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German Pages [385]
Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski und Hermann Spieckermann
34
Armin Lange
Vom prophetischen Wort zur prophetischen Tradition Studien zur Traditions- und Redaktionsgeschichte innerprophetischer Konflikte in der Hebräischen Bibel mit einem Index von K. F. Diethard Römheld
Mohr Siebeck
ARMIN LANGE, geboren 1961; 1 9 8 2 - 9 0 Studium der Evangelischen Theologie; 1995 Promotion; 2001 Habilitation; seit Januar 2 0 0 2 Associate Professor for Hebrew Bible and Dead Sea Scrolls an der University o f North Carolina at Chapel Hill.
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Bibliothek —
CIP-Einheitsaufnahme
Lange, Armin: Vom prophetischen Wort zur prophetischen Tradition : Studien zur Traditions- und Redaktionsgeschichte innerprophetischer Konflikte in der Hebräischen Bibel ; mit einem Index / Armin Lange. — Tübingen : M o h r Siebeck, 2 0 0 2 (Forschungen zum Alten Testament ; 34) ISBN 3-16-147732-4
978-3-16-157818-2 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019
© 2 0 0 2 J. C. B . M o h r (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung undVerarbeitung in elektronischen Systemen. Das B u c h wurde von K. F. D. R ö m h i l d aus der U R W Bergamo gesetzt, von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN
0940-4155
Heinz-Josef Fabry — einem Freund und Kollegen —
Vorwort Bei der hier vorgelegten Monographie handelt es sich um eine leicht überarbeitete Fassung meiner im Januar 2000 an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Eberhardt-Karls-Universität Tübingen eingereichten Habilitationsschrift. Im Interesse einer zügigen Publikation wurde auf die Einarbeitung der später erschienenen Sekundärliteratur verzichtet. Ausfuhrliche Auswertungen und Ergebnisteile, die die erzielten Erkenntnisse detailliert referieren, werden im Laufe der Argumentation geboten. Am Schluß der Arbeit beschränke ich mich daher zur schnellen Orientierung auf ein knappes Referat der Ergebnisse. Für zahlreiche Anregungen, für die Betreuung der Arbeit und für die Erstellung des Erstgutachtens gilt mein Dank Prof. Dr. Bernd Janowski sowie für die Erstellung des Zweitgutachtens Prof. Dr. Erhard Blum. Darüber hinaus habe ich von der konstruktiven Kritik des Promotions- und Habilitationskolloquiums von Prof. Dr. B. Janowski profitieren dürfen. An dieser Stelle möchte ich besonders Prof. Dr. Michaela Bauks, Dr. Karin Finsterbusch, Wolfgang Hüllstrung und Dr. Peter Riede erwähnen. Prof. Dr. Hermann Lichtenberger sei herzlich gedankt für den Freiraum, den er mir am Institut für antikes Judentum und hellenistische Religionsgeschichte gewährt hat. Mein besonderer Dank gebührt Frau Marietta Hämmerle, Dr. Ulrike Mittmann-Richert, Dr. Diethard Römheld und Frau Lisa Ulferts für ihre Unterstützung bei bibliographischen Arbeiten sowie Korrektur- und Satzarbeiten. Bedanken möchte ich mich schließlich auch bei den Herausgebern der Reihe Forschungen zum Alten Testament (Prof. Dr. Bernd Janowski und Prof. Dr. Hermann Spieckermann) für die Aufnahme meines Buches sowie bei meinem Verleger, Georg Siebeck, und seinen Mitarbeitern für die verlegerische Betreuung. Das Buch ist Prof. Dr. Heinz-Josef Fabry als einem Freund und Kollegen gewidmet, der in meinem wissenschaftlichen und persönlichen Werdegang immer dann zur Stelle war, wenn es nötig war. Tübingen, den 2. Oktober 2001
Armin Lange
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung
1
1.1 Forschungsgeschichte 1.1.1 Von
MATTHES
bis
4 TILSON
(1859-1951)
1.1.2 Von Q U E L L bis C R E N S H A W (1952-1972) 1.1.3 Von H O S S F E L D / M E Y E R bis heute (1973-1999) Exkurs 1: Die Forschung zur Ablehnung der Prophetie 1.2 Präzisierung der Fragestellung 1.3 Textauswahl 1.3.1 Zu untersuchende Texte 1.3.2 Nicht zu untersuchende Texte 1.3.2.1 1.3.2.2 1.3.2.3 1.3.2.4 1.3.2.5 1.3.2.6
N u m 22,22-35 l K ö n 13 l K ö n 22,1-40 par2Chr 18,4-34 Die Elisaerzählung Das Jonabuch Neh 6,10-14
5 14 19 33 35 38 38 40 40 44 46 49 51 54
2 Innerprophetische Konflikte in der Zeit vor der dtr Jeremiaredaktion
57
2.1 Innerprophetische Konflikte vor Jeremia
57
2.1.1 Am 7,14 2.1.2 Mi 2,6-11; 3,5-8.11 2.1.3 Jes 3,1-3; 9,13-15; 28,7-13 2.1.4 Zeph 3,4 2.1.5 Ergebnis 2.2 Jeremias Auseinandersetzung mit seinen prophetischen Gegnern 2.2.1 Jeremias Konflikt mit Hananja und die Propheten Ahab und Zedekia (Jer 28; 29,21-23)
58 61 67 79 81 83 84
X
Inhaltsverzeichnis
2.2.2 Einzelne Jeremiaworte gegen Propheten 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.2.3 2.2.2.4
Jer 2,8b Jer 5,30f. Jer 6,9-15 Auswertung
93 94 97 100 105
2.2.3 Die Sammlung über die Propheten (Jer 23,*9-32) . . . . 106 Exkurs 2: Die Literarkritik von Jer 23,16ff. 113 2.2.4 Ergebnis 130 2.3 Zwischen Jeremia und der dtr Jeremiaredaktion 2.3.1 Ezechiel 2.3.1.1 Ez 12,21-14,11 2.3.1.2 Ez 21,34a 2.3.1.3 Auswertung 2.3.2 Ez 12,22 2.3.3 Klgl 2,14; 4,13 2.3.4 Die Überschrift „Über die Propheten" in Jer 23,9 Exkurs 3: Deuteronomismus und Prophetie 2.3.5 Ergebnis 3 Die Ablehnung der Prophetie in der dtr Jeremiaredaktion 3.1 Einzelne Worte zur Prophetie 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4
Jer 4,9f. Jer 5,12-14 Jer 14,10-16 Auswertung
3.2 Jer 20,6* 3.3 Die dtr Redaktion von Jer 23,"9—32 3.4 Die geschichtliche Konkretion: Jer 27—29 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4
Jer 27 Jer 28 Jer 29 Auswertung
3.5 Jer 37,19 3.6 Ergebnis und Auswertung
131 131 131 150 152 154 156 161 163 181 185 186 187 189 193 202 206 208 224 232 243 244 256 260 261
Inhaltsverzeichnis
4 Die nachexilische Ablehnung der Prophetie 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Sach 10,2 Ez 22,28 Jer 23,33-40 Sach 13,2-6 Ergebnis
5 Ergebnis und Schlußfolgerungen 5.1 Innerprophetische Konflikte in der Zeit vor der dtrjeremiaredaktion 5.2 Die Ablehnung der Prophetie in der dtr Jeremiaredaktion . . . 5.3 Die nachexilische Ablehnung der Propheten 5.4 Fazit
XI
269 269 274 278 291 306 309 309 313 315 317
Abkürzungsverzeichnis und Zeichenliste
319
Literaturverzeichnis
321
Anhang: Ubersetzungen der längeren Textpassagen
359
Kapitel 1
Einleitung Das Interesse der historisch-kritischen Forschung am Phänomen der Prophetie hat sich bis in die jüngere Zeit hinein im wesentlichen auf die prophetische Offenbarung konzentriert. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Arbeiten haben sich entweder darauf beschränkt, das ursprüngliche prophetische Wort zu erschließen, oder aber sich späteren R e daktionen der prophetischen Verkündigung als nachprophetischen Phänomenen gewidmet. Erst vor kurzem hat sich die Erkenntnis durchzusetzen begonnen, daß auch die überarbeitende Tradierung prophetischer Texte als prophetische Prophetenauslegung Teil der Prophetie selbst ist. Die Anfänge dieses Prozesses prophetischer Prophetenauslegung sind im späten 8. Jh. v.Chr. zu suchen. Die vorexilischen Unheilspropheten sahen sich gezwungen, ihre häufig ungehört verhallenden Prophezeiungen textlich zu fixieren, um so bei Späteren und/oder Schülern eine Erkenntnisgrundlage für jenen Zeitpunkt zu legen, an dem die von ihnen prophezeiten Katastrophen eintrafen (s. etwajes 8,16—18; 30,8—II). 1 Als Beispiele können hier das von B L U M isolierte prophetische Testament J e sajas (Jes *1,21—11,5) 2 oder der assyrische Zyklus Jesajas (Jes *28—31)3 gelten. Die Redaktionsgeschichte von Ez 12,21—14,11 (s.u. z.St.) und die in Jer 36,27ff. erwähnte Überarbeitung einer Schriftrolle mit den Prophezeiungen Jeremias durch den Propheten selbst, zeigen, daß die vorexilischen Propheten sich nicht mit einer einfachen Verschriftung und Tradierung des einmal Verkündeten begnügten. Sie waren vielmehr selbst ihre ersten Redaktoren. Für das ausgehende 8. Jh. v.Chr. hat B L U M zeigen können, wie Jesaja seine Prophezeiungen in Erwartung eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs aufJerusalem 701 v.Chr. in Form eines prophetischen Testaments redaktionell rekontextualisierte. 4 Noch in das 7. Jh. fällt auch die erste, Arnos und Hosea umfassende Sammlung mehrerer Prophetenbücher, wie sie J . J E R E M I A S an Hand der hoseanischen Prägung 1 2 3 4
Vgl. H . BARTH, Jesaja-Worte, 3 0 7 - 3 0 9 ; STECK, Prophetenbücher, 148f. S. dazu BLUM, Jesajas prophetisches Testament, passim. Vgl. dazu die Überlegungen von BARTHEL, Prophetenwort, 279. Jesajas prophetisches Testament, passim.
2
Einleitung
des Amosbuches und der Anspielungen auf Amostexte im Hoseabuch herausgearbeitet hat. 5 Ein solcher Verweis auf die Prophetie des Arnos findet sich neben dieser frühen Edition eines Amos-Hosea-Buches auch in dem schon erwähnten prophetischen Testament Jesajas (Jes 5,25). 6 So scheint eigenartigerweise nicht etwa die Auslegung der Tora das früheste noch greifbare Stadium israelitisch-jüdischer Textauslegung zu markieren, sondern der durch seine Außenseiterrolle zur schriftlichen Kommunikation gezwungene Prophet. 7 Arnos, Hosea, Jesaja und ihre frühen Editoren stehen mit der Sammlung und redaktionellen Überarbeitung ihrer Verkündigung am Beginn eines Prozesses redaktioneller Rekontextualisierung, Fortschreibung und Edition prophetischer Schriften, an dessen Ende sich im 3. Jh. v.Chr. 8 das aus den Büchern Jes, Jer, Ez und dem Dodekapropheton bestehende corpus propheticum findet. 9 Der Grund für diese fortwährende Wiederaufnahme und Rekontextualisierung des prophetischen Wortes ist in seiner grundsätzlichen Offenheit für seine erst spätere Erfüllung zu suchen. Durch diese Offenheit ist schon dem ursprünglichen Prophetenwort eine Bedeutung für die spätere Geschichte Israels eigen, die es den Tradenten erlaubte, im prophetischen Wort eine in ihm verborgene, „qualitativ verdichtete Tiefen- und Sinndimension der Zeit und Zukunft Israels" zu finden. 1 0 Der so teils schon im prophetischen Wort angelegte, teils erst in es hineingelegte „metahistorische Sinnweg Israels" 11 erlaubte es den Tradenten, in den prophetischen Texten „ein auf die wesentlichen Sinnstationen konzentriertes, aber stets zeit- und erfahrungsbezogenes Geschichtsbild"12 zu finden, auf dessen Basis Prophetentext und aktuelle Gegenwartserfahrung für die Tradenten aufeinander beziehbar wurden. 1 3 Da die Bedeutung der Prophetenbücher für aktuelle Gegenwartserfahrungen so dem Text zumindest teilweise innewohnt, wird „der in diesem Wortlaut gebotene metahistorische Aspekt des prophetisch eröffneten Orientierungs- und 5 Anfänge, 38—54; Rezeptionsprozesse, 3 5 - 3 9 ; Arnos, X X ; vgl. jetzt auch SCHART, Entstehung, 1 0 1 - 1 5 5 . 6 S. dazu o., 77 Anm. 64. 7 Vgl. u.a. KRATZ, Schrift, 405. 8 Zur Datierung einer Endfassung des corpus propheticum in das 3. Jh. v.Chr. s. die Aufzählung der Propheten Jesaja, Jeremia, Ezechiel und der Zwölf in Sir 48,22—25; 49,6—10. 9 Zur Redaktionsgeschichte des corpus propheticum s. E. BOSSHARD-NEPUSTIL, Beobachtungen; DERS., Rezeptionen; STECK, Abschluß. 1 0 STECK, Prophetenbücher, 150. 11 A.a.O., 151. 1 2 Ebd. 1 3 Zur Sache vgl. STECK, Prophetenbücher, 1 4 9 - 1 5 2 .
Einleitung
3
Erwartungsbildes Israels" mit der veränderten geschichtlichen Erfahrung auf redaktionellem Weg korreliert. 14 Die vorexilischen Propheten selbst haben dabei mit der Verschriftlichung und Überarbeitung ihrer Werke einen interpretatorischen Rezeptionsprozeß in Gang gesetzt, der sowohl ihr eigenes Wort als auch das ihrer jeweiligen Vorgänger einer aktualisierenden und sinnschöpfenden Rekontextualisierung und Neugestaltung unterwarf. Im Gegensatz zu der von ihm „kerygmatische Prophetie" genannten unmittelbaren prophetischen Verkündigung umschreibt STECK dieses Phänomen als „Tradentenprophetie". 15 Diese Tradentenprophetie formt in ihren jeweiligen Überarbeitungsstufen — hermeneutisch gesprochen — einen Hypotext (das zugrundeliegende Prophetenwort) in einem Prozeß sinnschöpfender relecture16 in einen Hypertext (das Ergebnis der redaktionellen Überarbeitung) um. 17 Dabei vollzieht sich ein dialektischer Prozeß von Texttradierung und produktiver redaktioneller Sinnschöpfung, deren Ergebnis als tradierter Text erneut Gegenstand redaktioneller Sinnsuche ist. Hierbei tritt die jeweilige Wirklichkeit des Hörers, Lesers, Auslegers oder Redaktors eines Textes zum tradierten Text und seiner Auslegung als ein drittes Element hinzu. Die eigene Wirklichkeit zu verstehen und sich sinnstiftend anzueignen, ist der eigentliche Zweck der relecture prophetischer Texte. Der Vorgang kann etwa mit der Interpretation einer Beethoven-Symphonie durch den Dirigenten eines Orchesters oder der Inszenierung eines Theaterstückes durch den Regisseur verglichen werden. Ähnlich einer Beethoven-Interpretation oder einer Theaterinszenierung ermöglicht erst eine solche relecture eine Rekontextualisierung des prophetischen Wortes, aber auch jedes anderen Bibeltextes. So kann die ursprünglich an und durch den Propheten ergangene Offenbarung erneut in eine veränderte Wirklichkeit sprechen. 18 Auf diese Weise hat auch das redaktionelle Wirken der Tradentenprophetie und nicht nur die kerygmatische Prophetie prophetischen Charakter. 14
A . a . O . , 161. Z u r Sache s. H e i m k e h r , 8 1 - 9 9 ; Tntojesaja, V f. 2 6 f . 2 7 0 - 2 7 7 ; Abschluß, 6 1 - 6 3 . 1 6 7 170; P r o p h e t e n b ü c h e r , 167ff. 16 Z u m P h ä n o m e n der relecture vgl. die E r ö r t e r u n g e n v o n GENETTE, Palimpseste, 9—18 (GENETTE v e r w e n d e t allerdings statt relecture den Begriff Transtextualität). Z u r Diskussion u m den Begriff relecture in der biblischen H e r m e n e u t i k s. GELIN, relectures; SCHARBERT, P r o b l e m e , 201; das D o k u m e n t der päpstlichen Bibelkommission „ D i e Interpretation der Bibel in der Kirche" § III. 1 (zu Text u n d K o m m e n t a r s. FITZMYER, D o c u m e n t , 134f., u n d 15
RUPPERT/KLAUCK, I n t e r p r e t a t i o n , 4 4 f . l 3 5 f . ) ; STECK, P r o p h e t e n b ü c h e r , 155ff.; ZUMSTEIN,
Relecture; JANOWSKI, R e f l e x i o n e n , passims. 17 Z u H y p o t e x t u n d H y p e r t e x t s. GENETTE, Palimpseste, 14—18. 18 Vgl. dazu etwa BECKER, H e r m e n e u t i k , 41.
4
Einleitung
Im Licht des neuen, oben skizzierten Zugangs zur Prophetie möchte sich die vorliegende Arbeit erneut der Frage nach der Traditions- und Redaktionsgeschichte innerprophetischer Konflikte widmen. Bestimmt durch die Konzentration der historisch-kritischen Forschung auf die kerygmatische Prophetie beschränken sich die Arbeiten zu dem schon häufig behandelten Thema meist auf Belege aus vorexilischer und exilischer Zeit und verweisen bestenfalls noch kurz auf jüngere Texte. Dabei wird übersehen, daß der Tradentenprophetie zuzurechnende Texte wie Jer 23,33—40; Ez 22,28 und Sach 13,2—6 durch bewußte Fortschreibung und/oder Aufnahme älteren Materials die Problematik innerprophetischer Konflikte weiterdenken und zu einem Abschluß bringen möchten. Diesem Desiderat möchte die vorliegende Arbeit begegnen, indem mit Hilfe einer erneuten Analyse aller Texte gefragt wird, wie sich aus dem Konflikt Prophet gegen Prophet traditionsgeschichtlich eine Ablehnung aller gegenwärtigen Prophetie entwickeln konnte.
1.1 Forschungsgeschichte Die historisch-kritische Forschung zur Frage innerprophetischer Konflikte begann im 19. Jh. mit M A T T H E S , der die erste eigenständige Arbeit zur Sache vorgelegt hat, und läßt sich auf Grund der Einschnitte, die die Arbeiten von Q U E L L und H O S S F E L D / M E Y E R darstellen, in drei Epochen einteilen: 1. von M A T T H E S bis T I L S O N , 2 . von Q U E L L bis C R E N S H A W , 3 . von H O S S F E L D / M E Y E R bis heute. In einem Exkurs ist ferner auf die wenigen Veröffentlichungen zum Thema „Ablehnung der Prophetie" hinzuweisen. Publikationen, die einzelnen Texten gewidmet sind, finden im folgenden nur dann Berücksichtigung, wenn sie von forschungsgeschichtlicher Bedeutung sind, andernfalls werden sie im Rahmen der jeweiligen Exegesen besprochen. 19 1 9 Der Aufsatz von BACHT (Wahres und falsches Prophetentum. Ein kritischer Beitrag zur religionsgeschichtlichen Behandlung des frühen Christentums) kann unberücksichtigt bleiben, da die Verfasserin sich mit der Frage nach wahrer und falscher Prophetie nur im Blick auf das N e u e Testament und das frühe Christentum beschäftigt. Ebenso bleibt im folgenden die Dissertation von AALDERS (De valsche Profetie in Israël) unbeachtet, weil sie sich durch die Ablehnung der historisch-kritischen Methode selbst aus der wissenschaftlichen Debatte ausgrenzt.
Forschungsgeschichte
1.1.1 Von
MATTHES
bis
TILSON
5
(1859-1951)
Die erste Phase der historisch-kritischen Forschung zum Thema innerprophetische Konflikte ist wesentlich von der Frage nach Kriterien wahrer und falscher Prophetie geprägt. Eine umfangreiche Gruppe von Forschern stellt dabei eine am Erwählungsgedanken orientierte falsche Heilsprophetie einer von der Idee der sittlichen Bedingtheit des Heils ausgehenden wahren Prophetie gegenüber. Eine andere große Gruppe versteht, angeregt von MOWINCKEL, den Konflikt von wahren und falschen Propheten als eine Konfrontation der klassischen Propheten mit den als Hof- bzw. Kult- oder Berufspropheten verstandenen Nebiim, ohne dabei jedoch die Frage nach den Kriterien wahrer und falscher Prophetie gänzlich zu vernachlässigen. Eine Synthese beider Ansätze hat T I L S O N in einer umfangreichen Dissertation zur Sache versucht. Daher erscheint es mir berechtigt, den ersten Abschnitt der Forschungsgeschichte mit seiner Arbeit zu beenden. Kriterien prophetischer Aussagen und die Frage nach der Sittlichkeit Die erste historisch-kritische Arbeit zum Thema „innerprophetische Konflikte" ist die lateinische Dissertation v o n J . C . M A T T H E S (De Pseudoprophetismo [1859]), deren Ergebnisse der Verfasser später in Aufsatzform zusammengefaßt hat (False Prophets [1884]). M A T T H E S versteht die falschen Propheten als charakterstarke, aber traditionsgebundene Menschen. Die bis dahin in Kompendien und Einleitungswerken vertretenen drei Kriterien falscher Prophetie (1. Übereinstimmung mit den Vorgängern und dem mosaischen Gesetz, 2. Wundertätigkeit, 3. Erfüllung der Vorhersage) 20 lehnt M A T T H E S ab, da die bei den Propheten in diesem Zusammenhang nicht erwähnten Gesetzestexte zum Gutteil jünger seien als die in Frage kommenden Prophetentexte, die prophetischen Traditionen sich widersprächen, die atl. Propheten das Wunder nicht als Kriterium verwendeten und das Erfullungskriterium von Dtn 18,21 f. erst lange Zeit nach einer Prophezeiung praktikabel werde. Das einzige von den atl. Propheten selbst verwendete Kriterium sei der religiöse Inhalt und moralische Wert der Prophetenworte. Der wahre Prophet habe die Vorhersage nur als Mittel zum Zweck der Besserung und Erhöhung seiner Adressaten verwendet: „ . . . the truth o f his prophecy depends . . . on the moral Standard o f his preaching" (False Prophets, 445).
20
So etwa KUENEN, Prophets, 5 4 - 6 1 .
6
Einleitung
Nach A.B. DAVIDSON (False Prophets [1895]; Prophecy, 111.116-118 [1902]; Old Testament Prophecy, 285-308 [1905]) gab es vier Arten von falschen Propheten: 1. Berufspropheten, die flir ihren Lebensunterhalt sagten, was dem Publikum gefiel, 2. pagane Propheten, 3. Propheten, die sich verbotener Divinationstechniken bedienten, u.a. der Nekromantie, 4. Propheten, die zumindest nominell JHWH-Propheten waren. Dabei war die zuletzt genannte Form am verbreitetsten. Ihre von der wahren Prophetie abweichende JHWH-Konzeption eines untrennbar mit Israel verbundenen und schützenden Nationalgottes rührte von der Assimilation kanaanäischer Frömmigkeit her. Die wahren Propheten überwanden diesen Synkretismus und stellten die Gerechtigkeit der einer moralischen Wesenheit J H W H über sein Bündnis mit Israel. Weil die Auseinandersetzung zwischen wahren und falschen Propheten somit im Bereich theologischer Grundsatzfragen stattfand, konnte zwischen beiden nicht an Hand externer Kriterien unterschieden werden. Einzig das interne Kriterium des ihnen zugrunde liegenden religiösen Wertes, der „ethical nature of true prophecy" (False Prophets, 16), bot diese Möglichkeit. S. OETTLI (Merkmal [1896]) erhebt ein der Erwählung und Gottes Handeln an seinen Erwählten gemäßes Verhalten zum Maßstab. Es äußert sich in einem willigen Einfügen „in den bisherigen Gang der göttlichen Gedanken und Veranstaltungen" (15) und einer „demütige(n) Selbstlosigkeit" (ebd.), in welcher der Mensch nicht „für sich selbst etwas bedeuten, erlangen, genießen und aus diesem höchsten Beruf eine Leiter zur Selbsterhöhung sich zimmern will" (ebd.). Positiv ausgedrückt macht der wahre Prophet „den Menschen klein und Gott groß" (16). Das Wort eines solchen Propheten beugt nach Jer 23,28 den Menschen, fuhrt ihn „tiefer in Selbstprüfung und Selbstgericht hinein" (18), löst ihn von sich selbst und lenkt seinen „Willen . . . in die Bahnen des heiligen Kindesgehorsams" (ebd.). Negativ ausgedrückt schwimmt falsche Prophetie „mit der Strömung der Zeit" (ebd.), so daß von ihr „niemals energische sittliche Wirkungen" ausgehen (ebd.). Letztendlich kommt alles darauf an, daß die wahren Propheten „die Salbung von Gott her" haben (19). Diese ist jedoch nicht verstandesmäßig definierbar und nur mit jenem „lautere(n) Auge, von dem der Herr redet, und ein(em) auf göttliche Eindrücke gestimmte(n) Herz" erkennbar (ebd.). J.J.P. VALETON (Profeet [1900]; Prophet [1911]) findet in seiner auf lKön 13; 22 und Jer 28 konzentrierten Arbeit zwischen dem Epigonen Hananja und seinem Vorbild Jesaja und damit zwischen wahrer und falscher Prophetie einen prinzipiellen Unterschied, einen „Gegensatz in
Forschungsgeschichte
7
der Gotteserkenntnis, in der Beurteilung der sittlichen Zustände" (Prophet, 58). D e n wahren Propheten erkennt man am Gepräge, das das Gotteswort seinem Leben gab. Er war im letzten Grunde Gerichtsprophet, die Heilsbotschaft war ihm sittlich bedingt. Die falschen Propheten fühlten sich als bedingungslose Heilspropheten an keine sittliche Forderung gebunden und leiteten ihre Heilsgewißheit aus J H W H s W o h n e n in Israel ab. Als eine minderwertige Klasse von Propheten, die zu ihrem eigenen Vorteil prophezeiten und einer überkommenen Form der Frömmigkeit anhingen, versteht P. V O L Z die falschen Propheten („False" Prophets [1902]; Criteria [1902]; Jeremia, 243-245 [ 2 1928]; Prophetengestalten, 223-229 [1938]). Ihr Patriotismus war geprägt vom Glauben, „daß Jahwe seinem erwählten Volk unbedingt und in allen Fällen helfen werde" (Jeremia, 243). Daher maßen sie der sittlichen Besserung des Volkes keine Bedeutung bei. Die wahren Propheten wußten dagegen: „Religion, Gottesgemeinschaft bringt Dienst, Leiden und Kreuz" (Jeremia, 245), ihre Botschaft war „a word o f w o e to a sinful people" (Criteria, 3875). Daher gilt: „ T h e prophet detects spurious prophets by two criteria: the Contents oftheir message, and their own moral character" (Criteria, 3875). In seiner letzten Äußerung zum Thema fügt V O L Z — wohl von H E R T Z B E R G und STAERK beeinflußt (s.u.) — als weiteres Kriterium des wahren Prophetenwortes hinzu, daß sein „Inhalt allem menschlichen Wünschen und Denken ... zuwiderläuft und entgegengesetzt ist" (Prophetengestalten, 227). 21 Auch f ü r E . S A C H S S E (Propheten [1919]) zeichnen sich wahre und falsche Propheten durch verschiedene Gottes- und Weltanschauungen aus. Die Gegner der wahren, kanonischen Propheten wollten die kanaanäische Kultur Israel mit allen ihren religiösen Werten erschließen, während die kanonischen Propheten nach ihrer assimilatorischen Ü b e r w i n d u n g strebten (vgl. D A V I D S O N ) . „ S O stehen die beiden Auffassungen sich gegenüber: Hier unbedingtes Heil — dort sittlich bedingte Zukunftserwartung. Hier das Verhältnis zu Jahwe ein natürliches — dort ein sittliches" (74). Was der kanonisch gefilterte Rückblick dem modernen Bibelexegeten zugänglich macht, mußte den Zeitgenossen der Propheten jedoch noch verborgen bleiben. Weder absichtliche Lüge noch besondere Unsittlichkeit noch Ekstase noch ausschließliche Heils- bzw. Unheilsprophetie noch eine unhinterfragte Übernahme der Volksreligion konnten als eindeutige Kennzeichen falscher Propheten gelten. 21 In bemerkenswerter O f f e n h e i t bezeichnet VOLZ in dieser Arbeit noch 1938 die falsche Prophetie in Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ideologie als „völkische Prophetie" (Prophetengestalten, 223 u.ö., s. bes. 225).
8
Einleitung
Für E. AUERBACH (Prophetie, 1 7 - 2 4 [1920]) ist der Unterschied zwischen wahrer und falscher Prophetie „im Grunde ein Unterschied des Grades, nicht der Art" (21). Während der falsche Prophet, obwohl ehrlicher Uberzeugung, schnell erlahmte und dann verkündete, was gefällt, mußte der echte Prophet als „sittlicher Führer und Zurechtweiser des Volkes" (22) gegen dessen Erwartungen sprechen. Von den wenigen Zeiten allgemeiner Resignation im Volk abgesehen (Deuterojesaja) ist er daher ein Unheilsverkünder. H.W. HERTZBERG (Prophet und Gott, 1 0 9 - 1 2 8 . 2 1 5 - 2 2 3 [1923]) fragt als erster, wie ein Prophet ein wahres Gotteswort erkennen konnte. Der Fall Jeremias zeigt, daß es einerseits daran erkannt wird, daß es „inhaltlich dem gerechten Jahvewillen entspricht bezw. — nicht widerspricht" (120), und andererseits daran, daß es das „Gegenteil selbstischer Herzensregungen . . . , das Irrationale, welches . . . alles Deuteln und Wollen in gewaltiger Kraft über den Haufen wirft", ist (122). Für den Hörer des prophetischen Wortes gab es dagegen einen Kanon von drei Verifikationskriterien: 1. Das „Wort des sittlichen Gottes und das Innere seines Propheten müssen auf einen Ton gestimmt sein" (217). 2. J H W H muß dem Propheten in einem religiösen Konnex „als lebendige Realität vor der Seele" stehen (218). 3. Der innere Konnex des Propheten mit der Gottheit: „Erst da wird von wirklichem Gotteswort . . . die Rede sein können, wo der so . . . disponierte Mensch vollbewußt ihm gegenübersteht und es sich klaren Sinnes aneignet" (219). Nach W. STAERK (Wahrheitskriterium [1928]) führte die Überbetonung der Erwählung in der falschen Prophetie dazu, daß „der Ernst der Heiligkeit Gottes seine mäßigende Wirkung auf die Heilshoffnung nicht ausüben" konnte (78). Die wahre Prophetie „wird offenbar in der Fähigkeit, . . . das Heil im Gericht des zürnenden Gottes zu erleben und kein Heil ohne den Zorn des richtenden Gottes zu kennen" (81). Als subjektives Wahrheitskriterium des Prophetenwortes gilt dementsprechend „seine unbedingte sittliche Bindung . . . Der rechte Prophet steht in Gottes Namen als Wächter und Warner vor seinem Volk" (84f.). Als objektives Wahrheitskriterium dagegen nennt STAERK in Anlehnung an HERTZBERG die Überwältigung der Psyche des Propheten durch Gott, jene „innere praktische Gewißheit des Gottesbewußtseins, die im Sendungsbewußtsein und dessen Abstand von allem autonomen Wollen und willkürlichem Handeln des Menschen erfaßt wird und als Offenbarung Gottes im Menschen diesem Sendungsbewußtsein die Stetigkeit der Kraft und die Sicherheit des Urteils verbürgt" (94).
Forschungsgeschichte
9
Wie DAVIDSON und SACHSSE fuhrt auch E.F. SIEGMAN (False Prophets [1939]) den Heilsoptimismus der falschen Propheten auf die minderwertige, synkretistische Uberzeugung von J H W H s untrennbarer Verbindung mit seinem Volk zurück. Mit ihrer an keine sittlichen Bedingungen geknüpften Heilsbotschaft versuchten Falschpropheten die mit ihrer Stellung (Kult- und Hofpropheten) verbundenen politischen und ökonomischen Besitzstände zu bewahren. Zur Identifikation solcher Falschpropheten bedarf es eines Kanons von inneren und äußeren Kriterien: Diese sind eine unmoralische Predigt, die die Umkehr des Volkes verhinderte, auf Seiten der falschen Propheten und auf Seiten der wahren Propheten „intellectual miracles: his (seil. Jeremias) appeals to future to confirm his predictions . . . , which are implicit appeals to the fulfillment ofhis predictions" (13).
Der gesellschaftliche Ort derfalschen Prophetie S. M O W I N C K E L S Arbeiten gaben Anstoß zu einer bis heute anhaltenden Debatte um den gesellschaftlichen Ort innerprophetischer Konflikte (forhold [1910]; Psalmenstudien III, 14f.20f. [1923]; Spirit [1934]; Ecstatic Experience [1935]). Schon in der Zusammenfassung seiner Dissertation (s. forhold) unterscheidet er zwischen Nebiim, die kanaanäische Kultelemente mit dem israelitischen Glauben verschmolzen, und vorexilischen Reformpropheten. Erstere waren in primitiver Mystik verwurzelte Adepten, die beanspruchten, den Geist J H W H s zu besitzen, und von denen erwartet wurde, die Zukunft bezüglich Krieg, Wetter, Gesundheit etc. vorherzusagen. Eine höhere Berufung als moralische Führer und Vermittler zwischen Gott und seinem Volk wurde nur von den erst redaktionell als Nebiim bezeichneten vorexilischen Reformpropheten erwartet. An den Nebiim kritisierten diese, daß sie ihre Berufung für ihr eigenes Wohlergehen ausnützten und ihre Vorhersagen von ihrer Bezahlung abhingen. 22 In späteren Arbeiten (Spirit; Ecstatic Experience) setzt M o WINCKEL falsche und wahre Propheten mit Nebiim und Reformpropheten gleich. Während die Nebiim ihre Ekstasen und besonderen Fähigkeiten auf ein Geist-JHWH-Konzept zurückführten, beriefen sich die aus ihnen hervorgegangenen vorexilischen Reformpropheten auf das Wort J H W H s . Die orgiastischen Ekstasen der ersteren wurden von letzteren als „intellectual, moral and religious abnormality and worthlessness" (Spirit, 207) abgelehnt. Was den Reformpropheten an Ekstatischem blieb, beschränkt 22
Zur Sache vgl. auch die Ausfuhrungen in Psalmenstudien III, 7 . 1 5 . 2 0 f .
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Einleitung
sich auf „an intense preoccupation with or «obsession» by a single dominant idea" (Ecstatic Experience, 277). Der durchschnittliche Nabi galt ihnen als Betrüger oder Selbstbetrüger, der verkündete, was seine Hörer erwarteten. In einer Absetzbewegung von den verpönten Ekstatikern griffen die Reformpropheten daher bewußt auf alte Sehertraditionen zurück. Zur Identifikation der falschen Propheten dienten nach MOWINCKEL drei Kriterien: Das wahre Gotteswort konnte an seinem überraschenden, überwältigenden und irrationalen, gegen alle vernünftige Erwartung laufenden Charakter erkannt werden. U m zu verhindern, daß die dergestalt erkannte Inspiration von einer anderen Gottheit stammt, wandte man zusätzlich ein inhaltliches Kriterium an, das sich an der auf Moral und Gerechtigkeit ausgerichteten Natur J H W H s orientierte: „the clear purport, the moral and religious content of the word" (Spirit, 217). Das Erfüllungskriterium spielte daneben wegen seiner Inpraktikabilität nur eine marginale Rolle. Ähnlich urteilt W.EICHRODT ( T h e o l o g i e , 1 1 9 3 3 , B d . 1 , 1 7 4 - 1 7 8 ;
6
1957,
Bd. 1, 220—230), wenn er das ekstatische Moment in der klassischen Prophetie auf die Berufung beschränkt sieht. Das eigentlich prophetische Instrument dagegen war das gesprochene und geschriebene Wort, dem es um die Erkenntnis des Willens J H W H s als „einer das ganze Leben umfassenden und tragenden Wirklichkeit" ( 6 1957, 229) geht. Demgegenüber stand ein Nebiismus, der zum Berufsstand und zur Prophetenzunft entartet sowie in seiner Verkündigung von priesterlichen und königlichen Wünschen bestimmt war und „die bizarren Formen ekstatischer Ergriffenheit" (a.a.O., 224) obsessionsartig pflegte. Für G. VON RAD (Die falschen Propheten [1933]) waren die Falschpropheten konservativ-nationale Heilspropheten, die J H W H s Wort in dem veränderten geschichtlichen Horizont ihrer Zeit nicht erkennen konnten. Im Gegensatz zu den freien Unheilspropheten waren sie als Kultpropheten Mittlerinstanzen zwischen J H W H und seinem Volk. Die im Kontext der vorexilisch-frühexilischen Gerichtsprophetie zu verstehende Mahnung von Dtn 18,22, sich nicht vor einem Propheten zu furchten, belegt die dtn Prägung der Falschpropheten und ihrer dem Dtn entsprechenden national-religiösen Heilserwartung. Da im Konflikt von Heilsund Gerichtsprophetie letztendlich Wort gegen Wort stand, kann es keine allgemein gültigen Kriterien wahrer und falscher Prophetie geben: „Keine noch so subtile Untersuchung kann die ¿^ouata eines Prophetenwortes gegenüber einer Gegenaussage deutlich machen" (a.a.O., 109; vgl. SACHSSE). Erst aus dem geschichtlichen Kontext heraus erweist sich die wahre Prophetie „ganz und gar verhaftet... an die Stunde der Geschichte, die Jahwe
Forschungsgeschichte
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sein Volk erleben ließ, d. h. (sie war) eine Prophetie, die in vollendeter Unmittelbarkeit an dem schaffenden Gott hing" (a.a.O., 120). 23 A. JEPSEN (Nabi, 209-217.224-227 [1934]) sieht in der Tradition M o WINCKELS die am Wort orientierten freien Schriftpropheten in einem Konflikt mit den Nebiim stehen, die mit dem Königshof verbunden waren sowie für ihre Verkündigung einen geistgewirkten und visionären Ursprung beanspruchten. Berufliche Bindung und unbedingter nationaler Heilsglaube führten bei ihnen zu innerer Unwahrhaftigkeit und ließen sie glauben, daß J H W H sein erwähltes Volk niemals vernichten werde. Die ungebundenen Schriftpropheten beriefen sich dagegen allein aufJHWHs Wort, das sie gegen ihren Willen überkam, „das sie zwingt, auch wenn sie sich versagen möchten". 2 4 Ihr Widerspruch konzentrierte sich nicht auf das sittliche Verhalten der Nebiim, sondern richtete sich gegen den Inhalt ihrer Verkündigung und ihre „Stellung, die sie im Volk und bei Hofe einnehmen" (213). Erst durch redaktionelle Überarbeitungen in exilischer Zeit wurden diese Schriftpropheten in die Sukzession der Nebiim eingegliedert. Die biblischen Texte machen deutlich, daß weder Wundertaten und Zeichen noch das Erfüllungskriterium, „sondern nur das Wort selbst oder besser der feststehende Maßstab des Jahveglaubens" (210) zur Verifikation wahrer Prophetie geeignet sind. A.R.JOHNSON (Ancient Israel, 2 9 - 6 0 [ ' 1 9 4 4 ; zitiert nach 2 1 9 6 2 ] ) ver-
steht die Nebiim als eine konservativ orientierte, mit dem Kultus und insbesondere dem Jerusalemer Tempel verbundene Gruppe von Propheten. Die kultprophetischen „consultative specialists" (49) machten unberechtigte sä/om-Versprcchungen und wurden herangezogen, um das Wohlergehen von Individuen, gesellschaftlichen Gruppen oder einer „corporate personality" (50) wie der Stadt Jerusalem oder des Königreichs Juda zu sichern. Die Polemik der kanonischen Propheten richtete sich lediglich gegen diesen Mißbrauch des kultprophetischen Amtes und die mit ihm verbundenen falschen Orakel. Wenn dabei Austausch und Tradierung von Prophetenworten kritisiert wurden, zeigt dies, daß ekstatischen Praktiken 2 3 Später hat VON RAD nicht mehr an seiner Beschreibung der falschen Propheten als national-konservative, kultisch gebundene Heilspropheten dtn Prägung festgehalten, vertrat jedoch weiterhin, daß es keine allgemein gültigen Kriterien wahrer und falscher Prophetie gab: „Das Pseudos kann weder an dem Amt an sich, noch an den Worten an sich, noch an der Fragwürdigkeit des Menschen, der sie aussprach, erkannt werden. Es konnte nur von dem erkannt werden, der die wahre Einsicht in die gegenwärtigen Pläne Jahwes hatte und der von da aus dem anderen die Erleuchtung absprechen mußte" (Theologie, Bd. 2, 2 1 8 Anm. 27; zur Sache vgl. a.a.O., 217f.). 2 4
2 1 5 ; v g l . H E R T Z B E R G , STAERK, M O W I N C K E L .
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Einleitung
in dem Konflikt keine große Bedeutung zukam. Als Verifikationskriterien wahrer Prophetie galten ursprünglich „«sign» ( n i x ) or «portent» (riDiO), whether o f an ordinary or o f a miraculous kind" (52), jedoch stellte die dtn-dtr Schule schon bald das Erfiillungskriterium an ihre Stelle. 25 M . B U B E R (Falsche Propheten [1947]; Glaube, 2 5 3 - 2 5 8 [1950]) sieht Jeremia im Konflikt mit professionellen prophetischen Hof- und Volksdienern, deren Existenz von den Wünschen ihrer Hörer abhing. Ihnen gegenüber steht der wahre Prophet als „amtlose(r), einflußlose(r), schwache^), scheue(r) Mensch, der unerschrocken bis zum Martyrium sein Wort spricht" (Glaube, 254). Ohne eigene Offenbarungen zu haben, bezogen sich die falschen Propheten auf die ihrer Meinung nach für alle Zeit gültige Heilsverkündigung Protojesajas (vgl. Jer 28). Dabei wurden sie von ihren eigenen Wünschen bestimmt und machten so „ihr Unterbewußtes zum Gott" (Glaube, 257). Bei den wahren Propheten bezwang dagegen „der allem psychisch Vorfindbaren und Erschließbaren unbedingt transzend e n t e ) " Gott ihr Unterbewußtsein. 2 6 Sie „verkündigen ihre politische Botschaft von der ganzen geschichtlichen Wirklichkeit aus, die zu schauen ihnen gegeben wird" (Falsche Propheten, 279f.). Daher kann wahre Prophetie nur daran erkannt werden, „ob die Aussage . . . dem göttlichen Anliegen einer bestimmten geschichtlichen Situation entspricht" (Glaube, 256). Die 1945 in französischer Kriegsgefangenschaft nur an Hand des Luthertextes und ohne Zugang zu wissenschaftlicher Literatur abgefaßte Arbeit von K. H A R M S (Die falschen Propheten [1947]) versteht die falsche Prophetie als Entfremdung der prophetischen Botschaft durch Berufs- und Hofprophetentum. Weitere Ursachen der Falschprophetie konnten die Liebe zum Volk und die Orientierung an dessen Wünschen, der Baalsglaube und Gottes Wunsch, das Volk mit von ihm verursachter falscher Prophetie zu prüfen, sein. Inhaltlich handelt es sich um eine zionstheologisch motivierte Heilsverkündigung, die zum Mitmachen „in der ausschließlichen Diesseitsgerichtetheit der Götter- und Götzenverehrung" ermutigt (30). Der Übergang zwischen wahren und falschen Propheten ist fließend. Theologisch gesprochen ist die falsche Prophetie „der Versuch des M e n schen, sich selbst zu verherrlichen" (43), demgegenüber ist beim „wahren 2 5 Viele Jahre später revidierte A.R.JOHNSON seine Position (Israel's Psalmody, 29f. [1979]) und lehnt jetzt eine einfache Identifikation von wahren und falschen Propheten mit kanonischen Propheten und professionellen Kultpropheten ab, ohne jedoch zu einer neuen Analyse zur Sache vorzudringen. 2 6
G l a u b e , 2 5 7 ; v g l . H E R T Z B E R G , STAERK, M O W I N C K E L , J E P S E N .
Forschungsgeschichte
13
Prophetentum . . . die Offenbarung des einen Gottes der Inhalt all ihrer Verkündigung" (44). Sowohl die These eines Konflikts zwischen einer am Erwählungsgedanken orientierten falschen, unbedingten Heilsprophetie mit einer auf Besserung und Umkehr des Volkes ausgerichteten und vom Gedanken der Sittlichkeit Gottes geprägten wahren Prophetie als auch die Vorstellung von einer Auseinandersetzung zwischen falschen Kult- und Hofpropheten mit den wahren, freien Reformpropheten hat ihren Niederschlag in den Kompendien und Lehrbüchern der behandelten Zeit gefunden. 27 Außerhalb beider forschungsgeschichtlichen Strömungen steht die kurze, schon 1926 gemachte, aber später bedeutsam gewordene Anmerkung J . HEMPELS (Gott und Mensch, 103£), daß die innerprophetischen Konfrontationen auf das Aufkommen des Individualismus im 8. und 7. J h . v.Chr. zurückzuführen sind. 28 Die Synthese beider Strömungen durch TILSON
Eine Synthese beider Forschungsrichtungen versucht C H . E . T I L S O N in seiner 1951 eingereichten Dissertation (False Prophets). Wie schon die in den atl. Texten selbst zur Identifikation wahrer und falscher Prophetie angewandten Kriterien nicht praktikabel waren und sogar die kanonischen Propheten als falsche Propheten erwiesen (vgl. SACHSSE und VON R A D ) , entspricht auch die Gegenüberstellung von Ekstatikern und Wortpropheten nicht der Realität prophetischer Konflikte. Der primäre Unterschied zwischen wahren und falschen Propheten liegt in ihrer Einschätzung der Werte: „Value experience was transferred by the higher type o f prophets from the circumference to the center oftheir consciousness" (164), wobei die moralischen Werte der entscheidende Faktor sind: Die kanaanäisch beeinflußten 29 und kultverbundenen Propheten, für die nur Bund und Kult das Heil sichern konnten, verstanden J H W H „as unconditioned power unbridled by ethical considerations" (287f.). Sie verkündeten daher der öffentlichen Meinung entsprechend und an ihrem eigenen ökonomischen Wohlergehen orientiert in einem „ethnocentric relativism" „peace with2 7 Zur ersten These vgl. etwa DAVIDSON, Prophecy, 1 1 1 . 1 1 6 - 1 1 8 (s.o.); VOLZ, False Prophets; DERS., Criteria; DERS., Prophetengestalten, 2 2 3 - 2 2 9 (s.o.); MARTI, Geschichte,
1 4 4 . 1 7 1 ; K Ö N I G , G e s c h i c h t e , 3 0 9 - 3 1 1 ; DERS., T h e o l o g i e , 5 7 ; K I T T E L , R e l i g i o n ,
106-108;
HYATT, Prophetie Religion, 114—116; zur zweiten These vgl. etwa die oben referierte Position EICHRODTS, Theologie, 2 2 0 - 2 3 0 (s.o.). 28
V g l . VON R A D , T h e o l o g i e , B d . 2 , 2 7 3 A n m . 2 ; M A R B Ö C K , W o r t , 4 0 ; S . HERRMANN,
Prophet, 140. 29
V g l . DAVIDSON, M O W I N C K E L u n d SACHSSE.
14
Einleitung
out repentance" (379). Für die großen Propheten stand der Kosmos dagegen „under the sovereign control o f a moral deity who has set for mankind a purpose with which man can fail to relate himself only at the peril o f his own soul" (290). Dies führt zu einem „ethical absolutism" (434), vor dessen Hintergrund sich auch die ablehnende Haltung der großen Propheten gegenüber dem Kult erklärt: „The primary basis o f the prophetic objection to the c u l t u s . . . was rooted in its tendency to effect an estrangement between religion and morality" (277f.). 1.1.2 Von
QUELL
bis
CRENSHAW
(1952-1972)
Auch in der zweiten Epoche der Forschungsgeschichte gilt das Hauptinteresse den Fragen nach den Kriterien wahrer und falscher Prophetie sowie nach dem gesellschaftlichen Ort letzterer. Jedoch wird auf Grund der Ergebnisse Q U E L L S jetzt auch prinzipieller gefragt, ob es sich überhaupt um Auseinandersetzungen wahrer und falscher Propheten und nicht um innerprophetische Konflikte gehandelt habe (so der von C R E N S H A W geprägte Ausdruck). Wahre undfalsche Prophetie oder innerprophetische Konflikte? Daß die Auseinandersetzung mit den Falschpropheten im Alten Testament im wesentlichen inhaltlich geprägt ist, führte G. Q U E L L (Propheten [1952]) zu der Einsicht: „nicht im Begriff oder Typus, am wenigsten in einem soziologisch erfaßbaren oder erschließbaren Rahmen, sondern nur in der einmaligen Person ist das Wesen des Propheten als das Rätsel seiner Taten beschlossen" (30). Schon das Erkennen wahrer Prophetie ist dabei ein „Glaubensakt . . . , das spontane, alle Hemmungen durchbrechende willentliche Erfassen der kundgetanen Gotteswirklichkeit" (42). Die atl. Texte zeigen, daß es keine rationalen Kriterien des prophetischen Wortes gibt: „Es läßt sich weder generell noch ad hominem ausdrücken, welches die Kennzeichen wahren oder falschen Wortes sind" (161). „Das Prädikat Pseudoprophet autoritativ auszusprechen, ist dem Propheten vorbehalten. Darüber hinaus kann es immer nur ein Urteil des «rückwärts gekehrten Propheten», des Historikers, sein" (213). Damit ist die Konfrontation wahrer und falscher Propheten zu einem Konflikt Prophet gegen Prophet geworden, der erst aus der historischen Retrospektive bewertet werden kann. Während Q U E L L S Überzeugung, wahre Prophetie könne nur pneumatisch unterschieden werden, kaum Anhänger fand, hat seine These, daß die atl. Texte nicht eigentlich inhaltliche oder formale Kriterien zur
Forschungsgeschkhte
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Identifikation wahrer oder falscher Prophetie geben, die Debatte um innerprophetische Konflikte bleibend geprägt (s.u., 35 Anm. 45). Viele Wissenschaftler versuchten dem sich ergebenden Desiderat zu begegnen, indem sie neue, im Alten Testament nicht unmittelbar ausgesprochene Kriterien entwickelten. So stellt H.W. W O L F F in einem schon 1955 gehaltenen Vortrag fest (Hauptprobleme, 228—230 [1964]): „eine rational kontrollierbare Norm echter Prophetie ist nicht aufzustellen; demonstrierbare Lösungen des Problems der falschen Prophetie gibt es nicht" (230). Einzig das kerygmatische bzw. charismatische Kriterium der „Unabhängigkeit vom Hörer" und der „Gebundenheit an Jahwe" (229) ermöglicht eine Unterscheidung zwischen wahren und falschen Propheten. In der akuten Entscheidung können jedoch andere Maßstäbe wie das Achten auf die Überlieferung des Volkes, die Beziehung der Worte der Propheten zu ihren Hörern und die Früchte ihres Lebenswandels hilfsweise herangezogen werden. Später wird W O L F F diese Position entscheidend revidieren (s.u., 29). Wesentlich deutlicher modifiziert E. OSSWALD die Position Q U E L L S (Falsche Prophetie [1962]), wenn sie zwischen außerjahwistischer und innerjahwistischer Falschprophetie unterscheidet. Erstere ist mit Hilfe des ersten Gebots zu erkennen (12), für letztere gilt: „Einen Propheten als wahr oder falsch zu betrachten, ist . . . eine Glaubensentscheidung; aber für die Vergangenheit gibt es eine Reihe von Merkmalen . . . Als brauchbares Kriterium hat sich die sittliche Bindung der prophetischen Botschaft erwiesen . . . Wenn auch menschliche Irrtümer nicht ausgeschlossen sind, ist es eben das Kennzeichen des wahren Propheten, daß er den Plan Gottes in einer bestimmten geschichtlichen Stunde erkennt . . . Im Zusammenhang mit der sittlichen Bindung steht bei den Propheten der klassischen Zeit die Botschaft vom Gericht. Diese hat durch den geschichtlichen Verlauf ihre Bestätigung gefunden, nicht die vom bedingungslosen Heil und Wohlergehen, die die Gegner der großen Unheilspropheten verkündigten" (28f.). In einem Exkurs über dieJeremia-Belege zur Sache ist auch H. G R A F R E (Liturgie, 1 2 1 - 1 2 6 [1963]) der Überzeugung, daß man nicht zwischen „Heilspropheten-Nebiim-Kultpropheten als den falschen und den großen Unheilspropheten" als den wahren Propheten unterscheiden kann (121) und daß es somit keine rationale Norm des prophetischen Wortes gibt. Wenn Jeremia jedoch die Heilsverkündigung seiner prophetischen Gegner abgelehnt hat, weil die Lebenswirklichkeit ihrer Hörer nicht der Bundesordnung entsprochen habe, werde „die Bindung an diese Ordnung VENTLOW
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Einleitung
des Jahwewillens" selbst zum Maßstab prophetischer Heilsverkündigung (125). H.-J. K R A U S gibt seiner Arbeit daher konsequenter Weise den Titel „Prophetie in derKrisis" (1964). Eine Orientierung an Hand von M i 3 , 5 f . ; l K ö n 22; N u m 12,6—8 ergibt, „daß kein Recht und keine Möglichkeit besteht, mit irgendwelchen Gruppierungen und Deklassierungen dem Treiben der «falschen Propheten» auf die Spur zu kommen" (112). Analysen von J e r 23,9—32 und 27f. überzeugen KRAUS, daß Jeremias Gegner eine hoch legitimierte und auf einer positiv ausgerichteten Bundestheologie gegründete Heilsprophetie vertraten. Einziges Unterscheidungsmerkmal zwischen Jeremia und den so legitimierten Gegnern ist die „Wahrheit der Schuldenthüllung" (115): „Der Prophet Jahwes, der die Wahrheit kundtut, deckt die Schuld a u f (114). Für J . M . B E R R I D G E (Prophet, 3 2 - 3 8 [ 1 9 7 0 ] ) ist der Anlaß für Jeremias Polemik gegen seine prophetischen Gegner nicht primär in ihrem ethischen Verhalten zu suchen, sondern in ihrer in der Tradition Protojesajas stehenden zionstheologisch orientierten Heilsbotschaft. Da somit Inhalt gegen Inhalt stand, existierte kein objektives Kriterium falscher Prophetie. Der Prophet konnte eine falsche Prophezeiung lediglich auf Grund seiner eigenen Offenbarung erkennen: „The sole criterion for differentiating between «true» and «false» prophecy lay in Yahweh's word itself' (35). Noch schärfer als Q U E L L beurteilt J . L . C R E N S H A W den Sachverhalt sich widersprechender prophetischer Botschaften (Prophetie Conflict [1971]; Prophecy [1976]). Weil die falsche Prophetie kein homogenes Phänomen war, sind alle atl. Kriterien wahrer und falscher Prophetie „inadequate as a means o f illuminating false prophecy" (Prophetie Conflict, 61). Daher muß jeder Versuch aufgegeben werden, im alten Israel wahre von falscher Prophetie zu unterscheiden, j a sogar ein anderer Prophet sei dazu nicht immer in der Lage gewesen. Einander widersprechende prophetische Aussagen ergaben sich durch „human limitation" (Prophetie Conflict, 110). Zu ihnen kam es, wenn Propheten über keine Offenbarung verfugten, sie falsch auslegten oder wenn J H W H dem Propheten bewußt eine falsche Botschaft zukommen ließ. Wegen der Unmöglichkeit, funktionierende Kriterien des prophetischen Worts zu entwickeln, findet C R E N S H A W in den innerprophetischen Konflikten jene der Prophetie immanente Aporie, an der sie zugrunde ging. Neben Q U E L L und den von ihm beeinflußten Arbeiten hält eine kleine Minorität auch in der zweiten Epoche der Forschungsgeschichte an der traditionellen Fragestellung nach den Kriterien wahrer und falscher Prophe-
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Forschungsgeschichte
tie fest. So beziehen die falschen Propheten nach J .
LINDBLOM
(Prophecy,
210—215 [1962]) ihre Inspiration aus einem synkretistischen Kult (211). „They preached säldm o f all kinds, while the other prophets preached o f sin and repentance, o f punishment and judgement as the necessary way to find salvation" (213). Ein Prophet konnte an Hand der Ubereinstimmung seiner Botschaft „with Yahweh's will, thoughts, and purpose" (215) als wahrer oder falscher Prophet identifiziert werden. Als weitere Merkmale kamen das Erfullungskriterium und das erste Gebot hinzu. J . T . E . RENNER (False and True Prophecy [1966]) versteht die falschen Propheten auf Grund von J e r 23 und 28 als „visionary enthusiasts and hirelings whose real concern was . . . their own selfish aims and aggrandizement" (98). O h n e eigene Vision verkündeten sie im Gegensatz zu den wahren Propheten j e n e nicht an den Bund m i t J H W H gebundene Heilsbotschaft, die das Volk hören wollte. Diese unbedingte Heilszusage weist sie als falsche Propheten aus. Ähnlich betont auch T H . W . O V E R H O L T (Falsehood [1970]) in einer Arbeit zur Wurzel Ipltf („die Treue brechen/lügen") den Populismus der Falschprophetie, der ihre Hörer „even in their irresponsibility towards Yahweh's demands" (71) in Sicherheit wiegt. Die frühen Jeremiatexte zeigen dabei, „that a prophet is made «false» and known to be so on the basis o f his message alone" (85). Der gesellschaftliche Ort derfalschen Prophetie QUELLS Ergebnis, daß es in Israel keine wirklich praktikablen Kriterien wahrer und falscher Prophetie gab, findet auch in j e n e n Arbeiten Z u stimmung, die die falschen Propheten soziologisch zu verorten suchen. Anders als bei QUELL und seinen Nachfolgern ging man hier jedoch weiterhin davon aus, daß es sich bei den falschen Propheten um Kult- bzw. Hofpropheten oder, allgemeiner, Berufspropheten handelte. So stellt R . H E N T S C H K E (Stellung, 1 3 7 - 1 6 9 [1957]) fest, „daß der N e biismus den Kampf um die Durchsetzung des unbedingten Herrschaftsund Ausschließlichkeitsanspruchs Jahwes zugunsten der Geltung des eigenen Berufsstandes aufgegeben und sich immer mehr den sonstigen Hütern der Staatsreligion angeglichen hat" (147). Wegen „der inhaltlichen U n d e finierbarkeit und formalen Ungebundenheit" des prophetischen Wortes konnte trotz soziologischer Verortbarkeit der falschen Prophetie „nur das Eintreffen der Prophezeiung über die Echtheit, bzw. Unechtheit des Prophetenwortes entscheiden" (168).
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Einleitung
In einer Berufsprophetie, die mit dem Aufkommen des Königtums entstand, um dessen Interessen zu vertreten, sieht auch E.JACOB (remarques [1957]) eine Ursache der Falschprophetie. Weitere Ursachen lagen in ihrer messianisch-nationalistischen Traditionsverbundenheit, ihrem populistischen Sehnen nach der Zustimmung der Menge und dem Verlangen nach Erfolg als Bestätigung des prophetischen Amtes. Da die in den atl. Texten entwickelten Kriterien wahrer und falscher Prophetie nicht praktikabel waren, blieb die Falschprophetie eine dauerhafte Anfechtung der wahren Propheten. In einer an eine breitere Öffentlichkeit gerichteten homiletisch-ekklesiologischen Monographie findet D.E. STEVENSON (False Prophet [1965]) die Ursache der falschen Prophetie in einer „distortion within institutionalized religion" (8), was ihn, auf das Alte Testament bezogen, zu einer Gleichsetzung von Kult- und Falschprophetie fuhrt. Die Ursache der Falschprophetie findet er in beruflichen Abhängigkeiten der Kultpropheten, der Eingrenzung Gottes auf den Jerusalemer Tempel, der billigen Gnade qua Ritus und Mitgliedschaft im heiligen Volk und der Vergebung ohne Umkehr begründet. Der wahre Prophet lebt dagegen in creative tension zu seiner Kultur (35). Weil es keine Kriterien wahrer und falscher Prophetie gibt, ist eine Unterscheidung zwischen beiden erst im Nachhinein möglich. „In general, however, the message of the prophet is to be tested by its ethical consistency . . . true prophecy, fundamentally, is a call for repentance" (130). F ü r J.JEREMIAS ( K u l t p r o p h e t i e , 1 7 6 - 1 9 3 [ 1 9 7 0 ] ; V o l l m a c h t , 3 1 4 - 3 2 1
[1971]) standen vor dem Exil genossenschaftlich organisierte und am Tempel und Königshof beheimatete Propheten den kanonischen Unheilspropheten gegenüber. In diesem Konflikt prallten „zwei völlig verschiedene Auffassungen von der Vollmacht des Propheten" aufeinander (Vollmacht, 315). Die Kultpropheten verstanden sich in einem älteren Modell als „Fürsprecher Israels oder eines einzelnen Israeliten" und „als Mund Jahwes", der „dem Volk oder dessen Gliedern den Willen Jahwes" verkündete (a.a.O., 309). Die klassischen Propheten sahen sich beauftragt, „Israel mit seinem von Jahwe beschlossenen Untergang zu konfrontieren und gegebenenfalls einem Rest einen möglichen Rettungsweg zu weisen" (a.a.O., 314). Es gab zwar kein eindeutiges Kriterium falscher Prophetie, dem Propheten war jedoch J H W H s Botschaft am überwältigenden „Zwangscharakter des Wortes Jahwes" (a.a.O., 319) erkennbar, 30 wäh-
30
V g l . HERTZBERG, STAERK, M O W I N C K E L , JEPSEN u n d B U B E R .
Forschungsgeschichte
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rend der Hörer auf die Fremdheit angewiesen ist, mit der es ihm begegnet und ihn überfuhrt. So diskreditierte sich z.B. die Kultprophetie zur Zeit Jeremias dadurch, daß sie ihre Gerichtsverkündigung ihrem B e m ü h e n unterordnete, „Israel im Heil zu erhalten" (Kultprophetie, 193). In den Kompendia und Lehrbüchern dieser Phase der Forschungsgeschichte hat sich die Position QUELLS durchsetzen können, während die zuerst von M O W I N C K E L vorgeschlagene Gleichsetzung von Kult- und Falschpropheten in ihnen kein Echo gefunden hat. 31 1.1.3
Von H O S S F E L D / M E Y E R bis heute
(1973-1999)
Auch in der bislang letzten forschungsgeschichtlichen Epoche bleiben die beiden wesentlichen Fragerichtungen bestehen. Nach wie vor wird über Kriterien wahrer und falscher Prophetie diskutiert, wobei neben zahlreichen Bestätigungen und Ausdifferenzierungen der Ergebnisse QUELLS erneut nach Verifikations- und Falsifikationskriterien prophetischer Aussagen gefragt wird. Darüber hinaus spielt die Suche nach dem gesellschaftlichen O r t der Gegner der Schriftpropheten eine bleibende Rolle. In diesem Zusammenhang werden vermehrt soziologische und anthropologische Zugänge eingesetzt. Die Arbeit von H O S S F E L D / M E Y E R stellt einen deutlichen Einschnitt in der Forschungsgeschichte dar, weil erst sie die atl. Texte zu innerprophetischen Konflikten nicht mehr als eine theologisch homogene Einheit behandelt, sondern in historischer Differenzierung analysiert. Kriterien prophetischer Aussagen
U b e r ihre historische Differenziertheit hinaus zeichnen sich die Arbeiten von F.L. HOSSFELD/I. M E Y E R (Prophet [1973]; vgl. MEYER,Jeremia [1977]; HOSSFELD, falsche Propheten [1983]; DERS., Prophetie, 630f. [1999]) besonders durch die erstmals konsequent auf die Fragestellung angewandte Trennung zwischen originären und redaktionellen Texten aus. Als E r gebnis wird festgehalten, daß „sich kein Typ des echten, aber auch kein Typ des falschen Propheten definieren" läßt (HOSSFELD/MEYER, Prophet, 161). Kriterien, „die mit der Eindeutigkeit von Lackmuspapier wahr und falsch anzeigen", finden sich nicht (a.a.O., 163). Das kanonisierte R e sultat der innerprophetischen Konflikte gibt jedoch Orientierungshilfen: 3 1 Zur Position QUELLS und seiner Nachfolger vgl. VON RAD, Theologie, Bd. 2, 217f.; FICHTNER, Propheten, 621 f.; CLEMENTS, Prophecy, 34f.; PAUL, Prophets, 1168f.; ZIMMERLI, Theologie, 8 9 - 9 1 . Vgl. aber J . LINDBLOM, Prophecy, 2 1 0 - 2 1 5 , der an der klassischen Suche nach Kriterien wahrer und falscher Prophetie festhält (s.o.).
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Einleitung
Wahre Propheten wirken „als Unruheherd und Störfaktor" (ebd.). Sie erkämpfen „sich ihre Anerkennung gegen Widerstände . . . und provozieren damit Konflikte" (ebd.). Sie sind von keiner „Institution oder Lobby" beeinflußt (ebd.), diese aber versuchen „Prophetentum zu vereinnahmen" (ebd.). Sie werden von „Autoritäten des öffentlichen Lebens" nur zögerlich anerkannt (ebd.). Ihre Kritik ist „von einer «Anti-Vision» der attackierten Wirklichkeit" geprägt (ebd). Die Geschichte innerprophetischer Konflikte ist für H O S S F E L D / M E Y E R heterogen verlaufen: In vorklassischer Zeit findet sich ein Konflikt von Hofpropheten und freien Propheten. Im 8. J h . thematisierten Arnos und Micha die Lohnabhängigkeit der Propheten, und letzterer wies auf die Verführung der Gesellschaft durch sie hin. Bei Jesaja reduzierte sich der Konflikt dagegen auf „Annahme oder schuldhafte Ablehnung seiner Botschaft" (a.a.O., 57). Jeremias Kritik konzentrierte sich auf die falsche Einschätzung der Gegenwart durch die Heilsprophetie. R e daktionelle Überarbeitungen (bes. in Jer 23; 28) trugen lehrsatzartig „das Traditionskriterium und das Erfüllungskriterium" ein (a.a.O., 113). Erst in einer späteren Redaktion (dtrjer) wurden Jeremias Gegner zu Antipropheten stilisiert. Beide Redaktionsstufen weisen in ihrem geschichtstheologischen Ringen um das Exil den falschen Propheten die Hauptschuld zu. Aus dem gleichen Grund trugen die Schüler Ezechiels das Thema in dessen Werk ein, obwohl Ezechiel selbst „keine persönliche, aktuelle Auseinandersetzung mit Falschpropheten" hatte (HOSSFELD/MEYER, Prophet, 126). Seit der dtrjer wird die falsche Prophetie nur noch aus der Retrospektive betrachtet. Mit der abnehmenden Bedeutung der Prophetie tritt das Problem in nachexilischer Zeit immer weiter zurück, bis jeder Prophet ipso facto suspekt wurde. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte G. M Ü N D E R L E I N unabhängig von in seiner 1973 abgeschlossenen Dissertation (Kriterien f 1 1974, zitiert nach 2 1979]). Es gibt „keine allgemein einsichtigen Kriterien zur Beurteilung der Propheten" (22). Im Anfangsstadium prophetischer Konflikte gab es nur wenige Maßstäbe prophetischer Aussagen, die späterhin durch redaktionelle Umgestaltung einzelner Prophetenworte vermehrt wurden. Die einzelnen Kriterien wurden im Lauf der Geschichte unterschiedlich gehandhabt: So machte man in früher Zeit moralisches Versagen für die Falschprophetie verantwortlich. Dagegen dachte Jeremia an ein grundsätzliches Fehlen der Offenbarung. Erst eine Redaktion (Jer 23,23) machte moralisches Versagen zum absoluten Kriterium falscher Prophetie. Der Ausschließlichkeitsanspruch J H W H s falsifizierte jede pagane Prophetie, während Jeremia den Vorwurf der Baalsprophetie auch HOSSFELD/MEYER
Forschungsgeschichte
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J H W H - P r o p h e t e n machte. Die polemischen Vorwürfe Jeremias und Ezechiels, Träume zu erfinden, nicht im Rat Gottes zu stehen, den eigenen Geist zu verkünden, wurden redaktionell zu einer Vielzahl von Kriterien ausgestaltet. Ähnlich sind inhaltliche Kriterien wie Umkehrruf, Verkündigung entsprechend der Bundesordnung und Fürbitte redaktioneller Herkunft. Auch das Erfüllungskriterium ist erst in exilischer Zeit aus der konkreten Erfahrung nicht eintreffender Heilsprophetie entstanden. So sollten im Rückblick Kriterien entwickelt werden, „die in gegenwärtigen und künftigen prophetischen Streitigkeiten eine eindeutige Unterscheidung der Geister ermöglichen" (157). J. M A R B Ö C K (Wort [1974]) sucht die Ursache falscher Prophetie neben „Gründen von Seiten der Menschen . . . , wie Wunsch nach Erfolg, Königtum, Populärtheologie, Macht der Tradition" in der Souveränität Gottes selbst (56). Die Verschärfung und Intensivierung innerprophetischer Konflikte zur Zeit Jeremias ist auf die zunehmende Individualisierung zurückzuführen. 3 2 „Es kann . . . keine handsame, praktikable Regel geben, u m den «dabar» Jahwes zu bestimmen: das hieße über ihn verfugen" (56). Es finden sich in den atl. Texten nur Orientierungslinien wie „persönliche Qualitäten des Propheten, sein Lebenswandel" (57), eine Verkündigung, die Freiheit und Unabhängigkeit des Boten von seinen Hörern erweist, sowie ein prophetisches Wort, das Hörer und Boten „in die Krisis ruft" (57f.). R.P. C A R R O L L (Argument [1976]; Prophecy, 184-198 [1979]; Chaos, 158-197 [1981]; Commentary, 7 3 - 7 9 [1986]; Night [1992]) ist überzeugt, daß es keine praktikablen Kriterien wahrer und falscher Prophetie gab, weil sonst z.B. das Umkehrkriterium Jeremia falsifizieren würde, da dessen Predigt das Volk ebensowenig zur U m k e h r veranlaßt hat wie diejenige seiner Gegner. Das Fehlen solcher Kriterien ist sogar selbst als Ursache sich widersprechender prophetischer Botschaften zu werten: „Thus conflict and confusion must have reigned wherever prophets preached the word of Yahweh . . . In place of knowledge the prophet seems to have substituted conviction and invective directed against other prophets" (Argument, 48f.). Daß man der Überzeugung war, J H W H habe einem Propheten auch die Unwahrheit sagen können, verschärfte die Situation dabei noch. Prophetische Konflikte sind dabei häufig Konflikte prophetischer Gruppen gewesen: „To be a false prophet is to be member of a different prophetic guild. Our prophets are good, their prophets are bad" (Chaos, 32
40; vgl. o., 13 Anm. 28.
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196). Kriterien wahrer und falscher Prophetie wurden erst von der dtrjer entwickelt, um die vorexilischen Heilspropheten für das Exil verantwortlich zu machen. Prophetische Konflikte zogen letztendlich die Prophetie als ihr immanente Aporie selbst in Zweifel und führten zu ihrem Untergang. Das exilisch-nachexilisch immer dominanter werdende Priestertum löste das Problem innerprophetischer Konflikte schließlich, indem es die Prophetie an der Torah maß und sie ihr unterordnete. Auf Grund eines anderen methodischen Zugangs zum Text („close reading" [Night, 74]) revidierte C A R R O L L diese Position in seiner jüngsten Arbeit zur Sache und ist jetzt auf Grund von Mi 3,5—8 der Uberzeugung, nur die Gegner eines Arnos, Micha oder Jesaja seien Propheten gewesen. Letzteren sei diese Bezeichnung erst später zugekommen. 33 NachJ.A. S A N D E R S (False Prophecy, 2 1 - 4 1 [1977]; vgl. Hermeneutics, 405 [1976]; Scrolls, 1 0 - 1 2 [1999]) erwarteten die prophetischen Konfliktparteien in gleichem historischen Kontext jeweils Unterschiedliches von Gott: „one emphasizing divine grace and faithfulness in and through and despite human sinfulness, and the other stressing divine expectations and obedience o f the people in a theology o f conditioned grace" (False Prophecy, 35). Textgrundlage ersterer waren in der Zeit von 750—586 v.Chr. die David-Erzählung „or the so-called Mosaic Torah story" (37), also Traditionen, in denen J H W H als „redeemer, provider, and sustainer" (ebd.) gilt. „But in addition to affirming God as redeemer and sustainer, the true prophets stressed that God was also creator o f all peoples o f all the earth. This would have made a radical difference in hermeneutics" (ebd.). Als hermeneutisches Kriterium gilt somit: „ Whenever thefreedom of God as creator is forgotten or denied in adapting traditional «text» to a given context, there is a threat of falsehood" (38). Die heilsprophetische Leugnung, daß J H W H als Schöpfer des ganzen Kosmos sich auch andere Völker dienstbar machen kann, tritt so in Widerspruch zum monotheistischen Prinzip: „whenever it is forgotten that God is creator as well as redeemer, falsehood threatens. Falsehood threatens where God is seen as a tribal, national, denominational or one religion's deity, and not the creator o f all peoples, o f all heaven and earth" (Scrolls, 10). Anders als die nicht praktikablen Kriterien wahrer und falscher Prophetie der atl. Texte darf diese Grenzlinie als untrüglicher Test gelten: „to adapt any «text» or tradition to any «context» without employing the fundamental hermeneutic o f monotheizing within the dynamics o f
33
Vgl. MOWINCKEL undjEPSEN.
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that situation is in canonical terms falsehood" (False Prophecy, 40£; unter Hinweis aufDtn 13,2; 18,20). 3 4 W. VOGELS (le prophète authentique [1977]) findet im Alten Testament sowohl Kriterien zur Beurteilung der prophetischen Botschaft (ihr Eintreffen, ihr Inhalt [Unheilsprophetie als wahre und Heilsprophetie als falsche Prophetie] und das Verankertsein in der Tradition mit Gott) als auch Kriterien zur Beurteilung der prophetischen Person (Desinteresse am Erfolg der Mission, die persönliche Vita und die Tatsache, daß ein wahrer Prophet ein inspiriertes Wort kundtut, während ein falscher Prophet sich selbst dazu bemächtigt). Trotz dieser Vielzahl von Kriterien kann jedoch kein eindeutiger Katalog von Merkmalen wahrer und falscher Prophetie aufgestellt werden, weil die genannten Kriterien in sich widersprüchlich und vage sind. Die einzigen, wenn auch sehr weiten Kriterien, die VOGEL gelten läßt, sind Barmherzigkeit („charité"; 701) und Einheit mit der Geschichte. In seiner Dissertation von 1978 lehnt C H R . SCHNEIDER (Krisis [1988]) Pauschalbeurteilungen der s.E. auf den Zeitraum vom ersten Drittel des 8. Jh. v.Chr. bis 587 v.Chr. beschränkten innerprophetischen Konflikte ab (Heils- gegen Unheilsprophetie oder Berufspropheten gegen freie Propheten) und findet den Anlaß der Auseinandersetzungen in der „Integration des Rechtes in den Glauben" durch die klassischen Propheten (77). W ä h rend die klassische Prophetie den prophetischen Erkenntnisprozeß als ein untrennbares Ineinander von Begegnung mit dem Gotteswort und dessen Deutung durch den Propheten verstand, wirkte der traditionsgebundene Glaube etwa der Gegner Jeremias „determinierend auf ihre prophetische Erkenntnis" (84), so daß sie die Verfehlungen ihrer Zeitgenossen nicht in ganzer Tragweite erfassen konnten. Es entstand ein „Circulus vitiosus . . . , in dem eine erstarrte Überlieferung, eine kanalisierte Prophetie und eine als wenig veränderungsbedürftig angenommene Situation einander bedingen" (ebd.). Weil es aber nicht genügte, sich auf eine lebendige Gottesbeziehung zu berufen, wurden Glaubwürdigkeitsgründe prophetischer Aussagen angeführt, die nicht als absolute Kriterien zu verstehen sind. Solche Glaubwürdigkeitsgründe sind das Unkonventionelle, Unbequeme
34 Zur Sache vgl. die Anwendung von SANDERS' Ansatz auf Jesajas Umgang mit der davidischen Tradition durch EVANS: „Isaiah's hermeneutic was that o f the true prophet. H e understood and proclaimed Yahweh's freedom to destroy Jerusalem, remove Judah's king from his throne, and lead Israel into captivity" (Sacred Tradition, 93); „the prophet Isaiah understood Israel's sacred traditions in a way diametrically opposed to the understanding o f his professional rivals. In these traditions he sees a G o d who is free to create and destroy, one who demands faith and obedience, and above all else, one who is holy" (a.a.O., 99).
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und Weitsichtige des Gotteswortes, die a u f J H W H s Rechtsordnungen bezogene Situationsgemäßheit, das Verhalten des Propheten und, daß das machtvolle, dynamische Gotteswort nicht in sanften Träumen erlebbar ist. Erst nach Abschluß der innerprophetischen Konflikte trug die dtrjer als absolute Kriterien Fürbitte und „persönliche(s) Verhalten eines Propheten" in das Jeremiabuch ein (87). Ahnlich wurde „im Uberlieferungsbereich der deuteronomistischen Theologie . . . das Eintreffen des Prophetenwortes . . . als durchdachtes Argument in der Frage der falschen Prophetie formuliert" (ebd.). Wie für viele vor ihm darf sich auch für J. B L E N K I N S O P P (Geschichte, 154—167 [1. Aufl. der engl. Fassung 1983]) der Prophet „letztlich nur auf seine Fähigkeit verlassen . . . , für die Qualität der eigenen Visionen einzustehen" (163). Erst die dtrjer hat inhaltliche Kriterien und äußere Merkmale wahrer und falscher Prophetie entwickelt und in das Jeremiabuch eingetragen. Weil die Zuhörer der Propheten ihre kollidierenden Ansprüche und Weissagungen nicht beurteilen konnten, kam es „zu einem allgemeinen Verfall des prophetischen Ansehens" und „weitgestreuten Zweifeln an den religiösen Grundlagen" der Gesellschaft (164). In nachexilischer Zeit formulierten dann durch die persische Herrschaft gestärkte Priester und Schreiber „eine Theologie, in der die prophetischen Funktionen des O f fenbarungsempfanges und der Fürbitte dem Kult untergeordnet w u r d e n " (160). B.S. C H I L D S (Theology, 133-144 [1985]) gelangt auf Grund seines kanongeschichtlichen Ansatzes zu ähnlichen Ergebnissen wie H O S S F E L D / • M E Y E R und M Ü N D E R L E I N . Ursprünglich gilt: „ T h e truth of God makes itself finally known, but there are no external norms by which its entrance can be tested" (135). Das D t n (18,21f.) und Jeremia (28,5-9) kamen auf unterschiedlichen Wegen zu der Überzeugung: „ T h e test of the truth lies in God w h o makes known his will through revelation . . . the truth of prophecy is determined by God's confirmation in action" (139). Wegen der Inadäquanz dieser Kriterien für den praktischen Gebrauch wurde ein wirklicher Maßstab prophetischer Aussagen erst mit der Kanonisierung der Worte Jeremias erreicht: „In their canonical form they served the community of faith as an authoritative means for discerning the will of God and as a n o r m for distinguishing the true prophet from the false" (140f.). Konkret wandeln sich so die eigentlich situativen Äußerungen Jeremias über das Stehen im R a t Gottes, den Aufruf zu U m k e h r und die Moral seiner prophetischen Gegner (Jer 23,13f.l8.22f.) zu absoluten Kriterien wahrer und falscher Prophetie.
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Für G.T. SHEPPARD (False Prophecy [1988]) zeigen sozialanthropologische Untersuchungen schamanistischer Gesellschaften, daß „criteria for evaluating an instance o f «prophecy» make sense only from within the domain o f a socially defined support group . . . , with their own recognized «true» prophets and idiosyncratic role expectations" (267). Diese soziale Kontextgebundenheit bedingt auch eine Zeitgebundenheit solcher Kriterien. Die atl. Kriterien wahrer und falscher Prophetie können demnach nicht zu einem stringenten System harmonisiert oder in einem hermeneutischen Prinzip vereinigt werden. Durch Aufnahme älterer soziologisch gebundener Kriteriologien in eine Vorform des Kanons wurden diese funktional transformiert und auf eine bestimmte Gruppe von Propheten bezogen, „who offer an allegdly «unified message» in the context o f scripture" (271): „this later scriptural norm is not meant so much to solve an older, socio-anthropological problem o f distinguishing true from false prophets as it is to offer guides to the interpretation o f the words and deeds o f the true «biblical» prophets in contrast to their adversaries" (ebd.). Demgegenüber versteht S. HERRMANN (Prophet, 1 4 0 - 1 4 5 [1990]) das Problem der prophetischen Konflikte des 7. J h . v.Chr. im Kontext eines „geistigen Durchbruch(s), der die Reflexionsfähigkeit im Hinblick auf das Selbstverständnis des Menschen und seines Verhältnisses zu Gott steigerte" (140). 3 5 Als Maßstab galt zwar das Prophetengesetz von Dtn 18,15—22, aber letztendlich mußte „der «wahre» Prophet der wirklich vom Geist G o t tes erfüllte sein . . . , während ohne diese Voraussetzung jeder Anspruch auf prophetische R e d e dahinfällt und dies alsbald offenbar werden wird" (140).
H . D . PREUSS (Theologie, Bd. 2, 8 8 - 9 3 [1992]) versteht innerprophetische Konflikte als eine Auseinandersetzung mancher Schriftpropheten mit „Kult-, Heils- oder gar Staatspropheten" (89), in der es „um Heil und/oder Unheil" (88) sowie „«Amt» oder «Berufung»" (89) ging. Zwar machen „Abhängigkeit vom König oder von der Volksmeinung oder ein Wunsch nach Erfolg nicht automatisch zum falschen Propheten" (91), jedoch läßt sich oft ein Auftreten in größeren Gruppen und eine enge Bindung an Königtum und Heiligtümer feststellen. Die falschen Propheten waren „Vertreter eines nationalen Heilsglaubens, der b e s o n d e r s . . . vor dem E x i l . . . ein irrender war" (ebd.). Weder gesellschaftliche Kategorien noch die aufgestellten Kriterien sind wirklich geeignet, falsche Propheten zu identifizieren. Dies gewährleistete nur jenes „Miteinander von Wort 35
Vgl. dazuo., 13 Anm. 28.
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und Geschichte, von Botschaft und Situation", für das J H W H kontextbezogen „nicht nur der nahe, stets hilfsbereite und helfende, sondern auch der ferne Gott (Jer 23,23f.)" ist (92). Aber letztendlich erlaubte erst der Rückblick eine „Erfüllung von Ankündigungen" und „die rechte Beurteilung einer Situation von J H W H her und auf ihn und sein Wirken hin" festzustellen (ebd.). „In und aus dieser Rückschau... sindjetztauch die atl. Texte gestaltet, die sich mit dem Problem wahrer und falscher Prophetie befassen" (92f.). Auch nach R.F. PERSON (Second Zechariah, 182-199 [1993]) wurden zur Zeit der innerprophetischen Konflikte weder Kriterien wahrer und falscher Prophetie benötigt, noch existierten sie überhaupt. Jene Kriterien, die sich heute in den atl. Erzählungen zur Sache finden, reflektieren vielmehr das Prophetenverständnis ihrer dtr Tradenten, für welche die kanonischen Propheten schon durch die Geschichte bestätigt worden waren. Es handelt sich im einzelnen um die Ausgrenzung von Divination, Traumprophetie, pagane Prophetie und unbedingter Heilsverkündigung, die Übernahme eines Wortes von anderen Propheten, das Erfüllungskriterium, das Befolgen von JHWHs Geboten und, daß es im Eschaton keine Prophetie mehr geben wird. Der Deuteronomismus ließ so zwar neben den geschichtlich verifizierten Schriftpropheten auch eine hypothetische Möglichkeit aktueller wahrer Prophetie bestehen, grenzte sie aber faktisch zugunsten der Schriftprophetie aus. Als weitgehend inkonsistent siehtL.L. GRABBE (Priests, 113-115 [1995]) die seiner Meinung nach im Rahmen innerprophetischer Konflikte verwendeten Kriterien wahrer und falscher Prophetie an. Er benennt: „Standing in the council of Yhwh", „whether the prophecy comes to pass" und „personal morality" (114). H.-J. HERMISSON (Kriterien [1995]) nimmt ebenfalls an, das alte Israel habe sich „weithin vergeblich" um „die rationalen und nachprüfbaren Kriterien" wahrer und falscher Prophetie bemüht (122). Vorgeschlagen worden seien die Bestätigung durch das Wunder, der „Mut des Propheten, unangenehme Dinge zu sagen" (124), die Lohnabhängigkeit falscher Propheten, das sich in der Offenbarungsform manifestierende „«Daß» der Teilhabe" am Thronrat Gottes (125), die Ablehnung der Traumoffenbarung (Jer 23,25ff.), die Heilsverkündigung an die Übeltäter und die sittliche Verderbtheit falscher Propheten. Nimmt man Wahrheit abstrakt, vermochte jedoch weder die Lohnabhängigkeit noch die sittliche Fragwürdigkeit eines Propheten, seine Botschaft zu falsifizieren. Ferner stellten inhaltliche Maßstäbe, wie etwa die Heilsverkündigung an die Übeltäter, im prophe-
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tischen Konflikt „nur Behauptung gegen Behauptung" (132). Erst die dtrjer machte überhaupt aus der Heilsverkündigung an die Übeltäter bzw. aus Schuldaufweis und Unheilsverkündigung absolute Maßstäbe und trug das Erfüllungskriterium in J e r 28,8f. ein, um die schon den Hörern der Propheten bekannten und „mit dem Jahweglauben gesetzten inhaltlichen Grenzen prophetischer Verkündigung zu beschreiben" (138). Weil sich die israelkritische unheilsprophetische Tradition am Ende bestätigt hat, kam es in einem letzten Schritt zu ihrer Kanonisierung. Damit wurde über die redaktionell eingetragenen Kriterien der Tradenten hinaus „die prophetische Unheilsbotschaft mit ihren Inhalten zum Maßstab — auch für die Heilsprophetie, die der Unheilsprophetie im Blick auf ein durch die Katastrophe hindurch gerettetes Gottesvolk folgen sollte" (139). M . N I S S I N E N (Falsche Prophetie [1996]; References, 1 5 1 - 1 5 3 . 1 6 0 - 1 6 2 . 166f. [1998]; vgl. Relevanz, 1 5 0 - 1 5 3 [1993] undBLENKiNSOPP, Geschichte, 49f.) betont, daß die Prophetie an ihrem Anspruch gemessen werden mußte, „tatsächlich von einer Gottheit" zu s t a m m e n (Falsche Prophetie, 173). „Eben diese wichtigste Bedingung ist aber unkontrollierbar, denn ihre Erfüllung ist jenseits aller menschlichen Beobachtungsgabe" (a.a.O., 173f.). Daher sind die Kriterien wahrer und falscher Prophetie Grundsätzen untergeordnet worden, „die in der jeweiligen Gemeinschaft als konstitutiv und gottgegeben gelten und als solche unwiderruflich sind" (a.a.O., 194). Weil jedoch „ihr Geltungsanspruch wegen politisch-religiöser R i valitäten und Umstürzen innerhalb einer Gesellschaft immer wieder b e stritten" wird (194), ist es unmöglich, „eine allgemeingültige Kriteriologie der wahren und falschen Prophetie aufzustellen" (a.a.O., 194f.). Im neuassyrischen R e i c h bestand die Kontrollinstanz nach Ausweis der B e stimmung aus den ade Asarhaddons ( V T E § 10 Zeile 116f.), einen aufrührerischen Propheten dem König anzuzeigen, in der Königsideologie. Die Umsetzung dieser Vorschrift ist durch einen B r i e f Nabü-rehtu-usurs dokumentiert, in dem er 671 v.Chr. Asarhaddon vor dem Aufstand einer Sasi genannten Person warnt (ABL 1217 + C T 53 118). In diesem Zusammenhang wird eine Sklavin erwähnt, die am Stadtrand von Harran im Namen des Gottes Nusku das Königtum Sasis und den Untergang der Nachkommen Sanheribs vorhersagt (ABL 1217 verso 2—5). D e r geplante Aufstand ist wiederum durch eine im B r i e f nicht mehr erhaltene und der Nusku-Prophezeiung konkurrierenden Offenbarung (ABL 1217 recto 4—7) 36
36
Eine Edition der gesamten Korrespondenz Nabü-rehtu-usurs mit Asarhaddon findet
sich bei NISSINEN, References, 1 0 8 - 1 1 4 . Z u r Sache s. a.a.O., 1 1 5 - 1 5 3 .
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der Göttin Nikkal bekannt geworden. Die königliche Kontrollfunktion über die Prophetie in der neuassyrischen Gesellschaft sei in Dtn 13,2—6 aus den ade Asarhaddons übernommen und auf J H W H übertragen worden, so daß sich die Prophetie hier am Ausschließlichkeitsanspruch J H W H s messen lassen mußte (a.a.O., 180). 3 7 Neben den von Q U E L L , H O S S F E L D / M E Y E R , M Ü N D E R L E I N und S C H N E I DER geprägten Arbeiten wurde seit den 70er Jahren wieder vermehrt nach einem allgemein verwendbaren Maßstab wahrer und falscher Prophetie gesucht. Eine neue Fragerichtung bringt in diesem Zusammenhang T H . W . O V E R H O L T (Ghost Dance, 3 9 f . 4 4 - 4 6 [1974]; Commanding [1979]) in die Diskussion ein, wobei er weit über ältere Äußerungen zur Sache hinausgeht. 38 Ein Vergleich mit dem indianischen Propheten Wovoka vom Ende des letzten Jahrzehnts des 19. J h . und der von ihm initiierten indianischen Geistertanzbewegung des Jahres 1890 zeigt, 39 daß wahre Prophetie subjektiv an einer grundlegenden Kontinuität der prophetischen Botschaft mit der allgemeinen kulturellen Tradition einer Gesellschaft, der Beziehung zwischen Botschaft und historischer Situation von Prophet und Volk sowie der Angemessenheit der prophetischen Reaktion auf die jeweils gegenwärtigen Probleme erkennbar ist. „The hearers assume that they know how real prophets ought to function, and they accept or reject a given prophet on the basis o f these preconceptions" (Commanding, 532). Für M . M C N A M A R A (Kriterien [1978]) hat Gott die als Nachfolger M o ses verstandenen Propheten zu seinem „Bundesvolk gesandt, um es auf die Natur seiner Auserwählung . . . und die damit gegebenen Pflichten aufmerksam zu machen" (570). Diese Aufgabe mahnten die klassischen, unabhängigen Propheten gegenüber den älteren, institutionell gebundenen Propheten an. Der Prophet selbst fand seine Verifikation im charismatischen Gotteserlebnis während seiner Berufung. Für das Volk gab es als rudimentäre Normen die Frage nach Rechtgläubigkeit oder Verleitung zu Apostasie, das Erfullungskriterium, das sittliche Leben eines Propheten und eine auch gegen die öffentliche Meinung an den Forderungen des Bundes orientierte Verkündigung. Zweifelsfrei ließen sich wahre Prophe-
Zur Kritik an Nissinen s.u., 167. S.o., 17. 3 9 „Wovoka proclaimed a millennarian expectation o f a renewed creation in which the Whites would be eliminated and the dead Indians resurrected to enjoy an idyllic existence patterned on life as it had been in pre-contact days. This millennium could be facilitated by the people's faithfully performing the dance which the prophet taught t h e m " (Ghost Dance, 44). 37
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ten jedoch an „ihrem lebendigen Glauben, an ihrer Offenheit für Gott, für sein Wirken in der Geschichte, für sein W o r t " erkennen (573). Anders als in seiner ersten Äußerung zur Sache (s.o., 15) weist sich für H.W. WOLFF in jüngeren Veröffentlichungen (Wider die Propheten, 1 0 2 - 1 0 5 [1977]; Prophet [1982]; Institution, 9 0 - 9 3 . 9 7 f . [1985]) ein wahrer Prophet durch die sich in Schuldaufweis und Gerichtspredigt artikulierende kritische Haltung aus. Dabei zeigt er „keine Spur von Selbstsicherheit", sondern ist aufjene Gewißheit angewiesen, die ihm Gott „je und j e mit dem Lauschen aufsein Wort schenkt" (Prophet, 77). Falsche Propheten sind an ihrer „Abhängigkeit vom Hörer" (a.a.O., 78) und mit Hilfe des ethischen Kriteriums an ihrem Lebenswandel zu erkennen. Alle anderen Kriterien umgreift der als charismatisches Kriterium umschriebene überwältigende Charakter des Gotteswortes. Beim wahren Propheten wird „der eigene Wunsch und Wille gebrochen" und „die eigene Angst vom fremden Willen Gottes überwältigt" (a.a.O., 80), 4 0 er „rückt präsente Schuld ins grelle Licht der Präsenz des Kommenden" (Institution, 98). R . J . COGGINS (Prophecy [1993]) unterscheidet zwischen falschen Propheten, die ihrer Aufgabe nicht nachkommen, und solchen, die aus ideologischen Gründen abgelehnt wurden (z.B. Mi 3,5). Im Rahmen der im frühen 6. Jh. dominierenden Monolatrie wurden auch „all those who proclaimed the worship o f other gods, or the worship o f Yahweh in a manner that had come to be regarded as unacceptable" zu falschen Propheten (83f.). Mit dem Deuteronomismus verlagerte sich der Schwerpunkt des Prophetenbildes von der Warnung auf die Vorhersage der Zukunft, so daß zum falschen Propheten wurde, wessen Vorhersage sich nicht erfüllte. Dabei macht die Rezeption des nicht eingetroffenen Wortes von Mi 3,12 in Jer 26,18f. deutlich: „For those accepted as being within the true prophetic succession ideological support could be provided, and non-fulfilment o f a particular prophecy was not an insuperable barrier" (90). Ferner wurde mit der Verbindung von Prophetie und Vorhersage die Falschprophetie immer mehr als ein in der Ausübung der Prophetie selbst verankertes Problem verstanden. K. SEYBOLD (Jeremia, 1 0 0 - 1 0 4 [1993]) beschreibt Jeremias Kritik an den Jerusalemer Propheten als Mahnung, „daß die wohlfeilen Aussprüche mit ihren Heilsworten zu Ende sein müssen, daß ein neuer prophetischer Ausspruch Unheil verkünden, (und) darum als echte «Last» empfunden werden müsse" (101). Weitere Streitpunkte findet er im Stellenwert der 40
V g l . HERTZBERG, STAERK, M O W I N C K E L , JEPSEN, B U B E R u n d J . J E R E M I A S .
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Einleitung
Traumdeutung sowie der Frage nach Legitimation und Berufung. Für Jer 23,23.24a.24b möchte SEYBOLD fast annehmen, in der Nähe und Ferne Gottes, seiner Allwissenheit und seiner Allgegenwart „drei Kriterien zur Beurteilung der wahren und falschen Prophetie" gefunden zu haben (104). Jüngst ist schließlich D . N . FREEDMAN (Between God and Man, 6 3 - 6 7 [ 1 9 9 7 ] ) sogar noch hinter die Ergebnisse von MATTHES zurückgegangen.
Wegen der großen Brisanz der Falschprophetie schreibt das Dtn für pagane Propheten und für Propheten, deren Vorhersage sich nicht in absehbarer Zeit erfüllt, die Todesstrafe vor. Weil das Erfüllungskriterium nicht immer praktikabel sei, findet FREEDMAN „after the basic test o f orthodoxy" das entscheidende Kriterium wahrer Prophetie in der Fähigkeit des Propheten, „to make real to his listeners the experience and message o f God" (66). Der gesellschaftliche Ort derfalschen Prophetie Neben der von M O W I N C K E L initiierten Gleichsetzung von Kult- bzw. B e rufspropheten und freien Propheten mit falschen und wahren Propheten wird im Rahmen der Frage nach dem gesellschaftlichen und sozialen Ort der falschen Prophetie unter dem Einfluß R . R . WILSONS insbesondere im englischsprachigen Bereich versucht, mit soziologischer und anthropologischer Methodik zu neuen Ergebnissen zu gelangen. F. STOLZ (Streit [ 1 9 7 3 ] ) bleibt noch ganz in dem von M O W I N C K E L vorgegebenen Fragekontext, wenn er für die Zeit Michas und Jesajas einen Konflikt zwischen Heils- und Unheilsprophetie bzw. Kult- und Gerichtsprophetie annimmt. Anders als etwa M O W I N C K E L selbst gesteht er dabei wahren und falschen Propheten gleichwertige Offenbarungserlebnisse zu. Kult- und Unheilspropheten haben darüber hinaus eine „gemeinsame Basis . . . im Wissen um den Ordnungswillen Jahwes" (30). Die Differenzen zwischen beiden sind hermeneutischer Art. Die Kultfunktionäre vermochten als Vertreter des status quo diesen Ordnungswillen nur „von ihrer Kultideologie her zu beurteilen" (29) und sahen „den Willen Gottes durchgesetzt, wenn die Verhältnisse bleiben, wie sie sind" (30). Demgegenüber führte der sittliche Ernst der Gerichtspropheten und ihre unbedingte Forderung nach der Durchsetzung des göttlichen Ordnungswillens zu einer Hinterfragung des status quo. Für S.J. DEVRIES (Prophet [1978]) erklären sich die s.E. aus anderen altorientalischen Kulturen nicht bekannten innerprophetischen Konflikte 4 1 in einer auf l K ö n 22 beschränkten Arbeit aus dem monotheistischen 41
27f.).
S.
jetzt aber
NISSINEN,
Falsche Prophetie, passim, u n d References,
115-153
(s. dazu o.,
Forschungsgeschichte
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Charakter der Religion Israels: „where both sides took seriously the anterior claims of a single, transcendent authority, the voice of challenge could be heard more clearly" (1). In dem Konflikt von Prophet gegen Prophet standen dabei der politische Opportunismus der Hofpropheten den auf dem Prioritätsanspruch J H W H s bestehenden freien Propheten gegenüber. „ T h e basic conflict is always between covenant integrity and political opportunism" (148). Es ging somit u m eine Auseinandersetzung „between relative levels of adherence to the radical theonomy ofYahwistic faith" (147). Neben das Erfüllungskriterium (142) tritt auf diese Weise als zweiter Maßstab wahrer Prophetie ihre „elemental allegiance to the constitutive principles ofbiblical personalism . . . Genuine prophecy, subservient to Yahweh's sovereignty, was observant of covenant loyalty, concretized in the demand for radical theonomy in Israel's public life" (145). N . I T T M A N N (Konfessionen, 9 9 - 1 1 9 [1981]) weist die drei v o n j e r e m i a angegriffenen Berufsgruppen (Priester, Weiser und Prophet Qer 18,18]) „den Kreisen des religiösen und politischen Establishments" zu (106). Jeremias Auseinandersetzung mit seinen prophetischen Gegnern vollzog sich in zwei Phasen. Z u Beginn der ersten Phase suchte er, w i e j e r 2,8 zeigt, „die Schuld der Propheten noch ganz im Baalsdienst" (110). Aber er gelangte noch in dieser Phase dazu, den allgemeinen Heilsenthusiasmus „mit den spezifisch prophetischen Berufsfunktionen (Aufdecken der Schuld, Jahwebefragung, Fürbitte)" zu verknüpfen, u m so „die tiefe, weil bewußte Pervertierung prophetischen Wesens" aufzudecken (110; s. Jer 6,14£). In der in die Zeit Zedekias fallenden zweiten Phase war die W i r k u n g der Verkündigung von Jeremias prophetischen Gegnern Anlaß seines Protestes. Unter Aufnahme einer „Terminologie . . . , die in seiner Frühzeitverkündigung Israels Abfall zum Baal" (116) anklagte, zeigte Jeremia, daß gerade „die populäre Heilstheologie der Propheten . . . zum Abfall von Jahwe" verführte (117). Solche Heilsprophetie kommt nicht v o n J H W H und will als „gefährliches Menschenwort" „die Machtinteressen und Führungspositionen des religiösen und politischen Establishments stabilisieren" (117). Erst R . R . W I L S O N (Sociological Approaches, 6 7 - 8 0 [1984]; vgl. Prophecy, 32ff. [1980]) geht über die bloße Zuweisung der Schriftpropheten und ihrer Gegner an bestimmte gesellschaftliche Gruppen hinaus. Er unterscheidet zwischen „peripheral prophets" und „central prophets" (Sociological Approaches, 75). Während letztere zu den Machthabern einer Gesellschaft gehörten, boten erstere weniger einflußreichen Gruppen eine Möglichkeit, sich zu artikulieren. Wurden die sozialen Neuerungen der „peripheral prophets" zu radikal, reagierte die israelitische Gesellschaft
32
Einleitung
darauf mit dem Vorwurf falscher Prophetie, was dem Vorwurf der Hexerei in anderen Gesellschaften entspricht. Für B . O . L O N G (Social Dimensions [1982]) zeigen Beispiele aus schamanistischen Gesellschaften: 1. „conflict among intermediaries is obviously a complex . . . social phenomenon"; 2. „conflict is highly situational — that is, related to, and expressive o f social dynamics in particular societies"; 3. „conflict in the mediational process is certainly normal, if not inevitable. T h e potential for disputes lies in the claim to supernatural mediation . . . T h e potential for conflict lies also in the social components o f such ideological matters: competition for status, influence, and power in situations where religious authority tends to be pragmatically given and removed by public consensus" (39). Die von ihrer dtr Redaktion befreiten Kapitel J e r 26—29; 37f. machen deutlich, daß es zwischen Jeremia und seinen prophetischen Gegnern keine sozialen Unterschiede gab. Jeremia wurde durch ein Netzwerk verwandtschaftlicher Beziehungen und darüber hinaus von einflußreichen Familien am Jerusalemer Königshof, die anjosias Reform beteiligt waren, unterstützt. Jeremias Unheilsvorhersagen und seine Polemik gegen die Zionstheologie bestimmen erst redaktionell seinen Konflikt mit anderen Propheten. Der anthropologische Vergleich legt nahe, „that the conflict between Jeremiah and these other prophets was . . . highly situational, highly geared toward particular events and circumstances to which all o f these prophets addressed themselves" (45). Jeremias Auseinandersetzungen mit Hananja und Schemaja sind so als Teil eines politischen Machtkampfes zwischen einer national-religiösen und einer probabylonischen Partei zu verstehen. U m die Katastrophe des Exils erklären zu können, gestaltete die dtrjer diesen Machtkampf zu einem Konflikt Jeremias mit falschen Propheten um. Ähnlich versteht auch R . ALBERTZ (Religionsgeschichte [1992], 367— 372) Propheten wie Hananja, Zedekia, Ahab und Schemaja als das Sprachrohr einer national-religiösen Partei unter Leitung des Oberpriesters Seraja. Inhaltlich argumentierte man unter Berufung aufjesaja zionstheologisch und blickte auf das Gericht als vergangenes Ereignis zurück, das von einer neuen, mit der josianischen Kultreform angebrochenen Heilszeit abgelöst worden sei. Dieser national-religiösen Partei standen die Reste der probabylonischen Reformfraktion unter Leitung der Schafaniden gegenüber, zu der auch die Propheten Jeremia und Ezechiel gehörten. In ihrer Auffassung war J H W H s Bindung an seinen Tempel vom sozialen Verhalten des Volkes abhängig. Mit „dem Tode Josias (war) eine neue Zeit des Ge-
Exkurs í: Ablehnung der Prophetie
33
richts" angebrochen, „neues Heil konnte es . . . erst nach Vollendung des Gerichts, dem Untergang d e s . . . zerrütteten Staates geben" (372). Die stark differenzierte Diskussion der dritten Forschungsepoche zur Frage innerprophetischer Konflikte hat bislang kaum Eingang in die Kompendien und Lehrbücher gefunden. Meist wird mit Q U E L L und C R E N S H A W betont, daß es keine absoluten Kriterien wahrer und falscher Prophetie geben kann und sich daher einander gleichwertige Propheten gegenüberstanden. 42 Wesentlich seltener hat sich die von H O S S F E L D / M E Y E R und M Ü N D E R L E I N entwickelte Erkenntnis der redaktionellen Herkunft solcher Kriterien niedergeschlagen. 43 Mit der sozialen Verortung Jeremias und seiner prophetischen Gegner beschäftigt sich schließlich nur die Religionsgeschichte von A L B E R T Z ( 3 6 7 — 3 7 2 ) . Neben der schon lange und intensiv geführten Diskussion zur Frage innerprophetischer Konflikte sind in den letzten Jahren zwei Arbeiten erschienen, die sich unabhängig davon mit der Ablehnung der Prophetie beschäftigen. Wegen der großen Nähe dieser Fragestellung zum Thema der vorliegenden Arbeit ist es angebracht, sie in einem Exkurs zu referieren:
Exkurs 1 : Die Forschung zur Ablehnung der Prophetie Das Thema „Ablehnung der Prophetie" ist in der Forschung bislang nur selten und erst in jüngster Zeit behandelt worden. Vor der Arbeit von D. M A R C U S (From Balaam to Jonah [1995]) finden sich lediglich auf das Jonabuch bezogene Einzelbeobachtungen (s.u., 52 Anm. 116). M A R C U S selbst versteht N u m 22,21—35; l K ö n 13; 2Kön 2,23—25 und Jona als antiprophetische Satiren. Dabei überträgt er moderne Vorstellungen des Fantastischen, Absurden, Grotesken und Unglaubwürdigen unhinterfragt auf biblische Texte und kommt so notwendig zu verzerrten Ergebnissen. Ferner läßt ihn die schematische Darstellung satirischer Elemente wichtige Sinndeterminanten der analysierten Passagen übersehen. Die erst spät in die Bileamerzählung eingefügte Perikope N u m 22,21—35 wird durch fantastische Situationen (unsichtbarer Engel und sprechende Eselin), Ironie 4 2 S o CRENSHAW, Prophecy; BLENKINSOPP, Geschichte, 162f.; CHILDS, Theology, 134f.; PREUSS, Theologie, B d . 2, 91f.; KAISER, Gott, 229f.; W . H . SCHMIDT, Glaube, 309 0 5 3 - 3 5 5 (ab 8 1996);BRUEGGEMANN, Theology, 631; HOSSFELD, Prophetie, 630; vgl. KOCH, Propheten/ Prophetie, 490. 4 3 S o nur BLENKINSOPP, Geschichte, 142.167f.171; CHILDS, Theology, 1 4 0 - 1 4 2 ; ZENGER, Eigenart, 377; vgl. HOSSFELD, Prophetie, 630f.
34
Einleitung
(der Magier Bileam kann seine Eselin nur durch rohe Gewalt kontrollieren) , Spott (die Eselin kann wahrnehmen, was der Seher Bileam sehen sollte; Bileam beherrscht die Regeln der Konversation nicht) und Parodie (der Seher wird zum passiven Beobachter) als Satire ausgewiesen (zur Kritik s.u., 40—44). Die Erzählung vom kahlköpfigen Propheten, 2 K ö n 2,23—25, wird von M A R C U S hauptsächlich wegen der unverhältnismäßigen Bestrafung der spottenden Kinder als antiprophetische Satire verstanden (zur Kritik, s.u., 51). Auch in l K ö n 13 findet M A R C U S zahlreiche satirische Elemente — etwa, daß Gott den ursprünglichen Träger des Gotteswortes vernichtet oder daß die Knochen des Gottesmannes das Grab desjenigen beschützen sollen, der für seinen Tod verantwortlich ist. Bei l K ö n 13 handelt es sich daher um „a sardonic comment on the curious ways and petty concerns o f some prophets" (73; zu l K ö n 13 s.u., 44—45). Für den satirischen Charakter des Jonabuchs fuhrt M A R C U S im wesentlichen schon vor ihm gemachte Beobachtungen an, z.B. Jonas Verhalten während des Sturms oder seinen Zorn über die Verschonung Ninives im Vergleich zu seiner Trauer über das Verwelken der Rizinuspflanze. 4 4 Jona dient so ,,as a very negative model o f prophetic behaviour" (94). Bei den vier Belegen handelt es sich für M A R C U S um typologische Kritiken prophetischen Verhaltens. Weil in keinem der Texte die Legitimität eines Propheten angezweifelt wird, gilt ihre satirische Kritik den Propheten ,,as God's representatives" (165). Die Satiren reagieren nach M A R C U S entweder auf „wayward prophets" (167) oder auf „miracle-working prophets" (168). In letzterem Fall wären sie von dtr Redaktoren eingearbeitet oder verfaßt worden, um die wunderwirkenden Propheten gegenüber Wortpropheten wie Jesaja und Ezechiel abzuwerten. Bei der späteren Kanonisierung der entsprechenden Texte sei ihr satirischer Charakter nicht mehr verstanden worden. Für W.J. BERGEN (Elisha [1999]) „the Elisha narrative provides a negative judgment on prophetism" (11). Elisas Aufgabe wäre es gewesen, als Nachfolger Elias den Baalsglauben zu bekämpfen, die wahre J H W H - V e r e h r u n g zu reinstallieren und die Ahab-Dynastie zu beenden. Statt dessen spielen Baalsverehrung und Ahabs Nachkommen im Hauptteil der Erzählung keine Rolle. Ferner weist das Fehlen einer direkten R e d e J H W H s in der Elisaerzählung daraufhin, daß Elisa nicht als Prophet agierte: „He does not lead Israel as Moses and Samuel did. He does not challenge the people to return to Y H W H as Elijah did. He does not act as conscience to the king o f Israel as Nathan did. He brings no ethical imperative to either king or 44
Z u den Argumenten für den satirischen Charakter des Jonabuchs s.u., 52. Zur Kritik
an der satirischen Interpretation von J o n a s.u., 5 1 - 5 4 .
Präzisierung der Fragestellung
35
people" (176). Statt dessen setzen die sich leitmotivisch durch die Erzählung ziehenden Wunder Elisas den Propheten herab (2Kön 4,1—7.38—41; 6,1—6) oder tragen zumindest nichts zu seiner eigentlichen Aufgabe bei (2Kön 2,19—22; 4,8—17). Die im Zusammenhang mit den Königen Israels berichteten Wunder (2Kön 3,13—20; 5; 6,8—23; 6,24—7,20) zeigen zwar, daß Elisa besser für das Volk sorgen kann als der König, stellen ihn aber gleichzeitig durch die Unterstützung negativ bewerteter Könige in Frage (zur Kritik an B E R G E N S.U., 4 9 - 5 1 ) .
1.2 Präzisierung der Fragestellung Rückblickend lassen sich vier forschungsgeschichtliche Strömungen festhalten: 1) Z u e i n e r fast alle A r b e i t e n u m g r e i f e n d e n opinio communis
ist d i e z u e r s t v o n
SACHSSE, VON R A D u n d QUELL f o r m u l i e r t e E i n s i c h t g e w o r d e n , d a ß d i e atl. T e x t e zu i n n e r p r o p h e t i s c h e n K o n f l i k t e n situativ zu v e r s t e h e n sind u n d k e i n e absoluten K r i t e r i e n w a h r e r u n d falscher P r o p h e t i e g e b e n w o l l e n ,
und
d a ß d i e i n D t n 13,2—6; 1 8 , 2 0 — 2 2 f e s t g e l e g t e n M a ß s t ä b e ( p a g a n e P r o p h e tie u n d E r f ü l l u n g e i n e r V o r h e r s a g e ) n u r b e d i n g t p r a k t i k a b e l s i n d u n d n i c h t a u f alle s p ä t e r k a n o n i s i e r t e n P r o p h e t e n z u t r e f f e n . 4 5 F e r n e r w u r d e selbst d e r B e g r i f f F a l s c h p r o p h e t i e erst d u r c h a n t i k - j ü d i s c h e B i b e l ü b e r s e t z u n g e n
und
Auslegungen an die T h e m a t i k herangetragen.46
45 Vgl. TILSON, False Prophets, 1 6 7 - 2 2 0 ; WOLFF, H a u p t p r o b l e m e , 230; E.JACOB, r e m a r ques, 479; VON RAD, Theologie, Bd. 2 , 2 1 7 f . ; FICHTNER, P r o p h e t e n , 621f.; OSSWALD, Falsche Prophetie, 28f.; REVENTLOW, Liturgie, 121 f.; KRAUS, Prophetie, 112; CLEMENTS, Prophecy, 34£; STEVENSON, False P r o p h e t , 130; BERRIDGE, Prophet, 35; CRENSHAW, Prophetie C o n flict, passim, bes. 61; DERS., Prophecy, passim; PAUL, Prophets, 1168f.; ZIMMERLI, Theologie, 8 9 - 9 1 ; HOSSFELD/MEYER, Prophet, 1 - 1 3 . 1 6 0 - 1 6 3 ; MEYER, Jeremia, 147; HOSSFELD, falsche P r o p h e t e n , 139; DERS., Prophetie, 630; MÜNDERLEIN, Kriterien, 1 1 - 1 9 ; MARBÖCK, W o r t , 56; SANDERS, False Prophecy, 2 2 - 2 9 ; CARROLL, A r g u m e n t , 4 3 - 4 6 ; DERS., Prophecy, 1 8 5 - 1 9 8 ; DERS., Chaos, 1 7 9 f . l 9 2 ; SCHNEIDER, Krisis, 22f.88; BLENKINSOPP, Geschichte, 162f.; CHILDS, Theology, 134f.; SHEPPARD, False Prophets, 268; S. HERRMANN, Prophet, 140; PREUSS, T h e o logie, Bd. 2, 91f.; KAISER, T h e o l , Bd. 1 , 2 2 9 £ ; PERSON, Second Zechariah, 182f.; HERMISSON, Kriterien, 121 f.; ZENGER, Eigenart, 377; NISSINEN, Falsche Prophetie, 173-175.194f.; DERS., R e f e r e n c e , 151f.; BRUEGGEMANN, Theology, 631. 46 Vgl. cJ>eu507cp09£TT|£uSoitpoçr)TTiç („Falschpropheten"). In der Neuzeit wurde diese Position u.a. von VALETON, Prophet, 46f.; HARMS, D i e falschen Propheten, 15f.46f.; QUELL, Propheten, 6 7 - 7 1 ; K . BARTH, Exegese, 18ff.; MARBÖCK, W o r t , 36f.; DOZEMAN, Way, passim, bes. 3 7 9 . 3 9 2 ; CHILDS, Theology, 142f.; VAN WINKLE, 1 Kings X I I I , 4 0 - 4 2 ; DEBOYS, Criterion, 2 1 0 f . ; COGGINS, Prophecy, 88; PERSON, S e c o n d Zechariah, 186f.; PROVAN, Kings, 114f., und HERR, Prophet, 7 4 , vertreten. 87
CRENSHAW, Prophetie Conflict, 3 9 - 4 9 ; BRZEGOWY, prophéties, passim, s. bes. 5 3 - 5 5 ;
DEVRIES, Prophet, 1 . 5 9 - 6 1 . 1 3 7 ; DERS., 1 Kings, 1 6 8 - 1 7 4 ; W . DIETRICH, Propheten, 55f. (freier Prophet contra Hofprophet); vgl. MÜNDERLEIN, Kriterien, 139f., und BLENKINSOPP, Geschichte, 1 6 5 , der a n n i m m t , „daß die Problematik der prophetischen Offenbarung w ä h rend der letzten Tage des judäischen Königtums . . . zum Ausdruck k o m m t . " 88
SIMON, Prophetie Sign, 86ff., bes. 1 1 6 ; MARCUS, F r o m Balaam to J o n a h , 6 7 - 9 1 (anti-
prophetische Satire). 89
Gottesmann, passim.
90
Z u r Auslegung vgl. auch REHM, Könige, 143f.; BOER, Allegory, 1 0 8 - 1 1 0 , sowie die
Hinweise bei GRESSMANN, Geschichtsschreibung, 2 4 6 , und LONG, 1 Kings, 147f. D e n T e x t im K o n t e x t der Frage von wahrer und falscher Prophetie zu verstehen, lehnt auch NELSON, Kings, 8 9 , ab. J e d o c h sieht er anders als JEPSEN und REHM nicht durch die Mahlgemeinschaft, sondern durch den Ungehorsam des Gottesmannes Gottes W o r t gefährdet, diese Gefährdung habe seinen T o d notwendig gemacht (NELSON, Kings, 8 5 - 9 0 ; vgl. MEAD, Kings, 1 9 7 - 2 0 5 ) .
46
Einleitung
1.3.2.3
IKön 22,1-40par2Chr
18,4-34
Ähnlich wie IKön 13 wurde auch IKön 22,1—40 in der Forschungsgeschichte immer wieder im Kontext der Frage nach wahrer und falscher Prophetie behandelt. 91 Seit den Arbeiten von JEPSEN, W H I T L E Y und J . M . M I L LER92 ist es unbestritten, daß IKön 22,1—40 erst sekundär mit dem O m riden Ahab in Verbindung gebracht wurde und daß der Text als anonyme Erzählung fiir seine Aussage historische Ereignisse aus der Zeit der J e hu-Dynastie instrumentalisiert. W Ü R T H W E I N faßt den Befund pointiert zusammen: „Gegen eine Identifizierung des in der Schlacht getöteten Königs mit Ahab spricht, daß der Name Ahab nur einmal in dem jungen V.20 begegnet und Ahab nach der dtr Schlußformel («und er legte sich zu seinen Vätern») keines gewaltsamen Todes starb. Überdies war Ahab in der Schlacht bei Karkar (853 v.Chr.), die nicht lange vor seinem Tod 9 1 Der älteste mir bekannte Beleg für diese Auslegung ist 4 Q 3 3 9 4: nj»[3]3 p n'ppX] („Zedekia, den Sohn des kena'"näh"\ s. BROSHI/YARDENI, False Prophets, 78; zu 4 Q 3 3 9 s.o., 45 Anm. 86). Ähnlich bezeichnet auch Jos. Ant. V I I I , 4 0 2 . 4 0 6 . 4 0 9 die 4 0 0 Propheten und Zedekia als 4>£u5o5tpotpf|i:ai („Falschpropheten"). In der Neuzeit findet sich diese Position bei MATTHES, False Prophets, 4 1 8 - 4 2 1 ; DAVIDSON, False Prophets, 12; DERS., Prophecy, 116; DERS., Old Testament Prophecy, 298f.; OETTLI, Merkmal, 3 - 5 ; BENZINGER, Könige, 124; GRESSMANN, Geschichtsschreibung, 279f.; VALETON, Prophet, 4 8 - 5 2 ; J . GRAY, Kings, 4 4 9 ; SACHSSE, Propheten, 59; VON RAD, Die falschen Propheten, 1 lOfi; DERS., T h e o logie, Bd. 2, 2 1 8 ; VOLZ, Prophetengestalten, 2 2 3 ; SIEGMAN, False Prophets, 2 - 5 ; BUBER, Falsche Propheten, 2 8 1 ; HARMS, Die falschen Propheten, 1 2 f . 2 0 - 2 2 ; TILSON, False Prophets, 4 7 - 5 4 . 3 1 5 - 3 1 8 ; QUELL, Propheten, 71ff.; HENTSCHKE, Stellung, 148; E. HALLER, Charisma, 7f.; FICHTNER, Das erste B u c h , 3 2 5 - 3 2 7 . 3 2 9 - 3 3 6 ; STEVENSON, False Prophet, 1 3 . 1 8 £ ; WÜRTHWEIN, Komposition, 2 5 1 - 2 5 4 ; DERS., Könige, 2 5 7 - 2 6 0 ; J.JEREMIAS, Kultprophetie, 192; DERS., Vollmacht, 315f.; CRENSHAW, Prophetic Conflict, 84f.; SCHMITT, Elisa, 4 3 £ ; HOSSFELD/MEYER, Prophet, 2 7 - 3 6 ; HOSSFELD, falsche Propheten, 140; STOLZ, Streit, 2 6 £ ; MARBÖCK, Wort, 38f.; MÜNDERLEIN, Kriterien, 6 4 - 6 8 . 1 1 3 f . 138; LONG, Reports, 3 6 2 ; FOHRER, Propheten, Bd. 7, 31f.; DEVRIES, Prophet, passim; DERS., 1 Kings , 2 6 5 f . 2 6 9 - 2 7 2 ; DERS., Chronicles, 3 1 8 ; KOCH, Profeten I, 95fi; MCNAMARA, Kriterien, 5 7 0 ; REHM, Könige, 218f.; GOLDENBERG, Problem, 87ff.; H . W . WOLFF, Prophet, 73; BLENKINSOPP, Geschichte,
6 5 f . ; M I C H E E L , P r o p h e t e n ü b e r l i e f e r u n g e n , 2 5 ; STECK, B e w a h r h e i t u n g e n , 8 7 f . ; VEERKAMP,
Vernichtung, 1 2 4 - 1 3 4 . 1 3 8 ; HENTSCHEL, 1 Könige, 1 3 0 - 1 3 4 ; G.H.JONES, Kings, 3 6 4 - 3 7 0 ; LONG, 1 Kings, 2 3 4 - 2 3 7 . 2 3 9 ; NELSON, Kings, 1 4 7 - 1 4 9 . 1 5 2 ; W . DIETRICH, Propheten, 56f. (freier Prophet contra Hofpropheten); ROFÉ, Prophetical Stories, 146—152; SCHNEIDER, Krisis, 2 5 - 2 8 . 7 4 - 7 6 . 8 1 ; H . WEIPPERT, Ahab, 4 7 6 . 4 7 8 ; HIRTH, Geist, 114; PREUSS, Theologie, Bd. 2, 7 7 . 8 9 L ; VAN WINKLE, 1 Kings 2 0 - 2 2 , 1 3 - 2 0 ; COGGINS, Prophecy, 8 1 . 8 8 f ; MAYHUE, False Prophets, 135ff.; PROVAN, Kings, 1 6 2 - 1 6 4 ; FRITZ, Könige, 1 9 5 . 1 9 7 - 1 9 9 , (vgl. KRAUS, Prophetie, 106—109, der allerdings nur von einem innerprophetischen Konflikt spricht, und W . H . SCHMIDT, Glaube, 309f.). 92
JEPSEN, I s r a e l , 1 5 5 - 1 5 7 ; W H I T L E Y , P r e s e n t a t i o n ,
1 3 9 f f . ; J . M . MILLER, E l i s h a
Cycle,
passim; DERS., Acts ofjehoahaz, passim; vgl. schon den Hinweis bei HÖLSCHER, Könige, 185.
Textauswahl
47
stattgefunden hat, mit Aram verbündet". 9 3 Rät schon allein die historische Unschärfe davon ab, l K ö n 22,1—40 als Beleg für vorexilische innerprophetische Konflikte zu werten, so unterstreicht der literarkritische Befund das Problem noch. Seitdem SCHWALLY und STADE Zweifel an der U r sprünglichkeit von V. 19—22 bzw. V. 19—25 geäußert haben, 9 4 hat die Forschung eine Vielzahl redaktionsgeschichtlicher Modelle für die Stratigraphie des Textes entwickelt. 95 Mir scheint das Modell von H. WEIPPERT (Ahab, 458ff.) die größte Plausibilität zu haben, da es das heldenhafte Ausharren des tödlich verwundeten Königs in der Schlacht (V. 35) in seiner positiven Aussageabsicht ernst nehmen und erklären kann: Die aus V. 3a—c.lla—d.29a*.34a-35c bestehende Grunderzählung ist eine Erzählung über den heldenhaften Tod eines anonymen Königs, dem der Prophet Zedekia den Sieg bei der Eroberung Ramots in Gilead voraussagt. Noch im Tod gewinnt der König seine Schlacht. Bei der Aufnahme der Erzählung in den Zyklus über die Kriege zwischen Israel und Aram wurden die V. la.b.2a.36a—37c eingefügt und so der siegreiche Tod des Königs in eine Niederlage verwandelt. Später wurde die Erzählung durch V. 35d.38a—c.39a.40a.b als Erfüllung des Spruches Elias gegen Ahab 93
WÜRTHWEIN, K ö n i g e , 2 6 1 .
94
SCHWALLY, Quellenkritik, 159f.; STADE/SCHWALLY, Kings, 29; zur Position vgl. noch
HOSSFELD/MEYER, P r o p h e t , 3 2 f . 95 Im wesentlichen lassen sich neben dem unten favorisierten Ansatz vier Positionen unterscheiden: 1.) Für einheitlich halten die Erzählung von kleineren Überarbeitungen abgesehen NOTH, Überlieferungsgeschichtliche Studien, 79f.; E. HALLER, Charisma, 9 - 2 4 ; W. DIETRICH, Prophetie und Geschichte, 1 2 0 - 1 2 2 ; REHM, Könige, 215f.; VEERKAMP, Vernichtung, 119ff.; MCKENZIE, Trouble, 8 8 - 9 3 , und MAYHUE, False Prophets, 135ff. 2.) Für WÜRTHWEIN, Erzählung, passim, wurde in eine aus V. 2 - 4 . 2 9 - 3 7 bestehende R a h m e n e r zählung die Michaerzählung V. 5—9.13-17(18?).26—28 eingefugt. Später wurden dann zwei weitere Schichten ergänzt (V. 10—12.24E; V. 19—23). Die verschiedenen Schichten entwikkeln jeweils unterschiedliche Modelle für den Umgang mit dem Phänomen der falschen Prophetie (vgl. auch DERS., Könige, 2 5 5 . 2 5 7 ; J.JEREMIAS, Kultprophetie, 187; SCHMITT, Elisa, 4 2 - 4 4 ; MARBÖCK, Wort, 38f.; FRITZ, Könige, 1 9 5 - 1 9 9 ) . 3.) Für SEEBASS, Micha ben Jimla, 1 1 3 - 1 1 6 , beschreibt die aus V. 1—9.13—19a.26—38 bestehende Grundschicht einen Konflikt zwischen König und Prophet und wurde um V. 10—12.19b—22.24f. erweitert, w o bei V. 10—12.24f. V. 1 9 - 2 3 nochmals umdeuten (vgl. MICHEEL, Prophetenüberlieferungen, 24), erst letzteren geht es „um den innerprophetischen Konflikt der Wahrheit des ergehenden Wortes" (SEEBASS, Micha ben Jimla, 114). 4.) STECK, Bewahrheitungen, 8 8 - 9 5 , versteht V. 3 . 6 . 9 . 1 3 - 1 5 a < x . l 7 . 2 6 - 2 8 a . 2 9 * . 3 4 - 3 5 a b a . 3 6 * - 3 7 als Grundschicht (vgl. SCHNEIDER, Krisis, 24), deren Interesse dem „Aufweis der Bewahrheitung des Jahwewortes Michas" gilt (a.a.O., 94). Durch spätere Verklammerung mit l K ö n 2 0 , 3 5 - 4 2 wird sie als „Ahndung des königlichen Bannvergehens" (ebd.) interpretiert. Eine vordtr Erweiterung um V. 2b.4f.7f. 1 0 . 1 2 . 1 5 * . 1 6 . 1 8 - 2 3 . 2 9 * . 3 0 - 3 3 . 3 6 * will dann zeigen, „daß sich einheitliches, absichtsvolles Jahwewirken" auch im prophetischen Konflikt vollzieht (a.a.O., 87).
48
Einleitung
( l K ö n 21,19) umgedeutet. Durch die zum Schluß hinzugekommenen V. 2b.4a— 10b. 12a—28c.29a*.30a—33c wurde der Text zu einem theologischen Lehrstück zum Thema „wahre und falsche Prophetie" umgestaltet (a.a.O., 476.478). Mit dieser Deutung aufwahre und falsche Prophetie kann sich H . W E I P auf eine lange Auslegungstradition berufen (s.o., 46 Anm. 91). Dabei hat man gerne die Abhängigkeit und Manipulierbarkeit der 400 Hofpropheten Ahabs der Unabhängigkeit Micha ben Jimlas gegenübergestellt 96 oder die geistbedingte, ekstatische Prophetie der ersteren mit der Vision Micha ben Jimlas verglichen 97 und in V. 26—28 das Erfullungskriterium nach Dtn 18,21f. an den Text herangetragen sehen wollen. 9 8 Anders als sonst üblich läßt l K ö n 22,1—40 jedoch die klare Frontstellung prophetischer Konflikte vermissen. Keiner der Handlungsträger äußert durchgehend wahre Prophetie oder hängt dieser ausschließlich an. J H W H ist Urheber sowohl der wahren als auch der falschen Prophetie. 9 9 Wortstatistik und doppelte Rahmung des Textes weisen auf eine andere Aussageabsicht des Textes hin: H. W E I P P E R T (Ahab, 474) hat gezeigt, daß V. 5 - 2 8 bzw. V. 19—23 jeweils von einer Paarung rni"P IDT („Wort des Herrn") bzw. IST mrr („der Herr hat geredet") umgriffen werden. So scheint nicht eigentlich die Prophetie das Thema des Abschnittes zu sein, sondern das sich in ihr artikulierende Gotteswort. Seiner Verwirklichung dienen in l K ö n 22,1—40 sowohl die Heils- als auch die Unheilsprophetie. Beide stammen von Gott, beide fuhren unweigerlich zum Tode Ahabs. An ihm soll die Macht von Gottes Wort beispielhaft aufgezeigt werden. 1 0 0 Die einander widersprechenden prophetischen Botschaften des Textes sollen dabei, wie SCHENKER PERT
9 6 Vgl. CRENSHAW, Prophetie Conflict, 84f.; HOSSFELD/MEYER, Prophet, 3 0 - 3 2 . 3 6 ; REHM, Könige, 218f.; VEERKAMP, Vernichtung, 1 2 4 - 1 3 4 . 1 3 8 ; vgl. W . DIETRICH, Prophetie und Geschichte, 121. 9 7 Vgl. QUELL, Propheten, 77fF.; J . GRAY, Kings, 4 4 9 ; E. HALLER, Charisma, 7f.; WÜRTHWEIN, Komposition, 252f.; DERS., Könige, 259f.; MÜNDERLEIN, Kriterien, 64—68; ROFE, Prophetical Stories, 1 4 6 - 1 5 2 . 98
S o BENZINGER, K ö n i g e , 1 2 4 ; FICHTNER, D a s e r s t e B u c h , 3 3 5 f . 3 3 8 - 3 4 0 ; W Ü R T H W E I N ,
Komposition, 251f.; DERS., Könige, 258f.; MÜNDERLEIN, Kriterien, 113f.; DEVRIES, Prophet, 3 9 . 1 4 2 ; MCNAMARA, Kriterien, 5 7 0 ; HENTSCHEL, 1 Könige, 134; NELSON, Kings, 152; VAN WINKLE, 1 Kings 20—22, 9.19f.; STECK, Bewahrheitungen, 87; FRITZ, Könige, 195.197f. Vgl. dazu bes. NELSON, Kings, 146f. 151, und HAMILTON, Caught, 653f. S. auch NELSON: „ T h e central focus o f the story is not the conflict between true and false prophecy but Ahab's inevitable death and the power o f the word o f G o d " (Kings, 149; 99
100
v g l . a . a . O . , 1 5 1 ; M O N T G O M E R Y , K i n g s , 3 3 6 ; SCHENKER, G e r i c h t s v e r k ü n d i g u n g ,
568-577;
FLEMING, Council, 7 7 - 8 8 ; ähnlich auch die Ausführungen von HOSSFELD/MEYER, Prophet, 34, zu den von ihnen als spätem Einschub betrachteten V. 1 9 - 2 3 , und HIRTH, Geist, 114).
Textauswahl
49
gezeigt hat, d e m v o m Gericht J H W H s Betroffenen trotz aller VerStockung noch eine prinzipielle Umkehrmöglichkeit belassen: „Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Erstens: Verblendung, d.h. völlige Fehleinschätzung der wahren Lage, kann eine von J H W H gesandte Strafe sein. D a J H W H aber nicht lügt, schickt er zusammen mit der Verblendung (die einer Desinformation gleichkommt) auch die Möglichkeit, den T r u g zu durchschauen: nach 1 K ö 22 sendet er zusammen mit d e m Lügengeist (v. 22f) den Propheten Micha, u n d n a c h j e s 6 erhält der Prophet nicht n u r den Verstockungsauftrag, sondern den Auftrag, darin J H W H s wahre Absicht zu enthüllen. Beide Propheten geben dadurch den Code, u m die Desinformation zu entschlüsseln. Zweitens: Da Verblendung richtiges Entscheiden unmöglich macht, f u h r t sie am sichersten ins Verderben. U m g e k e h r t kann J H W H nicht soweit gehen, u m solcher Bestrafung willen unwahr zu w e r d e n . D a h e r verblendet er nie ganz, u n d deshalb ist kein auch noch so fest von Ihm beschlossenes Unheil unentrinnbar. "101
In d e m Parallelbeleg 2 C h r 18,4—34 wurde der Text n u r i m Z u s a m m e n h a n g mit der Gestalt des judäischen Königs Josaphat verändert. Dies zeigt, daß auch der Chronist den Beleg nicht im Kontext von wahrer u n d falscher Prophetie verstand, sondern n u r verdeutlichen wollte, wie Josaphat an den Vergehen des Nordreichs partizipierte u n d so die davidische Dynastie gefährdete. 1 0 2 W i e schon l K ö n 13 tragen somit weder l K ö n 22,1—40 noch die Parallelstelle 2 C h r 18,1—34 etwas zur Fragestellung der Arbeit bei. 1.3.2.4 Die
Elisaerzählung
N u r zwei Ausleger interpretieren 2 K ö n 2,23—25 103 bzw. die gesamte Elisaerzählung 1 0 4 antiprophetisch. B E R G E N S Hypothese einer antiprophetischen Elisaerzählung krankt dabei im wesentlichen an vier P u n k t e n (zum Referat der These s.o., 34f.): 1)
versteht die an Elia gerichteten Weisungen von l K ö n 19,15—18 als Lebensprogramm Elisas (Elisha, 47), d e m er durch mangelnde B e k ä m p f u n g Baals u n d seiner Verehrer nicht entspricht. D i e zumindest teilweise eigenständigen Elisaerzählungen waren j e d o c h sicher nicht ursprünglich mit d e m
BERGEN
101
Gerichtsverkündigung, 577; zur Sache vgl. a.a.O., 568—577.
102
Vgl. e t w a j . BECKER, 2 C h r o n i k , 5 9 - 6 2 ; DEVRIES, C h r o n i c l e s , 319;JAPHET, C h r o n i c l e s ,
756f. 103 104
MARCUS, From Balaam to Jonah, 43-65. BERGEN, Elisha, passim.
50
Einleitung
Eliazyklus verknüpft. 1 0 5 Darüber hinaus wird in d e m Bericht über die B e r u f u n g Elisas durch Elia ( l K ö n 19,19—21) in keiner Weise auf die A n o r d n u n g e n von l K ö n 1 9 , 1 5 - 1 8 verwiesen. 2) Das von B E R G E N mit „ m y understanding of the role of the prophet" 1 0 6 u m schriebene Prophetenverständnis speist sich wesentlich aus dtr Charakterisierungen i m D t n u n d D t r G u n d späten Passagen der Schriftpropheten: „If Elisha is not at work opposing Baal, what exactly is he there for? H e does not lead Israel as Moses and Samuel did. H e does not challenge the p e o ple to return to Y H W H as Elijah did. H e does not act as conscience to the king of Israel as N a t h a n did. H e brings n o ethical imperative to either king or people". 1 0 7 D a ß ältere u n d / o d e r von anderen Verfassern stammende Elisaerzählungen 1 0 8 an diesem Maßstab gemessen werden, f u h r t n o t w e n d i g zu Fehlurteilen. So z.B., w e n n BERGEN feststellt „but they (seil, die W u n dererzählungen über Elisa) do not f u n c t i o n to bring Israel back to Y H W H or to root out evil in the land. T h e miraculous power of Elisha serves n o larger purpose for the people of Israel or for Y H W H " . 1 0 9 3) Die B e h a u p t u n g , Elisas Wundertätigkeit w ü r d e dadurch herabgewürdigt, daß er eine verarmte G r u p p e von P r o p h e t e n j ü n g e r n unterstützt (2Kön 4,2.38.40; 6,6), übersieht, daß Elisas Fähigkeiten gerade auf diese Weise besonders b e tont u n d in ein positives Licht gerückt werden. M i t ähnlichen A r g u m e n t e n k ö n n t e man z.B. auch entsprechende W u n d e r e r z ä h l u n g e n der Evangelien als eine H e r a b w ü r d i g u n g j e s u interpretieren. Ferner ignoriert BERGEN aus m e thodischem Vorsatz, daß die Berichte über Elisas Wundertätigkeit aus einer Sammlung stammen, die teils von a n o n y m e n G o t t e s m ä n n e r n u n d teils v o m Gottesmann Elisa handelt u n d in der fur Elisa nie die Bezeichnung Prophet verwendet wird. Erst in e i n e m späteren Stadium der Uberlieferung w u r d e n diese Traditionen mit solchen über den P r o p h e t e n Elisa verschmolzen u n d so G o t t e s m a n n u n d Prophet miteinander verbunden. 1 1 0 4)
105
überspitzte Endtextexegese f ü h r t an einigen Stellen zu einer fatalen Ausblendung aller historischen Fakten. So m o n i e r t er z.B., daß der Erzähler anstatt Elisa selbst z u m König zu machen, den Propheten Könige unterstützen läßt, die wesentlich schlechter als Herrscher geeignet gewesen seien als er
BERGENS
Zum späten Eintrag der ursprünglich eigenständigen und zu verschiedenen Sammlun-
gen zusammengefaßten Elisaerzählungen in das D t r G s. SCHMITT, Elisa, 19FF.; FOHRER, P r o pheten, Bd. 7,80f.; SEEBASS, Elisa, 506f.; WÜRTHWEIN, Könige, 2 7 3 - 3 2 1 . 3 2 4 - 3 4 2 . 3 6 2 - 3 6 8 ; G.H.JONES, Kings, 6 8 - 7 3 . 106 107 108
Elisha, 175. A.a.O., 176. Zur komplexen Entstehungsgeschichte der Elisaerzählungen s. die Modelle von
SCHMITT, Elisa, p a s s i m ; WÜRTHWEIN, K ö n i g e , 2 7 3 - 3 2 1 . 3 2 4 - 3 4 2 . 3 6 2 - 3 6 8 , u n d STIPP, E l i -
scha, passim, und o., 50 Anm. 105. 109 Elisha, 177. 110
Vgl. SCHMITT, Elisa, 89FF.
Textauswahl
51
(Elisha, 177f.). Man wundert sich, wieso BERGEN dem von ihm angenommenen Erzähler der Elisageschichten und seinen Hörern nicht zumindest soviel historische Kenntnis zugesteht, daß sie wußten, daß kein Prophet - weder des Nord- noch des Südreichs — jemals die Rolle eines Königs angestrebt oder übernommen hat. BERGENS antiprophetische Interpretation der Elisaerzählungen basiert so-
mit auf methodischen Fehlentscheidungen, die notwendig zu einer u n stimmigen Interpretation fuhren. Ähnlich wie BERGENS Analyse krankt auch MARCUS' Vorschlag, den k u r zen Bericht über den glatzköpfigen Propheten in 2 K ö n 2,23—25 als antiprophetische Satire zu deuten, 1 1 1 an einer unreflektierten Übertragung heutiger Vorstellungen des Fantastischen u n d Grotesken auf an tike Kulturzusammenhänge. Die scheinbare UnVerhältnismäßigkeit der Verfluchung von Kindern, die Elisa verspotten, u n d ihrer durch den Fluch bewirkten T ö t u n g durch zwei Bärinnen ist mit ROFE i m Kontext des israelitischen Konzeptes v o m Heiligen zu verstehen: „It is . . . evident that not the ethical categories of good and evil are relevant in this and the other stories, but those of the sacred and the profane. A Man of God is a holy figure (2Kgs 4:9) and as such must be treated with veneration, just as one behaves towards the Divine and the objects associated with the Divine. These youths profaned the Holy Man of God, and like the sons of Aaron (Lev 10:1-3) or Uzza (2Sam 6:6—7), who acted with no intent of malice, their punishment is swift and terrible. Such extreme retribution, even in cases of accidental profanation, is a logical consequence of the conception of the Holy displayed in theses tales - the Divine as an awesome, mighty power, which cannot be resisted by mortal men, and whose responses are unfathomable". 112 Weder die Elisaerzählungen i m ganzen noch 2 K ö n 2,23—25 i m besonderen sind daher i m folgenden zu berücksichtigen. 1.3.2.5 Das Jonabuch Das J o n a b u c h w u r d e seit GOOD113 u n d BURROWS114 von einer ansehnlichen Strömung der Forschung als Satire verstanden. 1 1 5 Hauptargumente 111
From Balaam to Jonah, 43-65. Prophetical Stories, 15f. 113 Irony, 39-55 (1. Aufl., London 1965). 114 Category, 92-105. 115 H O S S F E L D / M E Y E R , Prophet, 1 6 0 ; M I L E S , Laughing, passim; F R E T H E I M , Message, 5 1 - 5 5 . 7 2 ; H . W . WOLF,Jona, 6 2 - 6 4 ; C A R R O L L , Prophecy, 1 9 8 ; A C K E R M A N , Satire, passim (zu 112
52
Einleitung
dafür sind Jonas Verhalten während des Sturms (die Seeleute tun alles, um das Schiff zu retten, aber der Prophet schläft; die Heiden beten, aber Jona tut nichts), das Sprechen eines Dankpsalms im Bauch des Fisches, die Umkehr Ninives und die sogar das Vieh einschließende Reue der Stadt im Gegensatz zu der nie wirklich erfolgten Umkehr Jerusalems und schließlich Jonas Zorn über die Verschonung Ninives im Gegensatz zu seinem Kummer über das Verwelken der Rizinuspflanze. Von einigen Auslegern wurden diese satirisch-ironischen Züge des Jonabuchs mit der Ablehnung der Prophetie in persischer Zeit verbunden und als Kritik an der Prophetie überhaupt verstanden. 116 PAYNE 1 1 7 versteht das Werk als eine Satire auf die frühe Apokalyptik, in der ihr Schwarz-Weiß-Denken hinterfragt, ihre Prädestinationsauffassungen durch die ad hoc Bestimmungen Gottes ironisiert und ihre Symbolik mittels des großen Fisches kontrastiert wird. Ohne von Satire zu sprechen, deutet BLENKINSOPP das Jonabuch als eine „Art weisheitlicher Kritik an der Prophetie", 1 1 8 und VON RAD schreibt von „vernichtender Selbstkritik" der Prophetie. 119 Darüber hinaus deuten einige Ausleger die Zitate von Joel 2,14 in Jon 3,9 und Joel 2,13 in Jon 4,2 sowie die Anspielung aufJon 1,18—20 in Jon 4,11 als eine Kritik an der nationalistischen Ausrichtung des Joelbuches. 120 Zur Kritik an diesen Positionen kann auf die Ausführung wiesen werden:
SIMONS
ver-
„Das Buch Jona ist keine ironische Satire, denn die tatsächlich vorhandene Ironie ist weder bissig noch ist sie gegenüber der Person des Protagonisten überheblich. Sie deckt sein Scheitern nicht in verletzender Weise auf. Viel eher ist sie verzeihend, zeigt ihm seinen Platz, ohne ihn zu erniedrigen und weist ihn auf sich selbst zurück, ohne ihn zu beschämen . . . Mit ihren vielen Überraschungsmomenten iroJ o n 2 , 3 _ 1 1 ) ; H O L B E R T , Deliverance, passim; M A T H E R , C o m i c Art, passim; S A S S O N , Jonah, 3 3 1 - 3 3 4 . 3 4 5 - 3 5 0 ; GoLKA,Jona, 1 8 - 2 0 ; N O G A L S K I , Redactional Processes, 263f. (abgesehen von J o n 2 , 3 - 1 1 ) ; P E R S O N , Conversation, 83-89.166f.; O P G E N - R H E I N , Jonapsalm, 1 0 7 - 1 2 8 ; B . A . J O N E S , Formation, 1 4 7 - 1 5 5 . 1 6 1 - 1 6 7 ; M A R C U S , From Balaam to Jonah, 9 3 - 1 5 9 ; S T R U P PE,Jona, 58f.; S C H A R T , Entstehung, 2 8 3 - 2 8 7 ; vgl. K A I S E R , Grundriß, Bd. 1,156; SIMON,Jona, 34-37. 1 , 6 So H O S S F E L D / M E Y E R , Prophet, 1 6 0 ; C A R R O L L , Prophecy, 1 9 8 ; B . A . J O N E S , Formation, 1 6 2 - 1 6 4 ; P E R S O N , Conversation, 1 6 7 ; M A R C U S , From Balaam to Jonah, 9 3 - 1 5 9 ; vgl. H O L B E R T , Deliverance, 7 5 . 1 1 7 Jonah, 11 f. 1 1 8 Geschichte, 244. 1 1 9 Theologie, Bd. 2, 303. 120 M A R C U S , From Balaam to Jonah, 127f.; S C H A R T , Entstehung, 2 8 7 - 2 8 9 ; vgl. S T E V E N S O N , False Prophet, 38.43f.; B L E N K I N S O P P , Geschichte, 245; L u x , Jona, 1 9 0 - 1 9 2 . 1 9 9 f . 2 0 8 - 2 1 3 .
Textauswahl
53
nisiert die Handlung Jonas Besserwisserei: D e r Sturm unterbricht die Flucht; durch den Fisch wird verhindert, daß er ertrinkt; der Aufenthalt im Fisch zieht sich in die Länge; und der Rizinusstrauch wächst und vergeht während einer Nacht. Jonas Rechthaberei wird durch eine Gegenüberstellung der Hartnäckigkeit des Propheten und des G e h o r sams der Nichtisraeliten auf dem Schiff und in Ninive ironisiert. Durch unerwartete Ereignisse und ungünstige Gegenüberstellungen läßt Gott seinen Propheten in der Sprache der Taten, die stärker als W o r t e sind, spüren, daß die Gehorsamspflicht auch für den gilt, der sich selbst für einen Gerechten hält. E r zeigt ihm, daß die Tore des Gebets und der U m k e h r auch für den offen sind, der irrigerweise in Gottes Bereitschaft, Gebete zu erhören, einen Mangel und in seiner Langmut eine Schwäche sieht. So wird J o n a überzeugt, daß die Liebe der Sünder zum Leben nicht nur schadet: sie verleitet zur Sünde, führt aber auch wieder zur U m k e h r zurück. Er m u ß einsehen, daß die Liebe des Propheten zur strafenden Gerechtigkeit nicht i m m e r nützt: Sie führt ihn zwar zu Selbstbeherrschung und Gesetzestreue, verleitet ihn letztlich aber ebenso dazu, sich selbst zu verneinen und die göttlichen Befehle zu übertreten. Hinter der gnädigen Ironie, die die Besserwisserei und die Rechthaberei negiert, wird J o n a schließlich die starke und liebende Hand Gottes erkennen, der ihn zu sich zurückführen will" (Jona, 36f.).
GOLKA hat es auf den Punkt gebracht, wenn er betont, daß weder die P r o -
phetie im allgemeinen noch eine bestimmte Art von Prophetie, sondern der Prophet Jona selbst das Ziel der didaktisch gemeinten Satire ist: „Wenn er seinen Katechismus rezipiert, wird dem Leser klar, daß der Jude Jona aus seinem Glauben vieles weiß, das er in der Praxis im Falle Ninive noch nicht anwenden kann. Dazu will ihn Gott erst fuhren, mit Liebe und Güte, aber auch mit ein klein wenig Ironie (4,6—11)" (Jona, 18). „Mit Satire und Ironie wird eine psychische Verkrustung aufgebrochen. Der Mensch wird frei, das zu bedenken, worüber er sonst nicht sprechen mag. Eine Sperre wird überwunden, oder besser: unterlaufen! Und eben das will derjüdische Autor des Jona bei seinen Religionsgenossen erreichen: Das Undenkbare soll denkbar werden, z.B. daß nach erfolgter Buße die Reue Gottes sogar den Heiden gilt" (Jona, 20). 1 2 1 Was nun die beiden Joelzitate angeht, fällt auf, daß sie weder in J o n 3,9 noch in 4,2 ironisiert oder abgelehnt werden: In J o n 3,9 berufen sich gerade die im Buch positiv gewerteten Bewohner Ninives auf die in Joel 2,14 121
Z u r Sache s. a.a.O., 1 8 - 2 3 . 9 7 f . ; H . W . W o L F F , J o n a , 63f.; SASSON,Jona, 346f.; STRUPPE,
J o n a , 58f.; vgl. B.A.JONES, Formation, 1 6 2 - 1 6 5 . Z u r Kritik an der satirischen Interpretation des Jonabuches s. auch BERLIN, Rejoinder, passim; S. HERRMANN, Verständnis, passim.
54
Einleitung
für Jerusalem eröffnete Möglichkeit, daß Gott sein Gericht noch reuen könnte. Joel 2,14 wird somit universalisiert und nicht kritisiert. Der mit den Worten von Joel 2,13 formulierte Vorwurf Jonas aus J o n 4,2 nsirrV» Dmi npD'ail d??n V $ m n T ! I^D'Vk nnx •>? („denn ich wußte ja, daß du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und reich an Güte, und (ein Gott,) den das Übel reut") ironisiert zwar das Verhalten des Propheten, aber für die vom Verfasser intendierte Leserezeption hat Joel 2,13 wegen der thematischen Fortführung von J o n 4,2 in V. lOf. ohne Zweifel eine positive Bedeutung. Daß schließlich Joels Sorge u m die Tiere in Joel 1,18—20 in J o n 4,11 durch den Hinweis auf die „Menge des Viehs" (nai nnnrn) ironisiert würde, erscheint mir zweifelhaft, weil über das N o m e n HÖH? hinausgehende Wortverbindungen zwischen beiden Belegen fehlen. Somit dienen die satirischen und ironischen Züge des Jonabuches als didaktisches Mittel lediglich der Vermittlung einer in dieser Schärfe auch für das J u d e n t u m des 4. und 3. Jh. v.Chr. fremden Universalisierung von Gottes R e u e und Gnade. Die relecture von Passagen aus dem Joelbuch soll dabei den Leser in der ihm vertrauten theologischen Welt abholen, u m ihn zu in dieser Radikalität bislang noch nicht Gedachtem oder Geglaubtem zu führen. Von einer Kritik prophetischer Einzelströmungen oder der Prophetie im ganzen kann für das Jonabuch keine Rede sein. 1.3.2.6
Neh
6,10-14
Auch der Bericht über die Intrige des Propheten Schemaja gegen Nehemia in N e h 6,10—14 wurde wiederholt als Polemik gegen falsche Propheten interpretiert. 1 2 2 Dafür spräche, daß der Laie Nehemia mittels einer falschen Vorhersage seiner bevorstehenden Ermordung so eingeschüchtert werden soll, daß er in den nur Priestern zugänglichen inneren Bereich des Heiligtums flieht. Auf diese Weise hätte Nehemia sich selbst diskreditiert und sein eigenes Leben durch die mit der Übertretung verbundene Strafe in Gefahr gebracht ( N u m 18,7). 123 Neben dem Propheten Schemaja sind darüber hinaus direkt oder indirekt noch die Prophetin Noadja und „der Rest der Propheten, die mir (seil. Nehemia) Angst machen wollen" ( V. 14), beteiligt. W i e ihre Verstrickung in die erwähnte Intrige zeigt, handelt es 122 So MATTHES, False Prophets, 430; MOWINCKEL, Spirit, 207; SIEGMAN, False Prophets, 14f.; HARMS, D i e falschen P r o p h e t e n , 27; TILSON, False Prophets, 82f.; TOURNAY, Zacharie X I I - X I V , 371; PREUSS, Theologie, B d . 2, 90. 123 Z u r D e u t u n g vgl. WILLIAMSON, N e h e m i a h , 2 5 7 - 2 6 0 ; ähnlich auch BLENKINSOPP, N e hemia, 270f.
Textauswahl
55
sich bei diesen Propheten keineswegs um Epigonen Jeremias, 1 2 4 die N e hemia mit einer an diesen Propheten erinnernden Unheilsverkündigung einschüchtern wollen. Auffällig ist ferner, daß der Text sowohl auf eine theologische Bewertung der Autor und Leser offensichtlichen Falschprophetie als auch auf Polemiken gegen die genannten Falschpropheten verzichtet, obwohl sich vor dem Hintergrund von Mi 3,5—8.11 eine Polemik gegen ihre Bestechlichkeit durchaus angeboten hätte. Als Hauptschuldige werden in V. 12.14 vielmehr noch vor den Propheten Tobia und Sanballat genannt. Bei Neh 6,10—14 handelt es sich somit um die Schilderung einer politischen Intrige gegen Nehemia, die im wesentlichen an deren Verursachern und nicht an den ausfuhrenden Propheten interessiert ist. Erst in zweiter Linie werden jene Propheten, die sich hierzu instrumentalisieren ließen, angegriffen und auch dann nicht wegen des Inhalts ihrer Verkündigung.
124
S o H O S S F E L D / M E Y E R , Prophet, 155f.
Kapitel 2
Innerprophetische Konflikte in der Zeit vor der dtr Jeremiaredaktion 2.1 Innerprophetische Konflikte vor Jeremia Innerprophetische Konflikte vor der Zeit Jeremias zu dokumentieren, beanspruchen die Belege Num 12,6—8;Jes 3 , 1 - 3 ; 9 , 1 3 - 1 5 ; 2 8 , 7 - 1 3 ; Hos 4,5; A m 7,14; Mi 2 , 6 - 1 1 ; 2 , 5 - 8 . 1 1 ; Zeph 3.4. 1 Davon sind Hos 4,5 2 und Num 12,6—8 (s.u., 176—179) späteren Überarbeitungen zuzuweisen. 1 Zu den ebenfalls in diesem Zusammenhang diskutierten Belegen Dtn 13,2-6; Dtn 18,9-22; lKön 13; 22,1-40 par 2Chr 18,4-27 s.o., 44-49, und u„ 163-175. 2 Bei dem n W 1 » » K'arD? („und auch der Prophet stolpert mit dir bei Nacht") handelt es sich nach der Meinung der meisten Exegeten um eine Glosse, die der sonst nur mit Priester und Volk beschäftigten Perikope Hos 4,1—19 die Propheten nach dem Vorbild späterer Standespredigten hinzufugt (vgl. u.a. M A R T I , Dodekapropheton, 40f. [V. 5—6a sind Glosse]; SELLIN, Zwölfprophetenbuch, 38.40; B U D D E , Text, 284f.; H.W. W O L F F , Heimat, 241f.; DERS., Hosea, 88.95f.; H O S S F E L D / M E Y E R , Prophet, 43; F O H R E R , Propheten, Bd. 1, 73 Anm. 38; DEISSLER, Zwölf Propheten, 24; P.D. M I L L E R , Sin, 13f.; J . J E R E M I A S , Hosea, 66; S C H N E I D E R , Krisis, 72; N A U M A N N , Hoseas Erben, 31-33; N I S S I N E N , Prophetie, 102f.; D A V I E S , Hosea, 118; M A C I N T O S H , Hosea, 137f.; S C H A R T , Entstehung, 160; ähnlich L O H FINK, Text, 328-331; R U D O L P H , Hosea, 96f., und B A L Z - C O C H O I S , Gomer, 33f., die nur das K'53 für sekundär halten; gegen W E L L H A U S E N , Propheten, 110; M A T T H E S , False Prophets, 422; N O W A C K , Propheten, 31; D A V I D S O N , Old Testament Prophecy, 285f.; H A R PER, Arnos, 253f.; M O W I N C K E L , forhold, 132-134; D U H M , Anmerkungen, 21; G R E S S M A N N , Geschichtsschreibung, 377; R O B I N S O N , Hosea bis Micha, 19; SIEGMAN, False Prophets, 5; W E I S E R , Propheten, 44f.; T I L S O N , False Prophets, 63-65; M A Y S , Hosea, 68; W I L L I - P L E I N , Vorformen, 132; ANDERSEN/FREEDMAN, Hosea, 350f.; U T Z S C H N E I D E R , Hosea, 227; V A W T E R , näbi's, 210; L U N D B O M , Contentious Priests, 57ff; S T U A R T , Hosea, 77; Y E E , Composition, 269; L I M B U R G , Hosea-Micah, 19; M C C O M I S K E Y , Hosea, 60; C O G G I N S , Prophecy, 81; B O N S , Hosea, 72; B I R C H , Arnos, 51). N A U M A N N S (Hoseas Erben, 33) vorexilische Datierung basiert auf der Annahme, daß eine Polemik gegen aktuelle Prophetie nur vorexilisch möglich war. Jedoch zeigen Texte wie Sach 10,2; 13,2-6 unwiderlegbar, daß solche Polemiken auch in nachexilischer Zeit verfaßt wurden. Wegen ihrer inhaltlichen Anklage an M i 3,5-8.11 und Zeph 3,4 möchte S C H A R T , Entstehung, 159f., die Glosse als redaktionelle Verknüpfung im Rahmen einer aus Vorformen der Bücher Hosea, Arnos, Micha und Zephania bestehenden dtr Prophetensammlung verstehen. Wer und vor welchem Hintergrund die Prophetie auf diese Weise mit den in Hos 4,1—19 kritisierten ethischen und kultischen Mißständen in Verbindung gebracht hat, läßt sich wegen des geringen Textbestands ebensowenig beantworten wie die Frage, ob es sich um eine rein exegetische Erweiterung handelt oder ob zeitgeschichtliche Hintergründe des Glossators von Bedeutung waren. Der Beleg bleibt daher im folgenden unberücksichtigt.
58
Vor der
dtrJeremiaredaktion
2.1.1 Am 7,14 U n d Arnos antwortete und sagte zu Amazja: „Ich bin kein Prophet, und ich bin kein Prophetenjünger, sondern jemand, der Rinder versorgt und Maulbeerfeigen ritzt, bin ich." (Am 7,14)
Auf ein historisches Ereignis blickt der wohl älteste Beleg einer innerprophetischen Kritik an der Prophetie, A m 7,14, zurück. 3 In der kleinen Prophetenerzählung A m 7,10—17 verbietet Amazja, ein Priester des Heiligtums von Bethel, Arnos, in Bethel zu prophezeien. Das Verbot wird mit einem Hinweis auf die Funktion Bethels im Staatskult begründet: 'S Jon roVöö rrai xin („denn es ist ein Heiligtum des Königs und ein Reichstempel" V. 13). Vielmehr solle Arnos nach Juda gehen, dort sein Brot essen und dort prophezeien (Kaan Dfl^ 0 ^ 3 X 1 V. 12). Die Verbindung von Brot-Essen und Prophezeien zeigt, daß Arnos von Amazja als Berufsprophet wahrgenommen wird. Aus dieser Konstellation leitet er seine Autorität zur Zensur der Unheilsprophetie des Arnos ab: Der vom Tempel und somit vom Staatskult ernährte Berufsprophet hat nicht gegen seinen Brotherren zu prophezeien. Dieser auch vom Verfasser der kleinen Prophetenerzählung negativ dargestellten Haltung Amazjas stellt Arnos seine eigene Berufung entgegen: ^ Hin* "I^N5! |XXn nnSÖ n v r 'jnj?'! VKntp' 'av-V^ xnan („Und J H W H hat mich hinter dem Kleinvieh fortgenommen, und J H W H sagte zu mir: «Geh, prophezeie wider mein Volk 3 Daß der Fremdbericht A m 7,10—17 von einem historischen Ereignis berichtet, belegen unabhängig von seinem redaktionellen Charakter (s. dazu u.a. WILLIAMSON, Prophet, passim, und SCHART, Entstehung, 87f.l01f.) das so nie eingetroffene Gerichtswort von V. 11 und die Person des sonst nicht belegten Bethel-Priesters Amazja. Zur Historizität von Am 7,10-17 s. NOWACK, Propheten, 158; MARTI, Dodekapropheton, 150f.207.211; GRESSMANN, Geschichtsschreibung, 332; HARPER, Amos, 168ff.; ROST, Arnos, 2 3 0 f f ; SELLIN, Zwölfprophetenbuch, 209; ROBINSON, Hosea bis Micha, 99f.; WEISER, Propheten, 190; WURTHWEIN, Amos-Studien, 19; STOEBE, Berufsbezeichnung, 160ff.; DERS., Noch einmal, 344; SCHARBERT, Die Propheten Israels bis 700 v.Chr., 94f.; H. SCHMID, Prophet, 68f.; HAM-
MERSHAIMB, A r n o s , 1 1 4 ; MAYS, A m o s , 134; H . W . WOLFF, A m o s , 3 5 5 ; RUDOLPH, A m o s , 2 5 2 ;
TUCKER, Authenticity, 431f.; HOSSFELD/MEYER, Prophet, 41f.; KOCH, Profeten I, 114-117; BACH, Erwägungen 205; DEISSLER, Zwölf Propheten, 125; PFEIFER, Ausweisung, 116-118; DERS., Theologie, 75-77; STUART, Hosea, 369; SCHNEIDER, Krisis, 28; UTZSCHNEIDER, Amazjaerzählung, 98-101; ANDERSEN/FREEDMAN, Arnos, 764.780ff; NIEHAUS, Arnos, 460; ROTTZOLL, Studien, 254—256 (außer V. 16f.); VIBERG, Irony, 94-96; gegen ACKROYD, Judgment Narrative, 7 1 f f ; VERMEYLEN, Isa'ie, 565-567; SOGGIN, Arnos, 129f. Zur Kritik an der Position von ACKROYD, bei A m 7,10-17 handele es sich um eine Legende, s. AULD, Arnos, 27—29, und die schon vor der Arbeit ACKROYDS verfaßten Ausfuhrungen bei TUCKER, Authenticity, 428-431.
VorJeremía
59
Israel!»" V. 15). Daß Gott Arnos einem nichtprophetischen Lebenszusammenhang entrissen hat, um Israel zu prophezeien, belegt die besondere Qualität seiner Verkündigung: „Ich bin kein 4 Prophet, und 5 ich bin kein Prophetenjünger, sondern jemand, der Rinder versorgt und Maulbeerfeigen ritzt, bin ich" ( B ' » ^ 0^131 '33X '338 N'Brj? «Vj '338 X'33-nV V. 14). Die Interpretation des in der Amosliteratur aufs intensivste diskutierten Verses hängt wesentlich von der Zeitstufe des Nominalsatzes ab. Da das Tempus eines Nominalsatzes durch seinen Kontext bestimmt wird, legen die Waw-Imperfekta von V. 15 das Präteritum nahe („ich war kein Prophet und kein Prophetenjünger, sondern ich war jemand, der Rinder versorgt und Maulbeerfeigen ritzt, aber J W H W hat mich hinter dem Kleinvieh fortgenommen"). Gegenübergestellt würden Arnos' Existenz vor (V. 14; kein Prophet) und nach seiner Berufung zum Propheten (V. 15ff; Prophet). 6 Mit H.W. WOLFF, Arnos, 360, muß der Anfang von Arnos' Antwort und damit die Zeitstufe der Nominalsätze jedoch notwendig von der Anrede Amazjas (V. 12f.) her verstanden werden. Ferner ist festzuhalten, daß die dreimalige nominale Aussage von V. 14 „ihr eigenes Gewicht hat und dreifach das präsente Ich des Arnos zum Subjekt hat" 4 Eine Emendation des X1? zu sV („ich bin wahrlich ein Prophet, aber kein Prophetenjünger"; so RICHARDSON, Note, 89; STUART, Hosea, 376) verkennt den durch das dreifache '33K vorgegebenen Parallelismus von V. 14 sowie, daß die Antithese des Verses zwischen Prophet bzw. Prophetenjünger und Viehhirte bzw. Maulbeerfeigenzüchter liegt (zur Kritik
vgl. H . W . WOLFF, A m o s , 3 5 3 ; RUDOLPH, A m o s , 2 5 0 ; SOGGIN, A m o s , 1 2 7 f . ; AULD, A r n o s ,
27). Der Parallelismus von V. 14 verbietet auch die Ubersetzung der ersten beiden Vershälften als rhetorische Frage („bin ich etwa kein Prophet und kein Prophetenjünger"; so DRIVER, Arnos vh. 14, 91f.; DERS., E T 68 [1956-1957] 302; ACKROYD, Arnos vii. 14, 1956-1957, 94; DERS., Judgment Narrative, 83f.) und die Interpretation des S1? als emphatische bzw. exklamatorische Negation („Nein! Ich bin ein Prophet, aber kein Prophetenjünger"; so S. COHEN, A r n o s , 1 7 8 ; Z E V I T , M i s u n d e r s t a n d i n g , 7 9 0 A n m . 2 6 ; DERS., D e n i a l , 5 0 5 - 5 0 9 ; v g l . D R I V E R ,
Affirmation, 108; zur Kritik an dieser Position s. HOFFMANN, Arnos, 210-212). Zur Kritik an den unterschiedlichen Vorschlägen vgl. H.W. WOLFF, Arnos, 353; RUDOLPH, Arnos, 250; SOGGIN, Arnos, 127f.; PAUL, Arnos, 244-246. 5 Die Deutung des 1 von xVl als waw explicativum („ich bin kein Prophet, d.h. kein P r o p h e t e n j ü n g e r " ; s o E . B A U M A N N , E i n z e l h e i t , 6 2 ; V O G T , W a w e x p l i c a t i v e , 3 0 1 f . ; DERS.,
Rez. W. Eichrodt, Theologie des Alten Testaments. 472f.; RUDOLPH, Arnos, 250.257) legt sich vom Parallelismus von V. 14 her nicht nahe. „If this were Amos's intention, he would obviously confound any audience, listening or reading" (PAUL, Amos, 245f.). 6
S o m i t ] 1 Ö I X I N S ? a j n tf SN V J O I P ' Ö N V R R N Y I
t r y V a a Tntfxan D'ynD n j n - D y n • n f s n v n » i n>jn s i n ' ' h ^ - n Y i a i
„ U n d J H W H schnitt von Israel Kopf und Schwanz ab, Sproß und Halm an einem Tag. Älteste und Würdenträger sind der Kopf, Propheten und Lehrer der Untreue sind der Schwanz. Die Führer dieses Volkes haben es irre geleitet, und seine Geführten wurden verwirrt" (Jes 9,13—15).
Die in V. 14 als Alteste, Würdenträger, Propheten und Lehrer der U n treue spezifizierten Führer des Volkes haben es verwirrt III), anstatt ihm Führung zukommen zu lassen. U m die Korruption des Volkes zu korrigieren, sah sich J H W H daher genötigt, die für diese Korruption verantwortliche Führungsschicht auszulöschen (V. 13) und mit ihr auch das verführte Volk dem Gericht zu unterwerfen (V. 16). Die angegriffenen Propheten werden somit als Teil der Führung Israels verstanden, die insgesamt zu kritisieren und dem Gericht unterworfen sind. Sie verwirren das Volk, so daß es nicht auf den durch Arnos ergangenen "IDT hören konnte. Die Oberschicht Israels kommt ihrer eigentlichen Funktion, das Volk geistig zu führen, nicht nach und übt sich gegen den Willen J H W H s in sozialem Mißverhalten (Jes 9,15). Uber die Propheten wird dabei nichts näheres gesagt. Mit IjWTniQ 6 6 („Lehrer der Untreue") dürften vielmehr priesterliche Kreise angesprochen sein, da die mit HT beschriebene Lehre zu den priesterlichen Aufgaben gehörte. 6 7 Allen Jesajaworten ist gemeinsam, daß die Kritik an den Propheten Teil einer umfassenderen Kritik an der Führung Judas oder Israels ist, sie korrumpiert durch ihr Verhalten das Volk und macht ein reinigendes Gericht notwendig. Daß die Propheten zu ihrem eigenen Vorteil das Volk nicht über seine wahre Lage aufklären, wird als Teil einer allgemeinen Korruption der Oberschicht verstanden. Diese korrumpiert wiederum Die «-Handschriften 41, 106, 233, £ M s und Cyrill belegen an dieser Stelle gegen den R e s t der Textzeugen eine Kopula [so die Punktierung von ttl L ]). Sie dürften die ursprüngliche Lesart bewahrt haben. Die Kopula wurde unter Einfluß späterer Falschprophetentexte gestrichen, um das "lj?B>"rn10 als die kritisierte Tätigkeit der Propheten erscheinen 65
z u l a s s e n ( v g l . PROCKSCH, J e s a j a , 1 0 1 . 1 0 5 ; FOHRER, J e s a j a , B d . 1 , 1 3 0 . 1 3 4 ;
KLOPFENSTEIN,
Lüge, l l l f . ; WATTS, Isaiah, 1 3 9 . 1 4 1 ; gegen DELITZSCH, Jesaja, 147; DUHM, Jesaja, 94; MARTI, Jesaja, 98; KÖNIG, Jesaja, 11; KAISER, Jesaja, Bd. 1, 210; WILDBERGER, Jesaja, Bd. 1, 2 0 3 . 2 0 6 . 2 1 9 ; STANSELL, Micah, 90). Wieso das jüngst vollendete Faszikel der H U B zu J e saja (GOSHEN-GOTTSTEIN, Isaiah, 36) anders als die B H S die Lesart nicht verzeichnet, ist angesichts ihrer Bedeutung in der exegetischen Diskussion völlig unverständlich. 66
Zur Punktation s.o., 7 8 Anm. 65.
67
S o PROCKSCH, J e s a j a , 1 0 5 ; FOHRER, 1 4 8 A n m . 8 1 ; KLOPFENSTEIN, L ü g e , 11 l f . ; z u r S a c h e
vgl. etwa WAGNER, järäh, 925f..
VorJeremía
79
das Volk selbst. Nur noch ein Läuterungsgericht kann davon befreien. Mit dieser Auffassung steht Jesaja der Verkündigung Michas sehr nahe. 2.1.4 Zeph 3,4 „Ihre (seil. Jerusalems) Propheten erheben sich (und) sind Männer der Treulosigkeit, ihre Priester entweihen Heiliges und vergewaltigen Weisung."
Nur kurze Zeit vor Jeremia setzt sich Zephanja im Rahmen eines längeren Weherufs über Jerusalem 6 8 mit den Propheten der Stadt auseinander (Zeph 3,1—5). 69 Die Stadt ist widerspenstig, unrein (ViG II) und gewalttätig (V. 1). Sie hört auf keine Stimme, nimmt keine Zucht an, vertraut nicht a u f J H W H und wendet sich nicht an ihren Gott (V. 2). V. 3f. zeigen auf, wer für diese Zustand verantwortlich ist: Fürsten und Richter sind wie Löwen und Wölfe. Mit den Vergleichen wird die raubtiergleiche Gier der politischen Führungsschicht beschrieben, die ihre Macht zu persönlicher Bereicherung nutzt. 7 0 Daß in diesem Kontext nach der Art einer Stän-
68 Zwar nimmt SEYBOLD, Zephanja, 110 (vgl. DERS., Satirische Prophetie, 55 Anm. 1) mit ,ich habe ihnen nicht geboten") von der dtrjer, während der Rest des Verses dem Kompilator der Sammlung zugewiesen wird (137f.). CLEMENTS (Jeremiah, 141f.) betrachtet V. 16—22 als einheitlich und möchte in V. 23—32 zwei jeremianische Spruchfragmente finden, die erst von späteren Redaktoren zum jetzigen zusammengefaßt und erweitert wurden. Seit den Arbeiten von N I C H O L S O N und T H I E L bekam die dtrjer in der literarkritischen Diskussion zu V. 16ff. eine große Bedeutung: 1 9 5 Für T H I E L selbst (Jeremia 1—25, 249f.) haben V. *9ff. der dtrjer schon als Sammlung vorgelegen und sind nur leicht überarbeitet worden.' 9 6 In V. 17 weisen die Wendung iaV m-nwa („Verstockheit ihres Herzens") sowie die Aufnahme von 4,10 und 5,12 auf die Arbeit der dtrjer hin: „D deutet das von Jeremia in 4 10 zitierte Jahwewort als Botschaft der Heilspropheten und die hybride Rede des Volkes in 5 12b als Reflex eines Wortes dieser 194 In einer späteren Arbeit betrachtet MEYER auch V. 19f. auf G r u n d des j e r e m i a n i schen Hapaxlegomenons ru'? („Einsicht") u n d der sonst n u r in späten Passagen (Jer 48,47; 49,39) belegten W e n d u n g e n Q'ö'ri n ' i n s a („am E n d e der Tage") als sekundär. Die Dublette Jer 30,23f. hinge dann w i e d e r u m von dieser E r w e i t e r u n g ab (Jeremia, 128). 195 Z u einer dtr R e d a k t i o n von V. 16ff. vgl. auch die Hinweise bei MARBÖCK, W o r t , 45, der j e d o c h den U m f a n g der von i h m a n g e n o m m e n e n dtr Ü b e r a r b e i t u n g nicht qualifiziert. 196
Vgl. HAUSMANN, P r o p h e t , 1 6 8 .
Exkurs 2:Jer
23,16Jf.
117
Propheten." 1 9 7 Ferner stammt von der dtrjer wegen ihrer dtr Sprache, sekundärer Verknüpfungen und Bezügen zu anderen dtrJer-Stellen sowie wegen den im Unterschied zu den in V. 30f. verwendeten finiten Verbformen auch die Zusammenfassung der Anklage gegen die Propheten in V. 32 (a.a.O., 252f.). Das C15V D'X^Jn („die für euch prophezeien" V. 16) kann dagegen nicht sicher der dtrjer zugewiesen werden — es könnte auch von einer späteren Hand stammen (a.a.O., 250). Nicht von der dtrjer stammende Zusätze finden sich ferner in V. 18—20 (s.o., Anm. 184 und Anm. 185). In THIELS Auffassung, daß die dtrjer Jer 23,*16ff. nur wenig bearbeitet hat, folgen ihm MÜNDERLEIN, SCHNEIDER und W E R N E R : M Ü N DERLEIN möchte der dtrjer mit THIEL V. 17 (Kriterien, 99f.), die durch ihre dtr Sprache gekennzeichnete erläuternde Glosse V. 22b (Kriterien, 91f.) und das D'nnVltf'xV („ich habe sie nicht gesandt") in V. 32 zuweisen (83f.). V. 18 ist für ihn dagegen eine Randglosse zu V. 22 in Form einer weisheitlichen Sentenz (63f.; vgl. Anm. 185). SCHNEIDER (Krisis, 4 2 - 4 5 ) sieht die dtrjer nur in V. 1 7 . 3 2 a m W e r k , scheidet aber darüber hinaus noch V. 18 (Dublette zu V. 22a) und V. 19f. (isolierter Spruch, der den Textfortgang unterbricht) als sekundär aus. WERNER will in der ganzen Sammlung V. *9—32 nur wenige dtr Spuren finden (Jeremia, 201). In V. 16—24 will er „eine relativ späte Bildung" aus nachexilischer Zeit erkennen, „die unterschiedliche Materialien aus dem Jeremiabuch und aus anderen Schriften zu einer eindrucksvollen Komposition zusammengestellt hat" (204). V. 18 versteht er als einen aus V. 22 entwickelten Einschub in diese Komposition (204; vgl. Anm. 185). Die dtr Gedanken und Formulierungen in V. 16f. erklären sich für WERNER durch die Aufnahme älterer Texte in diese Komposition (Jeremia, 204). Die in V. 25—32 thematisierte Unvereinbarkeit von Prophetenträumen und J H W H - W o r t weist nach WERNER auch diesen Abschnitt als nachexilische Erweiterung aus (Jeremia, 205). Trotz der Annahme intensiver Überarbeitungen weisen auch ITTMANN und M C K A N E der dtrjer eine unbedeutende Rolle in der Redaktionsgeschichte von V. 9—32 zu: Nach ITTMANN (Konfessionen, 112) sind V. 17—19.22bßY-23f. sekundär in den Text eingefügt worden. V. 18 ist für ihn späte Dublette zu V. 22, während V. 19f. ein isoliert überliefertes Wort darstellen und V. 23f. eine eigenständig tradierte J H W H - D e f i n i t i o n geben. Lediglich für V. 22bß"f macht er dtr Terminologie geltend. Für 1 9 7 THIEL, Jeremia 1 - 2 3 , 250f.; vgl. HOSSFELD/MEYER, Prophet, 77f.; MEYER, Jeremia, 127f.; MÜNDERLEIN, Kriterien, 99f.; CARROLL, Chaos, 168; DERS., Commentary, 459; ITTMANN, Konfessionen, 112; POHLMANN, Ferne, 73; SCHNEIDER, Krisis, 43; HERMISSON, Kriterien, 126f. (nurV. 17b.); WANKE, Jeremia, 212f.214.
118
Vor der dir jeremiaredaktion
lag die Sammlung über die Propheten der dtrjer bereits vor. Sie hat sie ohne Textveränderungen ü b e r n o m m e n (Commentary, 568). V. 18 betrachtet er als eine „secondary prose insertion" (578), „generated by a wrong exegesis of v. 22" (582; vgl. o., 113 Anm. 185). V. 23f. unterbrechen nach M C K A N E den Zusammenhang von V. 16—22 und V. 25—32 (letztere erklären erstere), daher will er sie als eine „subsequent insertion" verstehen (Commentary, 587). 1 9 8 Der sich anschließende Abschnitt V. 25—32 ist zwar nach M C K A N E nicht von Jeremia selbst verfaßt, steht aber dessen Auffassungen noch sehr nahe (Commentary, 588—597, bes. 596£). MCKANE
Dagegen versteht N I C H O L S O N V. 23—32 als eine umfangreiche dtr Erweiterung von V. 16fF. (Jeremiah, Bd. 1, 192.199f.; vgl. Preaching, 102£), während V. 19f. zwar sekundär, aber nicht dtr Ursprungs sind (Jeremiah, Bd. 1,197; vgl. DERS., Preaching, 102£). In seiner Annahme einer umfangreicheren dtr Redaktion der Sammlung V. 9—32 fand N I C H O L S O N in C A R 199 ROLL, SEYBOLD, H E R M I S S O N und W A N K E Nachfolger: In seiner M o n o graphie „From Chaos to Covenant" sind fur CARROLL V. 17.19f.21.23—32 dtr Ursprungs (Chaos, 168—179). In seinem Jeremiakommentar revidiert er diese Position allerdings: Die dtr Überarbeitung der nachexilischen Sammlungjer 23,9ff. sei minimal (Commentary, 450): Bei V. 16f. handele es sich u m „a Deuteronomistically shaped Statement" (a.a.O., 459). V. 18 sei „a wisdom saying which the redaction has added to the unit, possibly under the influence of v. 22" (459). V. 23f. seien von der dtrjer aus „three oracular fragments" (464; zur Sache s. 464—468) zusammengesetzt, 200 und in V. 28—32 sei „the rhetorical phrase «says Yahweh»" redaktionell (470). Für eine umfangreiche dtr Bearbeitung optiert SEYBOLD (Jeremia, lOOf.): „Abzuziehen sind alle moralischen und pauschalen Verurteilungen, welche die Texte überdecken. Sie sind später entstanden und entstammen dtr Interessen." Genauere Angaben über den ursprünglichen Text macht SEYBOLD nur für V. 25—32, wo er V. 25aa.b28.29 für primär hält (a.a.O., 101). Für einen intensiven vordtr, dtr und nachdtr Redaktionsprozeß plädieren schließlich H E R M I S S O N und W A N K E : H E R M I S S O N möchte auf die dtrjer die Botenformel in V. 16, das "ibK in V. 17 (in der figura etymologica mit „immer wieder" übersetzt), V. 17b, V. 18b und V. 21f. zurückfuhren (Kriterien, 126—128). Auf diese Weise gestaltet die dtrjer eine ursprüngliche Prophetenrede in eine J H W H - R e d e u m (a.a.O., 127). Einer 198 199 200
Z u m sekundären Charakter von V. 23f. vgl. auch CARROLL, C o m m e n t a r y , 4 6 4 - 4 6 8 . Z u m dtr Charakter von V. 2 5 - 2 8 vgl. auch PERSON, Second Zechariah, 188. Z u m sekundären Charakter von V. 23f. vgl. MCKANE, C o m m e n t a r y , 587.
Exkurs 2:Jer
23,16ff.
119
späteren Redaktion ist dann die eschatologische Erweiterung V. 20b zuzurechnen (a.a.O., 126.130). Bei DD1? D'ioan („die für euch prophezeien", V. 16) und n a n ( „ Z o r n " , V. 19) handelt es sich für HERMISSON dagegen um Glossen (a.a.O., 126f.). Anders als HERMISSON meint W A N K E die j e remianische Urfassung und deren Bearbeitungen nicht mehr sicher von einander unterscheiden zu können (Jeremia, 2 0 8 . 2 1 2 ) . In V. 16—22 hält er für V. 16a.b(?).21—22a einenjeremianischen Ursprung für möglich (a.a.O., 212). D e r dtrjer wären dann V. 17.22bß.-)" zuzuweisen (a.a.O., 212f.214), während V. 18—20 von einer nachexilischen Bearbeitung stammen (V. 19f. sind aus J e r 30,23f. übernommen und werden durch V. 18 mit dem K o n text zu einem Mahnwort verknüpft, Jeremia, 213f.). V. 23f. stammen nach W A N K E ebenfalls von nicht näher qualifizierten Redaktoren (a.a.O., 215), wobei die dreifache Gottesspruchformel (rnrP"DX3) auf eine Überarbeitung hindeuten könnte (ebd.). Von einer nicht genauer zu benennenden „exilisch-nachexilischen Nacharbeit am Jeremiabuch" stammen auch die V. 25—32 (a.a.O., 216). Da V. 28f. im Unterschied zum Rest dieses A b schnittes die Träume grundsätzlich ablehnen, stammen sie nach W A N K E von einer noch späteren interpretierenden Bearbeitung (ebd.). D e r Überblick über die Forschungsgeschichte hat gezeigt, daß die Auslegung im Hinblick auf V. 16—32 noch weit von einem literarkritischen Konsens entfernt ist. Nahezu jeder Vers des Abschnitts unterlag schon dem Verdacht, einer späteren Überarbeitung anzugehören. Insbesondere die Ausscheidung einzelner Verse und längerer Textstücke auf Grund inhaltlicher Einschätzung hängt dabei von der jeweiligen Jeremiainterpretation der einzelnen Exegeten und ihren Auffassungen zur Geschichte der israelitisch-jüdischen Theologie ab. Im folgenden wird die literarkritische Analyse von V. 16ff. daher hauptsächlich an sprachlichen und formalen Merkmalen durchgeführt. Dabei fällt auf, daß sich V. 25—28a.32 durch ihren Prosastil 201 deutlich vom poetisch formulierten Kontext abheben. Zusätzlich weisen die Verse sprachliche Eigenarten auf, die sie von ihrem Kontext unterscheiden: D^n Neben V. 25 kommt das Verb nur noch in dem der dtrjer zuzurechnenden Belegjer 29,8 vor (dort im Hifil). 202 DlVq Neben V. 27.28.32 ist das Nomen nur noch in Jer 27,9; 29,8 belegt. Beide Belege sind der dtrjer zuzurechnen.203 2 0 1 Gegen HOLLADAY, Recovery, 4 2 4 - 4 2 8 , dessen stichische Einteilung von V. 2 5 - 2 8 . 3 2 nur auf Grund überlanger Kola und vager Parallelismen möglich ist. 202 203
Zu J e r 2 9 , 8 als Teil der dtrjer s.u., 2 4 7 . Zu J e r 27,9; 2 9 , 8 als Teil der dtrjer s.u., 2 3 3 - 2 3 4 . 2 4 7 .
120
Vor der
dtrJeremiaredaktion
"Ipttf S33 N e b e n V. 25f. (vgl. Jer 23,32) ist die Wendung nur noch in den der dtrjer zuzurechnenden Belegen Jer 14,14; 27,10.14.16; 29,21 bezeugt. 204 rrnns Eine Form der Wurzel Tns findet sich im Jeremiabuch nur in V. 32. tPITHS Hb Die W e n d u n g '¡VIS xV bzw. D'n'lX N*7 ist neben V. 32 nur in den der dtrjer zuzurechnenden Versen Jer 7,31; 14,14; 19,5; 32,35 2 0 5 belegt. 206 ISO Verbale Formen der Wurzel nso sind neben V. 27.28a.32 nur noch Jer 33,22; 51,10 bezeugt. Jer 33,22 ist Teil einer umfangreicheren Ergänzung des Jeremia-Textes in der protomasoretischen Texttradition. 2 0 7 Jer 51,10 ist Teil des Wortes gegen Babel Jer 50f., das nach den meisten Kommentatoren eine spätere Ergänzung der Fremdvölkersprüche, Jer 46—51, darstellt. 208 1 Da ? n p i n Die W e n d u n g findet sich neben V. 26 nur in dem ebenfalls der dtrjer zuzurechnenden B e l e g j e r 14,14 (dort als Qere). 2 0 9 Nichtdtr Teile des Jeremiabuches verwenden dagegen einfaches n p i n (s. Jer 8,5).
Neben den sprachlichen Eigentümlichkeiten von V. 25—28a. 32 fallen auch bewußte, manchmal im Wortlaut leicht abweichende sekundäre Verknüpfungen auf: Das D3V nairi („der Falschheit ihres Herzens") aus V. 26 dürfte sich auf das D31? fiTn in V. 16 beziehen, während die Wendung invi.1? Itf'X („ein jeder seinem Nächsten") aus V. 27 auf das in??! („ein jeder von seinem Nächsten") in V. 30 verweist. V. 32 nimmt mit 'SSTlX w n ' l („und sie haben mein Volk in die Irre geführt") das 'BJrnx W1V1 („und sie führten mein Volk Israel irre") aus V. 13 auf und bezieht sich mit D'JVI? sVl D'rm'^X 1 ? 'pjxi („ich habe sie nicht gesandt und ihnen nicht geboten") auf das D'iGänTlN 'JinV^'xV („ich habe die Propheten nicht gesandt") aus V. 21. Literarkritisch nicht unerheblich dürfte es schließlich sein, daß V. 28b— 29 mit ihren rhetorischen Fragen stilistisch und inhaltlich glatt an die rhetorischen Fragen aus V. 23f. anschließen. Bei V. 25—28a.32 dürfte es 204
Z u Jer 14,14; 27,10.14.16; 29,21 als Teil der dtrjer s. 194-196.233-234.251. Z u Jer 14,14 als Teil der dtrjer s.u., 194-196; zum dtr Charakter von Jer 7,31; 19,5; 32,35 s. THIEL, Jeremia 1 - 2 5 , 128-130.219-224; DERS., Jeremia 2 6 - 4 5 , 3 4 - 3 6 . 206 Das parallele O'nnVttf iiV wird zwar von der dtrjer verwendet (Jer 14,14f.; 27,15; 29,9.31), findet sich jedoch auch in nichtdtr Jeremiatexten (Jer 23,21; 28,15; 43,2). Die dtrjer dürfte es von Jeremia selbst ü b e r n o m m e n haben (vgl. MÜNDERLEIN, Kriterien, 83f.). 207 Z u m sekundären Charakter von Jer 3 3 , 1 4 - 2 6 vgl. u.a. DUHM, Jeremia, 274; CORNILL, 205
J e r e m i a , 3 5 8 ; VOLZ, J e r e m i a , 3 1 1 ; R U D O L P H , J e r e m i a , 2 1 7 ; WEISER, J e r e m i a ,
306;JANZEN,
Studies, 122f.; CARROLL, Commentary, 637; HOLLADAY, Jeremiah 2, 228-231; STIPP, Sondergut, 93f. 208
S. u . a . D U H M , J e r e m i a , 3 6 0 ; CORNILL, J e r e m i a , 4 9 1 £ ; RUDOLPH, J e r e m i a ,
297-299;
WEISER, Jeremia, 426f.; vgl. CARROLL, Commentary, 814-817; ein ausfuhrlicher Uberblick über die Diskussion findet sich bei KEOWN/SCALISE/SMOTHERS, Jeremiah, 357-361. 209 Z u Jer 14,14 als Teil der dtrjer s.u., 194-196.
Exkurs 2:Jer
23,16ff.
121
sich somit um eine spätere Überarbeitung handeln. 2 1 0 Das dtr Vokabular (s.o., 119f.) belegt ihre Zugehörigkeit zur dtrjer. Sprachlich relevant ist auch das iaV aus V. 17. Es kommt sonst nur in den dtr oder postdtr Belegen Jer 3,17; 7,24; 9,13; 11,8; 13,10; 16,12; 18,12 vor und hat seine Grundstelle in Dtn 29,18. 2 1 1 Wegen der Parallelen zum Zitat der gegnerischen Verkündigung in Jer 4,10 (D3V rrrp DiVw „Frieden werdet ihr haben") und5,12 (nsnW'V» Xl3rriiV| „und nichts Schlechtes wird über euch kommen") den ganzen Vers als dtr auszuscheiden, 212 erscheint mir nicht zwingend. Ein Referat der gegnerischen Verkündigung macht an dieser Stelle des Textes guten Sinn. Die sprachlichen Analogien dürften sich aus einer Abhängigkeit der der dtrjer zuzurechnenden Belege Jer 4,10; 5,12 2 1 3 von J e r 23,17 erklären. Mit größerer Wahrscheinlichkeit ist daher nicht der ganze V. 17, sondern nur V. 17bot (m"n$3 iVn VDVI n o x iaV „und zu jedem, der in der Verstocktheit seines Herzens wandelt, sagen sie") 2 1 4 als dtr Redaktion auszuscheiden. Noch später als V. 17boc25—28a.32 sind V. 19f. Ihre konkreten Gerichtsaussagen und ihre eschatologische Ausrichtung stehen im Widerspruch zu dem wesentlich weniger konkret gestalteten uneschatologischen Gerichtswort in V. 30f. Bei V. 19f. handelt es sich um eine nachexilische Überarbeitung, 2 1 5 die als nahezu wörtliches Zitat aus Jer 30,23f. übernommen wurde. Aus später Zeit stammt auch der Schluß des Kapitels, V. 33—40, in dem ein altes Jeremiawort aufgenommen und schriftgelehrt interpretiert wurde (zur Sache s.u., 278ff.).
2 1 0 Eine Zusammengehörigkeit von V. 2 5 - 2 8 . 3 2 nimmt auch KLOPFENSTEIN, Lüge, 386f. Anm. 430, an, jedoch sind die Verse s.E. jeremianisch. 2 ] 1 Zur Sache vgl. THIEL, Jeremia, 250; HOSSFELD/MEYER, Prophet, 77f.; MEYER, Jeremia,
1 2 7 A n m . 3 ; MÜNDERLEIN, K r i t e r i e n , 9 9 £ ; CARROLL, C h a o s , 1 6 8 ; DERS., C o m m e n t a r y , 4 5 9 ;
HERMISSON, Kriterien, 127.129; WANKE, Jeremia, 214; gegen MCKANE, Commentary, 580; D.R.JONES,Jeremiah,
309.
S. dazu die in Anm. 197 genannte Literatur. 2 1 3 Zum dtr Charakter der Belege s.u., 187.191. Gegen D.R.JONES, Jeremiah, 309. 2 1 4 Zur Textkritik s.u., 215 Anm. 96. 2 1 5 Zur Sache s. Anm. 184. Gegen H. SCHMIDT, Propheten, 252; MOWINCKEL, Jeremia, 21 Anm. 1; HYATT/HOPPER, Jeremiah, 993; BRIGHT, Jeremiah, 152.280; WEISER, Jeremia, 212
2 0 6 ; K R A U S , P r o p h e t i e , 4 5 ; S . HERRMANN, H e i l s e r w a r t u n g e n , 2 1 9 ; B Ö H M E R ,
Heimkehr,
65f.; THOMPSON, Jeremiah, 498; HOLLADAY, Jeremiah 2, 152.179; MCKANE, Commentary, 582f.587; CLEMENTS, Jeremiah, 141; G. FISCHER, Trostbüchlein, 171 F.; KOENEN, Heil, 77; HERMISSON, Kriterien, 130, und K. SCHMID, Buchgestalten, 181f. Anm. 630.205, die von einem Zitat von Jer 23,19f. i n j e r 30,23f. ausgehen. Da Jer 23,19f. schon Teil der hebräischen Vorlage von © waren, dürften die Verse spätestens im 4. Jh. v.Chr. eingefugt worden sein.
122
Vor der dtr Jeremiaredaktion
An dieser Stelle ist noch auf den häufig als sekundär ausgeschiedenen V. 18 einzugehen. 2 1 6 Die Aussagen von V. 18 und V. 22 widersprechen sich m.E. nicht. Die rhetorische Frage von V. 22 will nicht sagen, daß es möglich ist, im R a t Gottes zu stehen. Beide Verse haben vielmehr das Ziel, den angegriffenen Propheten eine solche Partizipation am R a t Gottes abzustreiten. V. 18 dürfte daher ursprünglich sein. 2 1 7 Von dem ursprünglichen Wort Jeremias sind somit noch V. 16.17a.bß. 1 8 . 2 1 - 2 4 . 2 8 b - 3 1 erhalten.
• *
*
Die rhetorische Frage von V. 18 iirrrriK x t i m/P Ti03 1QJ?'»'3 yatt^l „Wahrlich, wer hat im R a t Gottes gestanden und sein Wort gesehen, 2 1 8 wer hat aufgemerkt 219 und gehört 2 2 0 ?") und der Vorwurfvon V. 22 (arröVs» ?hm inn D3*n» mau^i 'asrng na*] watfri n l o a ¡nay-Dxi „und wenn sie in meinem R a t gestanden hätten, dann würden sie meine Worte bei meinem Volk verkünden 221 und sie dann abbringen von ihrem bösen Wandel und von der Bosheit 2 2 2 ihrer Taten") deuten daraufhin, daß sich 216
S. dazu o., A n m . 185.
217
Vgl. WEISER, J e r e m i a , 2 0 6 ; KRAUS, P r o p h e t i e , 4 2 - 4 4 ; BRICHT, J e r e m i a h , 1 5 2 ; SCHREI-
NER, G o t t e s W o r t , 6 9 ; HOLLADAY, J e r e m i a h 1 , 6 3 5 ; CLEMENTS, J e r e m i a h , 1 4 1 ; D . R . J O N E S ,
J e r e m i a h , 3 0 9 f . ; NEEF, T h r o n r a t , 4 2 . 218
D e r 9 zugrundeliegende hehr. T e x t (OTKT1 „und ihn gesehen") ist eine nachträgliche
Verbesserung des schwer verständlichen H a i TIS KT'! („und sein W o r t gesehen"; zur Sache vgl. M C K A N E , C o m m e n t a r y , 5 8 1 ; g e g e n VOLZ, S t u d i e n , 1 9 4 ; DERS., J e r e m i a , 2 3 8 ;
NÖTSCHER,
Jeremias, 180; RUDOLPH, J e r e m i a , 152; SCHREINER, J e r e m i a , 140). Das in ITT aufXTH folgende SnE''! fehlt in (5*. Es dürfte sich u m eine spätere Verbesserung handeln, die d e m Sehen von J H W H s W o r t das einem kognitiven Prozeß eher entsprechende Verb
hinzufügt
( v g l . D U H M , J e r e m i a , 1 8 7 ; C O R N I L L , J e r e m i a , 2 6 9 ; HOLLADAY, J e r e m i a h 1 , 6 3 3 ; M C K A N E ,
C o m m e n t a r y , 5 8 1 ; WANKE, Jeremia, 2 1 2 ) . 219
bzw. i l S T (so das Q e r e und viele masoretische Handschriften) fehlt in (5*. i i a T
wurde von e i n e m späteren Abschreiber in Angleichung an das zu diesem Zeitpunkt wohl schon in der erweiterten F o r m vorliegende i l ^ T OK SiQll'^l XT1 eingefügt und später zu 'IDT verlesen (vgl. DUHM, Jeremia, 187; CORNILL, J e r e m i a , 2 6 9 ; HOSSFELD/MEYER, Prophet, 175 A n m . 1 0 2 ; M E Y E R , J e r e m i a , 1 2 3 A n m . 7 ; HOLLADAY, J e r e m i a h 1 , 6 3 3 ) . 220
Hier ein H i f i l VN^N zu lesen, wie GIESEBRECHT, Jeremia, 2. Aufl., 131; NÖTSCHER,
Jeremias, 180; SCHREINER, J e r e m i a , 1 4 0 , und der Apparat der B H S vorschlagen, ist unnötig, wenn 'h3:T als spätere Erweiterung erkannt wird. 221
©B
A
Das xat el rixouaav xtov Xö^tov ¡xou („und wenn sie meine W o r t e gehört hätten") von dürfte a u f einen Abschreibfehler in der griechischen Texttradition zurückgehen. Aus
etaf|Xouaav (so < B S 1 0 6 ) wurde et f|Xouaav (vgl. DUHM, Jeremia, 189; RUDOLPH, J e r e m i a , 152; HOLLADAY, J e r e m i a h 1 , 6 3 6 ) . 222
Das Fehlen von JHH DSTIi? in
ist auf Haplographie zurückzufuhren (JANZEN, Studies,
117; gegen CORNILL, Jeremia, 2 6 9 ; HOSSFELD/MEYER, Prophet, 175 A n m . 5; MEYER,Jeremia, 1 2 4 A n m . 3).
Exkurs 2:Jer 23, i 6 f f .
123
V. 16.17a.bß.18.21—24.28b—31 ursprünglich gegen eine konkrete Gruppe von Propheten gewandt hat, die beanspruchten, am himmlischen Thronrat J H W H s teilzunehmen. 223 Was in V. 23,16-18.21-24.28b-31 kritisiert wird, ist weder die mangelnde Sittlichkeit dieser Propheten 224 noch ihr Anspruch, an der himmlischen Welt zu partizipieren, 225 noch ihre besondere Art der Eingebung, 2 2 6 sondern, wie V. 17 deutlich macht, ihre Heilsverkündigung. 227 Sie ist lediglich „die Vision ihres Herzens" ( j i T n •s"? V. 16) und wurde nicht, wie die Propheten nach V. 18.22 behaupten, im Thronrat Gottes erfahren. 228 In V. 21 schließt sich eine Delegitimierungsaussage an: 1K3? o n i D i r V s ' n - a - p s 1 ? IST o n i D ' x a ä n - n x 'nnVtf-kV
„Ich habe die Propheten nicht gesandt, aber sie laufen; ich habe nicht zu ihnen geredet, aber sie prophezeien."
nVw umschreibt sonst gerne die Sendung eines Propheten oder prophetischer Gestalten durchJHWH (Ex 3,14f.; 4,13.28; 5,22; 7,16; N u m 16,28f.; Dtn 34,11; Jos 24,5; R i 6,8; l S a m 12,8; 15,1; 16,1; 2Sam 12,1; 24,13; 2Kön 2,2.4.6;Jes 6,8; 42,19; 48,16; 6 1 , l ; J e r 1,7; 7,25; 19,14; 23,38; 25,4. 15.17; 26,5; 28,9; 29,19; 35,15; 42,5.21; 43,lf.; 44,4; Ez 2,3f.; 3,6; Mi 6,4; Hag 1,12; Sach 2,12f.l5; 4,9; 6,15; Mal 3,1.23; Ps 105,26; 2Chr 24,19; 25,15; 36,15). 2 2 9 Diesen weitverbreiteten Gebrauch des Verbums kehrt Jer 23,21 um (vgl. Jer 14,14f.; 23,32; 27,15; 28,15; 29,9.31; Ez 13,6; Neh 6,12), um den prophetischen Anspruch der kritisierten Propheten 223 G e g e n CAEROLL, C o m m e n t a r y , 462f. (vgl. MCKANE, C o m m e n t a r y , 581f.), der das M o t i v v o m Thronrat Gottes hier nur als ein literarisches Mittel verstehen möchte. D a ß es, wie SEYBOLD, J e r e m i a , 102 (vgl. NEEF, Thronrat, 42), annimmt, J e r e m i a ist, der a m Thronrat Gottes teilhat und sich so gegenüber den angegriffenen Propheten als der eigentlich wahre Prophet erweist, wird im T e x t nirgends gesagt. D i e polemische Zielsetzung der rhetorischen Fragen u n d die jeweils zu erwartende Antwort „ N e i n , sie haben keinen Teil a m Thronrat G o t t e s " weisen dagegen deutlich a u f einen Anspruch der G e g n e r Jeremias hin. Z u r Vorstellung eines solchen himmlischen Thronrats und prophetischer Teilnahme an ihm vgl. z.B. l K ö n 2 2 , 1 9 - 2 2 ; J e s 6; Sach 3 , l f f . ; Ps 82,1; 89,6f.; H i o b lf.; 15,8. Eine vergleichbare p r o phetische Vision findet sich in der Bileaminschrift von Tel D e i r Alla ( D A T I 5 f ). Z u m M o t i v s. FLEMING, C o u n c i l , 5ff.63ff., und NEEF, Thronrat, 1 3 f f ; zur Teilnahme von Propheten an einer geheimen Versammlung als politischer Körperschaft s. MALAMAT, Secret C o u n c i l , 231-235. 2 2 4
S o VOLZ, J e r e m i a , 2 3 9 .
2 2 5
So DUHM, Jeremia,
2 2 6
S o K O C H , P r o f e t e n II, 6 5 .
189.
2 2 7
Vgl. RUDOLPH, J e r e m i a , 1 5 1 ; WEISER, J e r e m i a , 2 0 5 .
228 VG] MÜNDERLEIN, Kriterien, 7 2 ; CHA, Micha, 85f. 2 2 9
Z u r S a c h e v g l . RICHTER, B e r u f u n g s b e r i c h t e , 1 5 6 - 1 5 8 ; DELCOR/JENNI,S7/I, 9 1 4 ; M E Y E R ,
J e r e m i a , 55f.
124
Vor der dtr Jeremiaredaktion
als falsch zu enthüllen: Gott hat sie weder gesandt, noch hat er zu ihnen gesprochen. V. 22 führt dies weiter aus: Wenn die angegriffenen Heilspropheten wirklich im Thronrat J H W H s gestanden hätten, würden sie seinem Volk sein Wort verkündigen 230 und es so zur Umkehr von seinem widergöttlichen Verhalten bewegen. 2 3 1 In V. 23f.28b—29 folgt eine Kette rhetorischer Fragen. Zwei jeweils das Ganze des Seins umgreifende Merismen betonen die Universalität Gottes. Er ist sowohl „ein Gott aus der Nähe" 'ü'Vx) als auch „ein Gott aus der Ferne" (¡?rno 'ilVs V. 23): V. 23 ist sowohl textkritisch als auch sprachlich schwierig. Anders als in ).22f. Redaktion sind, die in V. 4.19b glossiert wurde. H O S S F E L D / M E Y E R (Prophet, 127-139) möchten den ursprünglichen Text in V. 2f.7a.8aa.9a. 10.18a.20.21a lokalisieren, dieser sei durch V. 5.8aß.b.9b.l3.14M7.18b.l9a.21b.22f. redaktionell überarbeitet und mit V. 4.6.1 If.l4*.15f.l9b.20*.22* glossiert worden. GARS C H A scheidet V. 15f. als störende Erweiterung der Symmetrie von Ez 13 aus und streicht V. l l - 1 2 a als Wiederholung zu V. 13f. (Studien, 263). V. 4 - 6 weisen sich wegen des Wechsels von 2. u n d 3. Person als sekundär aus. Dabei erläutert V. 6 V. 7a in Anlehnung an Jer 14,14; 23,21. V. 5 fuhrt über V. 3.7.9 hinaus und V. 4 n i m m t wiederum auf V. 5 Bezug. Es handelt sich daher um drei aufeinanderfolgende Ergänzungen (a.a.O., 264). Der ursprüngliche Bestand von Ez 13 ist in V. 1-3.7a.8—9 und V. 17—21 zu finden. Sie stammen seiner Meinung nach von einem zwischen 400 u n d 350 zu datierenden deuteroezechielischen Bearbeiter (a.a.O., 263—265.310f.). Die verbleibenden Verse entstammen redaktionellen Bearbeitungen: „Der Abschnitt 13,22—23 dürfte bei der Ergänzung von Kp 14 angefugt worden sein" (a.a.O., 265) und ist somit nach G A R S C H A einer u m 300 zu datierenden sakralrechtlichen Schicht zuzuweisen (a.a.O., 311). Auch das zweite Erweiswort in V. 10.12b.13f. macht thematisch den Eindruck eines Nachtrags, kann aber keiner Bearbeitung mehr zugewiesen werden (a.a.O., 265.308). M Ü N D E R L E I N hält nur V. 17 für eine redaktionelle Klammer zwischen der Prophetenpolemik und dem Wort gegen die Zauberinnen (Kriterien, 31). V. 6 wird dagegen als eine „von Jeremia abhängige Erweiterung des G r u n d textes" (a.a.O., 83) aus dem Bereich der dtr Tradition verstanden (a.a.O., 122). Wegen seines V. lObff. erläuternden Charakters ist V. 10a als diesen Versen nachträglich vorangestelltes Motto zu verstehen, u n d der von V. 10a abhängige V. 16 ist damit ebenfalls sekundär (a.a.O., 116f.). Nachträgliche Erweiterungen finden sich nach M Ü N D E R L E I N ferner in V. 19b (a.a.O., 29) u n d V. 22f. (a.a.O., 93). 249 F U H S lehnt sich in seiner Position an Z I M M E R L I an und beurteilt wie er V. 4.6.11f.l5f. als Bearbeitungen aus unterschiedlicher Hand (Ezechiel, 71f.). Anders als dieser spricht er jedoch den seiner M e i 249
O b w o h l MÜNDERLEIN erkennt, daß V. 22f. die v o r h e r g e h e n d e n Verse „wie V. 1 9 . . . im Sinne der geläufigen P r o p h e t e n p o l e m i k " deuten (Kriterien, 93), d e n k t er nicht ü b e r eine kompositorische F u n k t i o n der Verse nach.
136
Vor der
dtrJeremiaredaktion
n u n g nach „ u m der Symmetrie der Sprucheinheit 1 3 1 - 2 3 willen" gebildeten V. 22f. eine Ez 18 vorbereitende u n d zu Ez 14 überleitende, redaktionelle Funktion zu (a.a.O., 73). S C H N E I D E R (Krisis, 60f.63) der sich auf die Analyse von V. 1—16 beschränkt, findet den noch vor 587 v.Chr. zu datierenden ezechielischen Grundbestand in V. l-3.5.7a.8f.l0.13.14a.bß. A L L E N (Ezekiel 1 - 1 9 , 196f.) möchte in V. 2 - 9 u n d V. 10—15 zwei unabhängige W o r t e sehen, die durch V. 16 zusammengebunden werden. V. 4 hält er für einen , jubilant redactional c o m m e n t " (a.a.O., 201), während V. 22f. an V. 17—21 angehängt worden seien, „to provide literary symmetry". 2 5 0 P O H L M A N N (Hesekiel, 186-194) schließlich versteht V. *1-3.6.*10—12.17—21 als ezechielische Grundschicht, die von einer von ihm postulierten golaorientierten R e d a k t i on u m V. 4f.7—9.13—16.22f. erweitert w o r d e n sei. 3) Gegenüber solchen n u r auf Glossierungen u n d Redaktionen zurückgreifenden Erklärungsmodellen will man in Ez 13 auch mehrere ursprünglich selbständige Prophetenworte ineinandergearbeitet sehen. H E I N I S C H (Ezechiel, 7 0 - 7 3 ) denkt an vier Orakel: In V. 1 - 1 6 w u r d e n V. 3 . 1 0 - 1 5 u n d V. 4 - 9 u n d in V. 1 7 - 2 3 die V. 17.18aa.22.23 u n d V. 18aß-21 ineinandergearbeitet. Bei V. 16 handelt es sich u m eine spätere Glosse. V. 3.10—15 u n d V. 17.18aa.22.23 sind noch vor 587 v.Chr. zu datieren. V. 4—9 entstanden einige Zeit nach d e m Untergang Jerusalems, u n d die Datierung von V. 18aß—21 ist unsicher. C O O K E (Ezekiel, 137f.) vermutet wegen desjeweils abweichenden Gebrauchs von 2. u n d 3. Person, daß in V. 1—16 zwei Orakel miteinander verbunden worden sind: Orakel A stammt aus der Zeit vor 587 v.Chr. u n d umfaßt die V. 2.7.8.10.12-16. Orakel B ist nach 587 v.Chr. verfaßt w o r d e n u n d umfaßt V . 3.5.6.9. V . 4 ist spätere Redaktion (a.a.O., 139). F O H R E R (Ezechiel, 68—76) findet f ü n f Prophetenworte miteinander verschmolzen: a) ein in der 2. Person formuliertes Scheit- u n d D r o h w o r t gegen Heilspropheten in V. 1 - 2 . 5 . 7 - 8 ; b) ein in der 3. Person gehaltenes Scheit- u n d D r o h w o r t gegen falsche Propheten in V. 3—4.6.9, das mit V. 6b glossiert wurde; c) ein von Ezechiel selbst u m V. 15 erweitertes u n d später durch V. l l f . 1 4 b a . 1 6 glossiertes Scheit- u n d D r o h w o r t gegen Heilspropheten in V. 10.13f.; d) ein Scheit- u n d D r o h w o r t gegen falsche Prophetinnen in V. 17—18aa.22—23 u n d e) ein Scheit- u n d D r o h w o r t gegen Zauberinnen in V. 18aß-21. 2 5 1 B R O W N L E E (Ezekiel, 186) möchte V. 2—16 aus vier verschiedenen Orakeln komponiert sehen: „(1) the self-inspired prophets w h o conjure false visions ( w 2—3, 7 - 8 ) ; (2) those . . . w h o are forever proclaiming QlVlP «peace» ( w 2—5, 10); (3) those w h o do not repair the wall, but plaster over its defects with whitewash ( w 10b—15); and (4) w h o as false prophets will be excluded f r o m any place in the Israel of the future ( w 3, 6, 9, 12:24—25)." D e m folgenden u n d nach B R O W N L E E eine eigene Einheit darstellenden Abschnitt V. 17—23 w u r d e n als 250 251
Ä h n l i c h a u c h DAVIES, Archaeological C o m m e n t a r y , 109F. Vgl. DERS., P r o p h e t e n , B d . 3, 9 4 - 9 8 . 1 8 3 .
Zwischen Jeremía und dtrjer
137
editorische Brücken und interpretative Ergänzungen in verschiedenen Stadien V. 17b.20f.22f. eingefügt (a.a.O., 194.196). 2 5 2 Nach TALMON/FISHBANE (Structuring, 133—135) waren V. 2—9 und 17—23 ursprünglich selbständige Sprüche, in die ein Redaktor V. 10b—14 eingefügt und mit V. 1 . 1 0 a . l 5 . 1 6 zu einer Einheit zusammengebunden hat. 4) HÖLSCHER (Hesekiel, 83—85) hält Ez 13 für im ganzen redaktionell: „Dieses ganze verwirrte Stück hat mit Hesekiel nichts zu tun. Man kann fragen, ob es nicht das Erzeugnis eines jungen nachredaktionellen Ergänzers ist" (a.a.O., 85). „Das Stück erweist sich . . . als ein rein literarisches Produkt, als eine künstlich fingierte Bedrohung des vorexilischen Prophetentums" (ebd.). 5) HALS (Ezekiel, 86f.) gesteht zwar eine redaktionelle Überarbeitung von V. 1—16 zu, ist jedoch der Meinung, daß sich die Redaktionsgeschichte der Verse nicht mehr rekonstruieren lasse: „However, the material in w . 7b, 11—12, and 1 5 - 1 6 , which indeed seems to be secondary because o f its repetitious content, is not consistently either second or third person, nor does it leave a consistent remainder. Thus it must be reluctantly concluded that available evidence does not enable us satisfactorily to reconstruct the text's editorial history" (ebd.). E i n e kritische Auseinandersetzung m i t diesen P o s i t i o n e n ist n u r i m R a h m e n der A u s l e g u n g m ö g l i c h . G e n e r e l l k a n n m i t A L L E N (Ezekiel 1—19, 196f.) angemerkt werden: „ N o credence can be given to the older view that differentiated between second and third person references to the prophets, ascribing w 2, 7, 8 (assumed to be originally second person!) to a pre-587 Babylonian oracle and w 3, 5, 6, 9 to a post-587 oracle uttered in Jerusalem . . . Zimmerli (seil., Ezechiel, 292) . . . , followed by Greenberg (seil., Ezekiel 1—20, 243) . . . , has observed that, in the light o f Ezekiel's practice elsewhere, the formula o f confrontation in v 8 requires continuation with a sentence o f punishment such as v 9 provides." E z 1 3 , * 1—16 D i e m e i s t e n Ausleger interpretieren E z 13,1—16 v o r d e m H i n t e r g r u n d der j e r e m i a n i s c h e n P r o p h e t e n p o l e m i k e n o d e r sehen einzelne, dann teilweise als redaktionelle Ü b e r a r b e i t u n g g e w e r t e t e Verse in literarischer A b h ä n g i g keit v o m J e r e m i a b u c h s t e h e n . 2 5 3 B e i den langen Ü b e r l i e f e r u n g s p r o z e s s e n 252
BROWNLEE revidiert damit seine ältere Position (Exorcising, 368—372), nach der
ein „prose redactor" gegen Mitte des 3. J h . v.Chr. mit Hilfe von V. 18b*.19a*( , ninp31 • n V ) . 1 9 b . 2 0 a ß . 2 0 b ß . 2 1 * ( n T O a » . 2 2 . 2 3 b das Jagen nach Seelen in den T e x t eingetragen habe.' 2 5 3
S o B U R R O W S , R e l a t i o n s , 4 - 1 5 ; BERTHOLET, H e s e k i e l , 4 7 ; KRAETZSCHMAR, E z e c h i e l ,
1 3 0 ; FOHRER, E z e c h i e l , 7 1 ; E I C H R O D T , H e s e k i e l , 8 8 f . 9 3 ; FAIRBAIRN, E z e k i e l , 1 2 9 ; K L O P F E N -
138
Vor der dtr Jeremiaredaktion
und redaktionellen Überarbeitungen der jeremianischen Prophetenpolemiken sowie ihren oft unsicheren Datierungen scheint mir dieses Vorgehen jedoch methodisch schwierig zu sein. Ez 13,1 ff. wird daher im folgenden unabhängig von jeremianischen Texten analysiert und erst anschließend mit ihnen verglichen. Nach Abzug der auf die Sammlung zurückgehenden Rahmenverse lf. (s.o., 132) zerfällt der Text in zwei Erweisworte (V. 3—7a254.8f.l0—15), deren Zielpunkt jeweils die Erkenntnisformel nin 1 'HX '3 DriSTl („damit ihr erkennt, daß ich der Herr, J H W H , 2 5 5 bin" V. 9.14) ist. Das Grundgerüst von V. 3—7a.8f. besteht aus einem als Weheruf gestalteten Begründungselement (V. 3—7a), einer mit Botenformel und DDVx formulierten Gerichtsansage (V. 8—9a) und der Erkenntnisformel (V. 9b). Ahnlich ist auch das Erweiswort V. 10—15 aufgebaut: Es beginnt in V. 10 mit einer durch JJP jJTDI („darum, ja darum") eingeleiteten Begründung, auf die eine mit pV und der Botenformel anhebende Gerichtsansage folgt (V. 13—14boc). D e n Zielpunkt bildet die Erkenntnisformel von V. 14bß. 256 In diese „klassische Form des Erweiswortes" 2 5 7 wurden V. 1 lf.l5f. eingefugt, die durch ihren erneuten Redebefehl und die dem („daher") aus V. 13 vorgreifende göttliche D r o h u n g (V. l l f . ) sowie durch die eigene Gottesspruchformel überschießen und den Inhalt von V. 12 variieren. Aus Gründen der f o r m geschichtlichen und argumentativen Klarheit wollte man V. 11 f. 15f. daher häufig als spätere, nicht zusammenhängende Ergänzungen ausscheiden. 258 Demgegenüber ist daraufhinzuweisen, daß V. 15 und V. 12 inhaltlich keineswegs identisch sind: V. 15 steigert vielmehr am Ende des Erweiswortes die Aussage von V. 12 nochmals gewollt. Literarkritische Operationen schließlich allein u m der angenommenen Idealform willen vorzunehmen, scheint mir methodisch fragwürdig. Die Abweichungen von der formalen STEIN, L ü g e , 2 4 0 ; Z I M M E R L I , E z e c h i e l , 2 8 8 f f . ; H O S S F E L D / M E Y E R , P r o p h e t ,
1 4 1 ; GARSCHA,
S t u d i e n , 2 6 4 ; M Ü N D E R L E I N , K r i t e r i e n , 8 3 . 1 2 2 ; B L E N K I N S O P P , G e s c h i c h t e , 1 7 7 ; DERS., E z e -
kiel, 68f.; GREENBERG, Ezekiel 1 - 2 0 , 243f.; FUHS, Ezechiel, 71.73; SCHNEIDER, Krisis, 63f.; ALLEN, Ezekiel 1 - 1 9 , 202.205.209f. 254 y 7K fehlt ¿ n (g u n c j ¡ s t j w ; e a n e Auslegungen bemerken (anders nur R . KRAETZSCHMAR, 132), als protomasoretische Überarbeitung zu werten. 255 ij-.^ fehlt ¡ n v 9 ¡ n yP > einigen Handschriften der masoretischen Texttradition und v, TTAVCI -C6> 7topeuo|xev
14,14; V. 27-*2,8; V. 32->2,8.11; 14,14; 29,23; vgl. das in V. 2 5 - 2 8 u n d j e r 27,9£; 29,8f. behandelte Thema „Traumprophetie") machen deutlich, daß das bislang Erreichte an dieser Stelle weitergedacht werden soll. Was sich bislang in dem Vorwurf, daß die Heilsprophezeiungen der Propheten eine Umkehr unmöglich gemacht haben, nur andeutete (6,13f.; 14,13.15f.), ist der Ausgangspunkt flir die Ausfuhrungen von Jer 23,16ff. Schon Jeremia hatte in V. 16ff. betont, die Heilsbotschaft der Propheten sei als Vision ihres eigenen Herzens lediglich das Ergebnis ihrer Wünsche und komme nicht v o n J H W H . Wer wirklich im Thronrat Gottes gestanden hätte — wie die Propheten es flir sich beanspruchten —, der würde das Volk zur Umkehr aufrufen. Wie nötig dieser Umkehrruf ist, betont die dtrjer in V. 17, indem sie den Satz max taV mintf? •qVn VdVi („und zu jedem, der in der Verstocktheit seines Herzens wandelt, sagen sie") einfügt. Die sowohl eine Verletzung von Gottes Gebot im allgemeinen als auch des ersten Gebotes im besonderen ausdrückende Wendung iaV niTlltf? („in der Verstocktheit seines Herzens") kennzeichnet den Lebenswandel der Adressaten der Propheten als allgemein gegen J H W H gerichtet. Während die dtrjer in V. 17 lediglich im Text schon Angelegtes betont, verändert sie die Aussage von V. *16ff. durch die Einfügung von V. 25—28a.32 massiv. Die jeremianische Vorlage hatte in V. 21f. gezeigt, daß die Propheten nicht v o n J H W H gesandt wurden und in V. 23f.28b—31 J H W H s Möglichkeit und Willen, das Gericht über die falschen Propheten zu bringen, betont. Durch die Einfügung V. 25—28a beschäftigt sich das Ende des Abschnitts von V. *16ff. jetzt nochmals mit den Propheten selbst. Erst die Gerichtsankündigung von V. 32 verbindet das in V. 25—28a Erörterte mit V. 16—18.21—24. Daß in V. 25—28a anders als sonst die Traumoffenbarung und nicht die Heilsverkündigung zum Gegenstand der dtr Kritik wird, zeigt, daß die dtrjer neben dem schon von Jeremia kritisierten Inhalt der prophetischen Verkündigung auch eine Kritik ihres Offenbarungsmodus für notwendig hält. Der zionstheologische H i n tergrund der Heilsverkündigung der Propheten und die Aufnahme von Hag 2,9; Sach 8,19 in Jer 14,13b machen deutlich, daß der Grund für diese Kritik der Traumprophetie in der Auseinandersetzung der dtrjer mit Haggai und Sacharja zu suchen ist. Der textliche Anlaß, wieso die dtrjer ihre Auseinandersetzung mit der Traumprophetie in die Sammlungjer 23,9ff. eingetragen hat, findet sich in V. 18.22. Jeremias Kritik an dem Anspruch seiner prophetischen Gegner, am himmlischen Thronrat Gottes teilzuneh-
Jer 23 * 9-32
223
men, dürfte die dtrjer an eine ähnliche Szene in der vierten Nachtvision Sacharjas erinnert haben (Sach 3,1 ff). Ebenso wie der soteriologische Inhalt der Heilsprophezeiungen wird auch der Offenbarungmodus der Traumprophetie mit Hilfe der Aufnahme des D31? pin („Vision ihres Herzens") aus V. 16 durch D2V npin („Falschheit ihres Herzens") in V. 26 als ein Produkt der Psyche der Propheten bloßgestellt. Das Wort nonn, das nach Jer 8,5; 14,14; Zeph 3,13; Ps 119,118 „das religiöse Vergehen selbstherrlichen Bauens auf eigenmächtiges D e n ken, Reden und T u n " 1 0 9 beschreibt, charakterisiert die Traumprophetie daher als Verleugnung Gottes. Die Anklage von V. 27, die Propheten planten, J H W H s Volk mit ihren Träumen seinen Namen vergessen zu lassen, macht deutlich, daß die Traumprophetie ihren widergöttlichen Charakter auf ihre Hörer überträgt. D e m damit verbundenen Vergleich mit dem Abfall der Väter zu anderen Göttern entspricht es, daß die Wendung „ J H W H vergessen" (nirr in Jer 2,32; 3,21; 13,24f.; 18,15; 50,5f. den Abfall zu anderen Göttern beschreibt (vgl. auch Ps 44,21). Dieser widergöttlichen Traumprophetie stellt die dtrjer in V. 28f. das Wort des von J H W H gesandten Propheten gegenüber: Es ist wie Korn im Vergleich zur Spreu, wie Feuer und ein Hammer, der den Fels zerschlägt. Die redaktionelle Pflege jeremianischer Tradition und Texte sowie die Zitate anderer Propheten (s. z.B. Jer 14,10 [Hos 8,13] und J e r 26,18 [Mi 3,12]) legen nahe, daß die dtrjer dabei an die heute klassisch genannten vorexilisch-exilischen Unheilspropheten denkt, deren Wort durch die Geschichte bestätigt wurde. Weder auf die Heilsprophezeiungen von J e remias Gegnern noch auf die Verkündigung Haggais und Sacharjas gilt es zu hören, sondern auf das durch Jeremia und seine Vorgänger gesprochene und jetzt textlich fixierte Wort J H W H s . Dieser Vergleich zwischen Jeremia und seinen Vorgängern einerseits und den zionstheologisch geprägten Propheten der Jahre 597—587 v.Chr. und 520—515 v.Chr. andererseits erklärt auch den von den vorhergehenden Texten des Jeremiabuchs abweichenden Gebrauch des Nomens in V. 25—28a.32. W i e schon V. 9.15f.21f.30f. sprechen V. 25f. absolut von „den Propheten" (D'!p3n) und kritisieren auf diese Weise alle Propheten. Im Interesse des Vergleichs mit Jeremia und seinen Vorgängern wird in V. 28 zwischen einem Propheten, der J H W H s Wort hat, und einem Propheten, der Träume hat, unterschieden, während V. 32 aus dem gleichen Grund von „Propheten der treubrecherischen Träume" ("i^ttf iTlöVn 1 0 9
KLOPFENSTEIN,
Lüge, 314.
224
Die dtrJeremiaredaktion
spricht. Jedoch stellt die dtrjer weiterhin in Form autoritativer Texte fixierte und durch die Geschichte bestätigte Offenbarungen jeder aktuellen Prophetie gegenüber, so daß sich trotz der relativierten Terminologie von der Sache her nichts ändert. Mit Hilfe von V. 32 verschmilzt die dtrjer schließlich in dem Gerichtswort V. 30—32 die Kritik an der Heilsverkündigung der Propheten mit der Kritik an dem von ihnen benutzten traumdivinatorischen Offenbarungsmodus. Für beides gilt: Die Propheten „haben mein Volk in die Irre gefuhrt" (HS?n; vgl. 23,13), und zwar durch ihre O'lj?^ („Treubrüche") und ihre IVlTnB („Aufstand"). Dabei qualifiziert Traumprophetie und Heilsverkündigung als Lüge in Sinne eines Angriffs auf das Treueverhältnis zwischen J H W H und seinem Volk. W i e der Gebrauch des Verbums "triD in Gen 49,4; lSam 20,34 (4QSam b ); Zeph 3,4 und DAT II 8 zeigt, verurteilt das N o m e n m i n s beides als einen Aufstand gegen J H W H . Auch mit der Bewertung von Inhalt und Offenbarungsmodus ist die Auseinandersetzung der dtrjer mit der Prophetie noch nicht abgeschlossen. Die in V. 25ff. thematisierte Traumprophetie verweist den Leser ebenso a u f j e r 27—29 (s. dort Jer 27,9f.; 29,8f.) wie die in dieser Form nur in Jer 14,14; 23,32 und 29,23 belegte Formel D T O X1? („ich habe ihnen nicht geboten"). In Jer 27—29 wird am Beispiel der Ereignisse der Zedekia-Zeit entfaltet, was bislang abstrakt verhandelt wurde.
3.4 Die geschichtliche Konkretion: Jer 27—29110 Nachdem Jer 28 und 29,21—23 schon oben diskutiert wurden (s.o., 84ff), gilt es jetzt, nach der Intention der mit R U D O L P H gerne als „Kampfschrift gegen falsche Propheten" charakterisierten Sammlung Jer 27—29 zu fragen. 1 1 1 In der exegetischen Diskussion 1 1 2 herrscht relative Einigkeit darüber, daß die drei Kapitel eine Einheit bilden. Hierfür sprechen der vom Rest des Jeremiabuchs abweichenden Gebrauch von i"P statt irr als theophorem Namenselement und der sonst im Jeremiabuch aufjeremia selbst nicht angewendete Titel !C33n („der Prophet"). Inhaltlich will man die Kapitel durch die T h e m e n „Falschprophetie" und „Unterwerfung unter 110
Z u einer Ü b e r s e t z u n g von J e r 2 7 - 2 9 s.u., 3 6 0 - 3 6 3 . Jeremia, 173. 112 Im folgenden R e f e r a t w e r d e n n u r Arbeiten berücksichtigt, die Jer 2 7 - 2 9 im ganzen analysieren u n d Jer 27—29 als eine literarische Einheit verstehen. D i e redaktionsgeschichtlichen u n d literarkritischen Urteile anderer Auslegungen finden sich in den F u ß n o t e n zu den einzelnen Kapiteln. 111
Jer
225
21-29
die babylonische Herrschaft" verbunden sehen. 113 Dabei denkt DUHM, daß Jer 26—29 demjeremiabuch erst nachträglich einverleibt wurden. 1 1 4 Demgegenüber will GIESEBRECHT annehmen, „daß die Kapp, für die Exulanten in Babel, die sie besonders angingen, separat abgeschrieben waren und in dieser Gestalt gesondert umliefen". 1 1 5 R U D O L P H wiederum geht davon aus, daß Jer 27—29 sekundär aus demjeremiabuch ausgeliedert wurden und ein literarisches Eigenleben entwickelt haben, was dann zu den erwähnten Eigenheiten führte. 1 1 6 Die Mehrheit der Exegeten nimmt jedoch ein literarisches Eigenleben der Kapitel vor ihrer Aufnahme ins Jeremiabuch an. 1 1 7 Für H O L L A D A Y wurde Jer 27f. zusammen mit Jer 34 in eine von Jeremia und Baruch gemeinsam zusammengestellte Sammlung Jer 29—33; 1 1 3 Vgl. DUHM, Jeremia, 219f.221; ERBT, Jeremia, 32 (allerdings noch ohne Hinweis auf formale Ähnlichkeiten); CORNILL, Jeremia, 303f.; GIESEBRECHT, Jeremia, 2. Aufl., 147; VOLZ, Jeremia, 255; RUDOLPH, Jeremia, 172f.; WEISER, Jeremia, 236f.; HYATT/HOPPER, Jeremi-
ah, 1 0 0 5 ; KOCH, F o r m g e s c h i c h t e , 2 5 0 ; KRAUS, Prophetie, 5 8 ; LAMPARTER, P r o p h e t , 3 4 2 ;
S. HERRMANN, Heilserwartungen, 186; M . KESSLER, Prophetie Biography, 115; DERS., Jeremiah, 83; RIETZSCHEL, Urrolle, 97.114; OVERHOLT, Jeremiah 2 7 - 2 9 , 242; DERS., Falsehood, 27.30; NICHOLSON, Preaching, 93f.96f.100; DERS., Jeremiah, Bd. 2, 28; WANKE, Untersuchungen, 77; HOSSFELD/MEYER, Prophet, 111; SEIDL, Formen, 356; SARNA, Insurrection, 9 0 * . 9 2 f . * ; PRINSLOO, Theology, 68f.; THIEL, Jeremia 2 6 - 4 5 , 5; SCHREINER, Jeremia, 158; CARROLL, C o m m e n t a r y , 5 2 3 ; DERS., J e r e m i a h , 1 0 2 ; G . H . WILSON, Prayer, 9 3 f . ; GRAUP-
NER, Auftrag, 61 f.96.150; D . R . JONES, Jeremiah, 346; HUEY, Jeremiah, 233.240; KEOWN/ SCALISE/SMOTHERS, Jeremiah, 35f.44f. Anders nur MOWINCKEL, Jeremia, 8 - 1 0 . 2 4 . 2 7 . 4 0 - 4 2 ; H. SCHMIDT, Propheten, 331ff.; BRIGHT, Jeremiah, 2 0 1 - 2 0 3 . 2 1 0 - 2 1 2 ; SCHNEIDER, Krisis, 69£; HOLLADAY, Jeremiah 2, 114; SEITZ, Theology in Conflict, 209ff.; BRUEGGEMANN, TO Build, 1; MCKANE, Commentary, C X X X V I f . Z u den genannten Eigentümlichkeiten vgl. auch NÖTSCHER, Jeremias, 200f., und THOMPSON, Jeremiah, 528f. Die von den meisten Exegeten ebenfalls als formales Argument für die literarische Eigenständigkeit angeführte Namensform des babylonischen Königs (Nebukadnezzar statt wie sonst im Jeremiabuch üblich Nebukadrezzar) wird, abgesehen von Jer 27,6, von ? Sach 1 2 , 4 . 6 . 8 [ 2 x ] . l l ; 13,1). Dabei wird die erweiterte Form Kinn Di'a rPHI jeweils als Einleitung der drei Hauptabschnitte verwendet (Sach 12,3—8; 12,9—13,1; 13,2—6). 105 In Sach 13,2 wird der durch die Formel verstärkte Neueinsatz mit Hilfe eines zusätzlichen 1TÍX3V HVP DiO („Spruch des Herrn der Heerschaaren") besonders betont. U m hervorzuheben, daß ein Höhepunkt der Spruchp h e t s , 8 3 ; Q U E L L , P r o p h e t e n , 2 6 ; BRUNNER, S a c h a r j a , 1 6 4 ; M A S O N , Z e c h a r i a h , 1 2 1 ; P E T E R -
SEN, Prophecy, 36f.; DERS., Zechariah 9 - 1 4 , 127f.; SCHNEIDER, Krisis, 23; COGGINS, Zechariah, 22; DERS., Prophets, 91; REDDITT, Zechariah, 1 3 4 - 1 3 6 ; H o FAI TAI, Schriftauslegung, 2 0 8 ; CONRAD, E n d , 7 5 .
So BRUNNER, Sacharja, 164f.; WILLI-PLEIN, Prophetie, 108f.; MASON, Zechariah, 121; PERSON, Second Zechariah, 197f.; vgl. schon MATTHES, False Prophets, 429. 100
101
PETERSEN, Z e c h a r i a h 9 - 1 4 , 1 2 7 f .
HOSSFELD/MEYER, Prophet, 159; HANSON, Dawn, 367; vgl. HORST, Nahum bis Maleachi, 257. 1 0 3 Zum Bezug auf autoritative Literatur s. auch STADE, Deuterozacharja, 81ff.; NOWACK, 102
Propheten, 3 9 5 ; DUHM, A n m e r k u n g e n ,
1 9 8 ; SELLIN, Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , 5 2 6 ; ELLIGER,
Propheten, 173f.; HORST, Nahum bis Maleachi, 257; KLOPFENSTEIN, Lüge, 110f.; PETERSEN, Prophecy, 3 4 - 3 6 ; DERS., Zechariah 9 - 1 4 , 1 2 4 - 1 2 8 ; STECK, Abschluß, 120f.l69; REVENTLOW, Sacharja, 119f. Zur Diskussion um die im einzelnen aufgenommenen Texte s.u. die Auslegung. 104
V g l . N O W A C K , P r o p h e t e n , 3 9 5 ; D U H M , A n m e r k u n g e n , 1 9 8 ; SELLIN, Z w ö l f p r o p h e t e n -
buch, 526; ELLIGER, Propheten, 173f.; HORST, Nahum bis Maleachi, 257; KLOPFENSTEIN, Lüge, 110f.; STECK, Abschluß, 169; MEYERS, Crisis, 722f.; PETERSEN, Zechariah 9 - 1 4 , 127f.; v g l . PLÖGER, T h e o k r a t i e , 1 0 7 ; R U D O L P H , S a c h 9 - 1 4 , 2 2 9 A n m . 7 . 105
Zur Gliederung und zum Gebrauch der Formel vgl. SJEBO, Sacharja 9—14, 260ff.;
PETERSEN, Z e c h a r i a h 9 - 1 4 ,
112.
Sach
13,2-6
295
Sammlung Sach 12,1—13,6 folgt, wird der gliedernde Neueinsatz auf diese Weise besonders deutlich akzentuiert. Die erweiterte Formel Dl,3 rPHI Kinn findet sich schließlich in der Sammlung ein letztes Mal in Sach 13,4. nVP DiO Kinn n r ? rrm Nach dem noch deutlicher hervorgehobenen von Sach 13,2 dürfen die auf sie folgenden Verse jedoch keinesfalls als neuer Hauptabschnitt gewertet werden. Kinn Di'? rPHl signalsiert in V. 4, wie auch die enge thematische Verknüpfung von V. 4—6 mit V. 2f. (das Geschick der Propheten im Eschaton) zeigt, lediglich den Beginn eines Unterabschnitts. Neben der formalen Eigenständigkeit von V. 2—6 fallen inhaltliche und sprachliche Verknüpfungen mit dem Kontext auf: Der nach V. 2 im Eschaton 106 von Gott zu vernichtende nsptpn n n („Geist der Unreinheit") ist ein Widerpart zu dem von Gott eschatologisch auszugießenden ]n n n („Geist der Gnade") von Sach 12,10. In ähnlicherWeise nimmt das eschatologische Durchbohren ("ifH) von Propheten in Sach 13,3 das Durchbohren einer nicht näher identifizierten Gestalt in Sach 12,10 auf. 107 Besonders eng werden die Abschnitte Sach 12,9—14 und Sach 13,2—6 miteinander durch Sach 13,1 verknüpft. Zwar gehört der Vers formal eindeutig zur vorhergehenden Perikope, stellt aber — durch die Einleitung mit iOiin Di'? markiert — einen eigenen Unterabschnitt dar. Thematisch schließt er den zweiten Teil von Sach 12,1—13,6 mit seiner Verheißung einer Reinigung der Trauernden (Sach 12,11—14) durch das Öffnen einer Quelle im Eschaton 108 ab. Daß die Öffnung der reinigenden Quelle dabei dem Haus Davids und den Bewohnern Jerusalems dient, verdeutlicht nochmals die enge Verknüpfung mit Sach 12,9—14. Andererseits wird durch den in Sach 13,2 erwähnten nspDH n n („Geist der Unreinheit") die Reinheitsmotivik von Sach 13,1 aufgenommen. Das eschatologische Aus106 Z u m eschatologischen Gehalt der Formel Kinn 0i"2 in prophetischen Texten s. S/EB0, Sacharja 9—14, 261f. 107 Zu den Bezügen vgl. PETERSEN, Zechariah 9-14, 125. 108 Zur Aufnahme von Reinigungs- und Tempelquellenmotivik s. WELLHAUSEN, Propheten, 200; STADE, Deuterozacharja, 81-83; NOWACK, Propheten, 395; MARTI, Dodekapropheton, 448f.; M. HALLER, Judentum, 267; SELLIN, Zwölfprophetenbuch, 525; HORST, N a hum bis Maleachi, 257; ELLIGER, Propheten, 172; RUDOLPH, Sacharja 9 - 1 4 , 227f.; MEYERS/ MEYERS, Zechariah 9 - 1 4 , 362.399; REVENTLOW, Sacharja, 118; PETERSEN, Zechariah 9-14, 123f. P.C. Craigie. DRIVER, G.R., Affirmation by Exclamatory Negation, in: D. Marcus (Hg.), The Gaster Festschrift, FS Th.H. Gaster, JANES 5, New York 1973, 107-114. - Amos vii. 14, ET 67 (1955-1956) 91f. - „Another Little Drink" — Isaiah 28: 1-22, in: P.R. ACKROYD/B. LINDARS (Hgg.), Words and Meanings, FS D.W. Thomas, Cambridge 1968, 47-67. - Linguistic and Textual Problems: Ezekiel, Bib. 19 (1938) 60-69. - Once Again Abbreviations, Textus 4 (1964) 76-94. - Unbetitelte Notiz, ET 68 (1956-1957) 302. DRIVER, S.R., —» F. Brown.
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Anhang: Übersetzungen der längeren Textpassagen1 Jer 23,9-40 (9) Ü b e r die Propheten Zerbrochen ist mein Herz in meinem Inneren, all meine Gebeine zittern; ich bin wie ein betrunkener Mann geworden, wie ein Mann, den der Wein überwältigt, wegen J H W H und wegen der Worte seiner Heiligkeit. (10) - Denn wegen eines Fluchs trauert das Land, verdorren die Auen der Steppen. U n d ihr Laufen ist frevelhaft und ihre Kraft nicht recht, (11) denn sowohl Prophet als auch Priester sind entweiht, und auch in meinem Haus fand ich ihren Frevel - Spruch J H W H s . (12) Darum: ihr Weg wird ihnen wie schlüpfriger Grund werden. In die Finsternis werden sie gestoßen und werden in ihr fallen, denn ich will (ihren) Frevel über sie bringen im Jahr ihrer Heimsuchung! — Spruch J H W H s . (13) U n d bei den Propheten Samarias habe ich Anstößiges gesehen: Sie haben beim Baal prophezeit und mein Volk Israel irregeführt. (14) U n d bei den Propheten Jerusalems habe ich Gräßliches gesehen: Ehebruch und Wandel in Treubruch - und sie stärken die Hände von Frevlern, so daß sie nicht umkehren, ein jeder von seinem Frevel. Sie alle sind für mich wie Sodom und ihre Bewohner wie Gomorrha. (15) Darum - so J H W H über die Propheten gesprochen - : Siehe, ich gebe ihnen Wermut zu essen und Giftwasser zu trinken, denn von den Propheten Jerusalems ging Gottlosigkeit aus über das ganze Land. (16) So hat J H W H Zebaoth gesprochen: Hört nicht auf die Worte der Propheten, sie betören euch. Sie reden die Vision ihres Herzens (und) nicht aus dem M u n d J H W H s . (17) Sie sagen zu denen, die J H W H s Wort verachten: „Frieden werdet ihr haben!", und zu jedem, der in der Verstocktheit seines Herzens wandelt, sagen sie: „Nichts Schlechtes wird über euch kommen!". (18) Wahrlich, wer hat im R a t Gottes gestanden und sein Wort gesehen, wer hat aufgemerkt und gehört? (19) Siehe, ein Sturmwind J H W H s , ein Zorn, ist herausgefahren und ein wirbelnder Sturmwind. A u f das Haupt der Frevler wird er wirbeln. (20) J H W H s Zorn wird nicht umkehren, bis daß er getan und aufgerichtet hat die Pläne seines Herzens. A m Ende der Tage werdet ihr Einsicht in es gewinnen. 1 Textkritische und semitistische Fragen werden, soweit sie für die Frage nach innerprophetischen Konflikten von Bedeutung sind, im R a h m e n der Einzelexegesen diskutiert.
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(21) Ich habe die Propheten nicht gesandt, aber sie laufen; ich habe nicht zu ihnen geredet, aber sie prophezeien. (22) Und wenn sie in meinem R a t gestanden hätten, dann würden sie meine Worte bei meinem Volk verkünden und sie dann abbringen von ihrem bösen Wandel und von der Bosheit ihrer Taten. (23) Bin ich nur ein Gott aus der Nähe und nicht auch ein Gott aus der Ferne? (24) Wenn sich jemand in Verstecken verbärge, sähe ich ihn dann nicht? Erfülle ich nicht die Himmel und das Land? - Spruch J H W H s . (25) Ich habe gehört, daß die Propheten, die in meinem Namen Treubruch prophezeien, sagen: „Ich habe geträumt, ich habe geträumt!" (26) Wie lange noch macht das Herz der Propheten Pläne — sie prophezeien Treubruch, und sie prophezeien die Falschheit ihres Herzens? (27) Planen sie, durch ihre Träume, die ein jeder seinem Nächsten erzählt, meinen Namen bei meinem Volk vergessen zu machen, wie ihre Väter meinen Namen um des Baals willen vergaßen? (28) Der Prophet, bei dem ein Traum ist, erzähle seinen Traum, aber derjenige, bei dem mein Wort ist, rede mein Wort wahrhaftig: Was soll das (gehäckselte) Stroh neben dem (ausgedroschenen) Korn? —Spruch J H W H s . (29) Ist mein Wort nicht so wie das Feuer - Spruch J H W H s - und wie ein Schmiedehammer, der Fels zerschlägt? (30) Darum: Siehe, ich will an die Propheten — Spruch J H W H s - , die meine Worte stehlen ein jeder von seinem Nächsten. (31) Siehe, ich will an die Propheten Spruch J H W H s —, die ihre Zungen nehmen und einen Spruch orakeln. (32) Siehe, ich will an die Propheten der treubrecherischen Träume — Spruch J H W H s —, sie haben sie erzählt, und sie haben mein Volk in die Irre gefuhrt mit ihren Treubrüchen und ihrem Aufstand (seil, gegen J H W H ) . Aber ich habe sie nicht gesandt und ihnen nicht geboten, und sie helfen diesem Volk in keiner Weise - Spruch J H W H s . (33) Und wenn dieses Volk oder der Prophet oder ein Priester fragt: „Was ist die Last J H W H s ? " , dann sollst du zu ihnen sagen: „Ihr seid die Last J H W H s , und ich werde euch fallen lassen - Spruch des Herrn." (34) Und den Propheten und den Priester und das Volk, (jeden,) der sagt „Spruch des J H W H s " - j e n e n Mann und sein Haus suche ich heim. (35) So soll ein jeder zu seinem Nächsten und seinem Bruder sagen: „Was hat J H W H geantwortet, was hat J H W H geredet?" (36) Aber „Spruch J H W H s " sollt ihr nicht mehr erwähnen denn „Spruch" ist für den Mann seines Wortes — (37) sondern: „was hat J H W H geredet?" (38) Darum - so hat J H W H gesprochen - : Weil ihr dieses Wort, nämlich Spruch J H W H s , gesagt habt, obwohl ich zu euch gesandt hatte: „sagt nicht Spruch J H W H s " , (39) darum: Siehe, ich hebe auf und werde euch fallen lassen und die Stadt, die ich euch und euren Vätern gegeben habe, von meinem Angesicht. (40) Und ich werde ewige Schmach und ewigen Schimpf auf euch geben, die nicht vergessen werden werden.
Jer 27-29 Jer 27 (2) So sprach J H W H : „Mache dir Stricke und Jochhaken und lege sie um deinen Hals (3) und sende sie zu dem König von Edom, zu dem von Moab, zu dem König der Ammoniter, zu dem König von Tyrus und zu dem König von Sidon durch ihre Gesandten, die nach Jerusalem gekommen sind zu ihrem Treffen, zu Zedekia, dem König von Juda, (4) und befehle ihnen für ihre Herren: «So hat J H W H , der Gott Israels, gesprochen, so sollt ihr zu euren Herren sprechen: (5) ,Ich habe die Erde, den Menschen und das Getier auf der Oberfläche der Erde mit meiner großen Kraft: und meinem ausgestreckten Arm geschaffen, und ich habe sie dem,
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der recht ist in meinen Augen, gegeben. (6) Ich habe die Erde in die Hand Nebukadnezzars, des Königs von Babel, gegeben, damit sie ihm diene, und auch das Getier des Feldes habe ich ihm gegeben, damit es ihm diene. (8) Das Volk und Königreich, das ihm, Nebukadnezzar, dem König von Babel, nicht dient und das seinen Hals nicht in das J o c h des Königs von Babel legt - mit Schwert, Hungersnot und Pest suche ich jenes Volk heim - Spruch J H W H s - bis daß ich sie in seine Hand gebe. (9) Ihr aber, hört nicht auf eure Propheten, auf eure Wahrsager, auf eure Traumseher, eure Zeichendeuter und eure Zauberer, die euch sagen: