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German Pages [216] Year 1987
VÔR
Dem Andenken von Professor Dr. theol. Ivar P. Seierstad (1901-1987) Hebr. 13.7
K. A R V I D T Ä N G B E R G
Die prophetische Mahnrede Form- und traditionsgeschichtliche Studien zum prophetischen Umkehrruf
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend 143. Heft der ganzen Reihe
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Tdngberg, Karl Arvid: Die prophetische Mahnrede : form- u. traditionsgeschichtl. Studien zum prophet. Umkehrruf / K. Arvid Tangberg. G ö t t i n g e n : V a n d e n h o e c k u. R u p r e c h t , 1987 ( F o r s c h u n g e n z u r Religion u n d Literatur des Alten u n d N e u e n T e s t a m e n t s ; H . 143) I S B N 3-525-53822-7 NE: G T
Die Abhandlung wurde durch die Unterstützung der Theologischen Gemeirdefakultät (Oslo), der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (Bonn) und des Norwegischen Allgemeinwissenschaftlichen Rates (NAVF) ermöglicht. Deutsche Ausgabe: © 1987 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt aus Garamond auf Digiset 200 T 2 Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
Vorwort Professor Magne Saebo hat mir 1975 das Thema meiner Abhandlung gegeben. Ihm bin ich dankbar nicht nur für die erste Anregung, sondern auch für manchen guten Ratschlag und viel Aufmunterung auf dem langen Weg. Seine Forschungsseminare an der Theologischen Gemeindefakultät in Oslo bedeuten in diesem Zusammenhang auch viel für mich. Dank einem Forschungsstipendium, das mir meine eigene Fakultät verlieh, habe ich 1976 ernsthaft mit der Arbeit an dem gegebenen Thema anfangen können. Professor Ebbe Egede Knudsen am Semitischen Institut der Universität zu Oslo hat mir während der ganzen Zeit durch seinen Unterricht und seine freundlichen Ratschläge zur Ausweitung und Verwendung der Kenntnisse der semitischen Sprachen geholfen. Ihm danke ich auch für die Durchsicht meiner Transkriptionen. Die schriftliche Bearbeitung meines Materials kam erst gut voran, als mir die Alexander-von-Humboldt-Stiftung einen Aufenthalt an der Evangelischen Fakultät der Maximilian-Universität zu München 1980-81 ermöglichte. Vor allem waren mir dort Professor Dr. Jörg Jeremias und sein Assistent Herbert Specht behilflich. Die unvergeßlichen Diskussionsabende zuhause bei Professor Jeremias, der u. a. Professor K. Baltzer, Rüdiger Bartelmus und andere Alttestamentier zum Gespräch einlud, waren für mich von größter Bedeutung. Nach wie vor war natürlich der bleibende enge Kontakt mit meiner eigenen Fakultät und den dortigen Fachgenossen eine große Hilfe. Die Abhandlung wurde an die Universität zu Oslo im Dezember 1983 eingereicht. Eine von der Theologischen Fakultät der Universität zu Oslo ernannte Kommission, die aus Anders Jorgen Bjorndalen, Magnus Ottosson und Hans Magnus Barstad bestand, hat die Abhandlung geprüft und angenommen. Ihre kritische Würdigung ist in Norsk Teologisk Tidsskrift 85/1984, 133-60 veröffentlicht worden. Der Kommission bin ich für ihre gewissenhafte Arbeit zu Dank verpflichtet. Soweit es mir möglich schien, hat meine darauf folgende Revision der Habilitationsschrift auf ihre Bedenken Bezug genommen. Außerdem wurde weitere Literatur in die Anmerkungen eingeführt. Professor R. Smend und dem Verlag danke ich herzlich für die Aufnahme und Veröffentlichung der Arbeit.
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Vorwort
Großzügige Druckkostenzuschüsse vom Norwegischen Allgemeinwissenschaftlichen Forschungsrat und von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (Bonn) haben die Veröffentlichung gefördert. Zuletzt habe ich meiner lieben Henny zu danken, die mit Geduld das ganze Manuskript in seiner ersten Fassung maschinenschriftlich lieferte. Ich widme das Buch in Dankbarkeit dem Andenken Ivar P. Seierstads, der an unserer Fakulktät ein inspirierender Lehrer war. Oslo 1987
K. Avid Tàngberg.
Inhalt Vorwort
5
Kapitel 1: Einleitung: Die Fragestellung
9
Kapitel 2: Forschungsgeschichte
11
Wellhausen; D u h m ; Greßmann; Gunkel; Smend; Skinner; Hylmö; Beyer; Scott; Wolff; Fohrer; Raitt; Sitompul; Richter; Gerstenberger; Bj0rndalen; Westermann; Harvey; W . H . Schmidt; W a r m u t h ; Vanlier H u n t e r Noort, Eilermeier, A.Schmitt u. die Erforschung außerisraelitischer Prophetie im Alten Orient
Kapitel 3: Terminologische Klärung
33
38
Imperativ/Jussiv/Injunktiv. Vetitiv/Prohibitiv. M a h n u n g zur U m k e h r und M a h n r e d e anderer Art
Kapitel 4: Die Gattung der prophetischen Mahnrede
43
Arnos 5,4-6.14 f. 21-24 Hosea 2,4f.
4,15
43
10,12
12,7
14,2-9
49
Micha 6,1-8
57
Jesaja 1,10-17.18-20 7,3-9 8,12f. 28,12.16.22 30,11.15 Jeremia 2,25 3,12.13.14.22 4 , l f . 3 f . l 4 6,8.16.17 7,3f.21 9,22f. 13,15-17 15.19-21 21,12 2 7 , 9 f f . 29,8 f. 29,5-7
61
Zephanja 2 , 1 - 3 Ezechiel 14,1-11 18 33,10-20 Deuterojesaja Jes 44,21 f. 50,10 55,1-5.6 f
102 103 45,22
46,8-13
Exkurs: Die Anrede an die Völker TritojesajaJes 56,1-8
81
58,1-12
Joel 2,1-17
48,17-19 111 115 121 127
Haggai 1,2-11
2,10-19
130
Sacharja 1,1-6
7,9f.
132
Maleachi 2,10-16
8,16f.l9
3,6-12
Zwischenergebnis
Kapitel 5: Weisheitliche und prophetische Mahnungen Material zum Vergleich
135 140
142 143
8
Inhalt
Kapitel 6: D e u t e r o n o m i s c h e Paränese u n d prophetische nung
Mah-
Exkurs: Imperativ im Deuteronomium Kapitel 7: Traditonsgeschichtliche E r w ä g u n g e n z u r der Umkehr
160 163
Forderung
Exkurs: Außerbiblische Parallelen zu Hosea 6,1-3 Exkurs: Analogien zur religiösen „Umkehr" im Akkadischen Exkurs: Mahnungen zur Frömmigkeit im Alten Orient. . . .
169 181 189 194
Kapitel 8: Z u s a m m e n f a s s u n g u n d Ausblick
198
Literaturverzeichnis
200
KAPITEL 1
Einleitung: Die Fragestellung Die vorliegende Abhandlung wurde von der neueren Diskussion um die Mahnworte der Propheten angeregt 1 . Sie beabsichtigt keineswegs, die gesamte Problematik der prophetischen Mahnreden zu untersuchen. Es geht hier vor allem um form- und traditionsgeschichtliche Fragen, die m. E. noch nicht genügend beleuchtet worden sind. Trotzdem werden andere Aspekte des Themas ja nach Bedürfnis berührt. Die inhaltliche Seite der Problematik kann nie ganz außer Acht bleiben. Als Anfangspunkt der Diskussion stehen immer Fragen im Hintergrund, die durch die Berufungsvision Jesajas in unvergleichlicher Schärfe gestellt werden. Der Prophet wird zum Ermahnen beauftragt, aber was für ein Ermahnen kann das sein? „Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet es nicht! Sehet und merket es nicht! . . . damit sie sich nicht bekehren und genesen." (Jes 6,9 f.) Die beiden positiven Mahnungen „höret" und „sehet" werden scheinbar zugleich durch die entsprechenden negativen Mahnungen entkräftet 2 , und die nachfolgende Bestimmung des Zwecks scheint der negativen Hälfte der Mahnrede das Übergewicht zu verschaffen. Wenn man außerdem beachtet, daß derselbe Prophet Mahnungen ausspricht, die nach ihrem Wortlaut tatsächlich auf Umkehr und Heil zielen, ist die Paradoxie im Übermaß deutlich 3 . Man mag die Paradoxie dadurch auflösen wollen, daß zwischen unmittelbarem Ziel und „Fern-
1 Vgl. zuletzt die Dissertation von A.Vanlier Hunter: Seek the L o r d ! A Study of the Meaning and Function of the Exhortations in Amos, Hosea, Isaiah, Micah and Zephaniah, Baltimore 1982. Diese wichtige Studie kam mir erst in die Hände, nachdem meine eigene Arbeit praktisch abgeschlossen war. 2 Die Wahl der Verben erinnert an weisheitlichen Stil, vgl. die Tabellen unten Kap. 5. 3 B. Hollenbach erklärt Jes 6,9 f. als Ironie (Lest they should turn and be forgiven: Irony, B T 34/1983, 312-21).
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Einleitung
ziel" und zwischen Absicht und tatsächlicher Wirkung der prophetischen Verkündigung unterschieden wird 4 . Es kann auch gefragt werden, inwiefern die Verkündigung des einzelnen Propheten immer dasselbe Ziel verfolgt, ob es auch nicht an diesem Punkt Unterschiede unter den Propheten gebe usw. Unsere Untersuchung wird nicht das einzigartige Paradox von Jes 6,9 f. weiter behandeln. Trotzdem dürfen wir voraussetzen, daß die israelitischen Propheten gelegentlich oder öfter zur Buße gemahnt haben. Darüber herrscht in der alttestamentlichen Wissenschaft eine weitgehende Einigkeit. Die Gattung der prophetischen Mahnrede ist aber bisher wenig beachtet worden. Darum möchten wir hier eben der Form und Tradition der prophetischen Mahnrede besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Zunächst muß nun der Forschungsgeschichte unseres Themas nachgegangen werden. Dadurch wird sich klären, welche Texte als Grundlage der Untersuchung auszuwählen sind. Die Forschungsgeschichte wird aber auch Anhaltspunkte für Terminologie und Methodik der Untersuchung bieten. 4 Cf. C. Hardmeier: Jesajas Verkündigungsabsicht und Jahwes Verstockungsauftrag in Jes 6, in: FS H . W . W o l f f : Die Botschaft und die Boten, Neukirchen-Vluyn 1981, 235-51.
KAPITEL 2
Forschungsgeschichte Beim Durchgang der Forschungsgeschichte unseres Themas geht es um die verschiedenen Einsichten, unter denen die Bibelwissenschaftler die Umkehrverkündigung der israelitischen Propheten betrachtet haben. Es geht dabei sowohl um die inhaltliche Seite dieser Verkündigung, also um den Begriff oder - präziser - die Begriffe der Umkehr bei den Propheten, als um die formale Seite der Verkündigung, d. h. die Frage nach ihrer Ausdrucksseite, weil Form und Inhalt niemals ganz voneinander getrennt gesehen werden können. Der inhaltlichen Frage ist in der Forschung unseres Jahrhunderts einige Male gründlich nachgegangen worden, sie wird deshalb unten verhältnismäßig kurz berührt. Im folgenden Forschungsüberblick wird das Hauptgewicht auf die Frage nach Form und Tradition der Mahnrede gelegt, weil sie bisher einigermaßen vernachlässigt worden ist. Nur wenige Forscher haben sich um diese Problematik eingehend bemüht, und sie verdient eben deswegen unsere besondere Aufmerksamkeit. Der ethische Optimismus, das Sittlichkeitsideal und der lebensbejahende Fortschrittsgedanke des 19.Jahrhunderts machten sich auch in der alttestamentlichen Wissenschaft geltend. Bei Julius Wellhausen sind die Propheten im Grunde Männer im Dienste des religiösen und sittlichen Fortschritts. Ihre Verkündigung zielt auf eine innere und äußere „Reformation" ab und zeugt „nicht bloß das Gesetz ..., sondern auch noch die individuelle Religiosität" 1 . Wie bei Wellhausen treten die Propheten auch bei Hermann Gunkel als „Politiker" auf 2 . Freilich haben sie eine gewaltige Unheilsbotschaft, sie verkünden aber auch ein positives Ideal: „Die Zeit der Opfer und der heiligen Bräuche ist vorüber, die Religion streckt sich nach einer besseren Verehrung Gottes durch sittliches Handeln." 3 Eine solche Anschaung hat natürlich einen offenen Blick für die Mahnworte der Propheten, d.h. die Sprüche, die zum Handeln oder zur Bekehrung und Besserung auffordern. 1 J. Wellhausen: Israelitische und jüdische Geschichte, Berlin 3 1897, 144, vgl. auch 125 ff. und Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin 5 1899, 428. 2 H. Gunkel: Die Propheten, Göttingen 1917, 31 ff. 3 Op.cit.48, vgl. auch 51.
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Forschungsgeschichte
Bernhard Duhm sieht ebenso das Ziel der prophetischen Verkündigung als ein grundsätzlich positives an4, legt aber überaus großen Nachdruck auf den Unheilsinhalt der Schriftprophetie: „Denn sie sind Unheilsverkünder, sie entfachen nicht mehr wie einst den Kampfeseifer und die Siegeshoffnung, sie verbreiten den Schrecken." 5 In der alttestamentlichen Prophetenforschung wird die Aufmerksamkeit somit auf die Unheilsbotschaft gelenkt, die ein zentrales Thema der nachfolgenden Forschungsgeschichte wird. Rudolf Smend d.A. schätzt in seinem „Lehrbuch der alttestamentlichen Religionsgeschichte" 6 die Bedeutung der prophetischen Mahnungen erheblich geringer als üblich unter seinen Fachgenossen und hat im Zusammenhang damit Argumente geliefert, die jetzt in höherem Maße als damals in der fachlichen Diskussion mitspielen. Smend nimmt Abstand von der üblichen Meinung, „die Drohungen und Verheißungen der Propheten seien überall als einigermaßen bedingte zu verstehen" 7 . Man darf nicht damit argumentieren, daß die Propheten oft das ungehorsame Volk zur Bekehrung aufrufen, die Jahwe zum Abstehen von der in Drohungen angekündigten Strafe anleiten solle. Die Aufforderungen zur Bekehrung können „nicht ernst gemeint sein"8, weil „die Drohung als unwiderruflich bezeichnet" wird, wie z.B. bei Amos der Fall ist. „In der That ist eine bedingt ausgesprochene Weissagung gar keine Weissagung, sondern hölzernes Eisen", fügt Smend dazu. Die Aufforderungen zur Umkehr können deshalb auch nicht in Ernst ausgesprochen sein, denn die Propheten „wußten wohl, daß sie nicht eintreten könne" 9 . Der „zarte" Hosea z. B. „fragt nach der Möglichkeit einer Bekehrung, aber ihre Unmöglichkeit ist ihm aus inneren Gründen gewiss."10 Das Volk bleibt unverbesserlich. Von Jesaja 11 und Jeremia 12 wird Ahnliches verkündet. Warum waren diese Mahnungen nötig? Nach Smend „entspringt" die Aufforderung zur Bekehrung „theils dem menschlichen Mitgefühl der Propheten mit ihrem Volke, theils aber auch dem Verlangen, die
4 S. z. B. Die Gottgeweihten in der alttestamentlichen Religion, Vortrag, Tübingen 1905, 19f.; Die Theologie der Propheten, Bonn 1875, 89. 103. 123 et passim. 5 Israels Propheten, Tübingen 2 1922, 90. ' Freiburg i.B. 2 1899. 7 Op. cit. 191. 8 Cf. hier und zum folgenden ibid. 191. 9 Ibid. 191 vgl. 194: „Sie ermahnen zur Bekehrung, aber sie wissen wohl, wie wenig das Volk zu wahrer Umkehr geneigt ist. Für jetzt ist dieser Ausweg auch deshalb abgeschnitten, weil die Strafe unausbleiblich ist." 11 Ibid. 210, vgl. auch 215 f. 11 Ibid. 222. 12 Ibid. 246 ff.
Forschungsgeschichte
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Verantwortlichkeit des Volkes gegenüber dem kommenden Gericht zu steigern" 13 . Erst mit der Zerstörung Jerusalems und damit der Erfüllung der prophetischen Strafpredigt eröffnet sich die wirkliche Möglichkeit der Umkehr. Erst nach dieser Katastrophe darf sich Ezechiel um „die endliche Bekehrung des Volkes" bemühen, „eine praktische Aufgabe der Gegenwart, die er selbst mit Ernst und Umsicht angriff" 14 . Einen ebenso taktvollen wie entscheidenden Widerspruch zur Position Smends liefert John Skinner in seiner Monographie über Jeremia 192215. Weil die Entgegnung Skinners so genau auf die Gedanken Smends abgestimmt ist und weil seine Bereitschaft, über den Inhaltswert der prophetischen Mahnungen zu diskutieren, fast beispiellos16 ist, wird bereits hier darüber berichtet, obwohl es die chronologische Ordnung etwas aufbricht. Skinner beschreibt das sachliche Problem so: „Das allgemeine Problem entsteht aus der Frage, ob die Gerichtsankündigungen der Propheten konditional oder absolut gemacht worden sind. Es ist klar, daß die Propheten nicht bloß Wahrsager waren, die kassandraähnliche Voraussagen des bevorstehenden Unglücks geäußert haben. Sie waren Verkündiger der Gerechtigkeit .. ,"17 Er führt die verschiedenen Meinungen der Forscher auf „die verschiedene Betonung der zwei Aspekte des prophetischen Bewußtseins" zurück 18 . Unter diesen beiden Aspekten versteht Skinner a) die „Vorahnung" des kommenden Unheils und b) das sensible Empfinden der moralischen Verkehrtheit des Volks 19 . Je nachdem sehen die Gelehrten die Propheten allein als Unheilsankündiger und reduzieren die Bedeutung
13
Ibid. 191. Ibid. 307, vgl. 310 f. 15 Prophecy and Religion, Cambridge 1922, Ch.V. (auch in vielen unveränderten Nachdrucken herausgegeben). 14 Skinner bezieht sich (op.cit. 75.78) in seiner Darstellung vornehmlich auf Smend, A.B.Davidson, Buttenwieser (1914) und Giesebrecht (1897). Bei G.A.Smith: Jeremiah. Baird Lectures, Aberdeen 1922, sucht man vergebens eine gründliche Diskussion, die mit der von Skinner vergleichbar wäre, obwohl der Verfasser die Vorlesungen Skinners kennt und benutzt. Das Niveau der Studie von Giesebrecht ist jedoch sehr hoch und ruft bei Skinner volle Anerkennung hervor (Skinner op.cit.78). Die Arbeiten von Davidson und Buttenwieser über die alttestamentliche Prophetie waren mir leider nicht zugänglich. 17 Op.cit.75. 18 Ibid. 76. Man beachte die psychologische Terminologie, die in der fachlichen Debatte eine wichtige Rolle spielt. F. Giesebrecht nimmt „zum Zustandekommen der Weissagung eine Wechselwirkung zwischen Vorahnung der Zukunft und sittlichem Urteil über das Volk" an (Die Berufsbegabung der alttestamentlichen Propheten, Göttingen 1897, 85. Widerspruch gegen Smend 81 ff.). " Skinner op.cit.53. 14
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Forschungsgeschichte
ihrer Mahnungen zu einem der prophetischen Berufung unwesentlichen „Ausfluß rein menschlichen Gefühls" 20 , zu nur rhetorischen Figuren, oder sie sehen die Hoffnung auf Umkehr und das durch sie bedingte Heil als die einzige und eigentliche Botschaft der Propheten. Statt dessen sucht Skinner eine via media: „Von diesen entgegengesetzten Theorien darf man sagen, daß jede richtig ist in dem, was sie bejaht, und falsch in dem, was sie verneint. Es ist wahr, daß die Propheten unqualifizierte Voraussagen des Gerichts über ihre Nation aussprechen, und es ist ebenso wahr, daß sie die Hoffnung auf Heil unter der Bedingung der echten Buße hochhalten. Es ist aber willkürlich zu behaupten, daß nur die eine dieser Haltungen ihre wirkliche Meinung repräsentiere, während die andere nur ein rhetorischer Ausdruck vorübergehender Reflexionen sei, die nicht nur Substanz ihrer Botschaft gehören." 21 Man müßte auch damit rechnen, daß die Propheten jeder für sich eigene Ansichten hegen könnten und daß derselbe Prophet im Laufe der Zeit seine Ansichten änderte oder neue Anschauungen entwickelte 22 . Nur ein genaues Textstudium vermag solche Verhältnisse bloßzulegen, und was Jeremia betrifft, beobachtet Skinner eine Entwicklung: In jungen Jahren hat Jeremia auf die Reue des Volks und das daraus folgende Ausbleiben der Strafe gehofft. Dennoch hat er auch von Anfang an das Zugrundegehen der Nation als unabwendbar gesehen. Später hat er die Unmöglichkeit der Buße unter den damaligen Umständen eingesehen 23 . Skinner möchte somit wohl sagen, daß die alttestamentliche Prophetie sich abwechselnd „konditional" und „apodiktisch" ausspricht, ohne daß der einzelne Prophet einen logischen Ausgleich zwischen diesen Gegensätzen zu finden bewußt versucht habe. Smend und Skinner haben eine inhaltliche Problematik bei der prophetischen Mahnrede präludiert, die erst um die Mitte unseres Jahrhunderts in der Forschungsgeschichte wiederbelebt wird, dann aber unter neuen, formgeschichtlichen Voraussetzungen. Hugo Greßmanns Einleitung zum Amosbuch (1910)24 enthält einige kurze Bemerkungen über die prophetischen Mahnworte. Er behauptet25, sie seien selten, bei Amos nur zweimal belegt, und die Propheten legen darauf „nur wenig Gewicht". Wahrscheinlich meint Greßmann, daß das prophetische Mahnwort ursprünglich keine selbständige Gattung sei: „Ursprünglich waren sie (die Mahnworte) als die Bedingung,
20 21 22 23 24 25
Ibid. 77. Ibid. 77. Ibid.78. S. ibid. 87 f. (Folgerungen aus der Analyse von Jer3). Die Schriften des Alten Testaments 1/2, Göttingen 1910, 322 ff. Op.cit. 325f.
Forschungsgeschichte
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auf Grund deren das Heil kommen könne, den Verheißungen hinzugefügt, erst später sind sie von ihnen losgelöst und selbständig geworden." Greßmann glaubt also, daß das Mahnen ein bedingendes Element der Heilsverkündigung darstellte und erst nach und nach selbständig werde. Aber warum ist es dann am Anfang „hinzugefügt"? Bezeichnet dies nicht doch, daß es am Anfang ein zumindest teilweise selbständiges Mahnen gibt? Unsere Fragen an Greßmann gehen vielleicht zu weit und werfen Probleme auf, mit denen er sich erst gar nicht zu beschäftigen versucht hat. In einem Aufsatz über „Die literarische Analyse Deuterojesajas" 26 behauptet Greßmann erneut die häufige Verbundenheit des Mahnwortes mit der Verheißung 27 . Bei Dtjes findet er nur eine „selbständige Mahnung" 28 : Jes 55,6-7. „Uberall sonst sind die Mahnworte mit anderen Gattungen verbunden'*': 44,21 f.; 48,18 a; 50,10. Ein Zweifelsfall ist 55,1-3 30 . Übrigens rechnet Greßmann 45,18-25 als „Gerichtswort", das „in das Missionsmotiv übergeht" 31 . Greßmanns einseitige Verknüpfung von Verheißung und Mahnung läßt sich nachweislich nicht durchführen. Der Vater der alttestamentlichen Gattungsforschung, Hermann Gunkel, entwirft ein viel ausgewogeneres Bild dieses Sachverhältnisses. Gunkel hat (1915) sehr treffende Beobachtungen zur prophetischen Ermahnung gemacht. Er behauptet, daß sich die Schriftpropheten vom ,Vielleicht' des Arnos aus „... dennoch vom Drohen und Schelten langsam dem Mahnen zugewandt" haben 32 . „Freilich blieb den Unheilspropheten die Drohung und das Schelten stets ihr erstes Wort; aber daneben haben sie allmählich begonnen, die Mahnrede, die Bußpredigt zu pflegen." Daß es bei den Propheten „die furchtbaren ironischen Mahnungen" gibt (Am 4,4; Jer 7,21), ist gewiss. „Aber zuweilen bricht die ernsthafte Mahnung doch auch schon bei den Alteren durch": Am 5,4-6; 5,15 usw. Zur näheren Beschreibung der Form der Mahnungen sagt Gunkel: „Solche Mahnworte sind, je nach der Grundrichtung der Propheten oder je nach der verschiedenen Lage der Zeit, mit Verheißungen oder mit Drohungen oder mit beidem zugleich verbunden. ... Der Stil der Mahnrede ist z.T. poetisch, z.T. aber - Besonders bei Jeremia - Prosa".
24 27 28 29 30 31 32
ZAW34/1914, 254-97. Art.cit. 273. Ibid. 273. Ibid. 274. Ibid. 275. Ibid. 278 f. Die Schriften des Alten Testaments II/2, Göttingen 1915, LXVI.
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Forschungsgeschichte
Ferner haben sich die Propheten die Gattung der priesterlichen Tora „angeeignet und dienstbar gemacht" 33 , auch in ihrem Mahnen. In der Forschungsgeschichte nach Gunkel hat sich der Schwede Gunnar Hylmö besonders eingehend mit den prophetischen Mahnungen befaßt. Seine Abhandlung über „den Stil der alttestamentlichen Prophetenbücher" 34 wurde in schwedischer Sprache veröffentlicht und deshalb nicht so bekannt. Nach einer Ubersicht zur Gattungsforschung der prophetischen Redearten 35 schlägt er eine eigene Einteilung der' prophetischen Gattungen vor, jedoch ohne objektive Kriterien dafür anzugeben36: „Die prophetischen Aussagen teile ich in drei Hauptkategorien ein", nämlich in: A. eigentlich prophetische, B. lyrische, C. didaktische Gattungen. Zu A. gehören 1. die Zukunftsaussage oder das Orakel, 2. die Strafrede (u.a. Am 1,3.6; Hos 2,4f.; 6,4-6; 7,3-7.8-10), 3. die Mahnrede - auch hier führt Hylmö Hos 6,4-6 auf, außerdem Jes 1,19f.; 7,9b; 28,16; 30,15-17; 44,21 f.; 48,18a; 55,6f.; 59,9b.l0a; Jer 18,1-12; 23,22; 26,2ff.; Ez 18,30f.; Hos 10,11-13 a; Am 5,4-6.14 f.; Hag 2,4 f.; Sak 1,3 f.; Mal 3,22 (S.17). Er unterscheidet unter diesem Punkt zwischen „selbständigen Mahnreden" und Mahnreden, „die mit anderen Gattungen zugehörenden Aussagen vereinigt sind". Zur ersten Gruppe zählen u.a. Jes 55,6f.; 57,14; Mal 3,22, zur letzten z.B. J e s l , 1 9 f . ; 28,16; 30,15-17; Jer. 18,1-12; Ez 18,30f.; Am 5,4-6. Unter „den eigentlichen prophetischen Gattungen" führt Hylmö schließlich 4) „die prophetische Rechtsentscheidung oder Tora" auf: Jes 1,10-17; 5,24; 58,6f.; 66,1-4; J e r 6 , 1 6 - 2 0 ; 7,21-28; Ez 18,5-9; 18,10-13; Am 5,21-25; Hos 6,6 (sie!); Hag 2,11 f.; S a c h 7 , l - 7 ; 8,16f.; 18f. Unter der Hauptkategorie B. wird die für unseren Zweck interessante „liturgische tora" (Jes 33,10-13; Mi 6,6-8) erwähnt. Daß diese Einteilung sich teilweise auf subjektive Kriterien gründet, geht daraus hervor, daß ein und derselbe Text in verschiedenen Untergruppen auftauchen kann. Hylmö gibt gelegentlich zu, daß ihm die Zuordnung einzelner Texte zu verschiedenen Gruppen Schwierigkeiten
33 34
Ibid. L X V I I I . Studier över Stilen i de gammaltestamentliga profetböckerna (LUÄ 1/25), Lund
1929. 35 36
Op.cit. 8 - 1 6 . Ibid. 16.
Forschungsgeschichte
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bereitet ( S . 9 5 . 1 1 5 , S.98: über Am 5,23 sagt er, daß „diese thora wie eine Mahnrede klingt . . . " ) . Im Unterschied zu Gunkel sondert Hylmö die prophetische T o r a von der Mahnrede ab, weil sie offensichtlich Stilelemente aus der priesterlichen und liturgischen T o r a verarbeitet 37 . Hylmö hat keine grundsätzliche Überlegungen zur Abgrenzung der verschiedenen prophetischen Gattungen voneinander angestellt. Sein Verfahren scheint eine intuitiv und subjektiv modifizierende Fortführung der vorhergehenden Gattungsforschung zu sein. Seine Beschreibung der stilistischen Einzelheiten der verschiedenen Gattungen ist trotzdem im allgemeinen erfreulich genau und sehr ausführlich. In der „Mahnrede" beobachtet er die zeitweilige Häufung von Imperativen 38 , den Gebrauch von Infinitiven und Bedingungssätzen 39 usw. In der prophetischen „Rechtsentscheidung" bemerkt er den Gebrauch vom sakralen apodiktischen Stil, er beobachtet in anderen Texten Vk + Jussiv, Perf. cons., -DK, -n, den Wechsel von der zweiten zur dritten Person usw. In seiner ebenfalls in schwedischer Sprache abgefaßten „Literaturgeschichte des Alten Testaments" 4 0 wiederholt Hylmö die meisten Aussagen seiner Studie von 1929, führt nun aber einen anderen Gesichtspunkt an: „Durch Jeremia und später bei Ezekiel und dessen Nachfolgern ist die Mahnrede zu einer selbständigen Gattung geworden" 4 . Bei „selbständig" scheint er nicht an die gattungsgeschichtliche Stellung, sondern an die „Rangstellung" der Mahnrede zu denken, wie der vorhergehende Satz nahelegt: „Durch Jeremia hat die Mahnrede einen besonderen Rang erhalten" 42 . Konrad Beyer behauptet in seiner Dissertation 1933 die Ergebnisse Hylmös „im wesentlichen" vorauszusetzen 43 , scheint aber mehr im Geiste Gressmanns das Mahnwort für „nur einen Zusatz zum (Propheten-) Spruch" als dessen Bedingung anzusehen 44 . Das Mahnwort ist nach der Ansicht Beyers also eine dem Ganzen untergeordnete Erweiterung. Das prophetische „Zukunftswort" ist „die Keimzelle, die kürzeste Form der prophetischen mündlichen Verkündigung" und an sich „selbständig" 45 .
» " 39 40 41 42 43 44 45
Ibid. 91 f. Ibid. 87. Ibid. 89. Gamla testamentets litteraturhistoria, Lund 1938. Op.cit.93. Ibid. 92, vgl. seine „Studier" 1929, 84. Spruch und Predigt bei den vorexilischen Schriftpropheten, Erlangen 1933, 15. Ibid. 41, vgl. 50 f. Ibid. 25.
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Forschungsgeschichte
Um diesen „selbständigen Spruch" herum gruppieren sich andere Worte verschiedener Gattungen 46 . Einen Neuanfang der Studien über die Form der prophetischen Mahnungen bedeutet R.B.Y. Scotts Aufsatz von 195 047. Obwohl explizite Hinweise auf die Fachliteratur hier fast ganz fehlen, und obschon damit die forschungsgeschichtliche Einschätzung dieses Beitrags erschwert wird, ist sein sachliches Gewicht durch die sorgfältige Analyse des Verfassers deutlich. Scott unterscheidet innerhalb Jes 1-39 „vier primäre Formen (primary forms) des Prophetenspruchs: Drohung (Threat), Scheltrede (Reproach), Verheißung (Promise) und Mahnung (Exhortation). Drohung und Scheltrede sind bei Jesaja am zahlreichsten vertreten 48 . Die vier Spruchtypen (oracle types) haben charakteristische Züge, aber auch je für sich eine erstaunliche Fähigkeit zur Variation, die der systematischen Analyse eine Grenze setzt 49 . Die Gattung der „Mahnung" wird nicht ausdrücklich definiert. Es wird aber vorausgesetzt, daß ihr hervorragendes Merkmal die Aufforderung (exhortation, positive vs. negative command/injunction) in irgendeiner Form ist50. Sie wird teils mit Verheißungen (Jes 7,4-6; 10,24), teils mit einer Drohung (8,12 f.) und auch mit der Scheltrede (1,16 f.) kombiniert. Nach Scott besteht also das Mahnwort aus zwei Elementen: 1. Aufforderung(en) 2. erklärenden Sätzen, die anklagen, drohen oder verheißen. Die Beschreibung des Mahnwortes ist kurz und wenig differenziert. Sie übertrifft kaum die entsprechende Gattungsanalyse bei Gunkel, stellt jedoch die ernste Bemühung dar, die Gattungsforschung auf das protojesajanische Korpus anzuwenden. Ein Beispiel der Unzulänglichkeit der Analyse Scotts ist Jes 10,24, das nach Begrich51 als Heilsorakel zu bezeichnen ist. Es müßte also genauer abgegrenzt werden, was unter „Mahnung" zu verstehen ist. Es könnte nämlich verschiedene Arten der Mahnung geben, d. h. verschiedene Gattungen der Mahnrede.
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Ibid. 25 ff. 41.49. The Literary Structure of Isaiah's Oracles, in: FS Th. H. Robinson: Studies in Old Testament Prophecy, Edinburgh 1950, 175-86. 41 Ibid. 176. Die vier Klassen der Orakel werden ohne nähere Diskussion vorausgesetzt. 49 Ibid. 197, vgl. 183. 50 Ibid. 182 f. 51 Das priesterliche Heilsorakel (1934), jetzt in: Ges.St.ThB2!, 217ff. 47
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Ungefähr gleichzeitig mit Scott hat H.W. Wolff einen anregenden Aufsatz geschrieben52, der die Mahnrede der Propheten im Lichte der grundsätzlichen Frage nach dem Inhalt ihrer Verkündigung über die Umkehr Israels betrachtet: „Das Thema .Umkehr' überhaupt nicht in der Mahnrede erscheint" 53 . Diesem Befund entspricht die Tatsache, daß in der Sicht der Propheten „Umkehr keine reale Möglichkeit für Israel" ist54. Darum sei Umkehr als Gegenstand der Verkündigung nur in Scheltwort, Drohwort und Heilswort möglich, „aber nirgends in einer vermahnenden Bußansprache" 55 . Man fragt sich unwillkürlich, ob nicht Umkehr ein Ziel der prophetischen Mahnrede sein könnte, oder hat es nach Wolff am Anfang keine prophetische Mahnrede gegeben? Nach Wolff dringt das Thema .Umkehr' erst mit Jeremia „ins Mahnwort hinein" 56 , und zwar soll es damit so bewandt sein, „daß das Wort von der (sc. dem Ruf zur) Umkehr bei Jeremia in der Regel in .unbedingten Heilssprüchen' erscheint" 57 . Weil das Heil in der Verkündigung Hoseas und Jeremias nicht von der Umkehr Israels bedingt ist, sondern weil - umgekehrt - das von Jahwe angekündigte Heil als Voraussetzung und Begründung der Bekehrung steht, folgert Wolff, daß der Ruf zur Umkehr formgeschichtlich aus dem Heilswort abzuleiten sei. Der Ruf zur Umkehr hat somit seine „formgeschichtliche Deszendenz ... vom Heilsspruch, nicht vom Scheltwort her" 58 . Die Mahnung zur Umkehr steht sozusagen nicht auf eigenen Füßen. Sie muß immer im Zusammenhang mit dem Heilswort betrachtet werden. Sie „bleibt auch in der späteren Prophetie getragen, mindestens begleitet, vom Heilswort" 59 . Wie schon durch Fragezeichen angedeutet, lassen sich aus späterer Sicht an diesem Aufsatz eine gewisse Unklarheit und eine damit verbundene Einseitigkeit ersehen. Der Mangel besteht in der fehlenden Definition der Gattung .Mahnrede', die zu einer weiteren Vermischung von Form- und Inhaltsfragen führt. So überzeugt das von Wolff angeführte Beispiel 60 Jer 3,12 nicht. Nach Wolff ist der Vers ein „unbedingter Heilsspruch" mit Ruf zur Umkehr. Formal liegt hier etwas mehr vor als ein Heilsspruch. Die bloße Verkündigung des Heils ohne Aufforderung zur Bekehrung kommt auch sonst oft genug vor. Vielmehr moti52 Jetzt in H.W.Wolff: Ges.St.ThB22, 130-150. Vgl. zum folgenden auch L.Markert/G.Wanke: Die Propheteninterpretation, KuD 22/1978, 191-220, J.M.Schmidt: Ausgangspunkt und Ziel prophetischer Verkündigung im 8.Jahrhundert, VuF 22/1977, 65-82 und K.A.Tängberg: Var Israels „klassiske" profeter botspredikanter?, TTK 50/1979, 93-105. 54 " Op.cit. 138. Ibid. 140. 55 56 Ibid. 140. Ibid. 141. 57 Ibid. 143. ss ibid. 144. 59 Ibid. 145. Ibid. 143.
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viert hier die Heilsansage eine Mahnung zur Umkehr, was auch durch signalisiert wird. Die übergeordnete Gattung ist also die Mahnung, die durch das Heilswort begründet wird. Daß die Mahnung zur Umkehr nicht als eine strenge Forderung, ein Gebot, sondern als gnädige Einladung und heilvolles Angebot zu verstehen ist, ist ein anderer Sachverhalt der sich aus dem Inhalt der einzelnen Aussagen und nicht aus der formalen Bestimmung der Gattung erklären läßt. Ähnliches muß auch bei anderen Beispielen Wolfis festgestellt werden. In einem späteren Aufsatz 61 wiederholt Wolff seine Auffassung zum Thema Umkehr und betont u. a., daß in der älteren Prophetie der Herr nirgendwo „eine Mahnpredigt befohlen habe"". An diesem Punkt muß aber auch mit der Spärlichkeit der Überlieferung hinsichtlich der Berufungen der Propheten gerechnet werden. Der Berufungsbericht Jesajas ist außergewöhnlich ausführlich, und die aufs äußerste zugespitzte Formulierung des Auftrags Jes 6,9 hat zumindest die Form der Mahnung. Wenn auch „die Masse der überlieferten Prophetenworte" 63 Schuld und kommendes Gericht verkündet, bleibt jedoch ein Rest von Mahnworten übrig, was auch Wolff zugibt. Diese Mahnworte reichen wohl nicht aus, um als das einzige Zentrum, „das Wesentliche und die verschiedenen klassischen Propheten hinsichtlich ihrer Botschaft Verbindende" 64 zu gelten, die positive Folgerung Wolfis lautet aber: „Das Prophetenwort als Anbahnung der Konfrontation mit Jahwe verstanden, setzt Israel nicht einem blinden Fatum von Geschichtsfakten aus, sondern schließt in begrenzter Weise einen Ruf zur Umkehr ein Dieses Ergebnis impliziert vermutlich, daß nicht das völlige Fehlen der Mahnung, sondern ihre Spärlichkeit ein Grundzug der klassischen Prophetie Israels ist. Ursache und Ausmaß dieser Spärlichkeit werden sicher als Diskussionsthemen die zukünftige Forschung weiter beschäftigen. Damit ist der Kritik T. M. Raitts an der Position Wolfis vorgegriffen worden. Im Aufsatz „The Prophetie Summons to Repentance" 66 , der auf seiner Dissertation 67 von 1964 basiert, befaßt sich der Amerikaner 61 Die eigentliche Botschaft der klassischen Propheten, in: FS W. Zimmerli, Göttingen 1977, 547-57. 62 Art.cit.549. " Ibid. 549. 64 Ibid. 550. Warum muß nur mit einem Zentrum der prophetischen Botschaft gerechnet werden? Ist sie eigentlich einpolig? 65 Ibid. 556. 66 ZAW 83/1971, 30-49. 67 T. M.Raitt: The Concept of Forgiveness in the Pre-Exilic Prophets in Relation to Its Form-Historical Setting, Vanderbildt University 1964. Die Ph. D. Dissertation ist mir während meiner Arbeit leider nicht zugänglich gewesen. Vgl. ders.: A Theology of Exile. Judgement/Deliverance in Jeremiah and Ezekiel, Philadelphia 1977 (Ch.II).
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Thomas M. Raitt intensiv mit der Form der Mahnung zur Umkehr, die in der Forschungsgeschichte „überraschend wenig beachtet worden ist"68. Vor Wolff nennt er Steuernagel, Hempel und Lindblom, die nur beiläufig über die Form der „Mahnung" oder der „Bußrede" sprechen. Wie unsere Ubersicht oben zeigt, gibt es jedoch mehrere Stellungnahmen zu dieser Frage in der Geschichte der alttestamentlichen Wissenschaft. Raitt behält doch darin grundsätzlich recht, daß die Bearbeitung dieser Frage bisher vielfach vernachlässigt worden ist. Er selbst liefert einen konstruktiven Beitrag dazu. Zunächst beschreibt Raitt die Struktur der Mahnung zur Umkehr an ausgewählten Beispielen: Ihre konstitutiven Elemente sind: 1 .Teil: „Appeal" (Appell), der meistens Botenformel und/oder „Vocative" (Vokativ, d.h. Nennung des/der Angeredeten) enthält. Das wichtigste Element im Appell-Teil ist die Aufforderung selbst („Admonition"), die meistens in der 2. Person Plural ergeht. 2. Teil: „Motivation", die sich aus den Grundelementen Verheißung, Drohung und Anklage zusammensetzt. In 24 von 29 Fällen wird die Aufforderung zur Umkehr mit sowohl positiver (Verheißung) als negativer Motivation (Drohung und/oder Anklage) begründet 69 . Weil beides, Negatives und Positives als Motivation regelmäßig vorkommt, kann Raitt gegen Wolff behaupten, daß es schon deswegen „unmöglich ist, die Mahnung zur Umkehr entweder dem Gerichtswort oder dem Heilswort einzugliedern" 70 . Nach der Analyse der einzelnen Mahnworte beschreibt Raitt ihr Vorkommen in verschiedenen literarischen Zusammenhängen. Dabei wird festgestellt, daß Mahnworte in erzählende Abschnitte als Zitate, aber auch in größere Einheiten anderer Art eingefügt werden. Tatsächlich treten aber Mahnworte als freistehende, unabhängige literarische Einheiten auf 71 : Am 5,4f.; 14f.; Jer 3,12f.22a; 4,1 f.; 3f. Die Authentizität dieser Worte wird im allgemeinen nicht bezweifelt. Die Mahnung zur Umkehr ist folglich eine vom Anfang an „separate and unique speech-form" 72 . Gegen Wolff lautet dann die Hauptthese: „Es genügt nicht, den prophetischen Ruf zur Umkehr dem Unheilsoder Heilsorakel ein- und unterzuordnen. Vielmehr stützen strukturelle und historische Hinweise die Behauptung, daß die Mahnung zur Umkehr eine unabhängige Redeform darstellt." 73 Weiter fragt Raitt, wo diese selbständige Redeform ihren Ursprung hat, und kommt zu dem Ergebnis, daß sie aus dem Kult der Bundeser" 70 72
Op.cit. Z A W 83/1971, 30. Ibid. 36. Ibid. 33.
" 71 71
Ibid. 36. Ibid. 37 f. Ibid. 48.
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neuerung stammt (unter Hinweis auf Ex 19,5 f.; Jos 24,20 f.; 1 Sam 7,3; l K ö n 18,21; Dtn 28,1-15). Das größte Verdienst des Aufsatzes von Raitt besteht darin, daß er durch genaue Formanalyse eine neue weiterführende Anregung zur Untersuchung der Mahnung zur Umkehr als eigener Gattung gegeben hat. In unserer Abhandlung werden wir versuchen, den von Raitt eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Auf die Untersuchung Raitts sind nur wenige Studien gefolgt, die die Form der prophetischen Mahnungen in den Vordergrund rücken. Es gibt aber in verschiedenen Monographien und Aufsätzen hier und da fruchtbare Ansätze zur Reflexion darüber. H . H . Wolff hat in der Monographie „Arnos' geistige Heimat" 74 die Aufmerksamkeit auf die Verwandtschaft der Sprache des Arnos mit weisheitlichen Redeformen gelenkt. Er sieht eine mittelbare Verbindung durch „die mündliche Tradition der alt-israelitischen Sippenweisheit" 75 auch mit Bezug auf die Mahnrede bei Arnos76. Die skizzenhaften Ausführungen Wolfis sind zur weiteren Entfaltung gekommen in der Dissertation seines Schülers A. A. Sitompul: „Weisheitliche Mahnsprüche und prophetische Mahnrede im Alten Testament", Mainz 196777. Hier wird der Vergleich zwischen weisheitlichen und prophetischen Mahnungen folgerichtig vorgenommen. Zuerst beschreibt Sitompul die „Mahn- und Warnsprüche" in den älteren Schichten des Proverbiabuches 78 . Die Analyse der einzelnen Mahnworte der Proverbien führt zum Hauptergebnis, „daß diese sich grob in drei Gruppen gliedern lassen: 1. in einfache Mahn- und Warnworte, 2. solche mit Tatfolgeaufweis und 3. solche mit zugefügtem Begründungssatz" 79 . Obwohl die reine Mahnung ohne Zusätze vorkommt, ist der Hinweis auf die Folge der Tat „immer mitzudenken" 80 . Die Grundform des weisheitlichen Mahnworts muß somit zweigliedrig sein: Mahnung/ Warnung mit Tatfolgeaufweis. Diese Struktur liegt den anderen Formen zugrunde. Der Begründungssatz erweist sich als eine Abwandlung des Tatfolgeaufweises. 74
W M A N T 1 8 , Neukirchen-Vluyn 1964. Op. cit.61. Es ist das Erklärungsmodell von E. Gerstenberger. 76 Ibid. 30-36. 77 In dieser Abhandlung spielt, wie der Untertitel anzeigt, auch der Vergleich mit den „Mahnungen im Leben der Tobabatak auf Sumatra" eine wichtige Rolle, auf die hier nicht eingegangen werden kann. 78 Op.cit. 60-124. 79 Ibid. 120. 80 Ibid. 121. 75
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Bei den Mahnworten der Propheten des 8.Jahrhunderts findet Sitompul eine formale Struktur, „die nicht wesentlich" von der weisheitlichen unterschieden wird 81 . Die Mahnworte der Propheten sind nach Sitompul vorwiegend durch weisheitliche Einflüsse geprägt, zeigen aber Spuren anderer Einflüsse, z. B. aus Kriegssprache, juridischen Redeformen und dem priesterlichen Unterricht (Tora). Inhaltlich sind die prophetischen Mahnworte jedoch grundsätzlich von denen der Weisheit unterschieden, da sie ihren Sitz im Leben in der „Autorität des Propheten im Unterschied zum Lehrer oder Altesten" haben 82 . Sitompul meint die formgeschichtliche Sicht Wolfis bestätigt zu finden, daß das Mahnwort bei den Propheten „nur eine dienende Funktion" habe und „stets Teil eines größeren Ganzen" sei83 - meistens in Gerichtsworten. Wolfgang Richter hat dem weisheitlichen Mahnwort eine Studie gewidmet: „Recht und Ethos. Versuch einer Ortung des weisheitlichen Mahnspruches", München 196684. Dies ist vermutlich die erste Monographie über dieses Thema und in unserem Zusammenhang von Belang durch ihre Entwicklung von Mitteln der formalen Beschreibung des Mahnworts sowie durch ihren weiten Uberblick über fast das gesamte Vergleichsmaterial im Alten Testament. Seine durchgehende Verwendung von „Vetitiv"85 als Bezeichnung des (mit Vx) verneinten Jussivs hat sich bei der Beschreibung der Mahnworte und sonst auch als praktisch anwendbar erwiesen. Die Grundform des weisheitlichen Mahnspruchs wird folgendermaßen beschrieben 86 : 1. Warnung oder Mahnung (Vetitiv, Imperativ), 2. Motivierung ('D, Asyndese, JD). Obwohl das Muster ziemlich streng eingehalten wird, gibt es daneben auch freier gebildete Mahnsprüche, die das zweigliedrige 87 Schema ausbauen oder es auch auf andere Weise variieren. Richter nimmt weisheitlichen Einfluß auf die Form der prophetischen Mahnrede an, weil ihr die Gattung des weisheitlichen Mahnspruchs vorgegeben war, was auch daraus zu entnehmen ist, daß die Propheten mitunter weisheitliche Weisungen zitieren (Jer9,22; Mi 7,5 f.). 81
Ibid. 152. Ibid. 153. " Ibid. 152. 84 Die Studien Richters und Sitompuls sind sicher unabhängig voneinander ausgearbeitet. 85 W.Richter: Recht und Ethos, 17.38.68ff. 86 Ibid. 39. 87 Darin stimmen die Formbestimmungen Richters und Sitompuls überein. 82
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Über das Vorkommen der weisheitlich geformten Mahnungen bei den Propheten sagt der Verfasser: „Viel weniger verbreitet als in den Psalmen kommt die hier behandelte Form bei den Propheten vor. Dabei tritt sie in den kleinen Propheten ganz vereinzelt auf, selten auch bei Jesaja und Ezechiel, dagegen häufiger bei Jeremia und auch bei Deutero-Jesaja, während sie kaum bei Trito-Jesaja begegnet. Dabei treten auch hier gern Imperative und Vetitive zu Zweiergruppen zusammen ..." 88 Dabei subsumiert Richter sogenannte „Aufmerkrufe" 89 unter die Mahnsprüche. Das wirkt nicht einleuchtend, wenn man bedenkt, daß Aufmerkrufe sehr oft eine einleitende und dadurch ganz beschränkte Funktion haben, die nicht mit der der über allgemeine Lebensfragen unterrichtenden Mahnsprüche identisch ist. Überhaupt sortiert Richter das Material ziemlich ausschließlich nach einigen wenigen Formkriterien, vor allem nach der Gegenüberstellung von Vetitiv/Prohibitiv, was zur Vernachlässigung anderer Gesichtspunkte führt, wie die nachfolgende Kritik angezeigt hat. Treffend hat E. Gerstenberger bemerkt, daß „heavy reliance upon grammatical criteria alone will inevitably lead to neglecting the life setting of the type of speech in question" 90 . Auch Gebete enthalten Vetitive und Imperative. Eine Gattung wird nicht nur von einem, sondern von mehreren sowohl formalen als inhaltlichen Zügen konstituiert. Es kommt nicht auf die Einzelheit, sondern auf die Ganzheit an, wie es die klassische Definition einer Gattung bei Gunkel voraussetzt. Wie A.J. Björndalen auf sprachwissenschaftlicher Grundlage überzeugend dargestellt hat 91 , ist eine absolute Trennung zwischen Form und Inhalt bei der Beschreibung der Gattungen, die Richter anstrebt, ganz unmöglich 92 . Auch „formale" Kategorien wie Vetitiv und Imperativ haben semantische Komponenten, tragen semantische Information, wie abstrakt auch immer. Björndalen vermißt bei Richter eine Beschreibung der „Deixis" des Mahnspruchs. Wir möchten aus seiner sprach-
•» Ibid. 54. 89 S. auch ibid. 39. 90 Review in JBL 86/1967, 489-91.490. Ähnlich bei Raitt ZAW 83/1971, 45. Eine ausführliche Kritik gibt B. Mogensen: Israelitiske leveregler og deres begrundelse (Israelitische Lebensregeln und ihre Begründung), Köbenhavn 1982, 209-21, der betont, daß eine „Lebensregel" von einer situationsbedingten Mahnung wesentlich verschieden ist trotz ihrer gemeinsamen Formensprache (z.B. 1 Sam 1,16; 9,20). 91 A.J. Björndalen: .Form' und .Inhalt' des motivierenden Mahnspruches, ZAW 82/1970, 347-61. 92 Wohl kann man eine relative Grenze zwischen Form und Inhalt ziehen oder besser eine Skala zeichnen, die unterschiedliche Grade des Inhaltsleeren oder Abstrakten angibt.
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wissenschaftlichen Sicht ganz allgemein folgern, daß die gesamte semantische Seite, die Inhaltsseite mit ihrem Bezug auf die außersprachliche Wirklichkeit (Situation, Traditionsmilieu, Sitz im Leben) in der Beschreibung einer Gattung, z.B. des Mahnspruches, immer mitspielt und eingezogen werden sollte. „Grundformen prophetischer Rede" heißt ein bekannter und bedeutender Beitrag von C. Westermann zur Analyse der prophetischen Redeformen 93 . Der Verfasser rechnet offensichtlich das Heilswort zur genuin prophetischen Gattung, obwohl „eine Struktur des Heilswortes (oder mehrerer Typen) noch nicht gefunden ist" 94 . Trotz des Plurals („Grundformen") im Buchtitel konzentriert sich das Interesse des Verfassers fast ausschließlich auf die Form des Gerichtswortes bei den Propheten, weil es „im Mittelpunkt" ihrer Predigt steht 95 . Es wird u. a. die wichtige Frage gestellt, ob „das Mahnwort als eine prophetische Grundgattung" neben den anderen anzusehen ist 96 . Die Antwort Westermanns ist verneinend. Die mahnenden Sätze z.B. in Jes 1,10-17 machen „keine selbständige Gattung" aus. Sie sind eher „Erweiterungen" des Gerichtsworts 97 . Sie sind „Weiterbildungen, die dem prophetischen Gerichtswort selbst entstammen" 98 . Das Mahnwort ist gelegentlich eine geliehene Redeform, die wahrscheinlich ihre Wurzeln in der „Gebotsparänese hat, wie sie in entwickelter Form im Dtn, in Anfängen schon im Bundesbuch anzutreffen ist" 99 . Westermann kann jedoch nicht den Tatbestand übersehen, daß Mahnung und Warnung schon in der Mari-Prophetie ihren festen Ort haben, was ihn trotzdem nicht daran hindert, das Mahn- und Warnwort als „gewiß nicht genuin prophetische Redeformen" zu bezeichnen 100 . Würde die Mari-Prophetie nicht in die Richtung weisen, daß Mahnung und Warnung uralte Funktionen der Prophetie seien 101 ? Westermann verwendet auf klärende Weise die Begriffe „Entleihung" und „Einkleidung" beim prophetischen Gerichtswort 102 . Die Sprache der Rechtsverhandlung, der priesterlichen T o r a usw. wird bei Prophetensprüchen nachgewiesen. Wenn man aber das Mahnwort als
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München 2 1964 ('i960). Op.cit. 33. Doch hatte Begrich schon früher eine Sonderform der Heilsverkündigung in dem nach priesterlichem Vorbild geformten Heilsorakel erkannt. ,5 Vgl. op.cit. 11. 94 Ibid. 31. 97 Ibid. 31, vgl. 68 f. " Ibid. 132. Beispiele daür sind Am 5,4ff.; Jes 1,17; Jer 2,19.25a. " Ibid. 133. 100 Ibid. 133. 101 S. den Beitrag von F. Eilermeier, der unten zu besprechen ist. 102 Op.cit. 136ff. 94
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selbständige prophetische Gattung und nicht nur als Erweiterung oder Einkleidung des Gerichtsworts annimmt, ist die Einkleidung des Mahnworts in diese entliehenen Formen unschwer zu erkennen. Nach Westermann löst sich formgeschichtlich die Gattung des prophetischen Gerichtsworts auf. Das Exil setzt die Wende: „Mit dem Exil ist das von den Propheten über Israel angekündigte Gericht angetroffen, damit hat diese Form ihren geschichtlichen Auftrag erfüllt. Das ist nirgend so deutlich zu erkennen wie bei Dtjes: In seiner Verkündigung gibt es das GV (Gerichtswort gegen Israel) schlechthin nicht mehr."103 In den Vordergrund rückt von nun an „der Bußruf, in den die Anklage verschmolzen ist" 104 (Sach 1,1-6). Sonst wird die unbedingte Gerichtsankündigung durch bedingte Heils- und Unheilsankündigung ersetzt, wie es die dtr. Bearbeitung einzelner Jeremia-Worte sichtbar macht105. Die Feststellung, daß Gerichtsworte in der Verkündigung der klassischen Propheten einen hervorragenden Platz einnehmen, hat in der Untersuchung Westermanns eine eindrucksvolle Bestätigung bekommen. Durch die Betonung der Unselbständigkeit der Mahn- und Warnworte bei den vorexilischen Propheten hat Westermann jedoch dazu beigetragen, den Weg für Ansichten zu ebnen, die die Rolle des Bußrufes bei den klassischen Propheten unterschätzen. Eine Reihe anderer Forscher hat bei den prophetischen Sprüchen das Vorkommen juridischer Termini und Redewendungen bemerkt und daraus geschlossen, daß die Propheten rechtliche Formen nachgeahmt oder sogar eine Art rechtliche Funktion ausgeübt haben. Von Interesse ist in unserem Zusammenhang die Eingliederung der prophetischen Mahnworte in das Muster der Gerichtsverhandlungen „im Tor", im kultischen Bezirk oder im internationalen Raum zwischen Großkönig und Vasallen106. J.Harvey 1 0 7 , der die Propheten wegen ihrer Verwendung der Gerichtsrede als Träger und Wächter des israelitischen Bundesrechts betrachtet108, stellt eine Beschreibung des sogenannten „rib-patterns" auf, das aus mehrern Elementen besteht109: Ibid. 148. Ibid. 148. 1 0 5 Ibid. 149. 1 0 ' Kirsten Nielsen bietet einen Uberblick über die wichtigsten Punkte dieses Problemkreises: Yahweh as Prosecutor and Judge. An Investigation of the Prophétie Lawsuit (Rib-Pattern) (JSOTS9), Sheffield 1978. 1 0 7 Le plaidoyer prophétique contre Israel apres la rupture de l'alliance, Montreal 1967. 1 0 8 Op. cit. 150 ff. Vgl. K.Baltzer: Considérations regarding the office and calling of the prophet, H T h R 61/1968, 5 6 7 - 8 1 . 5 7 4 . Baltzer leitet „die juridische Funktion" des Propheten von u. a. dem formgeschichtlichen Vergleich der prophetischen Berufungsberichte mit Einsetzungsberichten ägyptischer Wesire ab. 1 0 9 Harvey op. cit. 80. 103 104
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1. Aufmerkruf (am Himmel und Erde usw.), 2. Verhör, 3. Anklage, 4. Erklärung der Schuld des Volks, 5. A. Urteil der Vernichtung oder B. positive Erklärung (die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Bundesverhältnisses) 110 . Da Harvey ausschließlich den Typ A des 5. Teils in den historischen Büchern des Alten Testaments belegt findet 111 , vermutet er, daß der Typ B, der in der prophetischen Literatur deutlich hervortritt, „aus dem Typ A im Laufe der historisch-biblischen Entwicklung der Form entstanden ist."112 Der abgeleitete Typ B wird „mitigé" („abgemildert", „abgeschwächt") genannt 113 . Das „ÄiT'-Pattern" oder die Gerichtsrede ist nach Harvey eine im internationalen Recht beheimatete literarische Gattung, die zum Gebrauch in die prophetische Verkündigung des Gottesbunds „transportiert" („transposé") worden ist114. Falls das „Rib-Pattern" als eigene Gattung zu bewerten ist, ordnen sich die prophetischen Mahnungen zur Umkehr in einen recht umfangreichen Gattungsbau ein, der als „paränetisches Mittel" 115 dient. Bei jeder prophetischen Mahnung zur Umkehr läßt sich aber das ganze Rib-Schema schwerlich finden, und daher ist damit zu rechnen, daß sich die Propheten nur ausgewählter Elemente dieses Schemas bedient haben. Es ist „Einkleidung" des prophetischen Worts, wie auch Gattungsschemata aus anderen Bereichen ein Gewand sein können 116 , das die Grundgattung anlegt. Z.B. kann Jes 5,1-7 nicht schlechthin als Gerichtsverhandlung bezeichnet werden, weil der Text auch andere Elemente enthält 117 . Das hebräische Wort ist auch nicht im strengen Sinn technischer Terminus für eine bestimmte Gattung 118 , es bezeichnet vielmehr Vorgänge, auf die mehrere verschiedenen Gattungen angewandt werden 110 Harveys Beispiele der positiven Vorschläge zur Lösung des Konflikts sind Jes 1,18-20; Mi 6,1-8; Jes 58,5-7; Mal 2,1-9; Ps 50. 1,1 Ri 2,1-5; 1 Sam 2,27-36; 2Sam 12,7-12 sind vor-dtr. nach Harvey op.cit.82. 112 Harvey ibid. 83. 113 Ibid. 82. 114 J. Harvey: Le „Rib-Pattern", Biblica 43/1962, 172.191.194. 115 „Instrument parenetique". Dies gilt nur Typ B; Harvey: Le Plaidoyer, 157. 116 Cf. C. Westermann: Grundformen, 136 ff.; M. Weinfeld: Ancient Near Eastern Patterns in Prophetic Literature, V T 27/1977, 187-89 (189: „... legal conventions which were turned into metaphors"). 117 Cf. die gründliche Analyse J.T.Willis: The Genre of Isaiah 5:1-7, JBL 96/1977, bes. 350. 118 Vgl. G.Liedke 3'1, T H A T II, 771-77.
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können 119 . Dabei nur an internationales Recht zu denken wäre verfehlt. Es gibt auch verschiedene Bereiche des Zivilrechts, die der prophetischen Rede stilistische Elemente zugeführt haben, wie H.J. Boecker nachdrücklich aufgezeigt hat 120 . Daher kann man nicht von einer Gattung des rib sprechen 121 , sondern von Stilelementen, die die prophetischen Gattungen mehr oder weniger färben. Als energischer Vertreter der Ansicht, die den Ruf zur Umkehr als einen unveränderlichen „Grundzug" der prophetischen Verkündigung bewertet, ist Georg Fohrer zu nennen. Seine Auffassung schließt „Wandlungen" der prophetischen Botschaft nicht aus. Vielmehr hat Fohrer eigene Hypothesen über die Veränderlichkeit dieser Botschaft aufgestellt. Trotzdem erfaßt er die Mahnung zur Umkehr, das Entweder - Oder, als einen durchgehenden Wesenszug der klassischen israelitischen Prophetie. Bei Hosea deckt Fohrer zwei Stadien der prophetischen Theologie auf 122 . Im ersten Stadium ist die Umkehr, d.h. die Möglichkeit des Menschen eine positive Beziehung zu dem jetzt so bedrohlichen Gott wiederzugewinnen (Hos 5,15-6,6; 10,12f.; 14,2-9), entscheidend. Darauf wird Gott antworten, daß er verzeiht und seine Drohungen nicht verwirklicht. Erst muß jedoch ernsthafte Umkehr eintreten, bevor Heil folgt. Schrittweise bahnt sich aber eine neue Erkenntnis an. Denn die Forderung der Umkehr bleibt immer gültig. Ist aber der Mensch imstande, diese Forderung zu erfüllen? Hosea erkennt, daß die Schuld Israels so groß ist, daß sie ihn zur Umkehr unfähig macht (Hos 5,3 f.). Daher muß Gott selbst die Voraussetzungen schaffen, die die Umkehr ermöglichen. Das bedeutet, daß Gottes Gnade nicht erst auf die Umkehr folgt, sondern ihr auch zuvorkommt (3,1-5; 2,16 f.). Zu diesem zweiten Stadium, zum „Erlösungsglauben", ist Hosea nach Fohrer erst gegen Ende seines Wirkens durchgedrungen. Die beiden Stadien der hoseanischen Theologie, worin sich das Gewicht von der Umkehr, d. h. der menschlichen Initiative, zu der Erlösung, d. h. der göttlichen Initiative, verschiebt 123 , zeigen sich bei nähe119
Vgl. S.Amsler: Le theme du proces chez les prophetes d'Israel, RThPh 24/1974,
122. 120 Redeformen des Rechtslebens im Alten Testament ( W M A N T 14), NeukirchenVlyn 2 1970, s. z.B. 54.94ff. et passim. 121 Gegen K. Nielsen: Yahweh as Prosecutor and Judge, 25 f., die der „Gattung" der Gerichtsrede („lawsuit") einen dreifachen Sitz im Leben zuschreibt. 122 Umkehr und Erlösung beim Propheten Hosea (1955), jetzt in: G. Fohrer: Studien zur alttestamentlichen Prophetie, BZAW 99/1967, 222-41. 123 J.Jeremias gelangt unter etwas anderen Voraussetzungen zur Annahme einer ähnlichen Verschiebung in der Theologie Hoseas (Zur Eschatologie des Hoseabuches, in: FS Wolff 1981, 217-34).
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rem Hinsehen als zwei Linien klassisch prophetischer Verkündigung überhaupt: Arnos, Jesaja, Micha und Zephanja vertreten die eine Linie, indem sie „stets gleichbleibend die Umkehr gefordert haben, die das Heil nach sich zieht" 124 . Andere Propheten haben anfangs auf ähnliche Weise „gemahnt, später aber den Schritt zum Erlösungsglauben getan" 125 , wonach erst das Heil die Umkehr hervorruft. Diese zweite Linie wird bei Hosea, Jeremia, Ezechiel und Deuterojesaja sichtbar. Demnach ist aber die Verkündigung der einzelnen Propheten möglichst nuanciert zu betrachten, weil jeder seine persönliche Dynamik gehabt hat 126 . Z. B. hat sich das Urteil Jesajas über die Rolle der Assyrer im Plan Gottes im Laufe der Zeit verändert. Zunächst hat er der Oberschicht von Jerusalem und dem König die Möglichkeit der Umkehr angeboten (Jes 1,10-20; 7,1-9). Nach der ersten Begegnung mit Ahas verschärft Jesaja seine Unheilsweissagung, und die Mahnung zur Umkehr rückt in den Hintergrund 127 . Um so mehr beklagt er die verpaßte Chance der Umkehr (30,15-17; 22,1-14) 128 . Bei Fohrer werden die prophetischen Mahnungen ernst genommen und im Zusammenhang mit der ganzen prophetischen Verkündigung betrachtet. Aus späterer Sicht ist aber auch deutlich, daß das formgeschichtliche Problem der Mahnrede unberücksichtigt bleibt129. Vor allem unter dem inhaltlichen Aspekt hat Werner H. Schmidt das Problem der prophetischen Mahnung aufs neue aufgegriffen 130 . Er sieht das zentrale Anliegen der klassischen Prophetie in ihrer „Grundgewissheit", die zugleich „Zukunftgewißheit" 131 ist und sich in der Ankündigung des über Israel von Jahwe verhängten Gerichts äußert. 124
Ibid. 240. Ibid. 240. 126 Wandlungen Jesajas (1967), jetzt in: G. Fohrer: Studien zu alttestamentlichen Texten und Themen, BZAW 155/1981, 11-23. 127 J. Milgrom: Did Isaiah prophesy during the reign of Uzziah, V T 14/1964, 164-82 behauptet, die einzigen Mahnungen zur Bekehrung bei Jesaja seien 1,16-20; 2,5. Nach dieser ersten Phase soll er nur das Läuterungsgericht angekündigt haben (S. 169f.). 12 » H.W. Hoffmann: Die Intention der Verkündigung Jesajas, BZAW 136/1974, 58f. gelangt zum Ergebnis, daß Jesaja bis zu 701 „die Intention verfolgt hat, seine Hörer zur Umkehr zu bewegen". Dann kam der Prophet zur schmerzlichen Erkenntnis, daß „das totale Gericht" bevorsteht, und seine letzten Worte (22,1-14; 29,9 f.) bezeugen, daß der Bußruf nun nicht mehr möglich ist. 129 BZAW 155/1981,18 bezeichnet Jes 14,28-32; 29,1-8 und 31,4-9 als „Mahnungen zur Umkehr", was nicht ganz zutreffend sein kann. 130 W.H.Schmidt: Zukunftsgewißheit und Gegenwartskritik. Grundzüge prophetischer Verkündigung (BS 64), Neukirchen-Vluyn 1973. 131 Op.cit. 18. 125
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Aus dieser Gewißheit, die Am 8,2 („Gekommen ist das Ende für mein Volk Israel") einen konzentrierten Ausdruck bekommt, läßt sich die übrige Botschaft als „Entfaltung" 132 , Derivat verstehen. Wie bei der Argumentation R. Smends wird hier alles Gewicht auf die Gerichtsbotschaft gelegt. Daher soll die Mahnung der vorexilischen Propheten keinen Sinn haben. Sie unterstreiche nur die Anklage und das Urteil der prophetischen Verkündigung. Sie sei ausschließlich als negative Polemik, „Mahnung(en) ohne Ausweg" 133 zu begreifen. Sie rufe nicht zur Entscheidung oder Bekehrung auf, wie z. B. G. Fohrer behauptet hat. Die Wahlmöglichkeit der Zuhörer, „das Entweder-Oder" ist nur „scheinbar", 134 weil diese Möglichkeit schon durch den gegenwärtigen Zustand der Schuld zumindest bis auf weiteres versperrt ist.135 Deshalb ist „der Sinn des Mahnworts verkehrt" 136 . Sie können nur die Gerichtsbotschaft begründen. „Eine selbständige Bedeutung scheint dem Mahnwort gar nicht zuzukommen." 137 Die systematische Geschlossenheit der Ansicht Schmidts, mit der die Gerichtsbotschaft als „Mitte" 138 der klassisch-prophetischen Theologie festgestellt wird, ist beeindruckend. Nur bleibt die Frage, ob sie dem verhältnismäßig geringen Bestand der Mahnworte gerecht wird. Am 5,4-6 ist in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel, weil es den Exegeten sehr schwer fällt, Arnos den Kern dieser Aussagen abzusprechen. W. H. Schmidt muß dabei zugeben, „ein einziges Mal durchbricht Arnos die Strenge seiner Gerichtsbotschaft" 139 . Das Amoswort 5,4 „bleibt als einzelne bedingte Heilszusage im Kontext der Amosbotschaft letztlich widerspruchsvoll und rätselhaft" 140 . Wenn aber diese Mahnung sich so schwer in das Auslegungsmodell Schmidts einordnen läßt, könnte das nicht heißen, daß eben dieses nicht offen genug ist? Die Möglichkeit, einen Imperativ als Irrealis auszulegen, liegt jedenfalls nicht unmittelbar auf der Hand. Von W.H.Schmidt angeregt hat Georg Warmuth als erster dem Mahnwort der vorexilischen Propheten eine Monographie gewidmet 141 . Hier werden die Thesen von Wolff und Schmidt zu einer negativen Synthese vereinigt. Zum ersten wird die Frage nach der Form des prophetischen Mahnworts sehr kurz und oberflächig behandelt 142 . R.B.Y.Scott und Sitom132
Ibid. 19. i » Ibid. 40. 135 Ibid. 43. Ibid. 48 ff. 134 137 Ibid. 42. Ibid. 42. 138 13 Ibid. 43. ' Ibid. 21. 140 W.H.Schmidt: „Suchet den Herrn, so werdet ihr leben", in: FS G.Widengren I (Numen Suppl.21), Leiden 1972, 133. 141 Das Mahnwort. Seine Bedeutung für die vorexilischen Propheten Arnos, Hosea, Micha, Jesaja und Jeremia (BET 1), Frankfurt am M./Bern 1976. 142 Op.cit. 15-20. 114
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pul werden in diesem Abschnitt beiläufig genannt. Doch warum kommt es nicht auch zu einer Diskussion mit T. M.Raitt 143 ? Schon hier scheint ohne weiteres vorausgesetzt zu sein, daß die Mahnrede bei den vorexilischen Propheten keine selbständige Gattung wie Heilswort oder Gerichtswort sein könne. Zum anderen läßt die Untersuchung der einzelnen Texte manche Frage offen. Die Einseitigkeit der Fragestellung Warmuths wird bald sichtbar bei seinem Durchgang der Stellen bei Arnos. Zunächst wird die unbestreitbare Tatsache festgestellt, daß in Am 4,4 f. das Mahnwort „vermittels Parodie ... eine neue Funktion" bekommt, und zwar „als Scheltwort" 144 . Er kann aber die Mahnungen Am 5,4-6.14 f. weder als unecht noch als reine Scheit- oder Drohworte erklären 145 . Obwohl hier die Mahnung, Jahwe zu suchen, unter einer sehr bedingten Verheißung steht, ist die positive Kraft der Aussagen unübersehbar, was Warmuth zugeben muß. Er nennt aber diese positive Seite der Botschaft des Propheten nur „vage" und „drastisch eingeschränkt" 146 . Daraus schließt Warmuth, daß es bei Arnos eigentlich keine Mahnung gibt: „Alle Mahnworte haben bei Arnos keine im eigentlichen Sinn mahnende Funktion mehr, sondern sind der generellen Unheilsansage untergeordnet, oder, wie in Am 5,14 f., die in ihnen zunächst angebotene Rettungsmöglichkeit wird drastisch eingeschränkt." 147 Die Mahnworte sind „umfunktioniert" 148 sie „dienen ... im wesentlichen dem Aufweis der Schuld" 149 . Die darauf folgenden Ausführungen Warmuths zu den einzelnen Texten können nur bestätigen, daß er die Gerichtsbotschaft, die bei den Propheten unbestreitbar ein wesentliches und dominierendes Element war, verabsolutiert auf Kosten des minder vordergründigen Elements der Mahnung zur Umkehr. Das Mahnwort bei Hosea soll nur deutlich machen, warum Gottes Gericht Israel treffen wird 150 . Ähnlich verabsolutiert Warmuth das Element des Schuldaufweises bei Jes 1,16f.l9f 1 5 1 . Manchmal, vor allem bei Jeremia, sind Mahnworte einer mildernden Redaktion zuzuschreiben (Jer 7,1 ff. u. a.), und insofern Jeremia selbst mahnt, geschieht das vornehmlich zum „Schuldaufweis" (Jer 4,14; 13,16f.; 21,12). Warmuth muß gleichwohl Jer 3,12 als echt anerken141
Er wird nicht hier, aber im Literaturverzeichnis erwähnt, op.cit. 253. Op.cit.26. 145 Ibid. 30 f. 144 Ibid. 36. 147 Ibid. 36. 148 Ibid. 21. 14 ' Ibid. 35. 150 Ibid. 56. 151 Ibid.76ff., genauso grundsätzlich wie W.H.Schmidt bei der Zukunftsgewißheit verfährt. 144
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nen, worin Mahnung und Heilswort verbunden sind. Wie Wolff scheint er darin die Mahnung als reine Zusage 1 5 2 , den Imperativ als Futurum zu verstehen, was schon aus dem formalen Bestand keineswegs einsichtig sein dürfte. Trotzdem scheint die Motivierung der Mahnung nach Warmuth alle Bedeutung zu tragen, die Mahnung selbst hingegen überhaupt keine. Sein Ergebnis ist deshalb negativ: „Mahnungen . . . finden sich in der Prophetie vor dem Exil letztlich nicht. Wo Mahnworte in den Texten auftreten, werden sie entweder vom Propheten nicht in ihrem ermahnenden Sinn verwendet, oder sie lassen sich auf eine exilisch-nachexilische Redaktion zurückführen. Die wichtigste Funktion der Mahnung ist, in ihrer Forderung das zu benennen, was Israel zu tun versäumt hat. Im Heilsorakel bilden imperativische Anrede und Heilszusage sogar eine formgeschichtliche Einheit. Hier ist die Mahnung selbst Bestandteil der Zusage geworden und verstärkt den Zuspruch des im Jahwewort angebotenen Heils." 1 5 3 Kürzlich hat A. Vanlier Hunter 1 5 4 in seiner Dissertation den Weg von W.H.Schmidt und G.Warmuth weiter verfolgt. Er erzielt im wesentlichen dieselben Ergebnisse wie sie, will aber die positive Bedeutung der prophetischen „exhortation" stärker hervorheben 155 . Er nennt die nicht-befolgten („unheeded") Mahnungen der vorexilischen Propheten eine untergeordnete Gattung („sub-genre") der prophetischen Rede 1 5 6 , weil sie fast immer der Anklage im größeren Kontext dienen. Einzige Ausnahme soll Hos 14,2-4 sein, die an eine reine Verheißung geknüpft ist 157 . Die vorexilischen Propheten haben wirklich zur Umkehr gemahnt, ohne ihrer Gerichtsverkündigung davon bedingen zu lassen 158 . Ihr Ruf zur Umkehr geschieht in der unmittelbaren Nähe des göttlichen Gerichts, ohne es aufzuheben oder abzumildern. U. E. ist es aber zweifelhaft, ob Hunter sich in genügendem Ausmaß mit der Möglichkeit befaßt, daß die Mahnworte der vorexilischen Propheten selbständiger als im gegenwärtigen literarischen Kontext aufgetreten sind 159 . Ibid. 139. Ibid. 170. 1 5 4 Seek the Lord. A Study of the Meaning and Function of the Exhortations in Amos, Hosea, Isaiah, Micah, and Zephaniah, (Basel/)Baltimore 1982. 1 5 5 Op.cit.37. 1 5 6 Ibid. 275. 1 5 7 Ibid. 175.277. 1 5 8 Ibid. 278 f. 1 5 9 Vgl. ibid. 274 f. S. dagegen N.J.Tromp: Amos 5,1-17, O T S 23/1984, der die Mahnworte von Am 5 für „isolated short sayings of the oral Amos" hält. Nach ihm ist die prophetische Gerichtsverkündigung rhetorische Übertreibung (imepßoÄ.T|), die als solche die Reaktion der Hörer hervorrufen will (bes. 73). 152
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Der Vergleich mit außerisraelitischer Prophetie Wie der israelitische Kult hat auch der israelitische Prophetismus seinen geschichtlichen Werdegang, der sich natürlich nicht ohne Kontakt und Reibung mit der Umwelt vollzogen hat. Die Erforschung der geschichtlichen Zusammenhänge, in denen der israelitische Prophetismus verankert ist, hat zu aufschlußreichen Vergleichen geführt 160 , die u. a. der Fund der oben erwähnten Maribriefe sehr bereichert hat. Obwohl E. A/oort161 die Möglichkeit verneint, „die Gottesbescheide aus Mari als Vorgeschichte der israelitischen Prophetie anzusehen, muß er mit „Ähnlichkeiten" 162 rechnen: „Beide aber, Mari und Israel, kennen ein Neben- und Ineinander von Gottesbefragung und spontanem Bescheid. Sowohl in Mari als auch in Israel ergeht der Gottesbescheid in einer Krisissituation." 163 Wenn auch der Abstand zwischen den Vergleichsgrößen weit ist, sollte die Distanz nicht überbetont werden. F. Eilermeier hat in seiner Monographie von 1968 viele Texte aus Mari präsentiert und auf unverkennbare Parallelen zur israelitischen Prophetie hingewiesen 164 . Er findet u.a., daß die These Westermanns von der „überragenden Bedeutung des Gerichtswortes"16S durch die Maribriefe keine Unterstützung erhält. Vielmehr lassen die Mariprophetien auf die „Gleichursprünglichkeit" der Gattungen Mahnung, Scheltwort und Drohwort in der prophetischen Rede schließen 166 . Die verschiedenen prophetischen Gattungen sollen demnach gleichberechtigt und gleichwertig sein. Auch bei der Heranziehung und Verwertung der Mariprophetie für das Verständnis der alttestamentlichen Prophetie ist Vorsicht geboten, wie Noort betont. Neulich hat Armin Schmitt167 den Vergleich ein Stück weitergetrieben, indem er die Struktur der Gottesbescheide aus Mari näher untersucht und sie mit der Form gewisser Texte aus dem Alten Testament vergleicht. Seine Überlegungen führen auf die nicht abzuweisende Möglichkeit hin, daß die prophetischen Gattungen des Alten Testaments durch „Vermittlungsinstanzen" 168 an in Zeit und Raum weit wirksamen Redeformen des Gottesbescheids teilhaben und daß „eine 160 Zur Übersicht s. H.Ringgren: Prophecy in the Ancient Near East, in: FS P.Ackroyd: Israel's Prophetic Tradition, Cambridge 1982, 1-11. 161 Untersuchungen zum Gottesbescheid in Mari. Die „Mariprophetie" in der atl. Forschung (AOAT 202), Kevelaer 1977. 142 Op. cit. 109. Ibid. 109. 164 F. Ellermeier: Prophetie in Mari und Israel, Herzberg am Harz 1968. 165 Ibid. 202. 166 Ibid. 205 f. 167 Prophetischer Gottesbescheid in Mari und Israel (BWANT 114), Stuttgart 1982. 168 Ibid. 132.
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gewisse Berührung Israels in seiner nomadischen Vorzeit mit Mari nicht auszuschließen ist." 169 Die Mahnungen, die in den Gottesbescheiden aus Mari vorhanden sind, empfehlen mehrmals bestimmte kultische Handlungen. Der Gott Dagan fordert einmal, daß der König ihm am Kultort sein politisches Vorhaben darlege: „... warum unterrichtet er (Zimrilim) mich nicht umfassend? . . . Deine Boten sende zu mir (su-up-ra-am-ma) und unterrichte mich umfassend! Dann will ich die Könige der Jaminiten in einem Fangkorb zappeln lassen und sie vor dir hinstellen." 170 Die Mahnung ist hier von anklagender und verheißender Motivation (Vorwurfsfrage und Verheißung) umgeben. A.Schmitt vergleicht diesen Text mit Jes 1,10-20 und H a g 1,15 b - 2,9 hinsichtlich der Struktur Vorwurfsfrage - Mahnung - Heilswort 171 . Dagan fordert auch reines Wasser zu trinken 172 . Zweimal gibt er Anweisungen zum Totenopfer ohne nähere Begründung. Im einen Fall heißt es: „Am 14. Tage des kommenden Monats soll ein Totenopfer dargebracht werden (li-in-ne-pi-is). Auf keinen Fall sollte man dieses Opfer vorübergehen lassen (la u-se-te-qu)."l7i K.Koch nennt dies „Gottesbefehl ohne Zukunftsaspekt" oder „selbständige Mahnrede" 1 7 4 . Als alttestamentliche Parallele führt er die Antwort auf die Gottesbefragung durch den Gottesnamen Schemaja 1 Kön 12,24 an: „Ihr sollt nicht hinaufziehen (iVjttl R^) und gegen eure Brüder von Israel kämpfen (jiarjVfl xVl). Jedermann gehe wieder (III®) heim, denn ('?) alles ist von mir geschehen." Auch hier liegt ein Prohibitiv vor, außerdem ein Imperativ und eine kurze Begründung. In einem außergewöhnlich kunstvollen Orakel fordert der Gott Adad von Kalassu vom König irgendeine kultische Leistung (Landschenkung?). Die Forderung wird aber hier in konditionaler Form ausgedrückt: „Bin ich nicht Adad, der Herr von Kalassu, der ich ihn (den König) auf meinem Schoß großzog und ihn auf den T h r o n seines Vaterhauses zurückbrachte 175 ? Ibid. 133. Cf.Eilermeier op.cit.26 f. (AI5). Es werden zwei Imperative gebraucht. 171 Op. cit. 16-33. 172 Ellermeier op. cit. 53. 173 Cf. Ellermeier 30f., vgl. Schmitt op. cit. 88 ff. 174 Cf. K. Koch: Die Briefe „prophetischen" Inhalts aus Mari, UF 4/1972, 53-77.65. 175 Ygi u a j e s j 54,24; 46,3 und dazu einschlägiges Material bei S.M.Paul: Deutero-Isaiah and Cuneiform Royal Inscriptions, JAOS 88/1968, 180-86. Ein Orakel an Assurbanipal endet so: „Fear not, my son, whom I have raised" ( A N E T 451). 170
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Wenn er nicht geben will, bin ich der H e r r von Thron, Erde und Stadt, und was ich gab, werde ich wegnehmen. Wenn es nicht so ist und er meinem Wunsche nachkommen will, will ich ihm Thron über Thron, Haus über Haus, Erde über Erde geben .. ,"176 Die göttliche Selbstvorstellung und der Rückblick auf die göttliche Fürsorge stellt eine wichtige und positive Motivation zur implizierten Forderung der Konditionalsätze dar. Diese werden danach durch drohende und verheißende Zukunftsaussagen (Apodosis) motiviert. Die Drohung ist nur kurz. Im Einklang mit dem positiven T o n der Einleitung mündet das Orakel in eine weitreichende Verheißung. Die konditionale Aufstellung der Alternativen läßt sich mit u. a. Jes 1,19 f. vergleichen 177 . Die Mahnungen der Gottesbescheide können auch politische Ziele haben. Es geht um das Wohl des Königs und seines Reiches. So wird der König zu Schutzmaßnahmen für seine eigene Person ermahnt: „Schütze dich selbst (pagarka usur), Stelle (sukun) deine vertrauenswürdigen Diener, die du liebst, um dich herum! ... Für dich allein sollst du niemals gehen (la
ta-at-ta-na-al-la-ak).
Und ich werde deine H a n d erfüllen .. ."178 Die Mahnung wird hier also durch eine Verheißung motiviert. Wie oben schon das erste Beispiel zeigt, ist die Gottheit an den diplomatischen und kriegerischen Bemühungen des Königs interessiert. In einem Brief wird berichtet, daß eine „Prophetin" (muhhutum) im Tempel der Annunitu den König eindringlich davor warnt, die Stadt zu verlassen: „Zimrilim, begib dich nicht (la ta-al-la-ak) auf einen Feldzug. Bleib (si-ib-ma) in Mari, und dann will ich meinerseits immer wieder antworten." 179 176
Ellermeier 50 f. Schmitt op.cit.73ff. führt die Paränesen Ex 19,3b-8; 1 Kön 9 , 1 - 9 zum Vergleich an, weil sie auch den geschichtlichen Rückblick haben. 178 Cf. Ellermeier op.cit.58f. (ARM X 7), vgl. ARM X 80: „Now guard yourself. Without an omen do not enter (la te-er-ru-ub) the city . . . You are not to keep moving out by yourself", nach W. L. Moran: N e w Evidence from Mari on the History of Prophecy, Bibl 50/1969, 15-56.52f. Vgl. weiter Jes 7,4. 179 Ellermeier op.cit.64f. (ARM X 50), vgl. Schmitt, 40 f. Moran, 39 übersetzt das verheißende a-ta-na-ap-pa-al (Z. 26) anders: „take responsibility". Das Kriegsorakel ARM X 4 ist vergleichbar, hat aber einen besonderen Charakter, s. A. Finet: Un cas de cledomancie a Mari, in: FS F. R. Kraus 1982, 48-55. 177
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Die Struktur dieses Gottesbescheids ist somit Vokativ und Mahnung (Prohibitiv/Imperativ) sowie Verheißung. Moran 180 verweist auf ähnliche Orakel der Istar von Arbela an Assurbanipal und auf Jes 30,15; Ex 14. Auch in andere Angelegenheiten des Königs mischen sich die Götter. Ein Gott verbietet das Bauen eines Hauses: „Baut dieses Haus nicht (la te-ep-pe-sa). Wenn ihr es baut, werde ich es in den Fluß stürzen lassen." 181 Hier ist die Mahnung mit einer Drohung verknüpft. Noch einmal widerspricht ein Gottesmann (muhhu) den Bauplänen des Königs: „dieses Stadttor werdet ihr nicht bauen (ü-ul te-ep-pe-sa)". Hier wird keine Motivation mitgeteilt 182 . Abschließend muß auch eine „prophetische" Mahnung aus Mari erwähnt werden, die ein soziales Pathos zum Vorschein kommen läßt, das der Sozialkritik der israelitischen Prophetie nicht unähnlich ist183. In diesem Text scheint der Gottesmann des Adad von Halab vom König zu verlangen, daß er den Schwachen ein gerechtes Urteil (dm) verschaffe. Die Struktur des Gotteswortes ist etwa folgende: 1. Rückblick auf die Wohltaten des Gottes („Bin ich nicht Adad..."), 2. Mahnung zu unparteilicher Pflichttreue in der Rechtspflege 3. kurze Verheißung. Zusammenfassend läßt sich behaupten, daß die Mahnung eine zentrale Funktion in der Mariprophetie ausübt. Die Mahnrede kann ohne explizite Motivation dastehen, ist aber überwiegend mit Begründungen verschiedener Art versehen (Drohung, Verheißung, Anklage, Hinweis auf die Güte der sich offenbarenden Gottheit). Meistens verwenden die Mahnungen eine eindringliche Sprache, d.h. überwiegend Imperativ und Prohibitiv. Der Prekativ ist üblicher in den vorsichtigeren Formulierungen der Briefschreiber, die dem König die Botschaft vermitteln 184 . Die Themen der Mahnungen sind kultisch, politisch und vereinzelt sozialrechtlich. 1.0
Art.cit.40, vgl. unten unsere Überlegungen zu Jes 7,4. Ellermeier op.cit.42f. (ARM XIII 112), vgl. Natans Bauverbot 2Sam 7,4 f. 1.2 Ellermeier op.cit. 34-37 (ARM (T) III 78). 1,5 Der akkadische Text 2925 ist mir bisher nicht zugänglich. Ubersetzungen bieten Ellermeier 52 f. und M.Anbar: Aspect moral dans un discours „prophetique" de Mari, UF 7/1975, 517f. (mit Hinweisen u.a. auf Jer 22,3). 1,4 Vgl. die genaue Beschreibung von Noort op. cit. 81 f. Unter Umständen kann auch ein Staatsbeamter seine eindringliche Bitte an den König im Imperativ oder Prohibitiv 1.1
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Eine weitere Bestätigung der herkömmlich wichtigen Rolle, die die Mahnung in der Tätigkeit „prophetischer" Gottesboten spielt, haben auch die Inschriften von Teil Der 'Alla geliefert 185 , die in den unmittelbaren Umkreis Israels führen. Die sogenannte aramäische Bileaminschrift, deren fragmentischer Zustand an mehreren Punkten die Deutung erschwert, scheint zumindest eine Mahnung zu enthalten: wqb'n sm' mwsr grjs „Jedoch, ihr Räuber, hört die Mahnung, ihr Gegner ..." (I10) 186 . Der Seher Bileam will damit seinen Zuhörern die Möglichkeit geben, den göttlichen Zorn durch Besserung abzuwenden. Die Sprache dieser Warnung ist mit alttestamentlichen Weisheitssprüchen vergleichbar. N u r in Prov findet sich der Ausdruck -I01Ö (Prov 1,8; 4,1; 8,33; 19,27). Übrigens kommt das Thema „Zucht" auch in der prophetischen Literatur vor 187 . Von dem geschichtlichen Umfeld her ist somit zu erwarten, daß die israelitische Prophetie die Mahnrede als Aufgabe und Ausdrucksmittel kennt. Es bleibt dann natürlich noch die Frage, auf welche Weise sie die Mahnung ausnützt. Als Fazit unseres forschungsgeschichtlichen Überblicks kann die Behauptung aufgestellt werden, daß die Erforschung der prophetischen Mahnworte und Mahnreden noch nicht abgeschlossen ist. Mahnworte begleiten die Geschichte der Schriftprophetie von Anfang, d.h. von Arnos, an. Die Anzahl der Mahnworte und ihre Bedeutung im Rahmen der prophetischen Verkündigung insgesamt sind jedoch umstritten. Es ist jetzt an der Zeit, ihrem Bestehen als eigener prophetischer Gattung neben Gerichts- und Heilsworten näher nachzugehen. vorbringen, wie auch in den El-Amarna-Briefen (z.B. Nr.8 Z.28f.: „Und die Leute, die meine Diener getötet haben, töte sie und räche ihr Blut!"; 133 Z. 10: „Frage ihn!"; 139 Z.5: „Halte dich nicht zurück gegen Gubla!"). 185 Cf. H.Weippert: Das Wort vom neuen Bund in Jer 31,31-34, V T 29/1979, 349 f. 186 Übersetzung von H.-P. Müller: Die aramäische Inschrift von Deir 'Alla und die älteren Bileamsprüche, ZAW 94/1982, 214-44.218, vgl. 227f. Damit im Einklang stehen u. a. H. u. M. Weippert: Die „Bileam"-Inschrift von Teil Der 'Alla, Z D P V 98/1982, 77-103 (s. 98.103), B.A. Levine: The Deir 'Alla Pflaster Inscriptions, JAOS 101/1981, 195-205.197 und E. Hammershaimb: De aramaiske indskrifter fra udgravningerne i Deir 'Alla, D T T 40/1977, 217-42.227. Davon weicht die Deutung bei P. Kyle McCarter Jr. sehr ab, indem (anlehnend an Caquot u. Lemaire) qifn als „Hyänen" gedeutet wird: „and hyenas have listened (Perf.!) to Instruction" (The Balaam Texts from Deir 'Alla, BASOR 239/1980, 51). 187 U.a. H o s 5,2; Zef 3,2; Jer 2,30; 5,3.
KAPITEL 3
Terminologische Klärung Bevor die Gattung der prophetischen Mahnrede anhand einzelner Texte untersucht wird, seien hier einige zusammenfassende Bemerkungen und Vorschläge zur Klärung der Terminologie gemacht, wozu die bisherige Forschungsgeschichte Anregungen gegeben hat. Das Wort „Mahnung" bleibt ohne nähere Bestimmung ganz blaß. Es können z. B. elterliche Mahnungen oder weisheitliche Mahnungen gemeint sein. Es umfaßt im weitesten Sinne mancherlei Aufforderungen: Gebot, Verbot, Befehl, Botenauftrag, Anweisungen zu kultischen Handlungen, Aufforderungen zu Flucht und Kampf, Ratschläge usw. „Mahnung" ist wie „Epos", „Erzählung" oder „Gedicht" ein übergeordneter Gattungsbegriff, zu dem verschiedene Einzelgattungen in einem hierarchischen Verhältnis stehen 1 . Wenn nun eine bestimmte Gattung der Mahnung beschrieben werden soll, reicht eine bloße Aufzählung ihrer formalen Merkmale nicht aus, um eine eindeutige Definition zu finden. Vielmehr muß das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis, die „Interdependenz" der Kennzeichen berücksichtigt werden. Auch die Inhaltsseite der Gattung, vor allem ihre „Intention", muß in Betracht gezogen werden 2 . Eine Gattung ist eine Abstraktion. Sie ist eine wissenschaftliche Beschreibung einer „Klasse" von Texten. Diese ist aber eine „offene" Klasse, der immer neue Texte zugeordnet werden können. In der lebendigen Sprachausübung beeinflussen einander auch Texte verschiedener Klassen3. Die vorliegende Abhandlung will sich mit prophetischen Mahnungen befassen, die auf Umkehr oder Buße abzielen 4 . Nicht jede prophetische Aufforderung ist Mahnung zur Umkehr. Es gibt z.B. kurze Aufmerkrufe, die nur Aufforderungen zum Hören sind. Es gibt auch Aufforderungen, die keinen imperativischen Wert haben. R.Bach hat auf die „Wirklichkeitsfremdheit" der prophetischen Aufforderungen zur 1
Vgl. K. Hempfer: Gattungstheorie (UTB 133), München 1973, 192 ff. Vgl. ibid. 154 f. 3 Vgl. M.J. Buss: Encounter with the Text, 11 und allgemein H. D. Preuß: Die Gattungsforschung. 4 Vgl. die terminologische Diskussion bei H . W . H o f f m a n n : Form - Funktion - Intention, ZAW 82/1970, 341-46. 2
Terminologische Klärung
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Flucht und zum Kampf hingewiesen (vgl. H o s 5,8 f.; Jer 6,4-6; 48,6-8 usw.) 5 . Sie sind rhetorische Mittel der Heils- und Unheilsweissagung. Es ist üblich von „Mahnworten" zu sprechen, wenn es sich um kleinere Einzelheiten wie etwa „Sprüche" handelt, die aus nur wenigen parallel angeordneten Sätzen zusammengesetzt sind. Eine längere Reihe von zusammengehörigen Mahnworten oder eine Einheit, worin die die Mahnung(en) begründendenden Glieder von größerem Umfang sind, dürfte sachgemäß als „Mahnrede" bezeichnet werden. Diese Bezeichnung empfiehlt sich auch als Terminus f ü r die Gattung überhaupt, d.h. daß man im allgemeinen von „Mahnrede" spricht, wenn der Umfang der jeweiligen Texteinheit nicht zur Dabatte steht. Weil sich die Mahnrede bei den Propheten als eine eigene Gattung erweist, wird in unserem Zusammenhang von „prophetischer Mahnrede" geredet. Es wird sich zeigen, daß die meisten prophetischen Aufforderungen, wenn sie einen wirklich imperativischen Sinn haben, die Umkehr bezwecken. Zuweilen gibt es Zweifelsfälle, bei denen die Intention der Worte nicht leicht zu erschließen ist. Bekanntlich ist die Aufforderung Am 4,12 b nicht ganz eindeutig: „Bereite dich, Israel, deinem Gott zu begegnen!" Dies kann als eine rhetorische Figur verstanden werden, die nur die Sicherheit des angekündigten Gerichts ausdrückt, aber auch als eine wirkliche Mahnung zur Bekehrung in letzter Minute 6 . Sind die Aufforderungen in Jes 51,17; 52,1 nur lebhafte Einführungen der Heilsbotschaft oder sind sie Mahnungen zur rechten Annahme der Gnade Gottes? Die Intention der einzelnen Aufrufe ist nicht immer sicher abzulesen. Ob eine prophetische Mahnung als Ziel die Umkehr hat, ist nicht ohne ein Verständnis des Umkehrbegriffs zu entscheiden. Wenn z.B. Hosea mahnt: „Sie entferne ihre Hurenzeichen ...!" (2,4) könnte der moderne Leser vielleicht vermuten, der Prophet bemühe sich nur darum eine bestimmte moralische Schwäche des Volkes zu beseitigen. Es geht sicherlich auch um Ethik, aber noch mehr um das Gottesverhältnis insgesamt. Die einzelnen vom Volk begangenen Sünden, die gegen die alten Lebensregeln verstoßen (Hos 4,1 f.6; 6,6; 8,1), sind Zeichen des totalen Abfalls von Gott (4,12; 5,4; 9,1). 5
Die Aufforderungen zur Flucht, 82, vgl. 85.91. ' Vgl. u.a. S.Amsler: Arnos, prophète de la onzième heure, ThZ 21/1965, 318-28. Es ist auch zweifelhaft, ob Hos 2,3 „Mahnwort" genannt werden kann. Ist Jer 5,22 eine Mahnung in Form einer Frage?
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Terminologische Klärung
Umkehr ist dagegen die totale Hingabe an Gott, die sich praktisch durch die gerechtfertigte Tat äußert (6,1 vgl. V. 6). Wenn ein Prophet zum rechten Wandel aufruft, ist das faktisch ein Aufruf zum neuen Gottesverhältnis, das Umkehr voraussetzt und ermöglicht. An seinen Früchten wird der Baum erkannt. Am Beispiel von Jesaja beschreibt E. K. Dietrich 7 die Umkehr auf diese Weise: „Jesaja trennt nicht inneres Leben: Wille, Verstand, Gefühl vom äußeren Tun. Sowohl die Umkehr als auch der Glaube umfaßt die ganze Existenz", und zusammenfassend zu den ältesten Schriftpropheten äußert er: „Sie fordern mit der Umkehr einen religiös-ethischen Umbruch des inneren Seins und des äußeren Tuns." Zuweilen wird von „impliziten" oder „indirekten" Mahnungen gesprochen, weil eine Aussage nicht der Form der Aufforderung bedarf, um als solche verstanden zu werden. Ein Beispiel dafür ist die Aussage des Lehrers an den Schüler: „Du benimmst dich unmöglich!" Ein Imperativ ist dabei unnötig 8 . Der El-Amarna Brief Nr. 125 ist eine einzige an den König gerichtete Klage des Rib-Addi über seine Hilflosigkeit. Sie ist aber für den Adressaten als ein starker Imperativ gemeint: Sende Hilfstruppen und Lebensmittel! Der imperative Sinn ergibt sich dann unschwer aus der Beschreibung der kritischen Lage (im letzten Beispiel wird stillschweigend vorausgesetzt, daß der Großkönig verpflichtet ist, seinen Vasallen in Gefahr beizustehen) 9 . Ein Bedingungssatz kann in einem bestimmten Zusammenhang als Aufforderung gedeutet werden: Wenn du das tust, wirst du erfolgreich sein." Das Beispiel könnte als Mahnung oder Ratschlag begriffen werden: Tue das, um erfolgreich zu werden. Es könnte auch als neutrale Beschreibung oder Regel verstanden werden: Wenn du die Vorraussetzung erfüllst, ist dein Erfolg gesichert. Zur Frage, ob die Voraussetzung realisierbar ist, wird nicht Stellung genommen. Die Bedingungssätze in Jer 15,19 werden im Kontext der Konfessionen Jeremias wohl am zutreffendsten als implizite Mahnungen verstanden. In Jer 4,1 f. ist eine solche Deutung ebenfalls möglich. So könnten auch die begründeten Unheilsweissagungen der Propheten als ein indirektes Mahnen zur Umkehr aufgefaßt werden, das dem Volk das Gericht zu ersparen beabsichtigt, wie es etwa Jer 18,7 f. und das Jonabuch nahelegen. Daß aber jedes Gerichtswort einen solchen mahnenden oder warnenden Sinn haben sollte, ist zu bezweifeln, wenn 7
Die Umkehr, 66.74. » Cf. H.W.Hoffmann BZAW 136/1974, 47f. ' Zum Verhältnis der Bedeutung der sprachlichen Äußerung und ihrer Situation vgl. E.A. Nida: Toward a Science of Translation, Leiden 1964, 33 ff. 40 ff., R.M. Kempson: Semantic Theory, Cambridge 1977, Ch.4, W. Dressier: Einführung in die Textlinguistik, Tübingen 2 1973, Kap. III.
Terminologische Klärung
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im näheren oder ferneren Kontext kein positives Signal zu entdecken ist. Es ist nämlich wahrscheinlich, daß eine Mahnung in der Regel durch grammatische oder lexikalische Elemente (Imperativ, Jussiv, Verben des Wollens usw.) eindeutig ausgedrückt wird 10 . Deshalb werden uns hier überwiegend die expliziten oder direkten Mahnungen beschäftigen. Grammatische Termini Vetitiv ist die mit der Verneinungspartikel verbundene jussive Verbform. Vetitiv ist also der negierte Jussiv11. Er umfaßt sowohl die zweite 12 als die dritte 13 Person. Imperativ und Vetitiv stehen oft nebeneinander, weil der Imperativ nicht negiert werden kann. Als Vetitiv wird hier aber nicht der negierte Kohortativ begriffen. Die Verneinungspartikel kann zuweilen auch elliptisch ohne Verb dastehen. Man spricht dann von einem „verkürzten" Vetitiv, z.B. Prov. 8,10: I M ' V x i HplÖ inj? „Nehmt meine Zucht an lieber als Silber." Das fehlende Verb läßt sich gewöhnlich leicht vom unmittelbaren Kontext her erschließen 14 (hier: injpfl). S. auch Am 5,14; Joel 2,13; Prov 27,2. Die Verneinungspartikel kann durch die Hervorhebungspartikel 15 X3 verstärkt werden. Wenn wir in einem bestimmten Fall von Jussiv reden, meinen wir die Verbform im Jussiv (Kurzform des Imperfekts) ohne Verneinungspartikel. Prohibitiv ist die Verwendung der Verneinungspartikel R^ plus der Langform des Imperfekts als Ausdruck des Verbots 16 . Der Prohibitiv findet in den Gesetzessammlungen seine häufigste Verwendung. Daß das Imperfekt eine Willensäußerung ausdrückt, kann nur durch den unmittelbaren Kontext oder sonstige Zusammenhänge festgestellt werden.
10
Man lese z. B. die El-Amarna-Briefe mit ihren häufigen Prekativen. Prov 1,15; Thr 3,57; Jes 6,9 usw. (sehr üblich). 12 lSam 19,4; Prov 3,21; 6,25; 22,26; 24,17; Job 15,31; 16,18; Jes 56,3 u.a. 13 Cf. W.Richter: Recht und Ethos, 38. Zum vergleichbaren Gebrauch von 'al im Ugaritischen cf. K.Aartun: Die Partikeln des Ugaritischen (AOAT 21/1), Kevelaer 1974, 20-22. 14 Ps 119,36 (Gebet). 15 Cf. Aartun op.cit.75f. Sonst steht R) hinter der Verbalform (im Imp., Juss., Koh.) im Hebräischen. " „Heischendes Präsens" nach W.Richter op.cit.77. 11
42
Terminologische Klärung
Ein Zweifelsfall ist Hos 13,4ba, das als Zitat aus dem Bundesrecht verstanden werden kann. Dann muß die Ubersetzung lauten: „Du sollst keinen Gott neben mir kennen" (jnri R^). Es kann aber auch als Teil eines Geschichtsrückblicks als Beschreibung, d. h. „Selbstpreis Gottes" 17 , gedeutet werden: „Du kennst keinen anderen Gott neben mir." Die Langform des Imperfekts allein kann u.a. ebenfalls bei einer Willensäußerung verwendet werden. Dies ist eine übliche Form der Gebote, z.B. Lev 19,318. Kornfeld nennt sie den „präzeptiven Imperfekt" 19 . Der Vorschlag, statt dessen den Terminus „Injunktiv" 20 zu verwenden, ist vorzuziehen, weil er eher dem „Prohibitiv" entspricht. Weil die Langform des Imperfekts im gebietenden Sinn mit Perf.cons. wechselt, ist es ratsam, beides als „Injunktiv" zu bezeichnen. Beide Formen sind positionsgebunden: w*qatal - x/x - yiqtol. (Perf. cons. am Anfang des Satzes, sonst Impf.). 17
Cf.Wolff: Komm, ad loc. 293, vgl. Warmuth op. cit. 39 f. Zu Lev. s. Ubersichtstabelle bei W.Kornfeld: Studien zum Heiligkeitsgesetz, Wien 1952, 136f. Im Dekalog (Ex 20,8.12) kommt auch Imp. zweimal vor. 19 Op.cit.54, vgl. H. Cazelles: Études sur le Code d'Alliance, Paris 1946, 112 f. und C. Feucht: Untersuchungen zum Heiligkeitsgesetz (ThA 20), Berlin 1964, 26 ff. 20 Cf. W. Groß: Verbform und Funktion, St. Ottilien 1976, 31, s. auch T.Seidl: Tora für den „Aussatz"-Fall, St. Ottilien 1982, 99 f. 18
KAPITEL 4
Die Gattung der prophetischen Mahnrede Die Mahnworte des Arnos K.Koch und seine Mitarbeiter 1 zählen drei Mahnreden bei Arnos: 5,4-6.14 f.21-24. Einige Exegeten wollen auch 4,12 b ß als Mahnung mitrechnen 2 . Weil Arnos der älteste „Schriftprophet" ist, sind seine Mahnworte insofern von besonderer Bedeutung, als sie die ersten Belege einer Kette von prophetischen Mahnungen bilden und deshalb zum Ausgangspunkt für den formgeschichtlichen Vergleich geeignet sind. Demnach ist ihnen in der neueren Forschung zu Arnos besonders intensiv nachgegangen worden. Am 5,4-6 Der Text 5,4-6 ist ursprünglich keine zusammenhängende Mahnrede. V.6 bildet eine Einheit für sich, weil Jahwe hier in 3.p. auftritt. Außerdem scheint die motivierende Drohung im Vergleich zu V. 5 verschärft zu sein. Einige Exegeten vermuten deshalb, daß V. 6 nicht vom Propheten herrühre 3 . Die Annahme einer gewissen Entwicklung in der Theologie der einzelnen Propheten spricht jedoch eher für die Echtheit von V.6 und kann das Verhältnis von 5,4f.6.14f. zueinander als eine steigende Linie der Radikalisierung erklären 4 . Die Bedingtheit des 1
Arnos (AOAT30), Kevelaer 1976, T. 1, 94. Die Echtheit der Stelle wird o f t verneint, cf. Wolff Komm, ad loc. 256. L. Markert: Struktur und Bezeichnung des Scheltworts, BZAW 140/1977, 114 rechnet 4,12 b als aktualisierenden Nachtrag. W.Rudolph Komm. 172ff. nimmt dagegen die Echtheit von Am 4 , 6 - 1 2 an. Zur umstrittenen Deutung von Am 4,12 s.u.a. G.W.Ramsey: Arnos 4,12, JBL 89/1970, 187-91 u. R.S.Cripps Komm. 176.296f. u. H . G e s e : Komposition bei Arnos, VTS 32/1981, 86. 3 Wolff Komm, ad loc. 272 f.; Markert op.cit. 140. Nur selten werden Zweifel über die Echtheit von V . 4 f . geäußert. J.Lust: Remarks on the Redaction of Arnos 5,4-6.14-15, O T S 21/1981, 129-54 sieht auch V . 4 f . als Zutat der Redaktion an, gründet aber diese Vermutung auf die nirgendwo bei Arnos geäußerte Ansicht, daß Jerusalem der rechte Ort der Verehrung Jahwes im Gegensatz zu Bethel, Gilgal und Beerscheba sei, vgl. Wolff: Arnos 280. 4 Willi-Plein o p . c i t . 3 1 - 3 3 . 3 6 hält es für wahrscheinlich, daß der Grundbestand von 5 , 4 - 6 und 5 , 1 4 - 1 5 von dem Propheten selbst stamme. 2
44
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Heils und die Unabwendbarkeit des Unheils werden immer stärker betont 5 . V.4 f. hat eine klare Struktur: V.4a Einführung
... l a g nb
V.4b Mahnung (Imp.pl.) mit verheißender Motivation V.5
Warnung (Vetitiv u. Prohibitiv pl.) mit drohender Motivation
'J^l? i»m ... WT7J1 "Vsi ... liori VÜJtfl R1? ... ' 3
Die zwei Hauptelemente sind also Appell und Motivation. Diese beiden Elemente treten sowohl positiv (Mahnung, Verheißung) als negativ (Warnung, Drohung) auf. Der Appell wird durch Imperativ, Vetitiv und Prohibitiv ausgedrückt, die Motivation hingegen durch verschiedene syntaktischen Mittel wie finalen Imperativ oder ki-Satz. Die Mahnung in V. 6 hat eine ganz ähnliche, aber einfachere Struktur. 1. Appell (Imp.m.pl.) 2. Motivation a) verheißend (finaler Imp.) b) drohend (Finalsatz V. b)
mn'
inb? Vni ... 19
Hier fehlen die negativen Aufforderungen, die Warnungen. Der Appell besteht aus einem einzigen Imperativ. Das Vokabular von Am 5,4-6 bezieht sich vornehmlich auf kultische und priesterliche Sprache, wie es auch die Kultpolemik 4,4 f. tut, die als „Parodie einer Priestertora" 6 geformt ist. Das Verb SHT ist in kultischen Zusammenhängen wohlbekannt 7 . Nach J. L. Mays 8 ist „der Satz .Suchet mich, damit ihr leben könnt"' eine Form der priesterlichen tora. Während 4,4 f. als Parodie gemeint ist, deutet nichts in 5,4-6 auf eine solche hin. Es wird vielmehr eine polemische Alternative zur Priestertora geboten, die ihren Ausgangspunkt in deren Sprache nimmt. Die Verwendung des Verbs ¡vn ist weniger eindeutig. „Leben" als „heilsvolle Existenz" läßt sich zwar in kultischen Kontexten belegen 9 , 5
Cf. F.Hesse: Arnos 5,4-6.14f., ZAW 68/1956, 1-17. * Wolff Komm, ad loc.250. 7 Dt 12,5; Ps 22,27; 24,6; 34,11 usw. 8 Arnos, 87 unter Hinweis auf J. Begrich. ' U.a. Lev 18,5; Dt30,15ff.; Ps 22,27; 69,33; 116,9; Hos 6,2; cf. THAT I 556 (G. Gerleman).
D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
45
hat aber auch einen Platz in der Weisheitsliteratur. Die finalen Imperative r r m und l'ni sind in Prov 4,4; 7,2; 9,6 belegt 10 . Der negative Finalsatz (]B) V.6b kann als solcher nicht auf die Sprache des Rechtslebens, z.B. auf den Stil des „Schlichtungsvorschlags", zurückgeführt werden. Das bloße Vorkommen eines pcen-Satzes kann nicht auf einen bestimmten Lebensbereich festgelegt werden 11 . Sätze nach dem Strukturmuster „Tue dies, damit du (über-)lebest" sind formelhaft und nicht etwa ausschließlich weisheitlich, wie es sich an einigen Beispielen wahrnehmen läßt: Der König von Ägypten schreibt zurechtweisend an einen Vasallen: „Unterwirf dich denn dem König, deinem Herrn! Dann lebst du" (EA Nr. 162 Z.39) 12 , vgl. bes. Jer 27,12. Im Atrahasis-Epos gibt Enki der Hauptperson die Anweisung: „Destroy your house, build a boat, spurn property and save life" (na-pi-is-ta bu-ul-li-it III 22 f.) 13 . Am
5,14f.
Die Struktur dieser Mahnrede ist wieder ganz leicht zu durchschauen: V.14 Mahnung (Imp.pl.) Warnung (verkürzter Vetitiv) Motivation (Verheißung durch Finalsatz und finaler Jussiv) V.15 Mahnung (3x Imp.pl.)
Motivation (bedingte Verheißung)
10
a i ö 1sn"T j n Vkl vrtfl jyaV j n IKJ.fo aiaianio 229?» -ipfo w s n i ... | j r r '^IK
Die übrigen Belege zeigen eine gewisse Konzentration auf die prophetische Litera-
tur:
rrni VIT
Gen 20,7
Gen 42,18; 2 K ö n 18,32 (politisches Gelübde) Jer 27,12.17; Ez 18,32; Am 5,4.6 ri"ni in Dt 30,16 hat dieselbe Funktion wie der finale Imp. Die Proverbiastellen gehören der Spätzeit an und sind wahrscheinlich z.T. vom Stil des D t beeinflußt, cf. A.Robert: Les attaches littéraires bibliques de Prov. I-IX, RB43/1934, 42 ff. 51. 11 Gegen Sitompul op. cit. 141. 12 Vgl. Nr. 74 Z. 25-28. Zur Verwendung des Stativs im Nachsatz s. die Hinweise bei H.-P. Müller: Zur Geschichte des hebräischen Verbs, BZ 27/1983, 34-57.39. 13 Lambert/Millard: Atra-hasis, 89. Vgl. auch Lambert: BWL 116: „Respect the oath, and save yourself" (ma-mi-tápi-la-hé-ma pa-gàr-ka sul-lim).
46
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Es sind zwei synonyme Einheiten, Mahnworte, die aneinandergereiht sind. Die Antithese Gut-Böse verbindet die beiden Einheiten. In der zweiten wird die verheißende Motivation durch das berühmte 'ulaj „vielleicht" radikal abgeschwächt. Welcher Schüler von Arnos hätte wagen können, die Bedingtheit der Verheißung in den alten Mahnworten derartig zuzuspitzen? Die Originalität und Radikalität dieser Zuspitzung paßt am ehesten zum Propheten selbst14. Der Gegensatz von J H / l i a in der Mahnung läßt sich als Nachahmung weisheitlichen Stils verstehen. Die konkrete Aufforderung zur rechten Ausübung der Rechtsgewalt steht damit ebenfalls im Einklang 15 . Dagegen stammt das „Jahwe mit euch" aus Traditionen des heiligen Kriegs 16 . Das Verb ]2n weist wieder in die Richtung der kultischen Sprache 17 . Zwar sind Finalsätze im weisheitlichen Spruch beliebt, der Satz ( l ) v n n j y a ^ findet sich aber außer Am 5 , 1 4 ; Jer 3 5 , 7 nur in Dt ( 4 , 1 ; 5,3; 8, l) 18 . Der weisheitliche Einfluß auf den Stil dieses Prophetenworts darf allerdings nicht überschätzt werden. „Rein weisheitlich" ist der Spruch nicht 1 '. Syntaktische Mittel wie Antithesen und Finalsätze sind nicht auf die Weisheitsliteratur beschränkt. BHT spielt hier nicht auf den kultischen Vorgang der Orakeleinholung an 20 . Hier sind die Objekte „Gutes"/„Böses". Die Fortsetzung der Mahnung in V.15a qualifiziert sie als ethische Maßstäbe, die sich im is-
14 Gegen Wolff: Arnos 274.294 f. Markert op.cit. 153 findet „aus der sprachlichen Analyse allein keine entscheidenden Kriterien gegen die Herleitung des Spruches von dem Propheten". Zur Theologie der Stelle vgl. u.a. A.J.Bjerndalen: Jahwe in den Zukunftsaussagen des Arnos, in: FS H.W.Wolff, 199ff. Übrigens kommt '^K in der Weisheitsliteratur nur einmal vor (Job 1,5) und kann kaum als Indiz der angeblich skeptischweisheitlichen Theologie eines Prophetenschülers bewertet werden (gegen Wolff: Arnos 295). Willi-Plein op.cit.32 betont, daß „das zögernde .vielleicht' in V.15 ... für den Gerichtsboten Arnos (vgl. 8,2!) ein Problem" enthalte, das dem der Berufung Jesajas vergleichbar sei. 15 Cf.Sitompul op.cit. 139. 16 Es ist geradezu die „Zitierung eines priesterlichen Heilsorakels" cf. T. Lescow: Micha 6,6-8, Stuttgart 1966,41 u. vgl. Wolff: Arnos 294. 17 Rudolph Komm, ad loc. 193. 18 S. weiter bei M. Weinfeld: Deuteronomy 345. " Vgl. Koch u. Mitarb. op.cit.T.l. 173. 20 Gegen V.Maag: Text, Wortschatz und Begriffswelt des Buches Arnos, Leiden 1951, 142f., der glaubt, es gehe um das Suchen nach der guten, d.h. der prophetischen Thora ( = 31JS) im Gegensatz zur „verderblichen" und irreführenden Thora ( = JH), die an den Kultorten erteilt wurde. Maag schreibt hier dem i n eine Konstanz der Bedeutung zu, die es gar nicht hat. Vgl. weiter Sitompul op.cit. 142.
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
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raelitischen Rechtsleben konkretisieren sollten 21 . „Gutes/Böses suchen" ist ein Ausdruck, der sich gut in die Thematik der Weisheit hineinfügt, wie Wolff unter Hinweis auf Prov 11,27 bemerkt 22 . n ^ l !H7 findet sich aber auch Ps 38,13 und ist wohl ein sehr allgemeiner Ausdruck, der der Weisheit nicht exklusiv vorbehalten war. Der Gebrauch von 3X' (Hif. Imp.) mit JSDIpa als Objekt kommt nur hier vor und könnte ein vom Propheten selbst gebildeter Ausdruck sein. Am 5,14 f. ist nicht bloß moralischer Appell, sondern ein Ruf zur rechten Gottesbeziehung, ein Ruf zur Umkehr, wie es die begründende Motivation einschließt: Die Befolgung dieser ethischen Mahnung ist die Voraussetzung des Überlebens durch die Gnade Gottes, ebenso wie die Befolgung der kultpolemischen Mahnung 5,4-6. Kult und Ethos sind beim Propheten „Steine der Erprobung", Indikationen des Zustands des ganzen Verhältnisses zu Jahwe. Wenn hier etwas nicht stimmt, ist das ganze Verhältnis zerstört und revisionsbedürftig. Das Wort „Umkehr" fällt in Am 5 nicht, obschon der Prophet das Wort kennt, wie es 4,6-12 wahrscheinlich macht, aber der Sache nach ist die radikale Umkehr zu Jahwe im polemischen Gebrauch von daras eingeschlossen. Am 5,21-24( + 27) Der Abschluß dieser Einheit ist nicht mit Sicherheit festzusetzen. Wolff 2 3 mag darin recht haben, daß V. 25 f. Zusatz sei und die Gerichtsankündigung V. 27 zum ursprünglichen Bestand gehört habe. Die Motivation besteht aus (a) der göttlichen Ablehnung 21 f.23b in l.p. und (b) dem Gerichtswort V.27, falls dieses im Zusammenhang ursprünglich ist24. Das Gerichtswort V. 27 ist hier durch ] angeführt, während die parallele Motivation 5,4 b durch ' 3 eingeführt wurde. Der Appell besteht aus V. 23 a mit Imp. 2. m. oder vielleicht Inf. abs. (Ipn) im imperativischen Sinn25 und V. 24 mit Juss.3.sg. (unpersönl. to?)2'. 21
Vgl. Jes 1,17 ÜD^IJ H h l und dazu R.Frey: Arnos und Jesaja, 72. Wolff: Arnos 294. 2i Komm, ad loc.304f. vermutet V.21.22aßb.23f.27 als ursprünglichen Bestand der Redeeinheit. 24 Nach I.Willi-Plein: Vorformen der Schriftexegese innerhalb des ATs (BZAW 123/1971), 39 „kann V.27 ein echtes Amosfragment sein", das an V.21-25 nachträglich angehängt wurde. 25 Wolff Komm, ad loc.304. 26 Ein ähnlicher Wechsel findet sich in Hos 14,2 f., vgl. auch Jes 7,4.9. 22
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Während V.21f. die Anrede im Plural („euch") steht, hat V.23 die Anrede im Singular. Der Wechsel läßt wahrscheinlich nicht auf die uneinheitliche H e r k u n f t der Abschnitte schließen 27 . Die Mahnung V.23 ist nicht formal, sondern sachlich negativ, was die mit 1 verbundene Begründung unterstreicht: „indem ich dein H a r fenspiel nicht hören kann" 28 . Damit wird auf die vorangehende Reihe anklagend ablehnender Sätze zurückgegriffen. Die Mahnung V. 24 ist positiv und wird mit dem negativen Gegenstück durch das einfache 1 verknüpft. Der Jussiv ist hier kaum als Wunsch 29 , sondern als gebotsmäßige Mahnung zu verstehen: „Laß das Recht wie Wasser strömen ..." Es besteht noch die Möglichkeit, den Jussiv von V. 24 als Ausdruck der Absicht oder Folge aufzufassen: „damit/so daß Recht ströme ...". J . P . H y a t t interpretiert auf diese Weise V.24 als Verheißung 30 . Diese Deutung setzt voraus, daß läSfÖ und Jahwe gehören und sein Heilswirken sein müssen, was vom Kontext her nicht einfach zu entscheiden ist, da im Text keine Suffixe vorhanden sind 31 . Es wäre auch möglich, V. 24 einen drohenden Sinn zu geben, wenn Gottes mispat und sedaqa als seine richterliche Aktivität verstanden werden. Ohne völlige Sicherheit zu erreichen, deutet man jedoch V.24 am besten als Mahnung, weil mispat und sedaqa sonst bei Arnos als menschliche Rechtsordnung belegt sind 32 und weil die sonstigen Mahnungen des Arnos als antithetische Parallelen strukturiert sind. J. Begrich hat in Am 5,21-24 die prophetische Nachahmung der priesterlichen rniil erkannt 33 . Zweifellos greift der Prophet so auf die Kultsprache der priesterlichen Weisung zurück, was durch 21 f. 23 b deutlich wird. Die priesterliche Weisung hat wohl je nach Anlaß verschiedene Gestalt angenommen. In V. 21 f. handelt es sich wahrscheinlich um die Gattung des Kultbescheides, der über die Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit der Kulthandlungen unterrichtet 34 . V. 23 a ist eine nega27 Die Deutung von V . 2 4 als Gerichtsdrohung ist eben wegen der Jussivform unwahrscheinlich. Zu dieser Deutung s. u.a. E. Würthwein: Arnos 5,21-27, ThLZ 72/1947, 150. 28 Obwohl yijips kein Kohortativ ist, dürfte man doch fragen, ob Imperf. hier wegen des Parallelismus zu 23 a als Willenserklärung verstanden werden könnte: „Ich will dein Harfenspiel nicht hören." 29 Markert op. cit. 163. 30 J.P.Hyatt: The Translation and Meaning of Arnos 5,23-24, ZAW 68/1956, 17-24 bes. 23 f. 31 Vgl. Markert op.cit. 162: es fehlen in V . 2 4 „jegliche Rückverweise". 32 Cf. Markert op.cit. 142 f. 33 Die priesterliche Tora (1936), jetzt in Ges. Studien (ThB21), 232-60.243. 34 Cf. Würthwein art. cit. u. vgl. Wolff: Arnos 305. Die Rekonstruktion dieser Gattung läßt noch viele Fragen offen, vgl. J.Jeremias: Kultprophetie und Gerichtsverkündigung in der späten Königszeit Israels, Neukrichen-Vluyn 1970, 156 ff. bes. 160 f.
Die Gattung der prophetischen M a h n r e d e
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tive, V. 24 eine positive Forderung. Die letzte Mahnung wäre isoliert betrachtet auch als weisheitlicher Spruch denkbar und könnte einen Einfluß weisheitlichen Stils bezeugen 35 . Sie ist jedoch eigenständig und frei vom Propheten formuliert.
Die Mahnworte des Hosea 36 Jetzt muß geprüft werden, inwieweit der mit Arnos ungefähr gleichzeitige Prophet Hosea Mahnungen zur Umkehr ausgesprochen hat und ob diese denen von Arnos im Aufbau und Duktus ähnlich sind. Weil Arnos und Hosea, obwohl ihre Tätigkeit in demselben Reich stattfindet, in ihrer Verkündigung als grundverschieden und voneinander unabhängig gelten, erlauben die ähnliche Struktur und Zielsetzung in ihren Mahnungen Rückschlüsse auf ein den Propheten vorgegebenes Schema der Mahnung.
Hos 2,4-5 Diese „ultimative Vermahnung" 3 7 hat eine einfache Struktur: Dem warnenden, zur Abkehr von der Sünde mahnenden ersten Teil (V. 4) folgt der mit einer Drohung motivierende zweite Teil (V. 5). Der erste Teil bringt eine ernste Anklage zu Gehör, zuerst im kt-Satz (4aß), dann auch in der Wahl der Objekte 4 b 38 . Das erste Verb 3'"1, das zur Unterstreichung wiederholt wird, führt in den sprachlichen Bereich des Gerichtsverfahrens hienein, der das Folgende (4-17) beherrscht, wie Wolff nachgewiesen hat 39 . Es erinnert an einen „Schlichtungsvorschlag". Innerhalb der volitiven Verbformen vollzieht sich ein ungewöhnliches von der Bildersprache her bedingtes Wechseln vom 2 .p.m.pl. ( i a ' 1 Imp.) zu 3 .p.f.sg. (npfl Jussiv) 40 .
3 5 Vgl. Job 15,31 a; 36,18. Juss. 3. p. ist in der Weisheit nicht sehr häufig. Vgl. weiter Wolff: Arnos 309. 3 4 Nach Abschluß meines Manuskripts liegt der Kommentar von J.Jeremias: Hosea A T D 24/1, Göttingen 1983 vor. Ich habe jedoch 1980-81 das Privileg gehabt, die hier behandelten Hoseatexte mit dem Verfasser zu diskutieren. 5 7 Wolff Komm, ad loc.37. Vgl. D.J.A.Clines: Hosea 2: Structure and Interpretation, J S O T S 11/1979, 85: „Appeal to Israel to abandon her harlotry" = H o s 2 , 4 - 6 . 3 » Cf. H.Krzyna: Literarische Struktur von Os 2 , 4 - 1 7 , BZ 1 3 / 1 9 6 9 , 5 7 . 3 9 Komm. z.St., auch H . J . Boecker: Redeformen des Rechtlebens, 120 f. 4 0 Erwägenswert ist die Übersetzung von Andersen/Freedman: Hosea, 214, die den Jussiv final verstehen: „so that she remove . . . " Vgl. auch Jes 5 5 , 6 f .
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Obwohl hier nichts unmittelbar auf die Möglichkeit der Umkehr und der Gnade Gottes hinweist, ist dies wohl impliziert im Akt des Warnens, das im allgemeinen ein positives Ziel einschließt 41 . Sitompul 42 betont die Unselbständigkeit dieser Mahnrede. Demgegenüber darf mit Wolff 4 3 behauptet werden, daß Hos 2,4-17 keine ursprüngliche Einheit bildet, sondern deutlich „eine lose Sammlung von Einzelsprüchen" ist. Wolff zählt V. 4 a. 4 b - 5 . 6 - 7 usw.44. V. 4 a gegen V.4b-5 als ursprünglich selbständige Einheit hervorzuheben scheint uns nicht zwingend nötig. Das Wechseln von 2. zu 3. Person in den mahnenden Verben beruht auf der wirklichen Situation, die als Bild angewendet wird, und spricht nicht gegen die Einheitlichkeit von V. 4 a und b. V. 4-5 ist somit als eine ursprünglich selbständige „Bußmahnung" anzusehen 45 . Hos
4,15
Der Text ist schwierig und möglicherweise schlecht überliefert. Der Kommentar von F.I.Anderson und S.N.Freedman meint jedoch M T unverändert behalten zu können 46 . V. 15 a wird dann als Zitat von zwei verbotenen Eiden verstanden: „You, Israel, are not a prostitute. Let Judah not be held guilty." Das betreffende Verbot ergeht aber erst nach zwei anderen in 15 b, so daß der Zusammenhang nicht einleuchtend wird. Die Übersetzung J. L. Mays 47 scheint M T von 15 a besser wiederzugeben: „Though you, O Israel, play the harlot, let Judah not incur such guilt." 41 Vgl. K. Groß: Hoseas Einfluß auf Jeremias Anschauungen, NKZ 42/1931, 331: „So haben Hosea und Jeremia einmal die eine Seite der Reue, das andere Mal die andere Seite der Reue betont, gedacht natürlich stets an das Ganze." 42 Op. cit. 136. 43 Korn., 38. 44 Es ist daher methodisch unzulässig, die Intention von V. 4 f. gleich aus V.6f. zu schließen, vgl. Warmuth op. cit. 51 f. Nach L. Ruppert bilden W . 4 - 7 . 1 0 - 1 5 die „Kerneinheit", d.h. die erste „Kompositionsphase" der komplexen Einheit 2,4-25 (Beobachtungen zur Literar- und Kompositionskritik von Hosea 1-3, in: FS J. Schreiner 1982, 163-82.173, vgl. auch L. Ruppert: Erwägungen zur Kompositions- und Redaktionsgeschichte von Hosea 1-3, BZ 26/1982, 209f.). 45 Vgl. Wolff: Komm., XXII. 46 S. 343.371 f. 47 Hosea, 76; cf. Rudolph: Hosea, 106. Man beachte die verschiedenen möglichen Übersetzungen von DPK. Wolff (Komm., 88) übersetzt „sich strafbar machen". J. Milgrom übersetzt Dt7K in Hos 5,15 „to be punished" (The Cultic 01PX: A Philological Analysis, in Proceedings ... 1977, 301). Vgl. weiter R.Knierim: BPK.THAT I 251-57, bes. 253.
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
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Damit bietet V . 1 5 a eine Warnung an Juda, was von Hosea selbst nicht zu erwarten war, weil er in Israel wirkte. Weil die Fortsetzung in die 2.p. (Vetitiv) überwechselt, wird der Verdacht geweckt, daß in 15 a ein Eingriff vorgenommen worden sein könnte, wahrscheinlich ein Eingriff der judäischen Redaktion, die ein Hoseawort aktualisieren wollte. Wenn nach dem Vorschlag Wolfis 4 8 der Name „Juda" als Glosse aus dem Text entfernt und DIPIT in DtfKfl korrigiert wird, entsteht Ubereinstimmung zwischen 15b und dem Vokativ Vin®' HflN in 15a. Die beiden ersten Wörter von 15 a (HIT DK) dürften wegen der Thematik zum vorhergehenden Vers gehören. Demnach wird eine einfach strukturierte Warnung sichtbar: 1. Vokativ: „Du, Israel", 2. Grundwarnung im Vetitiv 2.m. sg.: „mache dich nicht schuldig" (DtftfirVx), 3. drei Einzelwarnungen im Vetitiv 2.m.pl. Eine explizite Motivation fehlt. Der Wechsel vom Singular in den Plural bei den Verben ist im Kollektiv „Israel" begründet, wie auch in Hos 14,2 f. Die Ähnlichkeit von Hos 4,15 b mit Am 5,5 ist nicht als literarische Abhängigkeit und redaktionelle Arbeit zu erklären 49 . Sie legt eher ein Zeugnis von der Wirkung der Verkündigung des Arnos auf Hosea ab. Die Warnung besteht aus einer zusammenhängenden Vetitivreihe und ist in ihrer Negativität dem „ultimativen Mahnwort" 2,4 f. ähnlich. Die Problematik der „Schuld" (DPK) im Zusammenhang mit Warnungen vor dem Schwören und dem Besuch der heiligen Orte läßt nicht an die Sprache des Rechts, sondern an die Redeformen des Kults, z. B. priesterliche Tora-Sprache, als Vorbilder denken 50 . Der Spruch Hos 4,15 ist wahrscheinlich eine ursprünglich eigenständige Einheit, die wegen ihrer Thematik in das vorliegende Uberlieferungsstück ( 4 , 4 - 1 9 ) eingefügt worden ist 51 . Hos 10,12 Wie Wolff gezeigt hat 52 , ist dieser Vers schon in den anklagenden Geschichtsrückblick 10,11-13 a integriert, jedoch ein ziemlich unver48 49 50 51 52
Komm, ad loc. 89.111 f. Mit Mays: Komm. 77 gegen Rudolph: Komm. 113 f. Gegen Wolff: Komm. 112, vgl. zu Am 6,6; 4,4f. bei u.a. Maag: Arnos 142f. Cf. Wolff: Komm. 90 f. Komm. 236.240 f.
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
mittelt eingeführtes „Zitat einer früheren ergangenen Mahnrede" 53 . Man darf also annehmen, daß V.12 ursprünglich ein eigenständiges Mahnwort oder Teil eines selbständigen Mahnworts war. V.12a hat eine recht einsichtige Struktur. Die beiden ersten Imperative könnten als zwei verschiedene Mahnungen verstanden werden 54 : „Säet, ... erntet ...", der zweite Imperativ könnte aber auch final verstanden werden: „säet..., damit ihr erntet.. ,"55. Sitompul 56 vermutet in Hos 10,12aß einen feststehenden Ausdruck, weil er in Jer 4,3 aß „eine wörtliche Parallele" hat 57 . Man könnte auch annehmen, daß Jeremia aus hoseanischem Erbgut schöpft. Wahrscheinlich bildet ein weisheitlicher Spruch das Rohmaterial der Mahnung Hoseas, vgl. Prov 11,18; 22,82; Qoh 11,6. Es ist schwer, sich hier für eine der beiden Verstehensweisen zu entscheiden. Vielleicht ist die erste Möglichkeit vorzuziehen. Man muß eine gute Saat säen, nur diese verspricht eine gute Ernte. Wie die Saat, so die Ernte. Der dritte Imperativ ist wieder eindeutig mahnend und braucht kein Deutewort zur Erschließung der Bildersprache, vgl. die Schlüsselwörter p"TX und "Tpn 12aa. Wolfis Konjektur5® von Tiy zu Jljn nach der Lesart der LXX ist aber eine unnötige Verdeutlichung. Diese Konjektur zieht auch eine andere nach sich. Aus ItH?» was freilich stilistisch möglich, doch textkritisch nicht so gut zu begründen ist. Wenn man keine Textänderungen vornimmt, darf man ohne Schwierigkeiten mit Sitompul 59 annehmen, daß 12ba eine Mahnung in Aussageform ist: „Und es ist Zeit60, Jahwe zu suchen!" Sitompul bezeichnet diese Mahnung als „die eigentliche Grundmahnung". Die vorhergehenden zwei bzw. drei Mahnungen sind gleichwohl nicht minder grundsätzlich. Die Imperativkette findet aber in 12 b 53 Ibid. 236. Die Sachlichen und stilistischen Einwände J. Vollmers gegen die hoseanische Herkunft von 10,12 sind nicht schwerwiegend genug (Geschichtliche Rückblicke und Motive in der Prophetie, BZAW 119/1971, 72 f.). 54 Cf. Rudolph: Hosea, 203: Wegen der parallelen Ausdrücke in 13 a werden die Imperative als gleichgestellt verstanden. 55 Wolff ibid. 241. 56 Op.cit. 133. 57 Jer 4,3 ist mit antithetischem Parallelismus formuliert. Hos 10,12 a hat dagegen den synonymen Parallelismus. Im A T ist TJ als Verb nur an diesen zwei Stellen belegt. 5 » Komm. 234. 59 Op.cit. 132. 60 II? trägt wie das entsprechende deutsche Wort Konnotationen von Pflicht und Aufgabe, die in verschiedenen Kontexten (hier mit V) aktiviert werden, vgl. Hagg 1,2.4; Ps 102,14; 119,126. Vgl. weiter E.Jenni: ny, T H A T II 370-85.383.
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
einen erklärenden Abschluß. Die Forderung wird also hier zusammenfassend durch eine Infinitivkonstruktion ausgedrückt. 12 bß läßt sich nur schwer in den Zusammenhang einfügen 61 . Man dürfte vielleicht an dieser Stelle doch eine ursprünglich verheißende Motivation vermuten.
Hosea 10,12 und seine Parallelen''1
Hos 10,12: n j ? 1 J H T
T}
i ö n 'D^ n x p
ijruri
t ' } dd^ i t }
nin»-Jl$'rrnV rtia» i? pii
Jer 4,3: IT} trxip
Prov22,8a: n>7F yiir
rn'i
Qoh 11,6: i r r ™
r u r r ? « any?) ... Vgl. weiter Prov 11,18; Mi 6,5; Jer 12,13; Hos 8,7; 10,8. Hos 12, 7
Die Echtheit dieser Stelle ist nicht unumstritten, weil sie zu einem lükkenlosen Zusammenhang im thematisch vereinten Kap. 12 nicht eindeutig beitrage 63 . Dagegen ist einzuwenden, daß Hos 12 eine nachträglich zusammengefügte Uberlieferungseinheit ist64, von der kein lückenloser Gedankengang erwartet werden kann. F. Diedrich gelangt zum Ergebnis, daß V. 7 als „kleine Einheit" zur ältesten Schicht des Kap. 12 gehört 65 . Falls V. 7 ursprünglich kein freistehendes Mahnwort war, muß es mit dem Geschichtsrückblick V. 5 verbunden gewesen sein, der eine mögliche Redeeinführung bildet 66 . Die Mahnung an Jakob läßt sich aber nur 61
Vgl. die Ausführungen von Wolff Komm. 234. y H / I S p bildet ein Wortpaar. Verwandt ist das auch ugaritisch belegte Wortpaar «nn/-|*f> Hos 10,13; lSam 8,12; Job 4,8; Prov 20,4 (L.Fisher (Ed.): Ras Shamra Parallels II, 396). " Cf. Willi-Plein op.cit.213f. Vollmer op.cit.107f. 64 Zum zusammengesetzten Charakter von 12,1-15 s. Wolff: Komm. 266 ff. und F. Diederich: Die Anspielungen auf die Jakob-Tradition in Hos 12,1-13,3 (FzB27), Würzburg 1977, 454 ff. 542 ff. 65 Op.cit. 192. 66 V. 6 ist eine doxologische Hinzufügung. 62
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Die Gattung der prophetischen M a h n r e d e
unter Vorbehalt als Auslegung der aus Genesis bekannten Jakobtraditionen verstehen. M. Gertner 6 7 interpretiert das „kehre zurück" 7a als Anspielung auf das Versprechen Jakobs, nach Betel zurückzukehren Gen 28,21. L. Ruppert 68 versteht 7a als eine Mahnung („Du aber wirst durch deinen Gott zurückkehren"), die Gottes Zusage der Heimkehr Gen 28,15 (J) paränetisch-aktualisierend umwandelt. H. Utzschneider 6 9 vermag dagegen in V. 7 keine Anspielung auf die Jakobtradition zu sehen. Er versteht das Imperfekt DllPfl als Verheißung der Rückkehr Israels aus dem Exil. Die Rückkehr Jakobs nach Kanaan als „Modell der Wiederherstellung Israels" sei aber in der Theologie Hoseas kaum möglich. Trotzdem sei V. 7 als eigenes und vom thematischen Zusammenhang des Kap. 12 unabhängiges Mahnwort betrachtet „bei Hosea sehr gut vorstellbar". Die Interpretation Utzschneiders, die V. 7 aus seinem gegenwärtigen Kontext löst, ist zwar nicht unmöglich, doch ebenso wahrscheinlich ist die Auffassung J . L. Mays 7 0 , wonach V. 3 - 7 eine Einheit ausmacht, die mit rückblickender Anklage (3'"l V. 3) und Drohung beginnt und mit einer Aufforderung zur Buße in letzter Stunde endet. Mays räumt ein, daß diese Mahnung in der alten Jakobstradition nicht vorhanden ist. V. 7 ist aber die eigene Deutung Hoseas von der Erwählung Jakobs und der Berufung Israels zum Bund mit Gott 7 1 . Wenn diese Ansicht zutrifft, ist Hos 12,3-7 insgesamt eine Mahnrede, die von einem anklagenden Geschichtsrückblick ( 3 - 5 ) motiviert wird. Die geschichtliche Belehrung wird ermahnend ausgewertet. Anders als 10,12 ist 12,7 als Zielaussage dem anklagenden Geschichtsrückblick nicht untergeordnet, sondern übergeordnet. F.Diedrich sieht Hos 1 2 , 3 - 5 . 7 . 1 0 . 1 3 . 1 4 zusammen als eine „konstruierte Beispielerzählung (über den Erzvater Jakob) mit stark paränetischer Tendenz als Rib eingeleitet" 72 . Ob die ursprüngliche Einheit so umfangreich und komplex war, bleibt aber zweifelhaft 73 . V. 7a wird zuweilen als rein verheißende Voraussage verstanden (Rudolph, Utzschneider). Der deutliche Paralellismus zwischen 7 a und b legt aber die Deutung vom Imperfekt ailTfl als Ausdruck einer Aufforderung nahe. Eine solche Verwendung des Imperfekts ist anderswo
" " " 70 71 72 73
The Masorah and the Levites, V T 10/1960, 279. Herkunft und Bedeutung der Jakob-Tradition bei Hosea, Biblica 52/1971, 497 ff. Hosea. Prophet vor dem Ende ( O B O 31), Freiburg 1980, 2 1 0 f . Hosea, 1 6 1 - 6 5 . Ibid. 165. Op.cit.458. Vgl. Wolff: Komm. 269.
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
55
reichlich belegt 74 , obwohl der Injunktiv in Prophetensprüchen nicht vorherrscht. Mit den meisten Auslegern ist daher zu übersetzen: „Du sollst aber zurückkehren ..." Die Präposition 3 beim Verb 11IP ist selten und im vorliegenden Kontext nicht leicht zu erklären 75 . Bezeichnet sie Richtung oder Mittel der Bewegung? Die Lösung Wolfis 76 , der eine constructio praegnans annimmt, scheint der eigenartigen Sprache Hoseas am ehesten gerecht zu werden. Die ungewöhnliche Präposition ist dabei durch ein ausgelassenes Verb (etwa 11013) zu erklären: „Du sollst aber (voll Vertrauen) zu deinem Gott zurückkehren." Dann wird aber auch deutlich, daß es sich nicht um die Rückkehr aus dem Exil, sondern um die Bekehrung handelt, wie es die beiden folgenden parallelen Zeilen nahelegen. Die Mahnungen 7 b sind deutlich von der Kultsprache geprägt, was eher für als gegen ihre hoseanische Herkunft spricht 77 . Wie Arnos (4,4 f.; 5,4-6) weiß Hosea priesterliche Sprache in polemischen Zusammenhängen, hier in der Thematik Jakob-Bethel, zu benutzen, vgl. 4,15. V . 7 b enthält zwei Imperative in formelhaften Wendungen. Die Objekte "Tpn und BSIpÖ sind herkömmliche Hauptbegriffe der Gottesbeziehung, die auch für Hosea wichtig sind (Hos 2,21; 6,6). Die Formel „Hoffe (Hlp) auf Gott" entstammt möglicherweise dem priesterlichen Heilsorakel 78 . Hos
14,2-9
V. 2-4 79 ist eine Einheit, die formal deutlich vom Folgenden (5-9) getrennt ist. Israel wird hier direkt angeredet, der Prophet spricht.
74
S.u.a. Gen 24,4 und dazu R.Meyer: Hebräische Grammatik III, 48 (§ 100f.). HAjO in gebietender Bedeutung auch D t 30,8; im pl. 1315711 oriin Jos 22,18 (s. auch iniPfl Prov 1,23). 75 Utzschneider op. cit. 192. 76 Komm. 268. 77 Gegen Vollmer op.cit. 107 f. Kultische Sprache läßt sich nicht so leicht zeitlich fixieren. 78 Ps 27,14 (37,34; Prov 20,22). Vgl. dazu F.Diedrich op.cit.339-41. C.Westermann behauptet, daß die Formel aus dem Bekenntnis der Zuversicht in den Psalmen herkommt und sich von da aus verselbständigt hat (mf> T H A T II 619-29.626). 79 Wir setzen hier trotz der erwägenswerten Korrekturen von Wolff den unveränderten M T voraus.
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
V. 2-4 zeigt den Charakter eines Mahnworts auf, bei dem vier mahnende Imperative V. 2-3 vorherrschen. Das Kernwort 11® kommt zweimal zur Anwendung, zum ersten Mal im Imp. sg. (naitf), zum zweiten im Imp.pl. wie die übrigen Imperative (IIÖK, inj?). Die Motivation erfolgt durch den begründenden ki-Satz 2 b (Anklage) 80 und das entsprechende Bußgebet 3 b, zu dem das Volk ermahnt wird 81 . Gegen die übliche Annahme der Authentizität von Hos 14,2-4 (und 5-9) behauptet J.Jeremias, das Schlußstück des Hoseabuches als ganzes sei eine Schöpfung der Schüler Hoseas. 82 Diese Behauptung scheint uns zwar insgesamt zu weit zu gehen, aber bei V.4 durchaus wahrscheinlich. Das „Abrenuntiationsbekenntnis" V.4 ist eher „ein charakterisch jesajanisches Thema", das in diesem hoseanischen Kontext überflüssig scheint. Das nachfolgende Orakel Gottes V.5-9 liefert wohl ebenfalls ein Argument gegen die Ursprünglichkeit von V.4. Dieses Orakel bringt die in 2-4 vermißte sachliche Begründung des Umkehrrufes durch die Erklärung der Vergebungsbereitschaft Gottes, in der die Thematik von V.4 nicht aufgegriffen wird. Klare formale, z.B. syntaktische Zeichen für einen Zusammenhang zwischen V.2f. und 5-9 gibt es nicht. Wie schon erwähnt, ist die trotzdem bestehende enge Verbindung beider Stücke vor allem sachlicher Art. Die sogenannten „prophetischen Liturgien" bieten jedoch mögliche formale Analogien. Z.B. gibt es in Hos 6,1-6 die Zusammenstellung von Bußlied des Volkes und ablehnender Antwort Gottes, die keinen wirklichen Gottesdienst, sondern die Nachahmung von dessen Liturgie voraussetzt. 83 Hos 14,2-9 ist somit eine ganze Mahnrede, deren Appell (2-3) nach liturgischem Muster 84 durch ein ausführliches Heilswort (5-9) begründet wird, das Jahwe für den Fall der wirklichen Umkehr vorgesehen hat. Während der letzten Tage des Nordreichs, mitten in der Katastrophe des göttlichen Gerichts, bricht also wahrscheinlich die Verkündigung 813 Diese Aussage scheint nicht nur die Schuld, sondern auch das daraus resultierende Strafgericht als bereits eingetretene Tatsache festzustellen, cf. J. L. Mays: Hosea, 185. 81 Zur Bedeutung vom schwierigen V. 3 b cf. R. Gordis: The Text and Meaning of H o sea XIV 3, V T 5/1955, 88-90. 82 Zur Eschatologie des Hoseabuches, 231-33. Jeremias räumt ein, daß die Sprache hoseanisch klingt: „Hier sprechen die Schüler Hoseas neue Worte in hoseanischer Sprache angesichts des 722 eingetroffenen Gerichts." 83 Cf. W.Rudolph: Hosea, 138 (vgl. dagegen Andersen/Freedman: Hosea, 426) und vgl. M. Gerlach: Die prophetischen Liturgien des Alten Testaments, Bonn 1967, 26 ff. 84 J. L. Mays: Hosea, 185: „This juxtaposition of prayer and answering oracle reflects the structure of the liturgy for a Service of repentance."
Die Gattung der prophetischen-Mahnrede
57
Hoseas mit einer ungewöhnlich ausführlichen und verheißungsvollen Ermahnung ab. Rückblickend läßt sich feststellen, daß die meisten Mahnworte des Hosea und des Arnos ziemlich kurze Sprüche ähnlicher syntaktischer Struktur (Appell und Motivation) sind. In einem Fall (Hos 14,2-9) ist die Mahnung zur Umkehr wahrscheinlich nach liturgischem Vorbild mit einem asyndetisch verbundenen Heilswort zu einer größeren Redeeinheit zusammengeschlossen. Übrigens sind die Mahnworte des Hosea nachträglich in den Rahmen verschiedener Geschichtsrückblicke eingebracht. Bei Arnos ist dagegen die ursprünglich freistehende Form des prophetischen Mahnworts unmittelbar zu erkennen. Die Diktion der Mahnrede ist eklektisch aus Begriffen verschiedener Bereiche der Tora, des Rechts und der Weisheit aufgebaut.
Die Mahnrede des Micha Mi
6,1-8
Die Einheit und insbesondere die Echtheit der einzigen Mahnrede des Michabuches sind stark umstritten 85 . T. Lescow sieht in V . l - 5 eine „Kultprophetie aus der zweiten Hälfte des 5.Jahrhunderts, wie der Anschluß an den abgeschlossenen Pentateuch einschließlich Josua zeigt", während V. 6-8 „ein Überlieferungsstück eigener Art" sei86, und zwar „eine im Torastil gehaltene prophetische Kurzpredigt" aus der ersten Hälfte des 5.Jahrhunderts 87 . Wie Lescow erkennt I.Willi-Plein im Geschichtsrückblick V. 3-5 die Nähe zur „deuteronomisch-deuteronomistischen Terminologie" 88 . Dieser Rückblick ist aber für den ganzen Abschnitt unentbehrlich und kann darum keine Zutat sein. V. 1 ist allerdings eine sekundäre Überschrift, die zu V. 2 in Spannung steht 89 . Willi-Plein kommt zum Ergebnis, „Mi 6,2-8 ist ein vorexilisches Prophetenwort anonymer Herkunft, ... dessen Verfasser . . . in Hosea und Deuteronomium nahestehenden Kreisen vermutet werden kann" 90 . Dieser Sichtweise hat sich B. Renaud 91 angeschlossen.
85
S. u.a. W.Rudolph Komm. 113. Redaktionsgeschichtliche Analyse von Micha 6-7, ZAW 84/1972, 187. 87 Ibid. 193. 88 Op.cit.99. 8 » Ibid. 97. ,0 Ibid. 100. 91 La Formation du livre de Michee, Lille 1976, Kap.VI,428. 84
58
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Ähnlich behauptet J. Vermeylen 92 , Mi 6,1-8 sei von der deuteronomischen Schule redaktionell geprägt, auch wenn die Redaktion älteres Spruchgut verarbeitet habe (insbesondere die „Torliturgie" V.6-8). Indessen hat A. S.van der Woude die Existenz eines vorexilischen „Deutero-Micha" aus dem Nordreich (Mi 6-7) verteidigt 93 , dessen Kennzeichen eine „(proto-)deuteronomische Predigt" sei. Trotz der Verschiedenheit der Ansichten bevorzugen die Exegeten die vorexilische Datierung, und obwohl die Nähe des Texts zur dtn.dtr. Sprache betont wird, wird auch eine gewisse Distanz erkannt. Zum letzten Punkt seien hier ein paar Beispiele anzuführen. Zunächst kann der Imperativ im Geschichtsrückblick genannt werden (V. 5). Die paränetische Verwendung dieses Verbs in Dt ist geradezu typisch 94 . Es werden aber nicht nur Imperative 95 , sondern auch andere grammatische Formen benutzt: r n D T l 9 6 und " I 3 i f l 9 7 . Als erste haben haben Renaud 98 und Vermeylen 99 die Aufmerksamkeit auf die Parallelität zwischen V. 8 und Dt 10,12 f. gelenkt. Diese Parallelität läßt sich aber schwerlich als literarische Abhängigkeit erklären. Eher ist das Verhältnis als Abhängigkeit von ein und derselben traditionellen Form zu beurteilen, was nicht notwendig eine literarische Abhängigkeit voraussetzt 100 . Den beiden Texten gemeinsam sind die einleitende Frage nach den Forderungen Gottes 101 und die grammatische Form der Antwort ( D S ~ ' 3 -I- Inf.) 102 . Die Wortwahl ist aber programmatisch verschieden. Von 92 D u prophète Isaïe à l'apocalyptique II, Paris 1978, 595-98. Ihm folgt auch H . W . Wolff: Micha (BKAT XIV/4), Neukirchen-Vluyn 1982, 143-45. 93 Micha, Nijkerk 1976, 195 ff. Diese Ansicht wurde in einem Artikel von 1971 lanciert. 94 Cf. nar T H A T I 517 (W. Schottroff). 95 Die einzige Ausnahme bildet D t 32,7, der in einem selbständigen Überlieferungsblock poetischer Art steht, s. weiter die Ausführungen über die dtr. Paränese unten. 96 D t 5,15; 8,2.18; 15.15; 16,12; 24,18.22. 97 D t 7,18; 16,3. 9 » Op. cit. 471 f. 99 Op. cit. 598. 100 Vgl. dem ähnlichen Gedankengang in D.J.McCarthy: An Installation Genre?, JBL 90/1971, 31-41. 101 D t 10,12: \ipyij Vsfo 'k nm< na nnyi Mi6,8: ^aa tnvr mm nai aia na ... Vgl. Jes 1,12 b: D37?B nKf '9 D i e Synonymität von Vxi? („fordern") ist offenbar. 102 In D t steht b wie öfter vor Infinitiven, die die Forderungen Gottes erklären. In Mi 6,8 steht keine Präposition vor Inf. Zum Gebrauch von DR"'? s. C.van Leeuwen: D i e Partikel 0?, O T S 18/1973, 15-48.46. Er führt S . 4 5 f . andere Beispiele für die Folge Fragesatz + ktm-'im an ( Q o h 5,10; Jer 42,19; 2 C h r 2 , 5 ) .
D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
59
den Verben treten nur IHK und gemeinsam auf, stehen aber in verschiedenen Konstruktionen 103 . Das gemeinsame 3"IJä bezeichnet bei Micha die Qualität der Gebote Gottes, in Dt aber das Ziel des Gehorsams. Es erübrigt sich hier, eine vollständige Beweisführung dafür anzustellen, daß die Diktion in Dt 10,12 für Dt kennzeichnend ist. Das Vorbild der „Tempeleinlaßliturgien" (Ps 15; 24,3 ff.), die aus Frage und Antwort zusammengesetzt sein können, dürfte zumindest teilweise die strukturalen Gemeinsamkeiten erklären 104 . Falls eine literarische Abhängigkeit trotzdem bestehen sollte, müßte sie eher als die Abhängigkeit Dt von der prophetischen Predigt als umgekehrt verstanden werden. Da die Frage nach Herkunft und Verfasser von Mi 6,1-8 sich zur Zeit nur unsicher beantworten läßt, wollen wir uns hier versuchsweise der traditionellen Lösung anschließen, daß die Perikope inhaltlich mit dem ersten Micha nicht unvereinbar ist105. Zumindest scheint es uns sehr wahrscheinlich, daß der Kern der Rede V.6-8 wegen seiner lebendigen und originalen Sprache sowie seines prophetischen Inhalts auf Micha selbst zurückgehen könnte. Was die Form anbelangt, scheint der Text zusammengesetzt zu sein. V. 1-5 kann als „Rechtsverhandlung" (rib) bezeichnet werden 106 , weil hier Formen und Wendungen des Rechtslebens die prophetische Anklage gegen Israel metaphorisch einkleiden. V. 1 ist eine öffentliche Bevollmächtigung des Propheten (vgl. 3,8), die Sache Jahwes zu erklären107, und V. 2 leitet durch einen Aufmerkruf die Anklage Jahwes ein108. V. 3 hat die Form einer vorwurfsvollen und zugleich selbstverteidigenden Frage. Der Vorwurf hat eine Parallele in Jes 7,13, wo auch Frageform 109 und nxV Hif. 110 verwendet werden. Zwei Aufforderungen an die zweite Partei heben den Ernst der Sache Jahwes hervor: „Lege Zeugnis gegen mich ab! Erinnere dich
103
Zum „Lieben" in Mi 6,8 ist Am 5,15 vergleichbar. M . D . D i c k : Job 31, the Oath of Innocence, and the Sage, ZAW 95/1983, 31-53 bezweifelt die Existenz einer solchen Liturgie, weil u.a. „Ps 15 has a decidedly didactic and sapiental character" (43). Die Frage fordert aber weitere Untersuchung. 105 Vgl. u.a. die Kommentare von W.Rudolph und R.Vuilleumier ad loc. 106 Westermann: Grundformen 143, vgl. weiter Boecker: Redeformen des Rechtlebens 101-105. 107 V.l ist somit keine Dublette zu V. 2. Der Imp. 01p leitet oft Beauftragungen ein: Gen 28,2; 31,13; Jos 1,2; 7,13; Jer 13,6; Jona 1,2.6; l C h r 2 2 , 1 6 usw. 108 v.d.Woude Komm. 206 schlägt vor, Q'JflSn als paralleles Glied zu l'"l aufzufassen und demnach zu übersetzen „das, was feststeht" ( = däs Urteil), vgl. H o s 5,9; Jes 10,23. 109 Zur Verwendung der Frageform in der Anklage vgl. Westermann: Grundformen 94 f. 102. 110 Vgl. auch Jes 1,14 (Nif.). 104
60
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
doch . . . " i n Der folgende Geschichtsrückblick V.4-5 beweist dann die Unschuld Jahwes 112 , während 6-8 das falsche Verhalten Israels indirekt bloßstellt. Geschichtsrückblicke können in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedliche Funktionen haben. Sie können in Bundesurkunden einbezogen werden, aber wahrscheinlich auch in priesterliche Belehrung, wie A. Renker betont hat 113 . Der Inf. n y i erweckt im Zusammenhang mit dem Geschichtsrückblick Assoziationen zur priesterlichen Toravermittlung (Hos 4,6; 6,6;Jer 2,8; Mal 2,7) 114 . Die Entleihung priesterlicher Torabegriffe tritt in V. 6-8 deutlich hervor. V. 6 f. ist ein kunstvoll gestaltetes Zitat, das dem Volk in den Mund gelegt wird. Es hat zum Zweck, die vom Propheten wirklich erlebte oder zu erwartende Reaktion des Volks auf die Verteidigungsrede Jahwes zu beschreiben. Israel zeigt sich darin zur Buße willig, aber bloßgestellt durch die Frage, welche kultische Leistungen denn Jahwe zufriedenstellen würden, durch sein falsches Verhalten, da es ausschließlich äußerliche Leistungen, Opfergaben und Riten nennt. Diese Frage ist sicher nach dem Vorbild der üblichen Torabefragung formuliert, die den Laien Auskunft darüber gab, welche Opfer als geboten und gültig angerechnet werden konnten. Das Muster für 6 f. ist also keine Toraliturgie beim Tempelbesuch, sondern ein „Einzelbescheid" 115 . Dagegen klingen in V. 8 Themen an, die der Eintritt-Tora zugehörig sind. Es ist aber zu beachten, daß in Mi 6,8 kein Paritzipialstil vorliegt. Es werden dagegen Infinitive gebraucht, was bei den entsprechenden Psalmenstellen nicht der Fall ist. Hinsichtlich dieses Punkts gibt es aber vergleichbare Prophettexte: Hos 4,2 a; Jes 58,6 f. Die Infinitive gehören nicht zum Stil der Tora, sondern werden als deren Zusammenfassung verwendet. Es werden damit auf die Tora Rückverweise gegeben 116 . Die Antwort des Propheten V. 8 verweist auf eine andere Gruppe von torot als diejenige, woran das Volk denkt. Darin liegt eine implizierte 111
nj)? und "DJ werden in juridischer Sprache benützt, s. Boecker: Redeformen des Rechtslebens 103.106-11. "13t hat hier doch auch wahrscheinlich andere Konnotationen, vgl. Jes 17,10 Ps 78,34f.42 u.a. 112 „The words of defense have the force of an implicit accusation" (vgl. Jes 5,4) sagt L.C. Allen in seinem Komm, ad loc. 365. Zu Jes 5,4 s. A.-J. Björndalen: Untersuchungen zur allegorischen Rede (Habilitationsschrift, Oslo 1982), 229. 113 Die Tora bei Maleachi, 215-21; zu Mi 6,1 -8 s. bes. 219. Mi 3,11 nennt die priesterliche Toraerteilung ausdrücklich. 114 Cf. T H A T 692 f. (VT 682-701 von W. Schrottroff). Der Inf.cstr. steht am häufigsten nach selten nach (Ez 38,16; Jos 4,24; Ri 3,2; 1 Kön 8,60). Zum Gebrauch von jy»^ + Inf. s.H.A. Brongers: Die Partikel OTS 18/1973, 86 ff. 115 Renker, 218. Von einer „Opfer-Tora" spricht v.d. Woude Komm.215. 116 Cf. Lescow: Micha 6,6-8 (Arbeiten z. Theologie R.I.H.25) Stuttgart 1966, 18 f.
Die Gattung der prophetischen M a h n r e d e
61
Anklage: Das Volk hat die grundlegenden Weisungen nicht beachtet. Der Ton ist aber grundsätzlich positiv. Es wird Israel verkündet, was jetzt gegenüber Jahwe zu tun ist. Die sprachliche Kraft und Originalität dieses Spruches ist wohlbekannt. Als Objekt zu IHK steht sonst nie "Tpn (häufiger treten "IM® und nfcy mit diesem Objekt auf) 117 . Das schwierige yj^H, das nur hier im Alten Testament als Verb vorkommt, könnte eine weisheitliche Vokabel sein118. Aus Mi 6,1-8 ist somit ersichtlich, wie Gattungselemente verschiedener Art und Vokabeln aus verschiedenen Bereichen zu einer prophetischen Mahnrede zusammengeschmolzen sind. Die Grundlinien des Aufbaus sind aber leicht zu beschreiben: V. 1: V. 2: V.3-7: V. 8:
Prophetische Legitimation Einleitender Aufmerkruf Motivation durch Anklage (3-5 Erinnerung an die vergessenen Wohltaten Jahwes, 6 f.: der falsche Kultus) Die prophetische Weisung (Appell)
Als prophetische Mahnrede vermittelt Mi 6,1-8 demnach trotz der verschiedenartigen Einzelelemente keinen disparaten, sondern durch seine Zielsetzung als Mahnung zur Umkehr einen einheitlichen und geschlossenen Eindruck 119 .
Die Mahnungen des Jesaja Jes 1,10-17 Einen auffallend großen Teil von Jesaja Kap. 1, das als Zusammenfassung der Botschaft Jesajas gilt120, machen Mahnungen aus, die aneinandergereiht stehen (V. 10-20). Dieser Befund läßt erwarten, daß die Mahnrede ein charakteristisches Element der Verkündigung Jesajas ist, dem näher nachzugehen ist. 117
Cf. H.J.Stoebe: JUX, T H A T II 566-68 und Wolff: Komm, ad loc. 155f. ii» BSipp rf®J? ist dagegen ein herkömmlicher Ausdruck Gen 18,19.25; Lev 18,4; Dt 10,18; Jer 5,1; 7,5 usw. In Hos 12,7b sind ÖDtPlSl TOR Objekte für "inj? Qal. Die Propheten haben wohl gemeinsame Stichworte traditioneller Art, aber dies berechtigt nicht dazu, die Hypothese aufzustellen, daß z.B. Mi 6,8 eine Widerspiegelung von Hos 12,7 sei (gegen v.d. Woude Komm. 209). 119
Vgl. J.T.Willis: Review, VT 18/1968, bes.277. Diese Überlegungen sprechen auch gegen die strenge Zweiteilung 6,1-5/6,6-8, die J.L.Mays in seinem Komm. (127 ff.) durchführt. 120 Cf. F. Gohrer: Jesaja 1 als Zusammenfassung der Verkündigung Jesajas, jetzt in: Fohrer: Studien zur alttestamentlichen Prophetie, BZAW 99/1967, 148-66.
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Allgemein wird V. 10-20 als eine redaktionelle Einheit aufgefaßt, die durch Zusammenfügung mehrerer ursprünglich freistehender Sprüche nachträglich entstanden ist.121 V. 10-17 ist die erste und umfangreichste Mahnrede Jesajas, die uns überliefert worden ist. Sie ist auch ein deutliches Beispiel für eine selbständige Mahnrede, indem sie keiner anderen Einheit untergeordnet ist. Es gibt kein Anzeichen dafür, daß diese Mahnrede ursprünglich einem Drohwort oder irgendeiner anderen Gattungseinheit angeschlossen war122. Der doppelte Vokativ in V. 10 ist ungewöhnlich, weil Sodom und Gomorrah ohne Partikel des Vergleichs (3) dastehen 123 . Eine solche negative „Adressateneinschätzung" ist typisch für die ältere Prophetie Israels und kennzeichnet auch ihre Aufmerkrufe 124 . Vor dem Motivationsteil (11-15) steht eine Einleitungsformel (10). Danach folgt ein Appell (16-17), der durch die negative Aufforderung V. 13aa vorbereitet wird. Die Motivation ist eine Anklage, die im ToraStil auf den Gotteswillen verweist. Die negative Aufforderung (13aa) ist in einem Prohibitiv pl. ausgedruckt, der durch positive Mahnungen im Imp. pl. fortgesetzt wird Die Diktion der Mahnungen trägt, wie öfter beobachtet, einen unverwechselbar jesajanischen Stempel 125 . Es handelt sich dabei um eine Kette von nicht weniger als neun Imperativen126. 121 Vgl. S.Niditch: The Composition of Isaiah 1, Biblica 61/1980, 509-29.511. Die Verfasserin sieht aber 1,10-20 als eine ursprüngliche Einheit und V. 4-20 als eine „mündliche Komposition" des Propheten (ibid.513 u. 515). Zu einer ähnlichen Auffassung gelangt Y. Gitay: Reflections on the Study of the Prophetie Discourse, VT 33/1983, 207-21, der Jes 1,2-20 als eine einzige rhetorische und mündliche Einheit betrachtet. Dieselbe Einteilung signalisiert J.T.Willis: On the Interpretation of Isaiah 1:18, JSOT 25/1983, 35-54.37f. Die dahinterstehenden Begriffe von Rhetorik scheinen sehr textimmanent ausgeformt zu sein und bedürfen weiterer Prüfung. 122 Auch wird hier nicht von Umkehr als nur vergangener Möglichkeit gesprochen. Diesem Befund wird die Behauptung R.Kilians nicht gerecht: „Einen wirklichen Umkehrruf kann man bei Jesaja nur finden, wenn man schon im voraus weiß, daß Jesaja zur Umkehr gerufen hat" (Jesaja 1-39, Darmstadt 1983, 110). S. Dt 29,22; Jes 13,19; Am 4,11; Thr4,6. Weitere Vergleiche sind Dt32,32; Ez 16,46. 124 Cf. C.Hardmeier: Texttheorie und biblische Exegese, München 1978, 311 ff. 125 Cf. u.a. W.Dietrich: Jesaja und die Politik, München 1976, 21 f. A.Renker: Die Tora bei Maleachi, Freiburg 1979, 210 sagt, Jesaja gebrauche hier nur eine herkömmliche Kultsprache, und „Das Eigene des Propheten kommt gleichsam zwischen den Zeilen zum Tragen". Diese Behauptung dürfte eine Übertreibung sein. Sie zieht nicht Jesajas Variationen der alten Formen in Betracht. Der Ausdruck D ' ^ y f i JH ist zwar formelhaft und in Jer. und dtr. Literatur häufig, aber nicht notwendig exilischen Datums (gegen W. Dietrich op. cit. 21). Er wird sonst nirgends als Objekt zu 110 Hif. verwendet.
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Der Aufbau der Mahnrede läßt sich schematisch so darstellen: V. 10 V.llf. V.13aa V.13aß-15
V. 16f.
Aufmerkruf mit Vokativ (Imp.m.pl.) Anklage Negative Mahnung (Proh.m.pl.) Anklage Positive Mahnungen (Kette von Imp.m.pl.).
Während V. 11-16 aa sich kultischen Sprachguts bedient, 127 , rücken in 16 aß-17 rechtliche Begriffe in den Vordergrund. Das Verhältnis zwischen Kult und Sittlichkeit ist darüber hinaus eine Thematik, die in den Weisheitstraditionen vorkommt 128 . Nur Jesaja verwendet das Verbum IttV Qal im Imp. Es ist kein ausschließlich weisheitlicher Terminus 129 . Dagegen soll nach J.Jensen das Wort THin (V. 10)130 einen weisheitlichen Hintergrund verraten 131 . Obwohl das Wort eine recht allgemeine Bedeutung („Weisung") hat, wobei die priesterliche Tätigkeit des Unterrichtens bei Hosea (4,6) und Jeremia (18,18) gemeint ist, scheint sein Gebrauch bei Jesaja auf den weisheitlichen Unterricht anzuspielen. In Aufmerkrufen kommt tora sonst nur in der Weisheit vor 132 . Jesaja gebraucht auch einmal das entsprechende Verbum in einem Gleichnis, wo die Anspielung auf die weisheitlichen Traditionen unverkennbar ist (28,26) 133 . Das richtungsweisende Wort des Propheten läßt sich somit als tora bezeichnen, fällt aber sachlich weder mit der priesterlichen noch mit der weisheitlichen Weisung zusammen. Der Prophet wählt Stilelemente verschiedener Herkunft aus und bildet seine eigene Synthese. T.Lescow vermutet hinter Jes 1,16b. 17 Vorbilder aus der Liturgie beim Einzug der Pilger auf Zion, wobei die Priester eine Tora über die Zulassungsbedingungen für den Tempelbesuch mitteilten. 134 Die angeführten Beispiele Ps 15 und 24 stellen die Forderungen z.T. als Partizipien (in 3.p.) auf. Der Stil dieser Einzugstora ist somit deutlich ver-
126 (Imp.pl.) kommt auch in H o s 2,4 vor. In Jes 1 ist es eine Aufforderung zur richterlichen Tätigkeit, in Hos 2 eine Aufforderung zum Erheben der Anklage. 127
Cf. Wildberger Komm. 36.46. Cf. Sitompul 126. 129 Cf. TB* T H A T I 872-75 (E.Jenni). 1J0 Durch eine „stichometrische" Methode will O. Loretz den Gebrauch von tora als sekundär bei Jesaja ausscheiden (UF 8/1976, 450 f.). Darf Metrik allein über solche wichtigen Fragen entscheiden? 131 J.Jensen: The Use of tora by Isaiah. His Debate with the Wisdom Tradition, Washington 1973, 68 ff. 132 Ibid. 70 f. 1}} Ibid. 116. 1,4 Cf. T. Lescow: Die dreistufige Tora, ZAW 82/1970, 362-79.377. 12>
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
schieden von dem der prophetischen Mahnungen, die am häufigsten, wie in Jes 1, in direkter Anrede und Imp.pl. ergehen. Diese Art der priesterlichen Weisung läßt sich als Vorbild mit größerer Wahrscheinlichkeit hinter einzelnen anderen Prophetensprüchen nachweisen. Daß Jes 1,10-17 nicht nur zu einzelnen rechtschaffenen Taten, sondern zu einem ganz neuen Leben, zu Umkehr mahnt, wird durch die umfassenden Forderungen in V. 16 und 17aa deutlich, obwohl das Wort „umkehren" hier fehlt 135 . Jes
1,18-20
Der Abschnitt ist wahrscheinlich jesajanisch, trotz der Einwendungen Lescows 136 und Vermeylens 137 . Die konditionale Form von V. 19 f. ähnelt zwar der dtr. Predigt 138 , ist aber viel einfacher gestaltet. Man darf eher annehmen, daß V. 19 f. für spätere Zeiten Vorbildfunktion hatte139. Übrigens zeigt der Text mehrere Eigentümlichkeiten, die sich als original prophetisch erklären lassen. ist ein üblicher Imperativ, der öfter Vorschläge 140 , Befehle oder sonstige Aufforderungen einleitet. In unserem Text folgt darauf ein Terminus des Rechtlebens: nnplJ. Bei weitem überwiegt der Gebrauch von HD' Hif. 141 in der Bedeutung „feststellen, was recht ist"142. Nif. ist außer Jes 1,18 nur zweimal bezeugt (Gen 20,16; Job 23,7). H.J.Boecker betrachtet die Form unserer Stelle als „Appellation zur Einleitung eines Feststellungsverfahrens" und übersetzt: „Auf, wir wollen uns die Rechtsentscheidung stellen lassen 143 . 135
Vgl. Wildberger Komm.47. Die dreistufige Tora 373. Der Text sei nachdeuteronomistisch. Ihm folgt auch E. Kutsch: Wir wollen miteinander rechten, in: FS J. Schreiner: Künder des Wortes, Würzburg 1982, 31. 137 J.Vermeylen: Du prophète Isaïe à l'apocalyptique I, Paris 1977, 65 ff. Nach ihm ist die literarische Komposition V. 2-20 deuteronomistisch. 138 Vgl. lSam 12,3-15. 139 Vgl. die Kritik an Vermeylen bei A. J. Björndalen: Zur Frage der Echtheit von Jesaja 1,2-3; 1,4-7 u. 5,1-7, N T T 83/1982, 89-100.93: Jedoch sollte man auch bedenken, daß die einzelnen dtr. Wendungen je ihre Vorgeschichte gehabt haben mögen." Das Vorlegen von alternativen Möglichkeiten in Konditionalsätzen zur Begründung einer Aufforderung ist übrigens ein bekanntes stilistisches Mittel, das nicht auf die Zeit des Dt eingeschränkt ist, vgl. u. a. die gebildete Rhetorik des El-Amarna-Briefes Nr. 162 Z. 33-39, vgl. weiter Nr. 286 Z. 57-59. 140 U.a. Gen 37,20.27; 1 Sam 9,9; Jer 12,9 (13^ + Impf. l.p./Koh.). In einer assyrischen Urkunde wird der Angeklagte mit diesen Worten vor Gericht geladen: „Komm, sprich in deiner Rechtssache!" (al-ka i-na di-ni-ka du-ub-bu), cf. M. Hall: A Middle-Assyrian Legal Summons, ZA 72/1982, 78. 141 Außer Nif. werden sonst nur Hitp. (Mi 6,2) und Hâf. (Job 33,19) gebraucht. 142 Cf. n a ' T H A T I 730-32 (G.Liedke). 143 Redeformen des Rechtslebens 68. Die Ubersetzung Wildbergers (Komm. 50) schließt sich dem an: „Kommt, wir halten miteinander einen Rechtsstreit..." Dies klingt 136
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Es ist aber zu fragen, ob V. 18 a nur allgemein zu einem Prozeß auffordert 144 . V. 18b-20 bringt keine Anklage zum Rechtsstreit, obwohl die Anklage als Hintergrund vorausgesetzt wird. Es werden vielmehr durch Konditionalsätze zwei Möglichkeiten für das zukünftige Verhältnis zwischen den beiden Parteien aufgestellt, und zwar bekommt die positive Möglichkeit den größeren Nachdruck (18 b und 19a). V. 18 a dürfte dann eher eine andere Nuance tragen: „Wohlan, laßt uns (in dieser Sache) zum rechten gegenseitigen Verständnis kommen" 145 , d.h. den Streit zur Schlichtung bringen. nD' Nif. würde somit spezifisch den Vorgang der Schlichtung umschreiben, und Jes 1,18 a sollte dann als Nachahmung eines Schlichtungsvorschlags aufgefaßt werden 146 . Die einleitende Aufforderung 18 a wird durch die folgenden Sätze näher ausgelegt und begründet. Die zur Versöhnung mit Gott notwendige Änderung des menschlichen Lebens wird in 19 a durch die öfter bei Jesaja belegten Verben ausgeführt 147 . Hier werden also Forderungen durch einen Konditionalsatz ausgedrückt, wie auch in 7,9. Die Motivation der Mahnung kommt als Verheißung in 18 b ausführlich zum Ausdruck. Das Angebot der Gnade ist Begründung der Aufforderung zur neuen Gesinnung und Umkehr. Die 'im-Sätze implizieren Gottes Anklage gegen das Volk als den dunklen Hintergrund des göttlichen Heilsangebots 148 . Der Nachdruck liegt jedoch auf der Verheißung, die auch in 19b ausgesprochen wird. Den Abschluß der Motivation bildet die bedingte Drohung 20 a. Demnach ist der prophetische Ruf zur Entscheidung schematisch etwa so zu beschreiben: 18 a: 18 b: 19: 20:
Einleitende Einladung zur Schlichtung Heilsangebot Bedingte Verheißung Bedingte Drohung.
eher als eine Übersetzung des Verbs 3'1. Die Form (n)3'"l) 1. pl. kommt im A T überhaupt nicht vor. 144 „Berufung ins Gericht" (L.Köhler) cf. E.Sjöberg: Om edra synder äro blodröda ..., SEÄ 12/1947, 324f. Vgl. die zweimal gebrauchte Redewendung in einem assyrischen Brief: „laßt uns (vor Gericht) verhandeln" (lu ni-tü-wu), s. Garelli. in: FS F. R. Kraus 1982, 56.58. Zum Verb s. A H W 1,91. 145 So etwa Willis JSOT 25/1983,40: „Come now, let us settle our differences." Vgl. auch J.Goldingay: If your sins are like scarlet ... (Is 1:18), StTh 35/1981,138. 146 Vgl. zu dieser Ubersetzung Gesenius-Kautzsch: Grammatik § 5 l d . Vgl. auch die Diskussion bei G.B.Gray Komm.27f. Unsere Deutung ließe sich auch mit den beiden anderen Nif.-Belegen vereinbaren. 147 Cf. Jes 28,12; 30,9.15; vgl. W.Dietrich: Jesaja und die Politik 123. 148 Die meisten Exegeten halten die Deutung von 18 b als bloße Anklage für unwahrscheinlich.
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Jes
7,3-9
Die formgeschichtliche Analyse dieses Textes ist, wie neuere Arbeiten belegen,149 schwierig. Die Forschung geht allgemein von einer Zweiteilung des Textes aus, die Zäsur zwischen den zwei Teilen wird aber unterschiedlich angewiesen. M. Saebo zieht die Grenze zwischen V. 6 und V. 7, während die Mehrzahl der Forscher V. 4 vom Rest abtrennen. Die Streitfrage ist die Bedeutung von „weil", das im strikt kausalen Sinn nicht zu V. 4, sondern eher als Begründung zum folgenden zu passen scheint. Treffend bemerkt H . W . H o f f m a n n : „Daß Aram Böses plant, kann doch auch gar nicht Grund dafür sein, daß Ahas sich nicht fürchten solle!"150 Dieser Einwand kann aber nur dann gelten, wenn ' 3 streng kausal gedeutet wird. Wäre es nicht auch möglich, eine etwas unschärfere und minder formallogische Funktion dieses Ausdrucks anzunehmen, wobei er dann nicht als Begründung zum ganzen V. 4, sondern zum V. 4 aß (und b), also zum tatsächlichen Gegenstand der Furcht Ahas, stehen würde? U.E. läßt sich diese grammatische Möglichkeit nicht ohne weiteres abweisen. Vor allem der imperativische Kernspruch V. 4 hat öfter die Exegeten dazu veranlaßt, das Ganze als „Mahnung" zu bezeichnen 151 . Sasbo nennt 7,3-6.7-9 „zwei Mahnworte" 152 . Man hat auch die Verwandtschaft zum Heilsorakel beobachtet, vgl. insbesondere V. 4, und daher das Ganze als „Heilsorakel" bezeichnet. 153 H.Wildberger hat die verschiedenen Gattungselemente in Jes 7,3-9 genau differenziert 154 . In V. 4 lassen sich die Ausdrücke". ... bleibe ruhig, fürchte dich nicht und dein Herz verzage nicht vor ..." auf die Gattung des Heilsorakels
149
S. vor allem M. Sseba: Formgeschichtliche Erwägungen zu Jes 7: 3-9, StTh 14/1960, 54-69 u. H.Wildberger: Jesaja (BKAT X), 268 ff. 150 Die Intention der Verkündigung Jesajas, BZAW 136/1974, 61. Daran schließt sich mit weiteren Überlegungen A.J. Björndalen an: Zur Einordnung und Funktion von Jes 7,5 f., ZAW 95/1983, 260-63. 151 Cf. z.B. J.J.Stamm: Die Immanuel-Weissagung, ThZ 16/1960, 439-55.439; O. Kaiser: Der Prophet Jesaja (ATD 17), 72 ff.; J. Schreiner: Zur Textgestaltung von Jes 6 u. 7,1-17, BZ 22/1978, 91-97.96. 152 Im oben angeführten Artikel, 69. 153 So H.-P. Müller: Glauben und Bleiben, VTS 26/1974, 25-54. 33, wobei das Moment der Mahnung nicht unterschätzt wird. Ähnlich beurteilt Wildberger in seinem Komm.270f. und in seinem Aufsatz: „Glauben", VTS 16/1967, 372-86.380. P. Höffken: Notizen zum Textcharakter von Jes 7,1-17, ThZ 36/1980, 321-37 sieht Jes 7,3-9 als „alles andere als einheitlich" (330). Er vermutet, die Komposition verbinde und verarbeite drei oder vier ursprünglich selbständige Elemente aus der Verkündigung Jesajas: V. 4.5-7. (8-9 a). 9b. 154 Komm. 279.
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in Kriegsansprachen zurückführen (Ex 14,13; Dt 20,3). Nur das einleitende "IfiPH „Hüte dich" gehört nicht zum Stil des Heilsorakels. Diese Mahnung ist nicht nur eine Beruhigung Ahas. Sie ist zugleich eine warnende Forderung. Der Ausdruck ist in Dt beliebt155, hat aber einen solch allgemeinen Inhalt, daß er nicht als spezifisch dtr. betrachtet werden kann 156 . Eine vergleichbare Formel ist im Akkadischen zu finden: ü-sur-mi ra-ma-an-ka „schütze dich selbst"157 sagt dem bedrängten Vasallen der Pharao, der offensichtlich vertraut oder vertrauen will, daß der Kleinkönig selbst die politischen Unruhen beenden kann. Es ist eine Aufforderung, die der gefährlichen Lage entsprechenden Maßnahmen zu treffen. In einem Maribrief wird dem König mitgeteilt, daß die Göttin Annunitum sagt: „Zimrilim, durch einen Aufstand will man dich auf Probe stellen. Habe acht auf dich! (pa-ga-ar-ka ü-sü-ur)158. Der König Ahas wird also durch "lHtfn zu Vorsichtsmaßnahmen aufgefordert 159 . Doch heißt das, nichts zu tun, alle Vorbereitungen zur Verteidigung gegen den bevorstehenden Angriff zu unterbrechen und im furchtlosen Vertrauen auf Jahwe den Gang der Ereignisse nur als Zuschauer abzuwarten? Das ist dem Wortlaut nach wenig wahrscheinlich. „Hüte dich" scheint mehr als Passivität vorauszusetzen. Es ist eine Warnung, die dem König dazu helfen will, seinen Kurs der Lage gemäß zu korrigieren. Wie das zu tun ist, wird nicht ausdrücklich gesagt, war aber wahrscheinlich in der ursprünglichen Situation der Verkündigung, deren Einzelheiten nicht überliefert worden sind, zu vernehmen. Der Prophet will vermutlich den König von der Verwirklichung seines taktisch begründeten Wunsches zurückhalten, ein unterwürfiger Bundespartner des Tiglatpilesar zu werden 160 . Was der Prophet fordert, ist Vertrauen auf Jahwe, nicht auf die politische Großmacht. Daß es um einen Schritt des Glaubens geht, macht die folgende Redeeinheit vollends deutlich in V.9 161 . 155
D t 4 , 9 ; 6,12; 8,11; 12,13.19.30; 15,9. Cf. Gen 24,6; 31,24.29. F.Huber übersetzt „Gib acht" und verweist auf 1 Sam 19,2; 2 K ö n 6 , 1 0 als Beispiele für den absoluten Gebrauch von smr Nif. (Jahwe, Juda und die anderen Völker beim Propheten Jesaja, BZAW 137/1976,22). 157 EA 123 Z . 3 0 f . Ähnliche Ausdrücke in EA 119 Z. 9; 121 Z. 9 122 Z. 10; 125 Z.9f.; 126 Z.31 f.; 130 Z . 1 5 f . Das Gilgamasch-Epos belegt auch usur ramänka, cf. von Soden AHw, II 756. S. auch Brief Nr. 33 in L. Cagni: Briefe aus dem Iraq Museum, Leiden 1980 (ra-maan-ka u-sü-ur) w o die Bedeutung des Ausdrucks ziemlich abgeblaßt scheint. 158 Eilermeier op. cit. 58 f. 159 Der Lachisch Brief Nr. 3 Z.21 faßt seine Botschaft in der kritischen Lage durch IJJSH zusammen. H.Torczyner ( = Tur-Sinai): The Lachish Letters, 59-62 macht auf die Analogie zu Jes 7,9 aufmerksam. R.de Vaux (RB 48/1939, 195) führt auch 2 K ö n 6,9 an. 160 Cf. Wildberger Komm. 280 u. Kaiser Komm. 72f. 161 Warmuth, 72 nennt Jes 7,9 eine „implizite Mahnung". Ihr Nachklang in 2Chr 20,20 macht sie explizit: 13'Sitill 13'ä(jn. Nur hier im A T kommt der Imp. dieses Verbs 156
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Hinter der prophetischen Warnung steht der bekannte jesajanische Gedanke, daß Bündnisse zwischen Juda und den Großmächten die akute Gefährdung des israelitischen Glaubens an Jahwe bedeuten würden. Wiederholt beschreibt Jesaja diese Politik des Bündnisschließens als ein dem Glauben entgegengesetztes Verhalten (28,14-16; 30,1 ff.; 31,1-3). Welche religiöse Bedrohung würde aber ein Bund zwischen Juda und Assyrien oder Ägypten einschließen? Dieser Frage ist M. Cogan162 kritisch nachgegangen. Seine Antwort ist negativ. Die neuassyrischen Bundesurkunden enthalten „keine religiösen Verpflichtungen" für die Vasallenstaaten 163 . Die Verpflichtungen sollten rein politischer Art sein. Eine Verehrung des Staatsgottes Assur wurde nur in den annektierten Provinzen gefordert 164 . Abbildungen der assyrischen Könige oder Göttersymbole wurden zwar auch im Territorium der Vasallen aufgestellt, ihr Kult aber nicht auferlegt 165 . Die judäischen Quellen schreiben auch nicht dem Befehl der assyrischen Staatsmacht die Einführung von Elementen der assyrischen Religion in Juda zu 166 . Cogan erklärt die Einflüsse fremder Religionen in Juda als Auswirkungen von kulturellen Strömungen und politischen Kontakten, die auf friedlichem Weg und meistens über Zwischenglieder allmählich wirksam wurden 167 . Gegen Cogan läßt sich einwenden, daß Kriege und Bündnisse im Alten Orient religiöse Dimensionen haben 168 , wobei die Götter der überlegenen Partei als die mächtigeren verstanden werden. Obwohl der schwächeren Partei nicht ausdrücklich 169 auferlegt wird, die Götter des Siegers oder der stärkeren Partei anzubeten, läßt sich kaum annehmen, daß die Ideologie der Großmächte von der Überlegenheit ihrer Götter außerhalb der offiziellen Dokumente nicht zur Sprache kam und auf den schwächeren Staat keinen religiösen Einfluß ausgeübt hat. vor. Ein vergleichbares Wortspiel enthält eine Inschrift Nabopalassars, der seinen Nachfolger mahnt: „Wer gegen Bei treu (ki-i-nu) ist, dessen Grund steht fest (i-ku-un-na)", cf. Langdon: Die neubabylonischen Inschriften (VAB4), 68 (Z.36). 162 Imperialism and Religion, Philadelphia 1974. 163 Op.cit.44. 164 Ibid. 60. 165 Ibid. 56 ff. 166 Ibid.88. 167 Ibid. 88 ff. 168 Vgl. z. B. P. C. Craigie: The Problem of War in the OT, Michigan 1978, 115 ff., M. Weippert: „Heiliger Krieg" in Israel und Assyrien, ZAW 84/1972, 460-93. 169 H. Spieckermann: Juda unter Assur in der Sargonidenzeit (FRLANT 129), Göttingen 1982, 322 ff. bietet jetzt Cogan eine Entgegnung, die „explizite Hinweise auf religionspolitische Pressionen der Assyrer" anführt. Diese Dokumentation ist nicht sehr umfangreich, aber nach ihrem Wortlaut deutlich genug. Es gab vielleicht doch für die Vasallen Spielraum, eben diese Verpflichtungen einigermaßen glimpflich zu praktizieren.
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Der assyrische König Assurbanipal bezeichnet Bundesbruch als Vergessen und Unglauben den assyrischen Göttern gegenüber: „Tarqu vergass (im-si-tna) die macht Assurs, Istars und der großen Götter, meiner Herren, und vertraute (it-ta-kil) auf seine eigenen Stärke" 170 , vgl. die Anklage Jesajas, die von identischer Struktur ist (Jes 31,1). Nach einem Gebet zu Assur und Istar schlägt der König den Aufstand nieder 171 . „Unter dem Beistande Assurs, Bels, Nabus, der großen Götter, Meiner Herren, die mir zur Seite gingen besiegte ich sein Heer." 172 Die Ahndung eines Bundesbruchs wird als Wirkung des vor den Göttern geschworenen Bundeseides verstanden 173 . Bundesbruch ist Sünde gegen die Götter des Vertrags 174 . Die Feinde des Großkönigs sind auch die Feinde seiner Götter, wie ein Heilsorakel bezeugen kann: „... die Feinde, die meine große Gottheit nicht fürchten, werde ich genauso in deine Hände geben." 175 Der assyrische Großkönig hat überhaupt eine hohe Meinung von seiner göttlichen Bestimmung zur Weltherrschaft und versichert sich der göttlichen Hilfe durch Orakel und Omina vor jeder militärischen Aktion, damit seine Kriege als Werk seiner Götter und zugleich als ihre Verherrlichung gelten können 176 . Wenn diese religiösen Komponenten der altorientalischen Kriegsund Vertragspolitik bei der Betrachtung berücksichtigt werden, kann man die Mahnung Jesajas zur Zurückhaltung in der Politik kaum anders verstehen als eine Mahnung zur Besinnung auf die Gefährdung des Glaubens, die aus der Politik Ahas folgen würde. Durch die Warnung vor der Allianz mit der überlegenen Großmacht will Jesaja Ahas in der gegenwärtigen Lage zum rechten Verhalten des Glaubens verhelfen. Zurückhaltung ist jetzt die wahre Haltung des Glaubens 177 . Nach alledem muß gefragt werden, wie eine solche Mahnung formgeschichtlich zu beurteilen ist. Obwohl das „fürchte dich nicht" in V. 4 170 Streck: Assurbanipal II 6, vgl. u. a. Lie: The Annais of Sargon I 8 Z.60, Borger: Die Inschriften Asarhaddons, 50: „Sie (die Gegner) vertrauten auf ihre eigene Kraft; ich aber vertraute auf Assur, Sin, Samas, Bei und Nabu." 171 Derselbe Vorgang wird bezeugt in Lie: The Annais of Sargon I 10 Z.69.73. 172 Streck: Assurbanipal 118, cf. ibid. 78. 173 Streck: Assurbanipal II 12.76. 174 Vg[ Streck: Assurbanipal II 38 Z . 6 7 f . S. weiter J. M. Munn-Rankin: Diplomacy in Western Asia, Iraq 18/1956, 68-110. 88 f. mit Material aus Mari. 175 Bauer: Inschriften, 81. 176 Lie: The Annais of Sargon I, 43-45 schildert den Aufstand des Marduk-apal-iddina gegen Assur als „gegen den Willen der Götter" (la libbi i-lan-i), aber Marduk „berief" Sargon, „erhob" sein Haupt und „befohl" ihn den Feind zu bekämpfen. Zum Berufungsbewußtsein des Assyrerkönigs s. weiter Borger: Die Inschriften Asarhaddons 16 (Episode 11). 45 f., Streck: Assurbanipal II 2 ff. 177 „Der Ruf ,Seid ruhig!' mahnt zur vertrauensvollen Hinwendung zu Jahwe" bemerkt Wolff: Frieden ohne Ende, 19, der Jes 7,4 im Lichte von 30,15; 32,17 betrachtet.
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
für die Gattung des Heilsorakels „ein klares Indiz" ist 178 , scheint die Mahnung zur Zurückhaltung „hüte dich" am Anfang desselben Verses, den ganzen Satz in einen Ruf zur Rückkehr zum Glauben an Jahwe zu transformieren 179 . Wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen den beiden formgeschichtlichen Größen Heilsorakel 180 und Mahnung zu verstehen? Wie es die Untersuchung C. Westermanns über „Das Heilswort bei Deuterojesaja" 1 8 1 nahelegt, müßte man bei einer differenzierten Beschreibung des Heilsorakels ansetzen 182 . Das hervorragende Merkmal der Gattung des Heilszuspruchs ist nach üblicher Meinung die Formel (l)tn'il „fürchte(t) dich (euch) nicht". Diese Formel kommt mit nur wenigen Variationen bei Deuterojesaja vor 183 , wo sie am intensivsten untersucht worden ist. Dtjes gebraucht die Formel am häufigsten im Singular 184 , wobei die angesprochene Größe immer kollektiv gedacht ist. Nur selten tritt die Pluralform auf (Jes 51,7) 185 . In Dt und Jos haben Singular und Plural bei dieser Formel eine gleichmäßigere Streuung 186 . Wie bei Jes 7,4 kommt es dabei vor, daß ein Leiter des Volks (im Singular), also ein Einzelner angesprochen wird, wie auch sonst im alten Testament üblich 187 . Auch einzelnen Personen, die keine hervorragende Position innehaben, kann das göttliche KTJ1 Vx zuteil werden 188 . Das „fürchte dicht nicht" in den Orakeln Gottes hat verschiedene Verwendungsmöglichkeiten 189 . Es fügt sich nicht nur in die aus den Studien Begrichs und Westermanns bekannte Struktur des priesterlichen Heilszuspruchs bei Deuterojesaja ein, vielmehr scheint es in den „Kriegsansprachen", die durch priesterlichen oder prophetischen Mund
Wildberger: Glauben im AT, Z T h K 65/1968, 128-59.133. 179 y g | Wildberger Komm.284 zu Jes 7,9b: „Aus dem Heilsorakel ist damit faktisch ein Mahn- oder Warnwort geworden." 1 8 0 „Heilszusage" oder „Heilszuspruch" in der Terminologie Westermanns, s. die folgende Anmerkung. 1 8 1 EvTh 24/1964, 355-73. 1 8 2 Vgl. ibid. 361 f. 372. 1 8 3 Übersicht bei J.Becker: Gottesfurcht im AT, 51 (A.213). 1 8 4 Meistens m., aber auch f.: Jes 40,9; 41,14; 54,4 (vgl. auch 51,12). 1 8 5 Jes 44,8 hat auch den Plural, aber mit anderen Verben: i n i f l - V k ? n n S f l - ^ K . 1 8 6 Sg: Dt 1,21 (an das Volk); 3,2 (an Mose); Jos 8,1; 10,8; 11,6 (an Josua). PI: Dt 20,3; 31,6; Jos 10,25. 1 8 7 U.a. Gen 15,1; 26,24; 46,3 (Verheißungen an die Väter); Nu 21,24 (an Mose); Jer 1,8 E z 2 , 6 (Prophetenberufungen). 1 8 8 Gen 21,17 (Hagar); Ri6,23 (Manoah); 1 Kön 17,13 (Witwe). 1 8 9 Vgl. Becker op.cit.52. 178
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den Heerführer und das Volk zum Kampf antreiben wollen 1 ' 0 , beheimatet zu sein. Hier leitet die Formel nicht nur die Ankündigung des göttlichen Beistands im Krieg ein, sondern öfter auch konkrete Anweisungen für die kriegerischen Aktionen. Ein solcher Traditionshintergrund für die Mahnung in J e s 7 , 4 ist wahrscheinlich 191 . Des weiteren wird die Formel bei zwei Prophetenberufungen verwendet ( J e r l , 8 ; E z 2 , 6 ) . Auch in der Weisheitsliteratur kommt sie vor 192 . Wie es selbst außerisraelitische Analogien nahelegen 193 , ist der ursprüngliche Ort der theologisch gebrauchten Formel in den alten Institutionen des Orakeleinholens bei sowohl persönlicher als nationaler Notlage zu finden. Die neueren Untersuchungen von E . W . C o n r a d 1 9 4 und M . H . E . Weippert 195 stimmen darin überein, daß sie den ursprünglichen Sitz des Heilsorakels vor allem in der Tätigkeit öffentlicher Amtsträger in Israel vermuten. Conrad behauptet, das Heilsorakel habe zum Zweck, einer Person zu einem Auftrag Mut einzuflößen. Zum Klagepsalm oder zur Klagefeier bestehe keine Beziehung, weil die Klagepsalmen solche Heilsorakel faktisch nicht enthalten 196 . An diesem Punkt vermag aber Conrad nicht T h r 3,57 in seine Ansicht einzuordnen. Richtig ist jedoch die Behauptung Conrads, daß die Klagepsalmen im Psalter kein Heilsorakel mit genau derselben Struktur wie bei Deuterojesaja aufweisen. Die Formel „fürchte dich nicht" kommt dort nicht vor. Übrigens lassen sich trotzdem Strukturähnlichkeiten aufzeigen, z. B. in der Ansage der göttlichen Hilfe. Beobachtungen von P.-E. Dion 1 9 7 könnten darauf hindeuten, daß die Verwendung der Formel „fürchte dich nicht" im Heilsorakel nicht ganz geboten, sondern recht frei war.
1 . 0 E x 14,13f.; Nu 14,9; 21,34; Dt 1,21; 3,2; 2 0 , 3 ; 31,6; Jos 8,1; 10,25 u.a. Der dtr. Predigstil läßt auch die Prohibitivform zu: (1)*TH «V Dt 1,29; 3 , 2 2 ; 7 , 1 8 ; 20,1; 31,8. 1 . 1 Cf. Siebe StTh 14/1960, 6 7 . 6 9 u. Stamm T h Z 6/1960, 442: „Es ist die Tradition vom heiligen Krieg, mit der die Gattung der .Kriegsansprache' zusammenhängt, deren der Prophet sich bedient (Vs. 2 - 9 ) . " 1.2 P s 4 9 , 1 7 (weisheitlicher Spruch) P r o v 3 , 2 5 ; Job 5,22. Die Form scheint in der Weisheit eine Entleihung zu sein. 1 . 3 Cf. u.a. J.C.Greenfield: The Zakir Inscription and the Danklied, in: Proceedings of the Fifth World Congress of Jewish Studies, Vol. I, Jerusalem 1969, 174-91. 1 . 4 Second Isaiah and the Priestly Oracle of Salvation, Z A W 93/1981, 2 3 4 - 4 6 . 1 . 5 De herkomst van het heilsorakel voor Israel bij Deutero-Jesaja, Ned T T 36/1982, 1-11. 1 . 6 Cf. die Bedenken R.Kilians (Psalm 22 und das Heilsorakel, BZ 12/1968) und R. P.Merendinos (Literarkritisches, Gattungskritisches ..., Biblica 53/1972, 13ff.) gegen die Existenz ues priesterlichen Heilsorakels im Sinne Begrichs. 1 . 7 The ,Fear not' Formula and Holy War, C B Q 32/1970, 5 6 5 - 7 0 .
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M . H . E . Weippert betrachtet unter Berufung auf assyrisch-babylonische Analogien das Heilsorakel als ursprünglich dem Amtsleben des Königs zugehörig. Erst Deuterojesaja soll das Orakel „demokratisiert", d.h. auf das Volk übertragen haben. Die These Weipperts deckt sich gewiß mit einem großen Teil des Materials, es bleiben aber einige problematischen Fälle übrig: Das redende „Ich" in Ludlul Bei Nemeqi ist sicher ein hoher Beamter, aber kein König. Im Traum erlebt er jedoch das göttliche la tapallahin. Ein Heilsorakel durch Traum erfuhren auch die Truppen Assurbanipals, da sie sich vor der Überquerung eines Flusses fürchteten 199 . Zumindest muß mit der Möglichkeit einer frühen „Demokratisierung" des Heilsorakels gerechnet werden. Uber Bedeutung und Funktion der Formel schreibt Westermann u. a. das Folgende: „Der Ruf .Fürchte dich nicht!' ist nicht nur, wie manchmal erklärt wurde, eine Mahnung zur Furchtlosigkeit; dieser Ruf ist die Wegnahme, ist die Beseitigung der Furcht." 200 Diese Behauptung läßt sich, was Deuterojesaja betrifft, sicher nicht bestreiten. Die Formel steht als Einleitung da, sozusagen nur um Ruhe zu schaffen, der die Zuhörer bedürfen, um die großen Heilsverheißungen Gottes hören zu können. In diesem Fall hat man es mit Heilszusagen oder Heilsorakeln und nicht mit Mahnungen zu tun, vgl. Jes 10,24. In anderen Zusammenhängen aber kann sich das Gewicht der Redeeinheit von der Verheißung zu dem der Einleitungsformel innewohnenden Element der Mahnung verschieben. Beim „fürchte dich nicht!" geht es trotz allem um eine zum Gottesglauben anregende Aufforderung, wie untergeordnet oder unbetont diese auch sein mag. Man kann sich deshalb vorstellen, daß das mahnende Moment der Formel durch Ausweitungen und andere Ausdrucksmittel hervorgehoben werden könnte, so daß ihre Funktion zentral in den betreffenden Redeeinheiten stände. Dieser Wechsel der Formel von einleitender zu zentraler Funktion kann tatsächlich belegt werden, wenn auch ganz selten. Als erstes Beispiel kann Nu 14,7-9 genannt werden. Nu 14,7-9 (P) 201 ist die Rede Josuas vor der Landnahme in einer Stunde der Gefahr, worin das Murren des Volks gegen den Herrn bei Josua und Kaleb eine Handlung der Klage und Buße ausgelöst hat: Sie zerreißen ihre Kleider (V.6) und warnen vor dem Abfall vom Herrn (9aa). Auch das Fallen Mose und Aarons auf ihr Gesicht vor der Gemeinde (5) ist in diesem Rahmen als Ritus der Klage und Reue zu verstehen 202 . 198
Lambert BWL 48-50. Streck: Assurbanipal 48 f. 200 EvTh 24/1964, 360. 201 Nach Noth gehört Nu 14,5-10 P, s. S.Wagner: Die Kundschaftergeschichten im AT, ZAW 76/1964, 262. 202 Vgl. S. McEnvenue Biblica 50/1969, 464. 199
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Der Aufbau der Warnrede ist durchsichtig: V.7b-8: V. 9 aa: V. 9aß u. bß:
(Bedingt) verheißende Motivation Warnung vor Abfall (TnprpVR mn'3 ^S) Mahnungen zur Furchtlosigkeit vor dem Erobererkrieg (2x I X T f l - ^ X ) . Diese Mahnungen sind mit motivierenden Elementen versehen (¿f-Satz
und außerdem liriK m m ) .
Die Rede zerfällt somit in zwei Hauptteile. Der große Motivationsteil (V. 7 f.) begründet den Warnungs- und Mahnungsteil, der wiederum durch motivierende Unterteile auf den Motivationsteil zurückverweist. Es ist eine Kriegesansprache, die nicht nur verheißend zur Furchtlosigkeit und zum mutigen Kampf aufruft. Es kommt durch die dem „fürchtet euch nicht!" vorangestellte Warnung vor Abfall vom Herrn ein Moment der Buße hinzu, das das Ganze zu einer Bußrede umgestaltet. Die Rede ist literarkritisch auf die Priesterschrift zurückzuführen. Wenn man der Quellenscheidung Eißfeldts 2 0 3 vertraut, war die Kombination von Warnung vor dem Abfall mit Aufforderungen zur Furchtlosigkeit (V. 9) schon in der Vorlage (JE) der P vorhanden 204 . Der einleitende Motivationsteil (V. 8 J ) wurde demnach durch P weiter ausgebaut (V.7). Falls diese Analyse zutrifft, ist der von P bezeugte Aufbau der Rede in ihren Grundzügen viel älter als P und eine formgeschichtlich nicht so weit entfernte Analogie zu Jes 7,4 ( - 9 ) . 1 Sam 12,20-25 ist eine dtr geprägte Rede, womit Samuel auf das revuevolle Ersuchen des Volkes um Fürbitte antwortet. Einleitend steht das beruhigende NTfPVljt. Es folgen aber außer bedingten Verheißungen auch Elemente der Mahnung und Warnung, die die Gelegenheit der Buße unterstreichen: " " ' ! i n K a m o r i - ^ K (20ba) "-ng n r n a j n (20bß) "-ns
1RT
(24a)
Die Beispiele Nu 1 4 , 5 - 1 0 und 1 Sam 12,20-25 lassen schon vermuten, daß die Kombination von verheißendem (1)NTJ1 mit Mahnungen zum Glauben und/oder mit Warnungen vor Unglauben ein in der Hexateuchsynopse 169* f. Vgl. auch T H A T I 925. R.Knierim rechnet hier Nu 14,9 zu den ältesten Belegen von i n » . Die Warnung m s f l VK wird sonst nur Jos 2 2 , 1 9 (P) wiederholt. 203
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vorexilischen Zeit herkömmliches Formschema darstellt, das kultischen Bräuchen entstammt und den Propheten vorgegeben war. Eine berühmte Orakelsammlung Asarhaddons 205 bietet einige interessante Analogien zu dem eben beschriebenen Formschema. In einem Orakel spricht der Gott Bei durch eine Frau: „Fürchte dich nicht, Asarhaddon! Ich, Bei spreche mit dir. Ich verstärke die Balken deines Herzens ... (Weitere Zusagen des göttlichen Schutzes folgen) Vertraue den Menschen nicht 206 ! Richte deine Augen auf mich, schau mich an!" 207 Hier mündet also die Heilszusage in die Warnung und Mahnung zum rechten Vertrauen ein. Unmittelbar darauf spricht Istar von Arbela in einem ähnlich strukturierten Orakel: „Ich bin Istar von Arbela. Ich habe für dich Assur günstig gestimmt. Als du klein warst, habe ich dich bewahrt. Fürchte nicht, preise mich!"208 Auch das folgende Heilsorakel Nabus endet mit der Aufforderung, die Gottheit zu verehren 209 . M.W. sind direkte Aufforderungen zum Glauben an die eine oder andere Göttlichkeit in den assyrisch-babylonischen Quellen überhaupt sehr selten210. Öfter finden sich dagegen Orakel, die zu konkreten Kulthandlungen und Kultleistungen auffordern, z.B. das eben angeführte „preise mich!" (durch die Liturgie) und „Assurbanipal soll dieses Heiligtum aufrichten" 211 usw. Jes 7,5-9 bzw. 7,7-9 steht der Einheit 7,4(-6) sowohl zeitlich als sachlich nahe und kann als bedingtes Heilsorakel bezeichnet werden. Diese Bedingtheit wird erst durch V.9 ausgedrückt (DK) und erhält 205
Rawlinson: Cuneiform Inscriptions IV PI. 68, Ubersetzung u. a. ANET 449f. la ta-tak-kil. 207 du-gul-an-ni. Vgl. weiter J.C.Greenfield: The Etymology of JinilSK, ZAW 77/1965, 90-92.91. 2011 la ta-pa-lah na-i-da-a-ni. Die häufige Wendung la tapallah wird gelegentlich durch z.B. la ta-ras-si ersetzt (Bauer: Das Inschriftenwerk Assurbanipals, 82). 209 Das Verbum na'adu (im Imp. G), s. auch Kol. VI. 210 Zu beachten ist eine Siegelinschrift: „Vertraue Menschen nicht (e ta-at-kal a-na ami-lu-ti) ... Vertraue (ta-ta-kal) Marduk, dann kriegst du etwas Gutes" (nach H.Limet: Les legendes des sceaux cassites, 118). Der Stil dieses Spruches ist weisheitlich. Eine Statueninschrift, die dem weisen Nabu gewidmet ist, schließt mit dieser bemerkenswerten Aufforderung an den Leser ab: „auf Nabu vertraue, auf einen anderen Gott vertraue nicht!" (a-na Nabu na-at-kil a-na ili sa-ni-ma la ta-tak-kil, J. Pinckert: Hymnen und Gebete an Nebo, LSS 3/4, 27 f.). Zu vergleichen ist weiter eine kleine Gruppe Personennamen, die ähnliche Mahnungen wiedergeben, s. vor allem J.J. Stamm: Die akkadische Namengebung, 203-205. 211 Sagt Sin nach R.C.Thompson: The Prisms of Esarhaddon, 31, s. auch 35: „Assurbanipal soll mich ( = Nana) aus Elam herausführen und in Eanna einführen." 204
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durch die sachliche Parallelität zu V. 4 den Charakter einer indirekten Mahnung und Warnung 212 . Zusammenfassend läßt sich sagen, daß in Jes 7,4-9 eine eigentümliche Verschmelzung von Heilsorakel und Mahnung auftritt, die jedoch nicht völlig ohne Analogie ist. Jes 8,12 f .
Beim ersten Jesaja gibt es nur noch einen Fall der genannten Verschmelzung von Heilsorakel und Mahnung. Das ist 8,12-13, der allgemein als echt jesajanisch gilt213. Hier wird eindeutig ein kleinerer Kreis von empfänglichen Zuhörern angesprochen 214 . Sie werden ermahnt, von dem in Jerusalem üblichen Wunsch nach einer opportunistischen Bündnispolitik Abstand zu nehmen und, wie in 7,4-9, statt dessen Jahwe zu fürchten und glauben. Bei dem Propheten ist die Verwendung von Prohibitiv (12) und Imperfekt (13) zur Warnung und Mahnung nicht üblich, während sie in Dt ganz geläufig ist. Auch die Nominalsätze ohne Verben V. 13 b scheinen wegen des Parallelismus mahnende Funktion zu haben, was in prophetischen Mahnungen gewöhnlich nicht vorkommt. Die Sprache scheint z.T. priesterlich gefärbt zu sein ( K T , i n j ? ) . Wie N. Lohfink gezeigt hat, gibt es wegen der Traditionen des heiligen Kriegs „einen sachlichen Zusammenhang zwischen .glauben' und Jahwe heiligen'" 215 . Dadurch ist die Einheit auch nahe mit Jes 7,4-9 verwandt. Die Mahnung wird durch die Drohung 8,14 f. begründet. Es läßt sich die Frage stellen, ob diese Begründung, die wahrscheinlich die ei-
212 Vgl. O . H . Steck: Rettung und VerStockung, EvTh 33/1973, 82: „Die formgeschichtlich überschießende bedingte Drohung an den Adressaten in V. 9 b verlagert den Aussageschwerpunkt der Gattung auf die Mahnungen von V. 4." Steck betrachtet V. 4 - 9 als eine zusammenhängende Einheit, was formgeschichtlich nicht ganz einleuchtet, vgl. Höffken ThZ 36/1980, 330 f. 213 O.Kaiser ad loc. 185 behauptet die „frühe Perserzeit" als richtige Datierung des Spruches, gleichwohl er auch anderswo (z.B. 28,22; 30,15) die Beteiligung der Redaktion hervorhebt. Vermeylen op.cit.248 vermutet, daß 8,12-13ba eine deuteronomistische Deutung („relecture") des Untergangs von Jerusalem 587 v.Chr. sei. Der Gebrauch von p i y Hif. scheint Jesaja eigen zu sein (im AT nur Jes 8,12.13; 29,23). Die seltene Verwendung vom priesterlichen Terminus t n p Hif. mit Jahwe als Objekt findet sich außer Jes 8,12; 29,23 m.W. nur Nu 20,12; 27,14 (beide Stellen aus P), cf. E. Jenni: Das hebräische Piel, 60. 2,4 Cf. Wildberger Komm. 336: „ein Kreis von Vertrauten". 215 Isaias 8,12-14, BZ 7/1963, 98-104.101. Weiteres zur priesterlichen Terminologie bei Jesaja ibid. 102.
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gene Verkündigung des Propheten darstellt, ursprünglich mit der Mahnrede verknüpft war. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß Protojesaja als einziger Prophet Heilsorakel mit Mahnung und Warnung verknüpft (7,4; 8,12 f.) Jes
28,12
Die Stelle entstammt aller Wahrscheinlichkeit nach Jesaja selbst216. Wie 30,15 a ist 28,12 a Zitat einer früher ergangenen Mahnrede und einer größeren Einheit zugeordnet. Die Mahnung steht hier im Dienste der Anklage. In ihrer verdichteten Kürze ist diese Mahnung wohl als eine knappe, zusammenfassende Erinnerung an eine frühere, ursprünglich selbständige Mahnrede des Propheten aufzufassen. Der einleitende Nominalsatz nniJJpn J1KT läßt sich aufgrund des nachfolgenden Imperativs in'JH „schafft Ruhe/verhaltet euch ruhig" kaum als reines Konstatieren verstehen („dies/hier ist die Ruhe"). Wenn man mit A.van Selms217 auch die Parallele in Mi 2,10 betrachtet („Steht auf und zieht weg! Dies hier ist keine Ruhe/kein Ruheort"), muß die Ubersetzung etwa so lauten: „Hier soll Ruhe sein" oder „Hier dürft ihr ruhen". „Ruhe" ist hier wahrscheinlich als das Ergebnis des vom Propheten geforderten gläubigen Verhaltens „ruhig sein" (7,4; 28,16; 30,15) zu deuten. Es ist das heilvolle Ziel, wozu die Mahnung l n ' j n führt. Der parallele Nominalsatz H^A^an ilXT 2ß scheint auch einen heilvollen Zustand als Ziel der Mahnung zu setzen, vgl. Jer 6,16. Was bedeutet aber eigentlich die Mahnung in'iH? Uber die Adressaten und den weiteren Kontext dieses Spruchs wird nichts gesagt. Wildberger übersetzt: „Laß ruhen die Müden" und vermutet die „geistigen Führer des Gottesvolkes" 218 als Empfänger der Mahnung. Demnach handelt es sich also um eine sozialkritische Mahnung wie etwa in 1,17. Das In-Ruhe-Bleiben ist sonst bei Jesaja kein Verhalten, das ein Mensch dem anderen gewähren kann. Die Übersetzung „Schaffet dem Müden Ruhe!" 219 empfiehlt sich deshalb nicht. Es werden überall sonst die Menschen zur Ruhe ermahnt. Das Hifil könnte hier eine andere Bedeutung als die kausative haben. Es wäre möglich, daß auch hier zur ru2,4 217 218 219
Cf. Wildberger Komm. 1056 u. Warmuth op.cit.67f. Isaiah 28,9-13, ZAW 85/1973, 333. Wildberger ad loc. 1061. Irwin op. cit. 23: „Give rest to the weary."
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higen Haltung ermahnt wird: „Zeiget euch ruhig dem Müden zugunsten." 220 Diese Deutung würde zumindest dem Adressatenkreis und der Lage von 7 , 4 - 9 entsprechen. Die Struktur des kurzen Mahnworts läßt sich somit leicht beschreiben: Ein Satz im Imperativ pl. wird chiastisch oder „konzentrisch" durch zwei synonyme Verheißungen motiviert 221 . Jes 28,16bß Der kleine jesajanische Satz „Wer glaubt, der weicht (eilt, kümmert sich) nicht" steht im jetzigen Zusammenhang im Dienste einer Gerichtsankündigung (28, 14-18) 2 2 2 . Der mottoartige Spruch, der ein zentrales Anliegen Jesajas zusammenfaßt (vgl. 7,4-9), wird im Gegensatz zu 28,12; 30,15 durch keine Zitatformel eingeführt. Gleichwohl ist er als Zitat aufzufassen. Man kann es sich als Inschrift auf dem prophetisch geschauten „Stein der Erprobung" vorstellen. Diese Inschrift erklärt die scheidende Funktion der „Erprobung". Im Zusammenhang liegt der Nachdruck auf dem negativen Ausgang dieses Prüfens. Das Gericht steht unmittelbar bevor. Die Möglichkeit des Glaubens wird jedoch nicht verneint. Die ungläubigen Zuhörer werden nicht standhalten, der Glaubende braucht sich nicht zu fürchten. Er weiß, wo er seine Zuflucht findet. Das Partizip J'ORHri hat dieselbe Bedeutung wie ein Konditionalsatz 223 , vgl. 7,9; 1,19 f. Es erfüllt somit eine indirekt mahnende Funktion, die hier aber nicht im Vordergrund steht. Wenn der Ausdruck tf'rp KV als Prohibitiv verstanden wird,' ist der mahnende Sinn des • T Spruchs leicht einzusehen: „Wer glaubt, soll sich nicht sorgen." 224 Diese Deutung setzt die Ableitung von ihn II „sich sorgen" voraus 225 . Dann Intransitiv vgl. Joüon Gramm. 123 § 5 4 d . Es ist keineswegs notwendig, wegen einer Asymmetrie das Fehlen eines Satzes im Imp. nach dem zweiten Nominalsatz zu vermuten (gegen J.J. M. Roberts: A Note on Isaiah 28:12, H T R 73/1980, 49-51). 2 2 2 Cf. Wildberger Komm. 1063 ff. Das nicht sicher abzuleitende Verb P'tV ist bekanntlich Ausgangspunkt der zahlreichen verschiedenen Ubersetzungen. Die Ubersetzung „the Master Builder who hurries not" (Irwin op. cit. 3 0 - 3 2 ) gründet sich auf eine unwahrscheinliche Ableitung des J'PJ?? von „Handwerker", das im übrigen AT niemals als denominatives Verb belegt ist. Die jesajanische Herkunft wird allgemein erkannt, vgl. K.Jeppesen StTh 38/1984, 93-99. 2 2 3 Cf. Wildberger Komm. 1077. 2 2 4 Nach T h W A T I 330 (Art, p R von A.Jepsen). 2 2 5 Cf. F. Ellermeier ZAW 75/1963, 197-217 u. W.von Soden U F 1/1969, 197. Zu einem Beleg aus den Mari-Texten (in Prohibitiv 3. p. la i-ha-as) s. J.-G. Heintz: Oracles prophétiques, VTS 17/1969, 121 f. 220 221
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wird der Spruch als eine Jesaja eigene Abwandlung des Heilsorakels zu beschreiben sein. Hier steht der Prohibitiv 3.p. statt des üblichen Vetitivs 2.p. (7,4). Wenn aber das finite Verb als „weichen" o. ä. übersetzt wird, ist es futurisch, als reine Verheißung zu verstehen: „er wird nicht weichen" 226 , d.h. bestehenbleiben, vgl. Ps 25,3a: HO' y i p ^3 DJ. Jedenfalls bezeichnet das Partizip „der Glaubende" in Jes 28,16 eine Beschränkung der Verheißung, die zugleich Bedingung und Forderung enthält 227 . Jes 28,22
Die Echtheit dieser Stelle ist umstritten 228 . Zweiffeilos läßt sich das Wort als eine ursprünglich freistehende, in sich geschlossene Formeinheit verstehen, die durch ihre Bezüge 229 zur übrigen Verkündigung Jesajas in der jetzigen Komposition wohl angebracht scheint250. Wildberger nimmt Anstoß an dem Ausdruck piRH ^3 ty „über die ganze Erde" V. 22 b231. Eine andere Ubersetzung hingegen ist gut möglich: „über/gegen das ganze Land",232, was mit der Theologie Jesajas vereinbar ist. In sprachlicher Hinsicht ist nichts gegen die Echtheit von Jes 28,22 einzuwenden. Auch Wildberger 233 muß zugeben, daß die Mahnung „Hört auf mit eurer Prahlerei! ... im Munde Jesajas an sich denkbar" ist. Das Verb „spotten", „aufständisch reden" 234 o. ä. wird hauptsächlich in den Proverbien verwendet, wo es einem wichtigen Thema der Weisheit Ausdruck verleiht 235 . Jesaja scheint sich hier wie sooft der Sprache der Weisheit zu bedienen, und zwar auf eigenständige Weise:
226
Wildberger Komm. 1068 unter Berufung auf 1 QS 8,7 f. Vgl. die Einzugstora Ps 15,2.5. 221 Wildberger Komm. 1071 u. 1080. 229 Das Thema des Gerichts (vgl. 10,23) und das Stichwort „spotten" (vgl. 28,14). 2,0 Gegen J. Fichtner: Jahves Plan in der Botschaft des Jesaja, ZAW 63/1951, 16-33.25 f. 231 R.Melugin: The Conventional and the Creative in Is. CBQ 36/1974, 301-11.309f. meint, daß V. 20-22 ursprünglich nicht allein gestanden habe und eine spätere Ausweitung des Abschnitts V. 14-19 sei. Die Ausführungen Melugins sind aber an diesem Punkt sehr kurz. 212 Cf. W.H.Irwin: Isaiah 28-33, Rom 1977, 36. 233 Jesaja 1071. 234 Man beachte den politischen Kontext, in den das Verb in der phönizischen Azitawadda-Inschrift I Z. 8 gestellt wird. Daher übersetzten Donner/Röllig KAI II 40 fVa (Part.) „Aufsässiger, Widerredner". 235 Qal: Jes 29,20; Ps 1,1 und sonst 14mal in Prov. Der Ausdruck ist nur Jes 28,14; Prov 29,8 belegt. Näheres zu dieser Wurzel s. H.N.Richardson V T 5/1955. 227
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Hitp. von f'V wird nur hier im AT verwendet. Die Mahnung ist natürlich nicht weisheitlich zu verstehen. Sie ist nicht eine allgemeine Belehrung, sondern ein prophetischer Ruf an Israel zur Besinnung auf Gott in einer entscheidenden geschichtlichen Stunde, wie es die Motivation 22aß und b verdeutlicht 236 . Das Ziel der Mahnung ist somit die U m kehr 237 . Der Appell dieses Spruchs besteht aus einem einzigen Vetitiv. Die Motivation besteht aus einer zweigliedrigen Drohung: dem pcen-Satz238 22aß und dem ki-Satz 22 b 239 . Jes
30,11
Dieser Vers ist Teil einer größeren Einheit 30,8-11, die wahrscheinlich von Jesaja selbst stammt 240 . Das Scheltwort V. 9-11 beschreibt, wie falsch das Volk mit der Weisung Gottes umgeht. V. 10 ist ein als Parodie gemeintes Zitat, das die dem Wesen der Prophetie gerade entgegengesetzte Einstellung des Volks bloßlegt. V. 11 zeigt, welche betrügerische Weisung es sich eigentlich wünscht. Es handelt sich um die Parodie einer prophetischen Mahnung 241 (vgl. Am 4,4 f.) und bestätigt als solche eindrucksvoll, daß Mahnungen zur normalen Tätigkeit der Propheten gehörten. Zugleich wird die Struktur der prophetischen Mahnungen bezeugt. „Weicht vom Wege!" ist die völlige Umkehrung der wahren Mahnung 242 . Das ironische Zitat verdreht Mahnungen wie z.B. „Weiche
2,6 „Ich habe vom Herrn gehört" (Jes 21,10; 28,22) ist die ausdrückliche Berufung auf prophetische Offenbarung. 237 Cf. Hoffmann: Die Intention op.cit. 48 f. 238 |9 beim Protojesaja sonst nur 6,10 (36,18). 239 wird am häufigsten in der Prophetenliteratur verwendet. Jesaja bietet die ersten Belege unter den Propheten (10,23; 28,22; Jer 4,27; 5,18; Ez 20,17; Zef 1,18 usw.; insgesamt 22mal im AT). 240 Wildberger Komm. 1166ff. Zur Auslegung s. auch R.Fey op.cit. 115-20. 241 Irwin: Isaiah op.cit.80-82 versteht V. 11 als eine Aufforderung an den Propheten, dem Volk aus dem Weg zu gehen. Dieses Verständnis beruht aber auf höchst unsicheren Voraussetzungen. Es gibt keine Suffixe, die es einsichtig machen, daß das Volk über „unseren Weg", „unseren Pfad" spricht, cf. Fey op.cit. 119 A.l. Auch wird kein zwingender Beweis für die transitive Verwendung von HO Qal („remove") vorgelegt. 242 Eine gewisse Analogie bietet der Befehl des Enki im Atrahasis-Epos I Z.378f.: „Fürchtet eure Götter nicht! (e taplahä ilikun). Flehet eure Göttingen nicht an!" (Lambert/Millard: Atra-hasis, Oxford 1969, 68f.). Die normale Mahnung findet sich u.a. in Personennamen wie Pilah-Sin („Verehre Sin") und Pilah-Adad. Vgl. auch die Anweisung an die Boten des Yam in der Mythologie von Ugarit: „At El's feet do ye not fall down (al tpl), do not prostrate yourselves (al tlthwy) at the assembly", cf. A. Goetze: Ugaritic Negations, in: FS J.Pedersen: Studia Orientalia, Köbenhavn 1953, 119 (Gordon III AB B 30 ff.).
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D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
nicht (TtOit-^K) weder zur Rechten noch zur Linken" (Jos 1,7) 24} oder „Weiche vom Bösen" ( j n i S 1 1 0 Ps 34,15; 37,27; Prov3,7). Qal kommt in weisheitlichen Warnungen vor: an-^X Prov 4,5.27. Hif. scheint hier dieselbe Bedeutung wie Qal zu haben. Das dritte Glied der ironischen Mahnung steht wie die vorhergehenden Glieder im Imperfekt pl. fiatf Hif. wird im Alten Testament sonst nie im Imperativ verwendet. Sein Objekt bringt das Proprium der Verkündigung Jesijas ans Licht244. Das fingierte Zitat Jes 30,11 ist somit eine ironische Mahnung von einfacher Struktur. Der Appell besteht aus drei aufeinanderfolgenden Imperativsätzen. Es kommt kein Motivationsglied vor. Die Motivation muß der größeren Einheit, der das Mahnwort untergeordnet ist, entnommen werden (V.9). Die Mahnung fungiert in diesem Zusammenhang eindeutig als Schuldaufweis, setzt jedoch die wirkliche Tätigkeit Jesajas als Mahner und Warner voraus. Jes 30,15 Das Gerichtswort 30,15-17 ist umstritten jesajanisch. V. 15 steht als Teil der Anklage (15-16) innerhalb dieser Einheit 245 . Weil die beiden finitiven Verbformen des Zitats in 15 a Imperfekte sind, erschließt sich daraus der mahnende Sinn nicht direkt. Die Anklage V. 15 b („Ihr habt doch nicht gewollt") 246 setzt allerdings den appellativen Charakter des früher ergangenen Jahweworts voraus. Der Appell kommt dann nicht unmittelbar durch Imperativ oder Jussiv zum Ausdruck, sondern mittelbar durch die vier Verbalabstrakta, die mit 3 konstruiert sind247 und gleichsam als verdichtete Konditionalsätze dastehen, vgl. Jes 1,19 f.; 7,9. Man kann das Gerichtswort als eine Abwandlung der Form der Mahnung auffassen 248 . 243
Vgl. weiter 1 Sam 12,20; Prov 5,7. Vgl. Fey op.cit. 118 f. Cf. Wildberger Komm. 1180 ff. 246 Zu MK s. E.Jenni: Wollen und Nicht-Wollen im Hebräischen, in: FS Hommages ä A. Dupont-Sommer, Paris 1971, 201-7 u. ThWAT I 24-27 (B.Johnson). Der Prohibitiv H^Kh «V kommt in Dt 13,9; 1 Kön 20,8 vor. Vetitiv K3RÄ i» nur Prov 1,10. 244
245
247 in Hab 2,4 b hat wohl dieselbe Funktion. Zum Text und Inhalt cf. J.Jeremias: Kultprophetie, 81-84. Eine abweichende Deutung gibt J. G.Janzen: Habakkuk 2:2-4, H T R 73/1980, 53-78, indem er die Suffixe in V . 4 (-o) auf die „Vision" V . 3 zurückgehen läßt. Sein Verständnis vom dunklen V. 4a ist dabei ausschlaggebend. A. S.van der Woude: Bemerkungen zu einigen umstrittenen Stellen im Zwölfprophetenbuch, in: FS H.Cazelles (AOAT 212) Kevelaer 1981, 494-96 setzt sich für das traditionelle Verständnis der Stelle ein. 248 C.A.Keller: Das quietistische Element in der Botschaft des Jesaja, ThZ 11/1955, 85 nennt Jes 30,15 „eine ausgesprochene Thora-Belehrung".
D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
Jinjl
Ü^jrita?
nil®? pyijhfl Jäpfn? njnjn
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Bedingung/Forderung Verheißung (vgl. Jes 45,22 a) Bedingung/Forderung Verheißung
Der Spruch hat zwei parallele Glieder. Es sind zwei Verheißungen, denen je zwei Elemente der Bedingung vorangestellt sind, die Forderungen an das Volk einschließen. Dabei verwendet Jesaja die Wurzel aitf 249 . Die Parallelität der Begriffe zwingt keineswegs zur Ableitung des HSIS? aus „(still)sitzen", die sowohl assoziativ wie grammatisch wenig wahrscheinlich ist, wenn man den Konsonantenbestand des Textes als korrekt annimmt 250 .
Mahnungen bei Jeremia Es wird allgemein angenommen, daß Mahnungen und Warnungen überwiegend der Frühzeit des Wirkens von Jeremia angehören (Kap. 2-6) 251 , was sich auch bei unserem Durchgang des Materials bestätigen wird. Jer
2,25a
Daß diese Mahnung innerhalb der allegorischen Geschichtsbetrachtung Jeremias eine unselbständige Funktion hat 252 , unterliegt keinem Zweifel. Der Spruch muß aber als Hinweis auf eine wirklich ergangene, selbständige prophetische Mahnrede verstanden werden 253 , vgl. 6,16 f. Es liegt hier eine kurze zweiteilige Warnung vor. Der Imperativ 2. f. sg. 'yjl? steht zeugmatisch zu den beiden Teilen. Das Verb kommt 249
Zu ihrer Bedeutung an dieser Stelle vgl. R.E.Clements: Isaiah 1-39, London 1980,
248. 250
Mit Wildberger Komm. 1180 f. Vgl. R.Albertz: J e r 2 - 6 und die Frühzeitverkündigung Jeremias, ZAW 94/1982, 20-47 und J.A.Thompson: Jeremiah (NICOT), Michigan 1980, 112, vgl. 267ff. 252 Vgl. W.McKane: Jeremiah II 23-25, OTS 17/1972, 73-88. S.Hermann nimmt an, daß Jer 2,20-28 nicht aus einem Guß ist (Jeremia - der Prophet und die Verfasser des Buches Jeremia, in: P.-M.Bogaert (Hrsg.): Le livre de Jeremie (BETL 54), Leuven 1981, 197-214). V . 2 5 a (wie 23aß.b) ist demnach der älteren Schicht zuzurechnen, die als Scheltrede bezeichnet werden kann. Deren Bildersprache ist später durch Zusätze interpretiert worden. Zur Komposition von Kap. 2 - 3 vgl. auch M. DeRoche: Jeremiah 2:2-3 and Israel's Love for God, CBQ 45/1983, 367. 25J Es ist zu fragen, ob nicht V. 23 aß.b als Mahnung in derselben Funktion wie V. 25 a begriffen werden muß. Zur Form vgl. 3,13. 251
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
auch sonst bei Jeremia vor (3,3; 31,16; 42,4; 48,10), hat aber in mahnender Bedeutung wahrscheinlich seinen ursprünglichen Sitz in der Weisheitssprache (Prov. 1,15; 3,27; 23,13; 30,7). Die Weisheitsschriften haben jedenfalls den größten Anteil (lOx) am Gesamtvorkommen dieses Verbs (25x). Man kann hier also einen weisheitlichen Einfluß bei Jeremia spüren, und zwar in einer Mahnung, vgl. 9,22 f. Jer3,12 Wie Jer Kap.3 redaktionsgeschichtlich zu beurteilen ist, bleibt z.T. strittig254, es ist aber sicher, daß V. 12,13 und 14 strikt auseinanderzuhalten sind. Der Ubergang von Imp.2.m.sg. in V. 12 zu 2. f. sg. in V. 13 und 2.m.pl. in V. 14 ist dafür ein ausreichendes Kriterium. Zunächst analysieren wir das Mahnwort in 3,12. Es hat eine ausführliche Einführung in V. 12aa, darauf folgt das Mahnwort selber mit einem einzigen Imperativ 2.m.sg., die in religiösem Sinn nur in prophetischen Mahnungen vorkommende Langform naitf 255 . Die Kurzform 31® wird in den prophetischen Mahnungen nie gebraucht. In unmittelbarem Anschluß an den Imperativ und damit in Paronomasie folgt der Vokativ Vinfe? nai^Ö „du, abtrünniges Israel" 256 . Dieser Vokativ ist Jeremia eigen (3,6.8.11.12) und findet sich sonst nicht im Alten Testament. Die paronomastische Redeweise hat der Prophet sicher aus überliefertem Material seines Lehrmeisters Hosea entwickelt (Hos 11,7; 14,5; vgl. auch Jer 3,22a). In Hos 14,5 sind Hfl (von Gottes Zorn) und ni(1)®!3 über verschiedene Versteile hin miteinander verbunden. Außer bei Hosea und Jeremia ist naitfö nur im späten, von prophetischer Literatur beeinflußten Weisheitstext Prov 1,32 belegt257. 254 W.Thiel: Die deuteronomistische Redaktion von Jer 1-25 ( W M A N T 41), Neukirchen-Vluyn 1973, 81 ff. 93 betrachtet Jer 3,6-13 als eigenes Uberlieferungsstück, dem ein jeremianischer Spruch (12aß-13ba) zugrunde liege. Die Redaktion (D) habe ihn mit Erweiterungen versehen ( 6 - 1 2 a a . l 3 b ß ) . Eine „nachexilische Korrektur" V. 14-17 sei zuletzt nachgetragen. W. McKane: Poetry and Prose in the Book of Jeremiah, VTS 32/1981, 220-37 sieht auf ähnliche Weise V . 6 - 1 1 als sekundäre Auslegung von 3,1-5.12-13. Vgl. auch S.Herrmann: Die prophetischen Heilserwartungen im Alten Testament (BWANT 85), Stuttgart 1965, 223ff. und R.P.Carroll: From Chaos to Covenant, London 1981, 73-75 (Jer 3, l - 5 . 1 2 b - 1 3 . 1 9 f . 2 1 - 2 3 + 4,1 f. als ein ursprüngliches Gedicht Jeremias über die Bekehrung und 3,6-12 a als redaktioneller Einschub). Vgl. weiter D.Jobling: Jeremiah's Poem in 3,1-4,2, V T 28/1978, 45-55. 255
Die übrigen Belege: Hos 14,2; Jes 14,22. Mit „Israel" wird hier höchstwahrscheinlich nur das zerbrochene Nordreich angeredet, vgl. J. Lust: „Gathering and Return" in Jeremiah and Ezekiel, in: Bogaert (BETL 54), 119-42.132, in demselben Band auch J. Schabert: Jeremia und die Reform des Joschka S. 40-57.43; s. auch J.A. Soggin: The Ark of the Covenant (Jer 3,16), 217 f. 257 Cf. J. Bright: The Date of the Prose Sermons of Jeremiah, JBL 70/1951, 15-35.35. 256
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
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Wie in Jer 6,8 folgt dem einen Imperativ eine dreigliedrige Motivierung. Dort ist es eine Drohung, hier eine Verheißung. Die Ausdrucksweise Hif. von mit Obj. ~'JD ist Jeremia eigentümlich. T ? n als Prädikat Jahwes ist eher selten258, "IISJ „zürnen" ist eine seltene Vokabel, die verbunden mit dem liturgisch klingenden Ausdruck D^iy1? außer bei Jer 3,5.12 nur in Ps 103,9 belegt ist259. In sprachlicher Hinsicht dürfte nichts gegen die jeremianische Herkunft dieses Mahnwortes einzuwenden sein. Jer 3,13
Hier wird die Benennung Israels als Hl^Ö (V.ll) vorausgesetzt. Dadurch wird die Anrede in 2. f. sg. verständlich. Eine ähnliche „Feminisierung" kommt bei Jeremia auch sonst, dann aber expliziert vor (2,19; 2,23; 6,8; 31,20). Der fehlende feminine Vokativ ist hier aber aus dem größeren Zusammenhang her gut zu ergänzen. Auch hier besteht die Mahnung aus nur einem imperativischen Glied (aa), die Begründung der Mahnung dagegen ist dreigliedrig und wird mit einem ' 3 eingeführt (aß, ba, bß). Die Begründung besteht hier nur aus einer Anklage. Das Verb JHJ Qal wird im Imperativ außer bei Jeremia meist in deuteronomistischen und weisheitlichen Texten gebraucht 260 . Es hat hier eine predigende und belehrende Funktion. Außer bei Jeremia (2,19.23; 3,13; 6,18) ist Imp.2.f.sg. nur 1 Sam 25,17 (guter Ratschlag für Abigail) belegt. Nur hier und jer 14,20 ist jty Objekt für y v im Alten Testament. Die priesterliche oder prophetische Mahnung 1JH kommt im eschatologischen Ausblick Jer 31,34 vor, hier mit Jahwe als Objekt. Das hervorhebende "^X261 wird 2Kön 5,7 vor demselben Verb im Imperativ gebraucht (vgl. auch Gen 27,13). V. 13 b ist textlich nicht ganz zuverlässig überliefert. Außerdem finden sich hier auch Ausdrücke, die dtr. sein könnten 267 . Nichts spricht indessen dagegen, daß der Kern V. aß jeremianisch ist. Das Verb JUPS Qal mit nachfolgendem ' 3 ist auch sonst üblicher Vorwurf 263 : 3 ist hier dem Verb vorangestellt und mit dem Tetragrammaton versehen. 258
Nur noch Ps 145,17. Übrige Belege des Verbs Lev 19,18; Nah 1,2. 260 Yg| u n t e n di e Tabellen der Verben. 261 N.H.Snaith: The meaning of Hebrew -|K, VT 14/1964, 221-25 vermutet eine immer „einschränkende" Bedeutung der Partikel (annähernd einem „nur"), vgl. aber KBL 3. Aufl. 262 Thiel op.cit. 82-89. 2 " 2Kön 3,7; Jes 1,2; Hos 7,13; Zef 3,11; Jer 2,8.29; 33,8. 259
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Die Gattung der prophetischen M a h n r e d e
Jer 3,14 In dieser Mahnung schillert möglicherweise die Bedeutung des zwischen Rückkehr im religiösen und geographischen Sinn. Vielleicht ist diese Doppeldeutung vom Propheten selbst beabsichtigt. Sicher ist jedenfalls, daß die Bedeutung „sich bekehren" sich nicht unterdrücken läßt wegen des unmittelbar nachfolgenden Bezugs auf den religiösen Zustand Israels 264 . Andererseits ist es möglich, aber nicht notwendig, daß die Aufforderung zur Umkehr zugleich zur Rückkehr in die Heimat ermuntert. Diese Rückkehr wird doch verheißen V . b und gehört somit als Heilsgabe mit der Umkehr zusammen. Das malende Wortspiel D'33itf D'33 1311? ist nur bei Jeremia belegt. Wörtlich taucht es noch einmal in V. 22 auf. 33ltf „abtrünnig" 265 ist außerhalb des Jeremiabuches nur in Jes 57,17 zu finden und dürfte zusammen mit dem ähnlichen 331® in derselben Bedeutung 266 zu den J e remia eigenen Lieblingsvokabeln gehören. Wie die lange verheißende Motivierung der Mahnung (V. 14 aß-15) redaktionsgeschichtlich zu bewerten ist, muß hier das hingestellt bleiben. Wir wollen nur feststellen, daß die mit ' 3 eröffnete Einleitung der Verheißungen wegen des ungewöhnlichen Gebrauchs des Verbs Vy3 267 gut jeremianisch sein dürfte 268 . Hier wird ein hoseanisches Thema (vgl. Hos 2) von Jeremia weitergeführt. Cornill findet unseren Vers „verdächtig" wegen der teilweise „wörtlichen Identität" 2 6 9 mit V. 22 und 31,32. Diesem Einwand gegen die Echtheit der Stelle darf nicht viel Gewicht beigelegt werden, wenn man berücksichtigt, daß Jeremia wie z. B. auch Ezechiel eine Neigung zu formelhafter Rede gehabt hat. Jer 3,22 a Das Verständnis der Gesamtkomposition 3,21 ff., in die unser Vers eingebettet ist, bereitet große Schwierigkeiten. Ist das Ganze ein Zukunftsbild (Rudolph), in dem der Prophet eine echte Reue und Umkehr Israels voraussieht, oder ist V. 21 als Feststellung der jetzigen Reue Israels zu begreifen, so daß der Umkehrruf auch als gegenwärtige Anrede Israels zu verstehen ist? Vgl. Thiels Hinweis auf Welch und Rudolf (Komm. 29), S.87 A.27. H.Cazelles: Israel du Nord et arche d'alliance, V T 18/1968, 147-58 vermutet einen juridischen Hintergrund des Wortes (wie für 31P überhaupt, S. 149-52). 2 " Nur Jer 31,22; 49,4; Mi 2,4. 2 6 7 Jahwe als Subjekt wie noch 31,32. 2 6 8 Vgl. J. Kühlewein: !?ya, T H A T I 332. 2 " Komm. 39. 264
265
D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
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Die Mahnung wäre im letzteren Fall mit einem dem Volk in den Mund gelegten aufrichtigen Bußlied V.22b-25 begründet, wie es das zweifellos hoseanische Vorbild dieser „prophetischen Liturgie" Hos 14,2-9 nahelegt 270 . Dieselbe Problematik liegt in 31,18-20 vor 271 . In der verheißenden Motivation, V. aß, die asyndetisch erfolgt, setzt sich das Wortspiel mit 11® fort, nun mit einem Zitat aus Hos 14,5aa, das von der Vorlage nur in der grammatikalischen Form des Nomens abweicht. Nur Jer. verwendet den Plural von naijjtt (2,19; 3,22; 5,6; 14,7). V. 22 a ist also ein einfaches Mahnwort in der fürjeremia charakteristischen Diktion. Jer 4,1 f . 3 f .
Duhm betrachtet V. 2 als redaktionellen Einschub und findet auch in V. 3-4 „dem echten alten Gut allerlei Fremdes beigemischt" 272 . Volz, Rudolph und Bright halten 4,1-4 ohne Bedenken für eine Einheit, was sachlich möglich ist. Sie bildet als Gottesantwort auf die kollektive Klage den natürlichen Abschluß der prophetischen Liturgie (3,18 ff.). W. Thiel 273 faßt den Zusammenhang zwischen V. 1 f. und 3 f. als „nur lose" auf, weil die Botenformel und die erneute Adressierung in 3 a a und der Ubergang von 2.sg. zu 2.pl. in den mahnenden Verben einen Neueinsatz zu signalisieren scheinen. Das verknüpfende ' 3 dürfte redaktionell sein. Zwei ursprünglich selbständige Orakel, die möglicherweise dennoch in zeitlicher Nähe zueinander stehen, sind hier in eine prophetisch-liturgische Komposition hineingebracht. Vielleicht im Grundbestand sogar vom Propheten selbst, der auch anderswo auf dieselben Mahnungen mit einigen Variationen erneut zurückgreift. Eine genaue Untersuchung der zwei Orakel wird zeigen, inwieweit sie jeremianisches Gedankengut enthalten.
270
Thompson: Komm. 205 ff. sieht Jer 3,19-22 a als Fortsetzung von 3,1-5. 4,1 f. sei als Antwort Jahwes auf die Liturgie 3,22b-25 zu verstehen. 271 Vgl. M. Gerlach: Die Prophetischen Liturgien des Alten Testaments, Bonn 1967, 35-39. Die Herleitung des Trostbüchleins Jer 30-31 von Jeremia selbst ist umstritten. G. Fohrer sieht in einer Reihe von Sprüchen (u.a. 31,18-20; 31,21 f.; 31,31-34) das Werk eines anonymen „Vorläufers Deuterojesajas" (Der Israel-Prophet in Jeremia 30-31, in: FS Cazelles (AOAT 212), Kevelaer 1981, 135-48). B. Lindars argumentiert dagegen für die Echtheit von 31,15-22 („Rachel weeping for her children" - Jer 31:15-22, JSOT 12/1979, 47-62). Ähnlich beurteilt auch N. Lohfink: Der Junge Jeremia als Propagandist und Prophet. Zum Grundstock von Jer 30-31, in: Bogaert (BETL 54) op.cit.351-68. 172 Komm. 45. 273 Op.cit. 93-97. R. Althann: A Philological Analysis of Jer 4 - 6 betont, daß innerhalb Kap.4-6 viele kleine Einheiten zu finden sind (310). 4 , 3 f . ist nach ihm wenngleich mit Vorbehalt als redaktionelle Hinzufügung zu betrachten (38.303).
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V. 1-2 Dieser Mahnspruch hat eine etwas ungewöhnliche Struktur: Er enthält zwei mit DK eingeleitete Bedingungssätze ( l a a und ba), keinen Imperativ oder Vetitiv, sondern zwei Imperfekte und ein Perfekt cons. (laß und 2a) als Injunktive 274 und eine mit Perf. cons. und Imperfekt in finaler Funktion ausgedrückte Verheißung (2 b). Der hier vorkommende konditionale Stil mit 'im- Sätzen ist bei den älteren Schriftpropheten nur bei Jes 1,18-20; 7,9 zu finden, bei den jüngeren Propheten nur Jes 58,9.13 f. Im Jeremiabuch ist dieser Konditionalstil in Mahnungen ziemlich gewöhnlich (7,5; 13-17; 15,11; 17,24.27; 22,4.5; 26,4) und repräsentiert wohl eine Weiterentwicklung der klassischen Formensprache. Mit 'im bedingte Mahnungen kommen auch in der Weisheitliteratur vor (Prov3,30; 23,2; 24,14 275 ; 25,21); Gesetze, die so bedingt sind, gibt es auch (Ex 22,6f. usw.). Vor allem aber ist dieser Stil in den deuteronomisch-deuteronomistischen Predigten zu breiter Entfaltung gekommen (vgl. Dt 7,5; 28,1.15.58; 30,4; Jos23,8.12; l S a m l 2 , 1 4 f . ; 1 Kön 9,6; 18,18.21). Es besteht jedoch kein Grund dafür, V. 1-2 bloß wegen des Vorkommens von 'im als dtr. anzusehen 276 . Die Kürze dieses Spruches spricht eher für seine Echtheit. Der Gebrauch des Verbs stimmt mit der als jeremianisch anerkannten Anwendung überein: Im Bedingungssatz wird es absolut gebraucht wie in 3,7.12.14.22; 5,3; 8,5; 15,19; 31,18.19, im Nachsatz mit der Präposition Vx wie in 3,7.10; 24,7 277 . Das Verb "HO Hif. „entfernen" V.b „hat an sich keine ausgeprägte theologische Bedeutung" 278 , wird jedoch mit einiger Häufigkeit in prophetischen Mahnungen verwendet (Hos 2,4; Am 5,23; Jes 1,16; Jer 4,4; Ez45,9) sowie in weisheitlichen und dtr. Mahnungen (Pr 4,24.27; Koh 11,10; Jos 24,14.23; l S a m 7 , 3 ) . Das Objekt dieses Verbs, das Nomen pj?S? (in pl. m. suff.), wird zwar mit einer gewissen Vorliebe in dtr. Texten gebraucht (Dt 29,16; l K ö n 11,5.7; 2Kön 23,13.24), auch aber bei dem prophetischen Vorbildjeremias, Hosea (9,10), und bei Nah 3,6279. Man kann daraus nicht einfach auf dtr. Bearbeitung schließen 280 . 274
Hos 12,7. Die Ubersetzung von Althann op.cit.27 scheint eine gut begründete Alternative zu bieten. 275 S. dazu P. Nel: The Structure and Ethos of the Wisdom Admonitions in Proverbs, BZAW 158/1982,56. 276 Vgl. C. Brekelmans: Jeremiah 18,1-12 and its Redaction, in: Bogaert (BETL 54), 347 f. zur „Alternativ-Form". 277 Vgl. E.K.Dietrich: Die Umkehr, 88. 278 Schwertner: "110, THAT II 149. 279 Übrigens bei Jer u. Ez am häufigsten belegt, Mandelkern op.cit. 1232. 280 Vgl. Cornill Komm. 44.
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713 in Qal wird am häufigsten im Jeramiabuch verwendet (4,1; 15,5; 16,5; 22,10; 18,16; 48,17; 49,30; 50,3.8; das seltene Hitp. nur: Jes 24,20, Jer 31,18; 48,27) 281 . „Nicht flüchten (von Jahwe)" ist somit ein ganz originales Synonym für „sich bekehren" (V.a). In den Mahnworten der älteren Schriftpropheten ist der Gebrauch von Perf.cons. nicht üblich (V. 2). Dasselbe Verb steht Dt 6,13 = 10,12 im Imperfekt (J73E7J1), Lev 19,12 im Prohibitiv (lya&Jl bei Hosea im Vetitiv (4,15 vgl. auch Jer 12,16. Bei den allgemein als echt angesehenen Jeremiaworten kommt Perf. cons. in ermahnendem Sinn eher vereinzelt vor. Obwohl es zu den beliebtesten Mitteln der dtr. Predigt gehört, wird es dennoch in den Mahnungen Jeremias, die von vielen als einer dtr. Bearbeitung zugehörig angenommen werden, überraschend wenig gebraucht. Daß das Perf. cons. hier als Anzeichen für dtr. Bearbeitung anzusehen ist, erscheint im Lichte der eben genannten Tatsache zumindest möglich. Man sollte auch mit der Möglichkeit rechnen, daß Jeremia von dieser Mahnform ausnahmsweise Gebrauch gemacht hat, zumal Injunktive und Prohibitive bei den älteren Propheten nicht ganz fehlen. Jeremia fordert (wie Dt auch positiv 6,13; 10,20)282 zum rechten Schwur auf. Der Schwur muß der inneren Aufrichtigkeit entspringen (2aß), eine Forderung, die die Bekehrung der Hörer als Voraussetzung hat, ja, die wohl gerade eine Äußerung der wahren Bekehrung darstellen soll. V. 2 a ist also ebenso wie iba eine konkrete Anwendung der Hauptmahnung V. 1 a. Die Reihe nplll, 22DPÖ, ilöK besteht aus Termini, die ganz traditionell sind (vgl. z.B. Hos 2,21 f.; Mi 6,8; Jes 5,16; l K ö n 3,6). Die Gesetzestradition zusammen mit der prophetischen, vor allem der hoseanischen Tradition spielt als Hintergrund für Jer 4,2 a eine entscheidende Rolle; ein spezifisch deuteronomistischer Traditionseinfluß dagegen ist nicht als gesichert anzunehmen. Duhm betrachtet die an Gen 12,3; 22,18; 26,4; Ps 72,17 erinnernde Verheißung V. 2 b als Zusatz 283 . "p2 Hitp. wird außer Gen und Ps 72,17 auch Dt 29,18 (ohne direkten Bezug auf die Väterverheißung) 284 und dann nur noch in Tritojesaja (65,16) gebraucht. ^Vn Hitp. 285 kommt einmal in einem weisheitlich anmutenden Satz in einem
281
Vgl. auch R. Bach: Die Aufforderungen zur Flucht op. cit. 20. Vgl. Thiel, 165. 283 Komm. 45. 284 Vgl. Keller/Wehmeier T H A T I 353-76, bes. 364. 285 Vgl. Westermann T H A T I 493-502 und W. Brueggemann: The Epistemological Crisis of Israel's two Histories (Jer 9:22-23), in: FS S.Terrien: Israelite Wisdom, 85-105, bes. 103 N. 47. 282
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dtr. Text vor (1 Kön 20,11), sonst vor allem in Jer, Ps und Prov, bei den Propheten nur bei dem von der Psalmensprache stark geprägten Deuterojesaja (41,16.25). Jeremia ist also der erste unter den Schriftpropheten, der diesen Ausdruck verwendet. Nach diesem Überblick über den Wortschatz des V. 2 b scheint es so gut wie ausgeschlossen, hier eine dtr. Bearbeitung anzunehmen. Die Berührungen mit Gen und anderen Schriftteilen scheinen auch nicht auf unmittelbarer Abhängigkeit zu beruhen. Vielmehr könnte der Wortlaut durchaus authentisch sein. Das andere Mahnwort 4,3 f. hat eine eher übliche Struktur als das erste: eine Reihe von drei Imperativen 2.m.pl. (3aß und 4aa), die durch einen Vetitiv (3 b) unterbrochen wird, und zum Schluß eine mit |D eingeleitete Drohung, die auch die Anklage einbezieht (4ba + ß). Hier ist die redaktionelle Hand leichter zu spüren: bei der formelhaften, wiederholten Nennung des Adressaten (3 a und 4 aß), die nach Thiel 286 dtr. scheint, und gleichfalls bei der Anklage 287 . Es bleibt dennoch ein Kern des Mahnworts übrig, der auf Jeremia zurückgehen dürfte. 3 aß ist ein wörtliches Hoseazitat (Hos 10,12 aß), 3 b ist nicht mehr Zitat, bleibt allerdings mit dem Stichwort JHT in einer gewissen Nähe dazu, vgl. Hos 10,12aa, ebenso Hos 8,7; Jer 12,13. Das Bild von den „Dornen" hat eine entfernte Parallele in Hos 10,8. V. 3 b ist also eine freie Ausgestaltung von hoseanischem Gedankengut, was bei Jeremia durchaus echt sein könnte, wie allgemein anerkannt wird. V. 3 bringt Bilder aus dem Bauernleben, V. 4 mahnt unter Einbeziehung eines kultischen Bilds: Beschneidung des Herzens, wie auch in Dt 10,16; 30,6. Die prophetische Herkunft dieses im Wesen kultpolemischen Bildes dürfte die Priorität haben 288 , zumal sich Jeremia des Bildes von der Vorhaut auch in wirkungsvollen Varianten bedient (6,10; 9,25) 28 '. Das Verb Vitt ist außerhalb des Pentateuch nur bei Jer belegt (4,4; 9,24). Bei den Propheten kommt „unbeschnitten" nur bei Jer und Ez vor, das verwandte nur bei Jer (4,4). V. 4 b a bewegt sich in traditionellen Redeweisen der prophetischen Gerichtsverkündigung. Der spezifische Gebrauch von Gottes nan „Zorn" als Subjekt des Verbs KS? ist nur hier und im identischen
286
Op.cit.95. Vgl. Thiel op. cit. 252. D'V^yö ? i ~ ' 3 S ö erscheint jedoch nur einmal außerhalb Jer (Dtn 28,20) und ist somit nicht ohne weiteres eine dtr. Formel zu nennen. 288 Volz: Komm.41, V.Rad: Ges.St. II, 16.79.106. 289 Vgl. dazu R.Le Déaut: Le thème de la circoncision du coeur, VTS 32/1981, 178-205. 287
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Jer21,12b ( = 4,4b) vorhanden. Der Vergleich mit Hfin kommt auch in Ps 89,47 vor. H3?)? t'S kommt sonst in Am 5,6 und Jes 1,31 vor. Die Terminologie von 4 b a ist also wenig profiliert, dürfte aber an und für sich als ursprünglich jeremianisch nicht unvorstellbar sein. Jer 4,14
Duhm bezeichnet diesen Vers als unecht: „aber dieser erbauliche Vers gehört dem Jeremia nicht" 290 , weil er mit dem sich entfaltenden Gerichtsgedanken vom Anfang und Ende nicht in Einklang stehe und weil nun plötzlich Jerusalem (f. sg.) angeredet werde, während es unmittelbar vorher und nachher in m.pl. gesprochen wird. Volz 291 sieht dagegen diesen Vers als „letzte Warnung" in losem Zusammenhang mit dem Kontext als Teil eines zusammengesetzten Gedichts verknüpft 292 , und nimmt an, daß er wirklich von Jeremia stammt. Die Echtheit nehmen auch Bright, Cornill, Giesebrecht und Rudolph an. Wie sich aus der spannungsreichen formalen Verbindung dieses Verses mit dem Kontext ergibt, kann man ihn als ein ursprünglich selbständiges Mahnwort ansehen. Seine jeremianische Herkunft dürfte dennoch als wahrscheinlich gelten, was auch die folgenden Betrachtungen zu erhärten versuchen. Die Struktur dieser Mahnung ist einsichtig. Den Anfang macht der imperativische Teil (in 2. f. sg. V. aa) mit einem Imperativ und dem Vokativ „Jerusalem". Danach folgen zwei Motivationen: eine ziemlich kurze (aß) verheißende Motivation, die durch eingeleitet wird, dann die längere Anklage (b), die n y i ö aa expliziert. 033 pi. „reinigen" wird überwiegend kultisch gebraucht und bildlich (kultpolemisch) von den Schriftpropheten nur von Jeremia (Jer 2,22; 4,14). Die nächste sprachliche Parallele ist das wahrscheinlich prophetisch beeinflußte Gebet Ps 51,9 ('JOSSA). Der Gebrauch eben dieses Verbs dürfte wohl auf Jeremia selbst zurückgehen. „vom Bösen" ist ein spärlich belegter Ausdruck. Das Jeremiabuch enthält zwei der vier Belege (4,14; 9,2). y©' Nif. ist freilich nicht gerade üblich293, tritt am häufigsten noch in Jer und Ps auf (je 6x). Wie Jes 30,15 im Hauptsatz bringt dieser Vers die Verheißung im Finalsatz. 2.0 2.1 2.2 2.3
Komm. 51. Komm. 55. Komm. 53. Insgesamt 21 mal im AT, s. F.Stolz:
THAT I 785-90.
90
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Wie Cornili 294 bemerkt, hat die Anklage V.b eine Parallele in Hos 8,5. Die klagende Frage „wie lange" begegnet freilich in Hos 8,5 295 , das übrige unterscheidet sich aber davon in sprachlicher Hinsicht. Die Verbindung T1K~J113!?na „böse Gedanken" ist vor Jeremia nicht sicher zu belegen (Prov 6,18; Jes 59,7; vgl. Mi 2,1; Jes 55,7; Ez 11,2). Der bildliche Gebrauch des Verbs „hausen" in diesem Zusammenhang hat nur eine antithetische Parallele in Jes 1,21. Die Annahme jeremianischer Herkunft dieses Verses unterliegt also keinen ernsten Bedenken. Jer6,8 Der Vers Jer 6,8 wird von Duhm als Teil der Einheit V. 6-8 betrachtet, die der Bearbeiter der Drohrede V. 1-5 nachgetragen hat. Volz, Rudolph, Weiser und Bright halten dagegen V. 1-8 f ü r eine zusammenhängende Rede mit Drohung (1-5) und Anklage (6 f.), die trotz aller Unerbittlichkeit in einem warnenden Mahnwort ausklingt. Duhm 2 9 6 sieht auch eine Warnung in V. 1-5 eingeschlossen: Jerusalem wird zugrunde gehen, seine Einwohner können noch durch Flucht ihr Leben retten, wenn sie die Prophetenworte ernst nehmen. Gegen Duhm kann eingewendet werden, daß V. 1 - 5 ein Drohwort ohne Begründung ist. Gewöhnlich enthalten die prophetischen Gerichtsworte auch eine Begründung, die V. 6 f. ganz passend als Anklage bringen. An sich wären V. 1-7 eine vollständige prophetische Gerichtsrede, hinzu kommt noch eine Mahnung, die Drohung und Anklage einem positiven Ziel zuführt. Gegen die Zusammengehörigkeit von V. 8 mit der vorhergehenden Rede spricht die erneut einsetzende Anrede „Jerusalem". Im Vorhergehenden wurde es nicht angeredet, sondern in 3. Person genannt (V. 1.6f.). Angeredet wurden die Einwohner Jerusalems (V. 1), sachlich kann der Name der Stadt aber dasselbe bedeuten. Es empfiehlt sich daher, V. 8 als einen ursprünglich selbständigen Warnspruch zu betrachten, der wegen des Stichworts „Jerusalem" nachträglich V. 1-7 angeführt wurde. Die Struktur des Mahnwortes ist eindeutig: In V. 8 a a folgt einer recht kurzen Mahnung im 2. f. sg. Imp. mit Vokativ ('"lpin O'^SHT) eine dreigliedrige Drohung, die auf die vorhergehenden Drohungen verweist, wobei das drohende JD zweimal fällt. 2,4
Komm. 49. Auch im prophetisch beeinflußten Prov 1,22, s. Whybray, Wisdom in Proverbs, 77. 29 ' Komm. 65. 295
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Das weisheitliche Verb 10' 297 kommt hier im auffallenden Nif. vor, das sonst nur in Jer 31,18; Ps 2,10 (Mahnung an die Könige der Erde zum weisen Verfahren), Prov 29,19 und Lev 26,23 (in einem Konditionalsatz ('^ HOin K^ DK) in paränetischem Kontext) gebraucht wird. Die Thematik der göttlichen Erziehung gilt als gesichert jeremianisch, vgl. 2,30; 5,3; 31,18. In Jer 31,18 wird die begriffliche Nähe der „Erziehung" (10') zur „Umkehr" verdeutlicht 298 . Das Verb yp" ist selten299. In Jer 6,8 und Ez 23,18 ist Gott das logi : sehe Subjekt dieses Verbs. Diese Redeweise könnte vielleich ihren Ursprung bei Jeremia haben und von Ez übernommen worden sein. Die Verwüstung ist übrigens ein gängiges Thema der Unheilsschilderungen bei Jesaja, Jeremia, Ezechiel, Joel, Micha und Zephanja 300 . Das Stichwort „unbewohnbar" (Nif. von + K^) wird nur von Jeremia und Ezechiel verwendet 301 . Wieder stehen wir also vor einem von Jeremia ausgehenden Sprachgebrauch der Gerichtsverkündigung, den Ez aufgenommen hat 302 . Es gibt jedenfalls keine sprachlichen Erscheinungen, die eindeutig gegen die Verfasserschaft Jeremias hinsichtlich dieses Mahnworts sprechen. Vor allem die originale Ausdrucksweise in V. 8 aa spricht eher für die Echtheit der Stelle. Jer 6,
16a-17aß
Diese beiden durch berichtende Sätze (V. 16b.17aa.17b) klar voneinander getrennten Mahnworte, erhalten gerade durch den einrahmenden Bericht die Funktion eines Geschichtsrückblicks, dessen Inhalt eine Anklage ist, die den Auftakt zur folgenden Gerichtsankündigung (V. 18 f.) bildet. Wie die einführenden Sätze zeigen (in V. 16 a und 17 a), sind die Mahnworte Zitate früherer Bußverkündigung, die beim Volk erfolglos geblieben ist. Die früher ergangenen Mahnworte sind Gottes D ' i a ? und rnifl (V. 19b, vgl. Jes 1,10), an denen das Volk gescheitert ist.
297
Vgl. M.Saeboe: 10', T H A T I 738-42. Cf. M.Ogushi: Der Tadel im AT, Frankfurt a.M. 1978, 109. 299 In Qal nur: Gen 32,26 „sich verrenken" (1? als Subj.), im Sinne „sich entfremden" bei Jeremia (nur hier) und Ez 23,17 f. Dann steht es jedesmal mit VS1 als Subjekt. 300 Dagegen fehlt die Vokabel n a a f bei Hosea und Arnos, das entsprechende Verb aber nicht. als (dir. oder indir.) Öbj. für D'®: Jos 8,28; Jer 10,22; 12,11; Mi 1,7; Zeph 2,13; Mal 1,3.; Ez bevorzugt statt dessen JflJ. 301 Außer bei Jer und Ez ist Nif. von diesem Verb nur Ex 16,35 belegt. 302 Die Möglichkeit, daß hier eine allgemeine Formelsprache vorliege, kann nicht ganz ausgeschlossen werden. 298
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Die Kommentare stimmen im allgemeinen darüber ein, daß diese Mahnworte in Verbindung mit dem Folgenden stehen. Es könnte jedoch sein, daß diese Verbindung auf einen redaktionellen Eingriff zurückgeht, was Thiel aufgrund des Schwankens zwischen 2. und 3. pl. und der Ungeordnetheit des Textes annimmt 303 . Man sollte also nicht ausschließen, daß V. 16 f. Referat von zwei ursprünglich selbständigen Mahnworten sein könnte, die die Redaktion in den jetzigen Zusammenhang gebracht hat. V.16a Die ersten Worte des Mahnspruches sind bei der Textüberlieferung wahrscheinlich beschädigt worden. Es muß hier offen bleiben, wie dieser Versteil einst aussah. Er scheint jedoch in Parallelismus zu dem folgenden Versteil mindestens einen Imperativ 2.m.pl. und irgendeine Form des Wortes enthalten zu haben. Jgjjj e j n abhängiger Fragesatz angeschlossen ist, und sind die folgenden mahnenden Imperative. Der Imp. 1KS73 hingegen ist final und fungiert als eine den Mahnspruch motivierende Verheißung. Der Gebrauch des Wortpaars "¡ITT / / JVtt'JTI) ist bekanntlich vor allem weisheitlich belegt. Der verheißende Gebrauch von KSJ5 Imp. ist ebenfalls weisheitlich belegt305. Der Sprachgebrauch ist somit ein recht eindeutig jeremianischer, allerdings mit weisheitlichem Einfluß. Die Verbindung „Pfade der Vorzeit" (oViy n i a v i j a ) ist nur bei Jer belegt306. Dasselbe gilt von D^i? V'31?307. In der Verheißung ist j n n » hap.leg. 308 . V.17aß Das Mahnwort liegt wahrscheinlich in einer gekürzten Wiedergabe vor, was dem Referatstil gemäß ist. Die Mahnung enthält nur einen Imperativ ohne irgendwelche explizite Begründung. Diese Begründung 303
Op. cit. 100. Parallelen zu dieser Aufforderung sind die Paränese D t 4,32: D'JiWKI B'BJ^ 8) ^>81? und die weisheitliche Mahnung Hi 8,8: ... p»K"l TTb RJ-V&Sr'? 305 Nur Prov3,7, aber im gleichen Sinn Inf. Prov 19,8 und Perf. cons. Jer 29,13; Dt 4,29. 306 Cf. S. Granild: Jeremia und das Deuteronomium, StTh 16/1962, 135-54 136. + 3 i a ist auch eine seltene Kombination; s. noch Ps 36,5. 307 Jer 18,15, vgl. O^iy "]"H im weisheitlichen Psalm 139,24. Zum Gebrauch von O^iy bei Jer. s. E.Jenni ZAW 65/1953, 13f. Die Übersetzung von Althann op. cit. 264 („path of the Eternal/road of the Good One") ist zu bedenken. 308 Die Wurzel VJT II ist auch anderswo belegt, die meisten Belege befinden sich jedoch bei Jer. Vergl. weiter Althann, 242 f. 304
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wird dennoch in dem Bild vom Späher (V.17aa) vorausgesetzt, dessen Aufgabe die Warnung vor der drohenden Gefahr ist. la'tfpn ist ein geläufiger Ruf zur Aufmerksamkeit 309 , der hier als pars pro toto für die gesamte Warnung steht.
Jer
7,3-4
Die schwierige Diskussion um den Anteil der Redaktion an den Predigten Jeremias in der sogenannten C-Quelle kann in unserem Zusammenhang nur mit einigen Bemerkungen berührt werden. Es ist zu betonen, daß es in den „Prosareden" 310 Mahnworte gibt, die dieselbe Struktur wie die zuvor genannten, vermutlich echten Mahnworte Jeremias aufweisen. Einige zentrale Ausdrücke dieser Mahnworte weisen wohl auch auf jeremianische Herkunft zurück. Die positive Mahnung mit Imp. ll'Ü'H ist in der dtr. Literatur nicht belegt, obwohl das Verb dort vor allem als syntaktische Ergänzung vorkommt 311 . Die naheliegendste Parallele zu dieser Mahnung bietet Jes 1,17 3'Iä'n ITljpV, dagegen nicht Jer 2,33 (Anklage), wo das Verb durch einen Inf. ergänzt wird. Bei Jeremia steht das Verb hier nicht absolut, sondern hat Objekte, die öfter als Elemente dtr. Phraseologie bezeichnet werden. Die Tabelle bei H. Weippert 312 könnte auch zum Schluß führen, daß ein hoseanisches Vorbild diese Formelbildung bei Jeremia veranlaßt habe (Hos 4,9; 12,3)313. Die der Mahnung entsprechende Warnung erfolgt im Vetitiv Das Verb nö3 wird nur selten in der dtr. Literatur verwen-
309
Jes 27,23; Hos 5,1; Prov 4,1; 7,24 usw. Vgl. bes. H. Weippert: Die Prosareden des Jeremiabuches, BZAW 132/1973, 21 ff. 228 ff. Ders.: Der Beitrag außerbiblischer Prophetentexte zum Verständnis der Prosareden des Jeremiabuches, in: Bogaert (BETL 54) op.cit.83-104 (S.87: „Da beide Belege (Jer 23,22; 6,17) allgemein als jeremianische Überlieferung betrachtet werden, ließen sich die imperativischen Ermahnungen in den Prosareden somit durchaus aus dem prophetischen Selbstverständnis Jeremias ableiten"). Zu Jer 7 vgl. u.a. C.D.Isbell and M.Jackson: Rhetorical Criticism and Jeremiah 7,1-8,3, V T 30/1980, 20-26, J. V.M.Sturdy: The Authorship of the „prose sermons" of Jeremiah, in: FS G. Fohrer: Prophecy, BZAW 150/1980, 143-50. 310
J " Vgl. H.Schulz: Das Todesrecht, BZAW 150/1969 124 A. 131. Inf.abs. 3'»'n kommt danach „vorwiegend in dtr. Texten vor", was den Imp. noch nicht erklärt, den H. Graf Reventlow (Gattung und Uberlieferung in der „Tempelrede Jeremias" Jer 7 und 26, ZAW 81/1969, 342) zu Recht als „einprägsame Form" bezeichnet. 312 Die Prosareden op.cit. 145 f. 313 Gegen Thiel op.cit. 108, der die Sprache und den Inhalt dieses Verses als dtr. empfindet. Sachlich kann kein Einwand gegen die Echtheit bestehen, wenn man mit einer Umkehrverkündigung Jeremias rechnet, wie scheinbar auch Thiel, 89.
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det 314 . Der kultische, hier der antikultische Sprachgebrauch dieses Verbs „steht weithin im Vordergrund" 315 ; die Mahnung zu Nicht-Vertrauen ist aber vor allem in weisheitlich geprägten Texten belegt: Ps 62,11; 146,3; Mi 7,5; Jer 9,3 (dort in zwischenmenschlichen Bezügen). Wäre auch hier ein weisheitlicher Hintergrund für die Wortwahl denkbar? Die Ausdrucksweise dürfte jedenfalls echt jeremianisch sein316. Mit dem Einsatz von QK~'3 beginnt V. 5 eine breitere Auslegung des Inhalts des W . 3-4. Es ist schwierig, das Ganze der Rede auf Jeremia zurückzuführen. Man bekommt den Eindruck, daß die Redaktion eine Anzahl kürzerer Mahnungen und anderer Sprüche Jeremias zusammengefügt haben könnte. Jer
7,21b
Die ironische Mahnung 1D0 ist nur hier und Jes 29,1 belegt. Dtr. ist sie gewiß nicht, könnte aber gut jeremianisch sein317. Die ironische Aufforderung ist eigenartig 318 , hat allerdings ein inhaltliches und z.T. wörtliches Vorbild in Hos 8,13319. Im positiv mahnenden Sinn wird „esset!" Jer 29,5.28; Jes 55,1.2 gebraucht. Die sich anschließende Paränese V. 22 f. zeigt dagegen eine Diktion, die gut dtr. scheint. Jer
9,22f.
Volz schreibt freilich Jer 9,22 f. die Echtheit ab 320 . Ihm folgt E. Kutsch 321 . Bright führt den Spruch unter „Miscellaneous Sayings" an, erwähnt nur kurz die Möglichkeit der Unechtheit; begründet sie aber nicht 322 . Cornill, Weiser und Rudolph bringen in ihren Kommentaren
314 Ygi B.Beck: Kontextanalysen, 71: „daß gerade das Verb n ü l an einen bestimmten Kontext gebunden erscheint. Es wird vor allem in der prophetischen Literatur (44x) und in der Lied- und Weisheitsdichtung (55x) gebraucht, während im Pentateuch nur eine Belegstelle auftritt." Trotzdem sieht Beck (ibid. 78 f.) die Warnung Jer 7,4 als dtr. an, und zwar wegen des „Aspekts der Entscheidung". E. Gerstenberger: naa, T H A T I 300-05.302. " M.Rose: Der Ausschließlichkeitsanspruch Jahwes (BWANT 106), Stuttgart 1975, 223 bemerkt, daß die „Zusammenstellung von ilS^ m i t sich nur bei Jeremia findet (7,8; 13,25; 28,15; 29,31), sonst nirgends im AT". 317 Sachliche Parallele Am 4,4f., vgl. auch Jes 1,13. 318 Volz liest ganz unnötig und willkürlich statt "li??: D'"133 "li?3 (Komm. 101). 319 Thiel op.cit. 122. 320 Komm. 119. 321 Weisheitsspruch und Prophetenwort, BZ 25/1981, 161-79. 322 Komm. 75. 315 J
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keinen Einwand gegen jeremianische Verfasserschaft vor 323 . W. Brueggemann hat die auffallende weisheitliche Struktur des Mahnspruchs gut dargestellt: „a didactic Statement, consisting in two parts, first three negative Admonitions, then a concontrasting positive with three members together with a motivational clause"324. Es treten drei Vetitive und ein Imperfekt-Jussiv desselben Verbs ^Vn Hitp. auf, gefolgt von zwei begründenden ki- Sätzen 325 . Etwa verwandte Sprüche finden sich in Pr20,14; 23,17 f.; 25,14; 27,1 Der Spruch will zum rechten „Jahwe-Erkennen" (JH')326 aufrufen (23, vgl. 31,34). Zu V.23b vgl. Jes 1,11; Hos 6,6; Jer 4,2. Jer
13,15-17
Uber die jeremianische Herkunft und über die Abgrenzung der vorliegenden Einheit lassen die Kommentatoren keinen Zweifel aufkommen. Es handelt sich um ein kurzes Stück am Anfang einer Reihe selbständiger „short pieces"327. i r t x n i lyai? ist ein ziemlich geläufiger Aufmerksamkeitsruf Joel 1,2 (in geringfügiger Variation Jes 1,2.10; Ri 5,3; Ps 49,2 usw.). In Verbindung mit dem folgenden inhaltsschweren Vetitiv bekommt dieser Ruf zur Aufmerksamkeit zugleich mahnende und warnende Funktion 328 . Die Mahnung spricht die conditio sine qua non für die Existenz Israels aus. n i j Qal kommt im Vetitiv nur hier vor. In der übergetragenen Bedeutung „hochmütig sein" ist es besonders in der Weisheitsliteratur zu Hause (Pr 16,18; 18,12; Qoh 7,8), von da aus auch als Thema bei z.B. Jesaja (3,16, vgl. 2,11.17) und Ezechiel 329 . Die vorliegende Warnung hat somit ein unverkennbar weisheitliches Gepräge 330 . Die von den Kommentaren genannte „allgemeine" Art des Mahnspruches gehört
321 Auch nicht M.Gilbert: Jeremie en conflict avec les Sages?, in: Bogaert (BETL 54) op.cit. 115. 324 The Epistemological Crisis of Israel's Two Histories, in: FS S.Terrien: Israelite Wisdom, New York 1978, 85-105, 91. Vgl. Weiser: Komm, ad loc.83. 325 Mit E. Kutsch ist wohl die „Erkenntnisformel" („daß ich Jahwe bin") als sekundär anzusehen. 326 Nicht nur JH', sondern auch die anderen Stichwörter ipn, ¡äS1j?0 und njJIS führen ins spezifische Anliegen der prophetischen Mahnung ein. 227 J.Bright: Komm.95 vgl. W.Thiel: Die deuteronomistische Redaktion, 288. 528 Gegen Warmuth, der V. 15 als einen „dreifachen Ruf zur Aufmerksamkeit" (op. cit. 115) bezeichnet. 329 Weiteres bei H.-P.Stähli: H3J, T H A T I 394-97. 330 Vgl. auch die Warnung 1 Sam 2,3a.
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D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
ebenfalls zum weisheitlichen Gepräge 331 , was auch anderswo bei Jeremia (6,8; 9,22-24) belegt ist. V. 15 b enthält einen begründenden ki- Satz in der Gestalt einer prophetischen Auftragsformel: "137 Hirt' Diese Formel wird vornehmlich in den prophetischen Schriften verwendet: Jes 1,2; 22,25; 25,8 (etwas ausgeweitet 21,17; 24,3); Joel 4,8; Ob 18, außerdem 1 Kön 14,11 (im Munde des Propheten Ahia, also wahrscheinlich dtr. Nachbildung prophetischer Rede 332 ) und Nu 10,29 (mit dem Objekt 3123). Das letzte mahnende Verb steht wie die beiden ersten im Imp. 2. m. pl. Die Aufforderung hat wahrscheinlich liturgisch-hymnischen Hintergrund, vgl. die nächstliegenden Parallelen Ps 115,1 (|J1 ^Öf^ 7133); 29,1.2; 96,7.8 (7113 flirrt 13H) und Jos 7,19 (mn'b 7133 Ki" I S ' » 3 3 3 . Die Aufforderung, Jahwe die Ehre zu geben, ist die positive Entsprechung zum Vetitiv V. 15 a. Es heißt also sachlich „sich demütigen". Diese Forderung wird nun 16aß-b mit drohenden DHiaa-Sätzen motiviert (wie Zeph 2,2). Hinzu kommt nun eine persönliche, dem Propheten Jeremia eigentümliche Motivierung V. 17, die die am Anfang einsetzende Qina 334 auslegt (vgl. 9,9) 335 . Jer
15,19-21
Diese Antwort Jahwes auf die „Konfessionen" Jeremias stellt die Umkehr des Propheten als Bedingung für die Fortsetzung seines Amts dar. E. Gerstenberger sieht V. 19-21 als „a late mixture" von Formelelementen 336 . V. 19 a ist demnach eine „reflection of Jer 4,1-2" 337 . Nach W. Thiel 338 ist V. 20 ein der Redaktion vorgegebener Spruch. J. Vermeylen 339 behauptet, V. 19 gehöre zu einer ersten nachexilischen Redaktion und V.20f. seien Zusatz einer zweiten nachexilischen Redaktion, die dafür Jer 1,18 f. benutzt habe.
331
Vgl. Volz ad loC. 153, Weiser ad loc. 114. Vgl. W.Dietrich: Prophetie und Geschichte (FRLANT 108), Göttingen 1972, 80. 333 Warmuth op.cit.225 A.75 hat darin recht, daß Mal 2,2 eine deutliche Parallele darstellt. Sie ist aber nicht die einzige. 334 Giesebrecht, Komm. 81. 335 Cornill, Komm. 175 f. hält mit Duhm Jer 13,17 für „verstümmelt". Warmuth op. cit. 116 f. setzt sich auch für die sekundäre Herkunft des Verses ein. Notwendiger Bestandteil der Mahnung ist er sicherlich nicht. 336 Jeremiah's Complaints, JBL 82/1963, 393-408.399. 337 Ibid. 397. 338 Op.cit. 77. Ahnlich beurteilt F.Ahuis: Der klagende Gerichtsprophet, Stuttgart 1982, 90 ff. (V.19a.20b-21 sekundär). 339 Essai de Redactionsgeschichte des „Confessions" de Jérémie, in: Bogaert (BETL 54), 239-70.266. 332
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F. D. Hubmann 340 und N.Ittmann 3 4 1 setzen sich neuerdings für die grundsätzliche Echtheit von V. 19 f. ein. Die Möglichkeit, daß die Einheit V. 19-21 durch Zusammenfügung verschiedener ursprünglich selbständiger Sprüche Jeremias entstanden sei, ist damit nicht völlig ausgeschlossen worden. Es empfiehlt sich deshalb, V. 19 zunächst für sich zu analysieren. Der ersten Konditionalsatz l l t f f l DK begegnet auch in 4, l 342 . Die Apodosis stellt den erneuten Dienst in Aussicht (vgl. 15, l). 343 . Der zweite Konditionalsatz hat die Thematik des rechten Redens und dürfte weisheitlich beeinflußt sein344. Die Apodosis verspricht die Erneuerung des prophetischen Wortamtes (vgl. 1,9). Die Verknüpfung von Bußmotiv mit Beauftragung liegt auch bei der Berufung Jesajas vor (Jes6,5ff.). Eine Erneuerung der prophetischen Berufung scheint auch bei Ezechiel geschehen zu sein (Ez 33)345. Anweisungen für den Dienst (Jer 15,19b) und die Zusage des göttlichen Beistandes (V. 20 f.) sind in diesem Zusammenhang zu erwarten. Daß dem Beauftragten ein motivierendes Heilsorakel zuteil wird, ist wiederum nicht außergewöhnlich (1,8, vgl. Ri 6,11 ff.) 346 . Es ist also durchaus möglich, Jer 15,19 f. (und 21) als geschlossene Redeeinheit zu betrachten, zumal sie der vorhergehenden Klage des Propheten am besten entspricht 347 . V. 19-21 sind in dieser Sicht eine originale Kombination von Mahnung zur Umkehr und Beauftragung zum prophetischen Dienst mit Heilsorakel. V. 19 a enthält folglich eine Mahnung zur Umkehr, die an eine einzelne Person gerichtet ist. Gewöhnlich wird aber in den Mahnungen das Volk oder eine größere Gruppe angeredet. Daß hier nicht das Kollektiv, sondern ein Einzelner ermahnt wird, findet wahrscheinlich seine Erklärung darin, daß Prophet wie König „kollektive" Personen sind, die das Volk auf verschiedene Weise repräsentieren. Für den Pro340
Untersuchungen zu den Konfessionen (FzB 30), Würzburg 1978, 284ff. Die Konfessionen Jeremias (WMANT 54), Neukirchen-Vluyn 1981, 177 ff. 342 S. auch Jos 23,12; 1 Kön 9,6; 2Chr 7,19; 30,9; Job 22,23. 343 Zum Wortspiel vgl. Ittmann op. cit. 151. 344 Vgl. die Distribution von und Vgl. auch RS' Hif. in Job 8,10; 15,13; Prov 10,18; Qoh 5,1. S. weiter Ogushi op.cit.105f. 345 Vgl. W.Zimmerli: Ezechiel (BKAT 13/2), 797 f. 344 In Jer 15,19-21 fehlt jedoch das KTrr1?*?. Vgl. unsere Ausführungen zu Jes 7,4. Ittmann op. cit. 177 nennt trotzdem das Stück eine Nachbildung „der priesterlichen Gattung des Heilsorakels". Das übergeordnete Element scheint aber die erneute Berufung zu sein, die durch Mahnung Heilsverheißung motiviert wird. So ist das Ganze eher als „Berufitngsorakel" zu bezeichnen, vgl. K. Baltzer: Die Biographie der Propheten, NeukirchenVluyn 1975, 115.117.126. 347 Cf. H.-W.Jüngling: Ich mache dich zu einer ehernen Mauer, Biblica 54/1973, 1-24, bes. 19. S. auch Ittmann op. cit. 73. 341
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pheten Jeremía gilt dasselbe, was er dem Volk verkündet (4,1), wie H . Graf Reventlow 348 betont hat. Ahnlich lassen sich aus Jes 7,4-9; Jer 21,12; 22,3 (Ez 45,9); Sach 3,7 erklären 349 . Für König und Priester gilt dieselbe Forderung wie für das Volk, das sie gleichsam „verkör« pern . Jer 21,12 aß
Diese zweiteilige Mahnung mit zwei Imperativen 2.m.pl. wird gewöhnlich Jeremia zugeschrieben 350 . Giesebrecht 351 und Duhm 352 bemerken die ungewöhnliche Konstruktion im ersten Teil. 2ä91j?!3 ist nur hier im Alten Testament Objekt des Verbs I'"?353. Der Imp. von j'T ist nur hier und in der weisheitlichen Mahnung Prov 31,9 belegt. Der Hif.Imp. von wird in Mahnungen selten, häufig aber bei Gebeten verwendet, dann oft mit Objektsuffix. Der Imp.2.m.pl. iV'SH ist nur bei Jeremia hier und im z.T. wörtlich identischen 22,3 belegt. Die Mahnung 2.m.sg. VXfl kommt in Prov 24,11 vor. Der pass.part. VlTJ ist nur viermal belegt (Jer 21,12; 22,3; Mal 1,13; Dt 28,31), vgl. auch die inhaltlich ähnlichen Mahnungen Prov 22,22 o»} VnrrV» Vetitiv) und Lev 19,13 0>íjri liV) Prohibitiv). Der Ausdruck ~ T S ist üblich bei Vxj Hif., mit dem part. verbunden kommt er nur hier vor. Die Wurzel gehört jedoch zu den allgemeinen prophetischen Vorwürfen (Hos 5,11; 12,8 usw.). Unsere Beobachtungen zum Wortgebrauch von Jer 21,12 dürften wohl die Wahrscheinlichkeit des jeremianischen Kerns dieser Stelle bestätigt haben. Die Ähnlichkeit weisheitlicher, gesetzlicher und prophetischer Aufforderungen ist dabei auch berücksichtigt worden. Wie A.Weiser zum parallelen 22,3 bemerkt 354 , ist es denkbar, daß Jeremia gewisse Sprüche wiederholt und auch auf die traditionelle Sprache zurückgegriffen hat 355 . Daß der Prophet diese Sprache nicht ganz 3411
Liturgie und prophetisches Ich bei Jeremia, Gütersloh 1963, 227. Dies erklärt auch das Schwanken zwischen sg. und pl. in Jes 7,4-9 und die Pluralform der übrigen Mahnungen. 350 So auch von Thiel op.cit.238. 551 Komm. 119. 252 Komm. 171. 353 Es ist öfter Objekt des nfcy 22,15; Mi 6,8; Jes 56,1 usw., des Vys Zef 2,3. 354 Komm. 183 f. 355 Dasselbe dürfte auch für 22,3 gelten. Ein Beispiel traditioneller Termini in Jer 22,3: Ex 22,20: (LXX, Sam.: Ulli) nj'lil k1? 1J] 349
Lev 19,33:
iíik
u'in 10
U
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stereotyp wiedergibt, zeigt das seltene Verb Ottn Qal, das nirgends in der Gesetzesliteratur des Alten Testaments vorkommt 3 5 6 und nur hier im Vetitiv. Das Nif. ist wieder nur bei Jeremia belegt (13,22). Der Vetitiv von ^DP Qal ist außer Jer 7,6; 22,3 nur Gen 37,22 belegt. Ein jeremianischer Kern dürfte also auch hier spürbar sein. Jer 27, 9 f f . und
29,8f.
Gewöhnlich spürt man Jeremia auch in diesen Warnungen und Mahnungen. Daß sie indessen redaktionell bearbeitet worden sind, wird jedoch deutlich. Weiser vermutet, daß 29,8 f. ursprünglich nach 29,15 gestanden habe 357 . Eine Analyse von Jer 27 gibt T. Seidl 358 , der darin zahlreiche Zusätze sieht. Trotzdem nimmt man einen jeremianischen Hintergrund an. Hier sollen sich nur einzelne Beobachtungen zum Wörtgebrauch und zur Struktur dieser Mahnungen anschließen. Jer 27,9-11 ist eine Mahnrede, die auf eine Warnung im Vetitiv m.pl. (9 a) aufgebaut ist. Ein Vokativ ist das nachdrückliche, vorangestellte DflXl. Der Vetitiv wird später wiederholt gebraucht (27,14.16.17; 29,8), ist also ein Klischee, aber fast nur bei Jeremia. Derselbe Vetitiv kommt in der dtr. Literatur außer der diplomatische Rede 2 K ö n 18,31 f. = Jes 36,16 nicht vor. Sonst bevorzugen Dt und die dtr. Literatur Konditionalsätze als Ausdruck desselben Sachverhalts, vgl. Dt 11,13.28; l S a m 12, 15359. DK von (Diyatjri gefolgt findet sich vor allem im dtr. Bereich, aber auch in einzelnen Jeremiasteilen, die u.a. deswegen als vielleicht dtr. angesehen werden (Jer 17,24.27; 22,5; 26,4) 360 . Die Warnung vor den falschen Propheten wird auffälligerweise nicht im Vetitiv, sondern im Prohibitiv wiedergegeben (9b). Darauf folgen eine Begründung (10 a m i t ' ? ) und eine Drohung im Finalsatz (10 b mit jyaV), abschließend eine Verheißung (11 mit bloßem 1 eingeleitet). Lev 25,14:
vnx ng
13in_VK
Lev 25,17:
^Jl'öX HS
UV1 K^l
Dt 23,17: Jer 22,3: 356
lüjl'n «V Uiir^k
DÍÍT1-|J1
Das Nomen Oían hat eine weitere Verbreitung, vgl. Stoebe: 0»n, THAT I 583-87. Komm. 253. 358 St. Ottilien 1977, T.l, 19 ff. 61. 35 ' (xV) DR, vgl. auch Dt7,12; 8,20 u. Ps 95,7. 360 Die Form liyiSlfal findet sich vornehmlich in Dt (1,17; 7,12; 8,20; 18,15). Außerdem nur Jer 17,24 und in der identischen Konstruktion mit DK rpill und Inf. abs. Zach 6, 15. 357
100
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Der Ausdruck "IIOX K'IH ist nur bei Jeremía (V. 11.12) und Neh (3,5) belegt. Derselbe Ausdruck mit dem Verb JJ13 findet sich ebenfalls nur bei Jeremia (27,8, vgl. Mi 2,3). Die Aufforderungen in V. 12 b führen die Polemik gegen die Verkündigung der falschen Propheten weiter. Zwei synonyme Imperative m.pl. werden vom bekannten kurzen, finalen l'tll motiviert 361 . V. 13 formuliert dazu eine ausführliche Drohung, die wie Ez 18,31; 33,11 (vgl. Qoh 7,17) mit lillöri H»^ beginnt. V. 14-18 wirken wie eine Kombination der beiden vorhergehenden Mahnreden und bringen wenig Neues. 29,8 f. enthält ebenfalls eine Warnung vor den falschen Propheten. Hier kommt der Vetitiv doppelt vor. Vom Verb RP3 Hif. „betrügen" gibt es nur wenige Belege, und zwar den größeren Anteil davon bei Jeremia (viermal kommt es bei ihm, siebenmal anderswo vor) 362 . Es steht hier in 3.p.m. Jer
29,5-7
Dieser Abschnitt wird allgemein als echt anerkannt 363 . Er besteht aus einer Kette von mahnenden Verbformen, worauf abschließend eine mit eingeleitete Verheißung folgt (7 b). V. 5-6 gliedern sich in fünf Teile, die im Verhältnis Aktion-Aktionsfolge einander zugeordnet sind: Bauet, so daß/damit ihr wohnen könnt usw. Also stehen die Verben paarweise, nur einmal triadisch im vierten Teil, was sachlich begründet ist und dennoch das Aktion-Folge-Schema nicht aufbricht: V. 5 V. 6
n'Vin
-
iayipíí-^8
-
135 ly^J inj? uri + inj? un
Es gibt, wie man sieht, nur einen einzigen Vetitiv. Der schließt die Reihe von imperativischen Anweisungen zum Gedeihen in der Gola ab. Während V. 5 f. Anweisungen zum äußeren, praktisch-weltlichen Verhalten bietet, betreffen die Mahnungen V. 7 mehr das religiöse Leben der Judäer im fremden Land. Hier sind zwei Imperative parallel angeordnet: iVVsnni / / i s h l l . Di^® als Objekt zu »TT ist außerdem 361
Seidl, T. 2., 152-55. " Vetitiv davon Jes 36,14; 37,10; 2Kön 18,29; 19,10; 2Kön 32,15; Jer 37,9. 363 So auch von W. Thiel: Die deuteronomistische Redaktion von Jer 26-45 (WMANT 52), Neukirchen-Vluyn 1981, 11 f. 16. 3
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Dt 23,7; Jer38,4 und Esr 9,12 belegt 364 und dürfte eine ganz allgemeine Redewendung sein: „nach Gutem, nach Frieden trachten". Der letzte Imperativ dürfte dann spezifizieren, worin dieses Gutes-Suchen für die fremde Stadt bestehen sollte: in Fürbitte. Nur hier im Alten Testament wird der Imperativ pl. von ^ D Hitp. gebraucht, was für die Einzigartigkeit der Stelle symptomatisch ist. Dem Imp.sg. begegnet man, wenn Gottesmänner zur Fürbitte aufgefordert werden 365 , der Vetitiv ist im alten Testament nur in Gottes Befehlen an Jeremía belegt 366 . Ist Jer 29,5-7 als eine Mahnung zur Umkehr zu betrachten? Das entscheidende Stichwort „umkehren" fehlt, und die Mahnung kommt in ihrer Konkretheit und Situationsbezogenheit der Beratung oder Toraerteilung nahe. Aber die Mahnungen zur Umkehr bei den klassischen Propheten haben immer einen Bezug zur geschichtlichen Lage, auch wenn das nicht direkt ausgesprochen wird, und Umkehr manifestiert sich nach dem prophetischen Begriff immer im konkreten Verhalten und Handeln. Nach Jeremia muß sich dann unter den Exulanten im ruhigen Niederlassen auf Dauer und in der Fürbitte für das heidnische Heimatland die wahre Hinkehr zu Gott verwirklichen. Im Gegensatz zu den Hoffnungen und Vermutungen, die das Volk gern hegen wollte, eröffnet Jeremia den Exilierten eben diesen einzigartigen Weg zum gottgefälligen Leben. Kurze
Zusammenfassung
Die Struktur der Mahnrede Jeremias ist grundsätzlich dieselbe wie bei seinen Vorgängern. Überwiegend sind die Einheiten ziemlich klein und als Mahnworte zu bezeichnen. Einige davon sind mit anderen Gattungen verschmolzen und der Anklage untergeordnet worden (2,23.25; 6,16 f.). Einmal ist die Mahnung zur Umkehr als Konditionalsatz in ein Berufungsorakel eingeordnet (15,19 a). In anderen Fällen aber ist die ursprüngliche Selbständigkeit des Mahnworts als sicher anzunehmen (3,12.14; 4,14; 6,8). Wie in Hosea 14 ist in einem Fall mit einer „liturgischen" Ausweitung des Mahnworts zu rechnen (Jer 3,22-4,2). Die große mahnende „Prosarede" Jer 7 ist wahrscheinlich eine nachträgliche Komposition, die auf verschiedene echte Sprüche aufgebaut worden ist. 344 365 366
Als Obj. für das Synonym » p l Ez 7,25; Ps 34,15, Nu 21,7; lSam 12,19; 1 Kön 13,6; Jer 37,3; 42,2.20. ^Snil-^K Jer 7,16; 11,14; 14,11.
Ps 122,6.
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Zephanja 2,1-3 Zeph 2,1-3 wird im allgemeinen als echt anerkannt 367 . Dagegen gehen die Meinungen über Form und Inhalt von V. 1-2 auseinander, was vor allem in der unzureichend belegten Bedeutung des Verbs tftfp und in der wahrscheinlich fehlerhaften Überlieferung von V. 2 a begründet ist. G. Gerleman 368 sieht V. l - 2 a als Fragment eines Gerichtsworts an Israel an: „Kommt wie Strohhalme zusammen, ja, werdet wie Strohhalme ..." L. Sabottka teilt eine ähnliche Ansicht und nennt V. 1-2 „eine ironische Anwendung" prophetischer Mahnrede; „d.h.: in der Form einer Mahnrede wird eine Drohung ausgesprochen. Dies setzt voraus, daß die in V. 1 Angeredeten (1033 'ISH) verschieden sind von den ' l i y V s JHK11 , an die sich die Imperative in V. 3 richten." 369 Um diese Ansicht aufrechtzuhalten, nimmt Sabottka allerdings recht viele Revokalisierungen und freie etymologische Ableitungen vor, die sich aus dem Kontext nicht zwingend ergeben 370 . Er gibt auch selbst den hohen Grad der Unsicherheit seiner Vorschläge zu 371 . Es empfiehlt sich, im Einklang mit alten Übersetzungen und mit den meisten Auslegern, den Text als mahnend und warnend und nicht ausschließlich als drohend zu verstehen, weil in V. 1 der Vokativ und der Imperativ das Vorhergehende deutlich beenden und eine Parallele zu V. 3 bilden, und weil die offenbar drohenden DTJä3-Sätze eine Frist, eine Reuefrist vorauszusetzen scheinen. Daß trotzdem manche Unsicherheit beim Verständnis von V. 1-2 a bleibt, ist nicht zu leugnen. Man darf jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit damit rechnen, daß es sich um eine drohende und anklagende Warnung Israels vor dem Tag Jahwes handelt, wobei die Temporalsätze 367 G.Krinetzki: Zefanjastudien, 18.192.225.240 dürfte darin recht habe, daß 2ba sekundär als Variante zu 2 bß eingefügt ist, zumal er in einigen hebräischen Manuskripten fehlt. }6i Zephanja, Lund 1942, 23-26; G.W.Anderson: The Idea of the Remnant in the Book of Zephaniah, ASTI 11/1977-78, 11-14. 12 betrachtet V . l - 2 a als „fragment of an oracle about the Day of Yahweh". 369 Zephanja (BiOr 25), Roma 1972, 59 f. 370 Ibid. 60-65. 371 Ibid. 60. Eine umfassende Übersicht der Deutungen und Konjekturen zu dieser Stelle findet sich bei H.Irsigler: Gottesgericht und Jahwetag, St. Ottilien 1977, 59-66. Aus zeitlichen Gründen konnte Irsigler nicht die Erwägungen Krinetzkis op.cit. 88-90 mit einbeziehen. Sie ändern aber die Lage beim crux interpretum nicht wesentlich. Krinetzki übersetzt (op.cit. 18): „Bückt euch und krümmt den Rücken, ungebrochenes (d.h. undemütiges, vgl. V. 3) Volk, bevor ..
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V.2 die Drohungen enthalten, während der asyndetische Relativsatz zum Vokativ in 1 b die Anklage darstellt 372 . A. S.van der Woude 373 versteht V. 1 als Aufruf zum Zusammenkommen374 zu einer öffentlichen Bußfeier, wofür die Bußmahnung V. 3 bestimmt ist, vgl. Joel 2,12-17; Jon 3,6-9. In 1 a wird das „Volk" angeredet, in 3 a „alle ihr Demütigen des Landes" 375 . Die Mahnung geht - wie so oft - vom Allgemeinen zum Besonderen über. Das Volk bekommt wohl eine Mahnung, aber die H o f f nung des Propheten - 2,1-3 ist ja ganz und gar Prophetenrede - richtet sich insbesondere auf die Gottesfürchtigen, die ihre Frömmigkeit in die Praxis umsetzen (vgl. den Relativsatz 3aß)376. Wurde das Verb tftfp zweimal zur Mahnung gebraucht, wird hier der Imperativ itfjpj dreimal zur Steigerung verwendet. Das erste IWjpa hat Gott als Objekt, die beiden folgenden sittlich-religiösen Qualitäten. Das ist ein Wechsel der Objekte, der auch beim synonymen EHT in prophetischen Mahnungen möglich ist (Am 5,4.14; Jes 1,17; 55,6). Die die Mahnung begründende Verheißung 3 bß klingt mit seltsam bedingt wie bei Am 5,15 (vgl. Jon 1,6; Thr 3,29). Die Struktur der Mahnrede Zeph 2,1-3 steht im Einklang mit dem Muster, das auch bei anderen Propheten des Vorexils zu beobachten war.
Die Mahnreden Ezechiels Ezechiel setzt zunächst die harte Gerichtsverkündigung seiner prophetischen Vorgänger unvermindert fort (Kap. 4 ff.). Es wird aber auch an drei Stellen der Ruf zur Umkehr laut, und zwar zum ersten Mal möglicherweise vor der Katastrophe 377 5 8 7 v.Chr. (14,1-11). Darauf folgen die beiden einander ähnlichen Reden an die Exulanten 18,1-32 und 33,10-20, die aufgrund ihrer Thematik nur nach 587 zu datieren sind.
372 Krinetzki op.cit. 88 f. Vgl. auch die Übersetzung J.D.W. Watts in seinem Komm, ad loc. 163: „Gather together, you unruly nation, ..." 373 Habakuk-Zefanja, Nijkerk 1978, 105 f. 374 ppp = „sich versammeln" ibid. 147. 375 Zur Übersetzung von 'jy u. Ijy in Zef 2,3 s. M. Schwantes: Das Recht der Armen, Frankfurt a.M. 1977, 145-56, bes. 152-56. 376 Vgl. A. S.Kapelrud: The Message of the Prophet Zephaniah, Oslo 1975, 64-67. 377 Vgl. Zimmerli: Komm.I 308. Nach Zimmerli sind sämtliche Stellen authentisch.
104 Ez
Die Gattung der prophetischen M a h n r e d e
14,1-11
Der herkömmliche prophetische Ruf zur Umkehr (V. 6) steht im Mittelpunkt einer größeren Einheit (1-11). Die Einleitung bilden die Situationsangabe und die Redeeinführung (1-2). V. 3-5 enthält nicht nur eine Anklage, sondern auch eine Gerichtsverkündigung (4b-5). An sich wäre V. 3-5 als selbständiges Gerichtswort denkbar. Trotzdem ist die Problematik (prophetischer Auftrag, Götter, Unreinheit, Strafe) von 6-11 so eng mit der von 3-5 verknüpft, daß die Einheitlichkeit des ganzen Abschnitts anzunehmen ist378. V. 7-10 besteht aus zwei Gerichtsandrohungen, die sich auf zwei Fälle beziehen. V. 11 ist Heilsankündigung in der Form eines Finalsatzes (jyaV)j worin die Forderungen von V. 6 als erfüllt vorgestellt wird. Dadurch, daß die Gerichtsandrohungen als sakralrechtliche Kausuistik379 gestaltet sind, erhalten sie das Vorzeichen der Bedingtheit. Die Anleihe bei sakralrechtlichen Formen, die auch die beiden anderen Mahnreden Ezechiels prägen, macht den fast durchgängigen Gebrauch der 3.p. in bezug auf das angeklagte Volk verständlich 380 . Die Mahnung zur Umkehr, die Ez als vorgegebene klassisch-prophetische Gattung zur Verfügung stand, fordert aber gewöhnlich die direkte Anrede in der 2.p. Hier steht zunächst das herkömmlich prophetische 131® „kehret um!". Bei Ez ist die semantische Komponente der Bewegung beim bildlichen Gebrauch von 31® wesentlich, wie die verschiedenen typischen Ergänzungen mit zeigen, vgl. etwa 18,21.27.28; 33,11.12.14 (Abkehr von Sünde) und 18,24.26; 33,18 (Abkehr von Gerechtigkeit). In Ez 14,6 sowie 18,30 folgt auf den Imperativ nicht unmittelbar eine solche Ergänzung. Es steht zuerst „die rhetorische Verdoppelung" 381 13'tfn. Hif. ist dann (nicht kausativ) intransitiv und inhaltlich gleich Qal zu verstehen. J. Schoneveld 382 schlägt dagegen vor, 13'PH als Anfang eines Chiasmus zu sehen, dessen Objekt OS'JS)383 erst am Ende er378 Cf. W. Zimmerli: Die Eigenart der prophetischen Rede des Ez, jetzt in: Gottes Offenbarung (ThB 19), München 2 1963, 148-77 u. R.Mosis: Ez 14,1-11 - ein Ruf zur Umkehr, BZ 19/1975, 161-94. S. auch Zimmerli: Deutero-Ezechiel?, ZAW 84/1972, 512f. 379 Cf. den kennzeichnenden Ausdruck "HPK V i n t r i l ' a a V « WH (Lev 17,3(H); Ez 14,4), die Verwendung von ' 3 nach Angabe der Person (Ez 14,9) und die Strafformel (14,8 f.; vgl. Lev 20,6). S. weitere Nachweise bei Zimmerli: Die Eigenart, 154 ff. und Komm. I 302 ff. und bei B.Lang: Ezechiel, Darmstadt 1981, 97 ff. 380 Cf. Zimmerli: Die Eigenart art. cit. 156. 381 Zimmerli: Komm, ad loc. 301. 382 Ezekiel 14,1-8, OTS 15/1969, 193-204.202 f. 383 Die Kombination ist Ez eigen. Vgl. aber D'39 JJIJ/D'® und die akkadischen Ausdrücke pani nadanu (AHW II 702), panam sakanu (AHW III 1135), pani suhhuru (AHW II 819).
D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
105
scheint: „Return and turn away (your faces) from your idols, and from all your abominations turn away your faces." Weil in 18,30 H'BM absolut steht, ist diese Überlegung nur unter Vorbehalt anzunehmen. Das dreifache Vorkommen der Wurzel I I P im Imperativ wirkt eindringlich. V.6 ist deutlich in den Kontext durch pV (6) und das begründende (7) eingebettet. Die relative Kürze des Appells im Vergleich zu den ausführlichen motivierenden Teilen scheint hier wie in den beiden folgenden Mahnreden für Ez geradezu typisch. In der Mahnung zur Umkehr erreicht aber die Rede ihr Ziel und Zentrum, worauf die Motivation hinführt. Der Text ist „eingipflig: Ez 14,1-11 will nicht über Götzendiener das Gericht ansagen, sondern allein das ganze Haus Israels zur Umkehr aufrufen und antreiben" 384 . Es seien an dieser Stelle einige Bemerkungen zur Eigenart der Sprache Ezechiels an Hand von Ez 14 angefügt: V.3: Das bei Ez besonders häufige Wort D'^lV?385 steht nur hier als Objekt zu nVy Hif. ÜH7 Nif. ist im Alten Testament neunmal belegt386, davon sind sechs Belege bei Ez zu finden (14,3; 20,3.31; 36,37; sonst Jes 65,1; Gen 42,22; 1 Chr 26,31). ist ebenfalls eine bevorzugte 387 Bezeichnung für die Sünde des Volks bei Ez (14,3.4.7; 18,30; 7,19; 3,20; 44,12). Die Zusammenstellung + + ist nur in Lev 19,14 (H), Ez3,20 zu belegen. Hier steht jedoch der Ausdruck D'39 n?}, der wie andere betonte Wendungen bei Ez innerhalb derselben Einheit wiederholt wird (14,3.4.7; sonst nur Nu 19,4, Jer 17,16, Thr 2,19). V. 5: n t Nif. ist nur hier und in der sachlich verwandten Anklage gegen den Abfall des Volks Jes 1,4 (unsichere Leseart) belegt. V. 7: "IT3 Nif. „sich weihen" steht hier nicht mit V (Hos 9, 10)388, sondern mit HÖ8Ö wie *11T in V. 11 (beabsichtigtes Wortspiel?) zur Beschreibung des Götzendiensts. Sowohl Hosea als Ezechiel verwenden die kultische Vokabel polemisch. V. 11: nyjl Qal ist eine öfter vorkommende Vokabel für Abfall bei Ez 389 . Nur Ez verwendet davon Inf.cstr. (im Ausdruck fliyn? 44,10.15;
384
R. M o s i s art. cit. 163. Cf. T D O T 3 , 1 - 5 ( H . D . P r e u ß ) und M . H a r a n : T e m p l e s and T e m p l e Service in Ancient Israel, O x f o r d 1978, 1 0 4 - 1 0 6 . 386 Cf. T H A T I 460 (G. Gerleman). 385
387 388
Im Plural nur Jer 6,21 (Wortspiel mit ^ 3 ) , E z 21,20.
Cf. auch H i f . N u 6,2. Vgl. weiter J. Kühlewein: TT}, T H A T II 5 0 - 5 3 . Zur constructio praegnans s. Wolff: Hosea, 7. 38 ' 7x nach T H A T II 1055 (J. F. A. Sawyer).
106
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
48,11). Das Verb RÖ23 Hitp. kommt bezeichnenderweise außer Lev und Ez nur zweimal vor (Nu 6,7, Hos 9,4) 390 . Ez 18 G.Fohrer 391 unterscheidet zwei „Diskussionsworte" (V. 1-20.21-32) innerhalb Ez 18. Der erste Abschnitt beginnt mit einer Aussage des Volks (2), die nachher widerlegt wird 392 . Fohrer beobachtet aber, daß „der Einwand der Deportierten, mit dem Ez sich auseinandersetzen muß, inhaltlich dem in 2 zitierten gleich" ist393. Die Streitfrage ist, ob die Kinder für die von den Vätern begangenen Sünden haften müssen. Die Antwort Ezechiels erfolgt durch belehrende Exemplifizierungen. Die drei ersten Fälle (5-18) stellen Beispiele für das beständige Verhalten der Bundestreue (5-9.14-17) oder Bundesuntreue (10-13.18) in einem Dreigenerationenschema 394 dar. Die beiden letzten Beispiele, die im folgenden Abschnitt stehen, führen aber nur die Belehrung des vorhergehenden weiter, indem hier Fälle von veränderter Gottesbeziehung dargestellt werden 395 (21-33 . 27 f.: Wandel von Gottlosigkeit zu Gerechtigkeit, 24-26: Wandel von Gerechtigkeit zu Gottlosigkeit). V. 1-20 macht auf die Verantwortung aufmerksam, die jeder einzelne für sein eigenes Leben und dessen Ausgang trägt, während 21-32 die Möglichkeit der Änderung des Schicksals durch Umkehr und Abkehr beleuchtet, wobei der Umbruch von der Ungerechtigkeit zu der heilvollen Verzeihung Gottes den größeren Nachdruck bekommt, wie die abschließende Mahnung zu Umkehr (30-32) vollends deutlich zeigt. Weil der Gedankengang von Ez 18 ohne Unterbrechung fortschreitet und weil der verwandte Text 33,10-20 keine solche Zweiteilung zuläßt, empfiehlt es sich mit Zimmerli 396 18,1-32 als Einheit anzusehen, dessen „Skopos" der abschließende Ruf zur Umkehr bildet. Wie ist dann diese große Redeeinheit gattungsmäßig zu bestimmen? Weil die Rede als Ausgangspunkt ein Wort des Volks hat, auf das der
3.0
Insgesamt 15x nach T H A T I 665 (F.Maaß). Komm. 97 ff. 392 Zu Ez 18,2 vgl. E. Hammershaimb: De sure druer, D T T 43/1980, 225-34. 393 Komm. 102. 394 Vgl. weiter u.a. P.M.Joyce: Individual Responsibility in Ez 18?, JSOTS 11/1979, 185-96, A. Schenker: Saure Trauben ohne stumpfe Zähne, in: FS D. Barthélémy (OBO 38), Freiburg 1981, 449-70. 3,5 Erst hier fällt das Wort lit? und zwar häufig wiederholt. Zur Wendung 31t?} (18,23.24.26.27; 33,11.18.19; 3,20) vgl.Jes 30,15 naitin. 396 Komm. 396. 3.1
Die Gattung der prophetischen M a h n r e d e
107
Prophet entgegnet (V.2, s. auch Zitate V. 19.25.29) 3 9 7 , behauptet Zimmerli 398 : „Als Ganzes zeigt Ez 18 die Form des Disputationswortes." Diese Charakterisierung, die von den Zitierungen und Gegenfragen nahegelegt wird, befriedigt aber nicht vollständig, weil das Element der Diskussion oder Disputation nur ein Teil des komplexen Aufbaus ausmacht. H.Junker erkennt die Rolle der priesterlichen Toraformen innerhalb Ez 18 und schlägt vor, „das Ganze als eine belehrende Zurechtweisung ... anzusehen" 3 9 9 . Lescow bezeichnet den Text „insgesamt als priesterliche Tora" 4 0 0 . Zimmerli hat auch gründlich nachgewiesen, wieviel Ez 18 aus dem Bereich priesterlicher Sprache schöpft 4 0 1 . Wie in Kap. 14 (V.9) ist hier der sakralrechtliche Gebrauch von ' ? zu finden (18,5.18.21). Auch der dem Volkssprichwort entgegengehaltene Lehrsatz V. 4 klingt priesterlich 402 . Das Partizip Qal von Klan ist nur hier in femininum belegt (V. 5 u. 20). Die Ausdrucksweise PDJn und Partizip ist aber in priesterlichem Kontext bezeugt (Lev 7,18.25; 17,10; Nu 19,22) 4 0 3 . Die Beschreibung des Gerechten und Ungerechten erinnert sprachlich sowohl an die Tempeleinlaßliturgien der Psalmen (15.24) als an die Gesetze des Bundesbuchs und des Heiligkeitsgesetzes 404 . Z. B. wird Vl^ (m.) als Objekt zu außer E z 3 , 2 0 ; 18,24.26; 3 3 , 1 3 . 1 5 . 1 8 nur Lev 19,15.35 (JäDtföa'^y Wyri tft), Dt 25,16 (Vi? nfcy -Vb) verwendet. Der Ausdruck und "^¡1 kommt überwiegend in Lev (26,3.15) und Ez (5,7; 11,20; 18,9.17; 2 0 , 1 3 . 1 9 . 2 1 ) vor (sonst nur l K ö n 6 , 1 2 ) . Die deklaratorischen Formeln „Er ist gerecht/ungerecht" tragen ebenfalls ein priesterliches Gepräge 4 0 5 . Ohne Zweifel greift Ez hier auf
3 . 7 Die Zitate dienen hier durchweg der Funktion der Anklage, vgl. die vorwurfsvollen Fragen V. 22.29b. 3 . 8 Komm. 396. 3 . 9 Ein Kernstück der Predigt Ezechiels, BZ 7/1963, 173-85.178. 4 0 0 Die dreistufige T o r a art.cit.368. 4 0 1 Vgl. auch Zimmerli: Leben und T o d im Buche Ez (1957), jetzt in: Gottes Offenbarung ( T h B 19), 178-91. 4 0 2 S.G.Liedke: Gestalt und Bezeichnung atl. Rechtssätze ( W M A N T 39), Neukirchen-Vluyn 1971, 152. 4 0 3 Vgl. auch Lev 18,29b (H): D»y 3 i p » iltfyn m&Djn VTDJ1 Inhaltlich gleich riKann US3H Ez 18,4 sind:
K»nn ' 3
PDJ Lev 4,2; 5,1
RBW1 Tin» » 3 1 OK Lev 4,27; 15,27 In Leviticus kommen die Wendungen ' 3 PS3 (2,1; 4,2; 5,15 etc.) und "IB8 ®D3 (7,20; 20,6; 22,6 etc.) abwechselnd vor, vgl. weiter Kornfeld: Studien zum H, 44 f. 4 0 4 Cf. Zimmerli: Komm. 440 f. und Reventlow: Wächter über Israel 108 ff. 4 0 5 Zimmerli: Komm. 398 f.
108
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Formen und Vorbilder der priesterlichen torot zurück, obwohl das bekannte Wort tora nicht genannt wird 406 . Mit J.B.Geyer 407 ist auch zu fragen, inwiefern die Sprache und die Formen der altorientalischen Bundesurkunden in Ez 18 vorhanden sind. Das hethitische Dokument, worauf sich der Vergleich Geyers bezieht, enthält u.a. eine anklagende Frage an den Vasallen, die Beziehung auf Vater und Sohn, gesetzliche Prinzipien und die Möglichkeit der Begnadigung. Daß Ez 18 Beziehungen zur Sprache der Bundesurkunden aufweisen sollte, ist kaum überraschend, weil das gesetzliche Material, das Ez benutzt, gewissermaßen als Bundesdokumente bezeichnet werden kann. Das Heiligkeitsgesetz, das in irgendeiner Vorform von Ez benutzt wird, ist eine Paränese zur Bewahrung des Bundes (Lev 26,15) 408 . Schon der Schwur Jahwes am Anfang (Ez 18,3) ist ein Hinweis auf die Begrifflichkeit des Bundes, indem Schwur und Eid Grundlage der Bundesverpflichtungen bilden 40 '. Der Inhalt des Schwurs V. 3 b läßt sich am besten als Verbot verstehen: „Keiner von euch soll mehr diesen Spruch in Israel sagen!"410 Danach (V.4) wird auf die Oberherrschaft und gesetzliche Ordnung Jahwes verwiesen, was auch mit dem üblichen Schema der Bundesurkunden vereinbar ist411. Somit läßt sich behaupten, daß priesterliche Tora- und Bundessprache Ez 18 prägen. Zuletzt seien einige Bemerkungen zur Struktur des abschließenden Umkehrrufs V. 30-32 angeführt. 406
Ez benutzt selbst das Wort (43,11 f.; 44,23 f.; 22,26 und dazu A. Renker: Die Tora bei Maleachi op.cit.41-48). 407 Ezekiel 18 and a Hittite Treaty of Mursiiis II, JSOT 12/1979, 31-46. 408 Vgl. auch Gen 17,9 (P): nawfl ' n H 3 J1R nJIRI Ex 19,5: 'iiH3 ri» o m a w i mrr jinn ak irmn ja i-iawn Dt 4,23: Vergleichbare Formeln sind im assyrischen Bereich zu finden, s. etwa D.J.Wiseman: The Vassal-Treaties of Esarhaddon, London 1958, 51 f. (Z.291 f.: a-de-e an-nu-te us-ra ma-a ina lib-bi a-de-e-ku-nu la ta-ha-te-e „Guard this treaty. D o not transgress your treaty.") vgl. ibid. 81. S. dazu weiter u.a. Reventlow: Das Heiligkeitsgesetz 30 et passim, K. Baltzer: The Covenant Formulary, Oxford 1971, 31 et passim, Weinfeld: Deuteronomy, 336, D.J. McCarthy: Treaty and Convenant (Anal. Bibl. 21A), Rome 1978, 270. 409 Cf. J. Scharbert: ilV», ThWAT I 279-85 und M.Weinfeld: J i m ibid. 781-808.784f. 410 Die Form ist unpersönlich (rP!V~0$t). 411 Der zukünftige Bund bei Ez enthält u.a. die Verwirklichung der Forderungen des „alten" Bundes (36,26; 37,21-27). Zum Gebrauch vom Wort „Bund" bei Ez cf. E. Kutsch: Verheißung und Gesetz (BZAW 131), Berlin 1973, 143 ff. M.Tsevat: The Neo-Assyrian and Neo-Babylonian Vassal Oaths and the Prophet Ezekiel, JBL 78/1959, 199-204.
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
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Das V. 30 knüpft an die abschließende Anklage Jahwes gegen das Volk an (29), die aus einem Zitat und einer vorwurfsvollen Gegenfrage besteht, und leitet zum endgültigen Fazit der prophetischen Entgegnung über. Zunächst folgt die Ankündigung des richterlichen Handelns Jahwes. Die Erklärung JäStfX 0311$ ist ein ezechielisches Klischee (11,10.11; 18,30; 33,20)412. Die Fortsetzung zeigt aber, daß der Richter nicht auf ein Strafgericht aus ist, sondern Begnadigung, Straferlaß und Wiederherstellung will. Es gibt aber nur einen Zugang zu dieser Möglichkeit: die Umkehr. Die Ez eigene Variante des Umkehrrufs la'tfni steht hier wie in 14,6. Der nebengeordnete Satz 30 bß kann 413 , braucht aber nicht als Bestimmung des Zwecks aufgefaßt werden. Er könnte als eine weitere Mahnung in Prohibitiv 3.p. verstanden werden, die die Umkehr als Abkehr von der Sünde näher erklären will: „Ihr sollt es nicht zu Anstoß und Verschuldung kommen lassen!" V. 31a enthält zwei Imp.pl. m. wie 30 b. Die erste Aufforderung (3lad) knüpft mit der wiederholten Wurzel ytfs 414 deutlich an 30 b a an. Das untergeordnete Element der Anklage gegen das Volk bricht im Relativsatz durch. Ez verwendet den Imp. I D ' ^ H zweimal in Warnungen vor der Sünde (18,31; 20,7). V.31aß ist eine ganz eigenartige Aufforderung, die die positive Richtung der Umkehr zeigen will, njj^ ist ein übliches Verb, aber seine Objekte überraschen: „ein neues Herz und einen neuen Geist", cf. 36,26. Damit wird das neue Leben im Einklang mit Gott beschrieben, wozu die Umkehr führt 415 . Die rhetorische Frage V. 31 b motiviert als (bedingte) Drohung die vorangehenden Mahnungen. Jetzt wird auf den Lehrsatz der Einleitung zurückverwiesen (4b). „Warum wollt ihr sterben, Haus Israels?" setzt die strafende Vergeltung Gottes als mögliche, nicht aber als notwendige Folge voraus. V. 32 a entfaltet in einem Begründungssatz ('?) den dahinterstehenden positiven Sinn der vorhergehenden Frage: Gott läßt lieber Gnade und Heil als Strafe walten. Vom „Wohlgefallen" Gottes (fbn$) 4 U war schon in dem zusammenfassenden V.23 die Rede. Die abschließende
412
Die vorangestellte Wendung l ' ? ^ ? » ' S Ez 18,30; 33,20. Zimmerli: Komm. 392 übersetzt mit einem Finalsatz. 414 Das Verb ytfs ist 4x bei Ez zu finden (2,3; 18,31; 20,38), das entsprechende N o men ist häufiger (14,11; 18,22.28.31; 21,29; 33,10.12; 37,23; 39,24). 415 Das Problem der Beziehung zwischen menschlicher und göttlicher Aktivität in der Erlösung drängt sich hier natürlich auf, vgl. auch Philipper 2,12 f. 416 So auch Ez 33,11. N u r in 18,23 wird das Verb durch seinen Inf.abs. verstärkt. 4,3
110
D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
kurze Mahnung 32 b ist wahrscheinlich eine Glosse, die die zur Umkehr mahnende Intention der ganzen Rede unterstreicht 417 . Wenn aber die Mahnung zur Umkehr „die Zielaussage des ganzen Kap."418 ist, muß die ganze Rede trotz der gattungsmäßigen Verschiedenartigkeit der einzelnen untergeordneten Bauelemente als Mahnrede oder Mahnung zur Umkehr bezeichnet werden. Die Mahnung zur Umkehr hat die übergeordnete Funktion. Somit ist Ez 18 als eine eigentümliche, außergewöhnlich lange und komplexe Mahnrede zu bezeichnen. Der zielgerichtete Abschluß V. 30-32 steht formgeschichtlich nicht weit entfernt von dem kurzen klassisch-prophetischen Umkehrruf wie etwa Am 5,4 f. 6. Sein umfangreicher Ausbau bei Ez durch Elemente der Disputation und Tora macht einen verblüffend originalen Eindruck. Ez 33,10-20 Die Schilderung des prophetischen Amtes Ez 33,1-9 bereitet thematisch die Mahnrede V. 10-20 vor. Der Prophet soll warnen 419 , d.h. zur Umkehr rufen. Die Ausführungen über die prophetische Aufgabe sind hier nicht wie in 14,1-11 mit der Mahnung zur Umkehr verwoben. Die Einheit V. 10-20 steht deutlich selbständig da. V. 10-20 ist fast eine verkürzte Ausgabe von Kap. 18. Die Rede beginnt (wie 18,2) mit einem Zitat, das widerlegt wird. Es ist sachlich wohl etwa dieselbe Anklage gegen Gott, die in 18,2 laut wird. Jetzt aber ergeht sie in der Sprache des klagenden Bußpsalms. Daruaf folgt die Antwort Jahwes mit einem Schwur (IIa, vgl. 18,3)420, dessen Inhalt nahezu eine Wiederholung von 18,23.32 a ist. Im Gegensatz zu Kap. 18 wird sofort das Ziel der Rede enthüllt. Sie zielt auf Umkehr (llaß), und im Gegesatz zu 14,1-11 und Kap. 18
417
Zimmerli: Komm.415. Ibid. 415, vgl. 414 u. 396. 419 "IDT Nif. u. Hif. ist dafür die bevorzugte Vokabel bei Ez. In den übrigen Büchern des AT kommt sie gar nicht oder ganz vereinzelt vor (u.a. Ex 18,20; 2Chr 19,10; Q o h 12,12: „Mein Sohn, laß dich warnen"). Vgl. weiter T D O T IV 41-46 (M.Görg). 420 Ein Eid der Bestätigung, cf. M.R.Lehmann: Biblical oaths, ZAW 81/1969, 74-92.88 f. Ein Beispiel aus dem Westsemitischen Bereich für den Eid der Bestätigung ist in der Loyalitätserklärung des Königs von Sichern an Pharao in El-Amarna-Brief Nr. 252 Z. 9-11 zu finden: „Die Stadt wurde durch Feindschaft eingenommen. Es ist wirklich wahr und ich habe in Wahrheit geschworen", s. dazu B. Halpern-J. Huehnergard: ElAmarna Letter 252, Or 51/1982, 227-30. Ein zweites Beispiel für dasselbe bietet ein diplomatisches Dokument aus Ugarit, das durchweg von Vertragsterminologie geprägt ist: „(Je jure) par le dieu-Orage et la déesse-Soleil que moi je ne suis pas en guerre avec le roi d'Assyrie, mon frère ... je suis en paix", cf. S. Lackenbacher: Nouveaux documents d'Ugarit, RA 76/1982, 147. 418
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
111
folgt sogleich der eindringliche Appell D'y^in D3,?"1,|I13 12117 131® ( l l b a ) . Zugleich erscheint die motivierende Frage, die eine bedingte Drohung einschließt (11 bß = 18,31b). Die stereotype Wendung 31Ä3 wechselt im folgenden einmal (wegen des Parallelismus) mit 31® DV3421. V. 12-20 ist die lehrhafte und disputierende Erörterung von 10-11. Die Rede als „Disputation" zu bezeichnen wäre auch hier nicht ganz passend, weil der Bußruf das Ziel der Rede anzeigt, dem sich alle Teile unterordnen. Wenn aber der Umkehrruf inhaltlich übergeordnet ist, paßt die Bezeichnung „Mahnrede" besser.
Die Mahnungen des Deuterojesaja Der zweite Jesaja wird allgemein als der große Heilsprophet erkannt 422 . Seine Heilsorakel sind entsprechend gründlich untersucht worden. Wenn aber einzelne Mahnungen zur Umkehr bei diesem Propheten vorkommen, hat ihre Einordnung in den Gesamtzusammenhang des deuterojesajanischen Korpus einigen Forschern Mühe bereitet 423 . Es besteht auch keine einhellige Meinung über die Entstehungsgeschichte des Materials 424 . Wir können hier nur vorsichtig vorgehen und einige kleinere Einheiten versuchsweise analysieren 425 . Jes 44,21 f .
Diese zwei Verse werden von den Kommentatoren als zusammengehörig betrachtet. Die Frage, ob sie Teil einer größeren Formeinheit seien, wird jedoch nicht ganz einstimmig beantwortet. In der Nachfolge Duhms 426 betrachtet C. Westermann 427 V. 21 f. als ein Fragment, das die Fortsetzung von V. 6-8 darstelle, indem V. 9-20
421
Vgl.Zimmerli Komm. 348 f. „... die Heilsworte ... stellen bei Deuterojesaja die häufigste Redegattung, und alle anderen Aussagen sind dieser zentralen Thematik zugeordnet" ( O . H . Steck: Deuterojesaja als theologischer Denker, KuD 15/1969, 280-93.283). 423 S.u.a. J.Goldingay: The Arrangement of Isaiah 41-45, V T 29/1979, 289-99, der Jes 44,21 f. (23) „form-critically difficult" nennt (276). 424 Vgl. R.F.Melugin: The Formation of Isaiah 40-55, BZAW 141/1976; R.P.Merendino: Der Erste und der Letzte, VTS 31/1981 und C.Stuhlmueller: Deutero-Isaiah: Major Transitions, CBQ 42/1980,1-29. 425 Zur formkritischen Analyse von Dtjes vgl. die Tabellen bei C. Stuhlmueller: Creative Redemption in Deutero-Isaiah (Anal Bibl 43), Rom 1970, 264-67. 426 Komm. 337. 427 Komm. 112-16. 422
112
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
ein sekundärer Einschub sei. Er muß aber, um diese Hypothese aufrechtzuhalten, die Imperative in 21 f. für eine sekundäre Hinzufügung halten, was formkritisch nicht ganz einleuchtend ist, wie K. Elliger428 gezeigt hat. V.21 f. sind „ein Stück für sich"429, d.h. sie haben eine formal in sich abgeschlossene Struktur, die das Stück als eigenständige Einheit erscheinen läßt. Wir werden sehen, daß 21 f. eine vom Mahnwort nicht abweichende Form aufweisen 430 . Ob V. 23 ursprünglich im Zusammenhang mit V. 21 f. stand oder nur redaktionell damit verbunden wurde, ist nicht leicht zu entscheiden. Für die erste Möglichkeit scheinen sich Haller, Greßmann, Bonnard und North 451 mit erheblichen Bedenken zu entschließen. In diesem Fall wäre V.23 eine hymnische Unterstreichung der Heilsverkündigung des Vorhergehenden. Die letztere Möglichkeit wählen u. a. Duhm, Hertzberg, Westermann, Melugin 432 und Elliger. Westermann 433 meint, daß „das Loblied 44,23 den Abschluß des ganzen vorhergehenden Teiles, der mit 42,14 begann, bildet" 434 . Elliger 435 unterstreicht zusätzlich, „daß V.23 seiner Gattung nach ein Stück für sich bildet", „ein in sich geschlossener Hymnus" ist. Es könnte deswegen ursprünglich als selbständiger Einzelspruch aufgetreten sein436. V.21 f. werden ihrer Form nach unschwer als „Mahnwort" von Begrich437 erkannt. Volz nennt V.21 f. „Lockruf" 438 , Melugin „exhortation" 439 . Nur durch umfangreiche Streichungen gelingt es Westermann, das Stück in eine größere „Gerichtsrede" einzuordnen 440 . Vergleichbare Mahnworte gibt es auch anderswo beim zweiten Jesaja, und es besteht daher kein Grund, dem Propheten diese Mahnung abzusprechen. Die das Stück eröffnende Verbform „gedenke ..." ist wohl nicht nur ein Aufmerksamkeitsruf, sondern auch ein eindringlicher Ruf zur Besinnung und zum Nachdenken. Das Verb "IDT ist nicht üblich in 428
Komm.442-45. Ibid. 443. 430 Vgl. zur Frage nach Gattung Merendino op. cit. 393 f. 431 Komm. 142. 432 Op. cit. 141, 122. 433 Komm. 116. 434 So auch W. A. M.Beuken: Jesaja IIa, Nijkerk 1979, 222. 435 Komm. 449 f. 436 Merendino op. cit. 394 vermutet, daß V. 23 „Abschlußtext einer ganzen Reihe von Einheiten" sei. 437 Studien zu Deuterojesaja (ThB 20), München 1969 (Neue Ausgabe von >1938), 58. Hier werden nur zwei Mahnworte gezählt (44,21 f.; 55,6f.). 438 Komm. 54. 43 ' Op. cit. 121. 440 Komm. 113 ff. 429
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
113
prophetischen Mahnungen, wohl aber in dtr. Paränese 441 . Bei Dtjes wird es im Imp. noch in 46,8.9 verwendet (113T). Das formale Objekt nVx „dies(e Dinge)" weist wahrscheinlich nicht aufs Vorhergehende, sondern nach vorwärts 442 in die Richtung des begründenden ki- Satzes (aß) hin. Dürfte auch V. 21bß mit der schwer zu erschließenden Verbalform 'JPlfl (MT) als Mahnung zu verstehen sein443? Es wäre dann das übliche statt tfV als Negation zu erwarten, obwohl zuweilen in Prohibitiv ausgedrückte Mahnungen bei den vor Dtjes lebenden Propheten vorkommen 444 . Eine Qal-Vokalisierung des Verbs würde wohl als eine feierliche Mahnung gelesen werden können: „Israel, du sollst mich nicht vergessen"445, vgl. die dtr. Predigt 2Kön 17,38: inSfil ... f i n ? n i . Sollte diese Lösung zutreffend sein, hätten V. 21 f. eine fast symmetrisch dreigliedrige Struktur: 21 a.ba: 21bß.22a: 22 b:
Mahnung mit Heilswort Mahnung mit Heilswort Mahnung mit Heilswort.
In 22 b „liegt offenbar der Schwerpunkt und kommt das Ganze zu seinem Ziel"446, indem hier auch das entscheidende Stichwort nai® fällt. Wie Elliger sagt, handelt es sich in Jes 44,21 f. „also um ein stark mit Motiven des Heilsorakels ausgebautes Mahnwort" 447 . Trotz des großen Gewichts, das Dtjes hier und im übrigen auf die Heilsverkündigung legt, ist seine Mahnung zur Umkehr unverkennbar und formal nicht grundverschieden von den Mahnungen seiner prophetischen Vorgänger, die er gewiß gut kennt, was die rückblickende Anspielung damit in 45,19 ('JltfjpS cf. Zeph 2,3) 448 beweist. Jes 45,22
Jes 45,22 ist auch ein deutlicher Ruf zur Umkehr, aber welchem textlichen Zusammenhang läßt er sich zuordnen? Westermann 449 sieht V. 441
Dt 5,15; 8,2.18; 9,7; 15,16; 12,24; 18,22. S. auch Nu 15, 39; Mi 6,5. Elliger: Komm. 445. Zu diesem Problem vgl. vor allem Elliger: Komm. 442, vgl. auch Beulten op.cit. 321A.63. 444 Am 5,5; Jes 1,13; Jer 25,6b. 445 Merendino op. cit. 390: „vergiß meiner nicht". 446 Elliger: Komm. 443. 447 Ibid. 443. 448 Zu Jes 45,19 s. M.Dijkstra: Zur Deutung von Jesaja 45,15ff. ZAW 89/1977, 215-22.221. 449 Komm. 141 f. vgl. auch Bonnard, 180 und Volz, 71 f. 442
443
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
20-25 als eine Einheit an - eine „Gerichtsrede" meint aber, daß von 45,18 an „größere Texteinheiten überwiegen, die nicht mehr eindeutig als einer bestimmten Form zugehörig bestimmt werden können, sondern meist Kompositionen sind, die Motive mehrerer Formen verbinden oder in denen kleine in sich geschlossene Einheiten aneinandergefügt sind"450. Nach solchen Betrachtungen dürfte Melugin 451 ebensogut darin Recht haben, daß V. 22-25 formal gesehen eine geschlossene Einheit ausmacht, die ursprünglich selbständig stand. Freilich ist die Thematik von V. 20 f. nahe mit der von V. 22-25 verwandt (Stichwortverbindungen, Anrede an die Völker, Selbstbezeugung des einen rettenden Gottes), aber 20 f. können als eigene Gattungseinheit gelten („trial Speech"), ebenso 22-25 („exhortation"). W.A. M.Beuken 452 betrachtet V. 18-25 als eine Einheit, die in der Selbstprädkation Gottes ihr Zentrum hat. Zum alttestamentlichen Gerichtsverfahren, dem die Propheten zahlreiche Redewendungen und Redeweisen entleihen, gehört nicht nur die Anklagerede, sondern auch der Schlichtungsvorschlag, der auf eine positive Lösung des bestehenden Konflikts zielt453. Anklage und Mahnungen, die „direkt auf die Schlichtung des Streites hinzielen" 454 , können deshalb in demselben Vorgang vorgebracht werden. Die Uberführung eben dieser Redeformen in den prophetischen Bereich hat man z. B. in Hos 2,4 f. beobachtet. Die Vereinigung von einerseits anklagender Argumentation und anderseits Mahnungen zur Versöhnung und rechter Verhaltensweise läßt sich natürlich auch bei Dtjes denken. Möglicherweise ist Jes 45,20-25 somit als eine Einheit zu verstehen. Die Mahnung zur Umkehr (22) steht demnach im Mittelpunkt des Ganzen, zwischen dem polemischen ersten Abschnitt (20 f.) und dem eschatoloisch-hymnischen Ausblick auf den universalen Sieg des einen rechtfertigenden Gottes (23-25) 455 . Die Mahnung (22 a) ergeht in einem einzigen Imperativ, US, der im religiösen Bereich kultische Bedeutung hat, vgl. Hos 3,1; Lev 19,4.31; Dt 3118.20 (vgl. auch Job 5,1; 36,21). Darauf folgt unmittelbar ein 450
Westermann: Komm. 139 f. Op.cit. 128 f. 452 Komm. 250 f. 453 Boecker: Redeformen, 117. 454 Ibid. 118. 455 Gegen Merendino op.cit.448ff. , der in 45,20-25 keine Gattungseinheit zu sehen vermag. Er hält V. 20a. 21 für eine „kleine Gerichtsrede gegen die Götter" und 22-24a für eine sekundäre Erweiterung, deren Verfasser am Heil aller Völker gelegen ist. Merendino bringt aber keine neuen Argumente sprachlicher und formgeschichtlicher Art vor, die die Uneinheitlichkeit oder Unechtheit des Textes erweisen können. 451
D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
115
verheißender, finaler Imperativ lyijhni 456 . Dasselbe Verb wird auch in anderen Konstruktionen in prophetischen Mahnungen verwendet Jes 30,15, Jer 4,14 (beide im Nif. wie hier). Der Vokativ „aller Welt Enden" schließt sich an. V.22b ist ein kurzer begründender ki- Satz, der durch seinen Inhalt die vorhergehenden und folgenden Aussagen über Gott zusammenfaßt. V.20-25 stellt somit ein kunstvolles Ganzes da, das sein Ziel und seine Mitte im Mahnwort V. 22 hat. Exkurs: Wie real ist die Anrede an die Völker bei Deuterojesaja? Melugin 457 bestreitet die Wirklichkeit des Adressaten in 45,22. Es handele sich bei dieser Anrede statt dessen um eine rhetorische Figur, „an imitation of an exhortation", d.h. „a literary divice which functions as a promise to Israel", vgl. die prophetischen Völkerorakel. Volz hat bekanntlich einen anderen Standpunkt vertreten. Dtjes habe „die Mission begründet". Wenn er sich in vielen Reden an die Völker wendet, „so wird das wohl nicht bloß dichterische und gedankliche Form sein, sondern teilweise buchstäblichen Sinn haben" 458 . Dabei werden wohl Vertreter der heidnischen Welt angesprochen, die schon Interesse für den Gottesdienst der Juden zeigten. Sichere Auskunft in dieser Frage geben die Texte nicht, die besondere Situation des Exils legt es nun aber nahe, einen größeren Kontakt als zuvor zwischen Israel und den Heiden zu vermuten, wie es Volz tut. A.Schoors 459 meint im Anschluß an P.A.H. de Boer und teilweise an D. Hollenberg, daß V. 22 keine Anrede an die Völker, sondern an die unter den Völkern lebenden Juden sei. Die Vorstellung einer universalen Umkehr ist sonst nicht bei Dtjes belegt. Dies wird mit dem Hinweis auf V. 25 begründet, wonach „die Rettung des ganzen Israel das Ziel der Perikope zu sein scheint". Diese Interpretation kommt allerdings nicht mit der nächstliegenden Bedeutung der Vokative in V. 20 und 22 zurecht. V. 25 dürfte außerdem nicht notwendigerweise das einzige Ziel der Perikope sein. Es fällt bei unserem Text schwer, die in den Mahnungen zur Umkehr einmaligen Anreden der ganzen Welt völlig abzuschwächen 460 .
456 Der Nif. kann auch tolerativ ausgelegt werden: „laßt euch retten". Dann hört er als Imp. zur Mahnung, impliziert aber zugleich eine Verheißung, vgl. North Komm. 161. 457 Op.cit. 128. 458 Volz Komm. XVIII. 459 Komm. 289 und I am God Your Saviour, VTS 24/1973, 233-36. 460 Beuken: Komm. 253 betont, daß der Bußruf nur für die Heiden gemeint ist, die „dem Gericht Gottes über Babylon entkommen sind".
116 Jes
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
46,8-13
Volz nennt 46,8-13 eine „Warnung an Abtrünnige" 461 . Westermanns Einteilung 462 46,5-8.9-13 scheint dennoch plausibler. Melugin 463 unterscheidet jedoch 46,1-4.5-11.12-13. Merendino nimmt 46,5-13 für sich und vermutet innerhalb dieser Einheit V.5.8 a.9-11 als deuterojesajanischen Grundbestand 464 . Die formale Gliederung des Ganzen bereitet also erhebliche Schwierigkeiten. Fest steht aber, daß es hier eine Reihe von Imperativen gibt, und man muß fragen, ob hier wirklich eine Warnung bzw. eine Mahnung vorliegt oder ob es sich nur um eine eindringliche, zum Teil vorwurfsvoll argumentierende Gerichtsrede handelt. Die Imperative in V. 8 dienen zur Unterstreichung der Anklage gegen die Götzenverehrer. Der Ausdruck nplSÖ pirn scheint nur hier vorzuliegen 465 . Auch aV a'tfn ist nur bei Dtjes zu finden 466 . VlpT V.9 (wie V. 8) und l^ptp gehören Wurzeln zu, die ein breites Bedeutungsfeld besitzen. Man kann aber hier einigermaßen sicher aus dem Kontext ableiten, daß die Imperative mehr als Aufmerksamkeitsrufe sind. Man hat durchaus den Eindruck, daß diese Verbformen darauf abzielen, eine grundsätzliche Änderung des Verhaltens der Angeklagten zu bewirken. Jes
48,17-19
Gegen die meisten Ausleger 467 nimmt Westermann 468 V. 17 nicht mit V. 18 f. zusammen. Der Neueinsatz mit der Botenformel V.17 und die Thematik des „Weges" ( = Israels Wandeln vor Gott), die inhaltlich eng mit V.18 verwandt ist, sprechen jedoch deutlich für die Verbindung von V.17 mit dem Folgenden. Die Selbstvorstellung Jahwes in V.17 paßt vorzüglich als Einleitung dazu. V. 18 a enthält nun eine sprachliche Mehrdeutigkeit. Die Wunschpartikel (N)^ 469 mit nachfolgendem Perfekt kann zwar oft die irreale, ge461
Komm. 78. Komm. 148 f. 463 Op.cit. 131-35. 464 Op.cit.495.470ff. 465 Vgl. aber Ps 22,2. 4 " Beuken Komm.263. Er verweist da auch u.a. auf A. van Selms Vorschlag, das dunkle Hapax lUtöRJin von aram. „Fundament" abzuleiten, was mit der Ableitung bei Schoors zu vergleichen ist (Merendino op.cit.471 A.133). KBL3 leitet es von t?'K „Mann" ab („sich ermannen"). 467 Duhm, Volz, Bonnard, North, McKenzie, Melugin, Beuken. 468 Komm. 105. 469 Zu ihrem Gebrauch vgl. C.F.Whitley: Some Remarks on /« and lo', ZAW 87/1975, 202-04. 462
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117
wünschte Vergangenheit ausdrücken („O hättest du doch gehört ..."), aber gelegentlich auch einen jetzigen Wunsch („O daß du hörest ..."), wie zweifellos in Jes 63,19. Die Mehrzahl der Ausleger entscheidet sich wegen des Imperf. cons. '71*1 V. 18 b und 19 a für die erste Möglichkeit 470 . Demnach wären V.17-19 ein rügender Geschichtsrückblick. Westermann 471 vertritt die andere Möglichkeit. Demnach wäre der Text eine Mahnung in der Form eines Wunsches. In dem möglicherweise kultprophetischen Spruch Ps 81,14 hat der lü- Satz eindeutig eine mahnende Funktion; Konstruktion und Satzfolge sind aber anders als hier 472 . Die Verwendung des Imperf. cons. ist hier jedenfalls ungewöhnlich473. Es ist somit ganz schwierig, entscheidende Argumente für die eine oder andere Lösung zu finden. Die Einleitung des Stücks, V.17, läßt vielleicht doch eine zukunftsbezogene Anweisung oder Ankündigung erwarten, eher als eine Aussage über die Vergangenheit. Dann wäre Westermanns Lösung schließlich am ehesten zuzustimmen, wonach V. 18 f. „ein Wunsch, der eine Mahnung zum Beachten der Gebote Gottes impliziert" 474 , sein dürfte. Die ausführliche Motivierung dieser in Wunschform ergehenden Mahnung (18 a) ist durchaus verheißend (17.18b. 19). Hif. „aufmerken" erhält in 18 a durch den anschließenden Satzteil 'iliXöV die sachliche Implikation „Gehorsam erweisen". Ansonsten ist das Verb eher typisch für Aufmerksamkeitsrufe als für Mahnungen zur Buße475. H.-C. Schmitt 476 nimmt an, daß Jes 48,17-19 eine redaktionelle Erweiterung ist477. Diese Behauptung hat er durch sprachliche Beobachtungen nicht zureichend gestützt.
470
So Duhm, König, Skinner, Volz, Bonnard, North, Orlinsky, Melugin. Und ihm folgend H.-C. Schmitt: Prophetie und Schultheologie im Deuterojesajabuch, ZAW 91/1979, 55. G.J. van Arragon meint auch, der Kontext fordere diese Lösung: Reminiscenties aan Deuteronomium in Jes 40-55 in: FS J. L. Koole 1978, 15 f. 472 Schon aus diesem Grund ist von einer Analogie zu Ps 81 (und anderen liturgieähnlichen Texten) nur unter großem Vorbehalt zu sprechen. Gegen Westermann kann eingewendet werden, daß, ehe ein Vergleich gezogen werden kann, aufgezeigt werden muß, daß es sich wirklich um analoge Verhältnisse handelt (grammatisch, liturgische Art usw.), cf. Westermann: Jes 48 und die „Bezeugung gegen Israel", in: FSVriezen, Wageningen 1966, 356-66.361 f. 473 „Modalis" bei L.Köhler: Deuterojesaja, BZAW 37/1923, 76, der dieselbe Interpretation wie Westermann vertritt. 474 Westermann Komm. 165. 475 S. doch Jer6,17. 476 Art. cit. 55 f. 477 So auch Merendino op.cit. 525 f. 537 f. S. dagegen Beuken: Komm. 292 f. 471
118
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Das Vorkommen von Hif. mit nachfolgendem HISÖ + V in sg. oder pl. ist nur hier im Alten Testament belegt 478 . Daß Dtjes eine Bußrede gehalten haben könne, belegt unbestreitbar 44,21 f. Jes
50,10
W.A. M. Beuken 479 hat diesen Text einer gründlichen Analyse unterzogen. Er betrachtet ihn als einen liturgischen Zusatz der Tradenten zum Ebed-Jahwe-Lied 50,4-9 480 . Nach dem Vorbild der Dank- und Vertrauenslieder soll hier eine belehrende Sentenz über Frommheit (und Gottlosigkeit V. 11) eingesetzt worden sein481, naa? und werden dabei als Jussive oder Injunktive 3.p. verstanden: „er vertraue ... und stütze sich"482. Der Text dürfte dann nicht zu den prophetischen Mahnungen zählen. Melugin 483 hält dagegen das Stück für authentisch. Somit wird diese Perikope nur unter Vorbehalt in unserer Untersuchung erwähnt. Jes
55,1-5
Gegen Begrich484, Melugin 485 , Schoors 486 und Westermann kann behauptet werden, daß auch Jes 55,1-5 ein Mahnwort ist. Es ist eine Mahnung zur Umkehr. Zwar fällt das Wort „Umkehr" hier nicht, aber die Sache ist da. Die strukturelle Verwandlung fällt bei der Imperativkette auf. rrn (V. 3) als Ziel des Mahnens findet sich nicht nur in der Weisheitsliteratur (Prov4,4; 7,2; 9,6), sondern auch in den prophetischen Mahnungen zur Umkehr Am 5,4.6.14; Jer27,12.17; Ez 18,23.32 (auch in dtr. Paränese Dt 4,1; 16,20; 30,16.19). Die Mahnung zum „Hören" mit der bildlichen Verheißung des guten „Essens" kommt schon in Jes 1,19 vor. 478
Diese Konstruktion mit anderen Verben: Ex 15,26; Ps 119,131; Neh 9,29. Jes 50,10-11: Eine kultische Paränese zur dritten Ebedprophetie, ZAW 85/1973, 168-82. 480 p v a n J e r Lugt: De strofische structuur van het derde Knechtslied, in: FS J. L. Koole: De Knecht, Kampen 1978, 102-17, versucht dagegen 50,4-11 als ein zusammenhängendes Ganzes zu betrachten. 4,1 Der Imp. sg. n»?: Ps 37,3.5; 115,9; Prov3,5; Imp.pl. injp?: Jes 26,4; Ps 4,6; 62,9; 115,10.11 (dies sind sämtliche Belege des Imp.Qal dieses Verbs, vgl. B.Beck: Kontextanalysen, 84-87). 482 Das Wortpaar findet sich auch in Jes 30,12; Job 24,23, vgl. auch Jes 31,1; 10,20). 4,3 Op.cit.72f. 152-55. 484 Studien zu Deuterojesaja, 58-61. 485 Melugin (op.cit. 25 f. behandelt Jes 55,1-5 unter der Überschrift „Other Forms of Salvation Speech". 486 v r s 24/1973, 146 f. 479
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Formgeschichtlich ist also Jes 55,1-5 zuerst ein Mahnwort, es enthält aber als Motivation eine ausführliche und für Dtjes typische Heilsverkündigung. V. 2 a ist wohl eine bildliche Anspielung auf die Lage der Heilsbedürftigen (vgl. den Vokativ in 1 aa), denen wegen Uneinsichtigkeit klagend-anklagend zugeredet wird 487 . Einige Beobachtungen zum Gebrauch der Verben V. 1-3 dürften angebracht sein. Auf das ausführliche Vokativglied 1 a folgen sechs Imperative 2. m. pl. (1 b: n a t f ID^I isi?), von denen der erste und letzte identisch sind. An die anklagende Frage 2 a schließen sich wieder Imperative an, diesmal zwei in 2.m.pl. (1^310 ... lyttip), von denen der zweite auf 1 b zurückgreift. Die nachfolgende Verbform 33571/11 (2bß) hat dasselbe Subjekt (D5$S3) wie der Jussiv 'HHI im parallelen 3 aß und muß somit als Jussiv in finaler Funktion begriffen werden. Das seltene Verb 13J? Hitp. wird mit Vorliebe im Jesajabuch verwendet 488 . Von den drei Imperativen 2.m.pl. in 3 a begegnet nur der erste in der Einheit bisher nicht (D?3!X ian). Es handelt sich hier um eine vor allem weisheitlich vorkommende Aufforderung 489 . Die beiden anderen sind Wiederholungen (lyö® ,13^). Der thematisch in sich geschlossene Verheißungssteil 3 b-5 wird mit der feierlichen Gelübdeform im Kohortativ sg. eingeleitet (nmDNl). Jes
55,6-7
W. Brueggemann behauptet, daß der ganze Text des Jes 55 eine Einheit sei, deren einzelne Abschnitte sich im liturgisch-gedanklichen Fortschritt aufeinander beziehen 490 . Dieses Urteil dürfte dem Endstadium des Textes gerecht werden, nicht aber der formgeschichtlichen Entwicklung. 55,1-5 ist in formaler Hinsicht ein vollständiges, in sich abgeschlossenes Beispiel prophetischer Mahnrede. Mit dem Neueinsatz von Imperativen V. 6 beginnt eine neue Mahnrede. Wie weit reicht diese neue Einheit? V. 8 f. und 10 f. dürften eher zu den Schlußworten des ganzen Prophetenbuches gehören als zum Mahnwort 6 f.491. In Anlehnung an Duhm 492 sieht Westermann 493 V. 7 als sekundären Anhang zu V. 6, weil er sich erstens nicht in die historische Lage der
487
Vgl. D.Baltzer: Ezechiel und Deuterojesaja, BZAW 121/1971, 148. 55,2; 57,4; 58,14; 66,11, sonst Hi 22,26; 27,10; Ps 37,11; D t 2 8 , 5 6 . Das verwandte J)y kommt nur im Jesajabuch vor: 13,22; 58,13. 489 Melugin op.cit. 26. 4,0 Isaiah 55 and Deuteronomic Theology, ZAW 80/1968, 191-203, s. 192.200. 491 Westermann: Komm. 230. Ähnlicherweise D. Baltzer, 120-22. 492 Komm. 416. 493 Komm. 231. 488
120
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Zuhörer Deuterojesajas einfügen lasse494 und weil zweitens die Theologie dieses Verses nicht von Deuterojesaja herrühren könne. Wenn man aber Jes 44,21 f. als echt deuterojesajanisch anerkennt, dürfte es nicht unmöglich sein, auch dieses Wort als echt anzunehmen. In sprachlicher Hinsicht ist dies durchaus möglich. V. 7 weist sprachliche Eigentümlichkeiten auf, die nicht auf einen stereotypen Glossator hindeuten: mit als Objekt ist sonst nicht im Alten Testament belegt495, die Verbindung lliT&'K ebenfalls nicht. H31 Hif. mit n^O Inf. ist auch sonst nirgends belegt 496 . Der Ausdruck hat wohl einen liturgischen Klang, vgl. Ps 78,38: 198 3'tfnV Hann, was der häufigen Anlehnung an die Psalmensprache bei Deuterojesaja entspricht. Formal ist die Mahnung V. 6 ganz konventionell und gleicht bekannten Beispielen bei Arnos und Hosea (Am 5,4; Hos 10,12). Es handelt sich um zwei Imperative 2.m.pl. (IfUnj? / / lüH?) mit synonymen, (bedingt) verheißenden Motivationen, die beide durch präpositionale Infinitivkonstruktionen ausgedrückt werden. V. 7 könnte für sich ein vollständiges Mahnwort sein. Doch wird hier 3.m. sg. Jussiv in den Verben gebraucht. Jussiv 3.p. tritt aber selten allein in Mahnworten auf, sondern in Parallelismus zu Imperativ und/ oder Vetitiv. In Form und Inhalt bietet sich V. 7 als eine Ergänzung zu V. 6 an. In den verschiedenen Nomina in 7 a kommt die schuldhafte Lage und die Heilsbedürftigkeit der Angesprochenen deutlich zum Ausdruck. Hier ist die Anklage als Motivation der Mahnung impliziert, vgl. 55,2. 3ty als Verb des Mahnens ist vor allem weisheitlich belegt: Ps 37,8 (Imp.); Prov 4,2; 27,10 (Imp.). Die verheißende Motivation kommt zweimal zur Sprache in 7 b, zuerst als finaler Jussiv (inönT")) 497 , danach im begründenden ki-Satz (bß) ; Eine „schultheologische Bearbeitung" oder eine redaktionelle Uberarbeitung der einzelnen Texte Jes 55,1-5.6-7, wie H.-C. Schmitt behauptet, ist nicht leicht zu finden. Eine geistige, wohl durch Traditionsströme entstandene Verwandschaft zwischen deuteronomisch-deuteronomistischer Theologie und unseren Texten ist gewiß vorhanden, läßt sich aber nicht als Ergebnis redaktioneller Gestaltung erklären. Dazu zeugt die sprachliche Form der Mahnungen zuviel von der Eigenart und Originalität des Deuterojesajas, wie wir oben zu zeigen versuchten. 4,4 495 4.6 4.7
Melugin (86 f. 172-74) erwägt kaum die Möglichkeit. Wohl aber mit dem verwandten rnk als Objekt in der Weisheit Prov 2,13; 10,17. Wohl aber + n^D Inf. D t 29,19, 2 K ö n 24,24. a m pi. sonst'bei Dtjes 49,10.13; 54,8.10 (60,10). Vgl. Bonnard 503.
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121
Es sei nur noch hinzugefügt, daß die Verwandtschaft zwischen Jer 29,12 f.498 und Jes 55,6 bei der Verwendung der Verben NXa keineswegs als Argument 4 " für eine literarische Verbindung gelten kann. Diese Verben haben einen kultischen Hintergrund, und ihre Verwendung ist sicher von traditionellen Formeln bestimmt. Eher ist der Behauptung von W. Brueggeman 500 zuzustimmen, daß Deuterojesaja selbst geistige Impulse von der dtr. Tradition empfangen hat, die sich auf seine Verkündigung ausgewirkt haben.
Die Mahnreden des Tritojesaja Die Verfasserfrage zu Jes 56-66 ist ungleich schwieriger als zu Jes 40-55. Vor allem der erste der hier zu behandelnden Texte ist umstritten, was Verfasserschaft und Herkunft betrifft. Im allgemeinen dürfen wir uns der Ansicht anschließen, wonach der Grundstock des Tritojesajabuches einer einzigen anonymen (früh-)nachexilischen Prophetengestalt zugehört. Jes
56,1-8
Die Fragen nach Herkunft und literarischer Einheit dieses Stückes werden ganz unterschiedlich beantwortet. Westermann 501 sieht den Text als späteren Zusatz an, der zusammen mit 66, 18-24 eine redaktionelle Klammer um das Ganze des Tritojesajabuches darstelle 502 . K. Elliger 503 erkennt den Zusatz in V. 3-8. Volz 504 hingegen betrachtet V. 3-8 als echt, V. 1 f. als ziemlich zweifelhaft. Nach ihm ist die Verbindung von V. 1 f. mit dem Folgenden „sehr locker". Muilenburg, Fohrer und McKenzie bewerten ohne größere Schwierigkeiten das Ganze als echt. Nach K. Pauritsch 505 hat ein Redaktor den Prolog 56,1-8 aus echten Prophetenworten komponiert, die er verschiedenen Zusammenhängen entnommen und miteinander verknüpft hat: V. l f . 3-7.8. E. Sehms4,8
Nach Thiel dtr. Schicht des Jer. " Schmitt art. cit. 59. 500 Art.cit.195. 501 Komm. 244. 502 H.A.Brongers glaubt, daß „die beiden Sabbat-Mahnungen 56,1-2 und 58,13-14 eine bewußte (redaktionelle) Rahmung des Teiles Kap. 56-58 darstellen" (Einige Bemerkungen zu Jes 58,13-14, ZAW 87/1975, 212-16.212). 503 K. Elliger: Die Einheit des Tritojesaja, Stuttgart 1928, 125 ohne nähere Begründung. Einige Gründe werden doch von Elliger: Der Prophet Tritojesaja, ZAW 49/1931, 112-41.140 vorgeführt. 504 Komm. 202 f. 505 Die neue Gemeinde (Anal Bib 47), Rom 1971, 31 ff. 42 f. 45. 4
122
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
dorf 506 sieht in diesem Text Spuren einer deuteronomistischen Redaktion. Vom Inhalt her dürfte nichts gegen die prophetische Herkunft der Rede sprechen. In V. 4 f. wird „die alte Bestimmung Dt 23,2 außer Kraft gesetzt; von jetzt ab wird dem Verschnittenen ausdrücklich und feierlich ein Platz in der Gemeinde Jahwes gewährt", kommentiert Westermann 507 . Eben diese Korrektur der israelitischen Tradition dürfte jedoch keinem Redaktor, sondern einer Person mit prophetischem Charisma und Vollmacht zuzuschreiben sein508. Die Botenformeln 1 aa, 4 a a und 8 a a sind dann nicht nur literarische Einkleidung. In V. 1 f. geht es um das Rechttun im allgemeinen und speziell um das Halten des Sabbats, in V. 3-7 um die Zulassung Fremder zur Gemeinde, wobei das Sabbatsgebot wiederum berührt wird (6 b). V. 7 ist Verheißung für die Proselyten, V. 8 Verheißung für Israel. Als Belehrung Israels über das bundesgemäße Verhalten und über die Zulassung der Fremden zur Gemeinde unter derselben Bedingung ist es möglich, das Ganze als Einheit zu verstehen. Läßt sich das Stück dann auch formgeschichtlich als Einheit fassen? V. 1 aß hat einen direkt mahnenden Charakter. Die Mahnung erfolgt im klassisch prophetischen Stil. Dies ist ein Beispiel dafür, daß bei Tritojesaja „die Verbindung mit dem vorexilischen Prophetenwort zwar nicht so augenfällig in den Vordergrund tritt, aber keineswegs fehlt" 509 : Zweimal kommt der Imperativ 2.m.pl. vor. Die Worte, die dabei verwendet werden, sind so geläufig, daß sie nicht als Indizien für eine bestimmte Traditionszugehörigkeit oder Redaktionstätigkeit 510 genommen werden können. Der Ausdruck npTX nü?y findet sich bei Tritojesaja auch 58,2. Es gibt in diesem Vers keinen Vokativ. Der Adressat ist aber wohl die jüdische Gemeinde in Jerusalem. Die heilsverheißende Motivation in Anlehnung an Worte des Deuterojesaja (46,13) folgt im ki-Satz 1 b. V. 1 ist somit ein für sich abgeschlossenes, allgemeines prophetisches Mahnwort, auf das aber V. 2 folgt, dessen Form nicht ohne weiteres als mahnend bezeichnet werden kann. Die Elemente J1NT und ¡12 verweisen auf das Vorhergehende zurück 511 .
506 507
Studien zur Redaktionsgeschichte von Jes 56-66, ZAW 84/1972, 519-62.542 ff. Komm.250. Zum besonderen inhaltlichen Charakter s. H.Donner VTS 36/1985,
81-95. 508 Vgl Pauritsch op.cit.253. 509 Zimmerli ThB 19,233. 510 Gegen E.Sehmsdorf ZAW 84/1972, 545. Vgl. dazu Odeberg: Tritojesaja, 3 (mit Parallelen aus u.a. Hos 12,7 u. Ez) und Elliger: Die Einheit des Tritojesaja, 42. 511 Elliger: Die Einheit des Tritojesaia, 7.
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
123
V. 2 hat die poetische Form einer Seligpreisung. Der '"llpX-Spruch kann aber nicht nur eine verheißende oder glückwünschende deklaratorische Funktion haben, sondern auch - eher indirekt - eine ermahnende Funktion, indem die Person oder Gruppe, über die der Spruch ergeht, sich durch exemplarisches Verhalten auszeichnet und somit vorbildlich ist512. Nicht alle „Makarismen" scheinen diesen impliziten Imperativ, diese implizite Forderung als Folge zu haben. Diese Funktion ist aber fast immer in weisheitlichen Texten zu spüren 513 , sie wird auch deutlich in weisheitlich geprägten Psalmentexten 514 , ist aber nicht die Regel515. In der prophetischen Literatur ist der Gebrauch des Makarismus sonst nicht mit Sicherheit zu belegen. Außer Jes56,2 gibt es nur noch Jes 3,10 (cj.); 30,18; 32,20. Alle Belege finden sich also im Jesajabuch, können aber kaum als echt protojesajanisch angenommen werden 516 . Der Makarismus ist wahrscheinlich eine spät entliehene Form in der prophetischen Rede. Daß der Makarismus gewöhnlich am Anfang eines Abschnittes steht 517 , ist kein Einwand gegen die Ursprünglichkeit dieses Spruches im jetzigen Kontext, weil er ab und zu auch an anderer Stelle vorkommt 518 . Die verallgemeinernden Bezeichnungen „Mensch", „Menschensohn" 2 a bereiten den universalen Ausblick im folgenden vor 51 '. In V. 2 kommt nun eine bestimmte Einzelmahnung zum Ausdruck: die Beobachtung des Sabbats. In der nachexilischen Zeit hatte das Sabbatgebot als Zeichen der Bundestreue eine hervorragende Bedeutung. Aus verschiedenen möglichen Einzelmahnungen hat dann der Prophet hier eine Mahnung zum Halten des Sabbats ausgewählt, weil sie für das rechte Gottesverhältnis im ganzen steht. „Hier bekommt die Mahnung ihre eigentliche Spitze", wie es Westermann sagt520. Die Mahnung zielt also im Grunde auf das wahre Gottesverhältnis ab und steht mit den 512 Cf. M.Saeboe, T H A T I 257-60. Es ist daher nicht ganz korrekt, daß „der allgemeine Ton der Mahnung verlassen wird", wie es Pauritsch op. cit. 32 bemerkt. 513 Vgl. C. Kayatz: Studien zu Proverbien 1-9 (WMANT 22), Neukirchen-Vluyn 1966,51: „Im allgemeinen besteht die Funktion der ,weltoffenen Gratulationsformel' in der Weisheitsliteratur darin, ein indirekter Aufruf zu sein, in dem das vorbildliche Verhalten ... gepriesen wird." 514 U.a. Ps 1,1; 112,1; 119,1 f. 515 Dt 33,29; Ps 33,12; 65,5. 5,6 Vgl. Odeberg: Tritoisaiah, 36. H.Wildberger: Jesaja BKAT X ad loc. 517 Elliger: Die Einheit des Tritojesaia, 7. 518 Ps 34,9; 146,5 u.a. Vgl. die Aufstellung von W.Käser: Beobachtungen zum alttestamentlichen Makarismus, ZAW 82/1970, 225 ff. 519 Vgl. Pauritsch op. cit. 34 f. und Bonnard op. cit. 344. 520 Komm. 247 f.
124
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Mahnungen zur Umkehr auf gleicher Ebene. Daß die „Haltung der Umkehr" schon bei den Angesprochenen vorliege, wie Pauritsch 521 meint, scheint nach den oben angeführten Überlegungen nicht zuzutreffen. Es wird dagegen zur „Haltung der Umkehr" aufgerufen. Mit V. 3 geht die Aufforderung zur Teilnahme am rechten Gottesverhältnis und Gottes Heil zu den „Außenseitern" der Gemeinde über. „In V. 3 leitet nun die Kopula 1 zu einer konkreten Situation über." 522 Zweimal wird der Jussiv 3.m. sg. in negierter Form verwendet "I13N'). Die dritte Person Jussiv ist formal keine unmittelbare Aufforderung an das Subjekt, sondern eine indirekte Mahnung, die die jüdische Gemeinde zu vermitteln hat: „Laß den Fremden nicht sagen ...!" Es kann sein, daß diese Auslegung zu streng auf die grammatische Form aufbaut. In 55,7 scheinen die 3.p. Jussive eher eine weitere Auslegung oder Anwendung dessen zu sein, was in den vorhergehenden Imperativen (55,6) thematisiert worden ist. Da allgemein damit gerechnet wird, daß die Form der priesterlichen Tora die Gestaltung von Jes 56,1-8 beeinflußt hat, ist die Verwendung des Jussivs nach diesem Vorbild zu erwarten 523 . In V. 3 wird dann den „Außenseitern", die guten Willens sind, verboten, sich auszuschließen. V. 4-7 enthalten bedingte Verheißungen für die Betreffenden (zwei Abschnitte: 4-5.6-7). Bedingungen, die als implizite Mahnungen fungieren, werden mit zwei ' ^ K - S ä t z e n (V. 4), drei Infinitivkonstruktionen 524 und zwei Partizipialkonstruktionen (V. 6) ausgedrückt. Das Ganze wird mit einer Verheißung für Israel (V. 8) abgerundet, die für die noch in der Diaspora lebenden Juden gleichsam die Folgerung aus V. 1 b zieht. Formkritisch betrachtet ist somit nichts gegen die Einheit von Jes 56,1-8 einzuwenden. Es ist eine aus herkömmlichen Formen aufgebaute Mahnrede, die vom Gefüge her etwas ausgedehnter und lockerer 521
Op.cit.41.49. Pauritsch, 35. 525 Cf. Begrich: Gesammelte Studien (ThB 21), 245 (mit Hinweis auf Am 5,24) und ders.: Studien zu Deuterojesaja (ThB 20), 58 (mit Hinweis auf Jes 55,7). Vgl. weiter Pauritsch op.cit. 43-47 und T.Lescow: Die dreistufige Tora, ZAW 82/1970,379. 524 K. Baltzer: The Covenant Formulary, Oxford 1971, 35-38.53 beschreibt die Funktion der Infinitive in dtr. Bundesformularen. Der Ausdruck naHK1? kommt sonst nur in dtr. Literatur vor (Dt 10,12.15; 11,13.22; Dt 19,9; 30,6!l6.20; Jos22,5; 23,11; 2Sam 19,7; l K ö n 11,2), was auf einen gewissen dtr. Einfluß hindeutet, nicht aber notwendig auf dtr. Redaktion oder Verfasserschaft. Ein solcher Einfluß dürfte für die nachexilische Zeit nicht verwundern. Zur Form vgl. auch Mi 6,8 (Infinitive). Zum Infinitiv im imperativischen Sinn s. auch Arad-Brief Nr. 1 Z.2 (Aharoni: Arad Inscriptions, 12). 522
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als die prophetische Mahnrede im Vorexil wirkt. Es ist jedoch nicht ganz auszuschließen, daß sie aus verschiedenen, ursprünglich kleineren Einheiten der Verkündigung Tritojesajas zusammengesetzt ist ( l f . 3-7.8). Vielleicht hat der Prophet selbst die literarische Verkettung der Einheiten zur paränetischen Rede vorgenommen. Jes
58,1-12
Dies ist eine Predigt über das Fasten, dessen Feier eine große Rolle in der nachexilischen Zeit spielte, vgl. Sach 8,19; Joel 2,12-14. Das Stück wird allgemein als authentisch erkannt. Pauritsch rechnet neuestens mit nur wenigen sekundären Elementen im Text: Die Relativpartikel in 2 b soll Prosaisierung sein, die „Bekräftigungsformel" V.6 glossatorisch, V. 8 b „ein vom Redaktor interpoliertes Wort (in Anlehnung an Jes 52,12 und 60-62) an die neuen Hörer in Babylon", V. 12 „wegen seiner Anlehnung an Jes 61,4 verdächtig" 525 . Zimmerli 526 dagegen äußert keinen Zweifel über die Ursprünglichkeit von V. 8. Man könnte vermuten, der Text sei z.T. in Unordnung geraten bei V.9-10. Pauritsch erklärt die Unebenheit jedoch damit, daß „V. l - 9 a eine im voraus konzipierte Rede mit einer spontanen Erweiterung (als Antwort auf einen unerwähnten Einwurf der Hörer) in V.9b-12" sei527. Westermann 528 vermag das Stück nicht als einheitlich zu betrachten. Die Gründe, die er anführt, überzeugen allerdings nicht. Erstens will Westermann durch Verweise auf Sprünge im Gedankengang die Uneinheitlichkeit des Textes nachweisen. Im Prophetenauftrag in der Einleitung V. 1 geht es nur um das Aufzeigen der Sünden des Volkes. Dies passe lediglich zu V. 2-4, meint Westermann; aber mit dieser Logik muß man auch die Strafankündigung aus dem Michawort 3,5-8 ausklammern, weil der Prophet diese nicht expressiv verbis als Teil seines Auftrags nennt. Es ist eher wahrscheinlich, daß hier und dort ein wichtiger Teil der prophetischen Aufgabe sozusagen repräsentativ genannt wird. Daß V. 8-9 a. 10 b-11 eine Heilsverheißung nur für den Einzelnen, V. 12 dagegen für das ganze Volk enthalten, zwingt nicht zur Annahme einer komplexen Herkunft der Motivierungen wie bei Westermann. Vielmehr ist die Verknüpfung der auf den Einzelnen ausgerichteten Seelsorge mit einer Gesamtschau bei Tritojesaja gut denkbar, wie Pauritsch 529 herausgearbeitet hat. 525 526 527 528 529
Pauritsch op. cit. 73-79. „Zur Sprache Tritojesajas", jetzt in: ThB 19, 217 ff. 219. Op.cit.85 u. 73. Komm. 265 f. Vgl. op. cit. 250.
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Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Elliger sieht in Jes 58,1-12 „einen klaren Aufbau und eine allmählich zur Höhe führende Steigerung"" 0 . Nur V. 6 f. „fügt sich nicht in dieses Schema"531. Elliger vermutet dennoch, der Prophet selbst habe die Rede aus unterschiedlichem Eigengut komponiert. Hans Kosmala532 unterscheidet in unserem Text zwei „Gedichte" V. 1-2.3-11 a mit einzelnen sekundären Zusätzen (u.a. 2b. llb-12). Als Kriterium für diese Aufteilung hebt er das Metrum hervor, führt aber auch Kriterien wie Parallelismus und inhaltliche Spannungen an. Die Verwendung des Metrums dürfte jedoch kein sicheres Verfahren bieten, zumal die hebräische Metrik bei weitem nicht befriedigend analysiert worden ist. Vor allem ist nicht einsichtig, warum nach Kosmala533 die Verbalformen in 2 a jussivisch (3.p.) interpretiert werden müssen. Es wird als „perfectly logical"534 erklärt, an dieser Stelle Jussiv/Imperativ zu erwarten. Aber mit welcher Logik? Kosmala begründet dies keineswegs mit Hinweisen auf den unmittelbaren Kontext, sondern mit einem nachbiblisch liturgischen Brauch und mit der Erwartung, daß eine Bußmahnung im Mittelpunkt dieser Fastenpredigt stehe. Diese beiden Argumente sind keineswegs zwingend; das erste ist ganz unsicher, das zweite nur wahrscheinlich, wenn es als gesichert gilt, daß mit V. 3 eine völlig andere Redeeinheit beginnt. Dies ist höchst zweifelhaft, zumal der Text in der gegenwärtigen Gestalt im großen und ganzen einen zusammenhängenden Gedankengang aufweist. V. 1 enthält die einleitende Aufforderung Gottes an den Propheten, dem Volk streng zuzureden. Damit wird die folgende Botschaft als prophetisch gekennzeichnet und autorisiert. V. 2-5 ist ein anklagendes Stück im disputierenden Stil535. V. 6-12 ist der mit bedingten Verheißungen mahnende Hauptteil, der die Forderungen Gottes im Tora-Stil536 entfaltet. Die Mahnungen werden auf verschiedene Weise ausgedrückt. Eine rhetorische Frage (R^H V. 6, wiederholt in V. 7) leitet eine Reihe von Beispielen gottesgefälliger Lebensart ein, worin z.T. Infinitive, d.h. hier nominalisierte Mahnungen, vorkommen, vgl. Hos 6,6; Mi 6,8; Jes 30,15. E.J.Young537 weist darauf hin, daß der abschließende Imperfekt in V. 6 „lends variety and
530
Die Einheit des Tritojesaia, 15. Aus metrischen Gründen laut Elliger ibid. 14 f. 532 Form and Structure of Isaiah 58, ASTI 5/1967, 69-81. 533 Ibid. 71 f. 534 Ibid. 72. 535 Ygj Elliger: Die Einheit Tritojesaias, 14: „... folgt dann die Scheltrede, zunächst im Stil des Streitgesprächs. " 536 Vgl. u.a. Lescow ZAW 82/1970, 369f. 537 Komm. 419. 5,1
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
127
life to the mode of expression". V . 7 b ß enthält einen Prohibitiv. Die Forderungen kommen auch durch die Bedingungssätze mit DK V . 9 b . 10 a zum Ausdruck.
Joel 2,1-17 Die Datierung der Prophetie Joels bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Es sei an dieser Stelle summarisch auf die Position G.W.Ahlströms 538 verwiesen, der wir uns anschließen. Er stellt ein nachexilisches Datum zwischen 515-500 v.Chr. fest. Eine Mahnung zur Umkehr wird in V. 12-14 ausgesprochen. Ist sie aber Teil einer größeren Einheit? Die meisten Kommentatoren sehen in V. 1-17 eine natürliche Abgrenzung. 2 , l f f . setzt eine andere Notlage als Kap. 1 voraus 539 . Zwischen 2,17 und V. 18 liegt der große Umschwung (von der Klage zur Gebetserhörung), der das ganze Buch zweiteilt 540 . V. 1-17 werden durch die Sprache der Volksklageliturgie zu einer Einheit. Der einleitende Aufruf V. 1 könnte, wie der parallele in V. 15, als Aufforderung zur Volksklagefeier verstanden werden. Das Erschrecken der Bewohner ( l a ß ) spricht eher dafür, daß V. 1 als Alarmruf bei Kriegsgefahr verstanden werden muß 541 . Diese Situation (V. 1-11) bildet den geeigneten Hintergrund f ü r die folgenden Aufrufe zur Buße und Klage 542 (12-17). Wolff vermutet, daß das Joelbuch „von Haus aus" ein literarisches Produkt sei, dem „die Grundform einer großen Klageliturgie" zugrunde liege543. Die alten Einzelgattungen werden in dieser Schreibtischprophetie nur als Kunstmittel in größeren literarischen Kompositionen verwendet. Dagegen meint H.-P. Müller 544 , Joel 1,5-2,17.19-27 „vertreten durchweg eine vorliterarische Sprache" 545 . Wenn man Joel als einen kultfreund-
538
Joel and the Temple Cult of Jerusalem, SVT 21/1971, Ch.6. Cf. Wolff: Komm. 48. 540 Cf. Wolff: Komm. 6. 541 Wolff: Komm. 50. 542 S.Wolff: Der Aufruf zur Volksklage (ZAW 76/1964), jetzt in: Ges.St.ThB 22, München 1973, 392-401. 543 Komm. 8 f. Ahlström op. cit. 130 f. betont, daß das Buch nicht eine vollständige Klageliturgie darstellt. 544 Prophetie und Apokalyptik bei Joel, ThViat 10/1965-66, 235 ff. 545 Ibid. 241. Ähnlich beurteilt Ahlström op.cit. 136 f. 539
128
D i e Gattung der prophetischen M a h n r e d e
liehen Propheten der nachexilischen Zeit wie Haggai und Sacharja betrachtet, was 2,12-14 besonders deutlich belegt, ist es wenig verwunderlich, daß er die Formensprache des Kults benutzt. Man kann sich gut vorstellen, daß seine Verwendung der vertrauten liturgischen Formen auch mündlich erfolgte. Es ist deshalb anzunehmen, daß 2,1-17 eine ursprünglich mündlich vorgetragene Einheit bildet. Jetzt soll dieser Struktur näher nachgegangen werden. V. 1-11 hat vornehmlich drohenden Charakter und begründet damit die Kette der prophetischen Aufforderungen zur Volksklage V. 12-17. In der Mahnung zur Umkehr V. 12-14 wird das ganze Volk angeredet, während in V. 15-17 die das Volk vertretenden Priester zur kultischen Klagefeier berufen werden. Innerhalb dieser Reihe von Anweisungen (12-17) wird eine verheißende Motivation hörbar (13 b-14) 546 , die wie die Drohung (lb) durch ein ki eingeleitet wird. Die Reihe der Aufforderungen, die durch 1 a vorbereitet ist, beginnt im Imperativ m.pl. 547 und geht zum Jussiv 3.m. 548 über. Wie in Hos 14,3b wird in Joel 2,17 nach dem Ruf zur Umkehr der Inhalt des Bußgebets vom Propheten vorgeschrieben. Joel verwendet erstaunlich viele Ausdrücke aus dem Wortfeld der heiligen Bußfeier 549 . Z.B. tritt die Anweisung zur Sammlung der Gemeinde DJ? IDpK auf (16 a), die mit Ps 50,5 a zu vergleichen ist: '7'pn IDipS. Die letzte Äußerung stammt möglicherweise von einem „aufgeklärten Leviten", der später im Psalm eine „Lehrpredigt über das rechte Opfer" hält 550 . Sie könnte jedoch ebenso gut bei einem Kultpropheten vorkommen, weil er mit dem Kult und der Kultsprache vertraut war und in einem positiven Verhältnis dazu stand, wie die Ausführungen Joels über die rechte Fastenfeier zeigen. 546 547
nan? als Objekt zu HC® Hif. (V.14) ist im A T sonst nicht belegt.
ini»', I j n p , 131P1 V . 1 2 - 1 3 und 'ypjFI V. 13 a bietet auch einen verkürzten Vetitiv.
1K7P, 1308, i r r p , 1008, l » a p 15-16a.
548
133', n a ' l 16b. 17a. In Jona 3 , 7 b - 8 ergeht die ganze königliche V e r o r d n u n g der Buße im Juss., was wahrscheinlich von den Forderungen des brieflichen Stils verursacht ist. 5>pfl, 31®, i n p und »]0K k o m m e n je 2x im Imp. vor. D i e W i e d e r h o l u n g kann hier wie anderswo im A T ein stilistisches Mittel sein, das nicht zur Annahme literarischer Erweiterungen zwingt. 549 Cf. Ahlström: Joel 4 6 f f . A. S. Kapelrud: Joel Studies ( U U Ä 1948:4) 18 ff. 81 ff. TDK Qal Imp. wird mehrmals für die kultische Sammlung gebraucht: N u 11,16; 21,16; 2 S a m 12,28; Joel 1,14; 2,16; Ps 50,5. p p Qal Imp. wird ähnlich verwendet: 1 Sam 7,5; 1 K ö n 18,19; Joel 2,16. Vgl. J . F . A . Sawyer: f i p , T H A T II 5 8 3 - 8 6 . 550 J-Jeremias: Kultprophetie, 127. D e r didaktische Charakter von Ps 50 wäre mit einer kultprophetischen H e r k u n f t in der nachexilischen Zeit nicht unvereinbar (s. d a g e g e n Mowinckel: Psalmenstudien III, 41 ff., der nur mit prophetischem Einfluß rechnet).
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
129
Der schon altprophetische Ruf 551 V. 12 ist mit kultischen Begriffen positiv verknüpft. entstammt dtr. Sprachgebrauch 552 . In Verbindung mit dem Verb „umkehren" steht der Ausdruck auch in Dt 30,6 und lSam 7, 3553, wo Samuel vor dem Krieg Israel zur Buße auffordert. Die Situation ist der von Joel 2 nicht unähnlich. Konkrete Sünden des Volks, die die Mahnung veranlassen, werden nicht genannt. Ist der Aufruf im „Bewußtsein einer allgemeinen Sündhaftigkeit" 554 begründet? Jedenfalls fehlt die ausdrücklich anklagende Motivation in dieser Rede. Hier ist die Umkehr mit Fasten verbunden 555 , wie auch bei Ahabs Buße 1 Kön 21,17-28, die durch die prophetische Botschaft erweckt worden ist. Von der Kultkritik hinsichtlich des Fastens, die den zeitgenössischen Text Jes 58,1 ff. prägt, ist in Joel 2 nichts zu spüren. Daß Joel trotzdem die Linie der älteren Schriftpropheten weiterführen will, wird zum einen in der eigenartigen Mahnung V. 13 a sichtbar. JHp „zerreißen" hat nur hier „Herz" als Objekt. Am häufigsten werden „Kleider", „Mantel" o.a. zerrissen, und zwar oft als Zeichen der Sorge oder Reue. Durch den verkürzten Vetitiv „und (zerreißt) nicht eure Kleider" 556 wird betont, daß Buße ein inneres Verhalten ist. Zum anderen wird den Bußfertigen die Gnade Gottes nicht ohne weiteres zugesichert (V. 14). Wie bei Am 5,15 und Zeph2,3 ist Gott nicht zum Mitleid verpflichtet, sondern frei 557 . Zum dritten erweist sich der altprophetische Geist Joels darin, daß alle einschließlich Säuglinge und Brautleute (V. 16) zur Buße aufgerufen werden, vgl. Jer 31,34. Dieser Gottesdienst ist eine eschatologische Uberbietung des gewöhnlichen 558 , vgl. Joel 3,1 f. 551 Die Einführung Hfl? 0)1 scheint die Tradition der prophetischen Mahnung zur Umkehr vorauszusetzen: „aber auch jetzt gilt vgl. Kapelrud: Joel Studies 81. 552 Dt 11,13; 13,4; Jos 22,5; 23,14; l S a m 7 , 3 ; 12,20.24; Jer 29,13. " | 3 ^ 3 3 : Dt 4,29; 6,5; 10,12; 30,2.6.10. Vgl. weiter Weinfeld: Deuteronomy 335 (Nr. 11). 553 S. auch Jer 24,7; 2 C h r 6 , 3 8 (031? ^>33). 554 Cf. H.-P. Müller: Prophetie und Apokalyptik bei Joel 238. Ahlström vermutet hinter dem wiederholten (7x) Gebrauch des Ausdrucks OSTIAS einen synkretistischen Kult, den Joel zu reinigen versucht (Joel and the Temple Cult 26 ff. 47). 555 Vgl. Esr 8,21-23; Dan 9, wo das „Suchen" (Bp3) Gottes unter Gebet und Fasten geschieht. Cf. F.Stolz: D1X, T H A T II 536-38. BIS ist das Objekt von m p Qal „ausrufen"
1 Kön 21,9.12; Jes58,5f.; Jona 3,5; Ezr8,21. Der Imp. l ö i y kommt nur Est 4,16 vor. 556 Eine buchstäbliche Deutung ist nicht durchführbar, cf. Kapelrud: Joel Studies 82. Vielleicht sollte hier als „nicht nur" verstanden werden, vgl. Wolff: Komm. 58. S. auch H.-J. Hermisson: Sprache und Ritus im altisraelitischen Kult ( W M A N T 19), NeukirchenVluyn 1965, 80 f. 557 Vgl. weiter E.Jenni: T H A T I 79-81. Das Jonabuch ist von Joel 2,12-17 abhängig, s. H. Witzenrath: Das Buch Jona, St. Ottilien 1978, 85-87 und G.Vanoni: Das Buch Jona, St. Ottilien 1978, 147 f. 55 » Cf. Wolff: Komm. 60.
130
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Wenn es zutrifft, daß Joel 2,1-17 eine ursprüngliche Einheit war, handelt es sich hier um eine große Mahnrede, deren Hauptgewicht auf V. 12-14 liegt, wo die altprophetische Mahnung zur Umkehr am deutlichsten ihre Nachwirkung zeigt. Der Aufruf zur Volksklage und die Mahnung zur Umkehr sind hier miteinander verschmolzen.
Die Mahnreden Haggais Im kleinen Haggaibuch gibt es zwei Mahnreden: 1,2-11 und 2,10-19. W. A. M. Beuken meint hier eine chronistische Redaktion spüren zu können 559 , aber bei weitem nicht so sicher wie bei Sacharja. Die Berührungen zwischen Haggai und der Chronik brauchen allerdings nicht als rein literarische Abhängigkeit erklärt zu werden. Sie können vielmehr auf gemeinsamen Traditionsimpulsen beruhen 560 . Die Redaktion betrifft vermutlich vor allem die die Prophetenrede umrahmenden Bemerkungen 561 . Hag 1,2-11 Beuken sieht diesen Text als eine redaktionelle Komposition, zu der verschiedene ursprünglich selbständige Orakel zusammengefügt worden sind 562 . Die wechselnde Thematik der einzelnen Worte (Tempel, Unheil, Disputation, Auftrag, Heil) ist der Grund für diese Annahme. Es kann aber durchaus nach dem möglichen Zusammenhang der Themen gefragt werden 563 . Unter dem Gesichtspunkt der Form ist es dann tatsächlich möglich, die Mahnrede als die die einzelnen Elemente vereinende Gattung zu betrachten. Die Struktur der Mahnrede ist leicht zu durchschauen: V. 2 und 4 bilden die einleitende Anklage in disputierender Form, die dem Volk seinen Unwillen gegen den Wiederaufbau des Tempels vorwirft. Aufgrund der neuen Einführungsformel V. 3 ist es nicht auszuschließen, daß V. 2 ursprünglich nicht zu der folgenden Rede gehörte. Isoliert bleibt V. 2 ein Fragment und gehört sachlich zur rhetorischen Frage von V. 4. 559
Haggai-Sacharja 1-8, 27 ff. 184 ff. 331 ff. Vgl. ibid. 331. 561 Vgl. S.Amsler: Aggee 14 f. Rudolph: Komm. 23.38 f. verneint entschieden die Annahme einer chronistischen Redaktion. 5 " Op.cit. 185-89. Eine ähnliche Strukturierung bietet O.H.Steck: Zu Haggai 1,2-11, ZAW 83/1971, 356-79. 563 Vgl. J.W.Whedbee: A Question - Answer Schema in Haggai 1: The Form and Function of Hag 1:9-11, in: FS W.S.Lasor, Michigan 1978, 184-94. 560
D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
131
V. 5 mahnt zur Besinnung auf die gegenwärtige Lage, die Anzeichen des Unwillens Gottes gegen das Volk ist (V. 6.9-11). Sowohl die Mahnung als auch ihre Motivation (2-6) werden durch Wiederholungen und Erweiterungen in 7-11 erörtert. Die Mahnung „Achtet auf eure Wege!" wird in V. 8 a durch positive Anweisungen zum Wiederaufbau des Heiligtums ausgelegt: + DflR3m 4- 135 (Imp. + Perf.cons. + Imp.). V. 8 b bringt eine kurze verheißende Motivation im Tora-Stil, vgl. u.a. Jes 1,11b; Ez 20,40f.; Am 5,22; Mal 1,10.13. OP'S'H lö'ip (V.5.7) ist eine typische Mahnung Hag564 gais . Der Ausdruck O'ip + Objekt ist sonst selten belegt (Dt 32,46; l S a m 9 , 2 0 ; 25,25; Job 1,8; 2,3; H a g 2, 15-18) 565 , und seine Verknüpfung mit „euren Wegen" und „von diesem Tag" (2,15.18) ist ganz einzigartig. Diese Verknüpfung bezeugt wahrscheinlich die echte und individuelle Sprache des Propheten. Es besteht kein Grund, die Wiederholung der Mahnung V. 7 als sekundär zu erklären, vgl. die Wiederholungen von in anderen Mahnreden. Die Wiederholung dient vielmehr zur Unterstreichung des Inhalts. Ist aber die Mahnrede Haggais eine Mahnung zur Umkehr? V. 8 könnte den Eindruck erwecken, daß es in der Rede nur um die Anregung zur Tempelrestauration gehe. Die Grundmahnung V. 5 (und 7) scheint jedoch einen allgemeinen Inhalt zu haben, und das „Achten" des Volkes kann im Blick auf die aktuelle Situation nur eine neue Gesinnung bedeuten, was auch durch den erzählenden Rahmen bestätigt wird. V. 12 beschreibt die Reaktion des Volks in dtr. Terminologie als Gehorsam und Furcht vor Gott und signalisiert somit eine „Bundeserneuerung" 566 . Zusammenfassend kann behauptet werden, daß Hag 1,2-11 eine einheitliche Mahnrede ist. Ihre Motivation ist hauptsächlich anklagend, darüber hinaus auch verheißend (8 b). Die allgemeine Grundmahnung im Imperativ pl. zielt wohl auf Umkehr, obschon das Wort nicht verwendet wird. Die neue Gesinnung gegenüber Gott wird auf den Auftrag der Tempelrestauration zugespitzt (8 a).
564
Cf. J . L K o o l e : Haggai, 32. Die Liste von Beuken op.cit. 198 Anm.6 führt auch synonyme, aber grammatisch verschiedene Ausdrücke auf. Vgl. weiter Weinfeld: Deuteronomy 335 (Nr. 12). 5 " Cf. Amsler: Komm, ad loc. 26 und Rudolph: Komm. 37. Vgl. auch die „Erwekkung" durch Jahwe V.14 und dazu Amsler ibid. 27. Zu vergleichen ist auch die Mahnung 1 Chr 22,19. 565
132 Hag
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
2,10-19
Dieselbe Mahnung wie 1,5.7 wird in 2,15.18 wiederholt ("IQ'i? 0353^ NJ). Sie steht in einem Kontext, der unter den Exegeten unterschiedlich abgegrenzt und verstanden wird. Viele Ausleger trennen V. 10-14 ab 567 und rekonstruieren die ursprüngliche Einheit als 1,15 a und 2,15-19. Andere sehen die Befragung der Priester 2,10-14 als einen passenden Auftakt, der als Anklage die folgende Ermahnung zur Restauration des Heiligtums motiviert 568 . W. Rudolph 569 setzt sich daher f ü r die Einheit von 2,10-19 ein. Im zentralen Abschnitt V. 15-19 umrahmen die mahnenden Ausrufe im Imperativ (15 a. 18 a) die Schilderung der kritischen Lage, die Anlaß zur Anklage gegen das Volk bietet (15b—17.18b-19a). Abschließend kommt eine kurze verheißende Motivation hinzu (19 b). Somit ist die Struktur dieser Mahnrede in vielem der der ersten Mahnrede gleich (Mahnung, Anklage, Verheißung) 570 .
Die Mahnreden des Sacharja Such 1,1-6 W. A.M. Beuken 571 hat nachweisen wollen, daß die ganze Rede hauptsächlich das Werk einer chronistischen Redaktion sei. U . E . bewährt sich diese Ansicht bei näherer Betrachtung nicht. Eher ist eine sacharjanische Verfasserschaft aufrechtzuerhalten. V.2: Der Vers ist im Gegensatz zu V. 3 - 6 a Prophetenrede. Dieser Umstand läßt nicht notwendigerweise darauf schließen, daß die Perikope aus ursprünglich getrennten Bestandteilen zusammengesetzt ist. Die gewählte Form drückt Feierlichkeit aus, unterstreicht die ernste Wahrheit, indem ein dunkel anmutendes Wortspiel den Satz einrahmt: IXj? ... 1?j?572. Ein ähnlich konstruiertes Wortspiel gibt es in V. 15aa
567
S. u.a. Amsler: Komm.29f. Vgl. Renker op.cit.162f. 5 " Komm. 44 ff. 570 Zur Exegese vgl. neuerdings A. S. van der Woude: Haggai-Maleachi, Nijkerk 1982, 53 ff. und D.J. Clark: Problems in Haggai 2.15-19, BT 34/1983, 432-39. 571 Haggai-Sacharja 1-8, Assen 1967, 84ff. 572 A. Petitjean (Les oracles du Proto-Zacharie, Paris/Louvain 1969, verweist darauf, daß der Personenwechsel in bezug auf Jahwe weder bei Sach noch bei anderen Propheten ohne Beispiel ist. 568
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
133
Als anklagender Geschichtsrückblick bildet V.2 einen zwanglosen Auftakt zum Folgenden (3-6). Das Verb „zürnen" bei Jahwe ist wahrscheinlich in der Tradition vorgegeben 573 . V. 3 hat eine ausführliche Einleitungsformel (aa), die keineswegs zur Isolierung dieses Verses anleitet, sondern der Hervorhebung des wichtigen Inhalts dient 574 . Damit wird zur Mahnung (3-4) übergeleitet, die den Kern der Predigt ausmacht 575 . Der kurze Ruf nimmt die klassisch prophetische Mahnung zur Umkehr wieder auf 576 . Die prägnante, verheißende Begründung des Umkehrrufs wird mit 1 eingeführt. Daran schließt sich Jahwes l l t f s . Die Parallelstellen 2 Chr 30,6 und Mal 3,7 haben den Kohortativ statt des Imperfekts 577 . Da V. b a als Satz einem kurzen Heilswort gleichwertig ist, ist der Kohortativ an dieser Stelle nicht unbedingt erforderlich, vgl. die Verheißung mit Imperfekt Jer 12,15 a (Gen 18,10aa) und entsprechende Unheilsansagen Hos 2,11 a sowie Jer 4,28 bß. Das Unheilswort Jer 4,28 (und die möglicherweise alten Gebetsrufe Ps 6,5; 7,8; 80,15; 90,13; 126,4) dürfte zeigen, daß die „Umkehr Gottes" nicht eine völlig neue Redeweise des Nachexils darstellt 578 . Sacharja diese Verheißung abzuerkennen, scheint aus diesem Grund überhaupt nicht geboten 579 . V.4: Die „negative" Seite der Umkehr, das Abstandnehmen vom Wandel der Väter (vgl. V.2), wird durch den Vetitiv ausgedrückt: B3'rri383 r n f P ^ H . Dieser Satzteil hat wie V. 3 aß und b a eine wörtliche Parallele in der Predigt von 2 Chr 30,6-9. ? rnfl-^K als Mahnung kommt sonst im weisheitlichen Spruch Ps 32,9 vor. Die negative Beurteilung der Väter ist Sacharja wahrscheinlich durch die deuteronomisti573 Jes 47,6; Thr 5,22; Dt 1,34; 9,19; Jos 22,18. Bei Tritojesaja ist der Wortgebrauch auffallend: Jes 57,16.17; 64,4.8. Beuken: op.cit.85f. behauptet, die chronistische „Richtung" „zögert, Gott die Reaktion des Zürnens zuzuschreiben", weil sie nicht das Verb, sondern nur das Substantiv verwendet. Diese Verwendung dürfte jedoch nicht als theologisch signifikant beurteilt werden. Sie entspricht der Tendenz des späteren Hebräischen, öfter Konstruktionen mit HJH zuzulassen, vgl. 3'ippn das nur 2x als Verb gebraucht, aber 4x nominal im chronistischen Werk ausgedrückt wird (Neh 9,34; 2 Chr 33,10; gegenüber Neh 1,6.11; 2Chr6,40; 7,15 vgl. Beuken op.cit.98f.). 574 Petitjean Komm. 28 verweist auf Parallelen bei Jeremia und Ezechiel. 575 Petitjean ibid. 40: „le verset 3 constitute l'element majeur de l'oracle". 576 Petitjean Komm. 29-37 befaßt sich damit sehr ausführlich. 577 Zu den Parallelen und der grammatischen Frage s. Petitjean Komm. 36. 578 Die Tilgung der Negation (>iV) bei Gottes „Umkehr" ist aber etwas Neues. 579 Petitjean ibid. 36 behauptet, daß die „Umkehr" in diesem Text zugleich die Rückkehr zum Tempel als Fundament des Bundes bedeute. Daß 315? sonst bei Sach nur im letztgenannten Sinn auftritt, ist kein Argument gegen die Echtheit der Stelle, vgl. die verschiedenen Bedeutungen und ihre Spielarten bei Hosea (gegen Beuken: Haggai- Sacharja 94).
134
D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
sehe und prophetische Überlieferung vorgegeben 580 . Im übrigen Vers (durch i f l t mit der Mahnung verknüpft) wird mit Worten aus dem jeremianisch-dtr. Erbe der Ungehorsam der Väter gegenüber der prophetischen Umkehrpredigt nachgewiesen. Der Ausdruck „die früheren Propheten" ist Protosacharja eigen. Daß dieser der „Endredaktion" zuzuschreiben wäre, wie Beuken 581 behauptet, scheint nicht ausreichend begründet zu sein. Der Ansatz zu einer ähnlichen Periodisierung der Geschichte findet sich schon beim zweiten Jesaja (Jlisnf! J e s 45,19). Beuken katalogisiert V.4b als „chronistisch, aber nicht deuteronomistisch" 582 . Dies dürfte schwerlich zutreffen, zumal Jer 6,10-19 gute Parallelen aufweist 585 . Die Thematik ist schon beim Protojesaja zu spüren (Jes l,19aa). V. 5 und 6 werfen exegetische Probleme auf. Auf jeden Fall wirkt die disputierende Frage in V. 5 authentisch im Zusammenhang 584 . Durch V. 5 f. ist somit ein Element der Diskussionsrede der Mahnung hinzugefügt, was auch bei anderen Mahnreden der nachexilischen Propheten auffällt. Man darf deshalb Sach 1,1-6 als eine Einheit der Mahnrede auffassen. Sie setzt sich aus Mahnungen zur Umkehr (3 und 4aa) zusammen, die von unterschiedlichen Elementen der Anklage (mit implizierter Drohung V. 5?) umrahmt sind. Darüber hinaus bietet V. 3 b eine verheißende Motivation. Freilich ist die Sprache durch herkömmliche Klischees stark gefärbt, trotzdem ist eine Herkunft von Protosacharja selbst nicht unwahrscheinlich, wenn man auf die eigenständigen Formulierungen achtet und mit der Vertrautheit des Sacharja mit Traditionen, insbesondere den jeremianisch-dtr. Quellen, rechnet. Daß „hier Sacharja eine levitische Predigt in den Mund gelegt wird" 585 , ist zu bestreiten. Mit W.Rudolph 586 vermögen wir hier „die spezifisch chronistische Gedankenwelt" nicht deutlich zu spüren, obwohl wir damit die Hypo580 Yg[ z g E z e c h i e l s negative Beurteilung der ganzen Geschichte Israels (20,17 f. u.a.), s. auch Ps 78,8.57; 95,9. Vgl. Rudolph Komm.69. 581 Beuken: H a g g a i - Sacharja, 97. 582 Ibid. 111, cf. 98 f. 58J Vgl. ibid. 99 A.l. 584 Vgl. ibid. 90. 585 Beuken: Haggai - Sacharja, 90. 584 Komm, ad loc. 71. A.S.van der Woude widerspricht auch der Ansicht, Sach 1,1-6 sei eine rein chronistische Predigt (Seid nicht wie eure Väter!, in: FS Fohrer, BZAW 150/1980, 163-73). Durch eine neue Worttrennung versucht er den schwierigen M T V. 5 b zu verbessern: „und (wo sind) die Propheten, die unsinnig zu ihnen redeten"
D i e Gattung der prophetischen Mahnrede
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these der chronistischen Redaktion in Haggai-Sacharja nicht ganz abweisen wollen. Such 7,9f.
Hier liegt wie in 1,4 eine zitierte Mahnrede im Geschichtsrückblick vor. Das Zitat erinnert sehr an die Mahnungen der vorexilischen Propheten (Jer 7,5 f. usw.), wie A. Petitjean gründlich nachgewiesen hat 587 . Diese Mahnungen bei Sacharja als weisheitliche Mahnsprüche zu bezeichnen 588 , wäre völlig falsch, obwohl weisheitlicher Einfluß auf prophetische Mahnungen nicht ungewöhnlich ist. Auf zwei Imperative folgen hier zwei Vetitive 589 . Es gibt im Zitat selber keine Motivation, aber das Zitat ist eingebettet in einen anklagenden Geschichtsüberblick, der z.T. redaktionell gestaltet ist. Such
8,16f.
Diese kurze Mahnrede stimmt z.T. wörtlich mit 7,9f. überein 590 und hat genau denselben Aufbau (zweimal Imperativ und zweimal Vetitiv in V. 16 b-17a). Außerdem gibt es eine abschließende Begründung, die aus einem ki-Satz V. 17b besteht und im Tora-Stil ergeht, vgl. Am 5,15; Jes 1,14; Lev 19,11 f. Such 8,19
Dies ist eine sehr kurze Mahnung (lang Q i ^ n i V. 19b), die auf eine Verheißung für die Fastenfeier (19 a) folgt. Die Ursprünglichkeit dieses Mahnwortes im jetzigen Kontext wird von Kommentatoren bezweifelt, aber mit Petitjean 59 ' soll zugestanden werden, daß die Wortwahl der Mahnung sacharjanisch zu sein scheint. Außerdem ist die Kombination von Verheißung und Mahnung konventionell in Mahnrede und spricht für die Einheit von V. 19 a und b.
Die Mahnreden des Maleachi Das Buch Maleachi enthält offensichtlich eine Anzahl Mahnungen. Ihre Funktion hat in der bisherigen Forschung nur wenig Beachtung gefunden. 587 588 589 5.0 5.1
Op.cit. 322 ff. So Richter, nach Beuken: Haggai-Sacharja 123. Der Vetitiv 13f nrrV» ist nur Sach 7,10; 8,17 belegt. S. den Vergleich bei Petitjean 413. Op.cit. 424.
136
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Die Aufforderung zur kultischen Bußfeier 1,9 a ist im Hinblick auf ihren Kontext wahrscheinlich nur ironisch zu verstehen 592 , vgl. Am 4,4 f. Sie ist Teil einer Scheit- und Drohrede (1,6-2,9). Eine indirekte Mahnung könnte auch in den beiden 'im-Sätzen in Mal 2,2 a vorliegen 593 , wie im Kommentar von R. Vuilleumier behauptet wird 594 . Die meisten Ausleger hingegen sehen V. 2 als einen der Strafankündigung untergeordneten Teil an595. Einige fassen V.2 als sekundären Zusatz auf 594 . E. Pfeiffer 597 hat sechs Redeeinheiten des Mal formgeschichtlich untersucht und sie als „Disputationsworte" charakterisiert. Sie weisen eine feste dreiteilige Struktur auf: I. Die Streitfrage II. Einrede der Angesprochenen III. Schlußfolgerung (Heilsspruch, Mahnrede, Drohspruch). Nach Pfeiffer ist dies „die alte, vorgegebene Gattung des Disputationswortes" 598 , die auch in Ez 18 vorhanden ist. Der Analyse Pfeiffers ist sicher grundsätzlich zuzustimmen. Es ist jedoch empfehlenswert, die Bezeichnung „Disputationswort" durch „Diskussionswort" oder „Streitgespräch" zu ersetzen 599 . Jedenfalls ist die Erkenntnis richtig, daß die Diskussion charakteristisch für die Rhetorik Maleachis ist. Wenn aber Teil III „das Kernstück" und Ziel der Einheit ist, ist die Disputation nicht das übergeordnete Element. Vielmehr läuft die Diskussion auf das Kernstück zu, nach dem die Gattung der ganzen Rede zu bestimmen ist600. Es muß zwischen den Gliedgattungen und der Gattung der ganzen Einheit unterschieden werden. Demnach muß man bei Mal von „Drohrede", „Heilsankündigung" usw. sprechen. Zwei Einheiten können bei Mal als „Mahnrede" bezeichnet werden: 2,10-16 und 3,6-12. 5.2
Cf. K. Marti: Das Dodekapropheton, 463. Dieselbe Aufforderung (im sg) ist dagegen ernst 1 Kön 13,6: m n ' - ' J ? - n » 5.3 Vgl. die Paränesen Lev 26,14.18.27; 1 Sam 12,15 (lyjptpfl K^ OK). Zu 3^ O'tf; cf. Dtn 11,18; Jes 57,1; Jer 12,11; Dan 1,8. Zum Ausdruck 1133 ]ri) vgl. u.a. Jos 7,19; 1 Sam 6,5; Jer 13,16. 594 Malachie, 234. 595 Rudolph: Komm, ad loc. 265 meint, daß „die beiden ,Wenn-nicht'-Sätze das Sündenregister von 1,6-14 zusammenfassen". 596 Cf. Renker: Die Tora bei Maleachi, 71.103. 597 Die Disputationsworte im Buche Maleachi, EvTh 19/1959, 546-68. 598 Ibid. 567. 599 Cf. H.J. Boecker: Bemerkungen zur formgeschichtlichen Terminologie des Buches Maleachi, ZAW 78/1966, 78-80, vgl. auch J.A.Fischer: Notes on the literary form and message of Malachi, CBQ 34/1972, 315-20. 600 Yg[ u n s e r e Ausführungen zu Ez 18.
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
137
Mal 2,10-16 Der Text ist schwierig und sicher nicht ganz unversehrt in seiner vorliegenden Gestalt. Der masoretische Text ist jedoch nur an einigen wenigen Punkten zu korrigieren 601 , und sein Hauptinhalt ist mühelos zu erkennen. Die Struktur des Abschnittes tritt ziemlich deutlich hervor. Die spezifische Thematik der ehelichen Mißverhältnisse hebt das Stück von seiner Umgebung ab und macht es zugleich zu einer Einheit. Dabei ist die Wurzel 7J3 ein Schlüsselbegriff, der die Perikope durchzieht (V. 10.11.14.16) 602 . Es gibt zwei Unterabschnitte im Text (V. 10-12.13-16), wie die Ordnungszahl 11'}$ V. 13 hervorhebt 603 . Beide Unterabschnitte fangen mit einer Scheltrede an. Am Ende unterscheiden sie sich voneiander: V. 12 ist ein (bedingtes) Fluchwort im Jussiv (mir' JT13?)604. V. 15 f. bringt statt der Drohrede eine Mahnrede im Perfekt cons. (Dpr}l"1? Ofl^Hf J1 15b. 16b), Vetitiv ( " r ^ f T ^ cj 15b) 605 und Prohibitiv (iVs^fl 16b)! Es besteht keine Notwendigkeit, die Mahnrede entweder ganz oder teilweise als sekundär zu streichen 606 . Wie in den Mahnreden Haggais wird hier ein allgemeiner mahnender Ausdruck wiederholt: „Bewahrt euren Verstand!", „Achtet auf euer Leben!" o.ä. "IÖS? Nif. wird auch in der dtr. Literatur zur Mahnung und Warnung verwendet 607 . Aus der allgemeinen Warnung (15ba) wird die spezifische Warnung gefolgert: „handele nicht treulos gegen die Frau deiner Jugend" (15bß).
601
Cf. S.Schreiner: Mischehen - Ehebruch - Ehescheidung. Betrachtungen zu Mal 2,10-16, ZAW 91/1979, 207-28. Zur Auslegung s.u.a. C.Locher: Altes und Neues zu Mal 2,10-16, in: FS D.Barthélemy (OBO 38), Freiburg (Schweiz) 1981, 241-71. 602 U 1 wird absichtlich doppelsinnig gebraucht: Die Treulosigkeit in der Ehe und die Treulosigkeit gegenüber dem Bundesgott greifen ineinander, vgl. S.Erlandsson: U l , T H W A T I 507-11. Diese Doppelsinnigkeit ist von Hosea und Jeremía vorbereitet, vgl. M.A. Klopfenstein: U 2 , T H A T I 261-64. 263. Vgl. Jer 2,13; Am 2,4 ff. Vgl. auch El-Amarna-Brief Nr. 252 Z.16 (sanita). 604 Ygi £ z g u n ( j u a S. Gevirtz: West-Semitic curses and the problem of the origins of Hebrew law, V T 11/1961, 137-58 u. E. Kutsch: M 3 , T H A T I 857-60. 60}
605 606
607
Die 3. p. U Q ' ist schwer zu verteidigen. Gegen die Renker op.cit.73 und K. Elliger: Komm, ad loc. 200-204.
rniaipi Dt23,io.
OiHiaipj'l Dt 2,4; 4,15; Jos 23,11. Der dazu stehende Ausdruck D^VlilPpjV (Dt 4,15; Jos 23,11, s. auch Jer 17,21 u . J o s 9,24) ist mit DSErt"]} (Mal 2,15.16) vergleichbar. Der Imp. (l)"iawri ist üblicher, vgl. oben zu Jes 7,4.
138
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
V. 16 a ist eine Aussage im Tora-Stil über den Willen Gottes („denn ich hasse die Scheidung") 6 0 8 , die in die letzte und allgemeinste Warnung ausmündet: „Hütet euch selbst und handelt nicht treulos!" (16b). Die Anklage, die die Mahnungen motiviert, hat als Ausgangspunkt ganz bestimmte Mißstände, die die Grundlage für verallgemeinernde Kritik bilden. Ehescheidung steht auf derselben Ebene wie „Gewalttat" 6 0 9 (16). Unter diesen Umständen ist die rituelle Buße des Volks Gott nicht annehmbar (13). Der Gottesbund ist entweiht 610 worden (10f;). Die Warnung will diesen Zustand des Abfalls beenden und damit indirekt zur Umkehr ermutigen, vgl. die Beschreibung der wahren T o r a Tätigkeit Mal 2,6 b: „Er bewirkte, daß sich viele von Schuld abkehrten" ( p ^ a a'WH D'iP) 6 1 1 . Von diesem positiven Ziel der Mahnung ist in der zweiten Mahnrede Mal 3,6-12 ausdrücklich die Rede. Daß sich Maleachi bei der Anklage rhetorischer Fragen bedient, ist auffallend 6 1 2 , darf aber nicht überbetont werden, wie es die Bezeichnung „Diskussionswort" tut. Letztlich übermittelt der Prophet eine autoritative Botschaft von Gott.
Mal
3,6-12
Auch dieser Text trägt Züge einer Diskussion, die die Anklage ausdrückt ( V . 7 b - 8 ) 6 1 3 . Die Diskussion ist aber nur ein Teil der ganzen Einheit, deren Struktur als Mahnrede sehr deutlich hervortritt. Die Rede fängt mit einer allgemeinen Anklage an, die den Abfall des Volks feststellt (6-7 a) 6 1 4 . Darauf folgt der herkömmlich prophetische 6 0 8 Kji? hat hier dieselbe Bedeutung wie 'flKift (Am 5,21; 6,8; vgl. Jes 1,14.), s. Rudolph: Komm, ad loc. 270. M » Vgl. dazu H.J.Stoebe: 0»n, T H A T I 583-87. 6 1 0 Vgl. dazu F.Maass: ^ n , T H A T I 570-75. bes. 574 und Dommershausen: ^n, T D O T I V 409-17.414. 6 1 1 Vgl. den Gebrauch von | S 315? bei Ez. 6 1 2 S. V. 10a (2x KV3, s.u.a. 1,2; Am5,20; 9,7; Mi 1,5; 2,7; 3,1.11; J e s 8 , 1 9 ; Ez 18,23.25.29). 10b ( ? n a ) . 14 (njp-ty = sowohl Klage als Anklage seitens des Volks, vgl. Ez 18,19). 15a (rtijl). Vgl. auch W.A. Brueggemann: Jeremiah's Use of Rhetorical Questions, J B L 92/1973, 370. Zum Ausdruck D'H^g V ! V.15 dürfte gefragt werden, ob nicht die Übersetzung „möglichst große Nachkommenschaft" dem Text gerecht sei, vgl. D.W.Thomas: Superlative in Hebrew, V T 3/1953, 209-36 u. V T 18/1968, 120-24. Die Korrektur Deisslers (s. Renker op. cit. 74) ist unnötig. 6 1 3 Die Frage niSIJ/nf? ist bei Mal 1,2.6.7; 2.17; 3,7.8 belegt. Mit der Frage 3,7 b ist Mi 6,6 (s. auch 2Sam 21,3) zu vergleichen (Tora-Befragung). 6 1 4 N.M.Waldman: Some notes on Mal 3:6, J B L 93/1974, 543-45 führt akkadische Analogien zu ilJIT Mal 3,6 an. Zusätzlich könnten auch Ausdrücke, die das Verb sanu (in
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
139
Ruf zur Umkehr III®, den eine entsprechend kurze Verheißung in einem Wortspiel wiederum begründet (7 b). Die übrige Rede ist ebenso strukturiert 615 und eine Konkretisierung oder Ausweitung von V. 6 f. Die anklagende Argumentation V. 8-9 deckt bestimmte kultische Unzulänglichkeiten der Gemeinde auf und schreibt vollständige kultische Pflichterfüllung als Mittel der Umkehr vor (V. 10a: ilK-Ta R3 'J1303 ••• 'H'l ... Uran) 6 1 6 . Der Mahnung wird wieder eine Verheißung 617 als Motivation hinzugefügt (10b-12). A. Renker 618 vermutet, daß die ursprüngliche Rede mit der Drohung 9 a endete. Wenn aber die analoge Rede 2,10-16 in Betracht gezogen wird, leuchtet die Annahme Renkers nicht ein619. Es werden in beiden Reden sowohl allgemeine als auch spezifische Mängel der Kultgemeinde besprochen, und die entsprechenden Mahnungen sind sowohl allgemeiner als spezieller Art, wobei das Allgemeine und das Spezifische durchweg deutlich zusammengehören 620 . Ein auffallender Unterschied zwischen den beiden Mahnreden ist die positivere Ausrichtung von 3,6-12. In 2,10-16 fehlt eine ausdrückliche Verheißung. In 3,6-12 findet sich eine ausführliche verheißende Motivation. Die Mahnungen haben in 2,10-16 einen warnenden Charakter, in 3,6-12 dienen sie der Aufmunterung. Durch ihre negative bzw. positive Ausrichtung ergänzen die Mahnungen einander. Sie beschreiben zusammen die beiden Aspekte der Umkehr als Abkehr und Zukehr. Den beiden Reden gemeinsam sind die scharfe Anklage 621 und das letztlich positive Ziel. Es scheint somit schwer, dem Schluß zu entgehen, daß 3,6-12 wie 2,10-16 von Anfang an eine kunstvolle formgeschichtliche Einheit ist, die im ganzen als Mahnrede bezeichnet werden muß.
G, D u. §) enthalten, genannt werden, cf. AHW III 1166 f. Der Starrsinn eines gewissen Gegners von Sargon wird durch la usannu tensu „wechselt seine Gesinnung nicht" beschrieben (A.G.Lie: The Annais of Sargon, Paris 1929, 68). 615 Cf. Elliger: Komm. 209. 616 Also Imp. - Juss. - Imp. Der Imp. ')ljn3 „prüfet mich" im Mund Jahwes steht einzig da und hat wenige inhaltliche Analogien, vgl. Jes 7,11. Die Umkehr ist ein Mittel der Erprobung des göttlichen Heilswillens, vgl. auch E.Jenni: jna, T H A T I 272-75. " 7 Die Verheißung 10 b ist ein Eid des Versprechens, cf. M.R. Lehmann: Biblical oaths, ZAW 81/1969, 91. 618 Op.cit. 79-81. 619 3,6-12 ist nach Elliger (Komm. 210) „eine in sich geschlossene literarische Einheit". 620 Die volle Einlieferung von Zehnten und Abgaben sind Beispiele für Umkehr zu Gott. 621 Der übliche dtr. Ausdruck "l"10 (Dt 9,12.16; 31,29 usw.) steht in Mal 2,8. In Mal 3,6 findet sich eine vereinzelte Variante desselben ('pns Dfni).
140
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
Zwischenergebnis Die prophetische Umkehrmahnung tritt schon bei den ältesten Schriftpropheten als selbständige Gattung auf. Freilich wird sie öfter in vorexilischer Zeit in der Form eines Zitats 622 in die prophetische Gerichtsverkündigung eingefügt und erhält damit die Funktion der Anklage. Der Bußruf setzt aber die Tätigkeit der Propheten als Mahner und Warner voraus, die nicht nur durch das tatsächliche Vorkommen ursprünglich selbständiger Mahnworte 623 , sondern auch durch andere Hinweise auf die Verwendung der Mahnrede 624 bei den Propheten ausgewiesen wird. Wie das Gerichtswort erscheint der Umkehrruf als eine eigene prophetische Redeform, deren wichtigstes Merkmal die Aufforderung zur Umkehr ist. Die Wurzel 31® wie die Synonyma 5 1 1 und tfpa sind dabei Hauptbegriffe. Eine einseitige Verwendung von z.B. weisheitlichen Formen und Begriffen ist in den prophetischen Mahnreden nicht festzustellen. Vielmehr weist die Mahnrede bei den Propheten eine mit dem Gerichtswort vergleichbare Flexibilität auf. Es werden bald weisheitliche, bald rechtliche oder sonstige Gattungen, Formeln und Begriffe entliehen. Die Sprache des Kults ist dabei von großer Bedeutung, zumal die Bußrufe der vorexilischen Propheten kultpolemisch sind. Daß damit Tora- und liturgische Sprache eine wichtige Rolle spielen, überrascht nicht. Protojesaja bietet eine eigentümliche Verschmelzung von Umkehrforderung und priesterlichem Heilsorakel (Jes 7 , 4 - 9 ; 8,12 f.). Die zweigliedrige Form des prophetischen Umkehrrufes wird am besten von T . M. Raitt beschrieben. Demnach besteht der Umkehrruf aus den zwei Elementen (1) Appell und (2) Motivation. Das Element des Appells ist konstitutiv für die Gattung und enthält gewöhnlich Imperative und/oder Vetitive in 2.m.sg. oder pl. Selten werden bloßer Jussiv 625 , Prohibitiv 626 und/oder Injunktiv 627 verwendet. Zuweilen werden Forderungen auch durch Infinitivkonstruktionen 628 oder Bedingungssätze 629 ausgedrückt, die als Mahnungen dienen. Einmal hat der Wunschsatz mit KlV die Funktion der Mahnung (Jes 48,17). Nicht oft steht die mahnende Verbform (Imp./Vet. usw.) 622 423 624 625 626 627 628
Hos 10,12; Jes 30,15; Jer 2,23.25; 6,17; Sach 1,4; 7,9f. U.a. Jes 1,10-17.18-20; 7,4-9; Am 5,4f. U.a. Jes 30,11; Am 4,6-12; Mi 6,8. Jes 55,7. Am 5,5; Jes 1,13; 8,12f.; 28,16; 58,7. Hos 12,7; Jer 4,2; Mal2,15f. Hos 10,12; Mi 6,8; Jes 30,15; 58,5; Ez 18,23. Jes 1,19f.; Jer 4,1 f.; 7,5; 15,19; Jes 58,9f.; Ez 18,21.
Die Gattung der prophetischen Mahnrede
141
allein 430 . In der Regel enthält eine Mahnrede zwei oder mehrere Aufforderungen und Warnungen. Die Angeredeten sind fast immer eine Gruppe des Volks oder das ganze Volk. O f t gibt es einen oder mehrere Vokative, die die Zuhörer nennen („Du, Jerusalem" o. ä.) oder (durch Partizipien o. ä.) beschreiben. Ausnahmsweise wendet sich der Umkehrruf an einen Einzelnen. Wenn das geschieht, ist der Adressat eine „kollektive" Person wie der König oder der Prophet (Jes 7,4-9; Jer 15,19-21). Die Mahnung steht im allgemeinen als Hauptsatz. Sie wird mehr oder weniger explizit motiviert. Gewöhnlich ist die ausdrückliche Motivation ein (mit 1 eingeleiteter) parataktischer Satz 631 oder ein Nebensatz ('?, |9, 7?, Nicht selten wird diese Begründung des Appells schon durch den Vokativ (Jes 1,10) oder sonstige Ausdrücke im mahnenden Hauptsatz vorbereitet. Nach ihrem Inhalt kann die Motivation als Verheißung, Drohung oder Anklage bezeichnet werden. Diese drei Arten der Motivation können entweder je f ü r sich oder in verschiedenen Kombinationen auftreten. Die meisten Mahnungen der vorexilischen Propheten sind ziemlich kurz und dürfen als Mahnworte bezeichnet werden. Zuweilen wird die Mahnrede durch eine umfangreiche Motivation ausgebaut (Jes 1,10-17; H o s 14,2-9). In der exilischen und nachexilischen Zeit hält sich die kurze spruchartige Form der Mahnrede. Sie wird öfter durch eine umfangreichere Motivation ausgeweitet und aufgelockert (Ez 14,1-11; 18). Bei den nachexilischen Propheten ist die Ausweitung der Motivation durch Formen der Diskussion ein auffallendes Merkmal (Jes 58,2 ff.; H a g 1,2ff.; Sach 1,2ff.; Mal 2,10-16; 3,6-12). Bei sämtlichen untersuchten nachexilischen Propheten verbinden sich die Mahnungen zur Umkehr mit positiven kultischen Forderungen, die im Dienste der kultischen Restauration des jüdischen Volks stehen. Die Kultpolemik der klassischen Prophetie ist aufgehoben und durch eine neue Synthese von prophetischer und kultischer Frömmigkeit ersetzt worden. 430
Hos 4,15; Jer 3,12; 4,14; Sach 8,19 b. Darin kommen Imperative oder Jussive Jer 27,12.17; Ez 18,32; Jes 45,22; 5,3). 631
in finalem
Sinn vor (Am 5,4.6;
KAPITEL 5
Weisheitliche und prophetische Mahnungen Material zum Vergleich Daß die prophetischen Mahnungen in nicht wenigen Fällen einen Einfluß weisheitlicher Sprache und Begriffswelt erkennen lassen, ist oben besprochen und an verschiedenen Beispielen aufgezeigt worden. Daß die Form der prophetischen Mahnungen als ganze sich aus der Weisheit herleiten läßt, ist unwahrscheinlich, da auch Einflüsse aus anderen Bereichen ebenso unverkennbar sind. Im folgenden wird weiteres Material zum Vergleich von weisheitlicher und prophetischer Mahnung bereitgestellt werden. In der folgenden Liste sind die in Proverbien und Qohelet verwendeten Verbformen aufgeführt, die (direkt) mahnen 1 , d.h. die im Imperativ, (Imperfekt-)Jussiv, Vetitiv und Prohibitiv vorkommenden Formen der verschiedenen Verben. Die Imperative und übrigen volitiven Formen, die nicht eine Mahnung, sondern Folge oder Absicht ausdrücken, werden nicht berücksichtigt 2 . Die Liste beansprucht keineswegs, vollständig zu sein, dürfte aber trotzdem einen repräsentativen Eindruck vom Vorkommen der in der Weisheitsliteratur zur Mahnung verwendeten Verbformen vermitteln. Bei jeder einzelnen Form werden deren Belege im Alten Testament vollständig aufgezählt, wenn nicht ein „und so weiter" o. ä. Unvollständigkeit anzeigt. Jedenfalls werden die weisheitlichen Belege so vollständig wie möglich aufgeführt. Parallelen aus dem hebräischen Jesu Sirach und anderen Schriften außerhalb des Kanons werden gelegentlich genannt, ohne daß Vollständigkeit angestrebt wird. An das Verzeichnis der mahnenden Verbformen werden sich dann Folgerungen, weitere Beobachtungen und Überlegungen zum Vergleich anschließen.
1 Umfassende Übersichten zu den atl. Mahnungen eben B. Mogensen: Israelitiske leveregler og deres begründete, Köbenhavn 1983 und P.J. Nel: T h e Structure and Ethos of the Wisdom Admonitions in Proverbs, BZAW 158/1982. 2 Z.B. Prov 3,4, vgl. auch rvn Prov 4,4; 7,2; 9,6. Eine scharfe Grenze zwischen auffordernden Verbformen und identischen Formen, die eine Folge oder Absicht ausdrücken, ist nicht immer leicht zu ziehen (vgl. H o s 10,12).
Weisheitliche und prophetische Mahnungen
anx ang Imp. m. sg. q.
a n s n - ^ x 2.m.sg.q.
rrn IKWI-V« 2.m.sg.hitp.
>3K Vas/^b» Imp. m.sg.q.
Hos 3,1 (Symbolauftrag); mit Suffix Prov 4,6 ( a m « Sir 7,21.30). Imp.m.pl.q. lang ist weisheitlich nicht belegt: Ps 31,24; Am 5,15; Sach 8,19. Prov 20,13 (die entsprechende Pluralform Sach 8,17)
Prov 23,3.6; 24,1 (Sir 16,1 niKJlil-VK) vgl. entsprechenden Prohibitiv Dt 5,18. (Die syrische Version von Prov 23,3 hat l' trg, cf. Ahiqar Z. 136: JJU1 Vxi.) Vgl. auch den akk. Weisheitsspruch aus Ras Schamra: „Do not covet (e te-es-si) anything of the master" (Fisher: Ras Shamra Parallels II, 390).
1 Sam 28,22 usw. Ez 3,1 Prov 23,7; 24,13; 25,16; Q o h 9 , 7 ; Sir 34,16 (insgesamt 15 Belege)
Imp. m.pl.q.
Gen 45,18 usw. Jes 55,1.2; Jer 7,21; 29,5.28 (insgesamt 10 Belege)
2.m.sg.hif.
Jer 12,6; Prov 26,25; Sir 7,26; 12,10; 13,11; 16,3
3.m.sg.
Job 15,31
iripsfl-Vx 2.m.pl. hsr naxfi-Vx 2. m.sg.q.
aiK a i p - ^ K 2.m.sg. q.
Mi 7,5; 2 Chr 32,15
Dt 9,4; Jer 1,7; Prov 3,28; 20,22; 24,29; Qoh 5,5; 7,10; Sir 5,1.3.4; 11,23.24; 15,11; 16,17; 34,12. Vgl. -IttX' 3.m.sg. Vetitiv Ahiqar Z. 194 u. 207.
Prov 24,15
-ipk Imp. m.pl.q.
143
Prov 9,6
144
Weisheitliche und prophetische Mahnungen Imp.m.sg.pi.
Prov 23,19
"ipsn-Vi? 2.m.sg.pi.
Prov 4,14; Sir 11,28
Vna Vnari-^s 2.m.sg.nif.
Qoh 8,3
Vnari-VK 2.m.sg.pi.
Qoh 5,1; 7,9
K13 Kian-^K 2.m.sg.q.
Jer 16,5; Ob 13; Ps 143,2; Prov 4,14; 23,10; 27,10
xiiri kV 2.m.sg.q. Prohibitiv Prov 22,24 na nan-^K 2.m.sg.q.
Prov 23,9; Sir 34,22 (Das Verb ist insgesamt 14 x belegt, davon 8x in Prov.)
naa n a a Imp. .m.sg. q. i n a 3 Imp. .m.pl.q. naan-Vs 2.m.sg.q. insan-V» 2. m.pl.q.
Ps 37,3.5; 115,9; Prov 3,5 Ps 4,6; 62,9; 115,10.11 Sir 5,5.8; 13,11; 16,3; 32,15.21 Jer 7,4; 9,3; Mi 7,5; Ps 62,11; 146,3
n H
Imp. m. sg. q.
Dan 9,23; 10,1(?). Die Langform n j ' 3 nur in Gebeten.
ira
Imp. m.pl.q.
Dt 32,7; Ps 50,22; 94,8
Imp. m. sg. hif.
Dan 9,23; Sir 37,13
i r a n Imp.m.pl.hif. Juss.2.m.sg.hif. «'ari-Vx 2.m.pl.hif.
Prov 8,5; Job 6,24 Prov 23,1 cj. Jes 6,9
IJiajin Imp.m.sg.hitp.
Job 37,14; Sir 3,22; 34,15
u j i a i i n Imp.m.pl.hitp.
Jer 2,10; 9,16; Job 37,14
Vn -Vnfl-Vx 2. m.sg. q.
Juss. 3. f. sg.q.
Prov 22,22 (entsprechender Prohibitiv Lev 19,13)
Prov 23,25 (Subj. „die Gebärende")
Weisheitliche und prophetische Mahnungen
145
3. m. sg. q.
Prov 24,17 (Subj. 13V)
Imp.m.sg.q.
Ps 22,9 (zitierte Mahnung); 37,5 (weisheitlich); Prov 16,3; Sir 7,17
137
Imp.m.sg. pi.
E x 6,11; Ez 3,1; J o b 33,32; 34,33 u.a.
1137
Imp.m.pl.pi.
Gen 50,4 usw. Jes 8,10; 30,10; 40,2; Sach 8,16
nai
2.m.sg.pi. H h
2 K ö n 18,26; Prov 23,9; Sir 11,8
Imp.m.sg.q.
Prov 31,9 (die entsprechende Pluralform i r r J e r 21,12)
2.m.sg. pi.
Prov 22,22 (Das Verb ist ziemlich selten)
Imp.2.m.sg.q.
Gen 12,2 usw.; Qoh 7,14 (insgesamt 13 Belege im A T . Imp.m.pl. l'fl ist nicht in den Weisheitsbüchern belegt) Sir 13,13
Imperf./Juss. 3.m. pl.q.
Prov 5,17 (Imp. V. 15) Q o h 5,1; 9,8 u.a.
2.m.sg.q.
Ez 2,8; Prov 3,7; 22,26; 23,20; 24,28; Q o h 7 , 1 6 . 1 7 ; Sir 4 , 2 9 . 3 0 . 3 1 ; 5,9; 6,1; 18,33 (die entsprechende Pluralform VHA-Vx ist weisheitlich nicht belegt: Sach 1,4; Ps 32,9; 2 Chr 30,7)
Imp.m.sg. q.
Gen 12,1; Hos 1,2 usw. In der Weisheit Prov 3,28 (im Zitat); 6 , 3 . 6 ; 14,7; Q o h 9,7
Imp.m.sg.q.
Prov 1,11; 7,18; Qoh 2,1 (in allen Fällen vor einer anderen Aufforderung: Lasst uns . . . )
R31 KSin-Vx rrn
v?' 'nn-Vx
wV Imp. m. pl.q.
2.m.sg.q.
l K ö n 18,21 usw. Jes 1,18; 2 , 3 . 5 ; 30,21; 50,11; 55,13; J e r 18,18; 6,16; E z 2 0 , 1 9 . 3 9 ; Hos 6,1; P s 3 4 , 1 2 ; Prov 9, 5 J e r 16,5; Prov 1,15; Sir 5 , 2 . 9 ; 8,15; 35,20
Weisheitliche und prophetische Mahnungen
146
ttn VVnrm-VK 2.m.sg.hitp.
Prov 27,1; Sir 8,7
Wnn'-V« 3.m.sg.hitp.
1 Kön 20,11 (sprichwörtlich); Jer 9,22.23
Imp. m. sg. nif.
Qoh 12,12; Sir 11,34; 35,22
Imp.m.sg.q.
Ex 32,13 (Gebet); Dt 9,7.27; 32,7 usw. Job 4,7; 7,7; 10,9; 36,24; Qoh 12,1; Sir 38,20
-im
"IDT "IDT
nr n?
Imp.m.sg. q.
ntfl-VK 2.m.sg. q.
Qoh 11,6 (vgl. die entsprechende Pluralform Hos 10,13; Jes 37,30 = 2 Kön 19,29) Sir 7,3; 37,29 (vgl. die entsprechende Pluralform Jer 4,3)
Van in^an Imp. m. sg. q. m. suff. Prov 20,16; 27,13 V-rn V-rn Imp.m.sg.q.
i?rn Pinn Imp.m.sg.hif.
Ex 14,12; Jer 40,4; Am 7,5 (Gebet); 2Chr 25,16; 35,21; Prov 19,27 (gefolgt von der infinitivischen Konstruktion 10115 23,4; Job 7,16. iVin. die entsprechende Pluralform kommt in Jes 1,16; 2,22 (weisheitlich geprägt); Sach 11,12 vor.
2 Sam 11,25; Ps 35,2; Prov 4,13
Dan Dan Imp.m.sg.q. m a n Imp.m.pl.q. Dsniiri-Vx 2. m.sg.hitp. •ran ihnn-Vi? 2.m.sg.q.
Prov 6,6; 13,20; 23,19; 27,11 Prov 8,33 Qoh 7,16; Sir 10,26
Prov 6,25 (entsprechender Prohibitiv Ex 20,14 = Dt 5,18; 7,25); Sir 14,14
Weisheitliche und prophetische Mahnungen
147
yn "Ii" Imp.m.sg.q -ion "ipm-Vx 3.m.sg.q. mn -innn-VR 2.m.sg.hitp. i n n II ihnn-V« 2.m.sg.q.
Prov 22,6 (Das Verb ist überhaupt selten im AT: insgesamt 5x)
Hld 7,3 (Wunsch); Qoh 9,8
Ps 37,1.7.8; Prov 24,19; Sir 11,9
Prov 3,29 Das Verb ist ziemlich selten (lOx). Die Hälfte der Belege steht bei Prov.
•pa Imp.m.sg. hif.m. suff. yv yj'fi-V« 2.m.sg.q. yT >n Imp.m.sg.q.
Prov 30,8
Prov 23,4
Gen 20,7; lSam20,7; 24,12; 2Sam24,13; l K ö n 20,22; Jer 15,15; Ps 139,23; Job 5,27; Job 11,6; Qoh 11,9 (m.suff. Prov 3,6); Sir 9,13; 12,11; 34,13.15; 38,12
nn
Imp.m.sg. q.
Prov 24,14
'H
Imp. f. sg. q.
lSam 25,17; Jer 2,19.23; 3,13; 6,8
in
Imp.m.pl.q.
Job 19,6 und sonst nicht in den Weisheitsbüchern des ATs.
jnn
2.m.sg. q.
Sir 7,3.20
nr 2.m.sg. hif.
"io? Imp.m.sg.pi.
Prov 9,8
Prov 19,18; 29,17; Sir 7,23; 30,13
10' 2.m.sg.hif.
Ex 10,28; Dt 3,26; Prov 30,6; Job 40,32 (entsprechenden Prohibitiv Dt 28,68; 13,
148
Weisheitliche und prophetische Mahnungen 1; Am 7,13. Es gibt keinen entsprechenden Vetitiv zu (DID'pin KV EX 5,7; 14,13; Dt 4,2; Jes 1,5; 1,13 u.a.) KS' KSfl-Vx 2.m.sg.q.
i p i n Imp.m.sg. hif.
Prov 25,8
Prov 25,17 Vgl. die Ermahnung in einem Vertragstext aus Ugarit: „... may you hold dear (lu-u aq-ra-ta-ak-ku) the King, his capital ..." (L.R.Fisher: Ras Shamra Parallels II, 161)
KT KT Imp.m.sg.q.
KT/I-^K 2.m.sg.q.
Prov 3,7; 24,21; Q o h 5 , 6 ; 12,13 (die entsprechende Pluralform I S T Jos 24,14; lSam 12,24; Ps 34,10) Diese Form hat ihre Heimat im „Heilsorakel" (Jer 1,8; Thr 3,57 usw.) und wird nur gelegentlich in der Weisheitsliteratur gebraucht Prov 3,25; Job 5,22.
133 "13? Imp.m.sg.pi
I« 159 Imp. m. sg. hif. 3/13 • 3/13 Imp. m. sg. m. suff.
Ex 20,12; Dt 5,16 (Dekalog) Prov 3,9; Sir 3,8; 7,31; 10,28
Prov 24,27; Ps 119,133 usw. Sir 35,2
Prov 3,3; 7,3 (vgl. die entsprechende dtr. Mahnung in Perf. cons. 0/13/131 D t 6 , 9 ; 11,20, vgl. auch Dt'27^3.8; Jer 36,2 /l?/131).
n* 3.m.pl.q.
onV iianV Imp.m.pl.q. 2.m.sg. q.
Prov 3,21 (Das Verb wird außerhalb Prov (5x) nur Jes 30,12 gebraucht).
Prov 9,5 Prov 23,6 (Das seltene Verb ist nur 6x belegt, davon 4x in Prov)
Weisheitliche und prophetische Mahnungen
Durch seine allgemeine Bedeutung ist das Verb weit verbreitet und wenig typisch für die weisheitlichen Mahnungen. T y pisch sind dagegen die verschiedenen O b jekte des Verbs („Zucht" usw.).
npi»
np Imp.m.sg. q.
nfi
149
Imp.m.sg.q.
inp Imp.m.pl.q.
2.m.sg.hif.
Gen 6,21 usw. P r o v 4 , 1 0 ; 27,13; J o b 22,22; Sir 34,22 Prov 2 0 , 1 6 Gen 42,33 usw. Prov 8,10; Sir 16,24 Vgl. auch Vetitiv 2.m.pl. in Ahiqar Z. 119: j n p ^ l ^X
Prov 30,10 (Das Verb ist insgesamt nur 2 x belegt)
OK» OKttfl-^X 2.m.sg. q.
Prov 3,11; J o b 5,17; Sir 7,19; 8,9
-in» -inan-Vx 2.m.sg.pi. -ina^-Vs 3.m.sg.pi.
Sir 6,7 Qoh 5,1 (Subj. -pV)
yaa yja
Imp.m.sg.q.
yaipn-^s 2.m.sg. q.
Prov 1,15; Sir 12,7 Prov 3,27; 23,13; 30,7; Sir 4 , 3 . 2 3 ; 7 , 2 1 . 3 3 ; 14,14; 35,3
mi nan-^s
2.m.sg. hif.
Q o h 7,18; 10,4; 11,6
nai an Imp. m. sg. hif.
(die Langform niäil nur im Gebet) Ps 17,6; 119,36; 144,5 (alle Gebete) Prov 4,20; 5,1; 22,17; Sir 4,8; 6 , 2 5 . 3 3 (Imp. m. pl. hif. l a n Jos 24,23; Jes 30,11; 55,3; Ps 78,1)
3.m.sg. hif.m.suff.
J o b 36,18 2.m.sg. Vetitiv ist nicht belegt. Der entsprechende Prohibitiv ngfl KV wird im Kontext des Gesetzes verwendet: Ex 23,6; D t 16,19; 24,17 (alle formelhaft mit O b jekt ttSipa).
150
Weisheitliche und prophetische Mahnungen V Täl
« n a j Imp.m.sg.q. 2.m.sg. q.
Vsn Imp. m. sg. hif.
Prov 17,14 Prov 1,8; 6,20; Sir 8,8; 9,10
Prov 24,11 (sonst gibt es andere Imperativformen, z. B. mit Suffixen, die vor allem in den Ps auftreten)
Imp.m.sg. nif.
Prov 6,3.5
Imp. m. sg. q.
Ps 34,14 (weisheitliche Mahnung); Prov 3,21; 4,23; 6,20 (Prov 4,13 mit Suff.); Sir 7,24 Vgl. Ahiqar Z.98 n» (Imp. von 1133 = -1X3).
-1x3
-iS' (Imperi./) Juss. 3.m.sg.q. KP 3 kwd-^K 2.m.sg. q.
ins Iii/Ii» Imp.m.sg. q.
Prov 3,1 (Subj. -pV)
Jes 2,9; Jer7,16; 11,14; Prov 19,18 (das Verb hier mit Objekt "|&D3 und in einer von den anderen Stellen verschiedenen Bedeutung); Sir 4,22; 7,35; 30,11; 35,2; 42,1 Gen 14,21 usw. Prov 9,9; Qoh 11,2; Sir 7,31.33; 10,28; 12,7.11; 14,13.16; 32,12; 36,21.20; 38,1
njn Imp.m.sg.q.
Prov 23,26; Gen 30,26 usw.
1311 Imp.m.pl.q.
Gen 23,4 usw. Jer 13,16; 29,6; Ps 68,35; Prov 31,6.31
irm-Vx 2.m.sg.q.
Dt 21,8 usw. Prov 2,3; 5,9; 6,4; 30,8; 31,3; Qoh 5,5; 7,21; Sir 30,21.28.31; 37,27 Das Verb |J13 findet wegen seines allgemeinen Inhalts eine breite Verwendung. Imperativ und Vetitiv sind u. a. in der Gebetssprache beliebt.
310 2.m.sg. hif.
Prov 22,28; 23,10 (der entsprechende Prohibitiv 3'Ofl KV Lev 19,14)
151
Weisheitliche und prophetische Mahnungen 110 110 Imp.m.sg.q.
Juss. 3.m.sg.q. n i o n - ^ K 2.m.pl.q. i p n Imp. m. sg. hif.
2Sam 2,22; Ps 34,15; 37,27 (diese Psalmstellen sind weisheitliche Mahnungen) Job 21,14 Prov 9,4.16 lSam 12,20 (V.21 dasselbe in Prohibitiv) Prov 5,8 1 Kön 20,24 (politischer Ratschlag); Am 5,23; Ps 39,11; 119,29 (die Psalmenstellen sind Gebete); Prov 4,24.27; Qoh 11,10
•uy Imp.m.sg.q. nhjfri-^K 2.m.sg. q. naynn-VK 2.m.sg.hitp. Imp.m.sg. hif.
ary a** Imp.m.sg. q.
Gen 18,3; Prov 4,15; Sir 14,4 Sir 5,7; 38,9 (hitp. ist im AT 8x belegt, in Prov u. Ps u. Dt 3,26) Qoh 11,10; 2Sam 24,10; Ps 119,37.39; l C h r 2 1 , 8 (Die nicht-weisheitlichen Belege sind alle Gebete)
Ps 37,8 (weisheitlich), Sir 3,13
Imp. m.pl.q.
Jer 48,28; Prov 9,6
2.m.sg.q.
Nu 10,31; Prov 27,10 (4,6 enthält dieselbe Form mit Suffix)
ntyri-VK 2. m.pl.q.
IV.rM
Prov 4,15; Ex 17,5 usw. (insgesamt 6x)
Prov 4,2
3. m.pl.q. m.suf.
Prov 3,3 (Subjekt
Imp.m.sg.q.
Gen 35,1 usw. (viele Belege); Prov 25,7
Imp.m.sg.q.
Dt 5,28 usw. Job 37,14 (insgesamt lOx); Sir 11,20
70fl)
my layn-Vx 2.m.sg.q.
Gen 19,17; 45,9; Ob 14; Prov 25,6; Qoh 8,3; Sir 11,20
nay n
3? Imp.m.sg.q. 2.m.sg. q.
Mi 6,3; Prov 26,5; Sir 5,12; 9,14 Prov 26,4
152
Weisheitliche und prophetische Mahnungen
2.m.sg.hitp.
Prov 24,21
Imp.m.sg. q.
Gen 6,14 usw. (viele Belege); Ps 37,3.27 (weisheitlich); Prov 6,3; 20,18; Qoh 9,10 (Die entsprechende Pluralform itfy befindet sich u. a. in prophetischen Mahnungen (Jes 56,1; Jer 22,3; Ez 45,9; Sach 7,9), nicht aber in der Weisheit. Die Mahnung „And now show thyself active (nXJnR) in my affair and so act (lay) as to please the gods and Arsam" in einem aram. Brief aus Elephantine klingt weisheitlich (G. R. Driver: Aramaic Documents Oxford 1954,35). Vgl. auch den altbab. Brief (R. Frankena: Briefe aus dem Britisch Museum, Leiden 1966,56 f.): „Tue dem Gotte und Samas einen Gefallen und schicke ihn zu mir".
Imp. m. pl.
Gen 42,18 usw. Nu 4,19; 2 Sam 3,18 usw. Jer 23,3; Ez45,9; Sach 7,9
Imp.m.sg. pi. m. suff.
Prov 24,27 (Das Verb ist nur hier und Job 15,28 (hitp.) belegt.)
Imp.m.sg.q.
2 Kön 6,17.20; 19,16; Jes 37,17 (alle Gebete); Prov 20,13
Imp. m. sg. q. m. suff. Prov 4,15 (Imp. nur hier im AT); Sir 38,20 2.m.pl.q.
Lev 10,6 (rituelle Anweisung); Prov 8,33 Das Verb ist 5x belegt in Prov (insgesamt lOx).
Imp.m.sg.q.
„öffne deinen Mund!" Prov 31,8.9 Vgl. den Spruch: „To your beloved woman do not open (e tap-ta-si) your heart" (L.R.Fisher: Ras Shamra Parallels II, 380).
Weisheitliche und prophetische Mahnungen Vip Vap Imp.m.sg.pi.
TP rpri-^K 2.m.sg. q. »P ^pri-Vit 2.m.sg.pi.
sjp Kipfl-Vl? 2.m.sg. pi.
153
Prov 19,20; 1 Chr 21,11 (in der besonderen Bedeutung: „Erwähle dir ..."; Ein prophetischer Spruch)
Prov 3,11; Sir 4,9; 6,25
Qoh 10,20 (vgl. Prohibitiv: Ex 22,27; Lev 19,14)
Ps 37,1 (weisheitlicher Spruch); Prov 3,31; 24,1.19; Sir 9,1.11; 30,39
3.m.sg.pi.
Prov 23,17
Imp.m.sg.q.
Gen 47,19 usw. Prov 4,5.7; 23,23 (insgesamt im AT l l x ) ; Sir 6,7; 36,29
nap
u p Imp.m.pl.q.
Sir 51,25 Vgl. Vetitiv 3.m.sg. Ahiqar Z.218: P'X H3p' V«
aip Imp.m.sg.q.
anpri-Vx 2.m.sg.q. anpnr-Vn 2. m. sg. hitp. a&p atfpn Imp.m.sg.hif.
(nicht weisheitlich belegt im AT) Sir 6,19; (sonst Lev 9,7; Dt 5,24; 2Sam 20,16; Jes 65,5) Ex 3,5; Prov 5,8; Sir 9,3 (entsprechender Prohibitiv Lev 18,14.19) Sir 13,10
Job 33,31
na'ijpn Imp.m.sg. hif.
Jer 18,19; Dan 9,19; Ps5,3; 17,1; 55,3; 61,2; 86,6; 142,7 (alle Gebetsanrufe) Prov 4,20; 5,1
na'tfpn Imp.m.pl. hif.
Hos 5,1 usw. Prov 4,1; 7,24
-i&p Imp. m. sg. m. suff.
Prov 3,3; 6,21; 7,3 (vgl. die entsprechenden dtr. Mahnungen in Perf.cons. DfllWpl Dt 6,8, Dfnippi Dt 11,18)
154
Weisheitliche und prophetische Mahnungen nm Imp.m.sg. q.
inn-Vx 2.m.sg. q. pm prnn Imp.m.sg.hif.
nn a ' i Imp.m.sg.q. nnn-^K
2.m.sg.q.
n j n II n j i n - V x 2.m.sg. hitp. nsn «yin-Vx 2.m.sg. hif.
Gen 13,14 usw. (viele Belege); Prov 6,6; Job 10,15; 22,12; 35,5; 40,11.12; Qoh 1,10; 2,1; 7,13.14.27.29; 9,9; Sir 6,36; 7,22; 43,11 Ob 12.13; Prov 23,31
Prov 4,24; 5,8; 30,8; Job 13,21 (m.suff. Job 11,14); Sir 7,2; 30,23
Mi 6,1; Prov 25,9 Prov 3,30 (Qere); Sir 8,1
Prov 22,24 (Das Verb ist selten und vornehmlich in der Weisheitsliteratur belegt)
Jos 10,6 (in einer Vertragsverhandlung); Prov 4,13
y«n 2.m.sg. q. nar n^ip Imp. m. sg. q. aip?-^ 3.m.sg.q. nai? naip Imp.m.sg. q. 2.m.sg.q.
TT® •ntffl-^R 2.m.sg.pi.
Imp.m.sg. q. JVS? rrn; Imp.m.sg.q.
Qoh 7,17
Prov 4,15 Prov 7,25
Dt 33,18; Prov 5,18; Qoh 11,9 Hos 9,1; Obd 12 (beide Gerichtsworte); Prov 24,17; Sir 16,1; 18,32
Prov 24,15
Gen 31,3 usw. Prov 3,28
Prov 27,23 (die Langform in Gebeten: Ps 9,21 ; 141,3)
Weisheitliche und prophetische Mahnungen
il'tffl Imperf.2.m.sg.
155
Prov 22,17 (mit jussivischer Bedeutung)
¡IDtf 2.m.sg.q.
Ps 10,12; 44,25; 74,19.23 (alle Gebete); Dt 8,19; Prov 4,5; Sir 37,6
yap y a ? Imp. m.sg.q.
Insgesamt zahlreiche Belege: Ps 143,1 usw. Prov 1,8; 4,10; 19,20; 23,19.22; Job 15,17; 33,1.33; 32,10; 34,16; 42,4; Sir 34,22
Imp.m.pl.q.
Zahlreiche Belege: Gen 37,6 usw. Ps 34,12 (weisheitlich); Prov 4,1; 5,7; 7,24; 8,6.32.33; Job 13,6.17; 21,2; 34,2.10; 37,2; Sir 16,24; 30,27; 41,14; 51,28
Imp. m.sg.q.
Ex 34,11; Dt 4,9; 12,28; l K ö n 8 , 2 5 ; 20,39; Hos 12,7; Mi 7,5; Ps 37,34.37; Prov 4,4; 7,1.2; Job 2,6; Qoh4,17; 8,2; 12,13; 2 Chr 6,16; Sir 4,20; 35,23; 37,8. Die Belege verteilen sich auf Mahnungen (hauptsächlich) und Gebetswünsche. Die entsprechende Pluralform IIB® ist nicht in der Weisheit belegt: Jos 6,18; 22,5; 2Sam 18,12; 2Kön 17,13; Jes 56,1; Ez 20,19; Esr 8,29; 1 Chr 28,8; 2 Chr 19,7.
Imp. m. sg. nif.
kommt nur einmal in der Weisheit vor: Job 36,21 (und Sir 6,13; 13,8.13; 35,22). Sonstige Belege gehören am häufigsten dem Dt/Dtr zu: Gen 24,6; 31,24.29; Ex 10,28; 23,21; 34,12; Dt 4,9; 6,12; 8,11; 12,13.19.30; 15,9; 24,8; lSam 19,2; 2Kön 6,9; Jes 7,4. Die entsprechende Pluralform n a ^ r t ist nicht so häufig: Ex 19,12; Dt 4,23; 11,16; Jer 9,3; 17,21. Vgl. l a s nan&K „hüte deinen Mund" Ahiqar Z.97.
2.m.sg.nif.
Prov 3,5; Sir 5,1.2
iat?
IF*
156
Weisheitliche und prophetische Mahnungen 239t? ¡29$ Imp.m.sg.q.
P r o v 3 1 , 9 (nur hier. Suffigierte Formen des Imperativs sind in der Gebetssprache der Ps beliebt. Die entsprechende Pluralform 1139$ ist vor allem in prophetischen Mahnungen belegt: Jes 1,7; 5,3; Sach 7,9; 8,16; Ps 82,3); Sir 11,6
np» inp^rr Imp.m.sg.hif. m. suff.
Prov 25,21
nn& nfitf Imp.m.sg. q.
Gen 2 4 , 1 4 . 1 8 . 4 4 . 4 6 ; 1 Kön 18,41; Hab 2,16; Prov 5,15; 23,7; Qoh 9,7
intp Imp.m.pl.q.
2 Kön 18,31; Neh 8,10 usw. Prov 9,5
nan 2.m.sg.q.
- w ? Juss. 3.m. sg.q. iDipri'-^ 3.m.pl.q.
nyr yriri-VK 2. m. sg.q.
Qoh 5,7
Prov 4,4; 29,23 Prov 2 8 , 1 7 Das Verb wird vornehmlich in der Weisheit gebraucht.
Prov 7,25
Im Verzeichnis der Verbformen sieht man, wie wenig der 2.m.pl. in den weisheitlichen Mahnungen Verwendung findet. Bei den prophetischen Mahnungen verhält es sich anders. 2.pl. ist dort, wenn nicht direkt bevorzugt, so doch zumindest dem 2. sg. ebenbürtig, der nur da gebraucht wird, wo eine kollektive Größe angeredet wird, etwa „Israel", .Jerusalem". Da der 2.m.pl. in den ältesten Teilen der Prov3 nicht angewendet wird 4 , könnte man vermuten, daß er auf einer Anlehnung an nicht-weisheitliche Formen des Alten Testaments beruht. Daß Prov 1,23 ff. und Kap. 1 0 - 2 2 , 1 6 , die verhältnismäßig wenige Mahnungen enthalten. Damit korrespondiert das Verhältnis, daß ' ) 3 „mein Sohn" der übliche Vokativ in Prov ist (1,8.10.15; 2,1; 3 , 1 . 1 1 . 2 1 ; 2 7 , 1 1 ; Qoh 12,12), während der Vokativ Q'J9 „Ihr Kinder" nur im jüngsten Teil der Prov vorkommt (4,1; 5,7; 7,24; 8,32). 3 4
Weisheitliche und prophetische M a h n u n g e n
157
Kap. 8 u. a. teilweise prophetischen Redeformen folgen, ist unzweifelhaft 5 . Die ganz allgemeinen Verben wie „essen", „gehen", „kommen" usw. sind natürlich im Alten Testament weit verbreitet. Ihre Verwendung in der Weisheit ist gekennzeichnet durch hervorstechende Objekte und andere Verbindungen 6 . Es ist jedoch auffallend, welchen großen Anteil in der Weisheitsliteratur die im Singular belegten mahnenden Formen haben. Eine ziemlich große Anzahl Verben haben, wie erwartet, ein deutlich weisheitliches „Profil"; sie werden vorzugsweise oder ausschließlich in weisheitlichen Texten gebraucht (z.B. DDH, 1 0 ' , "|ttfl). Die mahnenden Formen dieser Verben konzentrieren sich daher um so stärker in der Weisheitsliteratur. Die Anzahl mahnender Verbformen, die prophetischen und weisheitlichen Mahnungen gemeinsam sind, ist verhältnismäßig gering. Die Berührungen zwischen Prophetie und Weisheit beschränken sich selbstverständlich nicht auf diese Ebene. Der hier genannte Tatbestand, daß gemeinsame Verbwurzeln in den Mahnungen recht selten sind, läßt dennoch keine Folgerung auf einen ganz engen gattungsmäßigen Zusammenhang zwischen weisheitlichem und prophetischem Mahnspruch zu. Die sonst bei Willensäußerungen, Befehlen o. ä. oft vorkommende Partikel RJ läßt sich in den Proverbien überraschenderweise gar nicht belegen. Die Partikel VK, die zusammen mit dem Jussiv den Vetitiv bildet 7 , kann bekanntlich elliptisch statt eines Vetitivs auftreten (Am 5,14; Joel 2,13; Prov 8,10; 17,12b). Prov 27,2 ist dabei interessant. Hier stehen XV und beide elliptisch und im deutlich synonymen Paralellis-
5 Vgl. B. Gemser Komm.23; McKane Komm.274-76; Kayatz op.cit. 120-128; Lohfink: Das Hauptgebot, 97 behauptet auch Einflüsse der deuteronomischen Paränese in Prov 1-9. 6 Vgl. Sitompul op.cit.74f. 102. Zum Beispiel ist das weisheitliche Stichwort "ipia Objekt für die Verben i>in (Prov 19,27), np>V (8,10), OK» (Job 3,11; 5,17), y j » (Prov 23,13), bap (19,20), njp (23,23), (1,3.8; 4,1; 8,33). 7 Der Vetitiv kommt ja auch in den Gebeten der Psalmensprache vor. Er ist als grammatische Erscheinung nicht an bestimmte „Schulen" gebunden, wie es E. Gerstenberger in seiner Rezension von W.Richter: Recht und Ethos betont (JBL 86/1967,490). Richter mag aber darin recht haben, daß der weisheitliche Gebrauch des Vetitivs in Mahnungen sehr systematisch ist und daß darin ein proprium der weisheitlichen Mahnung besteht. Dieser Gebrauch ist eine Systematisierung des in der alltäglichen Sprache vorkommenden Vetitivs, der freier mit Prohibitiv und anderen Redensarten wechselt, ebenso wie der Prohibitiv des Gesetzes und Gebotes eines zwecks Spezialisierung entstandene Stereotypisierung der einen, bestimmten alltäglichen Ausdrucksweise ist, vgl. den gelegentliche Wechsel vom Prohibitiv zum Vetitiv im Gesetz, den J.Bright beschreibt JBL 92/1973, 185ff.
158
Weisheitliche und prophetische Mahnungen
mus 8 . Es ist jedoch unzweifelhaft, daß der Prohibitiv in der Weisheitsliteratur peripher ist. Der Prohibitiv wird auch in den prophetischen Mahnungen sehr wenig gebraucht. In Prov31,4 wird eigenartigerweise !?K ohne finîtes Verb benutzt 9 . Der Charakter der Partikel als Partikel des negativen Wunsches tritt deutlich hervor. Das Verb ist jedoch nicht weggelassen, sondern tritt im Infinitiv auf (Iii® „Trinken"). Gemser 10 zieht zum Vergleich Mi 3,1 und 2 Chr 26,18 heran. An beiden Stellen ist die Konstruktion jedoch eine andere: + \ mit Infinitiv. Die mit H-verlängerte Form des Imperativs wird in den Psalmen sehr viel häufiger gebraucht als in der Weisheit. Die Gebetssprache fügt auch sehr häufig Objektsuffixe den Imperativen und Jussiven hinzu. Diese beiden Merkmale der Gebetssprache sind auffallend. Übrigens brauchen wir hier den Unterschied zwischen Gebetssprache und weisheitlicher Mahnung nicht näher zu erörtern, weil ja die „Sitze im Leben" (Mensch - Gott, Mensch - Mensch) ganz verschieden sind und die Imperative und Jussive daher ganz verschiedene Funktionen annehmen (Gebet, Mahnung). Ganz eigentümlich ist der Modusgebrauch in Prov 23,1 f . u . Auf den ¿i-Satz („wenn du ...") l a folgt die Mahnung im Imperfekt-. (Ketib; = Qere). Die außergewöhnliche Form ist vielleicht durch das Wortspiel mit dem unmittelbar vorausgehenden Infinitiv desselben Verbs (|>3) verursacht. In 1,23 ist ebenso deutlich ein Imperfekt/Jussiv als Mahnung gebraucht: 131PÎI12. 23,2aa ist einmalig in Prov, indem hier ein Perfekt cons. ( f l W ) als Aufforderung benutzt wird, wie in dtr. Texten üblich. Das Verzeichnis der Verbformen läßt keinen Zweifel darüber bestehen, daß Imperativ und Vetitiv die bevorzugten Mittel der Mahnung sind, bloße Jussive sind eher selten. Darin sind weisheitliche und prophetische Mahnungen einander völlig gleich.
8 W. Richter: Recht und Ethos, 43 hat diesen Sachverhalt nicht genannt. Als Beispiele von Prohibitiven werden ibid 119 Prov 20,19; 22,24 (V.a Vetitiv; V.b Prohibitiv) angeführt. ' Vgl. D.T.Tsumura: The Vetitive Particle 'S and the Poetic Structure of Proverbs 31:4, AJBI 4/1978, 23-31. 10 Sprüche Salomonis (HAT 16), 108. 11 Vgl. R.Köbert: Zu Prov 23,1-2, Bibl 63/1982, 264f. 12 Wie Job 17,10; 22,23; J e r 4 , l ; Hos 12,7. Zum Aufbau der weisheitlichen Predigt Prov l , 2 0 f f . s. P.Trible: Wisdom builds a Poem, JBL 94/1975, 509-18 und J.A.Emerton: A Note on the Hebrew Text of Proverbs 1.22-23, JThSt 19/1968, 609-14. Job Kap. 22 ist auf ähnliche Weise nach dem Vorbild prophetischer Redeformen strukturiert ( V . l - 2 0 Anklage, 21-30 Mahnungen und Verheißungen).
Weisheitliche und prophetische Mahnungen
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Zuletzt sollen einige syntaktische Beobachtungen zum Vergleich zwischen weisheitlicher und prophetischer Mahnung angeführt werden. Zimmerli hat kurz und deutlich den üblichen Aufbau der weisheitlichen Mahnungen beschrieben 13 : „Am häufigsten ist bei Aufforderung oder Abmahnung die in Aussicht gestellte Folge . . . durch eingeführt. . . . Seltener wird die Folge einfach mit 1 eingeleitet . . . oder durch mit Infinitiv . . . Schließlich ist die Folge einfach unverbunden in einem neuen Satz neben die Aufforderung gesetzt. Ebenso tritt auch die finale Verbindung (durch ¡^öV) . . . seltener auf. Bei Verboten dagegen findet sich Warnung außer durch vor allem durch |D eingeleitet. . . . Es bleibt nach alledem ein kleiner Rest von Versen zu betrachten, welche direkte Mahnung ohne Begründung und Hinweis auf die Folgen enthalten." Kayatz, Lang, Richter und Sitompul haben später differenziertere Analysen vorgelegt, die u.a. zeigen, wie die Mahnworte der Weisheit konditional ausgestaltet werden können, wie sie auch durch Reihenbildung 14 in größere Kompositionen sich einfügen. Dies sind alles formale Merkmale, die sich schon bei den vorexilischen Propheten finden lassen: Kettenbildung (Jes 1,10-17), Konditionalsätze (Jes 1,18-20), Motivierung durch K-Sätze, D^gl? usw. 15 . Es muß in diesem Zusammenhang betont werden, daß ähnliche syntaktische Strukturen auch in der Gebetssprache hervortreten (Vetitive, Imperative, Reihenbildung, Motivationen mit |D usw.). Die syntaktische Struktur allein genügt also nicht als Kriterium zur Beschreibung der Eigenart prophetischer und weisheitlicher Mahnung. Vielmehr kommt man dieser Eigenart näher, wenn man Wortfelder, Vokabular und Thematik vergleichend untersucht. Zur Struktur der atl. Weisheit, ZAW 51/1933, 185f. Prov 3,25-32 reiht besonders viele Vetitive aneinander. Extrem lange Reihen Mahnworte, die je mit 'al eingeleitet werden, gibt es in Sir Kap. 4.5.7.8. In den Psalmen werden Vetitive in Gebeten nur ein-, zwei- oder dreimal (Ps 83,2) hinter einander ausgesprochen, Imperative können dagegen größere Reihen formen. 15 (Jer 13,16; Z e f 2 , 2 ) ist in Prov nur 3x belegt, in einer Mahnung nur Prov 30,7. nur l x in Prov, 4x in Q o h . jyöV ist insgesamt nur 3x in Prov, 2x in J o b belegt. |9 kommt in Prov insgesamt 18x vor. Die hervorragende Partikel zur Motivation in Prov ist '3 mit 96 Belegen. l>
14
KAPITEL 6
Deuteronomische Paränese und prophetische Mahnung Dem Phänomen der Paränese in den alttestamentlichen Gesetzessammlungen ist in jüngerer Zeit einiges Interesse gewidmet worden, vor allem in Untersuchungen von B. Gemser, W. Beyerlin und N. Lohfink. Begriff und Form der Paränese sind jedoch vorläufig recht unbefriedigend definiert worden. Sie bedürfen noch weiterer Untersuchung, auch aus unserem Blickwinkel. Aufbauend auf dem Ergebnis B. Gemsers', daß die Tendenz zur Einfügung von begründenden und anderen motivierenden Sätzen sich von den ältesten zu den jüngsten Gesetzessammlungen im Pentateuch steigert, analysiert W. Beyerlin „Die Paränese im Bundesbuch" 2 . Er definiert Paränese im B als die Texte „nicht-rechtlicher Art" (K-Sätze u.ä.), die „darauf abzielen, Gehorsam zu wecken" 3 . Die Paränese soll nicht durch deuteronomisch-deuteronomistisches Eingreifen als Rückprojektion zustandegekommen sein. Sie trage aber die „Kennzeichen mündlichen Vortrags" 4 . Sie sei „einfacher, weniger reflektiert" und daher älter als die deuteronomische und „offenbar eine Vorläuferin der deuteronomischen Paränese" 5 . Sie entstammt wahrscheinlich dem lebendigen „kultisch-sakralen Rechtsvortrag" 6 (nicht aber der Sippenbelehrung - gegen Gerstenberger). Nach Beyerlin ist somit Paränese ein das Gesetz auslegender und zum Gehorsam ermunternder, mündlicher Vortrag im Rahmen des amphiktyonischen Bundeskults, dessen späterer Ausläufer das Deuteronomium ist. Schon in einer 1963 veröffentlichten Abhandlung hat sich N. Lohfink 7 eingehend mit der dtn. Paränese befaßt. Er entnimmt den Texten 1 „The Motive Clause in Old Testament Law" jetzt in: „Adhuc loquitur", Leiden 1968, 96-115. Vgl. weiter H.Rücker: Die Begründungen der Weisungen Jahwes im Pentateuch (Erfurter Theol. Studien 30), Leipzig 1973, 3 ff.34 ff. 2 In: FS H.-W. Hertzberg, Göttingen 1965, 9 - 2 9 . 5 Ibid. 11. 4 Ibid. 13. 5 Ibid. 17. ' Ibid. 21(f.). 7 Das Hauptgebot. Eine Untersuchung literarischer Einleitungsfragen zu D t 5-11. (Anal Bibl20), Rom 1963.
Deuteronomische Paränese und prophetische M a h n u n g
161
verschiedene Formeln und Redeformen, u. a. „das paränetische Schema" 8 . Dabei geht er davon aus, daß Dt 5-11 eine rein literarische Komposition ist, die „jenseits der einfachen vorliterarischen Gattungen steht" und diese „souverän" zu „eigenen und neuen Zwecken" verwaltet 9 . Dt 5-11 darf als „Paränese" bezeichnet werden in dem Sinn, daß es um die „Haltung" eines größeren literarischen Gebildes geht, wie z. B. auch in den Bezeichnungen „lyrisch" und „episch"10. Wie später auch Beyerlin rechnet Lohfink damit, daß „Haltung und innere Form der Paränese offenbar" dem Kult entstammen 11 . Die Paränese gründet sich auf das Gebot, das sie ermahnend auslegt, vgl. insbesondere Dt 5-6: „Eigentlich gebietende Haltung steht also inmitten der Paränese als ihr tragender Grund und Bedingung ihrer Möglichkeit" 12 . Lohfink will somit nicht bestreiten, daß Paränese sowohl „Haltung" als „Form" ist. Sein Beitrag versucht ja auch ihre verschiedenen Formen und Formeln herauszuarbeiten. Er hat ihre zentrale Funktion als werbende „Ermahnung" bestimmt 13 , hat aber trotzdem bei der Beschreibung der formalen Seite eben dieser Funktion die Verwendung des Imperativs, Prohibitivs und sonstiger Verbformen innerhalb der Paränese wenig beachtet. Ein Stück weiter in dieser Hinsicht führt dann W. Richter mit seinem Exkurs über „Das Gebot", das „Feste, Opfer und Riten" regelt 14 . In diesen Texten kommt nicht nur der Prohibitiv vor, sondern auch die entsprechende Verbformen ohne und zwar im Sinne einer „Bestimmung, Vorschrift" 15 . Solche Verbformen gibt es aber auch in der Paränese16, vgl. z.B. den zusammenfassenden Satz Ex 23,13a: „In allem, was ich zu euch gesagt habe, sollt ihr euch in acht nehmen" (niawri). Ein anderer Terminus als „Gebot, Bestimmung" oder „Vorschrift" wäre in diesem Fall wohl vorzuziehen. Eher könnte man sich auf den von W. Groß vorgeschlagenen Terminus „Injunktiv" 17 einlassen. Der Injunktiv bildet demnach an sich keine Gattung, sondern ist ein Stilele» Ibid. 90 ff. ' Ibid. 107. 10 Ibid. 271 f. 11 Ibid. 272. 12 Ibid. 278. 13 Ibid. 277 f. 14 Recht und Ethos, 88-91. K. Rabast: Das apodiktische Recht im Deuteronomium und Heiligkeitsgesetz, Berlin 1949, 34 nimmt an, daß sich das positive „Gebot" (Lev 19,18.32) erst allmählich als Ergänzung zu den Prohibitiven entwickelt habe. Ahnlich beurteilt R. Kilian BZ 7/1963, 201 das Gebot als „paränetische Erweiterung und positive Steigerung des Verbotes". 15 Richter op. cit. 90. 16 Worauf Richter nicht eingeht, H.Graf Reventlow auch nicht in dem von Richter op.cit.90A.146 angeführten Artikel. 17 S. oben S.
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Deuteronomische Paränese und prophetische Mahnung
ment, das eine Gruppe von verschiedenen kultisch geprägten Gattungen kennzeichnet. Auch diese Stilform dürfte auf einer Systematisierung einzelner Elemente der Alltagssprache zu bestimmten Zwecken beruhen 18 . Insgesamt steht fest, daß Prohibitive und Injunktive nicht nur in Gebotsreihen, Ritualen usw., sondern auch in der paränetischen Umrahmung und Auslegung der Gebote und Verbote Verwendung finden. M. E. hat man bislang jedoch nicht genügend darauf geachtet, in welchem Verhältnis der Injunktiv und die anderen „mahnenden" Verbformen in der Paränese zueinander stehen. Wenn man dies tut, bekommt man m. E. einen besseren Einblick in die formale Eigenart der dtn./dtr. Paränese, wobei man auch besser den Vergleich mit prophetischen Formen der Mahnung ziehen kann. Im Dt ist es auffallend, wie Vetitiv und Imperativ gegenüber Prohibitiv und Injunktiv zurücktreten. Vetitive gibt es im Dt nur in 15 Versen. Sie verteilen sich folgendermaßen: 3x in Gebeten (9,26.27; 21,8). Ix in Gottes Gebets-Verbot an Mose (3,26; vgl. Jer 7,16; 11,14; 14,11) 4x in zitierten Heilsorakeln oder „Kriegsansprachen" 19 der Priester (1,21; 3,2; 20,3; 31,6). 4x in Einzelmahnungen, die Gottes Anweisungen über das Verfahren Israels beim Einzug in das Land sind (2,3.5.9.19). Ix im Stammessegen Dt 33,6. Schließlich gibt es nur zwei Belege dafür, daß Dt bei direkter Anrede an das Volk zur Paränese den Vetitiv verwendet: 9,4 (IÖKJtVx )20 und 9,7 (nDSjfl-^K "13T). 9,4 warnt vor Hochmut bei der Landnahme, 9,7 will an die Schuld Israels in der Vergangenheit erinnern. Als Mittel der Paränese zur Einschärfung des Gebots ist der Vetitiv daher nur eine Randerscheinung. Stärker vertreten ist der Imperativ im Dt. Sein Vorkommen ist jedoch bei näherem Hinsehen ziemlich begrenzt. Der Imperativ kommt wie der Vetitiv in Gebeten, Heilsorakeln, einzelnen Anweisungen Gottes zur Landnahme und Gottes Aufträgen an Mose vor, also in Gattungseinheiten, die dem größeren paränetischen Gefüge untergeordnet sind. 18
Vgl. Richter op. cit. 52. G.v.Rad: Gesammelte Studien II, 137. 20 Der Vetitiv „sage nicht ...!" ist in der Weisheit beliebt, vgl. "l»X in unserem Verzeichnis zur Weisheitsliteratur, vgl. auch Weinfelds Hypothese von der Berührung von D t mit der Weisheit. 19
Deuteronomische Paränese und prophetische Mahnung
163
Exkurs: Imperativ im Dt Ebenso wie der Vetitiv wird der Imperativ im Dt vornehmlich in einigen kleineren Gattungen gebraucht: 1. Heilsorakel oder Kriegs-Ansprachen. Dt lehnt sich hier sicher eng an traditionelle Formen an, wie die prophetischen Parallelen erhärten. Die Abschiedsworte von Mose an Israel 31,6a sind sehr ausführlich mit zwei Imperativen und dazu parallel mit zwei Vetitiven gestaltet: ixipxi iprn on'jD» irijtfi-Vsn iKTfi-^x V. 6 b begründet den Zuspruch durch einen ki-Satz. Deutliche Parallelen zum Vetitivteil sind Dt 1,21; 3,2; 20,3; Jes 1,9; 10,25; vgl. Jes 43,1 usw. Man beachte, daß in Dt 1,29; 7,21 der Prohibitiv dasselbe ausdrückt. Die Sprache des Heilsorakels kann also auch dem paränetischen Stil des Dt ganz angeglichen werden. Parallelen zum Imperativteil des Spruches sind Dt 31,7.23; Jos 1,6.7.9.18; 10,25 (alle diese Stellen haben dasselbe Wortpaar im Imp.) 2Sam 13,28; 1 Chr 22,13.20; 2Chr32,7, vgl. Jes7,9; 41,6.10; Hag 2,4. Man beachte die Möglichkeit, daß in ähnlichem Kontext in dtr. Texten der Imperativ durch das Perfekt cons. ersetzt werden kann: l K ö n 2,2; Jos 23,6 a21. 2. Befehle an das Volk zum Aufbruch und zur Landnahme sowie Anweisungen zum Vorgehen bei der Landnahme (besonders Dt Kap. 1-2; 1,7 f. 21.40; 2,3; 9,23 u. a.). Auch aber in diesen Gattungen werden der Injunktiv und Prohibitiv häufig verwendet: 1,17; 2,6 ff. usw. 3. Zitierte Befehle oder Aufträge Gottes an Mose: Dt 1,42; 3,27.28; 5,27. 4. Zitierte Gebete: Dt 9,27; 21,8.
Der Imperativ wird auch als Ausdruck der Mahnung zu Gehorsam und Gottesfurcht, also als eigentliche Paränese verwendet, dann aber nur in sehr begrenztem Umfang und bei einer begrenzten Anzahl von Verben, und zwar bei den Verben, die sich in der dtn. Paränese besonderer Beliebtheit erfreuten. Als Beispiel sei der häufigste Terminus der dtn. Gebotsparänese angeführt, "lÖP. Der Imperativ m. sg. q. "iblp kommt insgesamt nur zweimal im Dt vor: 4,9; 12,28 (sonst nur Ex 34,11 im Penta-
21
prn und fÖR scheinen als theologische Leitbegriffe besonders in die Thematik des heiligen Krieges hineinzugehören, vgl. G. von Rad: Der heilige Krieg im alten Israel, Göttingen 4 1965, 9 ff.
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Deuteronomische Paränese und prophetische Mahnung
teuch. Der Plural wird im Dt überhaupt nicht gebraucht). Statt dessen steht gewöhnlich Injunktiv: iHB«h DfTinip
-lb?fl (!)mai?il
4,40; 6,3; 7,11; 8,6; 11,1; 16,12; 17,10; 26,16 (S. auch Ex 13,10; 15,26; l K ö n 2,3; 6,12) 4,6; 5,1.29; 7,12; 11,8.32; 29,8 (s. auch Ex 12,17.24.25; 19,5; 31,14; Lev 18,5.26.30; 19,37; 20,5; Jos 22,3 u.a.) 23,24 (s. auch Gen 17,9; Ex 23,15; 34,18) 6,17; 8,1; 13,1.5; 24,8 (s. auch Gen 17,10; Ex 31,13; Lev 18,4; 19,3.19.30; 25,18; 26,2.3 u.a.)
Der Infinitiv abs. wird im Gegensatz dazu in gebietender/mahnender Bedeutung wenig gebraucht: Dt 5,12; 6,17; 11,22; 16,1; 27,1 (sämtliche alttestamentliche Belege zu dieser Form von "1057). Das Perfekt cons. ist die häufigste Form der Ermahnung. Es kann den ersten Satz eines Abschnitts einleiten (Dt 11,1 ... fiaHRI), es kann einem Satz mit Imperativ folgen (Dt 5,1.28 f.; 6,5 usw.), oder einem Satz mit Imperfekt (Dt 8,1 f. usw.). Der Imperativ kann bekanntlich auch einen Satz oder Abschnitt eröffnen (4,23.32; 6,3 usw.) und hat vorwiegend hier seinen Ort. Es werden im folgenden weitere Beispiele verzeichnet, die den dtn. Gebrauch der Verben zur Paränese gut sichtbar werden lassen22. Die Aufzählung der Belege ist, was Dt betrifft, ziemlich vollständig. Belege aus anderen paränetischen Texten, vor allem aus der dtr. und prophetischen Literatur werden ebenfalls genannt, jedoch ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn belegt, werden Imperativ m. sg.u.pl., Perfekt cons. 2.m.sg. u.pl. und die entsprechenden Formen des Imperfekts (Injunktiv und Prohibitiv) angeführt. a n s q. il^HKI
Dt 6,5; 11,1; Lev 19,18.34 Dt 10,19 (sämtliche Belege im AT) Imp. und Impf. 2. p. sind nicht belegt im Dt.
q.
h
22
Dt 5,27 (Botenauftrag an Mose) Imp.pl. nicht belegt im Dt Dt 5,30; 13,5; Jer20,6 (Prohibitiv) usw. Der entsprechende Singular fehlt im Dt.
U.a. M.Weinfeld: Deuteronomy und N.Lohfink: Das Hauptgebot bringen ausgezeichnete Listen der dtn./dtr. Termini, auch der bevorzugten Verben. Diese nehmen aber nicht auf unsere Differenzierung Bezug.
Deuteronomische Paränese und prophetische Mahnung
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Dt 14,25; 16,7; 26,2 Der entsprechende Plural nicht belegt im Dt. 13T q.
-idt n?r -lärfl rnan DfllDTl H ' q.
wn
Dfin'i
D t 9,7; 9,27 (Gebet); 32,7 (Gebet) Jes 4 6 , 8 . 9 ; J e r 51,50; Mal 3,22; Ps 105,5; N e h 4 , 8 ; 1 Chr 16,12.15 (sämtliche Belege). Im Dt nicht belegt. Dt 7,18 Der entsprechende Plural nicht belegt im Dt. Dt 5,15; 8 , 2 . 1 8 ; 15,15; 16,12; 2 4 , 1 8 . 2 2 Nicht in Dt belegt, sondern Nu 15,39 u. a. Kein Imp. in Dt (auch kein Imperf. Inj.) Dt 4,39; 7,9; 8,5; 9 , 3 . 6 ; l K ö n 20,13; E z 2 5 , 7 ; 3 5 , 4 . 1 2 u.a. Dt 11,2; J o s 23,14; 1 Kön 20,28; Ex 6,7; 10,2; 16,12; Ez 6 , 7 . 1 3 u.a.
q.
DjnaVi l a V pi.
ornaVi
Weder Imperativ noch Injunktiv in Dt Dt 5,1 (sonst keine Belege des Perf. cons. 2.p. im A T ) Imp. m.sg.m.suff. Dt 31,19 (Gottes Auftrag an Mose). Sonst keine Belege des Imp. im Dt. (m.suff.) Dt 5,28; sonst keine Belege des Imperf. im Dt Dt 11,19 einziger Beleg des Perf. cons. im Dt
"ray q.
Imp. nicht belegt im Dt. D t 5,13; 6,13; 7,16; 10,20; 15,19; Gen 27,40 u.a. D t 13,5; Lev 25,46 u.a.
973*7
D t 2 8 , 3 6 . 3 9 . 4 8 . 6 4 ; Ex 13,5; 2 S a m 9,10 (sämtliche Belege) Dt 4,28; 11,16; Jos 23,16; 24,20; 1 Sam 1 2 , 1 4 . 2 0 . 2 4 ; E x 23,25; Nu 18,7 u.a.
Dfl73?1 n&y q. nfafl
ar'i??!
Imp. nicht belegt im Dt. D t 5 , 8 . 1 4 (beide Stellen mit X^); 12,14; 15,1.17; 16,8 (Prohibitiv); 16,13; 17,11; 20,15; 2 2 , 3 . 1 2 ; 2 2 , 2 6 (Prohibitiv); Ex 22,29; 23,12 usw. D t 12,4.8 (beide Prohibitive); Ex 20,23 u.a. D t 3,2; 5,13; 6,18; 10,1; 12,27; 1 6 , 1 . 1 0 . 1 2 ; 17,10; 22,8; 23,24; 26,16; 27,10; 30,8; E x 20,9; 23,22 usw. Dt 4 , 6 . 1 6 . 2 3 . 2 5 ; 7,12; 19,19; 29,8; 31,5; Lev 19,37; 2 0 , 8 . 2 2 ; 22,31; 2 3 , 1 2 . 1 9 ; 25,18; 26,3; J e r 11,6; Ez 36,27; Neh 1,9 u.a.
^R® q. Dt 4,32; 32,7; Ri 18,5 usw. (Imp.pl. fehlt im Dt, so auch Injunktiv im ganzen)
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Deuteronomische Paränese und prophetische Mahnung
Dt 4,1; 5,1.24; 6,4; 9,1; 20,3; 27,9; 33,7 (Gebet). Sonst im A T viele Belege: Jer 22,2; Ps 143,1; Prov 1,8 usw. nicht im Dt belegt Dt 4,30; 6,3; 12,28; 17,4; 27,10; 30,2.8; Ri 7,11 usw. nicht im Dt belegt: 1 Sam 12,14 (dtr. Rede); Jes 1,19 (in 'im -Satz) Dt 13,4.9 (beide Prohibitive) u.a. Dt 1,17 u.a. (am meisten in im-Sätzen) (die verschiedenen Formen sind je vollständig belegt) D t 4 , 9 ; 6,12; 8,11; 12,13.19.30; 15,9; 24,8; G e n 2 4 , 6 ; 31,24.29; Ex 10,28 (von einem Vetitiv gefolgt); 23,21; 34,12; 1 Sam 19,2; 2 K ö n 6,9; Jes 7,4; Job 36,21. Im Pentateuch folgt dieser Form sehr o f t -|B Gen 24,6 (Abraham beauftragt seinen Diener) und 1 Sam 19,2 dürften auf die Herkunft des warnenden 1JJ®'!' aus der Alltagssprache schließen lassen. Dt 4,23; 11,16; Ex 19,12 (kultische Einzelanweisung); Jer 9,3 (als Teil einer Beschreibung des Unheils); Jer 17,21 (dtr. Predigt)
Dt 23,10
Dt 2,4; 4,15; Jos 23,11; Mal 2,15.16 Ex 23,13 (Paränese) Bei Tö® nif. ist also ausnahmsweise der Imperativ in der Paränese am stärksten vertreten. Andere Mittel der dtn. Paränese sind schon g e n ü g e n d beobachtet w o r den: die Unterstreichung der M a h n u n g durch zusätzliche infinitivische Ausdrücke ( z . B . 8,6: Ulk nKT^I . . . m n ' TliS» die Motivierung durch Sätze, die m i t J ^ t t V und |S eingeleitet werden 2 3 . Konditionale DK-Sätze werden auch ö f t e r zur Einschärfung und Motivierung des G e botsgehorsams eingeführt. N u n m e h r läßt sich der Vergleich mit prophetischen M a h n u n g e n ziehen. Auf der syntaktischen Ebene ist der Unterschied bei der V e r w e n dung der V e r b f o r m e n sehr auffallend. D i e zentralen Stilmittel des D t 23
S. die ausführlichen Liste bei Rücker op.cit. 7.
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sind Injunktiv und Prohibitiv, während diese in den prophetischen Mahnworten rein marginal auftreten. Hos 12,7 enthält einen Imperfekt-Injunktiv. Weil die Sprache dieser Mahnung kultisch geprägt ist, könnte die Verbform ihr Vorbild in kultischer Paränese haben, die auch in gewisser Weise den Hintergrund des Dt bildet. Jer 4,1 f. verwendet Imperfekt und Perfekt cons. als Injunktiv. Außerdem kommt auch ein Prohibitiv vor. Injunktiv und Prohibitiv sind jedoch Ausnahmeerscheinungen in prophetischen Mahnworten. Im übrigen sind die Mahnungen grundsätzlich ähnlich aufgebaut. Dt weist einen weniger variierten, eher monotonen, wiederholenden und ausladenden Stil auf. Der Wortschatz des Dt ist ziemlich begrenzt. Imperativ und Vetitiv treten zurück. Die außerhalb Dt überlieferten dtr. Reden wären einer genaueren Untersuchung wert. In diesem Zusammenhang müssen einige summarische Bemerkungen genügen. Zunächst kann festgestellt werden, daß sich in den dtr. Reden im großen und ganzen derselbe paränetische Stil wie in Dt findet. In Gottes Rede an Salomo in Gibeon (1 Kön 9,3-9) kommt die Mahnung nur indirekt zum Ausdruck in 'zm-Sätzen von dtr. Rhetorik. In der Ermahnung des alten Davids an Salomo 1 Kön 2,2-9 begegnet kein einziger Imperativ, dagegen einmal Vetitiv V.9. Sonst werden nur Injunktiv und Prohibitiv verwendet. Jos 23 und 24 sind Paralleltexte. Im ersten Kap. kommt kein Imperativ im mahnenden Redeteil (V. 6 ff.) vor; am strukturell gleichen Ort (nach dem Geschichtsrückblick) in Kap. 24 taucht eine ganze Reihe von Imperativen auf: V. 14: ... n s i o i D'arqi irix vrpjn m n ' - ; i x i x t n/iyi v . 15: ... mrra ... vgl. Dt 30,19: n-mai Die Auswahl der Verben bleibt trotzdem auf der Linie der dtn./dtr. Terminologie. Die Rede Samuels an Israel 1 Sam 7,3 beinhaltet einen Konditionalsatz, dem drei Sätze im Imperativ folgen. Ein Satz mit finalem Jussiv schließt die Rede ab. Der Appell des Elia auf Karmel 1 Kön 18,21 enthält einen anklagenden Fragesatz und zwei gleichförmige Konditionalsätze, denen jeweils der gleiche Satz mit dem Imperativ 131? folgt. Bei den beiden letzten Beispielen, in denen Propheten reden, ist es nicht unangemessen, prophetische Gattungen als Vorbilder für die verhältnismäßig häufige Verwendung des Imperativs zu vermuten, wie das klassische Beispiel der dtr. Nachahmung prophetischer Rede 2 Kön 17, 1324 verdeutlicht. 24
Zu 2Kön 17,13 vgl. W.Dietrich: Prophetie und Geschichte (FRLANT 108), 42-46. Wegen der Spätdatierung dieser Stelle behauptet I. L. Seeligman: „Anders als bei den klas-
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Deuteronomische Paränese und prophetische Mahnung
Ähnliches läßt sich auch für die Verwendung des Imperativs in den chronistischen Büchern feststellen, vgl. 2Chr 15,2-7; 19,7; 20,15-17; 28,9-11 (Prophetische Mahnungen); l C h r 2 2 , 1 9 ; 2 C h r l 3 , 1 2 ; 19,10; 29,5-11; 30,6-9 (priesterliche und königliche Mahnungen) 25 . sischen Propheten fehlt (in den Königsbüchern) auch jeder Aufruf zur Umkehr" (Die Auffassung von der Prophetie in der deuteronomistischen und chronistischen Geschichtsschreibung, VTS 29/1978, 267, vgl. 275). Diese These dürfte nur formal stichhaltig sein. Vgl. weiter W.E.Lemke: The Way of Obedience: I.Kings 13 and the Structure of the Deuteronomistic History, in: FS G.E.Wright: Magnalia Dei, New York 1976, 301-26. 25 Der Rückgriff auf die Gesetze Ez 20,7.18-20 geschieht nicht durch Injunktiv/Prohibitiv, sondern durch Imperativ/Vetitiv.
KAPITEL 7
Traditionsgeschichtliche Erwägungen zur Forderung der Umkehr Für Arnos und Hosea, die ältesten der Schriftpropheten, scheint im religiösen Sinn selbstverständlich zu sein. War dies denn zu ihrer Zeit schon ein gängiger Sprachgebrauch? E.K.Dietrich 1 meint, den „Umkehrgedanken", also den Begriff der Umkehr, auf Mose und die Forderung des Ersten Gebots zurückführen zu können. Die spezifische Verwendung der Wurzel aitf in dieser Bedeutung läßt sich aber nicht so leicht zurückverfolgen. Es scheint, daß die Propheten die ältesten datierbaren Belege bieten. Würthwein nimmt (wahrscheinlich wegen der fehlenden Belege aus der Zeit vor den Schriftpropheten) an2, daß erst die klassischen Propheten den religiösen Gebrauch von süb geschaffen haben 3 . Die haben ein allgemeines Verb der Bewegung als Bild in ihre Rede eingeführt. Die Selbstverständlichkeit, mit der süb in Am 4,6 ff. verwendet wird 4 , veranlaßt aber dazu, die Frage zu stellen, ob nicht dieser Wortgebrauch schon durch prophetische oder sonstige Tradition vorgegeben ist. Man könnte z. B. fragen, ob die ältesten Quellen des Pentateuch (J und E) süb im religiösen Sinn kennen. Tatsächlich kommen zwei Stellen in Frage: Nu 14,43 und 32,15. Diese und einige andere verwandte Stellen außerhalb des prophetischen Schrifttums werden im folgenden zur Sprache kommen. Zu Nu 14,43 Über die Quellenzugehörigkeit dieses Textes urteilen die Forscher unterschiedlich 5 . Die meisten halten jedoch Nu 14,39-45 für grund1 Op.cit. 25-34. 2 T W N T ( = T h W N T von Kittel) IV, 984: „The prophets did not, of course, invent a special term for their own view of penitence. T h e y regarded a common secular term as quite adequate to express the process they had in view, and they thus preferred it in their own usage." 3 Die eben angeführte Aussage Würthweins ist sehr kurzgefaßt, und daher besteht eine gewisse Gefahr der Mißdeutung seiner Ansicht. 4 Vgl. die Auseinandersetzung von B. Otzen mit H. Barstad über „Umkehr" in Am 4 (Amos og afguderne, N T T 84/1983,181). 5 Vgl. neuerdings die etwas zurückhaltende Bewertung des Kommentars von H.Jagersma: Numeri (Bd.I), Nijkerk 1983, 203.
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Traditionsgeschichtliche Erwägungen
sätzlich jahwistisch (oder Jsek) oder JE: B.Baentsch 6 G.B.Gray 7 , N. Snaith8, S. McEvenue 9 , J. de Vaulx 10 ; J: Eißfeldt 11 , Noth, G.W.Coats 1 2 , V. Fritz13, S. Mittmann 14 , J. Sturdy15. Nu 14,41-43 ist eine anklagende, drohende und warnende Kriegsansprache Moses. Das Volk wird vor einem Kriegsunternehmen gewarnt. Wegen der Sünde des Volks (41a 16 u. 43 ba) wird das Unternehmen nicht gelingen. Für das sündhafte Verhalten bedient sich die anklagende Begründung in 43 b des Ausdrucks nifl' '"inxio Oflai? „ihr habt euch von Jahwe abgekehrt". Eben die Verbindung von 31P q. + HAN? veranlaßt W. L. Holladay 17 dazu, die Quellenzugehörigkeit von Nu 14,43 anders als bisher üblich zu beurteilen. Er behauptet, dieser Ausdruck sei „a new idiom", der wahrscheinlich der Sprache der nachexilischen P entstamme. Als Argument dafür führt er an, daß der genannte Ausdruck in Reden vorkommt, deren Quellenzugehörigkeit unsicher sei18: Nu 14,43; 32,15; Jos 22,16.18.23.29; 1 Sam 15,11. Er bestreitet jedoch nicht die Zugehörigkeit von N u 14,43 zu JE. Warum kann dann nicht der Wortgebrauch aus J(E) stammen und von späteren Schichten übernommen worden sein?19
' Exodus-Leviticus-Numeri (HKAT), Göttingen 1903, 531 f. 7 Numbers (ICC), Edinburgh 1903, 164. 8 Leviticus and Numbers (NCB), London 1969, 146 f. ' A Source-Critical Problem in Nm 14,26-38, Biblica 50/1969, 453-65, 459, 463. 10 Les Nombres (Sources bibliques 9), Paris 1972, 177 f. 11 Synopse, 62f.277, vgl. F.Stolz: Jahwe und Israels Kriege, Zürich 1972, 71. 12 Rebellion in the Wilderness, Nashville 1965, 139. 13 Israel in der Wüste (Marburger Theol. Studien 7), Marburg 1970, 20.23 f. 14 Deuteronomium 1,1-6,3, BZAW 139/1975, 52-55. Mittmann vermutet dabei Spuren einer „dtr. Redaktionsschicht" in der jahwistischen Erzählung (V.39a.42.44b). 15 Numbers (CBC), Cambridge 1976, 106. " Der Ausdruck m n , - , S 11$ "lay scheint ein Merkmal des Jahwisten zu sein (Nu 14,41; 22,18; 24,13 J; Nu 27,14 P) und wird außer 1 Sam 15,24 nur im Pentateuch verwendet (G.B.Gray: Numbers, 167 gibt nicht alle Belege). Dt und das dtr. Geschichtswerk bevorzugt m » (Hif. oder Q) + m n ' 'D für dasselbe Dt 1,26.43; 9,23; Jos 1,18; 1 Sam 12,14.15; 1 Kön 13,21.26. Die weiteren Belege sind nur noch Nu 20,24 (P nach Eißfeldt) und Thr 1,18, vgl. Baentsch op.cit.532. 17 The Root Subh, 126f. 18 Ibid. 126. 19 Alle Belege von sub Q + me'ahare im religiösen Sinn sind in Holladay op.cit. 80 f., verzeichnet. Man könnte eher versucht sein, den Ausdruck als Deuteronomismus zu beurteilen, weil die meisten Belege auf diesen Bereich entfallen. Rein deuteronomistisch scheint aber der synonyme Ausdruck "110 + (mn') 'UlKS zu sein: Dt 7,4; 1 Sam 12,20; 2 Kön 18,6 (von diesem Sprachgebrauch abhängig 2Chr25,27; 34,33, wohl auch Hi 34,27).
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Zu Nu 32,15
Numeri Kap. 32 gilt allgemein als ein mixtum compositum, was die Quellen anbelangt 20 . V. 5-15 setzen anscheinend schon die vorliegende Gestalt der Kundschaftererzählung Nu 13-14 voraus 21 . Nu 32,15 begegnet genau dieselbe Ausdrucksweise bei sub wie 14,43. Den Kontext bildet hier eine „Strafrede Moses" 22 in der Situation des heiligen Kriegs wie Nu 14,39-45. Ungehorsam im heiligen Krieg bedeutet Abfall vom Herrn. Die Drohung V. 15 scheint durch den Abfall bedingt zu sein ('? Der Ton der Drohung ist noch stärker als in Nu 14,39 ff 23 . Der Strafe kann niemand entrinnen. Zu Jos 22, 9ff
M. Noth 24 bestreitet jegliches Vorhandensein „der Hexateuch-Quelle P" im Josuabuch. Jos 22,9-34 sei auch nicht ein P-Stück, sondern ein „sehr später Einzelnachtrag zum Buche Josua". Eine gewisse Nähe dazu hinsichtlich des Inhalts und Stils ist jedoch kaum zu leugnen, vgl. die Rolle des Priesters Pinchas und Vokabeln wie m y , D'®K325. J.A. Soggin rechnet jedoch damit, daß V. 9-34 „show traces of Deuteronomic redaction" 26 . In V. 16, wo auch sub me'ahare begegnet, findet er die Spur einer P-Redaktion im Gebrauch der Wurzel byfi. Diese Redaktion soll in V. 17 auch die Anspielung auf Nu 25 angebracht haben. Bei der Vokabel ^ytt ist jedoch Vorsicht geboten. Wie R. Knierim bemerkt, ist es nicht auszuschließen, daß die Jo&uastellen (7,1; 22,16.20.22.31) dtr. sein könnten 27 . Auf die beim Deuteronomisten übliche Weise wird das Verb in V. 16 durch V 4- Inf. (2117) ergänzt. Der Parallelbegriff (Jos 22,18.22) hat auch seinen ersten theologischen Schwerpunkt im dtr. Bereich28. Der theologische Gebrauch dieses Worts ist jedoch im dtr. Werk keine Neuerung, sondern wahrscheinlich 20
Baentsch Komm, ad loc. 664f.: Rp; JEP bei G.B.Gray Komm.426.429; Sturdy Komm. 221: „P school"; vgl. Holladay: The Root §ubh, 126; s. auch die Übersicht bei M. Ottosson: Gilead, Lund 1969, 74 ff. 21 M. Noth Komm, ad loc. 204. 22 Baentsch Komm. 664. 23 Vgl. Mittmanns Analyse, BZAW 139,97.104. 24 Überlieferungsgeschichtliche Studien, Darmstadt 3 1967, 190, vgl. C. Steuernagel: Deuteronomium und Josua (HAT Abt.I Bd. 3), Göttingen 1900, 236. 25 Vgl. H.W. Hertzberg A T D 9, 1969 4 , 125-27 und J.A. Soggin: Joshua, London 1972, 214 f. Nach J. S. Kloppenborg gehört Jos 22,9 ff. Zu P, die jedoch altes Gut verarbeitet hat (Joshua 22: The Priestly Editing of an Ancient Tradition, Biblica 62/1981, 347-71). 26 Komm. 214. 27 T H A T I 920. 28 Vgl. R. Knierim, T H A T I 925-28.
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eine weitere Benutzung von älteren Überlieferungen, vgl. die Warnung T n j p r r ^ K Jos 22,19, die schon in Nu 14,9 (J)29 vorkommt. Der „Abfall" von Jos 22,9 ff. besteht darin, daß einige Stammesgruppen illegitim einen Altar bauen. Dieser kultische Verstoß ist nur im weiteren Rahmen mit der Thematik des heiligen Krieges verknüpft 3 0 .
Zu lSam 15,11 Die Uberlieferungen von Sauls Verwerfung 1 Sam 15,10 ff. können schwerlich den bekannten Pentateuchquellen zugeordnet werden 31 . Es liegen hier wahrscheinlich alte Uberlieferungen zugrunde, bei denen die dtr. Redaktion geringfügige oder gar keine Spuren hinterlassen hat 32 . Nach W. Dietrich 33 müßte jedoch V. 10 f. ein redaktioneller Einschub (Dtr N, nachexilisch) sein. Er dürfte darin recht haben, daß die „Wortereignisformer (... ^R m n ' T H ' n ' l ) einer dtr. Redaktionsschicht entstammt, da sie sonst erstmals bei Jeremia erscheint 34 . V. 11 dagegen steht in Widerspruch zu V. 29 aufgrund einer urtümlichen und älteren Vorstellungsweise 35 . Die Wendung mfl' 'inRtt 11® darf nicht als redaktionell geprägt betrachtet werden 36 , wenn sie auch in 1 Kön 9,6 vorkommt 37 , wo sie in einer Reihe eindeutig dtr. Klischees steht. Die Wendung hat wahrscheinlich eine Vorgeschichte und wurde vom Dtr übernommen, wie oben gezeigt wurde. Nichts dürfte somit gegen die Annahme sprechen, daß 1 Sam 15, 10 ff. im Grundbestand eine alte, in einem frühen prophetischen Kreis beheimatete Erzählung ist, die vom Dtr vorgefunden wurde 38 .
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Nach M.Noth, cf. V.Fritz: Israel in der Wüste, 19. Nu 14,9 ist eine Kriegsanspra-
che. 30 Vgl. auch die Anspielung auf Achan V.20. Nach Soggin: Joshua, 215 ist diese Anspielung von der dtr. Redaktion zugefügt worden. 31 Vgl. M.Noth: Uberlieferungsgeschichtliche Studien, 62f. 32 Vgl. H.J. Stoebe: Das erste Buch Samuelis (KAT VIII/1), Gütersloh 1973, 278 ff., insbes. 279: Es sei nichts „Deuteronomistisches" im Kap. 15, 280: 1 Sam 15 ist „ein selbständiges Überlieferungsstück". 33 Prophetie und Geschichte, op. cit. 71 A.22. 34 Gegen W.Dietrich ibid.71 f. 35 Vgl. J.Jeremias: Die Reue Gottes (BS 65), Neukirchen-Vluyn 1975, 17 f.27 ff. (bes.29f.). 36 Stoebe Komm.292 bemerkt, daß die Wendung „Ausdruck prophetischen Denkens, nicht ausgesprochen priesterlich" sei, cf. Jer 3,19. 37 Gegen W.Dietrich op.cit.71. Er nimmt auf die weiteren Belege nicht Bezug. 38 Vgl. weiter F.Stolz: Jahwes und Israels Kriege, Zürich 1972, bes. 137.
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Nach A.Weiser ist V. 10-24 „das Kernstück" von 1 Sam 1539. Die prophetische Anklage wegen des Banngesetzes steht deutlich im Dienst des heiligen Krieges. Die Wendung sub me'ahare -, die einen „negativen" Umkehrbegriff darstellt, dürfte somit kaum eine Neubildung sein. Sie ist wahrscheinlich schon vor der Zeit des Deuteronomiums im Gebrauch. Ihr „Sitz im Leben" scheint ausgesprochen kultisch-rituell zu sein. Vor allem wurde der heilige Krieg mit seinen Riten und Forderungen als Kontext belegt. „Abfall" in dieser sprachlichen Form wird selten von den Schriftpropheten genannt, nur Jer 3,19. Üblich ist + ja. Zu vergleichen ist jedoch Ez 14,11 (nrnta njm). J. Milgrom meint, das Fehlen der bei den Propheten geläufigen Verwendung von 31® in den älteren erzählenden Quellen bedeute, daß noch nicht (vor Jeremia) der Hauptterminus für Umkehr geworden war. Außerdem ist der Begriff der Umkehr in P nicht identisch mit dem der Propheten 40 . Der Terminus „Bekenntnis" (rnifln) 4 1 bei P steht zwar dem Begriff „Umkehr" nahe, bezeichnet aber das Bekenntnis der Sünde beim D®K-Opfer. Die oben angeführten Texte lassen trotzdem verspüren daß die prophetische Verwendung von 31® im religiösen Sinn nicht freie Erfindung ist, sondern zumindest auf bekannten Sprachgebrauch aufbaut. Die folgenden Texte dürften wahrscheinlich machen, daß den Propheten 31® in der Bedeutung „(zu Jahwe) zurückkehren" zumindest in einem Teil der kultischen Poesie ihrer Zeit vorlag. Hosea 6,1-3 ist ein Schlüsseltext für die Frage nach dem „Sitz im Leben" der Umkehr außerhalb der prophetischen Literatur. Im folgenden wird die Hoseastelle unter besonderer Berücksichtigung der Frage nach ihrer Gattungszugehörigkeit behandelt, eine Frage, die u.E. in den Kommentaren bisher nicht in aller Schärfe gestellt worden ist, die aber für die Frage nach der Herkunft des religiösen Umkehrbegriffes von größter Bedeutung ist. Nach allgemeiner Auffassung wird dem Volk in Hosea 6,1-3 ein Lied in den Mund gelegt, dem als Zitat die Funktion der Anklage im 39
1 Samuel 15, ZAW 54/1936, 1-28, 5. H.Seebaß: 1 Sam 15, ZAW 78/1966, 148-79 betont stark das Wachstum der Überlieferung. Er weist V . l l der ersten „Variante" der Erzählung von Sauls Verwerfung zu (177). 40 The Priestly Doctrine of Repentance, RB 82/1975, 186-205 (bes. §9-15), jetzt auch in: J. Milgrom: Studies in Cultic Theology and Terminology, Leiden 1983, 47 ff. (vgl. auch
S.Xf.). 41
Lev 5,5; 16,21; 26,40; Nu 5,7 (s. weiter Dan 9,4.20; E s r l 0 , l ; Neh 1,6; 9,2.3; 2Chr 30,22), vgl. auch HT Hif. Ps32,5; Prov28,13 und rn'in in den Aufforderungen Jos 7,19; Esr 10,11.
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Rahmen der größeren Redeeinheit (V. 1-6) zukommt. Obwohl es sich vielleicht nicht um ein ganz wortwörtliches Zitat handelt, ist es sicher eine auf realen Vorbildern basierende Äußerung, zumal sich ihre Sprache keineswegs als karikierend herausstellt42. Vielmehr scheint die Sprache völlig mit der kultischen Volksfrömmigkeit jener Zeit übereinzustimmen 43 . J.Jeremias verleiht dem Tatbestand Nachdruck, daß die „Willenserklärung" des Volkes in Hos 6,1-3 „voll hoseanischer Begrifflichkeit ist"44, daß sie also in dem eigenen und unverwechselbaren Sprachgebrauch des Propheten ergeht. Diese Sicht läßt sich mit der eben genannten in Einklang bringen, weil ja die typisch hoseanische Sprache aus der Sprache des zeitgenössischen Kults so vieles schöpft. Unter Hinweis auf Gunkel/Begrich: „Einleitung in die Psalmen" (1933,117 ff.) nimmt Wolff in seinem Kommentar an, daß V. 1-3 „ein in jenen notvollen Tagen von der Priesterschaft angestimmtes Bußlied"45 sei. Gunkel/Begrich zählen das Lied zur Gattung „Klagelieder des Volkes"46, und zwar als Teil einer „prophetischen Liturgie"47. Wolff stellt diese Gattungsbestimmung nicht in Frage, sondern unterstützt sie durch Motiwergleiche mit den Klagepsalmen: Es gibt „Klage-, Schuldbekenntnis-, Gelübde- und Bußmotive", allerdings nur in äußerster Knappheit „hinter breiten Vertrauens- und Zuversichtsaussagen" im zweistrophigen Gedicht (V. 1 f. und 3)48.
42 Wolff: Komm. 148 betont, daß das Lied nicht „fingiert" sein kann, sondern ein wirkliches Liedfragment aus der Gegenwart Hoseas ist (so auch W.Rudolph in seinem Komm.). Er meint jedoch, daß es erst von den Tradenten der Hoseaworte als Hilfe „zum Verständnis der folgenden Frage" hinzugefügt worden sei (ibid. 149). Wenn aber das Liedfragment „unentbehrlich erschien" (ibid. 149), war es wahrscheinlich schon irgendwie in der ursprünglichen Verkündigungssituation aufgekommen, und man sollte nicht ausschließen, daß es Hosea selbst in seiner Rede zitiert habe, vgl. den Zitatgebrauch Hos 2,7; 9,7. Vgl. weiter I.Egnell, der behauptet, Hosea zitiere aus „einem nordisraelitischen Psalm oder Liturgie", SEÄ 32/1967, 27. 4J Ibid. 149. 44 Hosea 4-7 in: FS Würthwein, Göttingen 1979, 47-58, 55. Daß der Text durch seinen hoseanischen Duktus und seine „Verzahnung mit 5,12-14 ... kaum als Reflex mündlicher Verkündigung gedeutet werden kann" (ibid.), ist eine Folgerung die mir bislang nicht einleuchtend scheint. Sollte es keine engen „Verzahnungen" in Sequenzen mündlicher Verkündigung beim Propheten geben? Ohne nähere Begründung wird Hosea der Text 6,1-3 von O. Loretz abgesprochen (Tod und Leben nach altorientalischer und kanaanäisch-biblischer Anschauung, BN 17/1982, 37-42). 45 Komm. 148 46 Einleitung in die Psalmen, 117 §4. Zur Bezeichnung „Bußlied" ibid. 131 u. 251. Die Bußlieder bilden danach durch ihre Thematik „Unterarten" oder Untergruppen der Gattungen „Volksklagelieder" und „Klagelieder des Einzelnen". 47 Ibid. 117.137 f. 48 Komm. 149.
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Wolff beobachtet die Kohortative V. 1 und 3 und bemerkt ihre gliedernde Funktion, fragt aber nicht, inwieweit sie sich in die Gattung „Klagelied des Volkes" einordnen lassen. Wahrscheinlich sieht er ihren Ort im zuvor genannten „Gelübdemotiv", dessen Verbalausdruck in den Klagepsalmen öfters der Kohortativ ist49. Aber ist die Thematik hier wirklich dieselbe wie in den Gelübden der Klagepsalmen? Ein ganzes enges Verhältnis läßt sich nicht feststellen, wenn man die Übersicht C. Westermanns 50 heranzieht. In Ps44,9 (74.21)51; 79,13; 106,47f.; 115,18 ist das wichtigste Thema das Loben Gottes. Gott werden Lob und Dank versprochen. In den Klagepsalmen des Einzelnen werden auch Opfer versprochen (Ps27,6; 54,8; 66,13-16) 52 . In Hosea 6,1-3 geht es dagegen um den Beschluß zur Umkehr und zur Suche nach Gotteserkenntnis. Die einzige naheliegendere Parallele unter den Klagepsalmen des Volkes ist Ps 80,19. Nach der Bitte „Deine Hand schütze ..." V. 18 folgt der Entschluß V. 19 a „so wollen wir nicht von dir weichen" Daß hier Imperfekt statt des zu erwartenden Kohortativs steht, ist nicht ganz unüblich 53 . Das Verb J10 bezeichnet im Verhältnis zu Jahwe „sich zurückziehen, zurückweichen", also den Abfall als Gegensatz zu Gehorsam oder Umkehr 54 . Mit Recht macht Westermann 55 auf die Nähe zur Erklärung des Volkes bei Sichern aufmerksam Jos 24,16-18. 21. 24, worin das Volk auf den Appell Josuas jeder Verbindung zu den Göttern entsagt und Jahwe allein Gehorsam verspricht 56 . Es fragt sich jedoch, ob dieses Thema eigentlich ins Gelübde des Klagepsalms gehöre. Der Sitz im Leben scheint für das Gelöbnis des Vol49 Cf. C. Westermann: Lob und Klage in den Psalmen, Göttingen '1977, 39 f. Ibid. 44 f. gibt Westermann Gründe dafür an, „daß das Lobgelübde seinem Wesen nach in die KE ( = Klagepsalm des des Einzelnen) gehört und dann durch Motivübertragung in die KV ( = Klagepsalm des Volkes) gekommen sein wird". Darum kann man auch keineswegs mit großer Wahrscheinlichkeit vermuten, daß zur Zeit Hoseas der KV regelmäßig ein Gelübde enthalte. Trotzdem rechnet Westermann ibid. 46 damit, daß Hosea 6,1-3 eine (vollständige!) KV ist, worin das Gelübde freilich nur „angedeutet" wird. 50 Lob und Klage, 45. Vgl. Gunkel/Begrich: Einleitung in die Psalmen, 133, wo auch Ps 20,6; 21,14 u.a. aufgeführt sind. 51 Ps 74,21 enthält nur einen entfernten Anklang an das Gelübde. 52 C. Westermann: Lob und Klage, 57. 53 Vgl. 190} Ps 79,13 und hier inj?} Ps 80,19b. Erst V.20b bringt den erwarteten Koh. nach der Bitte (n^ijnjl „damit wir gerettet werden/so werden wir gerettet"). Vgl. Gunkel/Begrich: Einleitung in die Psalmen, 248. 54 W. L. Holladay: The Root $UBH, 156. Qal findet sich allerdings nur Ps53,4; 80,19; Prov 14,14, während Nif. in ungefähr gleicher Bedeutung etwas häufiger ist. 55 Lob und Klage, 45. 5 ' In Imperfekt l'iyj/yn'Vi
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kes in Josua 24 nicht genau derselbe zu sein wie der des Klagepsalms des Volkes 57 . Bei Ps 80,19 a dürfte es sich daher um einen Anklang, einen Hinweis auf das - vielleicht dem Klagepsalm vorausgehende - Gelöbnis der kultischen Treue handeln. Eine weitere Parallele zu Ps 80,19 ist Hos 14,2-4. Die Mahnung zur Umkehr beschreibt durch Zitate „idealer" Bußäußerungen den Weg zum echten Jahweverhältnis. V. 3 b enthält ein Bekenntnis der Zuversicht („du vergibst Schuld") oder ein klagendes Flehen („Willst du nicht Schuld vergeben?" 58 ), danach ein spiritualisiertes Opfergelübde im Kohortativ, das dem Gelübdeteil der Klage- und Dankpsalmen des Einzelnen entspricht 59 . Das Opfer scheint dann die folgende Absage an die fremde Macht und an die Abgötter zu sein (V. 4). Von dieser „prophetischen Liturgie" kann man aber schwerlich auf einen bestimmten Ablauf des wirklichen Kultrituals schließen, etwa: Klagelied oder Vertrauenslied und Gelübde sowie Abrenuntiatio 60 . Daß aber das kultisch-liturgische Geschehen als irgendwie formbildend hinter der prophetischen Rede steht, ist kaum zu bezweifeln 61 . Zur Ortung der Abrenuntiatio der Götter oder des Entschlusses zur Umkehr im Klagepsalm des Volkes reicht der Tatbestand von Ps 80,19 und seinen Parallelen nicht aus. Die in den Klagepsalmen übliche Thematik des Gelübdes kommt übrigens klar zum Ausdruck in Ps 80,19 b, wo unzweifelhaft der Lobpreis gemeint ist ( i n j ? ) Auch in den ausführlichen nachexilischen Bußpsalmen Esr 9,6-15; N e h 9 , 6 f f . ; Dan 9,4-19 kommt der Entschluß zur Umkehr oder das Gelübde der Umkehr nicht zum Ausdruck (auch keine anderen Gelübde) 63 . 57
Westermann: Lob und Klage, 45. » Wolfis Korrektur, Komm. z. St. 300. 59 Vgl. Westermann: Lob und Klage, 57.78 (s. u.a. Ps 22,26; 41,11; 56,13; 66,13; 116,14.18; Jon 2,10). 60 Vgl. Westermann: Lob und Klage, 45. " Vgl. Die Inaugural-Dissertation von M. Gerlach: Die prophetischen Liturgien des Alten Testaments, Bonn 1967, u.a. 101 f. 62 Nach der Bitte um Leben (IPnn). In Hos 6,2 steht keine Bitte um Leben, sondern nur das Bekenntnis der Zuversicht: rpnjl ... M'JHV Die letzte Verbform könnte auch als Gelübde verstanden werden: „wir wollen vor seinem Angesicht leben". Zur Thematik des „Lebens" (Ps 80,19b, vgl. Hos 6,2) in Bitten und Gelübden vgl. Ps 30,4; 56,13f.; 71,20; 119,17.25; 138,7; 143,11. Daß das weitere Ziel des versprochenen Lobpreises ein gottgefälliges Leben und sogar die Umkehr der Sünder ist, kommt gelegentlich zum Ausdruck Ps 56,13 f. 51,15. Vgl. weiter die Ausführungen bei H.-J. Hermisson: Sprache und Ritus im altisraelitischen Kult ( W M A N T 19), Neukirchen-Vluyn, 49. i} Nach Gunkel/Begrich (Einleitung, 249 f.) sind die „Gelübde der Frömmigkeit" eine späte Erscheinung in den Klagepsalmen des Einzelnen, vgl. vor allem Ps 119,15.17.27.44.46 usw. Auch in diesem Psalm taucht aber die herkömmliche Thematik des Gotteslobs in den Gelübden am Ende des Psalms auf (V. 171.175). 5
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Eine wenig beachtete Parallele zum Bußlied Hos 6,1-3 ist Thr 3,40f. Die Selbstaufforderungen zur Reue und Buße (dreimal Kohortativ pl. V.40, einmal Imperfekt l.pl.V.41), vor allem V.40b (vgl. Hos 6,1 ad), erinnern stark an das Lied bei Hosea. An beiden Stellen wird auch mit Bezug auf Jahwe in der 3. Person geredet. Zur Feststellung des Verwandtschaftgrades ist deshalb eine genauere Analyse geboten. Wie ist Thr 3,40 f. im Kontext verankert? Vertritt der Text eine eigene Gattung, und falls ja, welchen Sitz im Leben reflektiert sie? Die Grenze zwischen V. 39 und 40 ist beinahe allgemein anerkannt. In 1-39 spricht im Stil der Klagepsalmen ein Ich, in 40 ff. eine Gruppe in l.p. Plöger 64 nennt V.40-42 „Sündenbekenntnis", Wambacq 65 nimmt V. 40-47 als „kollektives Schuldbekenntnis und Klagelied" an; nach Fuerst 66 ist 40-41 ein „call to self-examination and repentance", während V. 42 als „confession ... introduces the communal lament in verses 42-7". Nur H.-J. Kraus 67 zieht die Grenze zwischen V. 38 und 39 ff. und bezeichnet 39-41 als „Aufruf zur Volksklage" und 42-47 als „kollektives Klagelied". V. 39 mit seiner didaktischen Sprache und seinen rhetorischen Fragen paßt aber stilistisch noch besser zum vorhergehenden weisheitlich geprägten Gedicht (vgl. besonders die mit Fragen parallel aufgebauten V. 37 f.). Insgesamt behauptet sich wohl die maßgebende Analyse von GunkelBegrich68 noch immer gut, wonach Thr 3 als ein „Mischgedicht" („eine Mischung der Gattungen") zu behandeln ist. V. 40-41 sollen dann eine „ebenfalls (wie 26 ff.) den Formen der Weisheitsdichtung entstammende Mahnung" sein. Diese bildet einen „Übergang ... zum Volksklageliede" mit „Sündenbekenntnis" 42 und „Klage" 43-47. In den soeben genannten Analysen wird beinahe durchgängig vorausgesetzt, daß V. 40 f. einen eigenen Abschnitt bildet. Ob dieser als eigenständiges Gattungsstück oder als Teil des folgenden Klageliedes betrachtet wird, ist jedoch nicht immer klar. Jedenfalls scheinen Gunkel/Begrich und Fuerst V. 40 f. als eigene Mahnung zur Umkehr vom folgenden Lied abzuheben. Diese Annahme wird dadurch bestätigt, daß die Volksklagepsalmen des Psalters keine solche Einleitung aufweisen. Obwohl Thr 3 sicher eine literarische Komposition aus verschiedenen Elementen bietet, dürfte sich hier doch „ein lebendiges Kultgeschehen" widerspiegeln 69 . 64
Komm. 148 f. Komm. 338. 66 Komm.240. 67 B K A T X X 2 i960, 54ff. 68 Einleitung in die Psalmen, 401. " Wie es Kraus in seinem Komm.(12 f.) noch stärker als wir unterstreicht. O. H. Steck rechnet mit Begehungen der Bundeserneuerung und Klage als Sitz der Threni (und u. a. 65
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Dieser Schluß dürfte die weitere Annahme nahelegen, daß, wie hier dem Volksklagepsalm eine Aufforderung zur Buße vorausgeht, so auch der tatsächlichen Bußfeier Israels ein eigener Aufruf zur Buße vorausgeht. Auf diese Weise läßt sich erklären, warum auf der einen Seite der Aufruf zur Buße in enge Verbindung mit dem Volksklagelied in T h r 3 gebracht werden kann, und warum auf der anderen Seite diese Aufforderung für sich allein in H o s 6 zitiert wird. Es handelt sich um eine selbständige Gattung im Rahmen der Bußfeier. In diese Feier bezieht zwar auch H o s 14,2-4 seine Vorbilder ein, jedoch in einer freien, sehr fragmentarischen und der prophetischen Mahnung zur Umkehr völlig untergeordneten Art. Um welche Gattung geht es in Hos 6,1-3 und T h r 3,40f.? Wir haben die Bezeichnung ,Bußlied' als zu diffus und in der Bedeutung ,Klagepsalm des Volkes' als irreführend bewertet. ,Sündenbekenntnis' u. ä. ist ebenfalls zu ungenau (damit ist auch z.B. Ps 51 abgedeckt). Nicht präziser sind die hinsichtlich T h r 3,40 f. oben genannten Bestimmungen „Mahnung" (Gunkel/Begrich) und „Aufruf zur Volksklage" (Kraus). „Mahnung" ist ein recht allgemeiner Begriff, der weiterer Differenzierung bedarf. In Hos 6,1-3 und T h r 3,40 f. handelt es sich nicht um prophetische Mahnungen zur Umkehr, sondern um den Entschluß des Volkes zur Buße, die Vorbereitung zur Bußfeier. Vielleicht stimmt ein Vorsänger das Lied an (vgl. Hos 6,1), und das Volk schließt sich der herkömmlichen Liedgattung an. Entweder geschieht dies am heiligen Ort oder in der Umgebung, wohin das Volk in Scharen pilgert. Die vorgeschlagene Bezeichnung „Aufruf zur Volksklage" scheint sich daher für diese bisher unzureichend beachtete Liedergruppe besser zu eignen. Möglicherweise läßt sich diese Gattung noch anderen bekannten Gattungen zuordnen. Die sogenannten „ Wallfahrtspsalmen"70, die gattungsmäßig keine ganz einheitliche Gruppe darstellen, dürften z.T. ähnliche Formen enthalten, und ein ähnlicher Sitz im Leben wäre ebenfalls nicht auszuschließen. In dem Fall muß die Frage gestellt werden, ob Bußmotive in den Wallfahrtspsalmen anklingen. Natürlich finden Wallfahrten nicht nur zur Bußfeier des Volkes statt, sondern zu allen gemeinsamen Festen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß viele Wallfahrtspsalmen des Psalters keine Bußmotive enthalten. Das „Bußlied" Ps 130 ist das einzige klare Beispiel eines Wall-
Ps 79.106; Jes 63,7-64,11, cf. Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten (WMANT 23), Neukirchen-Vluyn 1967, 133 ff.). 70 Zum Verständnis dieser Psalmen vgl. besonders K. Seybold: Die Wallfahrtspsalmen (Biblisch-Theologische Studien 3), Neukirchen-Vluyn 1978.
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fahrtspsalms mit Bußmotiv71, der aber deutlich ein Klagepsalm des Einzelnen mit ausführlichen Vertrauensäußerungen ist72. Eine Klage des Einzelnen sowie des Volkes ist auch sonst in den Wallfahrtspsalmen spürbar (Ps 120 KE; 123 KV; 125,4 f. 126,4), die breiten Raum einnehmenden Aussagen der Zuversicht aber verbinden Ps 130 mit mehreren anderen Wallfahrtspsalmen (Ps 84.121.123.124. 125.126.127.129), weil eben die Zuversicht ein hervorragendes Merkmal dieser Psalmen ist, das auch Hos 6,1-3 beherrscht. Kohortative oder 1. p. Imperfekt scheinen für die Wallfahrtspsalmen charakterisiert zu sein73, besonders im Einleitungsstück, vgl. Ps 122,1b Ol^J Hin' H'3). In den prophetischen Nachahmungen des Wallfahrtslieds, die wahrscheinlich der Sammlung im Psalter zeitlich vorausgehen und die ursprünglichere Formensprache besitzen dürften, ist dieser Anfang gut nachweisbar: Jes 2,3 = Mi 4,2 Jer 31,6
nin'--in ]V»X
n^JJto^ n ^ J J IMp
A. S.Kapelrud meint sogar, daß das Jesaja und Micha gemeinsame Wallfahrtslied als Zitat dem Kult entnommen sei74. Gibt es aber bei den Wallfahrtspsalmen nicht nur einen Entschluß zur Wallfahrt selbst, sondern auch einen Entschluß zur Buße oder zumindest zur Hingabe oder Treue Jahwe gegenüber? Tatsächlich ist dies im eschatologischen Wallfahrtslied bei Jesaja und Micha thematisiert: van^a UTI vnfinka np^ji Der Entschluß, sich über den Weg Jahwes unterrichten zu lassen und darauf zu wandern, steht ohne jegliche Einschränkung fest. Obwohl der Inhalt dieses Entschlusses nicht genau umrissen wird, muß es sich
71 Im zweimaligen Gebetsruf 133n Ps 123,3a könnten vielleicht auch Bußgedanken stecken, obwohl der Kontext nur an die Abwehr der Feinde denken läßt. Seybold op. cit. sieht den Vers als sekundär an. 72 Vgl. C. Westermann: Lob und Klage, 60. 73 Gunkel/Begrich: Einleitung in die Psalmen, 310. Die Verben der Bewegung in Ps 95 „Laßt uns mit Dank vor sein Angesicht treten ( i i a i p i V.2) ... Ziehet ein (1R3), daß wir uns niederwerfen . . ( V . 6 ) un Ps 132 „Nun wollen wir hinein (ns'iaj) zu seiner Wohnung, um uns niederzuwerfen (niniltfj) ..." (V.7) lassen an die Situation der Wallfahrt denken, am ehesten an den Einzug der Wallfahrer in den Tempelbezirk, cf. H. Schmidt: Die Psalmen, Tübingen 1934, 177: „Eine Wallfahrt- und Einzugsliturgie ist dieses Gedicht" (Ps 95) u. 234 f.: „In beiden (Ps 24 u. 132) handelt es sich um eine Prozession, um einen Zug in den T e m p e l . . . Die Wallfahrer rufen sich, im Begriff zum Zion emporzusteigen ..." 74
Eschatology in the Book of Micah, StTh 11/1961, 392-405, S.396.
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um die Hingabe der Völker an Jahwe und Zion, vielleicht auch um die universale Umkehr handeln 75 . Eine spätere Zeit hat diese Bedeutung vernommen und einen Entschluß zum rechten Leben f ü r Jahwes eigenes Volk in demselben Stil zugefügt Jes 2,5 und Mi 4,5 (HD^Jl Derselbe kollektive Entschluß zur Wallfahrt findet sich im nachexilischen Text Sach 8,21, wo das Ziel der Völkerwallfahrt nach Zion eindeutig das demütige Beten, also Buße und Umkehr vor Jahwe ist76: nm» ' j a n s niVnV ^ibn n p ^ j mrr Das Wort wird in den prophetischen Wallfahrtsliedern bei Jes, Mi und Sach also nicht gebraucht, scheint aber der Sache nach in verwandten Umschreibungen zu begegnen. In den prophetischen Mahnungen zur Umkehr ist z.B. ftpa ein Synonym zu 21P, zum „Unterricht" und zur Tora Jahwes, vgl. Jes 1,10 ( m i n ) 1,17 0Töi>) Jes 2,3 par. Der Vergleich mit den Wallfahrtsliedern scheint insofern durchaus angebracht. Was aber Hos 6,1-3 und T h r 3,40 f. nicht enthalten, ist ein ausdrücklicher Entschluß zur Wallfahrt. Freilich steht 13^ in H o s 6,1, was C. van Leeuwen 77 veranlaßt, an „einen Aufruf zur Teilnahme an einer Pilgerfahrt" zu denken. Dieser Imperativ kann auch ohne inhaltliche Bedeutung als bloße Interjektion am Anfang eines Satzes (öfter vor Kohortativ/Imperativ) stehen 78 . Trotzdem ist die Analogie zu den eben genannten Beispielen auffallend. Wenn man annimmt, daß die Wallfahrtslieder an verschiedenen Orten angestimmt worden sind, zu Anfang der Pilgerreise, beim Betreten des Heiligtums u.ä., wie für Ps 120-134 angenommen wird, ist der Entschluß zum Pilgern kein notwendiger Teil eines Wallfahrtspsalms. Man 75 Gegen Wildberger: Die Völkerwallfahrt zum Zion, V T 7/1957, 62-81 und ebd. Komm, zu Jes., 83 ff. 76 Vgl. A. Petitjean: Les Oracles du Proto-Zacharie, 430-33. Zur Bedeutung von H^fl pi vgl. Sach 7,2-6, wo das „Anflehen" von Fasten und Weinen begleitet wird. 77 Hosea, Nijkerk 2 1978, 136. 78 Bei den nachfolgenden Verben 31® und i n Hos 6,1.3., die hier geistlichen Sinn haben, könnte ihre konkrete Bedeutung in der gegebenen Situation mitschwingen. Umkehr ist Rückkehr zum Heiligtum, Aufsuchen des Heiligtums. Dem Gebrauch von I I I q. im religiösen Sinn im Kultbild bei Hosea kommt vielleicht die Mahnung Ps 34,15b am nächsten: DlV® IHDI^l, s - a u c h Prov 21,21 (sonst gebraucht Prov pi. in diesem Sinn). Man beachte aber, daß das Lied bei Hosea (6,1-3) in Bildersprache schon 2,9 b vorliegt. Hier (2,9 a) kommt «]T1 pi. (parallel zu ®p3 pi.) offenbar als Bild der Wallfahrt vor (vgl. Wolff, Komm., 43. Für einen anderen, aber verwandten metaphorischen Gebrauch von « i n s. Hos 12,2). Bei n31!?$) ist ähnliches festzustellen. Die Wortwahl paßt sowohl zum Ehebild als zur Bußfahrt.
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darf daher Hos 6,1-3 und Thr 3,40 f. einer Untergruppe der Gattungen der Wallfahrtspsalmen zuordnen. Schon H.Schmidt: Hosea 6 , 1 - 3 in FS E.Sellin, Leipzig 1927, 111-26, nennt H o s 6 , 1 - 3 wie auch Jer 3,21 „einen Bußtagsgesang der zum Heiligtum wallenden Gemeinde" (121) 7 '. Bei 1 Kön 8,31-33; Jer 14 u.a. stellt Schmidt fest, daß „die Formensprache einer Bußtagswechselrede zum Mittel des prophetischen Ausdrucks gewählt worden ist" (ib. 118). Zum Beispiel der Bußliturgie von Jer 3,21 - 4,2 meint er: „Hier wird ein doppeltes Bittgebet vorausgesetzt: das eine erschallt während der Wallfahrt zum Bußgottesdienst, das andere ist das eigentliche Klage- und Reuegebet ,in Sack und Asche' im Vorhof des Heiligtums" (ib. 119). Ps 130 dürfte das Beispiel eines „Bittgebets" während der Wallfahrt sein. Schmidt bemerkt aber nicht das Fehlen der Bitte in H o s 6 , 1 - 3 und fragt nicht nach dem möglichen Vorkommen anderer Gattungen bei der Wallfahrt.
Die Bezeichnung von Thr 3,40f. als „Aufruf zur Volksklage" ist nach H.W.Wolfis Artikel mit demselben Titel aus dem Jahre 196480 nicht mehr ratsam. Wolff beschreibt hier eine Gattung, deren Kennzeichen der imperativische Aufruf zu Bußriten wie Fasten, Weinen u.a. ist (Joel 2,15; Jer 4,5-8 u.a.). Da Thr 3,40f. und Hos 6,1-3 wie bestimmte Wallfahrtslieder als Merkmal den Kohortativ bzw. l.p.pl. Imperfekt haben (Jes 2,3.5; Mi 4,2.5; Jer 31,6; Sach 8,21; Ps 122), empfiehlt sich eher eine Bezeichnung wie „ Wallfahrtslied mit Bußbeschluß". Exkurs: Außerbiblische Parallelen zu Hos 6,1-3 Wallfahrten und Prozessionen zu den großen Heiligtümern sind im Alten Orient gut bezeugt. Die ägyptischen Pilger haben Gedenksteine und Gaben am heiligen Ort als Zeugnisse hinterlassen 81 . Die griechische Inschrift von Sasnos an der Wand eines Nubischen Tempels mahnt zur Wallfahrt: „ Verehre die Gottheit, opfere allen Göttern, gehe zu jedem Heiligtum, um zu beten ".82 Die Besucher kamen einzeln oder in Gruppen, um zu opfern, Orakel einzuholen, einen Eid zu schwören, die großen Festtage zu feiern.
79 S. auch S.Spiegel: A Prophetic Attestation of the Decalogue: Hosea 6:5, H T R 27/1934, 129: „The liturgy of penitential days which Hos 6,1-6 seems to echo ...", vgl. auch ibid. 131: „a psalm of pilgrims", „a song of trust". 80 Der Aufruf zur Volksklage, jetzt in: H.W.Wolff: Ges.St., ThB22, München 1973, 392-401. 81 Vgl. H. Bonnet: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, Berlin 1952 (s. Wallfahrt, Prozession). 82 Ibid. 862.
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Im mesopotamischen Bereich schreibt Kibri-Dagan, der Statthalter von Terqa, dem König von Mari (Zimrilim) einen Brief, der auch eine Einladung zur Teilnahme an einer großen Feier enthält: „Daß mein Herr wegen seiner Herzensgüte kommen würde (le-el-likam-ma) und die Füße des Dagan küssen will, der ihn liebt.'** Asarhaddon 84 und andere Herrscher rühmen sich, daß sie die Heiligtümer regelmäßig aufsuchen. Viele akkadischen Personennamen bezeugen den individuellen Wunsch nach oder den Entschluß zum Tempelbesuch 85 : Bel-ina-Esagil-lümur „Möge ich Bei in Esagil sehen." Aqar-Bel-lümur „Die Herrlichkeit Bels möchte ich schauen." Pan-Marduk-lümur „Möge ich das Antlitz von Marduk sehen." In einem Brief aus Mari erzählt eine Frau über Opfer und ungünstige Orakel. Sie ist krank geworden und wünscht, nun die Göttin Estar-RA.DA.NA, unter deren „Hand" sie leidet, aufzusuchen und günstig zu stimmen: „Ich will gehen und vor Estar-RA.DA.NA ein Opfer bringen und ihr Antlitz schauen (pa-ni-sa lu-mu-ur) ... und ihre Füße küssen." 86 Der leidende Weise in Ludlul Bei Nemeqi berichtet zum Schluß 87 , wie er entlang der Prozessionsstraße nach Esagila in Babylon läuft. Er passiert elf Tore mit verschiedenen Namen und Funktionen. Das „Tor der Erlösung von Schuld" zeigt, daß auch Buße eine wichtige Motivation für die Reise zum Heiligtum war. Ein Fragment aus einer Prozessionsliturgie, die das Bußmotiv deutlich erkennen läßt, hat S. Langdon im Original und in Ubersetzung wiedergegeben: 1. „To the temple with prayer let us go (i ni-lik). 2. To the lyre which distracts the temple with prayer let us go exultantly.
S. Quellenachweis bei Schuttermayr, Biblica 51/1970, 530 (s. dazu auch J.-R. Kupper, RA 51/1947, 174). 84 R.Borger: Asarhaddon, 80. 85 Stamm: Die akkadische Namengebung §§10.7; 27.1b (vgl. 23.2 b; 26.2). 86 Römer: Frauenbriefe, 31. 87 Lambert: BWL, 60 f. Dieses Gedicht belegt auch, daß das Sündenbekenntnis in der assyrisch-babylonischen Religion einen festen Ort hat, s. ibid. 50 f. (Z.57-59) und weitere Belege bei W.von Soden, ThWAT 3, 459 f.
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3. T o the lyre which parades around the temple let us go with prayer to Enlil. 4. T o the lyrical song of gods and the lord with prayer let us go to Enlil. 5. T o the gods and the lord we with prayer will go exultantly. 6. We to the temple with intercession will go in festivity to Enlil. 7. We will go with intercession to the site of the temple. 8. T o quiet the heart of the lord let us go to Enlil with jubilation. 9. T o quiet the heart, to quiet the soul, let us go to Enlil with jubilation. 10. We will quiet (i nu-ni-ih) the heart of the lord, ... 11. T h e hearts of Anu and Enlil we will pacify." 88 Man bemerke die wiederholten Aufforderungen in l.pl. zum Gehen (vgl. hebr. n s b j ) und zur rituellen Buße (vgl. Hai®}). Eine nähere Parallele dazu bietet ein ugaritischer Ritualtext, der hier in der Übertragung nach A. Herdner und F. Saracino 89 angeführt sei: 9. „Wenn ein Starker euer T o r angreift, ein Kriegsmann eure Mauern, erhebt eure Augen zu Baal: 11. Ach Baal, treib den Starken von unserem Tor, den Kriegsmann von unseren Mauern weg! Einen Stier, 13. Baal, wollen wir einweihen (nsqds); ein Gelübde, Baal, wir wollen 14. wir erfüllen (nmlu); Ein Rind (?), Baal, wollen wir einweihen; 15. ein hitpu-Oyier, Baal, wollen wir erfüllen; ein Fest (srt), Baal, wollen wir 16. feiern. Zum Heiligtum, Baal, wollen wir aufsteigen (»/); auf den Pfaden (ntbt) des Tempels, Baal, wollen wir 17. gehen (ntlk). Dann wird Baal euer Gebet erhören. 18. Er wird den Starken vor eurem Tor, den Kriegsmann vor euren Mauern wegtreiben." Für die Notlage der Stadt ist somit eine Liturgie vorgesehen. Ihre Bestandteile lassen sich schematisch so beschreiben: 1. 2. 3. 4.
Z. 9-10: Z.11-12: Z. 13-17: Z. 17-18:
Aufforderung (2.pl.) zum Gebet (durch Priester) Klagegebet Gelübde (Opfer und Feier im Tempel) Zusicherung der Gebetserhörung (durch Priester).
88 Nach S. Langdon in: FS Deimel 1935, 204-206. Den Zorn der Götter zu beruhigen ist ein zentrales Anliegen des mesopotamischen Gottesdienstes, vgl. Personennamen wie Nu-uh-ilum „Beruhige dich, Gott", Nu-hi-Estar „Beruhige dich, Estar" (AHW 2,716). 89 A State of Siege: Mi 5,4-5 and an Ügaritic Prayer, ZAW 95/1983, 263-64 (mit Literaturhinweisen).
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Biblische Analogien sind leicht ausfindig zu machen. Zur Aufforderung zum Gebet vgl. Ps 134,2. Zur Notlage und zum Gebet vgl. die biblischen Volksklagelieder Ps 44.60.80. Die Gelübde des Opfers (Z. 13-17) erinnern an die Gelübde der biblischen Klagepsalmen (z.B. Ps 54,8; 56,13). Die Gelübde des Tempelbesuches (durch Prozessionen) erinnern stärker an Fragmente der biblischen Wallfahrts- und Prozessionspsalmen (z.B. Ps 121,1; 132,7; H o s 6 , l - 3 ; vgl. Ps48,13f.; 55,15; 100,4). Die darauf folgende Zusicherung der göttlichen Hilfe (Z. 17-18) hat auch biblische Entsprechungen (vgl. z.B. Ps87,5; 130,7-8). Die Beschreibungen des Kults bei Hosea stehen gewiß in begrifflicher Nähe zu diesem kanaanäischen Ritual (vgl. H o s 2,7 f. (TM); 5,6; 6,1-3; 9,10b; 14,3). Im ugaritischen Ritualtext ist die Bußgesinnung nicht direkt ausgesprochen 90 . In Notlagen ist sie aber in der altorientalischen Frömmigkeit im allgemeinen vorauszusetzen. Die oben angeführten Beispiele mögen verdeutlichen, daß die Äußerungen der Pilger und Prozessionsteilnehmer im Alten Testament wahrscheinlich auf alte, überlieferte Formmuster anspielen, deren Geschichte nur bruchstückweise und ungenügend bekannt ist. Einzelheiten zu Thr 3,40f. und 5,21 frsn ist ein seltenes Verb in Qal (es gibt vier Belege: Prov 2,4; 20,27 Ps 64,7 und hier). In Prov 2,4 steht es parallel zu i?p>3 pi. (mit .Weisheit' als Objekt). I p n q. ist eher üblich. Es kommt nur hier im Kohortativ vor. Das gemeinsame Objekt („unsere Wege") der beiden Kohortative steht zwischen ihnen, ist formal nur dem ersten angeschlossen. Der Entschluß zur demütigen Selbstprüfung entspricht der Gesinnung, die hinter der Bitte vom Weisheitspsalm 9 ' 139, 23 f. steht (vgl. auch 119,59). Ziel der Selbstprüfung ist Umkehr zu und Hingabe an Jahwe: RWJ r u i f l j ... 1 3 3 3 Z u m letzten Ausdruck vgl. 'PDJ KW? P s 2 5 , l ; 86,4 (Aussagen der Zuversicht). Kohortativ und Langform des Imperativs auf -ä werden bei Xfel q. im Alten Testament nie gebraucht. Kohortativ 7131®} ist noch einmal in T h r belegt, T h r 5,21 (Qere). Hier folgt er auf eine Bitte in einem kollektiven Klagepsalm (5,1-22). 90 In einem anderen Ritualtext ist sie deutlich vorhanden (KTU 1.40). Hier wird die Gemeinde wegen begangener Sünde (thtin „ihr habt gesündigt") zu opfern aufgefordert (sqrb), und wiederholt wird die Bereitschaft zu opfern erklärt: „Dies ist unser Opfer, das wir opfern wollen (ndbh)". S. dazu P.Xella: I testi rituali di Ugarit, cap.IV. 91 Ssebo: Salme 139 og visdomsdiktningen, TTK 37/1966, 167-84.
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Es wäre zu erwägen, ob diese Kohortativform als Gelübde aufgefaßt werden könnte (vgl. Ps 80,19). Falls ja, wäre es ein merkwürdig kurzes und isoliertes Gelübde. Davor und danach beherrschen Klage und Bitte das Bild, naitfl wird hier wohl eher als Folge oder Absicht der Bitte 132'lpfl bewertet: „Führ uns zurück, Jahwe, zu dir, daß wir umkehren (können)!" Die Bitte Ua'tfn ist wahrscheinlich ganz geläufig in der Gebetssprache, vgl. Ps 80,4.8.20 92 . Das tiefsinnige Wortspiel von hif. und q. ist möglicherweise von Jeremia geprägt 93 , vgl. Jer 15,19 a und vor allem 31,18b. Daß Bußmotive auch in der Bitte erscheinen, ist nicht verwunderlich angesichts der Klage V. 7.22. Angesichts der Bußgedanken und der Parallele T h r 3 , 4 0 wäre nicht ratsam, hier 21W hif. mit „wiederherstellen" und entsprechend q. mit" (zu den alten Zuständen oder zum Land) zurückzukommen" zu übersetzen 94 .
Jer 5,24 wird auch dieser Untergruppe der Wallfahrtslieder zuzurechnen sein. Dem Volk wird hier vorgeworfen, daß es nicht beschlossen hat: ...
iriin
/ / ' /IK «a STJ
Beim Verb KT q. kommt kein Kohortativ im Alten Testament vor. Daß RTJ trotzdem hier als „wir wollen (Jahwe) fürchten" übersetzt werden kann, ist vom Kontext her wahrscheinlich (V. 22 f.). Auch wird die Partikel X3 vor allem bei Willensäußerungen verwendet. In den hymnischen Vertrauensäußerungen V. 24 b klingen hoseanische Vorbilder mit an, vgl. Hos 2,7 b; 6,3, vgl. auch Ps 105,32. Der Entschluß zur Jahwefurcht entspricht Forderungen wie Jos 24,14; 1 Sam 12,24; Ps 34,10; Prov 3,7 und paßt gut zu einem Bußlied. Jahwefurcht ist schlechthin die notwendige Voraussetzung für die Teilnahme an der Kultfeier, wie die Psalmen bezeugen (vgl. Ps 128,1.4 u.a.). Gerade der Abschnitt Hos 6,1-3 könnte z.T. auf Jeremia formgebend gewirkt haben. Jedenfalls ist das Ergebnis ein kurzes Wallfahrtslied mit Bußentschluß und Vertrauensäußerung. 92
31® hif. in der Bedeutung „vergelten" wird auch in der Psalmsprache gebraucht Ps 28,4; 94,2 (Gebete). 93 M. Lohr, Komm. 31. 94 Mit Kraus gegen Plöger und Rudolph zu Thr 5,21. Löhr, Komm.31 sieht die „materielle Rehabilitierung" in der „geistlichen Wiederherstellung" mit eingeschlossen.
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Es ist zu fragen, ob nicht die Wallfahrten der Laien von Aufforderungen und Aufmunterungen der Kultbeamtten eingeleitet und begleitet wurden. Die Wirksamkeit der Landleviten in der Königszeit dürfte Laienbelehrung über den Kultkalender und die Vorgänge an der Kultstätte enthalten haben, was auch zu Aufforderungen zur Wallfahrt führen könnte. Ein Beispiel dafür, daß die Wallfahrt tatsächlich von priesterlichen oder kultprophetischen Mahnungen angeregt wurde, könnte der oft verkannte Ps 27,8a sein. Das Problem der Stelle, das einige Exegeten zu Streichungen oder radikalen Korrekturen 95 veranlaßt hat, ist die Kürze der Einleitungsformel 94 zur Mahnung ' 3 3 W j p a . Zwar läßt sich der Text auch ohne Die Mahnung „Suchet mein Angesicht" lesen, doch ist sie fest in der Textüberlieferung verankert. Wie Mowinckel' 7 , Kraus und andere Exegeten ausgeführt haben, ist der masoretische Text von 8 a an sich trotz seiner Wortkargheit gut verständlich. Wenn man sich den möglichen kultischen Hintergrund des Psalms vor Augen führt, lösen sich die sprachlichen Probleme wie von selbst. Mit Kraus sollte man „Zu dir spricht mein Herz" als die Berufung des Beters auf ein Gotteswort verstehen: „Mein Herz hält dir vor"98. 95 H . S c h m i d t : D i e P s a l m e n , T ü b i n g e n 1934,49: „ D e n n mein H e r z ist t r a u r i g " ( ' 3 ^ 1 8 ) cf. G u n k e l : D i e P s a l m e n , 117 mit H i n w e i s e n auf die T e x t d i s k u s s i o n . Briggs: P s a l m s I, 241 n e n n t die M a h n u n g „ m a r g i n a l " , d . h . Glosse. E . J . Kissane: T h e B o o k of P s a l m s I, D u b l i n 1953, 120 k o r r i g i e r t die M a h n u n g in ein G e bet O a ' ^ p n A t t e n d t o me!). E . K ö n i g : Die P s a l m e n , G ü t e r l o h 1927, 294 n i m m t g a n z künstlich 'JD als S u b j e k t zu (revokalisiert) an: „ Z u d i r h a t i m m e r s c h o n m e i n H e r z g e s p r o c h e n , dich i m m e r s c h o n m e i n A n g e s i c h t g e s u c h t . . . " (so a u c h A. R . J o h n s o n : T h e Cultic P r o p h e t a n d Israel's P s a l m o d y , C a r d i f f 1979, 343). 96 97
VJD 142, 111 Les
„ B r e v i l o q u e n z " n a c h K r a u s : P s a l m e n I, 221.
S . M o w i n c k e l : P s a l m e n s t u d i e n I, Kristiania 1921, 1 4 8 f . k o r r i g i e r t vorsichtig: il(? (sg. im V e r b u. 3. p. suff.); ähnlicherweise A. B e n t z e n : S a l m e n e , K ö b e n h a v n 1939, F . B ö h l : D e P s a l m e n I, Batavia 1946, 154, A . D e i ß l e r : D i e P s a l m e n , D ü s s e l d o r f 2 1979, ( V o n dir sagte m e i n H e r z : S u c h e sein Antlitz!) u n d mit g r o ß e m V o r b e h a l t L . J a c q u e t : P s a u m e s I, D u c u l o t 1975, 607.
M . D a h o o d s ( P s a l m s I, N . Y . 1965, 168) V o r s c h l a g g e h t viel weiter: ®f?3 '3^> 1 » $ ^ „ C o m e , said m y h e a r t , seek his f a c e " ( R e v o k a l i s i e r u n g A n n a h m e eines waw emphaticum u n d D e u t u n g v o n -y als 3 . p . suff.). Es e n t s t e h t s o m i t ein R ü c k b l i c k des Beters auf d e n eig e n e n E n t s c h l u ß , die S e l b s t a u f f o r d e r u n g , J a h w e z u s u c h e n (vgl. die F o r m d e r S e l b s t a u f f o r d e r u n g e n Ps 13,6; 42,6; 43,5; 103,1 f. Z u r Z i t a t t e c h n i k vgl. Ps 10,11.13; 7 3 , 1 1 . 1 5 ; 74,8; 77,11 u . a . ) P r a k t i s c h d e n s e l b e n V o r s c h l a g m a c h t J. Reindl: D a s A n g e s i c h t G o t t e s , Leipzig 1970, 167: „ G e h , sprach m e i n H e r z , suche sein Antlitz". D i e M a h n u n g w i r d u n v e r ä n d e r t b e i b e h a l t e n bei W . S t a e r k : D i e Lyrik, G ö t t i n g e n 1911, 164, A . W e i s e r : D i e P s a l m e n , G ö t t i n g e n 7 1966, '68, J . R i d d e r b o s : D e P s a l m e n I, K a m p e n 1955, 236 u n d H . J . K r a u s : P s a l m e n I o p . c i t . 2 2 1 . 2 2 5 . 98 K r a u s : P s a l m e n I, 220.
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Der Bittende ist in Not und traut sich, sich Jahwe zu nähern, weil er sich auf den schon früher verkündeten Willen Gottes berufen kann. Gott wird an ein früher ergangenes Wort erinnert (vgl. T h r 3 , 2 0 f f . ; Ps 25, 6; 77,12; Jer 14,21). Die individuellen Klagepsalmen pflegen Gott an seinen früher gezeigten Heilswillen zu erinnern (Ps 22,4 f. 10 f. usw.), hier wird aber ein konkretes Gotteswort zitiert: „Suchet mein Antlitz". Ob damit eine Gruppe (Urpl)" oder der Einzelne angeredet wurde, ist nicht entscheidend. Der Psalmist war jedenfalls in diese Anrede eingeschlossen und konnte sich darauf berufen. Welcher Art ist dieses Gotteswort, worauf sich der Bittende beruft? Kraus 100 nennt es „Gottesforderung ... Der eindringliche Ruf, Jahwes Angesicht in allen Nöten zu suchen". Auf ähnliche Weise bestimmt A. Weiser 101 das Wort als „Erinnerung an die traditionelle Bundesverpflichtung", die „Gebot und Verheißung in einem enthält". Eine präzisere Bestimmung dieses Gotteswort ist dadurch zu erreichen, daß man sich den kultischen Inhalt von tfpl vergegenwärtigt. Insbesondere legt sich eine konkrete kultische Beziehung der Wendung „Gottes Angesicht suchen" nahe bei Ps 27,7-14, der wahrscheinlich vorexilisch ist102. Der Prophet Hosea bezeichnet einmal eindeutig (Hos 5,6) das Suchen Jahwes als eine Wallfahrt ( m n ' ^V')» z u der die Teilnehmer ihre 103 (Opfer-)Tiere mitbringen . Die Wallfahrt wird aber vergebliche Mühe sein. Der Herr läßt sich nicht „finden". Er hat sich von den Besuchern der heiligen Stätte zurückgezogen, vgl. 5,15. Die Aufforderung, Jahwe zu suchen, dürfte dann die konkrete Bedeutung haben, Jahwe am heiligen Ort aufzusuchen und dort seinem panim zu begegnen 104 . Sie könnte, vom Priester ausgesprochen, als An" Die syrische Version (mb'yn) unterstützt jedenfalls den Plural des MT, vgl. I.W. Slotki: The Metre and Text of Psalm XXVII, JThSt 31/1930, 393. Der Plural ist auch lectio difficilior. 100 Psalmen I, 225. Ähnliches bei J. Ridderbos: De Psalmen I, 236. 101 Die Psalmen, 169. 102 Vgl. Kraus: Psalmen I, 223 und G.von Rad: Gesammelte Studien II, 132. 103 Ygi S. Wagner ThWAT I, 763 f. Er meint, das Suchen sei „ein wie auch immer zu verstehendes kultisches Begängnis an heiliger Stätte", vgl. auch W. Beyerlin: Die Rettung der Bedrängten in den Feindpsalmen, 128. Daß das Suchen seinen Gipfel in einem Vorgang am Heiligtum hat, ist unzweifelhaft, impliziert aber die Wallfahrt, wie in H o s 5,6.15; 3 5; Ps 24,6. Man beachte die Parallelität / / t m in 1 Sam 28,7 (Sauls Befragung bei der Totenbeschwörerin), vgl. auch 2Kön 3,11-13, wo die Sitte vorausgesetzt wird, daß die Gottesmänner an ihrem Ort aufgesucht werden. Vgl. auch die Ubersicht bei J.Reindl op.cit. 172-74 u. LR.Fischer: Ras Shamra Parallels 1, 171. Eine interessante Analogie bietet der Beschluß zur Prophetenbefragung (nijHlJ), die eine Reise der Besucher voraussetzt 1 Kön 22,7; 2 Kön 3,11; 2 Chr 18,6. 104 Mowinckel: Psalmenstudien I, 148 f. nimmt für Ps 27,8 an, daß der Priester einen Kranken auffordert, Jahwes Antlitz zu suchen. Wenn ihn der Priester zum Altar ( = vor Jahwe) hinleitet, „wo die Reinigungen stattfinden sollten", sagt der Beter „ich suche dein
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regung zur Wallfahrt dienen 105 , und wird wahrscheinlich von verheißenden Motiven begleitet gewesen sein. Ist es nicht eine Negierung eben dieser priesterlichen Aufmunterung, die Arnos 5,5 vorträgt? ... Vk Jl'3 U n i f T ^ t l . Hier wird der synonyme i m gebraucht, das ebenfalls eindeutig die Wallfahrt voraussetzt 106 , vgl. die Parallele ItÖfl in demselben Spruch. Wir schließen daraus, daß es einmal eine eigene Gattung der priesterlichen Aufmunterung zur Wallfahrt gab, die in Ps 27,8 fragmentarisch bewahrt geblieben ist und der sich Arnos in seiner Kultkritik 5,4 f.; 4,4 f. bedient. Die Mahnung Vni ' l i s n ? dürfte rein formal mit der priesterlichen Aufmunterung zusammenfallen. Man beachte die verheißende Motivation. Daß der Inhalt dieser Form ganz verändert worden ist, machen die folgenden Negationen klar. Wenn man aber die Negationen wegläßt, tritt die nachgeahmte Gattung vollkommen deutlich hervor107, vgl. Dt 12,5 b: nitni
Das prophetische Mahnwort ist wie das Gerichtswort 108 eine sehr flexible Redeform, die sich Elementen ganz unterschiedlicher Gattungen einfügen kann. Anleihen bei kultisch beheimateten Gattungen kommen nicht selten vor, und eben daraus scheint die prophetische TerminoloAntlitz ...". Die Situation läßt sich aber schwer in solcher Konkretion rekonstruieren. V.8a darf nicht als Ritualbeschreibung zum vorliegenden Klagepsalm, sondern als (rückblickendes) Zitat und Begründung des Gebets bewertet werden. J.Reindl op.cit. 166 glaubt für (» ']B) Pp3 in Hos 5,6; Sach8,21f.; 2Saml2,16; 2Chr 11,16; 20,4 und Ps 27,8 die Bedeutung „ein Heiligtum aufsuchen" nachweisen zu können. 105 In Ps 105,4b T t t n VJ? Wj?3 (Va / / Hirt' I t h l ) fungiert die Mahnung als hymnischer Aufruf zur Teilnahme am Gottesdienst. Das könnte ein sekundärer, abgeleiteter Gebrauch sein. „Suchet immer sein Angesicht" wäre gut denkbar als priesterliche Ermahnung, die als Einladung zum Gottesdienstbesuch außerhalb des heiligen Bezirks erginge, vgl. Jes 58,2 „sie suchen mich täglich" ( J l t n i ' DV ÖV 'lfm) Vgl. weiter Ps23,6; 27,4; 84,5). Die Verben für „suchen" bezeichnen hier nicht nur eine allgemeine Frömmigkeit, sondern eine kultische Frömmigkeit, die sich in häufigen Tempelbesuchen äußert. 106 Vgl. des weiteren Ps 24,6; 1 Chr 21,30. S. auch F.Nötscher: Das Angesicht Gottes schauen, Darmstadt 2 1969, 136 f. In 2 Chr 1,5 ist der kupferne Altar das Ziel von Salomos „Suchen" ( n ) , cf. S.Wagner ThWAT. 107 Ygj A. S. Kapelrud: Central Ideas in Arnos, 36 f. und H. Gottlieb: Arnos und Jerusalem, VT 17/1967, 432: „Das Verhältnis der klassischen Prophetie zum Tempelkult läßt sich als die Abhängigkeit der prophetischen Verkündigung von den Kulttexten formulieren." 108 y g j v o r a ] ] e m di e grundlegende Untersuchung von C. Westermann: Grundformen prophetischer Rede.
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gie für „Gott suchen" und „Umkehr" in schneidender Polemik zu schöpfen, wie auch ein Vergleich von Ps 27,8 a und Am 5,4 f. nahelegt109. In diesem Fall geht es dann nicht um die priesterliche Tora im allgemeinen, sondern um die priesterliche Aufmunterung zu Wallfahrt und Gottesdienstbesuch. Nach alledem bleibt noch immer unsicher, wie weit die Verwendung von 31® im positiven religiösen Sinn" (zu Gott) umkehren" in die Zeit vor den klassischen Propheten zurückreicht. Wahrscheinlich ist gleichwohl, daß die Propheten hinsichtlich 31® einen peripheren Wortgebrauch in einen zentralen verwandelt haben. Man kann sich vorstellen, daß kultische Mahnungen und Warnungen wie etwa „Kehret euch nicht von Jahwe ab!"110 als Vorbild gedient haben. Der folgende Exkurs zielt darauf ab, einige Möglichkeiten der Entstehung und Bildung der für die Zeit der klassischen Propheten belegten Verwendung von 31® aufzuzeigen. Exkurs: Analogien zur religiösen „Umkehr" im assyrisch-babylonischen Sprachbereich Im Alten Testament wird die Wurzel 31® im Sinne von „Buße" außerhalb der prophetischen Literatur, z.B. in den Psalmen, wenig gebraucht. Man könnte deshalb versucht sein, den Gebrauch des Bildes vom „Zurückkehren" für den Vorgang der Buße als prophetische Neuerung anzunehmen. Religionsgeschichtliches Vergleichsmaterial aus dem akkadischen Sprachbereich scheint dies zunächst zu bestätigen, bedarf aber einer genaueren Nachprüfung, zu der das Folgende ein Ansatz sein will. 31® entspricht im Akkadischen lexikalisch (nicht aber etymologisch) vor allem täru „sich umwenden, umkehren, zurückkehren, (wieder) werden zu" 111 . Synonym dazu ist (z.T.) sahäru „ sich wenden, herumgehen, suchen" 112 . 109 Vgl_ i n T H A T I, 463 und C. Westermann: Die Begriffe für Fragen und Suchen in Gesammelte Studien II, 182 zu Am 5,4: „... auch in dieser Amosstelle wäre die Mahnung nicht bloß allgemein eine Mahnung, sich zu Jahwe zu halten, sondern es stünde dann Institution gegen Institution: gegen das Sich-Wenden an Jahwe am Kultort stellt Arnos das Sich-Wenden an Jahwe, das nur durch einen Propheten möglich ist." 110 Die Frage nach kultprophetischen Mahnungen in den Psalmen fordert weitere Untersuchung. Ist z.B. die Mahnung 0 3 3 3 ^ IPpir^R P s 9 5 , 8 vordtr.? Vgl. 2 C h r 3 0 , 8 D?B-|? itfpil u. den Prohibitiv hiervon Dt 10,16. ' 111 A H W 3 , 1332. 112 AHW2, 1006, vgl. u.a. die Überlegungen von D.Sperling: Late Hebrew hzr and Akkadian sahäru in The Gaster Festschrift, Columbia 1973, 397-404 und M.Held: T w o Philological Notes on Enuma Elis, in: FS Kramer, A O A T 25/1976,223.
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Die Wurzel täru ist in Hymnen und Gebeten sehr beliebt als Bezeichnung für das gnädige oder hilfreiche Zuwenden der Götter. Istar wird z.B. gebeten: „Die Göttin, die sich erzürnt hatte, kehre um ..." (li-tu-ra, Prekativ)113. „Kehre um deinen Nacken ... zum Guten hin setze dein Antlitz" (ter-ri ki-sad-ki ... ana a-mat damiq-tim,im pa-ni-ki sukni)li4. Der Gegensatz ist hier das abgekehrte Antlitz der Gottheit (suhhu-ru pa-nu-ki)us. Parallel stehen sahäru und täru in dieser Bedeutung in einer Beschwörung: 116 ru-qu li-is-sah-ra zi-nu-u li-tu-ra kitna huräsi lib-ba-su li-tu-ra a-a-si „Der Ferne kehre um, der Zornige kehre zurück, wie (zu) Gold kehre sein Herz zu mir zurück!" Die Parallelen in den Westsemitischen Sprachen sind gut bekannt, vgl. den Gebetsruf m n ' na!» Ps 6,5; 90,13 (Ps 80,15: 8} IIB) und Personennamen wie Iasub - Dagan117. Unmöglich scheint es dagegen, Belege zu finden für täru als die Rückkehr des Menschen zum rechten Verhalten der Gottheit gegenüber. Wenn man sich „die babylonischen Bußpsalmen" und verwandte Textstücke ansieht, findet man m. W. kein Beispiel dafür, daß der Ubergang des Büßers zum versöhnten Gottesverhältnis wie eine „Umkehr" des Menschen ist. Am nächsten kommt der Gebrauch von sahäru und se'ü „suchen", die recht oft paarweise vorkommen, die aber inhaltlich mehr den hebräischen Verben und ihT sowie "inip entsprechen 118 . Es heißt z.B. in einer „Handerhebung" an Nergal 119 : 113
P.Jensen: Texte zur assyrisch-babylonischen Religion, Berlin 1915, 132 Z.86. Ibid. 132 Z.95. Hier wird Imp.D von taru verwendet. 115 Ibid. 132 Z.93 vgl. Z.77. Hier steht sahäru D in der Bedeutung „abwenden". 116 E.Ebeling: Beiträge, RA 49/1955, 182~f. Z.7. 117 Zu den amoritischen Personennamen mit der Wurzel §WB s. bes. H.B.Huffmon: Amorite Personal Names in the Mari Texts, 266 und I. J. Gelb: Computer-Aided Analysis of Amorite, 33 et passim. S. auch die Rezension von E. E.Knudsen, JCS 34/1982, 8-9. Vgl. akkadische Namen mit taru: Sin-ituram, Itur-ilu, Ili-turam, Belti-tajarat usw. Zum Westsemitischen vgl. auch Coogan: West Semitic Personal Names, 84. 1U Vgl. G.Widengren: The Accadian and Hebrew Psalms of Lamentation, Uppsala 1936, 128. Vgl. Ps 78,34. 119 E.Ebeling: Die akkadische Gebetsserie „Handerhebung", Berlin 1953, 114f. Z.15f. 114
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„Weil du schonend bist, mein Herr, habe ich mich deiner Gottheit zugewandt (as-sa-har ilü-ut-ka), weil du barmherzig bist (ta-a-a-ra-ta), habe ich dich aufgesucht (es-te-u-ka)." Diese Verben weisen deutlich auf die demütige Haltung des Beters hin, die sich darin äußert, daß er Tempel und Gottesbild aufsucht 120 . D a sieht er „das Antlitz" (panü) der Gottheit 121 , vgl. Ps 24,6; 27,8 usw. Asarhaddon beschreibt sich selbst als den König, „der die großen Götter fürchtet, der die Stätten ihrer großen Gottheit immer wieder aufsucht" (mus-te-'-u as-rat ilü-ti-su-nu rabüti)122. Ein Omen ist auch das Objekt dieses Verbs: „Sie suchten immer wieder das Urteil Marduks" (istene'ü dm Marduk)m. Wie die entsprechenden hebräischen Verben können sie nicht nur für das „Aufsuchen" der Gottheit beim Tempelbesuch verwendet werden, sondern auch für das „Suchen" im ethischen Sinn, wie z. B. in der „Babylonischen Theodizee": „Ever seek (suhur) ... justice." 124 „Unless you seek (tu-ba-'-ü) 125 the will of the god, what luck have you?" 126 „Rather seek (si-te-'-e = Dt von se'ü) the lasting reward of God!" 127 „Seek (si-te-'-e-ma) the kindly wind of the god, ,.." 128 120 Vgl. Situationsangaben bei den Gebetstexten in Ebeling op.cit 13.15 usw. Vgl. auch Widengren op.cit. 251. 121 Vgl. Ebeling op.cit. 114f. Z.17. S. auch Widengren op.cit.251-53. Weiteres über die Beschreibung der Hinwendung des Beters in der akk. Psalmensprache bei W. Mayer: Untersuchungen zur Formensprache der babylonischen „Gebetsbeschwörungen", Rom 1976, Kap. 5. 122 R. Borger: Die Inschriften Asarhaddons, AfO Beih.9, Graz 1956, 80. 123 Zitat nach J.J. M. Roberts: Of Signs, Prophets and Time Limits, CBQ 39/1977, 474-81.476. 124 W.G.Lambert: Babylonian Wisdom Literature, Oxford i960, 72f. Z.43. 125 Lambert ibid. 84 f. Z.239. 126 bu"ü „suchen" (entspricht etymologisch Hyi) ist ein weiteres Synonym zu sahäru und se'ü, wozu als Objekte sowohl Personen als Dinge oder Abstrakta stehen können, vgl. Soden: AHw I, 145. A.Jirku: Kanaanäische Psalmenfragmente, JBL 52/1933, 108-20. 111.114 führt schöne Beispiele aus den El-Amarna-Briefen an. Diese sind loyalitätsbeteuerungen: „Zu meinem Herrn suche ich den Weg. Von meinem Herrn weiche ich nicht ab" (EA Nr. 55,5-6). „Was suche ich noch mehr? Das schöne Antlitz meines Herrn suche ich" (EA Nr. 166,6-8, vgl. Ps 27,8 mit Bpl). „Leben", „Friede", „Gutes" und „Böses" dürfen auch als Objekte zu bu'ü stehen, cf. CAD 2,362.364. 127 Lambert ibid. 74 f. Z.66. 128 Lambert ibid. 84f. Z.241. Vgl. den Gegensatz is-te-ni-'-a limuttu „er sann auf Böses" (M.Streck: Assurbanipal II, Leipzig 1916, 44f. Z.24.).
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Die Nähe der Anwendungsbereiche zeigen zwei andere Zeilen in demselben Gedicht: „In my youth I sought the will of the god (te-em ili as-hu-ur); with prostation and prayer I followed (e-se-'i) my goddess." 129 Vergleichbares findet sich in der Inschrift des Kyros, der seine eigene Frömmigkeit Marduk gegenüber preist: „ich war täglich auf seine Verehrung bedacht" (u 4 -mi-sam a-se-'-a pa-la-ah-su)i>0. Die Wurzel täru läßt sich also mit einer Gottheit als Subjekt im Kontext der Buße belegen, dagegen nicht als Beschreibung des Tuns des Büßers. Es müssen jedoch einige mögliche Analogien aus dem Bereich der Vertragssprache angeführt werden. Ein Brief aus Mari gibt Nachricht über ein Bündnis zwischen BinIstar und Qarnilim, wobei der erste dem anderen nach dem rituellen Eselschlachten erklärt 131 : „Wenn du Zimrilim und seine Truppen mißachtest (tu-qa-al-la-al), wende ich mich deinem Gegner zu" (a-ta-ar). Hier bezeichnet täru die Hinwendung zu einem anderen Vertragspartner, was Abfall und Wechsel der Loyalitätsbeziehung mit beinhaltet. Der Brief des Königs Rib-Addi von Byblos an Pharao (El-AmarnaTafeln Nr. 137)132 beschreibt eine Empörung in seiner Stadt, die sein jüngerer Bruder angestiftet hat, um seinen Gegnern, den Söhnen AbdiAstars, behilflich zu sein, die Stadt zu erobern. Rib-Addi ist zur Zeit der Abfassung des Briefes außerhalb Byblos und bittet seinen Oberherrn um militärische Hilfe, um die Stadt zu besetzen. Er schätzt, die Zahl seiner Gegner innerhalb der Stadt sei gering, während die Zahl
129 Lambert ibid. 76 f. Z.72 f. D e r Gegensatz ist derjenige, der „den G o t t nicht sucht" (la mus-te-'-u i-li), 7 4 f . Z . 7 0 . Sancherib rühmt sich selbst als „den, der die Wahrheit bewahrt, die Gerechtigkeit liebt und . . . das Gute sucht (sa-hi-ru dam-qa-ti)" nach A . K . Grayson: T h e Walters Art Gallery Sennacherib Inscription, A f O 2 0 / 1 9 6 3 , 8 8 . 130 F. H.Weissbach: D i e Keilinschriften der Achämeniden (VAB 3), Leipzig 1911, 4 f. Z.23. Ähnlicherweise erzählt Nabopalassar, daß er „auf die regelmäßigen O p f e r der großen Götter bedacht (us-te-'-im) ist", s. A. Langdon: D i e neubabylonischen Königsinschriften (VAB4), Leipzig 1912, 6 0 f . Z.21; vgl. die Frömmigkeitsbeschreibungen ibid. 86 ( C o l . I 10.19ff.). 95 ( Z . l f f . ) . 101 (Col.I). 111 (Col.III). 113 (Col.I). 1 2 0 f f . N e b u k a d n e z a r (ibid. 122 ff.) sagt z u m Selbstlob: „ich suche den W e g ihrer Gottheit (alak -ti i-lu-ti-su-nu is-te-ne-'-u) . . . mit meinem ganzen pflichtgetreuen H e r z e n liebe ich (ara-mu) die Ehrfurcht vor ihrer Gottheit . . . bete ich sie an, bin ich bedacht (as-te-ne-'-a) auf ihre Gottheit". 131
Zitat bei G . D o s s i n : Les archives epistolaires de Mari, Syria 1 9 / 1 9 3 8 , 1 0 5 - 2 6 , 1 0 8 . J.A. Knudtzon: D i e El-Amarna-Tafeln Bd.I, 5 7 2 - 7 9 . Vgl. weiter G. Schuttermayr: R H M - eine lexikalische Studie, Biblica 51/1970, 4 9 9 - 5 3 2 . 132
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der Leute, „die mich lieben" (ra-i-mu-ia) l)} , dort groß sei. Wenn nur Pharao die erwünschten Feldtruppen entsendet, „und man es hört", wird sich unmittelbar das Loyalitätsverhältnis der Stadt ändern: „Am Tage ihrer Ankunft kehrt die Stadt (ta-ra-at älu) zum König, meinem Herrn, zurück" 134 . Offenbar bezeichnet hier täru (im Stativ) die Rückkehr zum ursprünglichen Vasallenstatus 155 . Genau dieselbe Bedeutung hat täru in einem anderen Brief, worin Rib-Addi den Abfall seiner Städte beklagt: „Es wisse mein Herr, daß sie nicht zurückgekehrt sind" (ta-ru) l}6 . Häufiger steht statt dessen das Synonym sahärn in der Vertragssprache 137 . Im Vertrag zwischen Muwatalli und ^unassura werden verschiedene Möglichkeiten der Allianzen besprochen 138 , auch der Fall, daß „sich irgendein Land" von Harri „trennte" 139 und „sich dem Lande Hatti zuwendete" (i-sa-ah-hu-ur-mi). Es wird abgemacht: „Das Land Kizzuwatni soll sich in der Zukunft dem Lande Harri niemals wieder zuwenden" (ul i-sa-ah-hu-ru)uo. Täru kann auch in einzelnen Texten das Brechen eines Versprechens 141 oder das moralische Versagen allgemein bezeichnen, wie ein altassyrischer Geschäftsbrief bezeugt: „Five and six times you have pledged (given) your word to the gods! May you not break (your word)! Pay attention! You must not oppose (i. e. turn back against la ta-tu-ar) the fate which the gods have determined for you. (If) you do oppose (it), you are lost ... don't you turn back (e ta-turA)\"u1 133 Rätnu „lieben" (vgl. das aramäische Dm) wie das hebräische IHK wird in der Vertragssprache benutzt, cf. W. L. Moran: The Ancient Near Eastern Background of the Love of God in Deuteronomy, CBQ 25/1963, 77-87, 80 mit Bezug auf diesen Text. Das Verhältnis der Verbündeten heißt ra\a)mütu „Freundschaft", s. EA Nr.29 Z l 6 6 f . (ra'amütu II ahütu „Bruderschaft"). 134 EA N M 37 Z.50f. 135 Vgl. auch EA Nr.280 Z.14f.: „Zurückgebracht (Ju-te-ra-at) ist meine Stadt an mich", d.h. unter meine Herrschaft. Hier wird täru § verwendet. Zur Erneuerung des Vertrags nach einem Vertragsbruch vgl. u.a. K.Deller/S.Parpola: Ein Vertrag Assurbanipals, Or 37/1968, 464-66. 136 EA Nr. 106 Z.47. 137 Cf. A H w II 1005. 138 E. F. Weidner: Politische Dokumente aus Kleinasien, Leipzig 1923, 92 f. 139 patäru vom Bundesbruch cf. EA Nr. 52,46; 55,6; 56,11; 166,17-18 (vgl. lexikalisch hebr. "110 u. 310). Ein anderes Verb des Bundesbrechens ist ezebu „verlassen" (vgl. hebr. 3iy), cf. EA Nr. 53,44. Weiteres Material findet sich bei M.Cogan: Imperialism and Religion, 122-25. 140
Weidner ibid. 104 f. Altassyrisch tuarum ana bezeichnet den Eidesbruch, cf. Veenhof in: FS F. R. Kraus, Leiden 1982, 384. 142 Pa 6 nach Gwaltney: The Pennsylvania Old Assyrian Texts, 18-20 (Z.25-31). Vgl. A H W 3, 1333. 141
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Es läßt sich somit sagen, daß es zum hebräischen süb im religiösen Sinn gewisse Analogien im Assyrisch-Babylonischen gibt. „Rückkehren", täru für die Erneuerung der Loyalität bei Bundesbruch, war nur in der Vertragssprache zu finden, die aber sehr oft durch theologische Termini gefärbt ist. Der göttliche Status des Pharao spiegelt sich in den El-Amarna-Briefen auch in der Beschreibung der Loyalität der Vasallen wider. Ahnliches läßt sich auch bei den Asarhaddon-Inschriften und anderen Urkunden feststellen, die ebenfalls Loyalität und Illoyalität dem Großkönig gegenüber beschreiben. Die „Umkehr" oder „Rückkehr" des Vasallen oder Vasallenstaats kann somit nicht als rein profaner Vorgang aufgefaßt werden und könnte Teil des komplexen Hintergrunds sein, den der alttestamentliche Wortgebrauch hat. Unten folgen einige Beispiele, die den religiösen Zusammenhang der Vertragstreue illustrieren sollen. Es heißt in den Annalen des Sargon II., daß Pisiris von Karkemis sich gegen den „Vertrag der Götter (d.h. den vor den Gottheiten unter Eid geschlossenen Bund) versündigte" (i-na a-de-e iläni rabüti ih-ti-i-ma). Nach einem Gebet an Assur besiegt ihn Sargon 143 . Obwohl Asarhaddon 144 von vielen großen Göttern „mit der Herrschaft über die Länder belehnt" worden war, machte der babylonische Statthalter Nabü-zer-kitti-lTsir einen Aufstand, er „vergaß", „achtete nicht auf die Güte Assyriens". Nachdem assyrische Truppen gegen den Aufrührer zu marschieren begannen, bekam er Furcht und flüchtete nach Elam, wo er ermordet wurde. Dies legte Asarhaddon als göttliche Strafe aus „wegen des Eides bei den großen Göttern, den er übertreten (ie-ti-qu) hatte". Exkurs: Mahnungen zur Frömmigkeit im Alten Orient Verschiedene der oben angeführten Hinweise deuten darauf hin, daß Mahnungen zum Glauben und frommen Handeln in unterschiedlichen Zusammenhängen vorkommen: in weisheitlicher Literatur 145 , in Heilsorakeln an den König 146 , in Inschriften 147 , in Briefen 148 .
143
A. G.Lie: The Inscriptions of Sargon II, 10 f. Zum folgenden s. Borger: Asarhaddon, 46 f. vgl. auch ibid. 48-51. Vgl. auch I.Johag: 3"IB-Terminus technicus in Vertrags- und Bündnisformularen des Alten Orients und des Alten Testaments in: FS Botterweck, BBB 50/1967, 3-23 (Tabelle S.9). 145 S. oben S. 142 ff. I4 ' Cf. auch die umfassende Übersicht bei M.Weippert: Assyrische Prophetien der Zeit Asarhaddons und Assurbanipals, in: F. M. Fales (Hrsg.): Assyrian Royal Inscriptions (OrAnt Coli 17), Roma 1981, 71-115. 147 S. oben S.74. 148 S. oben S. 152. 144
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J.J.Stamm hat auf eine kleinere Gruppe akkadischer Namen aufmerksam gemacht, die als „Mahnungen an den Namensträger" aufzufassen sind 149 . Er nimmt an, daß sie „stilisierte" elterliche Mahnsprüche f ü r das Kind oder die Familie sind. Unten werden einige Beispiele zum Vergleich angeführt: Amur-Istar „Schau Istar an". Vgl. die briefliche Mahnung, die nach Befragungen der Priesterinnen ergeht: „Komm her und schau das Auge des Assur an (e-en A-sur a-mu-ur-ma) und rette dein Leben!"' 50 Vgl. zum Inhalt der Mahnung den Brief aus Mari, in dem die kranke Sattamkijazi beschließt, den Tempel der Göttin EstarRA.DA.NA aufzusuchen: „... will ich gehen und vor Estar-RA.DA.NA ein Opfer darbringen und ihr Antlitz schauen (pa-ni-sa lumu-ur)"151. Pilah-Sin „Fürchte Sin". Vgl. Atra-hasis I 378-81. Usur-awat-Warnas „Beobachte das Wort des Samas", vgl. die brieflichen Mahnungen: „Bitte! Die Worte der Götter beachte (a-pu-tum a-wa-at i-li ü-sü-ur)! Wenn du nicht beachtest, wirst du zugrunde gehen!" 152 „Pay attention (a-pu-tum)\ Be vigilant (ü-sur) about the word of the gods ... You must not forget (la ta-ma-si) the power of the gods!" 153 „Gemäß dem Wort des Gottes soll mein Herr ja handeln (sa pi-i ili-i-im be-li li-pu-üsf.154 Kurub-Samas „Segne Samas", vgl. den Weisheitsspruch „Jeden Tag verehre (kit-rab) deinen Gott" 155 . Ilak-nu"id
„Preise (D) deinen Gott".
Adad-na-da „Preiset Adad" 156 , vgl. Atra-hasis I, 297-98: „Without ceasing praise the birth-goddess, praise Kesh!" 157 und die hymnische Einleitung: „Preist hoch, rühmt (na-a'-i-da) die BeletArba'il!" 158 149
D i e akkadische N a m e n g e b u n g op.cit. 2 0 3 - 0 5 . Hirsch: Untersuchungen, 14 f. 151 Römer: Frauenbriefe, 31. 152 N a c h Hirsch ibid., 15 f. 153 Gewaltney: T h e Pennsylvania O l d Assyrian Texts, 1 8 - 2 0 ( P a 6 Z . 2 4 f . 3 2 ) . 154 Sibtu an ihren Mann nach Bericht über günstige Orakel nach Römer: Frauenbriefe, 33. 155 Lambert: Babylonian W i s d o m Literature, 104 (Z.135). 156 Vgl. A H W 2,705. D i e Pluralform auf -nädä ist nicht ungewöhnlich (z.B. Assur-, Sin-, Istar-, Ili-nädä). Eine abweichende D e u t u n g („verbal adjective") vertritt G e l b / P u r ves/MacRae: N u z i Personal N a m e s , 309. 157 Lambert/Millard o p . c i t . 6 4 f . Vgl. auch Enuma ElisVl 137. 158 W . v . S o d e n : Zwei Königsgebete an Istar aus Assyrien, A f O 2 5 / 1 9 7 4 - 7 7 , 4 5 (Z.2). 150
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Traditionsgeschichtliche Erwägungen
Qi-bi-sum-ma-ti-kal dann".
„Sage (es) ihm (dem Gott) und vertraue
I-li-is-ti-ka-al „Auf den Gott vertraue". ilu
Da-ga-an-ta-ka-la „Auf Dagan vertrauet" 159 . Vgl. die Aufforderung an den König im Ninurta-Hymnus: „My king, ... may you put your trust in the lord Ninurta" 160 und die Aufforderung der Götter bei der Thronbesteigung Marduks Enuma Elis V: „Sein Name soll Lugaldimmerankia sein, vertrauet auf ihn (ti-ik-lasu)\"ul
Assur-du-gul „Sehe auf Assur hin". Du-gul-pan-Adad
„Diene Adad".
A
$ul-gi-ra-ma „Liebet (den göttlichen König) Sulgi".
E-ta-am-si-ilam „Vergessen den Gott nicht". Vgl. Enuma Elis VII 18 VI 109.117162 und Atra-hasis I 217. Istar-lâ-tasïjat „Vernachlässige Istar nicht" Vgl. die Erklärung: „Niemals versäumen wir (nisïjat) Kult und Zeremonien" 163 . La-teggiu/ga(-ana)-Istar „Säume(t) nicht gegen Istar" 164 . Vgl. das Weisheitsgedicht Ludlul Bei Nemeqi: „He who has done wrong (egu-u ha-tu-u) in respect of Esagil, let him learn from my example!"165 und die Bestimmung der gottesdienstlichen Aufgabe der Menschen nach Enuma Elis YI 115-120: „Que les peuples pensent a leur dieu! Qu'a sa parole ils prennent soin de leur déesse! Que des offrandes soient apportées, ... Qu'ils n'oublient pas (a-a im-ma-sa-a), mais qu'ils vénerent (li-ki-il-la) leurs dieux .. ."166 Obwohl diese mit einem Namen verknüpften Mahnungen als Mahnungen von Eltern gedeutet werden können, ist zu fragen, ob nicht kultische Redeformen den Hintergrund bilden, was Stamm in einem späteren Aufsatz 167 annimmt. Die angeführten Vergleichsstellen können diese Vermutung erhärten. 159
Stadtkönig in Südpalästina, EA Nr. 317 Z.2; 318 Z.4. Â.W. Sjöberg: Hymns to Ninurta, 415 (Z.46). 161 Cf. Landsberger/Wilson JNES 20/1961, 165. AHW2,63lf. 143 Behrens: Assyrisch-babylonische Briefe kultischen Inhalts, 8. 144 Cf. AHW 1,191 (egû G) 145 Lambert: BWL, 56. 144 Labat: Le poème babylonien de la création, 154f., vgl. ibid. 162f. (VII 18). 147 Eine Gruppe hebräischer Personennamen (1974), jetzt in: Beiträge zur hebräischen und altorientalischen Namenkunde (OBO 30), Freiburg (Schweiz) 1980, 230-40. 140
Traditionsgeschichtliche Erwägungen
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Stamm stellt auch für das Hebräische eine kleine Gruppe Namen verschiedenen Alters fest, die als Ableitungen von kultischen Mahnungen anzunehmen sind: b m j n (vgl. Jer 31,34; Prov 3,6), m i m (vgl. Ps 33,2; 105,1 usw.), n'yiJD (vgl. Jes 45,22), n'^on (vgl. Hab 2,3; Zeph3,8), M m (vgl. Ps 37,7), H'V'ip (vgl. Ps 27,14). Er vermutet in diesem Namen „ein Stück volkstümlicher Frömmigkeit ..., die am Rand der offiziellen Religion lebte". Das Vorkommen von Mahnungen zur Frömmigkeit im Alten Orient bedarf noch weiterer Untersuchung. Im kultischen Raum hat es sicher verschiedene Arten der priesterlichen Ermahnung gegeben, wie es z. B. Enuma Elis Tafel V widerspiegelt. Sin und Samas werden dort auch regelrecht zur Rechtsprechung aufgefordert: „You both render judgement ... let there be no (a-a ib-ba-si-ma) sin .. ."168 Die literarisch komplexe „Hymne an die Königin von Nippur" 169 fängt mit einem hymnischen Aufruf (Extol Siduri = Istar) an, an den sich verschiedene positive und negative Aufforderungen zu Glauben und Frömmigkeit anschließen (u.a. „Suchet (e ta-as-hu-ra) keinen anderen Gott". „Stehet ehrerbietig ihrer Weisung gegenüber") 170 . Der rituelle Sitz im Leben für die Mahnungen ist in einem anderen Text deutlich zu spüren: „Oh, seer (bärü) on (mount) Ebeh What were the instructions I gave you? In your ... I whispered in your ears, Neglect whichever of the Temples of the land you wish, But do not neglect {la ta-me-ka-a-sü)171 this one, the temple Eturkalamma." 172 Parallelen aus dem Alten Ägypten sind differenziert zu untersuchen. Das Schuldbekenntnis der Stele des Neferabu enthält eine Warnung: „Beware of Ptah, the Lord of Maat. H e does not overlook any guilt in any man .. ." ,7J Eine Inschrift auf der Statue einer Priesterin im Tempel von Sais fordert die Besucher auf: „Wendet euer Gesicht diesem Bildnis zu! Spendet ihm eine königliche Opfergabe!" 174 Mahnungen sind wahrscheinlich keine Randerscheinung des altorientalischen Kultlebens. Eine genauere Beschreibung ihrer Funktion steht noch aus. 168
JNES 20/1961, 158 f. S. die Ausgabe von Lambert in: FS F. R. Kraus, 173 ff. 170 Ibid. 192 (Tafel I). 171 Cf. A H W 2,643. 172 Nach W.G.Lambert: The Problem of the Love Lyrics, in: H.Goedicke/J.J.M.Roberts: Unity and Diversity, 118-20. 173 Holmberg: The God Ptah, 65. 174 G.Roeder: The Torso Simu einer Priesterin aus Sais, in: FS F.LI. Griffith, London 1932, 333. 169
KAPITEL 8
Zusammenfassung und Ausblick In den ersten vier Kapiteln der vorliegenden Abhandlung wurde zur Möglichkeit der Existenz und Form einer klassisch-prophetischen Umkehrmahnung Stellung genommen. Die formgeschichtliche Betrachtung sollte u.a. die Selbständigkeit der Mahnrede unter den prophetischen Redeformen nachweisen. Daraus ergab sich, daß die Mahnung unmöglich als nur äußere Form und Einkleidung der Gerichtsbotschaft der Propheten aufzufassen sei. Das theologische Korrelat dieses Befundes wäre das bekannte Spannungsverhältnis im atl. Gottesbild 1 . Es wurde auch der Versuch unternommen, eine möglichst präzise Beschreibung der Formgeschichte der prophetischen Mahnrede zu geben 2 . Der Vergleich mit weisheitlichen Mahnworten und deuteronomischer Paränese (Kap, 5-6) konnte die Ansicht nur bestätigen, daß die Mahnrede der Propheten eine selbständige Gattung ist, die zielbewußt und flexibel wie das prophetische Gerichtswort Elemente anderer Gattungen als Einkleidung verwendet. Die ganze Geschichte der atl. Schriftprophetie wird vom Anfang bis zum Schluß von der Verwendung der Mahnrede begleitet. Die Schriftprophetie steht aber nicht am Beginn der Geschichte der israelitischen Prophetie, deren früheste Entwicklung großenteils im Dunkeln bleibt. Die älteste Prophetie Israels war jedoch wahrscheinlich eine Art Kultprophetie. Obwohl die klassischen Propheten sich in einem antithetischen Verhältnis zum Kultleben Israels befinden, ist es wohl nicht zufällig, daß die Kernbegriffe ihrer Mahnrede (31®, ATT, Pp3) sich (polemisch) auf den Kult beziehen. Auch die Analogien aus Mari und der näheren kulturellen Umgebung legen die Annahme eines ursprünglich auf den Kult bezogenen Prophetismus Israels nahe. Die vorexilischen Schriftpropheten waren gewiß „Einzelgänger" mit ihrer kultkritischen Umkehrverkündigung und lassen sich nicht einem 1
Vgl. dazu u.a. C.F.Whitley: The Prophetie Achievement, Leiden 1963, Ch. VII; K. Nielsen: Det gammeltestamentlige gudsbillede belyst ud fra de profetiske retstaler, D i l 41/1978, 90-106; dieselbe: Das Bild des Gerichts (RIB-Pattern) in Jes.I-XII, V T 29/1979, 309-24. 2 S. Zwischenergebnis oben S. 140 f.
Z u s a m m e n f a s s u n g u n d Ausblick
199
kultischen Amt zuordnen. Ihre schneidende Polemik gegen den Kult des Volks dürfte jedoch auch als Auseinandersetzung mit der kultprophetischen Linie zu verstehen sein, die die Traditionen der damaligen Prophetie prägte. Auch im üblichen Kultleben hat es sicher Ermahnungen zur Frömmigkeit und Gerechtigkeit gegeben (Nu 14,9; Ps 27,7); die klassischen Propheten haben indessen durch ihre Kultpolemik den Mahnungen zum Suchen Gottes einen radikal neuen Inhalt gegeben. Die veränderte Beziehung der nachexilischen Propheten zum Kult, die die Propheten des Exils (Jeremia, Ezechiel, Deuterojesaja) wohl vorbereitet haben, ist dagegen eng und positiv. Ihre Mahnreden unterstützen und spornen die kultische Restauration der jüdischen Gemeinde an, ohne den Kontakt mit dem klassisch-prophetischen Umkehrbegriff ganz zu verlieren. Wie in der dtr. Literatur scheinen bei den nachexilischen Propheten Fastentermine und andere kultische Anläße zur rituellen Buße den Sitz im Leben für die Mahnungen zur Umkehr zu bilden. Dennoch bedarf die Verwendung von Mahnungen im israelitischen Kult noch weiterer Untersuchung 3 . 5
Dazu könnte die Abhandlung von R. Knierim: Die Hauptbegriffe für Sünde im Alten Testament, Güterloh 1965 geeignete Ansätze bieten.
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Das Buch Jesaja Kap. 40-66. (Das Alte Testament Deutsch, Bd. 19). 5. Auflage 1986. 344 Seiten, kartoniert und Leinen „Einleitend wird zunächst jeweils über Deutero- und Triterpjesaja gehandelt und dann im Anschluß an die Übersetzung Abschnitt für Abschnitt ihre Botschaft erläutert. Formgeschichtliche Überlegungen werden für die Exegese fruchtbar gemacht, so daß die Predigt der Propheten anschaulich und plastisch hervortritt und der theologische Gehalt ihres Wortes - gerade auch im Gegenüber zum Neuen Testament - sichtbar wird." Das Neueste
Lob und Klage in den Psalmen 6. Auflage von „Das Loben Gottes in den Psalmen" 1983. 212 Seiten, kartoniert „Die hier vereinigten Untersuchungen zu den Psalmen haben seit dem ersten Erscheinen nichts an Bedeutsamkeit und Aktualität verloren. Wer sich mit der Frage nach den Psalmengattungen beschäftigt, wird an Westermann nicht vorbeikommen. Theologische Revue
Ausgewählte Psalmen 1984. 210 Seiten, kartoniert „Es geht Claus Westermann nicht um einen Beitrag zur wissenschaftlichen Fachdiskussion, sondern er will die Psalmen zum Reden bringen. Das glückt ihm aufs beste." Kirchl. Amtsblatt Westfalen
Theologie des Alten Testaments in Grundzügen (Grundrisse zum Alten Testament, Bd. 6). 2. Auflage 1985. IV, 222 Seiten, kartoniert „Der Verfasser legt eine beachtenswerte Theologie des Alten Testaments vor, die von einem völlig anderen Ansatzpunkt, einem gattungs- bzw. formgeschichtlichen, 1 ' ^ s gelingt ihm so, das Alte Testament in faszinierender Weise neu aufzuBibel und Kirche
Die Verheißungen an die Väter Studien zur Vätergeschichte. (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, Bd. 116). 1976. 171 Seiten, kartoniert und Leinen Die Verheißungen an die Väter werden in dieser Arbeit als ein selbständiger, wesentlicher Bestandteil der Väterüberlieferungen je für sich und in ihrem Verhältnis zueinander untersucht. Jede einzelne der in den Vätergeschichten begegnenden Verheißungen (des Sohnes, neuen Lebensraumes, des Beistandes, des Landbesitzes, der Mehrung, des Segens, des Bundes) hat ihren eigenen Ort, ihre eigene Funktion und Geschichte.
Vandenhoeck & Ruprecht • Göttingen und Zürich