr. 777. Goethe formulierte derart erstmalig die Idee von Farbe als primär gefühlsbezogen. Demzufolge geht der Konnex von Farbe und Emotion, d.h. das Interesse an der psychophysiologischen Wirkungsästhetik der Farbe, auf seine Farbtheorie zurück. Diese bedient sich der Stimmung als subjektbezogene, den Cha-
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Dementsprechend mag es kaum verwundern, dass Farbe sowohl für die Funktion Grafikfilter in Instagram als auch für die in Hipstamatic formalisierten visuellen Effekte als wesentliche gestaltende Komponente gelten kann. Wie die Analyseergebnisse eindrücklich zeigen, erfährt die Farbigkeit des Ausgangsbilds durch Anwendung eines Filtereffekts in jedem Fall eine Modulation, selbst wenn die zwei weiteren zentralen Gestaltungselemente, Vignettierung und Oberflächenstrukturierung, nicht zum Tragen kommen (vgl. Kap. 3.3). Denkt man die vorangehenden Ausführungen mit jener Beobachtung zusammen, lässt dies erstens die Schlussfolgerung zu, dass Stimmung – verstanden als subjektbezogene, durch Ich-Qualität gekennzeichnete ästhetische Größe 15 – im Fall von Instagram in der Funktion Grafikfilter codiert ist. 16 Da Farbe als dessen rakter grundlegend formende und determinierende Kategorie. Vgl. hierzu Leeuwen, Theo van: The Language of Colour. An Introduction, New York [u.a.] 2011, S. 22 f. sowie Gage, John: Kulturgeschichte der Farbe. Von der Antike bis zur Gegenwart, Ravensburg 1994, S. 201. 15 Diese Minimaldefinition bezieht sich auf eine von zwei grundlegend verschiedenen Sinndimensionen, die David Wellbery zufolge simultan Bestandteil des Stimmungsbegriffs sind: besagte subjektbezogene sowie eine subjektunabhängige Seite. Gemäß Wellbery unterminiert jene semantische Offenheit eine eindeutige Klassifikation entlang binärer Kategorien wie innen/außen oder Subjekt/Objekt. Obgleich die Begriffsgeschichte der Stimmung selbst innerhalb der wenig differenzierten Ästhetischen Theorie durch heterogene Sinnzuschreibungen und Bedeutungswandel geprägt sei, ließen sich im Phänomenbereich des Stimmungsbegriffs dennoch drei distinkte Verwendungszusammenhänge – namentlich „Ichbezug, Integrationspotential [sowie ihre; K.G.] kommunikative Wirksamkeit“ – identifizieren. Alle drei weisen „einen präreflexiven Charakter“ auf, d.h. „[d]ie jeweilige Leistung der Stimmung vollzieht sich vorthematisch.“ Wellbery, David E.: Stimmung, in: Karlheinz Barck/Friedrich Wolfzettel (Hg.): Postmoderne – Synästhesie (= Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Band 5), Stuttgart [u.a.] 2010, S. 703-733, hier S. 705. Vgl. hierzu auch Gisbertz, Anna-Katharina: Wiederkehr der Stimmung? in: Dies. (Hg.): Stimmung. Zur Wiederkehr einer ästhetischen Kategorie, München 2011, S. 713 sowie Wetz, Franz Josef: Stimmung, in: Joachim Ritter/Karlfried Gründer/Gottfried Gabriel (Hg.): St – T (= Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 10), Basel 1998, S. 173-176. 16 Bezüglich Hipstamatic verhält es sich etwas anders, da der endgültige visuelle Effekt aus der funktionalen Trias Linse – Film – Blitz und den jeweils hierin verbauten Grafikelementen resultiert. Die finale bildverändernde Matrize ergibt sich folglich erst im Zuge einer nutzerseitig definierten Kombinatorik und liegt demnach nicht a priori als Schablone zur Anwendung bereit.
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zentrales Gestaltungselement fungiert, kann die mittels Anwendung eines präfigurierten Effektfilters realisierte Farbtönung der Aufnahme als zentrales Ausdrucksmittel gelten. Die Postproduktion in Instagram fokussiert folglich hauptsächlich jenen Prozess der Umfärbung, welcher – in Übereinstimmung mit Ullrich – die fotografische Botschaft mit dem augenblicklich adäquaten Stimmungston versieht. 17 Auf exakt dieser Beobachtung basiert die nachfolgende Hypothese, welche dem vorliegenden Kapitel gleichsam als Ausgangspunkt dient: In Korrespondenz mit der beschriebenen, auf Konfigurierbarkeit wie Modularität basierenden Logik des (mobilen) digitalen Bilds gründet dessen Dokumentwert nicht auf einer dokumentarisch-objektiven fotografischen Repräsentation der Lebenswelt, sondern auf der echtzeitlichen Kommunikation von individuellen Sinnbildern, die das selbstkommunizierende Subjekt zentrieren.
5.1 FARBE ALS SEMIOTISCHE RESSOURCE UND ZENTRALES ELEMENT BILDHAFTER (SELBST-)KOMMUNIKATION Das im Folgenden vorgestellte Kunstprojekt #reallifeinstagram des brasilianischen Designers Bruno Ribeiro untermauert nochmals die Relevanz der Farbtönung für die Wiedererkennbarkeit der instagramesken Bildästhetik. Der Titel weist bereits auf das zugrunde liegende Konzept, die Übersetzung der mobilen Mediensoftware in den Realraum, hin. Konkret geschieht dies in Form von Installationen, die in London, Tokyo und anderen Metropolen realisiert werden. Auf Augenhöhe im Hochformat werden hierzu an Straßenlaternen, Bauzäunen und anderen im Stadtraum vorgefundenen Objekten große Schilder aus weiß gestrichener Pappe befestigt (vgl. Abb. 18). Etwas oberhalb der Mitte befindet sich eine quadratische, in der Breite nahezu formatfüllende Aussparung, in die eine semitransparente Farbfolie eingepasst ist; selbige materialisiert wortwörtlich die stilistische Essenz des Instagram-Looks. Über wie unterhalb dieser gerahmten Folie platziert Ribeiro Grafikelemente, die das Instagram-spezifische Interfacedesign und dessen Layout unverkennbar nachbilden. 18 Die Fensterung des Kar17 Vgl. Ullrich: Die Rückkehr der Aura in der Handy-Fotografie, o.S. Ilka Becker weist ebenfalls darauf hin, dass es sich bei Farbtönung um ein integrales Element bzw. „eine zentrale Eigenschaft […] atmosphärischer Zeichenumgebung“ handelt. Becker: Fotografische Atmosphären, S. 97. 18 Das kreisförmige Selbstportrait nebst Usernamen, in seinem Fall das Alias nitchows, ein Geotag, das in #reallifeinstagram mit der Position der jeweiligen Folie im Stadt-
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tons ermöglicht die Durchsicht auf eine nunmehr farbig getönte und derart homogenisierte Umgebung. Das offene Fenster, als welches Ribeiro das Prinzip Instagram inszeniert, prüft das im Ausschnitt sichtbare Motiv nicht bloß auf seine fotogenen Qualitäten und folglich bildliche Eignung, sondern führt sogleich eine Wahrnehmungsveränderung herbei. Konkret fungiert die Farbfolie als künstlerisches Gestaltungselement der Realitätswahrnehmung. Im übertragenen Sinne und mit Hinblick auf die Bedeutung der Fenstermetapher (fenestra aperta) von Leon Battista Alberti für die visuelle Wahrnehmung wie pikturale Darstellung der Wirklichkeit versinnbildlicht sie zugleich den spezifischen geistigen Hintergrund, aus dem sie hervorgegangen ist. 19
Abbildung 18: Bruno Ribeiro, #reallifeinstagram, Shibuya, Tokio, November 2014.
Mithilfe einer Längsschnittbetrachtung von Instagram lässt sich die Konstanz und demzufolge ungebrochene, gar akzentuierte Relevanz von Farbe als zentrales gestalterisches Mittel mobiler Bildbearbeitung sowohl mit Blick auf die zuraum korrespondiert, sowie Likes und Hashtags – Funktionen, welche durch die Überführung ins Materielle ihre Funktionalität einbüßen. 19 Vgl. Kümmerling, Franziska: Bildmetaphern des Sehens, in: Stephan Günzel/Dieter Mersch (Hg.): Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart 2014, S. 32-39, hier S. 33 f. sowie Kittler: Optische Medien, S. 70 f.
#instamood – Be-Stimmbarkeit als Leitkonzept | 313
nehmend elaborierte Bildpraxis professioneller Nutzer als auch hinsichtlich der medienstrukturellen Veränderungen, insbesondere der softwareseitig angebotenen Bildbearbeitungsmöglichkeiten und des hierin implementierten Bildprogramms, belegen. Beide Aspekte greifen dabei fraglos ineinander und beeinflussen sich dementsprechend wechselseitig (vgl. Kap. 3.3.3). Aus praxeologischer Perspektive kann zum einen festgehalten werden, dass Instagram-Nutzer mit zunehmender Routine in der Verwendung des mobilen Bildmediums auf den Gebrauch der optional angebotenen Bildrahmen verzichten. 20 Zum anderen findet eine Abkehr von stark stilisierten Filtereffekten, welche sich mimetisch an vorgängige Medientechnologien und deren Stofflichkeit anlehnen, statt. Ein derart übersteigert-artifizieller ‚Retro-Look‘ spielt in der Bildsprache augenscheinlich kaum mehr eine Rolle (vgl. Kap. 3.2.3). Vielmehr haben sich jener ursprüngliche instagrameske Bildstil und die hieraus resultierende ästhetische Uniformität der Bilder, deren Stilelemente vor allem für die verwendete App charakteristisch waren, über die Zeit immer weiter ausdifferenziert. Der Programmstil der Anfänge ist, so die These, einem Individualstil gewichen: Insbesondere professionelle Instagram-Nutzer, die innerhalb der SocialMedia-Anwendung ökonomische Interessen verfolgen, versuchen einen signature look für ihre Bilder zu kreieren, um im besten Fall optische Wiedererkennbarkeit über eine konstante wie signifikante Bildsprache zu gewährleisten. Als bedeutsame zeitgenössische Werbefiguren wie -träger sind speziell Blogger bzw. ‚Influencer‘ allein schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Profis im Bereich medialer Selbstinszenierung und distinguierter Mediennutzung. 21 Deshalb kann die ihrerseits etablierte Bildpraxis wie -sprache als richtungsweisend für eine finanziell verwertbare Mainstreamästhetik eingestuft werden. Innerhalb einer „Ökonomie der Sichtbarkeit“ 22 dienen consistency filter der visuellen Selbstcharakterisierung wie Distinktion gleichermaßen, gilt es doch, sich von der einförmigen ästhetischen Sauce des Feeds abzuheben bzw. aus dieser prägnant herauszustechen, um derart bestenfalls das kontinuierliche Scrolling nicht bloß zu ver-
20 Wie anhand der Analyse von Interfacedesign und Medienstruktur dargelegt, lässt sich das plurale Bildensemble des Profiltableaus als kohärentes Identitätsnarrativ einer Person lesen (vgl. Kap. 3.2.3). Mit Zunahme medienspezifischer Bildkompetenz besteht jene Kohärenz nicht nur nominell, sondern wird insbesondere formal aktiv mittels einer veinheitlichenden Gestaltung der gerasterten pluralen Bildform erzeugt. 21 Ihr ökonomisches Kapital bemisst sich an ihrer Reichweite im social web, das wiederum die Haupteinnahmequelle darstellt. 22 Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a.M. 1994, S. 241.
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langsamen, sondern zugunsten einer eingehenderen Betrachtung des Einzelbilds zu unterbrechen. Abbildung 19: Screenshot von Jenny Mustards YouTube-Tutorial zum Thema mobile Bildbearbeitung und Gestaltung ihres Instagram-Feeds.
Konsistenz gilt im Kontext des Social-Media-Marketing als zentrale Ingredienz eines erfolgreichen Firmen-, Marken-, Produkt- oder Personenauftritts. Hierbei spielt auch die Wahl der Bildbearbeitung eine entscheidende Rolle. Neben anderen Faktoren, wie beispielsweise ritualisierten Abläufen, empfehlen Werbestrategen unisono die Beibehaltung eines Farbschemas, um Wiedererkennbarkeit zu gewährleisten und das Gefühl von Wertbeständigkeit zu suggerieren. 23 Grafikfilter in Instagram stellen hierbei ein stark vereinfachtes und daher maximal benutzerfreundliches Hilfsmittel zur formal-ästhetischen Integration des Einzelbilds in das plurale Bildensemble der Profilansicht zur Verfügung. Durch ein Set gleichbleibender stilistischer (Bildbearbeitungs-)Parameter werden die Einzelbilder zu
23 Vgl. hierzu bspw. Craftsposure: A Guide to Crafting a Beautiful Instagram Feed, https://www.craftsposure.com, o.D., https://www.craftsposure.com/blog/crafting-a-be autiful-instagram-feed oder Lui, Lesya: How to Craft a Strong Instagram Branding, https://lesyalui.com, o.D., https://lesyaliu.com/craft-strong-instagram-branding/. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018.
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einem konsistenten ‚atmosphärischen Ganzen‘ 24 , der visuellen Selbstinszenierung, vereinigt. Persönlichkeit wird zunehmend über Farbschemata transportiert und der Aufnahme – um in der Photoshop-Metaphorik zu bleiben – in Form einer zusätzlichen Bildebene, dem eigens abgemischten Kolorit, appliziert. Die Art und Weise der Medienverwendung, vor allem jedoch die individuelle Bildbearbeitung, dient folglich indirekt der Artikulation von Identität, die im Kontext von Social Media selbst warenförmig zugerichtet wird. 25 Die schwedischstämmige Bloggerin Jenny Mustard legt auf Nachfrage ihrer Follower per YouTube-Video (vgl. Abb. 19) die einzelnen Arbeitsschritte ihres mobilen Bildbearbeitungsworkflows 26 sowie ihre konzeptuellen Erwägungen bei der Gestaltung ihrer cleanen, farblich reduzierten Bildsprache offen: „[…] how i manage my minimalist theme – with mostly black, white, and greys, a cool tone and without cluttering my feed.“ 27 Direkt zu Beginn des Videos weist Mustard auf das anvisierte Darstellungsziel, eine möglichst große stilistische Kohäsion des eigenen Profiltableaus hin – „the most cohesive it [the theme; K.G.] is, the better.“ 28 Im Mittelpunkt des gestalterischen Interesses steht die Entwicklung einer eigenen, bestenfalls unverkennbaren Bildsprache, welche aufgrund ihrer Kohärenz wie Konsistenz – „be consistent“ 29 – in der Lage ist, als signature look ihrer Urheberin zu fungieren.
24 Laut Wellbery befasst sich der zweite Diskursstrang des Stimmungsbegriffs innerhalb der Ästhetischen Theorie mit Atmosphären der äußeren Umgebung. Das Zusammenspiel verschiedenster, als ‚stimmig‘ empfundener Elemente generiere demzufolge eine kohärent erlebte Stimmungskomplexion. In diesem Sinne erfülle „Stimmung gegenüber den Gegenständen und ihren Eigenschaften eine integrative Funktion, vereinigt sie zu einer in sich geschlossenen Ganzheit, ohne daß sich Regeln für diese Zusammenfügung angeben ließen.“ Wellbery: Stimmung, S. 705. 25 Blogger sowie ‚Influencer‘ stehen hierbei prototypisch für zeitgenössische Selbstökonomisierung, geht es doch darum, das auf Basis der eigenen Person geschaffene Image bestenfalls als lukrative Marke zu etablieren. 26 Neben der Bildbearbeitungsfunktion von Instagram verwendet sie laut Eigenaussage zusätzlich die Apps Facetune und VSCO. 27 HOW I EDIT MY PHOTOS + MY MINIMAL WHITE THEME (2016, Jenny Mustard), 6:46 min., https://www.youtube.com vom 19.05.2016, https://www.youtube.com/ watch?v=y1TibvXgR34. Textzitat aus dem Begleittext in der Infobox (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 28 Ebd., 0:42 min. 29 Ebd., 0:53 min.
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Tableau 35: (1) Screenshot der ersten vier Suchergebnisse zur Freitexteingabe „instagram theme“ auf YouTube (sortiert nach Relevanz); (2) „VSCO filter hacks“ via Pinterest.
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Tableau 36: Ausschnitte aus den Bildtableaus der Instagram-Profile von (1) @love_aesthetics, (2) @mija_mija und (3) @fabianhart. Farbschemata extrahiert mit Adobe Color CC – Version 1.3.0, Voreinstellung „Farbig“.
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Sowohl die Bildnachbearbeitung als auch die Gestaltung bzw. formal-ästhetische wie inhaltliche Leitmotiventwicklung des profileigenen Bildensembles – theme genannt – sind gefragter Betreff von Videotutorials. Unter instagram edit und instagram theme haben sich auf YouTube in den letzten Jahren eigenständige Genres entwickelt, die laut Ergebnisanzeige jeweils bereits Uploads im zweistelligen Millionenbereich umfassen (vgl. Tab. 35, 1). Neben dem Bewegtbildformat des Erklärvideos auf YouTube existiert auch unter Pinterest-Nutzern ein reger Austausch über mobile Bildstile. Jene überwiegend unter Verwendung von VSCO 30 erstellten customized presets werden zumeist streng schematisch mithilfe von vier im Hintergrund platzierten Vorschaubildern visualisiert (vgl. Tab. 35, 2). Im Bemühen um eine signifikante Bildsprache fallen die Farbschemata einzelner Blogger bzw. ‚Influencer‘ auffallend unterschiedlich aus: Während der gewählte Ausschnitt aus dem Profiltableau von @love_aesthetics von weiß dominiert wird und ausschließlich unbunte Farbwerte umfasst (vgl. Tab. 36, 1), nimmt das – ebenfalls weitgehend achromatische – Farbschema von @mija_mija verschiedene Helligkeitsabstufungen eines orangenen Farbtons hinzu (vgl. Tab 36, 2). Das entsprechende Farbprofil des Fragmentes aus dem Profiltableau von @fabianhart verzichtet demgegenüber komplett auf eine signifikante Verwendung von Reinweiß (vgl. Tab. 36, 3). Charakteristisch für den gewählten Ausschnitt seines Tableaus sind Pastelltöne; unter diesen stechen Cremebeige und Puderrosa, das sogenannte ‚Millenial Pink‘ 31, besonders hervor. In Abhängigkeit zur Nutzungsdauer und der hierdurch zunehmenden Souveränität im Umgang mit mobiler Bildproduktion macht sich folglich eine steigen30 Wie Instagram ist auch das 2011 erstveröffentlichte VSCO ein mobiler Softwarehybrid mit Kamera- sowie Bildbearbeitungsfunktion und einer angeschlossenen Community. VSCO bietet ebenfalls teils kostenpflichtige Grafikfilter zur Bildbearbeitung an, mit diesen lassen sich differenziertere und weit weniger ‚dramatische‘ Stilisierungseffekte erzielen. Ursprünglich für professionelle Fotografen und Grafikdesigner konzipiert sind Qualität wie Originalität Gütekriterien zur Beurteilung einer Aufnahme. So unterliegt die kuratierte Zusammenstellung communityintern veröffentlichter Fotografien im sogenannten VSCO grid beispielsweise nicht etwa einer algorithmischen Selektion anhand aufmerksamkeitsökonomischer Parameter, sondern wird durch ein fotografisch geschultes Team an Mitarbeitern vorgenommen. Vgl. Marikar, Sheila: VSCO Cam. Filtered Photos, No Emojis Allowed, https://www.nytimes.com/ vom 20.02.2015, https://www.nytimes.com/2015/02/20/fashion/vsco-cam-filtered-photosno-emojis-allowed.html?_r=0 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 31 Vgl. hierzu Kohout, Annekathrin: Clean-Pop als ‚SafeSpace‘ der Mode, in: POP. Kultur und Kritik (#6) 2 (2017), S. 10-14.
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de Individualisierungstendenz bemerkbar. Bezogen auf die Ich-Bildung qua Apps (vgl. Kap. 2.3), dient die mobile digitale Bilddatei nunmehr als sprichwörtliches Containerformat für eine im Idealfall einmalige und in ihrer Originalität wiedererkennbare Bildsprache. Diese ist zu einem wesentlichen Teil durch die individuelle Kombination vorgefertigter, standardisierter und apparativ verfügbarer Effektschablonen, die derart selbst Warencharakter besitzen, gekennzeichnet. Obgleich weitaus weniger offensichtlich ist das aus jenem spezifischen Workflow hervorgegangene Bild dadurch ebenfalls ein aus warenförmigen Filtereffekten zusammengesetztes Zeichenensemble im Dienste der persönlichen Distinktion. 32 Ablesbar wird diese Trendentwicklung beispielsweise am Werbeslogan der mobilen Mediensoftware Mextures 33. Wie anhand der Werbetexte von Hipstamatic und Instagram herausgearbeitet (vgl. Kap. 3.1.1), galt Schönheit dem initialen Werbespruch von Mextures – „Never has beautiful been so easy“ – ebenfalls als schlagendes Verkaufsargument (vgl. Tab. 37, 1). Mit unique verschiebt sich der Fokus der werbeträchtigen Losung von der bereits beschriebenen Instant-Ästhetisierung zu einer softwaregestützten, ‚beispiellos einfachen‘ Individualisierung (vgl. Tab. 37, 2) – „[…] create something unique.“ 34 Tableau 37: Startbildschirm der offiziellen Homepage der App „Mextures“, Screenshots vom (1) 09.02.2015 und (2) 25.09.2017.
32 Vgl. Habermas: Geliebte Objekte, S. 190. 33 Der Neologismus aus den englischen Begriffen mix und textures deutet bereits auf die zentrale Funktion der App hin: Ursprünglich als reine „texture overlay app“ konzipiert wurde Mextures mit der am 09.04.2014 veröffentlichten Version 2.0 zu einem vollwertigen Bildbearbeitungsprogramm weiterentwickelt. Das Kernprinzip der App basiert jedoch weiterhin auf der Suggestion verschiedenster Medienmaterialitäten des chemo-physikalischen fotografischen Abzugs. Vgl. https://www.mextures.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 34 Ebd., o.S.
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Mobile Kamera-Apps liefern demzufolge konfektioniertes, semiotisches Rohmaterial zur Gestaltung eines personalisierten Bedeutungskomplexes. Ensemblebildung dieser Art ist Schwer zufolge charakteristisches Merkmal der Identitätsarbeit innerhalb einer stark ausdifferenzierten Konsumkultur. 35 Neben jenen beobachtbaren Veränderungen in der Bildpraxis wird diezunehmende Fokussierung des Stilmittels Farbtönung auch mit Blick auf die Weiterentwicklung der Grafikfilter-Palette deutlich. In Version 7.3.0 wurden die bereits bekannten 19 Presets um acht weitere ergänzt (vgl. Abb. 20). Fünf davon verändern lediglich den Farbton des Ausgangsbilds und dies auch nur minimal. Wie die mit Adobe Color CC 36extrahierten Farbschemata der einzelnen Grafikfilter veranschaulichen, führen die verbleibenden drei – Slumber (#4), Ludwig (#6) und Perpetua (#8) – zwar eine Auffächerung der Tonwerte herbei; deren Effekt fällt bei den beiden erstgenannten jedoch so dezent aus, dass er sich mit bloßem Auge kaum wahrnehmen lässt (vgl. Abb. 21). Aufgrund eines deutlich sichtbaren horizontalen Farbverlaufs – von einem graustichigen Cyan in der oberen Bildhälfte zu Graugelb in der unteren – springt aus diesen acht Effektschablonen einzig Perpetua heraus. Zusammengefasst lässt sich über den gesamten Forschungszeitraum eine zunehmende Konzentration auf die Farbigkeit des Bilds bei gleichzeitiger Abkehr von optischen Struktureffekten beobachten; und das sowohl auf Seiten der user35 Vgl. Schwer: Produktsprachen, S. 155. 36 Unter Zuhilfenahme der mobilen, vormals Adobe Kuler genannten Anwendung Adobe Color CC lassen sich entweder aus zuvor aufgenommenen Rastergrafiken oder aus in der Liveview erfassten Szenarien dynamisch Farbkombinationen extrahieren. Die derart isolierten abstrakten Farbschemata dienen im Anschluss üblicherweise als Grundlagen für weitere Layout- bzw. Designarbeiten. Vgl. https://www.adobe.com/mt/ products/color.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Um das signifikante Farbthema des jeweiligen Grafikfilters zu erhalten, wurden die einzelnen Testbilder, welche aus Anwendung der Grafikfilter (Instagram – Version 7.3.0) auf Referenzbild III resultieren (vgl. Abb. 20), nacheinander in die kostenlose App Adobe Color CC – Version 1.1 importiert. Ein mithilfe von Adobe Color CC generiertes Farbprofil ist auf insgesamt fünf diskrete Farbwerte beschränkt. Weiß umrandete Kreise markieren die Bildstellen, an denen die Farbinformationen entnommen wurden. Jene fünf Farbwerte, die schlussendlich Eingang in das Farbschema finden, lassen sich nach verschiedenen Kriterien definieren: Farbig, Hell, Stumm, Tief, Dunkel und Benutzerdefiniert. Zur Weiterarbeit wird nachfolgend die Voreinstellung Farbig verwendet, da diese die fünf Farbwerte nach größtmöglicher Differenz auswählt; auf solche Weise lässt sich folglich das am breitesten gefächerte Farbspektrum erzielen.
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generierten Inhalte als auch im Hinblick auf die Softwareentwicklung. Gestaltung und Rezeption von Instagram befinden sich in einem Prozess kontinuierlicher Wechselwirkung – ein zirkulärer Ansatz, der sich mit der heutigen Konsumrealität aktiver Verbraucher – Stichwort prosumer – deckt. 37 Durch Rekurs auf vorgängige Medienformate und deren -ästhetik verleihen Bildrahmen, Vignettierung und Oberflächenstrukturierung dem mobilen digitalen Bild eine haptische wie historische Qualität. Die Relevanz jener formalen Suggestionsmittel eines vorgängigen technischen Mediums wie Realobjekts verhält sich umgekehrt proportional zur Dauer der Mediennutzung. Je etablierter eine Medientechnologie, d.h. je erfahrener die Nutzer im Umgang mit selbiger werden, desto weniger besteht die Notwendigkeit, bereits Bekanntes im Interface- bzw. Programmdesign mimetisch nachzubilden. Aus diesem Grund nimmt der Abstraktionsgrad der bildlichen Metaphorik deutlich zu. 38 Des Weiteren konnte die Analyse der referenzierten vorgängigen Medientechnologien Lomografie und Polaroid zeigen, dass deren jeweils spezifische Bildsprachen eine auffällige Gemeinsamkeit teilen, rücken beide doch bewusst von einem fotorealistischen Darstellungsideal ab. Die temperaturabhängigen, mitunter verzerrten Farbwerte des Sofortbilds sowie die mittels cross processing und anderer fotochemischer Experimente intensivierte Hyperfarbigkeit des lomografischen Bilds lassen sich nicht mit einem dokumentarischen Bildstil zur Deckung bringen; ihnen ist somit weniger eine Abbild-, denn eine Sinnbildfunktion eigen.
37 Vgl. Schwer: Produktsprachen, S. 217. Zur Begriffsprägung prosumer vgl. Toffler, Alvin: The Third Wave, London [u.a.] 1980, S. 11. 38 Vgl. hierzu auch die u.a. in Kapitel 3.1.3 skizzierte Trendwende in der visuellen Gestaltung grafischer Benutzeroberflächen und deren Elemente weg vom skeuomorphistischen Designstil hin zu einer abstrakten Bildsprache, die maßgeblich über zweidimensionale Farbflächen arbeitet.
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Abbildung 20: Übersicht der in Instagram – Version 7.3.0 verfügbaren Grafikfilter. Sämtliche hellgrau unterlegten Filtereffekte existierten bereits in Version 3.4.1.
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Abbildung 21: Farbschema der einzelnen Grafikfilter in Instagram – Version 7.3.0; extrahiert aus den Testbildern (vgl. Abb. 20).
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5.2 KOLORIT ALS APPARATIVES READYMADE Indem sie das Ausgangsbild mit einer spezifischen semitransparenten Farbtönung 39 versehen, manipulieren die untersuchten Grafikfilter insbesondere dessen Farbgebung und verändern auf diese Weise die Bildwirkung. Diese Einfärbung verleiht der derart bearbeiteten Aufnahme sprichwörtlich ein anderes Kolorit und versieht das Bild hierdurch mit einer ‚atmosphärischen Tönung‘ bzw. stattet es mit einer ‚bestimmten Stimmung‘ aus. Nach Definition von Ernst Strauss bezeichnet der ästhetische Begriff Kolorit die „‚übergeordnete farbige Bildgestalt‘ einer auf einer Bildfläche künstlerisch gestalteten Malmaterie […].“ 40 Das Kolorit setze hierbei eine künstlerisch-intentionale Gestaltung von Farbe voraus: Sein Einsatz unterliege dem Gestaltwillen des Künstlers, weshalb es wiederum ein Ausdruck desselben sei. 41 Strauss beschäftigt sich mit der Koloristik lediglich in der Kunstgattung der Malerei, „seine Erkenntnis, daß alle sichtbaren Faktoren eines Bilds durch das Medium der Farbe in ihrer Sichtbarkeit bedingt sind“ 42, lässt sich jedoch grundsätzlich auch auf andere Medien übertragen. Mit den ‚Neuen Medien‘ löst sich die Farbe von ihrem physischen Trägermaterial, dem Pigment, und wird zunehmend zu einer optischen, zumeist virtuellen, gänzlich auf Informationen basierenden Größe. 43 Wie Christoph Wagner darlegt, geht die normative Implikation des Begriffs auf Giorgio Vasari zurück. In den Viten habe dieser erstmalig umfassend das Ideal der Schönheit eines gelungenen Farbsystems, basierend auf einer übergeordneten Harmonie der kontrastierenden Teile bzw. Farben, sowie die Vorstellung einer unione del colorito als bindende ästhetische Schlüsselkategorie formuliert. 44 Der Definition von Strauss zufolge lässt das Kolorit eines spezifischen Grafikfilters bzw. einer Bildbearbeitungssoftware demnach wiederum Rückschlüsse auf ästhetische wie soziokulturelle Diskurse zu; insbesondere, da es die (Farb-) Gestalt der Bilder nach einem festgelegten, d.h. konzeptionell formalisierten und anschließend in Computercode programmierten Schema definieren bzw. modifi-
39 In Abhängigkeit zu einer etwaigen zusätzlichen Verlaufsform (z.B. einem Vignettierungseffekt) fällt diese entweder homogen oder aber graduell aus. 40 Ernst Strauss zit. n. Wagner, Christoph: Kolorit/farbig, in: Karlheinz Barck/Friedrich Wolfzettel (Hg.): Harmonie – Material (= Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Band 3), Stuttgart [u.a.] 2001, S. 305-332, hier S. 306. 41 Vgl. a.a.O. 42 A.a.O. 43 Vgl. ebd., S. 329. 44 Vgl. ebd., S. 313 ff.
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zieren. Künstler ist hier jedoch nicht länger ein Individuum, sondern ein Team von Softwareentwicklern und Designern bzw. ein Konzern, der dezidiert ökonomische Interessen verfolgt und so beispielsweise auf marktgängige Features sowie visuelle Effekte setzt. Das Kolorit eines Grafikfilters ist demzufolge nicht Bestandteil eines Personalstils, sondern ästhetisches Signum eines Programmstils. Da die Nutzer der Software die apparativ angebotenen visuellen Effektschablonen in Abhängigkeit zur akut intendierten Bildaussage miteinander kombinieren, ist das Kolorit einer bearbeiteten Bilddatei durch kollektive Autorschaft gekennzeichnet. Diese ist auf zwei verschiedenen Ebenen ansässig: Die Auswahl, Funktionsweise und Gestalt der Effektfilter wird zunächst herstellerseitig determiniert und im Anschluss in die individuelle Bildpraxis des Nutzers integriert, die durch Kombination und Modulation der visuellen Effekte ein farblich signifikantes Design generiert. Diese digitale Bildbearbeitung steht, wie an anderer Stelle bereits dargelegt wurde, explizit im Dienste der ästhetischen Optimierung 45 – formale Veränderungen, die durch Verwendung der programmimmanenten, mehr oder weniger starr vorkonfigurierten Effekte am Ausgangsbild vorgenommen werden, beeinflussen folglich ebenso dessen ‚Stimmungswert‘. Als vorgefertigte, teils feinjustierbare und individuell anpassbare farbige Schablone gibt der Grafikfilter somit auch die Tönung der Stimmung vor. So umfasst die ‚Klaviatur‘ bei Instagram aktuell 46 40 verschiedene Presets bzw. Stimmungs-(farb-)töne, die unmittelbar zur optionalen Anwendung bereitstehen, um die Anmutung bzw. den Ausdruck des Bilds vor seiner Veröffentlichung zu verändern und derart an die eigenen Vorstellungen bezüglich Bildwirkung wie -aussage anzupassen. Jenes simple One-Click-Anwendungsprinzip sowie der hierdurch mögliche intuitiv-spielerische Umgang mit immer wieder anderen, da nicht-destruktiven 47 und somit endgültigen Bildmodifikationen wurden erst mit Digitalisierung der 45 Dies gilt selbstverständlich nicht nur für den untersuchten Phänomenbereich Social Media, vielmehr ist eine – von welchem ästhetischen Ideal im Einzelfall auch immer ausgehende – Optimierung des Vorhandenden Movens für sämtliche Nachbearbeitungsverfahren und somit grundlegend für Ästhetisierungsprozesse als solche. 46 Version 46.0 in iOS, aktualisiert am 21.05.2018 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 47 Bei dieser Form der Bildbearbeitung werden die getätigten Modifikationen nicht irreversibel mit der Datei verrechnet, so dass das Ausgangsbild verfügbar bleibt. Das bearbeitete File ist entweder weiterhin editierbar oder die Software speichert es im Anschluss automatisch als eine Kopie der Ursprungsdatei ab. Diese wird dadurch, abhängig vom Funktionsumfang der Software bzw. den Kombinationsmöglichkeiten, um potentiell unendlich viele verschiedene Versionen ergänzt.
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Fotografie möglich und führen das morphologische Potential digitaler Bilder eindrucksvoll vor. Digitale Bilddateien, zumeist pixelbasierte Rastergrafiken, lassen sich nicht nur nahezu beliebig oft kopieren, leicht de- und rekontextualisieren, sondern – und dieser Aspekt ist für die vorliegende Arbeit von besonderer Relevanz – nachbearbeiten, d.h. mithilfe von Software korrigieren, modifizieren und manipulieren. Wie am Beispiel der Medienlogik von Instagram, deren Konzeption prototypisch für das gesamte Feld bildverarbeitender mobiler Mediensoftware steht, gezeigt wurde, dient das Ausgangsbild lediglich als Rohmaterial für die anschließende Bildbearbeitung. Dessen Bildwirkung wie -aussage wird durch diese verändert, d.h. näher bestimmt (vgl. Kap. 3.3.3). Indem sie eine weitere Bedeutungsebene addieren, verleihen die angewandten Effekte dem Bild einen spezifischeren Ausdruck. Im Folgenden sei daher die These vertreten, dass das digitale Bild gezielt erst im Zuge seiner bereits präformal intendierten Nachbearbeitung – d.h. durch den gewählten Filter bzw. dessen ästhetische Konfiguration – seine spezifische Be-Stimmung erhält. 48 Die Emphase der nachträglichen Gestaltung des zu diesem Zwecke möglichst neutral und hochauflösend aufgenommenen Bildmaterials beschränkt sich nicht nur auf die Anpassung von farbrelevanten Parametern oder haptischen Materialeffekten, mittlerweile lässt sich selbst mit einigen Smartphone-Modellen bereits nachträglich die Schärfeebene des Bilds definieren. Nicht nur im professionellen Kontext, sondern auch innerhalb populärer, alltäglicher Bildpraxis werden kompositorische wie stilistische Erwägungen zunehmend in den Bereich der Postproduktion verlagert und somit von einem gestalterischen Apriori zu einem variablen und modularen Aposteriori. Selbst bei Anwendung spezifischer Parameter büßt das mobile digitale Bild seine semantische Potentialität nicht ein, da Instagram – wie die meisten bildgenerierenden mobilen Medienanwendungen – lediglich eine modifizierte Kopie des Ursprungsbilds erzeugt, das selbst jedoch weiterhin erhalten bleibt und somit aufs Neue anders ausgestaltet werden kann. 49 Determiniert und limitiert wird die Be-Stimmbarkeit der digitalen Rastergrafik in diesem Kontext lediglich durch die Software, d.h. durch die hierin implementierten Anwendungsmöglichkeiten. Analog zu dem von Adobe in Photoshop etablierten Bildbearbeitungsprinzip eines hierarchisch organisierten, dreidimensional gedachten Ebenenmodells befin-
48 Hierbei handelt es sich um eine zunehmend gängige Praxis im Bereich digitaler Bilderzeugung und -verarbeitung, die vom Dateiformat .raw profitiert. 49 Jenes genuin digitale (Wesens-)Merkmal findet sich bei Hipstamatic konzeptionell negiert, gilt es doch, das Prinzip filmbasierter chemo-physikalischer Bildwerdung möglichst glaubhaft zu simulieren.
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den sich die Grafikfilter in Instagram auf der obersten Bildebene, ihr Wirkbereich ist somit die ideelle Oberfläche des Bilds (vgl. Kap. 2.1.1).
5.3 „PICTORIAL GAZE“ 50 – ÄSTHETIK DES PITTORESKEN UND INSTANTANE SINN-BILD-WERDUNG DER REALITÄT Mit Slogans wie „Filter your World“ 51 oder „a real life photo filter“ 52 referiert die schottische Firma tens zur Vermarktung ihrer Sonnenbrillen auf digitale Bildbearbeitung, insbesondere auf das im Bereich von Social Media durch Instagram populär gewordene instant editing mittels vorgefertigter Grafikfilter. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt (vgl. Kap. 3.3), modifizieren diese digitales Bildmaterial hauptsächlich kraft einer farbigen Tönung. Ihre Funktionsweise ähnelt daher strukturell einer Sonnenbrille, deren getönte Gläser die Farben der durch sie betrachteten Umgebung ebenso entsprechend verändern. Die Wahl des Farbtons basiert hierbei vor allem auf pragmatischen bzw. funktionalen Erwägungen, dient sie doch primär dem Schutz der Augen vor der Schädigung durch direkte Sonneneinstrahlung. Eingefärbte Lichtschutzgläser haben eine lange Tradition und existierten bereits im Römischen Reich. Die Färbung der Gläser veränderte sich jedoch in Abhängigkeit des wissenschaftlichen Kenntnisstandes im Laufe der Jahrhunderte. 53 Das Novum der von tens produzierten und 2014 initial mithilfe von Crowdfunding finanzierten Sonnenbrille besteht laut Selbstaussage des Start-ups in der spezifischen Farbtönung der verbauten Gläser. In wissenschaftlichen Untersuchungen bewiesen, trüge die in jahrelanger Forschung perfektionierte Farbigkeit der Linse – tens lens genannt – dazu bei, die Sinneswahrnehmung zu intensivieren. Sie sei in der Lage, die Produktion des Botenstoffes Endorphin anzuregen und derart Glücksgefühle zu aktivieren. Wo 50 Maillet, Arnaud: The Claude Glass. Use and Meaning of the Black Mirror in Western Art, New York 2004, S. 141. 51 https://us.tenslife.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). Vgl. auch TENS: FILTER YOUR WORLD (2016, tens), 1:17 min., https://www.youtube.com/ vom 31.03.2016, https://www.youtube.com/watch?v=DhCJmfw3xEk (zuletzt aufgerufen am 01.06. 2018). 52 Kap. 9, Txt. 25, S. 420 f. 53 Vgl. hierzu Buck, Susanne: Der geschärfte Blick. Eine Kulturgeschichte der Sonnenbrille seit 1850, Frankfurt a.M. 2006 sowie Hartewig, Karin: Der verhüllte Blick. Kleine Kulturgeschichte der Sonnenbrille, Marburg 2009.
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herkömmliche Gläser die Farben leblos und stumpf erscheinen ließen, transformiere tens lens die Wahrnehmung der Umgebung in eine lebendige und bunte Erfahrung, so dass der Alltag unter Zuhilfenahme jener Sonnenbrillen nicht nur sogleich ‚zehn Mal‘ besser aussehe, sondern sich auch nennenswert besser anfühle – „[…] making everyday life look and feel ten times better.“ 54 Der Kauf einer tens lens ist für den potentiellen Träger folglich gleich mit zwei Vorteilen verbunden: Einerseits verhilft die Sonnenbrille, wenn getragen, unmittelbar bzw. buchstäblich in der ‚Liveview‘ zu einer Ästhetisierung des Alltags und befreit diesen von seiner Eintönigkeit und Tristesse. Bezogen auf die veränderte Farbwahrnehmung wird der – durch das achromatische, fahl und farblose Grau repräsentierte, mit Langeweile und Monotonie assoziierte – ‚graue Alltag‘ eingefärbt und erhält durch seine Aufwertung via Farbtönung eine besondere, positiv konnotierte Erlebnisqualität. 55 Darüber hinaus hebt ein Blick durch ihre in einem warmen Orangebraun getönten Gläser sogleich die Stimmung und wirkt sich demzufolge positiv auf den Gemütszustand aus. Das Prinzip tens lens – farbig getönte Brillengläser, die über ihre Lichtschutzfunktion hinausgehenden physiopsychischen Nutzen versprechen – lässt sich im 21. Jahrhundert allein schon aufgrund der immensen Diversität verfügbarer Brillenmodelle schwerlich als Innovation bezeichnen; zumal dieses Verkaufsargument über eine lange Historie verfügt, sagte man dem Blick durch farbige Edelsteine bereits im Römischen Reich eine positive, entspannende Wirkung nach. 56 Im 19. Jahrhundert wurden blau getönte Lichtschutzgläser sogar explizit als ‚Erholungsbrillen‘ vermarktet. 57 Der Erfolg und die Nachfrage von tens lens ist somit weniger ein Verdienst der faktischen Originalität des Produktes. Auch das Design des Brillengestells stellt keine Reform dar – im Gegenteil. Vielmehr greift es offensichtlich die ikonische Form des Kultstatus genießenden Sonnenbrillenmodells Wayfarer von Ray-Ban auf und macht somit von dessen Popularität Gebrauch (vgl. Tab. 38, 1). Orientiert wird sich demzufolge am zeitgenössischen Modegeschmack des Mainstreams, dem die Wayfarer als Konsens gilt. Indem tens ihr Produkt jedoch bereits im Slogan direkt mit Instagram in Verbindungen bringen, profitieren sie wie viele andere erfolgreiche Crowdfun-
54 Kap. 9, Txt. 25, S. 420. 55 Bezüglich der genannten Farbassoziationen vgl. bspw. Heller, Eva: Wie Farben auf Gefühl und Verstand wirken, München 2000. 56 Vgl. Hartewig: Der verhüllte Blick, S. 9. 57 Vgl. Buck: Der geschärfte Blick, S. 50.
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ding-Projekte 58 unmittelbar vom Hype um die App und ihre unverkennbare – bereits zu dem Zeitpunkt ikonisch gewordene – Bildästhetik, die auf der Bildbearbeitung mittels schablonierter Filtereffekte basiert. Das Prinzip tens lens wird in einem Werbeclip explizit mit Instagram verglichen: Wer selbige sein Eigen nenne, brauche kein Instagram mehr, um den Alltag geschönt wahrzunehmen, allein die richtige Sonnenbrille genüge. 59 Beworben wird die Brille somit als analoger Instant-Beautifier, modisches Accessoires wie optische Prothese, welche die Sichtweise auf die Realität unter ästhetischen Gesichtspunkten transformiert. Veränderung wird hierbei synonym zu Verbesserung verstanden, sozusagen eine permanente Optimierung des optisch Wahrnehmbaren, die ganz ohne Technologie auskommt – „a real life photo filter“ 60. Das beworbene Ästhetisierungsvermögen der tens lens ähnelt frappierend einem historischen optischen Instrument: dem Claude Glas. Arnaud Maillet zufolge handelt es sich hierbei um einen runden wie flachen Filter aus sehr dünnem farbigem Glas, der im 18. Jahrhundert bevorzugt zur Landschaftsbetrachtung eingesetzt wurde. 61 Wie die gewählte Abbildung aus einem 1856 veröffentlichten Warenkatalog veranschaulicht (vgl. Tab. 38, 2), besteht die Verkaufseinheit aus einem Satz verschiedenfarbiger Eingläser, die sich je nach Bedarf wechseln oder miteinander zu einem neuen Farbton kombinieren lassen: „Each Claude Lorrain glass has a very well-defined color: blue, green, red, yellow, orange, dark brown, and so on. These filters are mounted on the arms of a fan-shaped protective frame, generally made of horn. The user can unfold the arms one by one or choose combinations in order to vary the effects of the color. […] The Claude glass has at least two arms, each for one different glass (for example, red and green) […].“ 62
58 Bspw. Projecteo – The Tiny Instagram Projector (https://www.getprojecteo.com/) oder die Socialmatic Camera (http://shop.social-matic.com/). Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. 59 „Prepare for a non-stop vacation. Buy tens today and experience a cellular free summer. Filter users are down, tens users are up. What the fuck is Instagram anyway.“ INSTANT SUMMER VISION – VHS INFOMERCIAL (2015, tens), 2:30 min, https://vimeo.com vom 14.05.2015, https://vimeo.com/127855240, ab 1:17 min (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 60 Kap. 9, Txt. 25, S. 421. 61 Vgl. Maillet: The Claude Glass, S. 32. 62 A.a.O.
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Tableau 38: (1) tens Sonnenbrille – Modell „Classic“; (2) grafische Darstellung eines Claude Glases aus dem Jahr 1856.
Nach Einschätzung von Maillet ist jenes optische Hilfsmittel untrennbar an die im England des 18. Jahrhunderts aufkommende Mode des Pittoresken gebunden, welche die künstlerische Herangehensweise an Naturdarstellungen grundlegend verändert bzw. die bis dato bestehende Logik von Vorbild und Abbild umgekehrt habe. Galt die Landschaft zuvor als Gradmesser für ihre bildliche Repräsentation, wurde sowohl ihre Wahrnehmung im Speziellen als auch die der Natur im Allgemeinen nunmehr durch das Gemälde und somit das Medium der Malerei konditioniert: „[…]‚[W]e are not dealing here with an attempt to reproduce nature in a picture‘ rather ‚the picture is projected onto nature.‘“ 63 Ästhetische 63 Baltrušaitis, Jurgis: Aberrations. An Essay on the Legend of Forms, Cambridge/Mass. [u.a.] 1989, S. 157 zit. n. ebd., S. 140.
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Vorbildfunktion habe hierbei namentlich der Personalstil des französischen Landschaftsmalers Claude Lorrain (1600-1682) erfüllt. Seine idealisierten Landschaftsbetrachtungen seien insbesondere für ihre weichen und heiteren Farbtöne geschätzt worden: „‚They [the Claude Lorrain glasses; K.G.] are combined of two or three different colors; and if the hues are well sorted, they give the object of nature a soft mellow tinge, like the coloring of that master.‘“ 64 Auf diese Weise habe sich die bildliche Repräsentation der lorrainschen Landschaftsmalerei als ästhetisches Ideal etabliert und sei, so Maillet, nachfolgend in andere künstlerisch-kulturelle Bereiche der damaligen Zeit, beispielsweise in die Landschaftsarchitektur, diffundiert. 65 Aus Sicht von Maillet ist jener ‚malerische Blick‘ 66 untrennbar mit dem, seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wachsenden, Interesse an Himmelsphänomenen und Lichtvariationen verknüpft, weswegen die Landschaftsgemälde Lorrains vor allem wegen ihrer brillanten Farbwiedergabe und atmosphärischen Qualitäten gefragt waren. 67 Die Claude Gläser hätten sich daher nicht nur unter Amateurmalern großer Popularität erfreut, sondern zugleich auch wohlhabende englische Touristen begeistert. Durch die Simulation von Farbveränderungen 68 bei verschiedensten Licht- und Witterungsverhältnissen erlaubte es ihre Verwendung, bestimmte Lichtstimmungen 69 künstlich herzustellen bzw. gezielt zu simulieren: „[…] [T]he Claude glasses especially, allowed tourists – those quickly passing visitors – to discover in an instant the luminous effects produced by nature, for which they would otherwise have to wait.“ 70 Reisende betrachteten die landschaftliche Kulisse durch die farbigen Gläser indirekt in Echtzeit, um derart die reale Naturerfahrung zu ästhetisieren bzw. der ästhetischen Erfahrung eine andere, gleichwohl imaginäre Qualität zu verleihen. 71 Indem die Claude Gläser die wahrgenommene Landschaft mit einem lorrainschen Kolorit überzie64 Gilpin, William: Particularly the Highlands of Scotland (= Observations, Relative Chiefly to Picturesque Beauty, Made in the Year 1776, on Serveral Parts of Great Britain, Band 1), London 1789, S. 124 zit. n. ebd., S. 34; Herv. K.G. 65 Vgl. Maillet: The Claude Glass, S. 139. 66 „[P]ictorial gaze“ in der engl. Fassung des franz. Originaltexts. Ebd., S. 141. 67 Vgl. ebd., S. 141 f. 68 Beispielsweise hinsichtlich Farbton, Sättigung und Helligkeit. 69 Zum Beispiel Mondlicht, Mittags- oder Abendsonne usw. 70 Maillet: The Claude Glass, S. 142. 71 Vgl. Eine Kurzbeschreibung auf der Homepage des Victoria and Albert Museums in London, N.N.: Drawing Techniques. The Claude Glass, http://www.vam.ac.uk, o.D., http://www.vam.ac.uk/content/articles/d/drawing-techniques/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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hen und somit unmittelbar an das malerische Medium angleichen, scheint es gerade so, als ob die Betrachtenden selbst ein Gemälde Lorrains durchwanderten. Das ästhetische Vergnügen einer idealisierten Landschaftsdarstellung werde durch das preiswerte Konsumobjekt der Claude Gläser demokratisiert. 72 Die Suche nach dem Pittoresken, die Jagd nach seltenen Ansichten, sei in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer weit verbreiteten Freizeitaktivität avanciert. 73 Die vordefinierten Effektfilter bildbasierter mobiler Mediensoftware, jedoch insbesondere deren Weiterentwicklung in Form der Live-Photo-Filter-Funktion proprietärer Kamerasoftware (vgl. Kap. 3.3.3), weisen signifikante Gemeinsamkeiten mit besagtem historischen Artefakt auf, so dass sich von einer Art geistigem Verwandtschaftsverhältnis sprechen lässt. Indem sie verschiedenste Presets anbieten, um digitales Bildmaterial bereits vor der Aufnahme ästhetisch zu optimieren, erfahren die abgebildeten, zumeist profanen und zudem beiläufig aufgenommenen alltäglichen Sujets eine ästhetische Nobilitierung. Jener bildkosmetische Eingriff trägt im doppelten Sinne zu ihrer Veredelung bei: Die Aufnahme und somit das auf ihr Abgebildete wird idealisiert und zugleich probeweise in ein Dokument transformiert. Diese Beobachtung ist Bestandteil eines Phänomens, das Nathan Jurgenson als ‚dokumentarische Sicht(-weise)‘ 74 bezeichnet: Der aktive Gebrauch von Social Media zum Zwecke der Selbstdarstellung und Kommunikation kultiviere zunehmend eine neue Art der Realitätswahrnehmung. 75 Latent permanent auf der Suche nach geeigneten Motiven werde die Umgebung auch ohne Kamera als bereits fotografisch repräsentiert betrachtet: „Even without the camera in hand the world becomes transformed into the status of a potential-photograph.“ 76 Demnach präge die primär ikonische Kommunikation innerhalb des social web nicht bloß bestimmte formale wie inhaltliche Darstellungskonventionen, sondern konditioniere die Nutzer zudem darauf, flüchtige Ereignisse bzw. Szenerien ihres Alltags immer schon als potentielles visuelles Dokument der eigenen Autobiografie wahrzunehmen bzw. auf ihren Dokumentenwert, ihre Fotogenität zu überprüfen. 77 Jurgenson perspektiviert zeitgenössi72 Vgl. Maillet: The Claude Glass, S. 141. 73 Vgl. ebd., S. 167. 74 „[D]ocumentary vision“ im engl. Originaltext. Jurgenson, Nathan: Life Becomes Picturesque. Facebook and the Claude Glass, http://thesocietypages.org vom 25.07. 2011, http://thesocietypages.org/cyborgology/2011/07/25/life-becomes-picturesque-fa cebook-and-the-claude-glass/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 75 Vgl. a.a.O. 76 A.a.O. 77 Vgl. a.a.O.
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sche mobile Bildpraktiken wiederum auf das optische Hilfsmittel des Claude Spiegels 78, welchen er irrtümlich als Claude Glas bezeichnet. Bei selbigem handelt es sich Jurgensons Lesart zufolge um eine externe Prothese, die eine mediatisierte Liveview der Realität ermögliche, da lediglich die Reflexion der Landschaft im Medium des Spiegels zum Gegenstand der Anschauung und somit des visuellen Erlebens werde. Heutige durch Social Media geschulte Realitätswahrnehmung sei gleichwohl durch Mediatisierung gekennzeichnet, jedoch mit dem signifikanten Unterschied, dass das hierfür erforderliche Medium bereits durch Konditionierung inkorporiert worden sei: Die Sichtweise der Digital Natives habe die apparative Optik des fotografischen Kameraauges vollständig adaptiert. In beiden Fällen entspreche die eingenommene Perspektive auf die Realität, so schlussfolgert Jurgenson aus dem historischen Vergleich, bereits einer idealisierten Dokumentation. 79 Gleichsam wie die Claude Gläser zielt laut Maillet auch der Claude Spiegel auf eine idealisierte Landschaftsbetrachtung: „The Claude mirror eliminates particular details and imperfections. This removal of triviality brings forth an abstraction, that of ideal beauty.“ 80 78 Maillet weist darauf hin, dass die Bezeichnung Claude Glas für zwei verschiedene optische Instrumente verwendet wird, die bis heute verwechselt bzw. irrtümlicherweise für ein und dasselbe gehalten würden. Hierbei handelt es sich um die bereits beschriebenen fächerartig angeordneten wie verschiedenfarbigen Claude Gläser sowie um den – von Jurgenson gemeinten – Claude Spiegel. Dieser habe, ebenfalls im 18. Jahrhundert, wiederum als Hilfsmittel zur Umsetzung von Landschaftsgemälden gedient, da er Ernst Gombrich zufolge „die Umwandlung von Lokalfarbe […] in eine Serie abgestufter Tonwerte“ erleichterte. Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 2. Aufl. der 6. dt. Ausg. von 2002, Berlin 2004 [2002], S. 40 (dt. Erstausgabe von 1967, Berlin [u.a.]). Der Blick in den handlichen Spiegel, dessen Name ebenfalls Claude Lorrain huldigt, sollte es Malern ermöglichen, eine landschaftliche Szenerie unmittelbar vor Ort auf ihre Bildfähigkeit hin zu überprüfen, d.h. sie direkt als Gemälde sehen und derart vorab ihre pittoreske Eignung unter ästhetischen Gesichtspunkten beurteilen zu können. Zentrales Qualitätsmerkmal dieses bildgebenden Instruments ist laut Maillet das Reflexionsvermögen des eingelassenen Spiegels, dessen tiefschwarze Oberfläche zur Vermeidung von unerwünschten Doppelspiegelungen so opak und makellos hochglänzend wie möglich zu sein hatte. Vgl. Maillet: The Claude Glass, S. 16. 79 Jurgenson ordnet diese einer ‚Nostalgie für die Gegenwart‘ zu und stellt sich die Frage, ob das zeitgenössische Streben nach der idealisierten Repräsentation des eigenen Lebens die Menschen von selbigem entfremde. „[N]ostalgia for the present“ im engl. Originaltext. Jurgenson: Life Becomes Picturesque, o.S. 80 Maillet: The Claude Glass, S. 143.
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Abbildung 22: Internetversus-Real-life-Mem, Britney Version.
Integraler Bestandteil des Internetdiskurses über softwarebasierte Ästhetisierungsprozesse und den fragwürdigen Dokumentwert des mobilen digitalen Bilds ist der Memkomplex internet vs. real life. Zwei Bilder werden zueinander in Beziehung gesetzt mit der Absicht, die geschönte, realitätsverzerrende (Selbst-) Darstellung innerhalb Social Media zu parodieren. Im gewählten Bildbeispiel wurden hierfür zwei Portraits von Britney Spears verwendet (vgl. Abb. 22). Inszeniert die linke Fotografie die Sängerin mit leicht geöffnetem Mund, einem durchdringenden Blick aus schwarz umrandeten Augen und offenen, über die nackten Schultern wallenden Haaren als verführerische Femme fatale, zeigt das rechte Portrait eine bebrillte, pausbäckige und vermutlich auch jüngere Version von Spears mit deutlich breiterer Nase und Schulmädchenzöpfen. Der Begleittext „There’s nothing a little Valencia can’t fix“ verweist auf den gleichnamigen Instagram-Grafikfilter, der in seiner bildkosmetischen Funktion als ‚InstantBeautifier‘ zur idealisierten, in dem Fall offenkundig erotisierten Selbstdarstellung verhilft. Als Lebensweisheit bzw. Geheimtipp der besten Freundin gewandet und somit die Werberhetorik von Frauenzeitschriften aufgreifend, implizieren die zur Gegenüberstellung gewählten Portraits des Popstars dabei gleichermaßen eine sexistische Lesart: die (Notwendigkeit der) Zurichtung des nunmehr verdinglichten ‚Weiblichen‘ im Sinne des male gaze. In Übereinstimmung mit Jurgenson ergeben sich mehrere Parallelen zur mobilen Bildproduktion der Gegenwart: einerseits die Beschönigung des Wahrgenommenen, das andererseits bereits während der Betrachtung auf seinen Dokumentwert
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geprüft bzw. probehalber in ein Dokument verwandelt wird. Diese Bildpraxis steht im Dienste autobiografischer Selbststilisierung und lässt sich demnach, Jurgenson zufolge, als „[d]igitally [p]icturesque“ 81beschreiben. Im Unterschied zu der Klaviatur an verschiedenen Farbtönen, die Instagram nunmehr virtuell zur Verfügung stellt, ist das mittels der Claude Gläser eingefärbte und derart ästhetisierte Bild der Wirklichkeit ephemer, sein Anblick lässt sich nicht konservieren. Im Dienste der modulierbaren ‚atmosphärischen‘ Naturwahrnehmung werden die gewünschten Lichtstimmungen in spezifischen, am Darstellungsideal der Malerei orientierten Farbtönungen codiert und, auf diese Weise standardisiert, in eine Warenform bzw. ein Readymade 82 überführt. Zwar ermöglicht die doppelte Logik der Archivstruktur von Instagram und anderen sozialen Medien die Verstetigung und Sammlung der eigenen Bilddokumente im Profiltableau, die Medienstruktur des auf Echtzeitlichkeit basierenden Newsfeeds ist demgegenüber jedoch maximal ephemer und daher durchaus mit dem historischen Vorgänger vergleichbar. Wie die Claude Gläser zielt auch die als unmittelbar angenommene bildliche Kommunikation in Instagram gerade auf eine Intensivierung des Präsenzerlebens, des unmittelbar Gegenwärtigen ab.
81 Jurgenson: Life Becomes Picturesque, o.S. 82 Vgl. hierzu Temkin, Ann: Color Chart. Reinventing Color – 1950 to Today, New York 2008, S. 16-27.
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Zusammenfassung
Social Media und Konsum – eine geradezu prädestinierte Verbindung, so scheint es. Speziell die untersuchte bildbasierte Mediensoftware Instagram hat sich in gerade einmal fünf Jahren von einer kostenlosen mobilen Kamera-App mit angeschlossener Community und ohne tragfähiges Geschäftsmodell 1 zu einem vollends kommerzialisierten Kommunikationsmedium gewandelt. Der profileigene Newsfeed ist mit Werbeanzeigen durchsetzt; als nahbare girls (and boys) next door integrieren ‚Influencer‘ bezahlte Produktkooperationen 2 in ihr penibel kuratiertes Profiltableau, dessen Bilder durch Tags wie #nofilter, #wokeuplikethis oder #effortless vorgeblich gänzlich ohne (bild-)kosmetische Eingriffe auskommen und demnach zumindest nominell ‚authentische‘ und somit glaubwürdige Einblicke in die alltägliche Lebensrealität eröffnen. Etablierte Bildagenturen wie Getty Images orientieren sich bei der Suche nach künftigen, wohlgemerkt markttauglichen, visuellen Trends im Wesentlichen an der von Social Media kultivier-
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Zwar hatte Instagram zum Zeitpunkt der Übernahme durch Facebook im Jahr 2012 bereits mehr als 10 Millionen registrierte Nutzer, besaß jedoch kein belastbares Ertragsmodell. Vgl. bspw. N.N.: Instagram-Übernahme. Facebook investiert in FotoHype, http://www.ftd.de vom 10.04.2012, http://www.ftd.de/it-medien/computer-tech nik/instagram-uebernahme-facebook-investiert-in-foto-hype/70020430.html
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Eine Instagram-spezifische Form des Objektstilllebens ist hierbei das flatlay, das – mal mehr, mal weniger offensichtlich inszeniert – vor allem zur Präsentation von Warenensembles genutzt wird. Durch die Integration eines Konsumobjekts in ein spezifisches Ambiente erhalten jene zusätzlich eine narrative Komponente, die einen bestimmten Lifestyle transportiert.
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ten Bildsprache, und zwar gerade weil diese einen signifikanten Einfluss auf zeitgenössische visuelle Kultur ausübt. 3 Mit vorkonfigurierten Effektfiltern als Forschungsgegenstand, wie sie innerhalb bildbasierter mobiler Mediensoftware mittlerweile gang und gäbe sind, fokussiert die vorliegende Arbeit einen medienstrukturellen wie -ästhetischen Aspekt zeitgenössischer Konsumästhetik. Das forschungsleitende Erkenntnisinteresse gilt insbesondere den formalen Bildmodifikationen, die aus der Anwendung jener softwareseitig bereitgestellten visuellen Effekte resultieren. Gemäß der einleitend formulierten Hypothese dienen jene Grafikfilter der unmittelbaren ästhetischen Optimierung des mobilen digitalen Bilds (vgl. Kap. 1.2). Besagter Ästhetisierungsprozess, so weiterhin die Annahme, vollzieht sich hierbei regelgeleitet mithilfe bestimmter schablonierter Schemata, die selbst wiederum eine spezifische Kombination an gestaltverändernden Stilelementen enthalten. Die Arbeit interessiert sich einerseits für die charakteristischen Stilmittel des qua App angebotenen Bildprogramms, deren ästhetische Traditionen und Vorbilder. Anderseits wird jedoch gleichsam betrachtet, an welche zeitgenössischen Diskurse sich selbige rückkoppeln lassen. Bei bildbasierter mobiler Mediensoftware bzw. social camera apps handelt es sich um ein relevantes kulturelles Produktionsmittel der Gegenwart, das genuin an internetfähige Mobilgeräte gebunden ist. Oftmals kostenlos zugänglich und aufgrund der Komplexitätsreduktion intuitiv nutzbar, erweitert und demokratisiert jene abgespeckte mobile Version kultureller Software das verfügbare Zeichenrepertoire insbesondere um bildhafte Ausdrucksmöglichkeiten, die – wie Gertraud Koch betont – als ikonisches „material for action“ derart für soziale (Bild-)Praxen verfügbar werden. Jene Freisetzung von semiotischem Material geht hierbei, so eine zentrale Arbeitshypothese, zwangsläufig mit dessen warenförmiger Zurichtung einher: Softwareseitig nunmehr – wie im vorliegenden Fall – als vorkonfektionierte Bildschablonen angeboten und derart präfigurierte 3
Laut Pamela Grossman, Visual Trend Forecaster bei Getty Images, lassen sich Bildagenturen bei ihren Trendprognosen zunehmend von Instagram inspirieren. Gradmesser für die indikatorische Qualität eines Bilds ist hierbei dessen Popularität. Mittlerweile verfügt Getty Images zudem über eine eigene Sammlung an usergenerierten Inhalten. Vgl. Schlüter, Nadja: „Die Suchanfrage ‚Muslimin‘ ist durch die Decke gegangen“ – Interview mit Pamela Grossman von Getty Images über Stock-Fotografie und visuelle Trends, http://www.jetzt.de vom 18.04.2017, http://www.jetzt.de/job/int erview-mit-pamela-grossmann-von-getty-images-ueber-stock-fotografie-und-visuelletrends (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
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Kommunikations- und Ausdrucksweisen, setzen sie gleichsam den Rahmen für soziale Praxen und beeinflussen auf diese Weise, ebenfalls in Anschluss an Koch, grundsätzlich die Wirklichkeitserzeugung. Mittlerweile fester Bestandteil nahezu jeder mobilen Kamerasoftware, sei diese optional erhältlich oder bereits in die Firmware integriert, wurden jene formalisierten Grafik-Presets vor allem durch Hipstamatic (2009) und Instagram (2010) popularisiert. Im Abstand von circa einem Jahr veröffentlicht, gehören beide zur ersten Generation mobiler Kamera-Apps. Ihre medienstrukturelle wie bildsprachliche Konzeption, insbesondere jene der analysierten, vergleichsweise frühen Programmversionen, kann nicht nur als stilprägend, sondern vielmehr als grundlegend stilbildend für besagtes, zum damaligen Zeitpunkt noch im Entstehen begriffenes Subsegment mobiler Mediensoftware angesehen werden. Ihnen eignet somit eine Repräsentativität für den gesamten Phänomenbereich, wodurch sie als Fallbeispiele prädestiniert sind. Die Forschungsleistung der vorliegenden Dissertation besteht demnach zum einen in einer Erstbegehung und Kartierung spezifischer zeitgenössischer Bildpraxen und -ästhetiken, die in den letzten Jahren durch die Fusion von lokativen und cloudbasierten Medien popularisiert wurden und sich als kulturelle Produktionsmittel infolgedessen zu einem integralen Bestandteil gegenwärtiger visueller Kultur avanciert sind. Zum anderen kommt der Arbeit das Verdienst zu, eine medienadäquate, qualitativ-empirische Methodologie zur Analyse von mobilen, softwarebasierten Konsum|Bild|Ästhetiken nicht nur konzipiert, sondern auch durch praktische Anwendung validiert zu haben. Unter Bezug auf den kulturwissenschaftlichen Ansatz von Mieke Bal nimmt die vorliegende Arbeit einen phänomenologischen, multiperspektivischen Zugang zum Forschungsfeld und entwickelt ihren interdisziplinären Methodenapparat gemäß dem forschungsleitenden Paradigma des search as research kontinuierlich in praktischer Auseinandersetzung mit dem zu untersuchenden Forschungsgegenstand. Die erarbeitete Methodologie zur Analyse bildbasierter mobiler Mediensoftware gründet auf einem dreiteiligen Verfahren, das sich den Fallbeispielen Hipstamatic und Instagram sowohl aus verschiedenen Perspektiven als auch über unterschiedliche Quellenarten nähert. Das methodische Vorgehen beschreibt hierbei gewissermaßen eine einzoomende Bewegung, die auf Mikroebene die Essenz des softwareseitig bereitgestellten Bildstils fokussiert. Die derart in direkter Auseinandersetzung mit den Anwendungen erarbeiteten Ergebnisse werden anschließend zunächst auf medienhistorische Vorbilder bezogen und auf diese Weise in einer visuellen Bildtradition verortet. Die vorliegende Forschung schließt mit einer diskursartigen Exkursion zur Be-Stimmbarkeit mobiler ikonischer Kommunikate.
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Kapitelweise werden im Folgenden zunächst die theoretischen Setzungen wie Vorannahmen, die methodische Herangehensweise an den jeweils zu untersuchenden Aspekt des Forschungsgegenstands sowie die zentralen Ergebnisse zusammengefasst. Die vorgeschaltete theoretische Einfassung des mobilen digitalen Bilds bringt selbiges bereits sprachlich ganz bewusst nicht mit dem Fotografischen in Verbindung, handelt es sich hierbei doch strukturell um eine elektronische Computergrafik (vgl. Kap. 2). Obgleich vermeintlich offensichtlich ist diese Explikation wesentlich, um den untersuchten Bildtypus und dessen duale Struktur als algorithmisches Zeichen – im Sinne von Nake und Grabowski – adäquat zu erfassen. Kapitel 2.1 zeigt auf, dass eine ontologische Anbindung an fotografische Genealogie am Wesen der Digitalität und somit gleichsam an zeitgenössischen mobilen Bildpraxen vorbeigeht, die maßgeblich durch künstlerische Strategien des Remix, mash-up und cut’n’mix gekennzeichnet sind. Speziell die Adressierbarkeit der Computergrafik schafft die Voraussetzung für die Variabilität und Modularität digitaler Daten, die dadurch zum umformbaren Ausgangsmaterial für ästhetische Weiterverarbeitungen werden. Wie in Kapitel 2.1.1 bezugnehmend auf Lev Manovich herausgearbeitet wird, vereinheitlicht die algorithmische Formalisierung vormals unterschiedliche Medien im Metamedium Computer und befördert auf diese Art die Entstehung von neuartigen, generisch digitalen Hybridformen. Jene Hybridisierungsprozesse vollziehen sich dabei nicht bloß auf Inhaltsebene, sondern kombinieren gleichsam heterogene apparative Konstellationen, Produktions- und Ausdrucksweisen. Laut Manovich ermöglicht die ‚Softwareisierung‘ folglich einen tiefenstrukturellen Remix von medialen Formationen, die sogenannte deep remixability. Derart durch Computercode vereinheitlicht liefern sie das Zeichenrepertoire für eine digitale Metabildlichkeit. Von richtungsweisender Bedeutung für die Logik digitaler Bildlichkeit und somit sowohl für das zeitgenössische Bildverständnis als auch die populäre digitale Bildpraxis ist, dies verdeutlicht Manovich in seiner Grundlagenforschung zur Anwendungssoftware, die weltmarkführende Bildbearbeitungssoftware Adobe Photoshop. Hierbei besitzt die Programmfunktion Ebenenpalette, welche in Photoshop als zentrales Werkzeug zur Gestaltung einer digitalen Bilddatei fungiert, besondere Relevanz. Der Programmlogik entsprechend ergibt sich das fertige Bild aus der Verrechnung hierarchisch übereinander geschichteter Bildelemente und -effekte. Dementsprechend ist das digitale Bild keine in sich geschlossene Einheit, sondern vielmehr ein provisorisches Kompositum, dessen modulare Struktur in der Arbeitsdatei enthalten bleibt, wodurch selbige gleichsam ikonische Potentialität besitzt.
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Neben jener Positionsbestimmung digitaler Bildlichkeit gilt es die methodischen Herausforderungen zu meistern, welche cloudbasierte digitale Daten zwangsläufig mit sich bringen. Im Anschluss an einen Problemaufriss, der auf die kritische Darlegung jener – auf mehreren Ebenen ansässigen – Unwägbarkeiten abzielt (vgl. Kap. 2.2), gilt es, einen empirisch tragfähigen Umgang mit diesen zu finden. Allen quellenkritischen Schwierigkeiten zum Trotz wirbt die vorliegende Arbeit hierbei entschieden für einen positiven Blick auf die Volatilität von Software, die sich als heuristisches Mittel produktiv nutzbar machen lässt (vgl. Kap. 2.2.1). Ein untersuchungsrelevantes Ergebnis ist die Beobachtung, dass hochfrequente Programmupdates im Phänomenbereich mobiler Apps gerade aufgrund ihrer modularen wie prozessualen Struktur in der Lage sind, empfindsam auf soziokulturelle (Trend-)Entwicklungen zu reagieren und diese zu spiegeln, wodurch sie über eine indikatorische Funktion verfügen. Gleichsam eröffnet die Wandelbarkeit von Software die Möglichkeit einer medienarchäologischen Längsschnittstudie, anhand derer sich Veränderungen über den gesamten Forschungszeitraum von nunmehr sechs Jahren ablesen und beurteilen lassen. Hierbei kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die strukturgebenden Wesensmerkmale über den Updateverlauf hinweg im Kern unverändert bleiben und deren Essenz durch ihre Konstanz somit sogar noch deutlicher hervortritt. Obgleich der versatile Charakter von Software unter heuristischen Aspekten fraglos als positiv zu bewerten ist, erzwingt der quellenkritische Umgang dessen künstliche Stillstellung. Die Festlegung konkreter Programmversionen und deren Konservierung via Screenshots garantiert die Transparenz des qualitativempirischen Datenerhebungsprozesses sowie der hieraus geschlussfolgerten Ergebnisse. Auf der Makroebene wird zunächst eine Positionsbestimmung von Software als Ware vorgenommen, deren ökonomisches Potential mit mobilen Anwendungen exponentiell gestiegen ist (vgl. Kap. 2.3). Bezugnehmend auf das von Wolfgang Ullrich eingeführte Konzept des Fiktionswertes gilt es nach den werbekräftigen Vorstellungsbildern zu fragen, die das Produkt – im vorliegenden Fall Hipstamatic und Instagram – potentiellen Konsumenten anbietet. Extrahiert werden diese anhand des offiziellen Markenauftritts auf den für mobile Software maßgeblichen Verkaufsportalen, den App Stores von Apple und Google. Mit dem offiziellen Werbetext und der Wort-Bild-Marke nimmt die sozialsemiotische Analyse die verbale wie visuelle Seite der Produktinszenierung in den Blick – zusammen formen diese letztlich eine multimodale Argumentationseinheit. Dieser vorgelagerte Analyseschritt ist mit der Erwartung verbunden, dass jene Selbstbeschreibungen auch ohne nähere Kenntnisse der Medienstruktur wie der softwarespezi-
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fischen Bildsprache eine geeignete Grundlage für erste Hypothesen bilden. Dargestellt werden selbige im nachfolgenden Abschnitt. Die diskursanalytische Betrachtung der begleitenden Kurztexte konnte zeigen, dass die Ästhetisierung des mobilen digitalen Bilds beiden Apps als zentrale Funktion wie Verkaufsargument dient (vgl. Kap. 3.1.1). Gleichsam argumentativ als unerlässliche Maßnahme eingeführt, bescheinigen die beworbenen Optimierungsvorgänge dem mobil erzeugten digitalen Bild ex negativo ein fundamentales ästhetisches Manko. Das Schönheitsideal von Hipstamatic orientiert sich explizit am Gemeinplatz ‚des Analogen‘: Plakativ als Antipode der Digitalität lanciert, basiere dessen ästhetischer Wert gerade auf der Unkalkulierbarkeit des fotografischen Resultats. Mit Spielzeugkameras benennt der Werbetext den konkreten Referenten, welchen es mimetisch nachzubilden gilt. Beworben wird folglich insbesondere die Simulationsleistung der Software, die nicht nur die Artefakte, sondern den gesamten Bildentstehungsprozess der – als Darstellungsideal inthronisierten – ‚analogen‘ Bildlichkeit emuliert. Der Werbetext von Instagram referiert demgegenüber nicht explizit auf ein ästhetisches Vorbild, sondern führt die App vielmehr als potente Kunst-Maschine ein, die am Ausgangsmaterial auf Knopfdruck eine ‚zauberhafte Verwandlung‘ in ‚Kunstwerke‘ vornehme. In Übereinstimmung mit gängiger Werberhetorik dienen Schönheit und Kunst den Kurznarrativen als wirkungsvolle Schlagworte. Dies bestätigt zugleich auch die einleitend formulierte Annahme, derzufolge Kamera-Apps im Dienste der ästhetischen Nobilitierung eines als defizitär gewerteten mobilen digitalen Bilds stehen. Die Analyse der jeweiligen Wort-Bild-Marke konnte zeigen, dass beide Apps sowohl im Grafikdesign des Programmicons als auch im gewählten Markennamen explizit auf die historisch gewordenen Weltkonzerne Polaroid und Kodak Bezug nehmen (vgl. Kap. 3.1.2). Die Selbstverortung in deren Nachfolge lässt einerseits auf enorme Ambitionen schließen; andererseits scheint die Folgerung legitim, dass Instagram und Hipstamatic ebenfalls fotografische Laien als primäre Zielgruppe anvisieren und sich somit gewissermaßen im Bereich mobiler digitaler Amateurfotografie 2.0 bzw. 3.0 in Stellung bringen. Als zentrales Referenzsystem von Hipstamatic kann jedoch die fotografische Stilrichtung der Lomografie gelten, die im untersuchten multimodalen Werbekommunikat signifikant häufig referenziert wird. Jene Beobachtung legt die Deutung nahe, dass Hipstamatic das filmbasierte ‚lomografische Prinzip‘ gewinnbringend auf den Bereich digitaler Bildproduktion transferiert. Bei Instagram deutet die namengebende Synthese von Sofortbild und Telegramm bereits auf die hybride Beschaffenheit der App hin, deren Funktionsumfang in der Bezeichnung ‚Kamera-App‘ nicht aufgeht. Die Wahl jener Kommunikationsmedien legt zudem nahe, dass der Fokus bei der Konzeption von Instagram auf der sozialen Komponente
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lag: Die Effizienz – namentlich Simplizität und Übertragungsgeschwindigkeit – ikonischer Kommunikation steht im Fokus. Da sich ein Bildphänomen ohne Betrachtung seines Mediums nicht adäquat untersuchen lässt, gerät auf Mesoebene das kulturelle Artefakt bildbasierte mobile Mediensoftware selbst in den Blick. Bezugnehmend auf die medientheoretische Position der Software Studies wird zunächst die soziokulturelle Relevanz von Software als inmaterielle Praxis herausgearbeitet (vgl. Kap. 2.4). Software wird hierbei als hybrides Gebilde definiert, das vielfältige politische, kulturelle wie konzeptionelle Konstellationen amalgamiert, welche wiederum durch reziproke Bezugnahmen sowie eine ökonomische Ausrichtung gekennzeichnet sind. Hierbei wird davon ausgegangen, dass Software als Konsumobjekt ein protoreflexives Verhältnis zu den Bedingungen ihrer Produktion wie Konsumption unterhält. Als implizite Wissensformation (tacit knowledge) integriert sie gesellschaftliche Normierungen und soziokulturelle Denkmodelle, die sich wiederum im Handlungsvollzug performativ in soziale Praktiken einschreiben. Speziell das Medieninterface, sichtbare Oberfläche des besagten ‚algorithmischen Zeichens‘, fungiert hierbei als interaktive ikonische Form, welche die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine über normierte Bildstrukturen vermittelt. Die vorliegende Arbeit begreift das Interface folglich als ästhetisch erfahrbare Bildform, deren Konzeption sowohl Rückschlüsse auf das zugrunde liegende Verständnis von Medien, Kultur und Kommunikation als auch auf die Beschaffenheit eines als idealtypisch antizipierten Nutzers zulässt. Das methodische Vorgehen zur Analyse der Fallbeispiele aus bildwissenschaftlicher Perspektive orientiert sich demnach folgelogisch am anschaulichen Charakter des grafischen Interfacedesigns und dessen Handlungsaufforderungen (affordances). Entlang der softwareseitig jeweils angebotenen Menüführung wird die Medienstruktur einer dichten Beschreibung bzw. einem close reading unterzogen (vgl. Kap. 2.4.1). Die zentralen Ergebnisse jenes analytischen Teilschrittes lassen sich wie folgt zusammenfassen: Hybridität sowie Universalität sind kennzeichnend für Instagram (vgl. Kap. 3.2.1). Als mobile All-in-one-Kamerasoftware enthält die App einerseits einen kompletten bildzentrierten Workflow aus Produktion, Postproduktion und Distribution in reduzierter Form. Jenen prozessoptimierten Arbeitsablauf kombiniert Instagram andererseits mit einem angeschlossenen sozialen Netzwerk. Diese hybride Formation stellt gleichsam die Innovationsleistung des Programms dar. Wie die medienstrukturelle Analyse zeigt, gilt innerhalb selbigem das Primat der ikonischen Äußerung. Da der Aufbau eines veröffentlichten multimodalen Kommunikats die Verwendung einer Bilddatei erzwingt, kann bildbasierte Kommunikation gar als obligatorisch gelten. Anhand zweier
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Beispiele wird veranschaulicht, wie Nutzer dennoch Möglichkeiten finden, die figurative (Selbst-)Darstellung auf Bildebene zu subvertieren und hinsichtlich ihrer klischeebehafteten Darstellungskonventionen zu parodieren. Medienstrukturell kennzeichnend ist weiterhin eine duale Organisationsform der visuellen Inhalte: Während der Feed in der Funktion eines personalisierten, echtzeitlichen Newstickers Einzelbildern aus heterogenen Quellen seine sequentielle Struktur aufprägt, verstetigen sich die hochgeladenen Mediendateien eines Nutzers wiederum im grid, der gerasterten pluralen Bildform des eigenen Profiltableaus (vgl. Kap. 3.2.3). Jenem Bildensemble liegt ebenfalls ein chronologisches Ordnungsprinzip zugrunde. Wie die vorliegende Forschung demonstriert, lässt sich jenes visuelle Identitätsnarrativ für eine phänomenrelevante Längsschnittbetrachtung nutzbar machen: Indem es eine zeitlich geordnete Zusammenschau sämtlicher Postings eines Users ermöglicht, werden anhand jener prozessualen pluralen Bildform gleichsam Veränderungen in der Bildpraxis ablesbar. Parallel zur Länge der Nutzungsdauer wird so eine zunehmende Souveränität im Umgang mit ikonischer Kommunikation auf Instagram beobachtbar. Neben planvoller Bildgestaltung und Motivwahl äußert sich diese vor allem in der formalen wie inhaltlichen Kohärenz der pluralen Bildform Profiltableau, einem zunehmend ausdifferenzierten, personalisierten Bildstil sowie dem bewussten Unterwandern von medienstrukturellen Limitierungen. Eine bedeutende Instagram-spezifische Medienkompetenz besteht folglich in der Fähigkeit, bereits im Moment der Bildproduktion eine doppelte Blickstellung im thürlemannschen Sinne zu antizipieren. Es gilt somit ein ästhetisches Bewusstsein für die Kohärenz des individuellen Tableaus und demzufolge ein Denken über das Einzelbild hinaus zu kultivieren, jedoch gleichzeitig dessen Kontextualisierung als ephemeres Einzelbild im hochtaktigen Informationsstrom des, durch kollektive sowie modulare Autorschaft gekennzeichneten, Feeds mitzuberücksichtigen. Beispielhaft wird erläutert, dass hierbei insbesondere Blogger und ‚Influencer‘ als Indikatoren für eine unter bildökonomischen Aspekten effiziente, d.h. aufmerksamkeitsgenerierende und somit wortwörtlich erfolgsversprechende Mediennutzung gelten können. In den untersuchten Programmversionen sind die softwareseitig angebotenen Möglichkeiten der Bildbearbeitung weitgehend vorkonfiguriert, wodurch sie lediglich eine binäre Interaktion, aber kaum manuelle Anpassung ermöglichen (vgl. Kap. 3.2.1). Über die verschiedenen Softwareupdates hinweg kann eine stärkere Ausdifferenzierung der implementierten Produktionsmöglichkeiten beobachtet werden, die ihr Pendant nutzerseitig sowohl in einer zunehmend personalisierten Bildsprache als auch in einer subtil nuancierten, weniger plakativ schablonierten Bildbearbeitung findet.
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Als zentrales Ergebnis der vorliegenden Forschung kann des Weiteren die Beobachtung gelten, dass der Nachbearbeitung des mobil aufgenommenen digitalen Bilds eine integrale Bedeutung im Workflow ikonischer Kommunikation auf Instagram und darüber hinaus zugemessen wird. Im Kontext von Social Media stellt sich folglich weniger die Frage danach, ob, sondern vielmehr wie, d.h. mittels welcher Apps, eine Aufnahme bearbeitet wurde. Softwaregestützte Ästhetisierungs- und somit Stilisierungsprozesse sind, das legen die Ergebnisse nahe, innerhalb populärer Bildproduktion wie -konsumption konsensfähig und ergo selbstverständlicher Bestandteil zeitgenössischer Bildpraxis. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass die offensichtlich inszenierten Fotografien dennoch keineswegs an Glaubwürdigkeit einbüßen; andernfalls ließe sich kaum erklären, warum ‚Influencer-Marketing‘ derart erfolgreich ist. In Anknüpfung an eine Studie von Nadav Hochman und Lev Manovich aus dem Jahr 2013 wird in Kapitel 3.2.3 ebenfalls die dynamische Zeitrechnung von Instagram näher beleuchtet: Durch ein nutzerzentriertes und daher relatives Zeiterleben gekennzeichnet, inkorporiert das wahrgenommene Einzelbild simultan multiple, gegenläufige Zeitebenen, die selbigem letztlich eine Form der Atemporalität attestieren. Beachtung finden abschließend die, vonseiten der Medienstruktur wie des Interfacelayouts prominent hervorgehobenen, aufmerksamkeitsökonomischen Parameter, Likes und Follower. Diese sind selbst wiederum eng an die Verdatung von Medieninhalten qua Hashtag-Ensembles gebunden und fungieren im Kontext von Social Media wortwörtlich als ökonomisches Kapital; lässt sich mit ihnen doch die Reichweite und somit der Einfluss eines Profils bzw. eines Postings quantifizieren. Verglichen mit Instagram ist der Aufbau von Hipstamatic deutlich komplexer: Die Konzeption ist eine völlig andere, zielt die App doch auf eine möglichst glaubhafte Emulation einer Kleinbild-Kompaktkamera (vgl. Kap. 3.2.2). Der Simulationsanspruch beschränkt sich hierbei nicht auf die aufgenommenen Bilddateien, sondern ist vielmehr allumfassend und stellt somit gleichfalls auf die Erlebnisqualität des filmbasierten fotografischen Bildentstehungsprozesses ab. Erfahrbar wird diese im praktischen Vollzug: Die Handhabung wie der Funktionsumfang der Software sind durch künstliche, bewusst unzeitgemäße Limitierungen gekennzeichnet. Es ist gerade jene vergleichsweise mühsame wie anachronistische Handhabung, welche die Emulationsleistung der App adelt. Voraussetzung für die überzeugende Illusion ist eine bruchlose wie stimmige Inszenierung. Das Interfacedesign orientiert sich an einem skeuomorphistischen Bildstil: Fotorealistisch dargestellt zeigen die zwei Hauptmenübildschirme Vorder- wie Rückseite eines idealtypisch formalisierten Kompaktkameramodells, dessen Gehäusedesign frappierende Ähnlichkeit mit der LOMO LC-A aufweist. Diese Beobach-
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tung bestätigt erneut die These, dass Hipstamatic sich anschickt, die Lomografie ins Digitale zu überführen. Die Passung zwischen der Gestaltung der grafischen Benutzeroberfläche und dem Gehäusedesign des i-Geräts evoziert den Eindruck eines allansichtigen Realobjekts. Das Interfacedesign von Hipstamatic macht sich folglich die zurückgenommene und bedeutungsoffene Gestaltung des iPhones zunutze, dessen nahezu formatfüllendes Display als fiktiver Illusionsraum besondere Eignung besitzt. Um Fremdeinwirkungen und demzufolge Störungen der anvisierten Simulation zu vermeiden, sieht Hipstamatic medienstrukturell keinen Import von Bildmaterial vor. In Korrespondenz mit dem Paradigma ‚filmbasierte Kleinbildkamera‘ werden die visuellen Effekte in Hipstamatic den drei Komponenten Objektiv, Film und Blitz als Attribute beigegeben. Jene Trias stellt die entscheidenden Variablen der Bildproduktion, auf deren Kombination sich der Nutzer im Vorfeld des Auslösens festlegen muss. Als obligatorischer Bestandteil der Simulation avanciert die formal-ästhetische Stilisierung des digitalen mobilen Bilds in Hipstamatic folglich zur Conditio sine qua non der Bildgenese. Im Anschluss an die Analyse der medienstrukturellen Spezifika werden nunmehr auf Mikroebene die implementierten grafischen Effektfilter untersucht (vgl. Kap. 2.5). Als instrumentelle Bildform verstanden, dienen sie der einfachen und schnellen Instant-Ästhetisierung des mobilen digitalen Bilds. Dieser Teilabschnitt markiert nicht nur den zentralen Analyseschritt der vorliegenden Arbeit, sondern stellt gleichfalls methodisches Neuland dar. Die Ergebnisevaluation der vorausgehenden medienstrukturellen Betrachtung legt nahe, zur Analyse der softwareseitig bereit gestellten Grafik-Presets visuelle Testreihen zu generieren. Deren Nutzung mündet in der Feststellung, dass ein motivischer Zugang die Auswertung unnötig erschwert. Analog zu den Instagram-spezifischen Bildparametern werden in der Konsequenz abstrakte wie achromatische Referenzbilder in Adobe Photoshop angelegt. Konzeptionell orientiert sich deren Gestaltung an den visuellen Normierungsfunktionen des elektronischen Farbtestbilds. Die fünf entworfenen Referenzbilder – (1) Weiß, (2) Schwarz, (3) Neutralgrau, (4) Primär- und Sekundärfarben sowie eine (5) schwarzweiße Gitterstruktur – basieren auf den numerischen Farbwerten des RGB-Farbraums und dienen als heuristisches Visualisierungsprinzip. Erwartet wird, dass ihr Einsatz den formalästhetischen Spezifika des jeweiligen Filtereffekts – von einer motivischen Darstellung unverstellt und somit gewissermaßen ‚in Reinform‘ – zur Bildgebung verhilft. Die entwickelte Methode zur Dekonstruktion der Grafikfilter ist somit nicht nur medienadäquat, sie macht vielmehr sogar von der Adressierbarkeit des digitalen Bilds Gebrauch. Der Rekurs auf das farbmetrische RGB-System ermög-
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licht maximale Kontrolle der Farbveränderungen und garantiert die Objektivierbarkeit der Ergebnisse. Die Auswertung der Testbilder erfolgt auf zwei Wegen, die sich wechselseitig als Komplement wie Korrektiv dienen: (a) anhand ihres anschaulichen Charakters durch vergleichendes Sehen sowie (b) softwaregestützt-numerisch mithilfe von Adobe Photoshop. Als Arbeitshypothese wird angenommen, dass sich mobile Bildbearbeitungssoftware konzeptionell an den bereits für Desktop-Programme etablierten Konventionen orientiert und diese in reduziert-vereinfachter, weitgehend automatisierter bzw. vorstrukturierter Form auf das Feld mobiler Mediensoftware transferiert. Im Hinblick auf die entwickelte Methodik kommt die vorliegende Forschung zu dem Ergebnis, dass abstrakte wie farbgenormte digitale Referenzbilder ein probates Mittel zur isolierten Bildgebung der Programmfunktion Grafikfilter und deren formaler Gestaltungselemente sind (vgl. Kap. 3.3.1). Da sich diese am deutlichsten auf dem neutralgrauen Referenzbild III abbilden, kann obendrein geschlussfolgert werden, dass jener achromatische Mittelwert zwischen RGBWeiß und -Schwarz hierzu besonders geeignet ist. Die jeweils wirksamen Grafikschablonen und deren dekomponierte Bestandteile können, so die forschungsleitende These, als visueller Kern der softwareseitig angebotenen Bildsprache gelten und beinhalten folgelogisch die stilprägenden Schlüsselelemente bzw. den semiotischen Code des jeweiligen Programmstils. Wie die Dekomposition des instagramesken Programmstils zeigt, lassen sich dessen signifikante gestaltgebende Elemente auf die Trias Farbe, Hell-DunkelGradation bzw. Vignettierung und Oberflächenstrukturierung reduzieren. Die Gewichtung sowie das Verhältnis jener drei bildver-ändernden Parameter gibt die folgende Formel wieder: Farbe + (Gradation + Struktur). Den Ergebnissen der Testbildauswertung zufolge kann Farbe als zentrales stilprägendes Element gelten; ändert sich die Farbigkeit der Aufnahme, unabhängig vom konkret gewählten Grafikfilter, doch in jedem Fall. Für die untersuchte Instagram – Version 4.1.2 kann weiterhin gelten, dass Farbe maßgeblich in der Funktion als globales, d.h. die gesamte Bildoberfläche veränderndes Kolorit auftritt. Da lediglich zwei der 19 verfügbaren Effektschablonen eine Entsättigung der vorhandenen Farbwerte vornehmen und die Aufnahme derart einer Schwarzweißfotografie angleichen, kann darüber hinaus davon ausgegangen werden, dass achromatische Farbtöne für den instagramesken Bildstil keine Relevanz besitzen, zumal sie statistischen Angaben zufolge auch unter Nutzern unpopulär sind. In der extrahierten Trias kommt Farbe somit das Primat zu. Die beiden anderen Komponenten des Effektbaukastens stehen in Korrelation zueinander, treten sie doch nie alleine, sondern nur in Verbindung miteinander auf. Sowohl der Vignettierungseffekt als auch die dekorative Oberflächenstrukturierung sind, so die These, visuelle
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Embleme bzw. Suggestionsmittel des Fotografischen. Ihre Wechselwirkung lässt sich demzufolge über die Zitation des filmbasierten fotografischen Mediums sowie der materiellen Qualitäten des Papierabzugs erklären. Folglich fungieren sie als schematische Symbole für bzw. formale Suggestionsmittel von Medienmaterialität. Zur besseren vergleichenden Beurteilung der Formvariationen wird die optionale Funktion Bildrahmen künstlich aus dem Verbund der Bildebene isoliert. Methodisch belegt diese Operation erneut die Qualifikation von Adobe Photoshop in der Funktion eines heuristischen Mittels. Wie die vorliegende Arbeit demonstriert, stellen die Auswahlwerkzeuge des Bildbearbeitungsprogramms ein geeignetes Hilfsmittel zur Verfügung, um eine Qualitätsprüfung der digitalen Mimikry vorzunehmen. Im Anschluss an die von Manovich zur Analyse von Anwendungssoftware eingeführte Begriffspaarung automatisch – manuell lässt sich im Kontext der Instagram-Grafikfilter davon sprechen, dass der Grad an manueller Feinjustierung des Auswahlwerkzeugs als Indikator für die überzeugende digitale Simulation einer vorgängigen physischen Entität gelten kann. Umgekehrt gilt, je automatisierter sich Bildbestandteile freistellen lassen, desto offensichtlicher ist die generisch digitale Verfasstheit der optisch ‚analogisierten‘ bzw. ‚rematerialisierten‘ Bilddatei. Die unterschiedlichen Rahmenformen repräsentieren einen idealtypischen, auf seine formale Essenz reduzierten, fotografischen Papierabzug und stellen derart auf die Objektqualität wie industrielle Konfektionierung prädigitaler fotografischer Medientechnologie ab. Im Dienste der anvisierten Simulation verfügt die Medienstruktur von Hipstamatic nicht über eine Importfunktion. Sie erzwingt daher eine Anpassung des methodischen Vorgehens durch die Verwendung eines physischen Referenzobjekts (vgl. Kap. 3.3.2). In Übereinstimmung mit der Methodenevaluation wird ebenfalls ein achromatisches Farbfeld aus der Grauskala der GretagMacbethTM ColorChecker® Color Rendition Chart verwendet. Im Fall von Hipstamatic zeigt sich folglich bereits bei dem Versuch, einen empirischen Versuchsaufbau zu konzipieren, softwareseitig massiver Widerstand. Diese Beobachtung deckt sich mit dem herausgearbeiteten Kernprinzip, das gerade auf die Hervorbringung unkontrollierbarer wie zufälliger visueller Bildeffekte abzielt. Darüber hinaus spiegeln jene Limitierungen gleichsam die medienstrukturelle Verfasstheit der App als geschlossenes System. In Hipstamatic ist die Bildgenese das Resultat einer Kombination aus mindestens zwei von drei bildverändernden Parametern – namentlich Linse, Film und Blitz. Die angefertigten Testreihen offenbaren, dass die stilistische Bildformel von Hipstamatic ebenfalls auf den bereits anhand von Instagram dekonstruierten Stilelementen – Farbe, Vignettierungseffekt und
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Oberflächenstrukturierung – basiert. Die einzelnen schablonenhaft formalisierten Bausteine sind somit identisch. Der entscheidende strukturelle Unterschied besteht jedoch in deren Arbeitsweise, die in Hipstamatic durch aleatorische Variation gekennzeichnet ist. Durch optional zukaufbare Komponenten erweitern sich die verfügbaren Bildformeln geradezu unüberschaubar. Hierdurch scheint die Schlussfolgerung zulässig, dass Hipstamatic durch das kombinatorische Prinzip sowie die algorithmische Implementierung des Zufalls – in Übereinstimmung mit dem zu emulierenden ‚analogen‘ Bildentstehungsprozess – darauf abzielt, ‚digitale Unikate‘ zu erzeugen. Abgeschlossen wird die analytische Betrachtung der Mikroebene der beiden Apps mit Blick auf ein Schichtenmodell, das die Ergebnisse in ein Schaubild überführt und schematisch zusammenfasst (vgl. Kap. 3.3.3). Als ein zentrales Ergebnis kann gelten, dass die visuellen Effekte sowohl in Instagram als auch in Hipstamatic durch ein temporales wie temporäres ‚Ge-Schichte‘ gekennzeichnet sind. Unter ihrer Anwendung findet einerseits eine Ver-Zeitlichung des Bilds statt. Jener bildhafte Vergangenheitsmodus ist hierbei durch Pluralität gekennzeichnet. Andererseits handelt es sich bei der Programmfunktion Grafikfilter auf Bildebene um ein polysemes Readymade, das sich als Bestandteil einer Effektklaviatur in Form eines warenförmig zugerichteten semiotischen Ensembles darbietet. Im Hinblick auf die zuvor formulierte Arbeitshypothese kann als Ergebnis festgehalten werden, dass das in Instagram implementierte Sortiment an präfigurierten Bildstilen und Medieneffekten die durch Photoshop etablierte Vorstellung des digitalen Bilds als beliebig gestaltbares Kompositum (vgl. Kap. 2.1.1) vereinfacht und popularisiert und derart, so sei weiterhin geschlussfolgert, paradigmatisch auf die Konfigurierbarkeit von Kultur verweist. In Adaption einer Weisung Ann Swidlers fungiert das mobile digitale Bild innerhalb zeitgenössischer populärer Bildpraxen primär als „material for [filter; K.G.] action“ und dient somit lediglich als gestaltbares Rohmaterial einer sich innerhalb ikonischer Alltagskommunikation zunehmend selbstverständlich anschließenden Bildbearbeitung. Demzufolge bekleidet das mobile digitale Bild den Status eines potentiellen wie modularen Polysems, das erst im Schritt der Postproduktion seine, ausdrücklich vorläufige, individuelle Vollendung findet. Anhand der realtime image filter mobiler Betriebssysteme wird abschließend aufgezeigt, dass sich die Modulation von Bildbedeutung zunehmend auch als fotografisches Apriori in Stellung bringt. Nach den extensiven Fallbeispielanalysen weitet die Arbeit in Kapitel 4 ihren Blick und wendet sich mit Polaroid und Lomografie den herausgearbeiteten medienhistorischen Vorbildern zu (vgl. Kap. 4.1 u. 4.2). Neben einer diskursanaly-
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tischen Betrachtung der Fiktionswerte dient dieses komparatistische Vorgehen insbesondere dazu, die softwareseitig formalisierten Schemata an vorgängige Bildformeln und deren Konnotationen rückzubinden. Im Kontext der vorliegenden Arbeit wird der Lomografie hierbei größere Aufmerksamkeit zuteil. Diese Entscheidung fußt einerseits auf der vergleichsweise schlechten Quellenlage, ist jedoch gleichsam mit der Erwartung verbunden, dass die Lomografie als Weiterverarbeitung wie Neuinterpretation traditioneller Amateurfotografie deren diskursrelevante Formationen und Topoi nuanciert. Im Vorfeld erfolgt ein Exkurs zu phänomenunabhängigen Legitimationen für die mimetische Bezugnahme auf vorgängige, bereits bekannte Medientechnologien im Digitalen. So erleichtert diese eine Gewöhnung an technische Neuerungen und fördert deren intuitive Nutzbarkeit. Die computergestützte Imitation des zelluloidbasierten Filmbilds steht darüber hinaus im Dienste fotorealistisch geprägter Sehgewohnheiten. Im Kontext des mobilen digitalen Bilds wird jene von Manovich konstatierte ‚Fetischisierung des Filmlooks‘ und dessen Bildfehler als probates kosmetisches (Hilfs-)Mittel zur Ästhetisierung des mobilen digitalen Bilds gehandelt. Die Absichtserklärung des fünften und letzten Kapitels besteht in der Formulierung von Arbeitshypothesen, die sich aus den Ergebnissen der Forschung ableiten lassen und potentiell Anknüpfungspunkte für weitere Untersuchungen liefern. Mit Ullrich übereinstimmend wird angenommen, dass die Grafikfilter zur näheren Beschreibung einer temporären Subjektposition dienen. Unter Zuhilfenahme jener semiotischen Ensembles lässt sich die subjektiv-gefühlsmäßige, aktuelle Situation näher spezifizieren. Gemäß dieser Logik liefern Grafikfilter eine Variation an Bildformeln, die es bestenfalls ermöglichen, eine individuelle wie innerliche, temporär gültige Standortbestimmung vorzunehmen. Hierbei verbürgt die normgebende, in der Praxis gleichwohl fiktive Instant-Kommunikation den dokumentarischen Charakter der Bildaufnahme. Authentizität beziehen die stark stilisierten, offenkundig durch Nachbearbeitung veränderten Aufnahmen durch ihre angenommene unmittelbare Transmission sowie durch die gegenwärtige Gültigkeit der bildhaften Selbstaussage. Für ihre Glaubwürdigkeit sind sie demnach gerade nicht auf einen dokumentarischen Bildstil angewiesen. Im Kontext von Instagram ist dem mobilen digitalen Bild folglich, so die Annahme, weniger eine Abbild-, denn eine Sinnbildqualität eigen. Aus den Ergebnissen (vgl. Kap. 3.3) lässt sich schlussfolgern, dass selbige maßgeblich mittels Farbtönung zustande kommt, gilt Farbe der vorliegenden Arbeit doch als stilistische Essenz des Instagram-Looks. Im Hinblick auf den kulturell geläufigen Konnex von Stimmung und Farbe wird die qua Instagram nachbearbeitete Aufnahme als zeitgenössische Form des Stimmungsbilds verstehbar. Anhand verschiedener
Zusammenfassung | 351
Aspekte wird weiterhin die These untermauert, dass Farbe als maßgebliches Gestaltungselement des instagramesken Programmstils gelten kann und als Konsistenzminimum dessen Wiedererkennbarkeit gewährleistet. Mithilfe einer ikonischen Längsschnittbetrachtung, wie sie die Funktion Profiltableau sui generis ermöglicht, wird die Beweisführung angetreten, dass der – weitgehend durch ästhetische Uniformität wie Redundanz gekennzeichnete – Programmstil der Anfänge einem Individualstil gewichen ist. Persönlichkeit wird, so die These, zunehmend über Farbschemata transportiert und der Aufnahme in Form einer zusätzlichen Bildebene, dem eigens abgemischten Kolorit, appliziert. Das von Alexander Tilgner geprägte Kofferwort Indivisualisierung scheint das parallel zur Ausdifferenzierung des Mediums sowie der userspezifischen Zunahme an Medienkompetenz steigende Bedürfnis nach einer individuellen Bildsprache und somit visueller Distinktion besonders treffend zu beschreiben. 4 Die nutzerseitige Professionalisierung geht mit einer deutlich sichtbaren Anlehnung an konventionelle Werberhetorik und -bildgebrauch einher. Inwiefern diese Beobachtung über die fallbeispielhaft verwendete Gruppe erfahrener Social-Media-Nutzer hinaus Bestand hat, gilt es zu untersuchen. Fraglos handelt es sich hierbei um jene User, die unter anderem über Werbekooperationen Geld mit Instagram verdienen und deshalb natürlich besonders ökonomisch mit ihren Bildern wirtschaften müssen. Dies ist umso auschlaggebender, als die Listenansicht des Feeds nicht mehr sämtliche Uploads abonnierter Profile chronologisch aufführt, sondern – wie auch im Fall von Facebook – Postings algorithmisch nach Relevanz ordnet. Relevant ist, was ganz oben angezeigt und demzufolge mit höherer Wahrscheinlichkeit gesehen wird. Quantifiziert wird Relevanz über die Anzahl an Interaktionen mit einem Eintrag, die sich ebenfalls mittels Likes und Kommentaren numerisch angeben lässt. Mit fehlender sozialer Reichweite schwindet somit die eigene Präsenz. 5
4
Tilgner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Nutzer hierbei eine Gradwanderung zwischen individuellem und uniformem (Selbst-)Ausdruck vollführen. Vgl. Tilgner, Alexander: Indivisualisierung & Clashplay. Die Funktion des Avatars in neuartigen fankulturellen Praxen, Universitätspublikation, Frankfurt a.M. 2018.
5
Wie (be)schwer(lich) und arbeitsintensiv es ist, in Instagram zu (bescheidener) Prominenz zu gelangen, hat die Journalistin Eva Fischer in einem Selbstversuch eruiert. Vgl. Fischer, Eva: „Nicht nackig genug“ – Der schwere Weg zum Social-Media-Star, http://wiwo.de
vom
23.05.2017,
http://www.wiwo.de/erfolg/trends/nicht-nackig-
genug-der-schwere-weg-zum-social-media-star/19819542.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
7
Bewertung und Ausblick
Ein entscheidendes Merkmal von internetfähigen Mobilgeräten wie Smartphones und Tablets ist die Trivialisierung ihrer äußeren Erscheinung bzw. ihrer Oberflächen. 1 Gemeint ist hiermit nicht bloß die materielle Seite des minimalistischen Produktdesigns, sondern auch die Gestaltung der grafischen Benutzeroberfläche von mobilen Softwareanwendungen. 2 Diese verflachende Komplexitätsreduktion steht im Dienste maximaler Benutzerfreundlichkeit 3, bedingt aber gleichzeitig geradezu zwangsläufig ein zunehmendes Blackboxing 4 der hintergründig ablaufenden Systemprozesse. Aus jener Diskrepanz zwischen einer simpel wirkenden äußeren Erscheinung auf Ebene des Produkt- und Interfacedesigns einerseits und hochkomplexen Rechenoperationen auf Programmierebene andererseits er1
Vgl. Becker, Claudia: Lob der Oberflächlichkeit. Für eine Philosophie der Benutzeroberfläche, http://www.heise.de vom 27.11.2011, http://www.heise.de/tp/artikel/35/ 35951/1.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
2
Vgl. Kaerlein: Playing with Personal Media, S. 651.
3
Die verbauten Natural User Interfaces (NUI) ermöglichen einen voraussetzungslosen Umgang mit dem technischen Gerät, da sie sich intuitiv, ohne vorherige Lernphase oder die Aneignung spezifischen Wissens, bedienen lassen. Die Erkundung der Handhabung wie des Funktionsumfangs erfolgt hierbei spielerisch-experimentell nach dem heuristischen Prinzip des Trial-and-Error. Vgl. Müller-Prove, Matthias: Zurück in die Kindheit – Infantilisierung im UI-Design, Hyper-Kult XX, Lüneburg, 7.-9. Juli 2011, http://www.mprove.de/script/11/hyperkult/index.html (zuletzt aufgerufen am 01.06. 2018).
4
Nach Kaerlein wird hierunter ein für Medientechnologien üblicher Prozess der Unsichtbarmachung sozialer und materieller Grundvoraussetzungen verstanden. Diese tragen entscheidend zur Konzeption und Konstruktion eines Mediums bei, werden aber absichtlich vor den Endanwendern versteckt. Vgl. Kaerlein: Playing with Personal Media, S. 651.
354 | Der Instagram-Effekt
wächst eine problematische Asymmetrie des Wissens. 5 Situiert zwischen Infantilisierung 6 bzw. Ent-Fähigung der Nutzer und der Freiheit, spielerisch neue Kulturtechniken erkunden zu können, ist der Diskurs über personal media daher maßgeblich durch Ambivalenz gekennzeichnet. Ihre einfache und intuitive Bedienbarkeit resultiert aus geschlossenen Systemen, die sich nicht oder nur schwerlich hintergehen lassen; Ermächtigung und Entmündigung stehen folglich in einem dialektischen Verhältnis. Aus medientheoretischer Perspektive konstatiert Kaerlein eine für personal media strukturell kennzeichnende „Epistemologie der Ignoranz“ 7. Demnach eröffne die Banalisierung von Technologie inklusives Potential und könne von einem erkenntnistheoretischen Standpunkt aus betrachtet daher, aller berechtigten Skepsis zum Trotz, durchaus positiv bewertet werden: Sie ermögliche eine unbefangene spielerische Auseinandersetzung, frei von kognitivem Ballast, die in besonderer Weise geeignet sei, kreatives Potential freizusetzen. 8 Obwohl die von Kittler problematisierte strukturelle Asymmetrie von Wissen nicht wegzudiskutieren ist, besitzt dieser „Analphabetismus“ 9 – wie Timo Kaerlein überzeugend darstellt – gleichsam ein produktives Moment. 10 Als stark vereinfachte wie weitgehend automatisierte Softwareprogramme sind mobile Apps in toto durch jene Dialektik gekennzeichnet. Hipstamatic und Instagram zielen bereits seitens der Programmstruktur auf die visuelle Kommunikation im social web und zeichnen sich durch ihre intuitive und somit maximal 5
Im Bereich mobiler Endgeräte verschließen sich Hardware und implementierte Firmware vollständig einem direkten Zugang durch den Nutzer. Lässt sich ein Desktop-PC mit den nötigen Kenntnissen aus einzelnen Komponenten individuell zusammenbauen und mit einem Betriebssystem der Wahl bestücken, erlischt bei seinen miniaturisierten Nachfolgern – wie Laptops, Tablets oder Smartphones – die Garantieleistung unmittelbar beim – als unsachgemäße Handhabung deklarierten – Öffnen des Gehäuses. Ein souveräner Umgang des Endverbrauchers mit der Hardware ist herstellerseitig nicht erwünscht und wird auf diese Weise präventiv sanktioniert. Auch die Entfernung softwareseitiger Limitierungen iOS-basierter Endgeräte durch sogenannte Jailbreaking-Software ist von Apple nicht vorgesehen und mündet ebenfalls in ein Erlöschen der Herstellergarantie. Vgl. hierzu auch Zittrain, Jonathan: The Future of the Internet And How to Stop It, New Haven/CT. 2008.
6
Vgl. Müller-Prove: Zurück in die Kindheit – Infantilisierung im UI-Design.
7
Kaerlein: Playing with Personal Media, S. 651.
8
Vgl. ebd., S. 660 f.
9
Kittler, Friedrich: Die Parameter ändern. Ein Gespräch mit Rudolf Maresch am 4. April 1992, in: Synanthropen (= Tumult – Schriften zur Verkehrswissenschaft, Band 19), Wien 1994, S. 119-131, hier S. 128.
10 Vgl. Kaerlein: Playing with Personal Media, S. 664.
Bewertung und Ausblick | 355
benutzerfreundliche Bedienung aus. Folglich ermöglichen sie fotografischen Laien eine professionell wirkende ästhetische Optimierung ihrer mobilen digitalen Bilder und bieten auf Knopfdruck Zugang zu den semiotischen Codes chemo-physikalischer Fotografie. Kritisch betrachtet muss sich ihr medienstruktureller Entwurf dennoch fraglos den Vorwurf gefallen lassen, positivistische Tendenzen zu unterstützen und derart letztlich einem souveränen, medienkompetenten Umgang im Kern entgegenzuarbeiten: „[…][Es gibt] keinen ‚adäquate(n) Nexus‘ mehr zwischen der Geste der Bedienung und dem immer schon ‚apparativ (…) fertig‘ bereitliegenden Effekt, der ‚sich in seiner Bedingtheit und in der Kompliziertheit seines Zustandekommens sorgfältig vor uns (verbirgt), um sich uns als das mühelos Verfügbare zu suggerieren.‘“ 11
Die Forderung nach medienadäquater Bildung zielt hierbei jedoch weniger auf eine Vermittlung des qua Grafikfilter symbolisierten filmbasierten fotografischen Referenzsystems, dessen semiotische Reduktion auf einen schematisierten Oberflächeneffekt ja tatsächlich beklagenswert erscheinen kann, sondern vielmehr auf die Unterstützung eines sicheren Umgangs mit dem Smartphone als bildproduzierendem Apparat. Ein medienpädagogischer Bildungsauftrag erwächst demzufolge aus der zunehmenden Ubiquität von visuellen Medienartefakten in der alltäglichen Kommunikation, die simultan mit einer Verrätselung wie hermetischen Abriegelung jener Apparaturen einhergeht, mit deren Hilfe selbige generiert, modifiziert und distribuiert werden. Dieses mystifizierende Element ist hierbei nicht grundsätzlich neu (vgl. bspw. Polaroid), erhält jedoch aufgrund der softwareseitig implementierten Verschaltung mit OnlineDatenbanken im Kontext von personal media eine deutlich brisantere Dimension – und zwar gerade weil jene ein hochkomplexes Netzwerk aus unsichtbaren Kräften und Machtverhältnissen repräsentieren. Ihre Verstrickung erschöpft sich daher mitnichten in lokalen Aspekten des Geräts; speziell durch die jeweils installierte, vielfach cloudbasierte Software und den mobilen Internetzugang sind die Geräte in eine dynamisch wuchernde rhizomatische Struktur eingebettet, über deren Ausmaß und konkrete Beschaffenheit der Nutzer selbst keinerlei Kenntnisse hat und sich diese auch nur schwerlich transparent machen kann. 12 11 Kaerlein: Die Welt als Interface, S. 151 f.; bezugnehmend auf Hans Blumenberg. Vgl. Blumenberg, Hans: Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der Phänomenologie, in: Ders: Wirklichkeiten in denen wir leben. Aufsätze und eine Rede, Stuttgart 1981, S. 7-54, hier S. 35 f. 12 Vgl. Kaerlein: Playing with Personal Media, S. 652. Eine derartig konkrete und lokale Objektrepräsentanz, welche auf ein abstraktes wie unsichtbares Netz an Relationen
356 | Der Instagram-Effekt
Die Komplexität der diversen, auf unterschiedlichen Ebenen beheimateten Diskursformationen bildet sich hierbei nicht in der äußeren Erscheinung der Endgeräte ab, vielmehr durchlaufen die materiellen wie virtuellen Oberflächen im Produkt- und Interfacedesign jeweils eine Trivialisierung. In Kombination mit dem privilegierten Körperbezug und der intuitiven Bedienbarkeit, die das internetfähige Mobilgerät vorgeblich selbsterklärend und seine Technizität transparent erscheinen lassen, arbeitet das Oberflächendesign einer Naturalisierung des technischen Artefaktes zu. Gerade mobile Apps suggerieren durch ihre spielerischkurzweilige Gewandung Harmlosigkeit; ihre Anwendung scheint primär selbstzweckhaft und folgenlos. Mobile Softwareanwendungen gleich welchen Genres sind demnach durch eine Doppelbödigkeit charakterisiert. Matviyenko zufolge fungieren Apps als Lockmittel wie Blendwerk im Dienste der Dissimulation des komplexen medieninmateriellen Dispositivs: „By making computing seamless and making the media environment subliminal, apps trick users and draw their attention from the networks’s algorithmic architecture to entertaining and userfriendly opaque screens.“ 13 Als stark vereinfachte Versionen von, in der Handhabung deutlich voraussetzungsvolleren, desktopbasierten Bildbearbeitungsprogrammen wie beispielsweise Adobe Photoshop zielt mobile bildverarbeitende Mediensoftware auf eine ungleich größere Gruppe von Produsern 14. Positiv gewertet und in Anschluss an die Überlegungen Kaerleins befördern sie folglich gleichsam die Demokratisierung von kulturellen Produktionsmitteln und Ausdrucksformen, eine Trendentwicklung, die sich in einem signifikanten Anstieg usergenerierter Inhalte niederschlägt und den Elitismus von professionellen Medienschaffenden wie auch Künstlern herausfordert. Aus der Übersetzung des fotografischen Bilds in Computercode und somit dessen Integration in die wesenhaft grenzenlose Computergrafik resultiert eine grundlegende Stärke des digitalen Bilds: die Entmachtung des Referenten. 15 Indem das digitale Bild das fotografische Dispositiv, insbesondere die Naturalisierung der Fotografie aufgrund ihrer indexikalischen Qualität, subvertiert, gemahnt es den Rezipienten einer wachsamen wie kritischen Interpretation. verweist, stellt nach Hartmut Böhme die Grundstruktur des Fetischismus dar. Vgl. Böhme, Hartmut: Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne, Reinbek bei Hamburg 2006, hier S. 190. 13 Matviyenko: Introduction, S. xx. 14 Bezüglich des Begriffs, einer Wortschöpfung aus producer und user, vgl. Bruns, Axel: Blogs, Wikipedia, Second Life and Beyond. From Production to Produsage, New York 2008. 15 Vgl. Lunenfeld: Digitale Fotografie, S. 165 sowie Buse: Polaroid into Digital, S. 10.
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Tableau 39: (1) Yellowfacing mittels Snapchat-Filter; (2) genutzt als Bildpropaganda im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016.
Konkret bezogen auf den Wandel ikonischer Kommunikation durch internetfähige Mobilgeräte sowie den Umgang mit mobilem digitalen Bildmaterial lässt sich in Übereinstimmung mit Koch davon sprechen, dass sich heutige, vorrangig mobil genutzte, digitale Bildmedien zu „‚machineries of imagination‘“ 16 weiterentwickelt haben: „Die Erzeugung und Verbreitung von Imaginationen wird damit in gewisser Weise […] demokratisiert und individualisiert, wenn auch um den Preis von Kommodifizierung und Berechenbarkeit.“ 17 Koch bezeichnet die hieraus hervorgehenden kulturellen Artikulationen als „Imaginative“ 18. Im Hinblick auf die warenförmige Zurichtung von kulturell verfügbarem Zeichenmaterial – beispielsweise in Form der Programmfunktion Grafikfilter – scheint
16 Koch: Empirische Kulturanalyse in digitalisierten Lebenswelten, S. 193; Herv. i.O. Die gewählte Formulierung nimmt explizit Bezug auf Ulf Hannerz’ Vorstellung der Medien als „machineries of meaning“. Hannerz, Ulf: Cultural Complexity. Studies in the Social Organization of Meaning, New York 1992, S. 26. 17 Ebd., S. 197. 18 Ebd., S. 196.
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gleichsam auch das von Uwe Pörksen geprägte Kofferwort Visiotyp 19 zutreffend. In den Grafikfiltern kondensieren visuelle Stereotype, die es kritisch zu hinterfragen gilt, gerade weil sie auf arbiträren Setzungen beruhen, die innerhalb alltäglicher Bildpraxis weitgehend unhinterfragt zur Anwendung kommen und hierdurch eine wirkmächtige Naturalisierung erfahren. Im Kontext von Snapchat ist 2016 beispielsweise eine Debatte über das diskriminierende Design der implementierten Fotofilter entbrannt. 20 Neben der klischeehaften, rassistischen Darstellung asiatischer Physiognomie (vgl. Tab. 39, 1), die unter anderem auch von Trump-Befürwortern im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf zur Diffamierung von Hilary Clinton eingesetzt wurde (vgl. Tab. 39, 2), haben verschiedene Autorinnen des Weiteren auf die „rassitischen Algorithmen“ 21 bildbasierter mobiler Social-Media-Anwendungen aufmerksam gemacht: Bei Snapchat- wie Instagram-Filtern finde eine Diskriminierung durch sogenannte ‚Whitening-Effekte‘ statt, die speziell dunkle Hauttöne automatisch aufhellen und somit zwangsweise an ein hellhäutiges Schönheitsideal angleichen würden. 22 Wie die Untersuchung zeigen konnte, erfahren die heterogenen Ausdrucksmittel ‚analoger‘ Medientechniken, konkret Polaroid sowie Lomografie, durch Hipstamatic und Instagram eine vereinheitlichende Kondensierung. Aus derartigen Verflachungs- bzw. Simplifizierungsprozessen resultieren geradezu zwangs19 Vgl. Pörksen, Uwe: Weltmarkt der Bilder. Eine Philosophie der Visiotype, Stuttgart 1997. 20 Vgl. Rogers, Katie: Snapchat Finds Itself on the Wrong Side of a Radical Lens. Again, https://www.nytimes.com vom 11.08.2016, https://www.nytimes.com/2016/ 08/12/business/media/snapchat-lens-asians-yellowface.html?_r=1 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 21 Bergermann, Ulrike: „Instagram Racism“? Die neue alte Shirley Card, http:// www. zfmedienwissenschaft.de/ vom 27.06.2017, o.S., http://www.zfmedienwissenschaft.de /online/blog/instagram-racism-die-neue-alte-shirley-card. Bergermann zieht einen Vergleich zwischen jenen softwareseitig implementierten Rassismen und der Shirley Card, die Kodak in den 1950er Jahren als Referenz zur Messung und Kalibrierung der firmenseitigen Farbfilme diente. Vgl. hierzu auch Roth, Lorna: A Matter of Skin. Shirley Cards and the Racial Standards That Rule the Visual Industry, https://revista zum.com.br/en/ vom 23.06.2016, https://revistazum.com.br/en/revista-zum-10/questao -de-pele/. Alle Internetquellen zuletzt aufgerufen am 01.06.2018. 22 Vgl. Morgan, Jerkins: The Quiet Racism of Instagram Filters. As a Woman Of Color, I Wish I Could Find a Filter that Doesn’t Lighten My Skin, https://www.racked.com vom 07.07.2015, https://www.racked.com/2015/7/7/8906343/instagram-racism (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018).
Bewertung und Ausblick | 359
läufig verkürzte, klischeehafte Visualisierungsformen, die als unreflektiert genutzter, herstellerseitig vorgegebener Bildparameter alltäglicher ikonischer Selbstkommunikation gleichwohl im Handlungsvollzug ihre Suggestivkraft entfalten. Um das präfigurierte Zeichenensemble Grafikfilter – beispielsweise hinsichtlich der implizit enthaltenen Schönheitsvorstellungen – bewerten zu können, ist es erforderlich, die verschiedenen im jeweiligen inmateriellen Artefakt amalgamierten Versatzstücke mithilfe einer relationalen Analyse an den „kulturellen und bildmedialen Kontext“ 23 rückzubinden, auf den sie sich beziehen bzw. aus dem sie ursprünglich hervorgegangen sind. 24 Begreift man die softwareseitig bereitgestellte Funktion Grafikfilter hierbei nicht als Entität, sondern als konfigurierbares Kompositum bzw. ‚Ge-Schichte‘ im Sinne Aby Warburgs (vgl. Kap. 3.3.3), lassen sich wesenhafte stilistische Merkmale extrahieren, die in Form von Konzepten – über das offensichtliche semiotische Referenzsystem ‚analoger‘ Fotografie hinaus – mit verschiedensten kulturellen Bildtraditionen und -referenzen in Bezug gesetzt werden können und somit Ausgangsmaterial für weitere Forschung liefern. In Anlehnung an den warburgschen Bilderatlas Mnemosyne sowie in Korrespondenz mit den Prinzipien zeitgenössischer Bildproduktion, die maßgeblich auf Collage wie Montage basieren, scheint ein „Denken in visuellen Assoziationen“ 25 , d.h. eine spielerisch-experimentelle, assoziative Relationierung von Einzelbildern, besonders gewinnbringend. Im Hinblick auf anschließende bildbasierte Auseinandersetzungen wirbt die vorliegende Arbeit demnach für die Wahl einer intuitiven Methode – einer „Bricolage mit Bildern“ 26 – mit dem Ziel, „eine nicht vorgezeichnete Bewegung zu betonen.“ 27 Als Grundlage für eine theoretische Konzeptualisierung kann des Weiteren eine beschreibende Analyse der extrahierten Farbschemata bzw. Kolorite dienen. Den Rahmen der vorliegenden Arbeit hätte diese fraglos gesprengt. 23 Richard et al.: Flickernde Jugend – rauschende Bilder, S. 212. 24 Beispielsweise mittels der von Richard entwickelten Methode des shifting image. Vgl. Richard, Birgit: 9-11. World Trade Center Image Complex + „shifting image“, in: Birgit Richard/Sven Drühl (Hg.): Das Magische (= Kunstforum International, Band 164), Köln 2003, S. 36-73. 25 Bredekamp, Horst: Die Kunstkammer als Ort spielerischen Austauschs, in: Thomas W. Gaehtgens (Hg.): Künstlerischer Austausch. Artistic Exchange (= Akten des XXVIII. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte, Berlin, 15.-20. Juli 1992, Band 1), Berlin 1993, S. 65-79, hier S. 72 zit. n. Bader, Lena: Bricolage mit Bildern. Motive und Motivationen vergleichenden Sehens, in: Lena Bader/Martin Gaier/Falk Wolf (Hg.): Vergleichendes Sehen, München 2010, S. 19-42, hier 35. 26 Bader: Bricolage mit Bildern. 27 Lévi-Strauss, Claude: Das wilde Denken, Frankfurt a.M. 1973, S. 29.
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In jenem Zusammenhang scheint es gleichsam lohnenswert, der innerkulturellen Präferenz für bestimmte Grafikfilter aus einer qualitativ-empirischen, bildbasierten Perspektive nachzugehen. So kommt eine Studie der Yahoo-Labs aus dem Jahr 2015 zu dem Ergebnis, dass die Verwendung von Fotofiltern die Sichtbarkeit einer Aufnahme innerhalb der Flickr-Community erhöhe, wodurch die Interaktion mit selbiger wahrscheinlicher werde: „[…] [F]iltered photos are 21 percent more likely to be viewed and 45 percent more likely to be commented on.“ 28 Darüber hinaus wird danach zu fragen sein, ob und wenn ja auf welche Weise jene die Bildwelten von Instagram dominierende, formal weichgezeichnete wie inhaltlich weichgespülte Werbeästhetik vonseiten der Nutzer eine deviante bzw. gar subversive Umcodierung erfährt. Der von Brian Feldman herausgearbeitete Auto-Ikonoklasmus des mobilen digitalen Bilds markiert gewissermaßen eine andere Seite dieser hochästhetisierten Lifestyle-Inszenierungen. Feldman zufolge haben Social Media eine spezifische Ästhetik des digitalen Verfalls hervorgebracht. 29 Obgleich es sich bei Instagram um eine Social-Media-Anwendung handelt, bei der die ikonische Kommunikation und somit das Teilen von visuellen Medienartefakten im Mittelpunkt steht, lässt die Software bis heute eine implementierte Möglichkeit zum direkten repost der Inhalte vermissen. Das Speichern von Bilddateien anderer User wird medienstrukturell genauso wenig unterstützt. Zum Zwecke des regram 30 sind die Nutzer daher gezwungen, den Umweg über einen Screenshot des gesamten Displays zu nehmen, d.h. ein neues Bild zu erzeugen, aus dem im Anschluss der gewünschte Bildbereich freigestellt und erneut in Instagram importiert werden kann (vgl. Kap. 3.2.1.1). Jeder auf diese Weise durchgeführte repost führt zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Bildqualität, da der Screenshot eine PNG-Datei erzeugt, die beim Import in Instagram erneut durch den Kompressionsalgorithmus in ein optimiertes .jpg transformiert wird. Anfangs gleichwohl irrelevant, weil mit dem menschlichen Auge zunächst nicht wahrnehmbar, addiert sich der Verlust an Bildinformationen sukzessive auf und das Bild beginnt zunehmend sich aufzulösen – bis es ir28 Bakhshi, Saeideh et al.: Why We Filter Our Photos and How It Impacts Engagement, in: Meeyoung Cha/Cecilia Mascolo/Christian Sandvig (Hg.): Proceedings of the Ninth International Conference on Web and Social Media, Palo Alto/CA. 2015, S. 12-21, hier S. 12. Online abrufbar unter: comp.social.gatech.edu/papers/icwsm15.why.bakh shi.pdf (zuletzt aufgerufen am 30.05.2018). 29 Vgl. Feldman: The Triumphant Rise of the Shitpic, o.S. 30 Als Kofferwort aus dem englischen Verb repost und dem Markennamen Instagram bezeichnet regram die Tätigkeit des erneuten Veröffentlichens einer bereits zuvor über einen anderen Account auf Instagram publizierten Mediendatei.
Bewertung und Ausblick | 361
gendwann nicht länger intelligibel ist. Aus dieser provisorischen Medienpraxis resultiert der von Feldman diagnostiziere ‚triumphale Siegeszug des Shitpics‘ 31, dem insbesondere jene medienstrukturellen Einschränkungen von Instagram Vorschub geleistet hätten: Um einen reibungslosen Bilderfluss auch bei einer mobilen Internetverbindung zu gewährleisten, muss das Speichervolumen einer Datei zwangsläufig möglichst gering gehalten werden. Vergleichbar der Prioritätensetzung bei der Entwicklung des Sofortbildverfahrens wird auch im Fall des mobilen digitalen Bilds dessen Abbildqualität der anvisierten Unmittelbarkeit des Informationsaustauschs untergeordnet. Innerhalb der social photo app Instagram degenerierten digitale Bilddateien ungleich schneller, da sowohl die softwareimmanenten Kompressionsalgorithmen als auch die Grafikfilter die Qualität der Dateien signifikant verringerten. 32 Hieraus leitet Feldman die These ab, dass die bescheidene bzw. beschädigte Qualität online kursierender Mediendateien, zumindest im Fall von Instagram, ein Indikator für deren virale Verbreitung ist – je desolater die Bildqualität, desto häufiger sei das Bild über Social-MediaKanäle geteilt worden: „[…] [T]he Shitpic aesthetic could very well be the first non-numeric indicator of viral dissemination. […] A pristine-looking meme engenders skepticism – ‚This can’t be that funny, it hasn’t been imperfectly replicated enough.‘“ 33
31 „[T]he triumphant rise of the Shitpic“ im engl. Originaltext. Feldman: The Triumphant Rise of the Shitpic, o.S. 32 Vgl. Feldman: The Triumphant Rise of the Shitpic, o.S. Die kontinuierliche Zirkulation aufgrund reger Distribution ist das ausschlaggebende Merkmal des poor image, wie Hito Steyerl das Phänomen mit Blick auf online kursierende Videobilder nennt – ein vagabundierendes Bild ohne Ursprung, Urheber oder Besitzer, sondern vielmehr Resultat kollektiver Autorschaft. Einerseits subvertiere das poor image den Fetisch hochauflösender Bilder, andererseits sei genau das der Grund, warum es sich reibungslos in das kapitalistische System heutiger Informationsgesellschaften einfüge, das auf immer kürzeren Aufmerksamkeitsspannen gedeihe und somit oberflächliche, schnell verfügbare Eindrücke, nicht jedoch deren Vertiefung begünstige. Steyerl zufolge ist das poor image durch einen ambivalenten Status charakterisiert: Einerseits spiele es herrschenden Ideologien in die Hände bzw. affirmiere diese. Indem es Möglichkeiten alternativer, non-konformer audiovisueller Informationszirkel im Internet ermögliche, eröffne es andererseits jedoch gleichsam subversives Potential. Vgl. Steyerl, Hito: In Defense of the Poor Image, in: e-flux journal (#10) 11 (2009), S. 1-9, hier S. 7. Online abrufbar unter: http://worker01.e-flux.com/pdf/article_94.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 33 Feldman: The Triumphant Rise of the Shitpic, o.S; Herv. i.O.
362 | Der Instagram-Effekt
Unter dem Titel Instagram and Contemporary Image legt Lev Manovich eine – im September 2017 vollständig online veröffentlichte – instruktive Studie der instagramesken Bildsprache sowie der anhängigen zeitgenössischen Bildpraktiken vor. 34 Diese bestätigt die Forschungsergebnisse der vorliegenden Arbeit und ergänzt sie um die Analyse verschiedener fotografischer Inszenierungsweisen. Auf Basis von quantitativ-empirischem Datenmaterial identifiziert Manovich dominante visuelle Bildstile, die er drei verschiedenen ‚Fotokulturen‘ – casual, professional und designed – zuordnet. 35 Motiviert den Gegenbeweis zu einer vermeintlich ästhetischen Monokultur anzutreten, dient ihm jene holzschnittartige Dreiteilung zur differenzierteren medien- wie kunsttheoretischen Betrachtung der verschiedenen Bildproduktionen innerhalb der fotozentrierten Community. Bietet Instagram die bildwirksamen Bestandteile der Grafikfilter softwareseitig noch als semiotisches Ensemble an, das sich über die Auswahl des entsprechenden Presets bzw. Readymades – Amaro, Lo-Fi, Sierra usw. – automatisch der Bilddatei applizieren lässt, haben sich die Kombinationsmöglichkeiten visueller Effekte im Bereich mobiler digitaler Mediensoftware zunehmend ausdifferenziert. Während sich Hipstamatic hinsichtlich der angebotenen Funktionen weiterhin ausschließlich im klassischen fotografischen Referenzsystem bewegt, hat Instagram bereits die von Snapchat eingeführten intertextuellen kulturellen Produktionsmittel integriert. Bildbasierte mobile Mediensoftware wie beispielsweise das kostenlose PicsArt akkumulieren völlig heterogene Stilelemente sowie Bildsprachen aus dem Bereich visueller Kultur. Neben schablonierten Graffiti- und Stencil-Effekten der Streetart sowie klassischen Mal- und Zeichenwerkzeugen finden sich explizite Bezugnahmen auf Bildstile moderner Kunstströmungen, Emojis, Sticker, Bildrahmen, ‚retroisierende‘ Fotofilter und dergleichen mehr. Prozesse der Welt- und Selbstaneignung 36, so lässt sich abschließend bilanzieren, finden im Kontext des mobilen digitalen Bilds maßgeblich auf Ebene der Bildbearbeitung statt, da selbiges gezielt erst im Zuge seiner bereits präformal intendierten Nachbearbeitung seine spezifische Be-Stimmung erhält.
34 Vgl. Manovich, Lev: Instagram and Contemporary Image (PDF-Version), http://mano vich.net/ von September 2017, http://manovich.net/index.php/projects/instagram-andcontemporary-image (zuletzt aufgerufen am 01.06.2018). 35 Vgl. ebd., S. 15. 36 Vgl. Fuchs, Max: Medien als Mittel der Weltaneignung. Zur Medienkompetenz als Teil der kulturellen und ästhetischen Bildung, in: Malte Hagener/Vinzenz Hediger (Hg.): Medienkultur und Bildung. Ästhetische Erziehung im Zeitalter digitaler Netzwerke, Frankfurt a.M. 2015, S. 39-48.
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Sämtliche Internetquellen wurden letztmalig am 01.06.2018 geprüft.
364 | Der Instagram-Effekt
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366 | Der Instagram-Effekt
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8.3 BILDER 8.3.1 Abbildungen (Abb.) Abbildung 1: PHOTOGRAPH (2005, Nickelback, Regie: Nigel Dick), 4:21 min., https://www.youtube.com vom 26.10.2009, https://www.youtube.com/.watch?v=BB0DU 4DoPP4, © 2007 WMG Abbildung 2: LOOK AT THIS INSTAGRAM (NICKELBACK PARODY) (2012, CollegeHumor), 2:54 min., http://www.youtube.com vom 10.12.2012, https://www.youtube.com/watch?v= Nn-dD-QKYN4, © CollegeHumor Abbildung 3: Offizielle Grafik von Adobe Systems zur Visualisierung der Ebenenfunktion von
Adobe
Phtoshop,
https://helpx.adobe.com/de/photoshop/using/layer-basics.html,
© 2017 Adobe Systems Software Ireland Ltd. Abbildung 4: Grafische Darstellung zur Verortung des untersuchten Phänomenbereichs von Anwendungssoftware, © Katja Gunkel Abbildung 5: Google Trends, https://trends.google.com/trends/, Diagramme zu den Suchbegriffen „Instagram“ und „Hipstamatic“; Screenshots vom 13.02.2017. Abbildung 6: Instagram-Feed in Version 4.1.2, installiert auf Google Nexus 4 (Android Jelly Bean 4.3.1); Screenshot vom 12.01.2014. Abbildung 7: Instagram User Experience Kit, http://www.freepik.com/indexphp?goto =74&idfoto=848845, (cc) Freepik.com Abbildung 8: Tutorialansicht in Hipstamatic – Version 262, installiert auf iPhone 5 (iOS 6.1); Screenshot vom 11.06.2013. Abbildung 9: The Hipstamatic Combination Chart (Ausschnitt), http://www.seethisyet. com/wp-content/uploads/2011/02/hipstamatic_comparison_chart-tm.jpg, © 2011 Mark Bruce Abbildung 10: Schaubild der Bildgenese in Instagram, basierend auf Version 3.4.1, © Katja Gunkel
394 | Der Instagram-Effekt
Abbildung 11: Schaubild der Bildgenese in Hipstamatic, basierend auf Version 262, © Katja Gunkel Abbildung 12: Präsentation von Hipstamatic – Version 300 auf dem offiziellen Blog, blog.hipstamatic.com vom 25.09.2015, http://68.media.tumblr.com/5b8ab0569f79efb2fea 06718117b39a8/tumblr_nv82n4fQr71qg8q2yo1_1280.jpg, © Hipstamatic, LLC Abbildung 13: Schema der kompositen Bilddatei; Hierarchisierung der stilprägenden Bildemente in Instagram – Version 4.1.2, © Katja Gunkel Abbildung 14: Erste Ergebnisse in der Google-Bildersuche zum Suchbegriff „Polaroid“ (Ausschnitt), http://www.google.com; Screenshot vom 21.03.2018. Abbildung 15: Instant photo paper (Single polaroid raised shadow.JPG), http://www. freepik.com/free-photo/instant-photo-paper_859279.htm, (cc) Designed by Kstudio – Freepik.com Abbildung 16: mmm tasty camera! http://www.lomography.com vom 02.03.2011, https:// www.lomography.com/magazine/63481-lomowalls-of-the-week, © zoezo Abbildung 17: Image #588,727, knowyourmeme.com via tumblr.com, http://knowyour meme.com/photos/588727-instagram, © fuckiminmy20s.tumblr.com Abbildung 18: #reallifeinstagram, Shibuya, Tokio, November 2014, http://reallifeinstagr am.com/post/102835286949, © Bruno Ribeiro Abbildung 19: HOW I EDIT MY PHOTOS + MY MINIMAL WHITE THEME (2016, Jenny Mustard), 6:46 min., https://www.youtube.com vom 19.05.2016, https://www.youtube.com /watch?v=y1TibvXgR34, © Jenny Mustard Abbildung 20: Schaubild der in Instagram – Version 7.3.0 verfügbaren Grafikfilter; erstellt am 10.08.2015 unter Anwendung der Filtereffekte auf Referenzbild III – Neutralgrau, © Katja Gunkel Abbildung 21: Farbschema der Grafikfilter in Instagram – Version 7.3.0; erstellt am 12.08.2015 mit Adobe Color CC – Version 1.1, © Katja Gunkel Abbildung 22: Me on the internet vs. me in real life – Britney Spears, ursprünglich veröffentlicht über das Instagram-Profil @mytherapistsays, https://onsizzle.com, o.D., https:// pics.onsizzle.com/me-on-the-internet-vs-me-in-real-life-theres-11706438.png.
Verzeichnisse | 395
8.3.2 Bildtableaus (Tab.) Tableau 1: (1) What’s in my new Desigual Bag, https://flickr.com vom 13.10.2015, https:// flic.kr/p/zrFqCV, (cc) GlamOliver; (2) Finally found the best way to organize my second iPhone screen of apps #librarian #classification #color, https://flickr.com vom 06.10.2013, https://flic.kr/p/gpmLCH, (cc) megan brooks; (3) My iPhone apps as of February 2010. A montage of iPhone apps I currently use, with notes and links! https://flickr.com vom 15.02.2010, https://flic.kr/p/7DhbKd.iPhone, (cc) Doug Belshaw Tableau 2: Deutschsprachige Instagram-Produktseite (1) der Webpräsenz des App Stores von Apple iTunes, https://itunes.apple.com/de/app/instagram/id389801252?mt=8, (2) dessen App-Version als Bestandteil von iOS (aufgenommen mit iPhone 5s in iOS 10.2) sowie (3) der Webpräsenz von Google Play, https://play.google.com/store/apps/details?id=com. instagram.android. Werbetexte wie Wort-Bild-Marke beziehen sich in allen Fällen auf Instagram – Version 10.3; Screenshots bzw. Scrollshot erstellt am 15.01.2017. Tableau 3: (1) Elektronisches Farbtestbild, https://de.wikipedia.org/wiki/Testbild#/media/ File:FuBK_testcard_vectorized.svg, (cc) Rotkaeppchen68; (2) Referenzbild I – Weiß
(R: 255, G: 255, B: 255 | #ffffff), (3) Referenzbild II – Schwarz (R: 0, G: 0, B: 0 | #000000), (4) Referenzbild III – Neutralgrau (R: 128, G: 128, B: 128 | #888888), (5) Referenzbild IV und (6) Referenzbild V, © Katja Gunkel Tableau 4: Dialogfelder (1) Info-Werkzeug und (2) Farbwähler sowie (3) grafische Benutzeroberfläche von Adobe Photoshop. Alle drei Screenshots basieren auf der deutschen Version von Creative Suite 6 Extended (Windows 10 Home x 64). Tableau 5: (1) Initiale Wort-Bild-Marke von Hipstamatic (Design: Aravind Kaimal), http: //www.hipstamatic.com vom 12.06.2013, © Hipstamatic, LLC; (2) Redesign der WortBild-Marke, http://www.hipstamatic.com vom 12.02.2017, © Hipstamatic, LLC; (3) Hipstamatic 100, http://history.hipstamatic.com vom 23.06.2007, http://history.hipsta matic.com/Hipstamatic_Original_Product.jpg, © Hipstamatic, LLC; (4) LOMO LC-A, http://maunet.com/wp-content/uploads/2010/04/Lomo-LCA-520x346.jpg, © maunet.com Tableau 6: (1) https://www.instagram.com vom 03.06.2013, © Instagram; (2) https:// www.instagram.com vom 12.02.2017, © Instagram; (3) Polaroid OneStep, http://www. camarasdecolores.com/1991-large_01resp/polaroid-onestep.jpg, © camarasdecolores.com; (4) Cover des Polaroid-Jahresabschlussberichts von 1969 (Design: Paul Giambarba), http://giam.typepad.com/the_branding_of_polaroid_/images/Ann_Report_1969.jpg, © Paul Giambarba
396 | Der Instagram-Effekt
Tableau 7: Ausschnitt zweier Instagram-Webprofile: (1) @itssteviewonder, https://www. instagram.com/itssteviewonder, Screenshot vom 17.01.2013, und (2) @satiregram, https://www.instagram.com/satiregram/, Screenshot vom 21.01.2013. Tableau 8: Screenshots der Programmoberfläche von Instagram – Version 4.1.2, installiert auf Google Nexus 4 (Android Jelly Bean 4.3.1); aufgenommen am 02.09.2013. Tableau 9: Screenshots der Programmoberfläche von Instagram – Version 4.1.2, installiert auf Google Nexus 4 (Android Jelly Bean 4.3.1); aufgenommen am 12.01.2014. Tableau 10: Screenshots des Kamera-Menübildschirms in Instagram – Version 4.1.2, installiert auf Google Nexus 4 (Android Jelly Bean 4.3.1); aufgenommen am 02.09.2013. Tableau 11: Screenshots der Programmoberfläche von Hipstamatic – Version 262 und 271. (1) Version 262, installiert auf iPhone 5 (iOS 6.1); aufgenommen am 11.06.2013. (2) Version 271, installiert auf iPhone 5 (iOS 6.1); aufgenommen am 24.10.2013. Tableau 12: Screenshots der Programmoberfläche von Hipstamatic – Version 262, installiert auf iPhone 5 (iOS 6.1); aufgenommen am 11.06.2013. Tableau 13: Screenshots der Programmoberfläche von Hipstamatic – Version 262, installiert auf iPhone 5 (iOS 6.1); aufgenommen am 11.06.2013. Tableau 14: (1) HipstaCase 100 White, http://assets.hipstaweb.com/product_images/ima ges/136/original/white_hipstacase_slide2.png?1313103393,
©
Hipstamatic,
LLC;
(2) iPhone 4s in weißer Ausführung, http://hediyesanati.com/images/detailed/0/whiteiphone-hi.jpg; (3 + 4) http://gear.hipstamatic.com/cases/white, © Hipstamatic, LLC Tableau 15: Screenshots der Programmoberfläche von Hipstamatic – Version 271, installiert auf iPhone 5 (iOS 6.1); aufgenommen am 24.10.2013. Tableau 16: (1) Grafische Umsetzung der Softwarekomponenten in Hipstamatic – Version 262, installiert auf iPhone 5 (iOS 6.1); Screenshots aufgenommen am 11.06.2013 und montiert in Adobe Photoshop CS 5 Extended; (2) Kaimal Mark II, http://gear. hipstamatic.com/lenses/kaimal, © Hipstamatic, LLC; (3) Unterseite Pak-Info in Hipstamatic – Version 271, installiert auf iPhone 5 (iOS 6.1); aufgenommen am 24.10.2013 und als Slideshot montiert in Adobe Photoshop CS 5 Extended. Tableau 17: In-App-Screenshots der Instagram-Profile (1) @angeladoe, erstellt am 27.09.2015 mit Sony Experia Z3 (Android Lollipop 5.1) in Version 7.7.0, und (2) @jvliakoch, erstellt am 09.04.2017 mit Huawei P9 (EMUI 5.0) in Version 10.15.0. Tableau 18: In-App-Screenshots der Instagram-Profile (1) @likamimika, erstellt am 09.04.2017 mit Huawei P9 (EMUI 5.0) in Version 10.15.0, und (2) @zerowastedaniel, erstellt am 30.04.2018 mit Huawei P9 (EMUI 5.0) in Version 42.0.0.19.95.
Verzeichnisse | 397
Tableau 19: In-App-Screenshots der Instagram-Profile @desifare (1 + 2) und @its.alix (3 + 4); erstellt am 14.04.2017 mit Huawei P9 (EMUI 5.0) in Version 10.15.0. Tableau 20: Offizielle Screenshots des user interface design (UI) von Instagram – Feed und Profile, https://en.instagram-brand.com/assets/screenshots vom 11.05.2016, © Instagram Tableau 21: (1) Übersichtsdarstellung Instagram-Filter Amaro (#1) auf motivischem Testbild sowie Referenzbild I – III; (2) Version von Referenzbild III nach Anwendung von Amaro (Original-Ausgabegröße: 15,52 x 15,52 cm bei 356 dpi); erstellt in Instagram – Version 4.1.2, © Katja Gunkel Tableau 22: Version von Referenzbild III nach Anwendung von (1) Hefe (#16) und (2) Toaster (#12), jeweils ohne sowie mit zugehörigem Bildrahmen; erstellt in Instagram – Version 4.1.2, © Katja Gunkel Tableau 23: Übersicht aus Zweitongrafiken zur Typisierung der Instagram-spezifischen Farbverläufe in Version 4.1.2; erstellt in Adobe Photoshop Creative Suite 6 Extended (Windows 10 Home x 64), © Katja Gunkel Tableau 24: Übersicht der schwarzen Bildrahmen in Instagram – Version 4.1.2; isoliert in Adobe Photoshop CS 5 Extended Version 12.1 x 64, © Katja Gunkel Tableau 25: Schaubild zur Funktionsweise der Bildrahmen von Grafikfilter Lo-Fi (#9) und Kelvin (#19) in Instagram – Version 4.1.2; freigestellt mithilfe von Adobe Photoshop CS 5 Extended – Version 12.1 x 64, © Katja Gunkel Tableau 26: (1) x-rite ColorChecker® Color Rendition Chart, https://static.bhphoto.com/ images/images500x500/1448298494000_465286.jpg,
Nummerierung
Katja
Gunkel;
(2) JPG-Datei, angelegt in Photoshop CS 5 Extended – Version 12.1 x 64, © Katja Gunkel; (3) JPG-Datei, generiert mit der proprietären Kamerasoftware von iOS 10.2; verwendet wurde ein iPhone 5c, © Katja Gunkel Tableau 27: Übersichtstableau John S Linse und Blanko Film; erstellt in Hipstamatic – Version 271, © Katja Gunkel Tableau 28: Übersichtsdarstellung der standardmäßig in Hipstamatic – Version 271 verfügbaren Rahmenformen; freigestellt mit der Farbflächenauswahl in Photoshop CS 5 Extended – Version 12.1 x 64, © Katja Gunkel Tableau 29: Realtime photo filter in (1) iOS 10.2, installiert auf iPhone 5c, und (2) EMUI 5.0 (Android 7.0), installiert auf Huawei P9. Screenshots vom 09.04.2017 und 31.03.2017.
398 | Der Instagram-Effekt
Tableau 30: (1) Übe den Schuss aus der Hüfte, http://www.lomography.de, o.D., http:// www.lomography.de/about/the-ten-golden-rules, © Lomography.com; (2) Backpulver macht auch ziemlich leckere Bilder! http://www.lomography.de/ vom 21.07.2011, http:/ /www.lomography.de/magazine/86922-backpulver-macht-auch-ziemlich-leckere-bilder, © husnabahrudin; (3) Füge Backpulver hinzu! www.lomography.de vom 29.09.2014, http://www.lomography.de/magazine/tipster/2014/09/29/fge-backpulver-hinzu, © Mephisto19 Tableau 31: In pictures: Olympic LomoWall at Museum of London, http://www.bbc.com vom 17.07.2012, (1) http://news.bbcimg.co.uk/media/images/61615000/jpg/_61615618_ full-wall.jpg, © BBC; (2) http://news.bbcimg.co.uk/media/images/61615000/jpg/_61615 619_wheel.jpg, © BBC Tableau 32: (1) Lomo Wall – The Museum of London is collaborating with Lomography, https://vaillantmartien.wordpress.com vom 14.07.2012, https://vaillantmartien.wordpress. com/2012/07/14/lomo-wall-the-museum-of-london-is-collaborating-with-lomography/. (2) The Blue Marble, http://visibleearth.nasa.gov/view.php?id=57723. Credit: NASA Goddard Space Flight Center Image by Reto Stöckli (land surface, shallow water, clouds); Enhancements by Robert Simmon (ocean color, compositing, 3D globes, animation); Data and technical support: MODIS Land Group, MODIS Science Data Support Team, MODIS Atmosphere Group, MODIS Ocean Group; Additional data: USGS EROS Data Center (topography), USGS Terrestrial Remote Sensing Flagstaff Field Center (Antarctica), Defense Meteorological Satellite Program (city lights), © NASA Goddard Space Flight Center Tableau 33: (1) Ergebnisdarstellung in der Unterrubrik Stream; angezeigt wird der erste Teil der beliebtesten Fotos vom 23. Oktober 2014, http://www.lomography.de/photos/ stream; (2) Aufbau der Einzelansicht; Screenshots vom 23.10.2014. Tableau 34: (1) http://www.lomography.de/photos/colors/hex; (2) http://www.lomogra phy.de/photos/colors/hex/f9e6f4; Screenshots vom 27.10.2014. Tableau
35:
(1)
https://www.youtube.com/results?search_query=instagram+theme;
Screenshot erstellt am 28.03.2018. (2) VSCO filter hacks via Pinterest, https://www. pinterest.de; Screenshot erstellt am 21.09.2017. Tableau
36:
Ausschnitte
aus
der
In-App-Ansicht
der
Instagram-Profile
von
(1) @love_aesthetics, (2) @mija_mija und (3) @fabianhart; Screenshots erstellt am 09.04.2017 mit Huawei P9 (EMUI 5.0) in Instagram – Version 10.15.0. Tableau 37: https://www.mextures.com/; Screenshots vom (1) 09.02.2015 und (2) 25.09. 2017.
Verzeichnisse | 399
Tableau 38: (1) Tens Sonnenbrille, Modell Classic, https://www.tenslife.com/products/ classic-sunglasses?variant=1479014595, © Tens; (2) Claude Lorraine Glass, Ausschnitt einer Katalogseite aus Pike, Benjamin, Jr.: Illustrated Descriptive Catalogue of Optical, Mathematical and Philosophical lnstruments, Band 2, New York, 1856, S. 193. Courtesy Science, lndustry, and Business Library, New York Public Library, Astor, Lenox, and TiIden Foundations. Quelle: Maillet, Arnaud: The Claude Glass. Use and Meaning of the Black Mirror in Western Art, New York, 2004, S. 33. Tableau 39: (1) @Snapchat @snapchatsupport idk if u realize, but this filter is yellowface and u should take it down, www.twitter.com vom 10.08.2016, https://twitter.com/ limb_light/status/763135381978120192/photo/1, © tiny tim (@limb_light); (2) ProTrump Group Shares Super Racist Anti-Asian Meme, http://reappropriate.co vom 08.10. 2016, http://reappropriate.co/wp-content/uploads/2016/10/Racist-Meme.jpg.
9
Quellentexte 1
Quellentext 1: Als Bestandteil eines multimodalen Werbekommunikats fand sich besagter Kurztext zum Abrufzeitpunkt am 09.12.2013 auf der Startseite der offiziellen englischsprachigen Homepage von Hipstamatic.
„Digital Photography never looked so analogue. The Hipstamatic for iPhone is an application that brings back the look, feel, unpredictable beauty, and fun of plastic toy cameras from the past.“ Quelle: www.hipstamatic.com (zuletzt abgerufen am 09.12.2013).
Quellentext 2: Offizielle Beschreibung der App Hipstamatic – Version 272 im Apple App Store; letzte Aktualisierung der Informationen am 02.11.2013.
„Digitale Photographie sah noch nie so analog aus. Machen und teile schöne Fotos mit Hipstamatic. Digital photography never looked so analogue. Swap Gear. With a swipe of a finger, change your lens, flash and film, all of with add a unique touch to your photo. Share with Friends and Family. Quickly and easily share photos to all of your favorite social networks, including Instagram, Facebook, Twitter, Tumblr and Flickr. Get more Gear at the Hipstamart. Want to experiment with a new lens, film or flash? Head over to the Hipstamart to download our latest and greatest gear. Score analog Supplies and rad Hipstamatic swag. From real, analog prints to Hipstamatic iPhone cases to sweet graphic t-shirts, we’ve got you covered.“ Quelle: https://itunes.apple.com/de/app/hipstamatic/id342115564 (zuletzt abgerufen am 09.12.2013). 1
Bei allen Quellentexten handelt es sich um unlektorierte, unformatierte Vollzitate, wie sie zum Abrufzeitpunkt unter dem jeweils angegebenen Weblink verfügbar waren.
402 | Der Instagram-Effekt
Quellentext 3: Offizielle Beschreibung von Instagram – Version 4.2.7 im deutschsprachigen Apple App Store; letzte Aktualisierung der Informationen am 12.11.2013.
„100 Millionen Nutzern gefällt Instagram! Es ist kostenlos, macht Spaß und ermöglicht das Aufnehmen und Teilen von schönen Fotos auf deinem iPhone. Wähle einen der zahlreichen beeindruckenden Filtereffekte oder verwende Tiltund-Shift, um deinen Handy-Fotos neues Leben einzuhauchen. Verwandle Momente des täglichen Lebens in Kunstwerke, die du mit deinen Freunden und deiner Familie teilen möchtest. Teile deine Fotos in einem einfachen Foto-Stream mit Freunden – und folge den Fotos deiner Freunde durch das Anklicken einer einzigen Schaltfläche. Jeden Tag, an dem du Instagram öffnest, siehst du neue Fotos von deinen engsten Freunden und kreativen Nutzern aus der ganzen Welt.“ Quelle: https://itunes.apple.com/de/app/instagram/id389801252 (zuletzt abgerufen am 09.12.2013).
Quellentext 4: Offizielle Beschreibung von Instagram – Version 4.2.6 in der deutschsprachigen Version von Google Play; letzte Aktualisierung der Informationen am 20.11.2013.
„100 Millionen Nutzern gefällt Instagram! Es ist kostenlos, macht Spaß und ermöglicht das Aufnehmen und Teilen von schönen Fotos auf deinem Android. Wähle einen der zahlreichen beeindruckenden Filtereffekte oder verwende Tiltund-Shift, um deinen Handy-Fotos neues Leben einzuhauchen. Verwandle Momente des täglichen Lebens in Kunstwerke, die du mit deinen Freunden und deiner Familie teilen möchtest. Teile deine Fotos in einem einfachen Foto-Stream mit Freunden – und folge den Fotos deiner Freunde durch das Anklicken einer einzigen Schaltfläche. Jeden Tag, an dem du Instagram öffnest, siehst du neue Fotos von deinen engsten Freunden und kreativen Nutzern aus der ganzen Welt.“ Quelle: https://play.google.com/store/apps/details?id=com.instagram.android&hl=de (zuletzt abgerufen am 09.12.2013).
Quellentext 5: Offizielle Beschreibung von Hipstamatic – Version 334 in der deutschen Sprachversion des Apple App Store; letzte Aktualisierung der Informationen am 21.03.2017.
„Die HIPSTAMATIC®-Kamera ist eine Weltklasse-Fotografie-App, die von Apple als originelle App des Jahres ausgezeichnet wurde! Gestalte deine Fotos ebenso schön wie dein Leben und werde Teil der weltweit kreativsten Community – exklusiv auf dem iPhone. Würdest du gerne ein besserer Fotograf werden?
Quellentexte | 403
Schließ dich Millionen kreativer Personen an, die HIPSTAMATIC bereits täglich nutzen. Wir können dir dafür folgende Gründe nennen: •
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ClassicMode™ – schieße Bilder mit wunderschön gerenderten Kameras auf altmodische Weise. Du kannst mittels Wischen die Linsen, den Blitz und Film wechseln. ProMode™ – erlange durch Feineinstellung von Bildschärfe, Weißabgleich, Belichtung, Verschlusszeit, ISO und Bildverhältnis die ultimative Kontrolle über deine Kamera. Darkroom Suite™ – eine Suite zur umfassenden Bearbeitung mit mehr als 20 professionellen Bearbeitungstools und 12 unverkennbaren Voreinstellungen. HipstaMart™-Shop – sieh dir fantastische Filterpakete an, die als In-AppKäufe zur Verfügung stehen und von den weltbesten kreativen Fotoherstellern kreiert wurden. PrintLab™ – lass dir echte Ausdrucke direkt nach Hause liefern – mehr als 200 Länder werden beliefert.“
Quelle: https://itunes.apple.com/de/app/hipstamatic/id342115564?mt=8 (zuletzt abgerufen am 21.03.2017).
Quellentext 6: Offizielle Beschreibung von Instagram – Version 10.12 im länderspezifischen Apple App Store (Deutschland); letzte Aktualisierung der Informationen am 22.03.2017.
„Mit Instagram kannst du ganz einfach die Augenblicke der Welt festhalten und teilen. Folge deinen Freunden und deiner Familie bei ihren Aktivitäten und entdecke Profile rund um die Welt, die Dinge teilen, die dir wichtig sind. Tritt der Community mit über 500 Millionen Mitgliedern bei und teile die besten Momente deines Tages – die Highlights und alles andere. Auf Instagram kannst du: •
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Fotos und Videos posten, die du in deinem Profil anzeigen möchtest. Du kannst sie mit Filtern und kreativen Tools bearbeiten und mehrere Clips zu einem Video zusammenfügen. Du kannst mehrere Fotos und Videos (so viele du möchtest) in deiner Story teilen. Erwecke sie mit Text und Zeichentools zum Leben. Nach 24 Stunden werden sie ausgeblendet und nicht mehr in deinem Profil oder deinem Feed angezeigt. Verbinde dich jetzt live mit Freunden und Abonnenten. Am Ende wird deine Live-Story automatisch gelöscht.
404 | Der Instagram-Effekt
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Mit Instagram Direct kannst du selbstlöschende Fotos und Videos sowie Nachrichten und Beiträge aus deinem Feed direkt an Gruppen und Freunde senden. Stories und Live-Videos von Personen, denen du folgst, werden oben in der Leiste in deinem Feed angezeigt. Entdecke Stories, Fotos und Videos, die dir gefallen könnten und folge neuen Profilen über „Entdecken“. Verwende Handoff, um zwischen deiner Apple Watch und deinem iPhone zu wechseln.“
Quelle: https://itunes.apple.com/de/app/instagram/id389801252?mt=8 (zuletzt abgerufen am 01.04.2017).
Quellentext 7: Beschreibung des Standardobjektivs „Jane“ im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 23.06.2014.
„A new look for a new generation, this versatile lens captures the beauty in everything around you. Seems to be the most ‚normal‘ of all lenses. Bright colors, but not overly saturated. Good contrast, but not overblown. No apparent grain, light leaks or other ‚analog‘ imperfections. Clean and sharp.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Jane_Lens (zuletzt abgerufen am 23.06.2014).
Quellentext 8: Beschreibung des Standardobjektivs „John S“ im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 23.06.2014.
„John Smith may have his name on every credit card, free offer and junk mail you can imagine, but the John S lens captures a one of a kind moment like no other. The John S Lens is a good all-round sharp-focus lens, and works well in a variety of scenarios. Used with color films the high contrast and saturation makes colors pop, particularly cooler colors (blues, greens). […] John S darkens the image, giving vibrant colors a richer shaded effect. This is partly due to an uneven, almost ‚lumpy‘ vignette which appears to be influenced by intensity of ambient light. Its tendency to darken a subject can be used to counterbalance flashes or high contrast monochrome films.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=John_S_Lens (zuletzt abgerufen am 23.06.2014).
Quellentexte | 405
Quellentext 9: Beschreibung des Standardobjektivs „Jimmy“ im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 23.06.2014.
„James was cool, but Jimmy could walk through flames. This lens rocks the daylight, the nightlife, and everything in between. Jimmy is a sharply-focused lens that provides pronounced yellow color cast that can make yellow subjects (like a bowl of lemons) particularly vibrant. Oddly, as of version 231 this lens has been associated with unintended halos and color distortions (mostly blue) under extreme lighting conditions.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Jimmy_Lens (zuletzt abgerufen am 23.06.2014).
Quellentext 10: Beschreibung des Standardobjektivs „Kaimal Mark II“ im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 23.06.2014.
„Take a stroll through Bollywood with the Kaimal Mark II Lens, named after a famous Indian Prince. Even Amitabh will stop and let you take his photo when you’re sporting these finely crafted optics. Kaimal Mark II is a sharp-focus, low contrast lens associated with a faded red color cast.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Kaimal_Mark_II_Lens (zuletzt abgerufen am 23.06.2014).
Quellentext 11: Beschreibung des Standardobjektivs „Buckhorst H1“ im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 23.06.2014.
„Rock out in the woods of Wisconsin with the brilliant beast of a lens. Gives a subdued and faded warm affect, slightly muggy with minor greasy splotches of film contamination and variable light leaks.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Buckhorst_H1_Lens (zuletzt abgerufen am 23.06.2014).
406 | Der Instagram-Effekt
Quellentext 12: Beschreibung des Standardfilms „Blanko“ im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 23.06.2014.
„Pop your prints right off the page with this simple yet effective film. There’s barely a border at all to distract from the subject at hand! Blanko is an effect-neutral color ‚frame only‘ film with a white border and faint interior shadow line. It produces an image that most closely resembles a whiteborder print from your local photolab.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Blanko_Film (zuletzt abgerufen am 23.06.2014).
Quellentext 13: Beschreibung des Standardfilms „Ina’s 1982“ im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 24.06.2014.
„The last film Ina made before she closed her bakery, this adds a simple and elegant white matte to your prints. Like its cousin Ina’s 1969 film, Inas’s 1982 is an effect-neutral color ‚frame only‘ film. The frame consists of a textured retro cardboard frame with squared corners, emblematic of a mid-50’s to late 60’s era photo album. The frame pattern does not rotate.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Ina%27s_1982_Film (zuletzt abgerufen am 24.06.2014).
Quellentext 14: Beschreibung des Standardfilms „Ina’s 1969“ im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 24.06.2014.
„Ina has a bakery today but 40 years ago she was rocking some pretty serious instant film. Peel away the boring with this fine film. Ina’s 1969 is an effectneutral color ‚frame only‘ film. The frame consists of a textured retro cardboard frame with rounded corners, emblematic of a mid-50’s to late 60’s era photo album. The frame pattern does not rotate.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Ina%27s_1969_Film (zuletzt abgerufen am 24.06.2014).
Quellentext 15: Beschreibung des Standardfilms „Kodot XGrizzled“ im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 24.06.2014.
„Being a little rough around the edges never hurt anybody. Kodot’s XGrizzled addes a vintage ‚just out of the dryer‘ look to your prints.
Quellentexte | 407
Kodot XGrizzled is an effect-neutral color ‚frame only‘ film. The border consists of a rough, torn edge. Some of the crease effects are seen deep into the image. Prior to release 180, the pattern rotated to give the appearance of greater variety. Since then the pattern is stationary, although users can rotate the camera to influence pattern orientation.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Kodot_XGrizzled_Film (zuletzt abgerufen am 24.06.2014).
Quellentext 16: Beschreibung des externen Blitzes „Standard“ der Basisversion im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 24.06.2014.
„Nothing beats the standard flash. Light up any scene and cover it in a warm golden glow. The Standard flash is the baseline, contrast boosting flash filter. It belongs to the contrast-boosting family of flashes that also includes Tasty Pop and Pop Rox. In spite of its marketing copy, Standard’s increased contrast does not provide a ‚warm glow‘; rather, it can make either cool and warm colors more vibrant. The flash’s effects can be best evaluated by shooting to exposures in succession, one with flash and one without, for comparison.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Standard_Flash (zuletzt abgerufen am 24.06.2014).
Quellentext 17: Beschreibung des externen Blitzes „Dreampop“ der Basisversion im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 24.06.2014.
„This is stuff that dreams are made of. This flash pops a random assortment of subconscious light for that ‚just woken up‘ look. DreamPop’s most prominent effect is a randomly selected color flares, reminicent of the uneven processing found on classic Polaroid instant films. DreamPop belongs to the ‚Pop‘ family of Flashes, where the intended effect is concentrated to one or more areas of the image. Unlike most pop flashes, DreamPop’s effect is not concentrated to the center. Four patterns are provided: No flare, Subtle purple ‚bruise‘, Bright orange flare, Subtle purple ‚bruise‘ combined with a bright orange flare. The patterns provided do not rotate. In earlier versions of the application, possible other patterns and rotation have been observed. A second characteristic that is often overlooked is a mild lowering of contrast/exposure, darkening the image.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Dreampop_Flash (zuletzt abgerufen am 24.06.2014).
408 | Der Instagram-Effekt
Quellentext 18: Beschreibung des externen Blitzes „Cherry Shine“ der Basisversion im Hipstamatic Field Guide; abgerufen am 24.06.2014.
„Add some heat to the scene with a solar flare of light with this warm flash.“ Quelle: http://wiki.hipstamatic.com/index.php?title=Cherry_Shine_Flash (zuletzt abgerufen am 24.06.2014).
Quellentext 19: Die „Zehn Goldenen Regeln“ der Lomografie in deutscher Sprache, erstmalig veröffentlicht am 05. November 1992 zusammen mit dem „Lomografischen Manifest“ in der Wiener Zeitung.
„Unsere 10 goldenen Regeln – Die Essenz unseres ‚Don’t Think, Just Shoot‘Mottos. Bei der Lomographie geht es vor allem darum, Spaß beim Fotografieren zu haben. Also beherzige diese Regeln oder verachte sie. Wofür auch immer du dich entscheidest: Du solltest immer bereit sein, deine Ambitionen über Bord zu werfen und neu zu beginnen. Bleib in Bewegung! 1. Nimm deine Kamera überall hin mit. Wie jede Leidenschaft, lässt sich auch die Lomographie nicht berechnen. Es ist als ob deine innere Stimme einen Pakt mit deiner Begeisterung eingegangen wäre. Die Lomographie lauert dir auf und fällt dich ganz plötzlich an – ohne Vorwarnung! Egal, wo du gerade bist: in einer Garage, im Wald, im türkischen Bad, in den Alpen oder an der Supermarktkassa. Dein Finger wird plötzlich nervös und deine Augen bekommen diesen besonderen Ausdruck. Es ist wieder so weit: Deiner Seele durstet nach neun Bildern! Du greifst nach deiner LOMO LC-A und es macht klick, ahhhh, gleich noch mal: klick! Ja, jetzt ist es besser! Es ist passiert, die nicht zu stoppende Lomographische Lust, einfach alles in deiner Umgebung zu dokumentieren, hat dich gepackt. Die Lomographie ist mit deinem Leben verschmolzen. Die beste uns stärkste Abhängigkeit der Welt! Wusstest du, dass die besten Fotos aus der Spontanität geboren werden, aus dem Augenblick heraus? Und dass es nicht viel mehr davon gibt, das liegt oftmals an dem Umstand, dass gerade keine Kamera verfügbar war. Deine LOMO LC-A ist kompakt und schnell, was sie zur idealen Verlängerung deines Körpers macht – und natürlich auch deiner Seele! Mit der LC-A erreichst du Momente, die dir andere Kameras vorenthalten: spontan, ursprünglich, unvorhersehbar und einmalig!
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2. Verwende sie zu jeder Tages- und Nachtzeit Jede Sekunde ist wertvoll für dich und deine LC-A, jeder Moment ist etwas besonderes. Wenn du Lomographierst, dann lebst du nicht bloß im Moment, sondern konservierst einen Teil der Gegenwart für die Zukunft. All das mit der Hilfe deiner kleinen, dunklen, hellen, schwarz-weißen, bunten, scharfen, unscharfen, in jedem Fall aber zauberhaften Lomographien! Deine Gefühle, deine Erinnerungen und deine Lomographien, all das zusammen ergibt ein komplettes, authentisches Bild deines Lebens. Du verbringst dein Leben nicht nur tagsüber voller Sonnenlicht, Urlaub, Partys und Wochenendausflügen. Also fotografiere einfach alles, was zu deinem tatsächlichen Leben gehört; jeden Tag, jede Nacht, sei bereit und lass dir nichts entgehen. Deine Erinnerungen haben es verdient, in die zauberhaften Formen deiner Lomographien gegossen zu werden. Esse est percipi est Lomographi. Verwende deine LOMO LC-A immer und überall! 3. Lomographie ist nicht Unterbrechung deines Alltags, sondern ein integraler Bestandteil desselben. Es besteht kein Zweifel: Die LOMO LC-A ist alles was du jemals wolltest. Dein neuer bester Freund, dein Party-Begleiter, dein spiritueller Führer – all das in einer Person. Du arbeitest mit der Kamera, du trinkst mit ihr, du schläfst mit ihr. Lomographie ist ein Bestandteil deines Lebens und deiner Kommunikation. So wie sprechen, lachen, schreien und lieben. Als Lomograph bist du nicht bloß Fotograf einer Situation, sondern integraler Bestandteil. Die Lomographie gehört zum Leben, das Leben gehört zur Lomographie. Du lachst und machst ein Foto, du weinst und machst ein Foto, du schreist und machst ein Foto, du liebst und machst ein Foto und ein Foto und ein Foto. Die Lomographie ist ein starker Ausdruck deiner Existenz, ein konstanter Beweis deiner Lebenslust, ein Magnetfeld voller starker Gefühle. 4. Übe den Schuss aus der Hüfte! Der ‚normale‘ Blickwinkel eines Fotografen (durch den Sucher) ist irgendwo auf die Höhe von 1,5 bis 2 Meter limitiert. Aber was passiert darüber, darunter und daneben? Aus der Sicht eines Hundes, eines Vogels oder eines Wurmes? Versteck dich nicht hinter der Kamera, sondern brich aus diesen Konventionen aus. Vergiss den Sucher, vergiss deine Schüchternheit, vergiss alles was du über Fotografie gelesen hast.
410 | Der Instagram-Effekt
Hände hoch, Hände runter, Hände nach vorn. Die Lomographie lacht aus allen Ecken. Von hier nach dort, und von dort nach nirgendwo. Die LOMO LC-A ist so handlich und schnell, dass sie mit dir verschmilzt. Der Schuss aus der Hüfte löst dich von allen Vorgaben. Brich mit allen Grenzen, mach dich frei! 5. Nähere dich den Objekten deiner Lomographischen Begierde so weit wie möglich! Ein wesentlicher Teil deines Lomographischen Daseins ist es, Dingen auf den Grund zu gehen und sie von innen zu erkunden. Ganz wie mit deinen Mitmenschen, musst du immer nett und freundlich sein, um zu erkunden, was deinen Motiven zugrunde liegt. Wenn du spürst, dass der Augenblick gekommen ist, mach ein Bild. Versuche es, und du wirst merken, dass du die starke Leidenschaft, die du für die Lomographie hegst, in deinen Fotos wiederfindest. Die LOMO LC-A ist gleichzeitig Mediator und Teil deiner Beziehung. Durch sie lernst du deine Motive näher kennen und musst auch nicht länger fad auf Partys herumstehen. ‚Hey, das wird ein nettes Foto!‘ Also einfach ein Bild machen und nach der Mailadresse fragen. Klick! Los geht’s. Keine Angst, alle werden merken, dass Lomographie eine gute Sache ist. 6. Don’t think (William Firebrace) Auf den ersten Eindruck kommt es an. Es passiert alles innerhalb von Sekunden, wenn die Informationen noch ungefiltert durch dein Hirn jagen. Millisekunden später ist es bereits zu spät. Dein ganzer mentaler Ballast hat der Freude und Klarheit ein Ende bereitet und all deine aufgestauten Erfahrungen verfälschen deine Wahrnehmung. Ja, so spielt das Leben. Aber keine Sorge, wir haben einen Weg gefunden, diesem Teufelskreis zu entkommen: Don’t think! Denken verboten! Wirf deine ganze intellektuelle Bildung über Bord und gib dir das pure, unverfälschte Leben! Mach Fotos ohne zu denken, lebe im Augenblick, finde deine Motive ohne zu suchen: Klick, Klick, Klick! Lomographie als Gegenstück zu deiner überladenen Wahrnehmung! Die beste Kur, die besten Bilder! 7. Sei schnell Tagtäglich sausen wir wie ein Hochgeschwindigkeitszug (ohne Bremsen) durch extrem komplizierte Anordnungen, die man uns immer wieder als ‚die Welt‘ oder ‚das Leben‘ zu erklären versucht. In Wahrheit hat dabei freilich kaum noch
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jemand den Durchblick. Das ist DIE Möglichkeit für ein lomographisch geschultes Auge! Die Welt ist ständig in Bewegung und wartet nicht gerade darauf, dass du die Kamera raus holst. Der schräge Typ am Kiosk, der Vortänzer in der Disko, der Pudel deiner Nachbarin, der Pfarrer beim Verlassen seiner Stammkneipe. Sie alle sind nicht unbedingt wild darauf, von dir fotografiert zu werden. Aber das kann dich natürlich nicht aufhalten. Also, Helden des Augenblicks, greift eure LOMO LC-A und haltet den Zonenfokus im Auge, es gilt nämlich schnell zu sein. Lasst euch nicht überrumpeln, seid aufmerksam und lasst euch nichts entgehen. Das Klicken deiner LOMO LCA verrät dir, dass du begriffen hast, worum es geht! 8. Du musst nicht um Vorhinein wissen, was dabei heraus kommt. Die Ergebnisse deiner lomographischen Arbeit mit der LOMO LC-A lassen sich nie vollständig voraussagen. Die russische und chinesische Technik, diese vielfältigen Emulsionen, die Laune deines Laboranten, Naturlicht, Kunstlicht, Blitzlicht, deine Beeinflussung wodurch auch immer. Außerdem ist Lomographie oftmals ein fast unbewusster Prozess, der erst gar nicht überkontrolliert werden soll. Es kommt auf dich an. Dein Spiel mit deiner Umgebung, den Menschen um dich herum, deine Ideen und spontanen Einfälle lassen alles zu einem spannenden Akt unvorhersehbarer Ereignisse verschmelzen. Und das ist schließlich ein zentraler Faktor der ganzen Sache: Du weißt nie, was am Ende dabei heraus kommt. Und du musst es auch gar nicht wissen. Lass dich ein auf das Spiel aus Zufällen und Unmöglichkeiten. Ein Leben mit der LOMO LC-A bedeutet, sich treiben zu lassen und vom Unvorhersehbaren zu profitieren! 9. Im Nachhinein auch nicht! Ein paar Tage später bekommst du deine Bilder aus dem Labor und du traust deinen Augen nicht: Was zur Hölle ist das? Wann hab ich dieses Foto gemacht? Wer ist das? Bist das du? Bin das ich? Aber das ist noch lang nicht alles, denn dazwischen: Unschärfe, blaue Augen, ein Lächeln, eine Flasche Schnaps, ein helles Feuer und mysteriöse Doppelbelichtungen. Du hast begriffen: Du wirst die Welt nie ganz verstehen. Und das musst du auch gar nicht. Vergiss die Analyse und lass dich überraschen von all den unvorhersehbaren Geschichten, die das Leben schreibt: schräg, wild, laut, bunt, und immer ganz anders, als du gedacht hättest. Lomographie ist immer dabei, hält alles fest und er-
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zählt ihre eigenen Geschichten. Lass dich darauf ein und du wirst feststellen: Das alles ist ein Teil von dir! 10. Vergiss die Regeln! Hör nicht auf andere und bleib dir stets selbst treu, folge deiner inneren Stimme und lass dir keine Vorschriften machen. Hier nicht und auch sonst nicht. Entdecke deinen eigenen Zugang zur Lomographie, nichts ist verboten, alles ist erlaubt. Mach dich frei! Vergiss den Foto-Kurs aus der Schule und die verächtlichen Blicke dieses Nerds mit seiner teuren Spiegelreflex-Kamera. Gehe unbeirrt deinen eigenen Weg. Richtig oder falsch? – diese Kategorien haben für dich schon längst keine Bedeutung mehr. Um die Lomographie zu leben brauchst du keine Anleitung. Nur dich selbst und deine LOMO LC-A. Alles andere ergibt sich von selbst. Bleib in Bewegung, bleib am Leben. Letztlich kannst du sogar die Kamera in deiner Hand vergessen. Sie ist ohnehin längst mit dir verschmolzen.“ Quelle: http://www.lomography.de/about/the-ten-golden-rules (zuletzt abgerufen am 01.06.2018).
Quellentext 20: Dritte und sechste der „Zehn Goldenen Regeln“ in englischer Sprache.
„3. Lomography is not an interference in your life, but part of it. There’s no chance of relationship phobia: the LOMO LC-A is what you’ve always wanted in life; your new best friend, drinking buddy, spiritual leader and lover all at the same time. You work with the camera, you drink with the camera, you sleep with the camera. Lomography becomes a natural and communicative habit of your life, just like talking, walking, eating, thinking, laughing and loving. As a Lomographer, you are not only photographing a situation, you are an essential part of the situation itself. Life inhales Lomography and Lomography inhales life. You laugh and you Lomograph, you cry and you Lomograph, you walk and you Lomograph, you talk and you Lomograph, you think and you Lomograph, you love and you Lomograph and you Lomograph and you Lomograph. Lomography is a powerful sign of your existence, a constant confession of your lust for life and a magnetic field of your most intense feelings. […] 6. Don’t think. (William Firebrace) Your brightest and clearest insights are always your very first impressions. They happen in-between moments of sensual, visual perception where information is
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delivered from your senses to your brain and remains unfiltered. Milliseconds later it’s already too late: your big, clumsy and party-pooping melancholic reasoning has put an end to the fun and divided your former beautifully pure perception into boring concepts, abstractions, ideas and problems. That’s life, sorry... Not! We found a wonderful and easy way to get rid of this convention: Don’t think! Throw your intellectual socialisation over board, let the unfiltered flow of information circulate freely, untreated and unrated in your mind. Shoot, feel, perceive and shoot, have fun, shoot whatever catches your eye, whatever attracts you, astounds you, excites you, seduces you. Lomography is a surprising diversion to your egghead-life and will enlighten you with true, simple and wonderful revelations.“ Quelle: http://www.lomography.com/about/the-ten-golden-rules (zuletzt abgerufen am 01.06.2018).
Quellentext 21: Das „Lomografische Manifest“, veröffentlicht am 05. November 1992 in der Wiener Zeitung zusammen mit den „Zehn Goldenen Regeln“.
„Lomographie ist keine schlaue Idee, die von einem Marketing-Strategen, Erfinder oder Künstler ausgedacht wurde. Lomographie entstand als Konsequenz eines zufälligen Zusammentreffens der technischen, ökonomischen, sozialen und künstlerischen Bedingungen und musste als solche entwickelt werden. Der Name ‚Lomographie‘ leitet sich von einem Kamerahersteller aus St. Petersburg ab (LOMO = Leningradskoye Optiko Mechanichesckoye Obyedinenie), der der Welt eine revolutionäre Kamera geschenkt hat. Sie ist extrem nutzerfreundlich (Abmessungen: 10 × 6 × 4 cm, ähnlich wie eine MINOX), hat eine automatische Belichtungsmessung, ein besonderes Weitwinkelobjektiv (32 mm, eingebaute extern verschliessbare Abdeckung, exzellente Schärfe und hohe Schärfentiefe). Und zu guter Letzt erlaubt die Kamera durch ihren wirklich außergewöhnlich niedrigen Preis eine neue Herangehensweise an den technischen Apekt der Fotografie, nämlich Lomographie. Vom geschäftlichen Standpunkt aus gesehen, haben verschiedene SupermarktKetten den Weg für die Lomographie geebnet. So war es möglich für etwa 100 Schilling ‚bis zu 38 Fotos auf Papier‘ zu bringen (Film, Entwicklung und 38 Abzüge im Format 7 × 10 cm), während frühere Generationen dafür 400 Schilling ausgeben mussten. Dieser Rückgang der Preise zusammen mit der dazugehörigen Steigerung der Nachfrage nach Fotografie kann als Anzeichen des kreativen und künstlerischen Potentials gewertet werden, dass in modernen Menschen schlummert, die in Supermärkten einkaufen.
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Dennoch waren es die sozialen und künstlerischen Vorraussetzungen der 1990er, die die Lomographie ins Leben riefen und sie zu dem machten, was sie heute ist. Elitäre und in vieler Hinsicht überhebliche kulturelle Instititionen (Theater, Museen, Galerien) kämpfen entweder ums Überleben oder müssen vom Staat subventioniert werden. Im Gegensatz dazu bilden sich immer mehr spontane, kreative und künstlerische Ausdrucksformen, die vor Kontakten mit dem ‚privaten Sektor‘ (Sponsoren, gebührenpflichtige Gesellschaften, private Ausstellungen, Bands, Werbung, Film, Soundtracks) nicht zurückschrecken oder sogar daraus entstehen. Darüber hinaus wird Gestaltung und Kunst mehr und mehr als neutrales Ausdrucksmittel verstanden. In vielen Fällen geht die Kreativität über die Grenzen der kommerziellen Interessen des Künstlers hinaus (Fotografie, Videos etc.) – und widersetzt sich damit der Staatshoheit und ihren oft mittelalterlich anmutenden Regeln (Gewerbeordnung, Medienrecht), zum Beispiel mit Piratensendern, Graffitis und illegalen Plakaten. Heutzutage werden Trends in der Kunst nicht an ihren Inhalten erkannt. Nach heutigen Meinungsumfragen bewegen wir uns schneller und schneller hin zu einer experimentellen Phase des sozialen Pluralismus, während die Zeiten der dogmatischen Rigidität aussterben. Direktheit, Mut und Schnelligkeit, mit denen verschiedene Standpunkte und widersprüchliche Inhalte oft auch zur gleichen Zeit vermittelt werden (Selbstkritik – eine ironische Herangehensweise in der Philosophie), können als Zeitgeit unserer Ära gewertet werden – ein Trend. Lomographie ist eine schnelle, unmittelbare und schamlose Form des künstlerischen Ausdrucks. Die geschäftlichen Voraussetzungen ermöglichen Lomographen eine weitgehende Unabhängigkeit von ökonomischen Beschränkungen. Die Materialkosten (Kameras, Filme etc.) sind auf ein Minimum reduziert, wodurch finanzielle Beschränkungen, erzwungene Zurückhaltung und Disziplin beim Fotografieren keine Rolle mehr spielen. Das ‚extravagante Experiment‘ findet seinen Weg in die Massenfotografie. Es ist in erster Linie die Technik, die der LOMO LC-A, die ihr wahre Identität gibt. Sie passt in jede Hosentasche, hat ein Weitwinkelobjektiv und ist leicht zu bedienen (schnelle Fokussierung, alles andere ist automatisch). Lästige Vorbereitungen und besonders auch der Blick durch den Sucher (dank des Weitwinkelobjektivs) sind daher nicht mehr nötig. Durch den ‚Schuss aus der Hüfte‘ wird das lebendige Motiv nicht überrascht oder beeinflusst. Und verglichen mit einer klassischen (künstlerischen) Foto-Ausrüstung ist sie unvergleichlich unbefangen. Die Essenz der Lomographischen Methodik liegt in der kurzen Zeit zwischen Entdeckung und Ablichtung des Motivs.
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Dadurch werden die Verlegenheit des Fotografieren und die ‚Privatsphäre‘ aufgehoben – ein erklärter Wunsch der Lomographie. Dies betrifft auch besonders ‚schlechte Lichtverhältnisse‘, die kein Problem für die LOMO LC-A darstellen. Wenig Licht und die entsprechende Belichtungszeit (ohne Blitz), das Weitwinkelobjektiv (und auch das kleine Bildformat) schützen vor Unschärfe durch Verwackeln. Dies ermöglicht uns, unser Leben lückenlos zu veröffentlichen. Langzeitbelichtungen, Bewegungsunschärfe und das weiche, gelb-rote Licht künstlicher Beleuchtung bei Nachtfotografien bringen die Authentizität zrück, die in der klassischen Fotografie dem Blitz zum Opfer gefallen ist. Wir nähern uns langsam dem Kern der Lomographie. Grafische und konzeptionelle Themen treten in den Hintergrund. Fotografie wird nicht erdacht, sondern entwickelt sich zum Dokument und gleichzeitig zum integralen Bestandteil einer Situation. Es gibt keine ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Fotos, nur mehr oder weniger ‚wahre‘ und ‚authentische‘ Fotos. Diese Authentizität wird durch fast mechanische, routinierte und ‚gedankenlose‘ Schnappschüsse erzielt. Wichtig für Lomographen ist, dass die paradoxe Rolle des smarten Voyeurs plötzlich im Mittelpunkt des Geschehens festgehalten werden kann. ‚Trash‘ als Kunst, der Wunsch nach Veröffentlichung, die Freude am Konsum in vermeintlichen Massen (jedes Motiv ist würdig, lomographiert zu werden), die Zerstörung der traditionellen Praktiken (Ernsthaftigkeit der Kunst, Privatsphäre, klassische Ästhetik der Fotografie etc.) sind das Salz der Lomographie, Supermärkte sind die Butter und die LOMO LC-A ist das Brot. Kommerz und Technologie haben daher den Grundstein für Lomographie als zeitgenössische Art des fotografischen Ausdrucks gelegt. Die soziale Entwicklung am Ende des 20. Jahrhunderts (progressiver Liberalismus und Pluralismus) verwischt die Grenzen zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten, zwischen Kunst, Konsum und Kommerz, zwischen dem Allgemeinen und dem Spezifischen. Auf diesen Grenzen siedelt sich die Lomographie an. Um einen Spaziergang über diese Grenzen hinweg zu geniessen, werden der Lomograph und seine LOMO LC-A in jeder Lebenslage zum glücklichen Paar.“ Quelle: http://www.lomography.de/magazine/library/2011/01/17/kapitel-3-das-lomograph ische-manifest (zuletzt abgerufen am 01.06.2018).
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Quellentext 22: Textabschnitt, der die ästhetischen Charakteristika einer lomografischen Aufnahme beschreibt; zu finden auf der deutschsprachigen Version der offiziellen Internetpräsenz.
„Wenn du dir so eine Lomography einmal ganz genau ansiehst, dann wirst du entdecken wie viel Charme in ihr steckt. Alles erscheint verstärkt und selbst alltägliche Objekte stechen plötzlich hervor. Details, die normalerweise unentdeckt bleiben, kommen wunderbar zur Geltung. Wie kann das sein…? Wir haben es auf eine flexible Formel herunter gebrochen: Vignettierungen, die mysteriös das Bild umspielen, unerwartete Lichteinfälle und eine Körnung, an der man sich die Zähne ausbeissen könnte. Dazu die Magie einer großartigen Linse, tiefe Farbsättigung und der richtige Kontrast…. Um hier nur einige der Variablen zu nennen! Eine Kombination dieser Faktoren – und ein Schuss Ungewissheit – machen jede Lomographie einzigartig. Der Zufall ist fixer Bestandteil der analogen Fotografie. Lomographen lieben ihn und feiern die Ergebnisse von ganzem Herzen! Experimentiere mit verschiedenen Film-Typen und probiere verschiedene Tipps und Techniken aus. Zum Beispiel das beliebte Cross-Processing (x-pro), das mit Lomographischen Kameras ganz besonders gut funktioniert.“ Quelle: http://www.lomography.de/about/lomographs (zuletzt abgerufen am 31.07.2017).
Quellentext 23: Vorwort auf der Mikroseite zu den „Zehn Prophezeiungen der analogen Zukunft“; Herv. i.O.
„DAS DIGITALE ZEITALTER IST VORBEI Blitzmeldung – Wir brauchen unsere Handys nicht zum Atmen! Computer sind keine Kunstwerke. Das Internet ist nicht so schön wie ein Strand. Eine App wird dir nicht das Leben retten. THE FUTURE IS ANALOGUE Analog bedeutet Authentizität. Analog bedeutet Wahrheit. Analog ist Wirklichkeit. Es wird Zeit, die analoge Zukunft einzuläuten. Und was für eine fantastische Zukunft! – Ein Ort voller Liebe, Spaß, Freude und Fotografie! Es gibt so viele aufregende Möglichkeiten, so viele Dinge zu entdecken. So viele Schnappschüsse und Farben und Schattierungen und Töne. Zögere nicht! Werde Teil des Lomography Zugs der Liebe. Zielort: Glückseligkeit! Lomography’s 10 Prophecies of the Analogue Future sollen diese Vision in die Realität umwandeln. Schreite in die Welt, akzeptiere das Glück und die Überraschungen im Leben. Bzw. akzeptiere sie nicht nur, sondern bewahre sie. Lache über sie. Liebe sie.
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Sie erzeugen Freude und Heiterkeit, Entzückung und Euphorie. Sie geben uns das Gefühl frei zu sein, sie geben uns das Gefühl Menschen zu sein. Lass los! Die analoge Zukunft ist kein Traum. Du kannst sie wahr machen! JETZT. Erinnerst du dich an Regel Nr. 3 unserer 10 Goldenen Regeln? Lomographie ist nicht Unterbrechung deines Alltags, sondern ein integraler Bestandteil desselben. Analoge Fotografie ermutigt uns darin, uns mit unserer Umgebung zu vereinen. Kapsel dich nicht von der Realität ab. Umschließe sie. Umschließe alles, was sie dir anbietet. Lebe ein lomographisches Leben. Mache den ersten Schritt in Richtung Zukunft….“ Quelle: http://microsites.lomography.de/prophecies/about (zuletzt abgerufen am 31.07. 2017).
Quellentext 24: „Die zehn Prophezeiungen der analogen Zukunft“, offizielles Statement der Lomografischen Gesellschaft bezüglich der zunehmenden Digitalisierung der Fotografie; Herv. i.O.
„Die 10 Prophezeiungen der analogen Zukunft sind der Schlüssel zu deinem Analogen Ich. Du bist kein Roboter. Du bist kein Prozessor. Du bist nicht binär. Du bist menschlich. Du bist vielschichtig, nachdenklich und voller Emotionen. Du bist umgeben von Schönheit, Energie, Veränderung und Licht. Ignoriere das nicht. Die Welt ist ein wundervoller Ort. Entdecke sie. Liebe sie. Lebe sie. 1: LEAVE THE DIGITAL GRIND BEHIND Jeden Morgen wachst du in einer digitalen Welt auf – in einem Wirrwarr aus Kabeln, Elektrosmog, Maschinen und technischen Spielereien. Du schaltest den Computer an. Checkst deine Mails, deine sozialen Netzwerke, synchronisierst dein Telefon. Du checkst das Wetter online und wartest nebenbei ungeduldig auf das Beep der Mikrowelle. Du reibst deine schmerzenden Augen und wunderst dich, wie du Tag für Tag kommunizieren kannst, ohne überhaupt mit jemandem zu sprechen. Wach auf! Es muss nicht so enden – Lass das digitale Zeitalter für eine kurze Zeit mal hinter dir. 2: THE RETURN OF LUCK, COINCIDENCE, CONTINGENCY, CHANCE, FORTUNE AND SURPRISE Wach auf. Schau dich um, blinzle und schau dich nochmal mal um: alles scheint so absurd, komisch, irgendwie anders. Dein Bett, der Stuhl, der Himmel, deine Hand, Farben, Formen, Sinn, Unsinn; alles ist eigenartig, lustig, näher, neu. Die Sonne scheint durch dein Fenster und hinterlässt einen schönen Schatten auf dem Boden, kleine Staubpartikel fliegen durch den Raum, du hörst Musik, obwohl
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dein iPod aus ist und du realisiert; du bist von Schönheit umgeben. Nimm es wahr. Entspanne. Gehe das Risiko ein, nicht alles kontrollieren zu wollen, nicht alles wissen zu müssen. Lass einfach mal los! Du bist gerade dabei die analoge Welt wieder zuentdecken. Kämpf nicht dagegen an - Du bist Lomograph! 3: EXPECT THE UNEXPECTED AND THE EXCITEMENT OF EXPERIMENT Küss das Mädchen oder den Jungen der neben dir im Bus oder in der U-Bahn sitzt. Du bekommst entweder eine gewischt oder du erlebst die tollste Fahrt deines Lebens. So oder so – es wird unvergesslich. Nutze deine Vorstellungskraft und probiere ein wenig rum. Bring doch mal wieder etwas Chaos in dein stets so geordnetes Leben. Vielleicht entdeckst du dadurch einen 6. Kontinent auf unserem Planeten oder findest einen Schatz in deinem Garten oder findest heraus, dass die Beatles noch ein zweites White Album auf einer 7“ Schallplatte aufgenommen haben. Das Leben steckt voller Überraschungen! Du kannst diese entdecken, wenn du bereit dafür bist. Probier’s doch mal. Glaub an dich, denn wir glauben an dich. 4: LOMOGRAPHY WILL BRING BACK OVERTONES, NUANCES, SMELLS, SHADES, DIRT & DUST AND REAL LIFE BEAUTY TO US Jede Person sieht die Welt auf eine andere Art. Rembrandt sah sie dunkel und düster, Gauguin hell und lustig, für Impressionisten hingegen war sie verschwommen. Kunst heißt nicht zu imitieren, sondern zu interpretieren. Die Welt für uns Lomographen ist wie ein Apfelkuchen – heiß und einfach köstlich – du kannst nicht genug davon bekommen bis nicht auch der letzte Krümel verzehrt ist. Du nimmst nicht nur Farben intensiver wahr, sondern auch Menschen, Gesichter und Geschichten. Du saugst alles wie ein Schwamm in dich auf. Schönheit erlebst du dort, wo du sie am wenigsten erwartest und du begreifst aufs Neue: Es geht nicht darum wie etwas aussieht, sondern wie du es betrachtest. 5: FILM & PAPER ENSURE ORIGINALITY, AUTHENTICITY AND ETERNITY Du bist in einem fremden Land. Du triffst viele Leute und hast das Bedürfnis zu beeindrucken. Italiener können kochen, Russen trinken, Spanier können Gitarre spielen, Japaner singen, Amerikaner tanzen, Tiroler jodeln. Du bist sicherlich eine intelligente, liebenswürdige und nette Person, aber alles was du in den letzten Jahren getan hast, ist Webseiten zu programmieren, Blogs zu schreiben oder High Scores in Tetris zu erreichen. Dir wird bewusst, dass all diese Fähigkeiten virtuell sind. Sie existieren in einer digitalen Welt, jedoch nicht in der Realität.
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Hast du mal darüber nachgedacht, dass es vielleicht viel beindruckender sein kann, Klavier spielen zu können als zu Twittern? Es ist aufregend etwas zu berühren, etwas zu fühlen, zu riechen, anzufassen, etwas in den Händen zu haben, was nicht mit einem einzigen Klick verschwinden kann. Analog ist authentisch, real, allgegenwärtig. Und so ist auch das Leben. Und so ist analoge Fotografie. Und so ist Lomography. 6: LOOK TWICE Als Lomograph bist du wie ein menschlicher Staubsauger. Du saugst Informationen in dich auf; du bist durstig nach allem aufregenden, lustigen, wildem und andersartigem. Deine Sinneswahrnehmungen: Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken sind stärker ausgeprägt als bei anderen. Kannst du dich noch daran erinnern, wie du früher ‚Toccata und Fuge‘ von Johann Sebastian Bach in der Schule hören musstest und dich zu Tode gelangweilt hast? Erst jetzt realisierst du welche Leidenschaft hinter dieser Komposition steckt und siehst sie als das Meisterwerk, das sie ist. Schmeiß deine Fotos nicht weg! Bilder die dir heute nicht gefallen, gefallen dir vielleicht morgen oder übermorgen oder im nächsten Leben. Wiederentdeckung heißt Neuerfindung: Geschmack, Stil, Gewohnheiten oder ein generell neues Verständnis der Welt. Schau zwei Mal hin, um wahre Schönheit zu erkennen. 7: LET LOOSE WITH LOMOGRAPHY Hast du schon mal das Haus verlassen und während deiner Reise bemerkt, dass du dein Handy zu Haus liegen gelassen hast? Es rentierte sich nicht wirklich wieder zurück zu fahren, also hast du den Tag auch mal ohne verbracht. Du verspürtest so ein seltsames Gefühl von Freiheit, dass du schon lange nicht mehr hattest. Deine Eltern, dein Chef, Kollegen, Freund, Freundin, Vermieter, das Finanzamt oder wer auch immer – keiner konnte dich erreichen, keiner konnte deine Pläne kreuzen. Du bist ein Boot und die Welt dein Ozean. Spanne deine Segel und lass dich vom Wind treiben. Nichts kann dich vom Weg abbringen, solange du mit deiner Lomo unterwegs bist. 8: THE AVANT-GARDE IS ANALOGUE Im 19. Jahrhundert glaubte man, dass Fotografie einmal die Malerei ablöst. Überraschenderweise geschah dies nicht. Jedoch verwandelte sie sich in Expressionismus, Kubismus, Dadaismus und Surrealismus - Formen der Kunst, die mehr als nur eine einfache Vervielfältigung der Realität sind. Sie ebneten den Weg für neue, atemberaubende Perspektiven. Durch neue Herausforderungen erfindet sich etwas Altes zu etwas Neuem und befreit sich von allen Konventionen.
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Es werden Stile Verbindungen und Sprachen entdeckt – weit abgeschlagen vom bisherigen Mainstream. Aus diesem Grund ist das analoge Lebensgefühl heutzutage die wohl aufregendste Art sich auszudrücken. Die Avant-Garde des 21. Jahrhunderts. 9: A BAZILLION FRESH ANALOGUE TUNES AWAIT US Deiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und die analoge Welt wurde bis heute noch nicht vollständig ausgeschöpft. Es ist als ob du Uromas großartige Soljanka kochst, aber durch ein paar Gewürze das besondere Etwas aus dem Gericht machst. Deine Gäste werden entweder sagen: ‚Mmh, lecker.‘, oder ‚Ich habe noch nie zuvor so etwas Gutes gegessen.‘, oder aber auch ‚Oh mein Gott, ich will das Rezept!‘. Solche Reaktionen wirst du nur bekommen, wenn du kreativ wirst und deinem Bauchgefühl traust. Es werden die tollsten Dinge geschehen! Ein Lomograph kann über alles hinwegsehen, außer über ständige Wiederholung. Daher muss er seine Kreativität bis zum Maximum ausreizen. Ein analoges Leben ist kein Schritt in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft! 10: THE ANALOGUE FUTURE IS THE HOME OF A WHOLE LOT OF LOVE, JOY, FUN, SEX AND… PARADISE! Es klingt so unglaublich simpel; wähle analog und dein gesamtes Leben wird sich ändern. Du wirst wieder lernen deinen Instinkten mehr zu trauen als einem LCD. Du wirst viele neue Dinge ausprobieren und feststellen, dass du die besten davon zufällig spontan erleben wirst und dass Neugierde das Natürlichste der Welt ist. Deine Freunde werden dir sagen: ‚Du hast etwas an dir, du bist besonders, du strahlst, du hast Ausdruck.‘ Und sie werden sofort verstehen, dass ein analoges Leben sexy macht, ansteckend und verlockend ist. Jungs & Mädels lieben es und Jungs & Mädels werden dich dafür lieben, dass du es liebst. Ein kleines digitales Nachhelfen ist allerdings kein Verbrechen. Lebe offline, aber teile online. Habe Spaß, lache, verführe (mit deiner Kamera), halte Erinnerungen fest (auf Film), mach dir keine Sorgen (im Leben) und schieße aus der Hüfte.“ Quelle: http://microsites.lomography.de/prophecies/the-10-prophecies (zuletzt abgerufen am 31.07.2017).
Quellentext 25: Offizielle Entstehungsgeschichte der Marke „tens“ als Bestandteil der Unternehmensvorstellung; abgerufen am 15.07.2015. Der Text wurde zwischenzeitlich in Teilen geändert.
„Our filtered lens transforms your view into a vivid experience full of clarity and colour, making everyday life look and feel ten times better. […] For decades, or-
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dinary sunglasses have deprived the world of the sun’s natural glow, replacing its bright and beautiful rays with cold and lifeless shade. We, a group of four creatives from Scotland, imagined Tens during a road trip through the grey-skied Highlands. Inspired by our love for enhancing digital images and video, we wanted to create a way to filter our view whilst being disconnected from technology. Through detailed research and extensive testing, we successfully developed the perfect sense-heightening lens tint. It’s essentially, a real life photo filter.“ Quelle: http://www.tenslife.com/pages/brand (zuletzt abgerufen am 31.07.2017).
Kunst- und Bildwissenschaft Julia Allerstorfer, Monika Leisch-Kiesl (Hg.)
»Global Art History« Transkulturelle Verortungen von Kunst und Kunstwissenschaft 2017, 304 S., kart. 34,99 € (DE), 978-3-8376-4061-8 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4061-2
Horst Bredekamp, Wolfgang Schäffner (Hg.)
Haare hören – Strukturen wissen – Räume agieren Berichte aus dem Interdisziplinären Labor Bild Wissen Gestaltung 2015, 216 S., kart., zahlr. farb. Abb. 34,99 € (DE), 978-3-8376-3272-9 E-Book kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation ISBN 978-3-8394-3272-3
Heike Engelke
Geschichte wiederholen Strategien des Reenactment in der Gegenwartskunst – Omer Fast, Andrea Geyer und Rod Dickinson 2017, 262 S., kart. 32,99 € (DE), 978-3-8376-3922-3 E-Book: 32,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3922-7
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Kunst- und Bildwissenschaft Burcu Dogramaci, Katja Schneider (Hg.)
»Clear the Air«. Künstlermanifeste seit den 1960er Jahren Interdisziplinäre Positionen 2017, 396 S., kart., zahlr. z.T. farb Abb. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3640-6 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3640-0
Astrit Schmidt-Burkhardt
Die Kunst der Diagrammatik Perspektiven eines neuen bildwissenschaftlichen Paradigmas 2017, 372 S., kart., zahlr. Abb. 39,99 € (DE), 978-3-8376-3631-4 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3631-8
Gerald Schröder, Christina Threuter (Hg.)
Wilde Dinge in Kunst und Design Aspekte der Alterität seit 1800 2017, 312 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 36,99 € (DE), 978-3-8376-3585-0 E-Book: 36,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3585-4
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