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German Pages 32 Year 1958
STUDIEN DER LUTHER-AKADEMIE Herausgegeben im Auftrage des Vorstandes von Carl Stange, Göttingen NEUE F O L G E / H E F T 6
VOM H I S T O R I S M U S DES
UND
CHRISTLICHEN
GOTTESGLAUBENS
EIGENART
1958 VERLAG ALFRED TÖPELMANN
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B E R L I N W 35
GESCHICHTLICHKEIT UND CHRISTENTUM IN DER T H E O L O G I E DER GEGENWART Ein Bericht von Erich Fülling DIE EIGENART DES BIBLISCHEN
GOTTESGLAUBENS
von Carl Stange
1958 V E R L A G A L F R E D T Ö P E L M A N N / B E R L I N W35
Druck: Thormann & Goetsch, Berlin-Neukölln
Geschichtlichkeit und Christentum in der Theologie der Gegenwart Ein Bericht von Erich Fülling Vortrag auf der Hochschultagung der Luther-Akademie in Goslar am 8. August 1958
I. Der moderne Historismus und das Christentum Daß der christliche Glaube und die Geschichte eng zusammengehören, bedarf keines besonderen Beweises. Das Christentum ist keine philosophische oder moralische, sondern eine geschichtliche Religion. Audi die Behauptung, daß Christentum und Gesdiiditsbewußtsein nicht zu trennen sind, läßt sich kaum widerlegen. Löwiths Buch „Weltgeschichte und Heilsgeschehen", 1953, weist mit dem bezeichnenden Titel den inneren Zusammenhang beider auf: die christliche Geschichtstheologie, die auf Augustin zurückgeht 1 ), sei auch da noch zu erkennen, wo eine ganz weltliche Geschichtsschau vorherrsche 2 ). Gleichwohl besteht die Tatsache, daß das Neue Testament von dem, was als Weltgeschichte in unserem Bewußtsein vorhanden ist, direkt kaum Notiz nimmt. Von Entwicklungen, Kultur- und Yölkerkreisen hören wir gar nichts, von Politik und dem allumfassenden römischen Reich wird nur beiläufig gesprochen. Angesichts der Enderwartung war kein Raum für solche Erwägungen. Kamiah macht in seinem für unsere Betrachtung grundlegenden Werk „Christentum und Geschichtlichkeit", 1951, darauf aufmerksam, daß „Geschichtlichkeit" im Sinne eigenmächtiger Selbstbehauptung bei Augustin ausschließlich Sache der civitas terrena sei; der Bürger des Gottesstaates sei dagegen in jener ein unbeteiligter Fremdling 3 ). Für diesen ist die Geschichte dieser Weltzeit im Grunde zu Ende, da die neue Welt Gottes bereits in sie hineinragt. Geschichte heißt dann für den Christen: „So, wie es ist, kann es nicht bleiben, und es ist dennoch immer wieder so, wie es nicht bleiben kann" 4 ). Die christliche Aufhebung der Geschichte habe die besondere S. 153.
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) S. 170.
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) S.339, 183.
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) ebd. S. 20.
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Form der Geschichtlichkeit als radikalen Wandel und Wendung zur Universalität ermöglicht! Ende und Ziel (telos) der Geschichte und Geschichtlichkeit überhaupt sind eng aufeinander zu beziehen. Damit sind in wenigen Linien die letjten Wurzeln des Historismus, der Anschauung vom dauernden Wandel des Menschlichen in der Geschichte, aufgezeigt. Diese Haltung entspricht keineswegs dem Bestreben, die Vergangenheit nur museumsartig zu bewahren und zu genießen, was nur eine Entartungsform des Historismus ist und die als solche sich als unfruchtbar erweist. Seine großen Vertreter wollten aber gerade den Menschen dazu befähigen, sich durch die Besinnung auf die Vergangenheit f ü r die Bewältigung der Aufgaben in der Gegenwart und f ü r die Zukunft ausrüsten zu lassen. Herder, der Begründer des Geschichtsglaubens in Deutschland, meinte in der Geschichte den Weg zu sehen, der zur „Humanität" führe, Hegel sah in ihr ein Unternehmen zur Förderung des Bewußtseins der Freiheit. Diltheys Gedanke der geschichtlichen Relativität wollte den Zeitgenossen unabhängig vom Ballast der Vergangenheit machen. Troeltsch, der besondere Denker des Historismus, strebte mit seiner Hilfe zugleich über ihn hinaus nach einer neuen Kultursynthese. 1 ) Troeltsch ist besonders kennzeichnend dafür, daß das moderne Geschichtsbewußtsein in die eigene Krise geriet. Sie war zunächst dadurch bedingt, daß die metaphysische K r a f t , die den Geschichtsglauben des deutschen Idealismus von Herder bis Hegel getragen hatte, erschöpft und durch Erkenntniskritik und Positivismus zersetjt war; Troeltsch hatte vergebens versucht, an ältere Metaphysik anzuknüpfen. Ferner und zugleich hatte die Fülle der verschiedenen Weltanschauungsformen die Möglichkeit einer unbedingten Haltung in Frage gestellt. Dilthey sprach —• freilich nur gelegentlich •— von der „Anarchie" des philosophischen Denkens. 2 ) Die geschichtliche Betrachtung hatte offenbar nicht das gehalten, was man von ihr erwartete. Sie ließ vielmehr denjenigen, der sich in ihr Rat holte, unsicher werden und enttäuscht zurück. Es ist sehr aufschlußreich, daß sich in der evangelischen Theologie um die Jahrhundertwende ähnliche Entwicklungen abzeichnen. Die sogenannte liberale Richtung in ihr hatte hundert Jahre lang das überkommene Jesusbild von dogmatischen Fesseln, wie sie meinte, befreit, um ein nach ihrer Im einzelnen habe ich das ausgeführt und begründet in meinem Buch „Geschichte als Offenbarung", 1956, und in gedrängterer Form in dem Aufsatz „Der Historismus in christlicher Sicht", Zeitschrift für systematische Theologie, 1953, S. 278 ff. 2 ) Vgl. Geschichte als Offenbarung, S. 50/51.
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Ansicht besseres und zugleich historisch zutreffenderes an die Stelle des alten zu setjen. Mit Hilfe der Geschichte glaubte man sich — wie Dilthey — von der Last der geschichtlichen Tradition befreien zu können! Da erkannte Johannes Weiß, welcher der historisch-kritischen Schule angehörte, der historische Jesus sei kein Prediger im Sinne des sittlich zu verstehenden Gottesreiches gewesen, sondern wesenhaft apokalyptisch gestimmt. Albert Schweitzer nennt in seinem bekannten Buche „Geschichte der Leben Jesu-Forschung" Johannes Weiß den großen Wendepunkt. Bekanntlich hat Schweiber selbst die Vorstellung des ausschließlich vom Ende der Zeit bestimmten Jesus von Nazareth aufgegriffen und seine eigene Auffassung daran entwickelt. Was kann aber einem Geschlecht, das dem Eschatologischen im biblischen Sinne weitgehend entfremdet ist, unter diesen Umständen die Theologie der „konsequenten Eschatologie" bedeuten? Albert Schweiber beantwortet für sich die Frage dahingehend, daß nicht der (angeblich nur) zeitgeschichtlich bedingte Inhalt der eschatologischen Verkündigung Jesu entscheidend sei, sondern es bleibe für uns nur verbindlich der Wille, ethische Ideale zu setjen im Sinne der sittlichen Endvollendung des einzelnen und der Gesellschaft. ) Damit ist die Trennung vollzogen von Welt- und Lebensanschauung, die ja auch für Schweibers eigenes philosophisches Denken bestimmend geworden ist. Seine theologischen Gedanken im Sinne der „konsequenten Eschatologie" werden zur Zeit von einer neuliberalen Richtung in der Schweiz vertreten, aber zugleich mit Hilfe der Existenzphilosophie weitergebildet. Es ist bezeichnend, daß die Geschichte vielfach nur noch annehmbar erscheint, wenn sie „existentiell" aufgefaßt wird. Das wird auch im folgenden deutlich werden. II. Versuche zur Überwindung der Krise Als sich einem Dilthey die Relativität des Historischen als bedrohlich enthüllte und Johannes Weiß in seinem Büchlein „Die Predigt Jesu vom Reiche Gottes" die Vorstellung zerstörte, das Jesusbild des 19. Jahrhunderts sei historisch, erschien kurz darauf Kühlers wichtiger Beitrag „Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche biblische Christus" 1892. Haben die Diltlieyschen Gedanken sehr entscheidend das philosophische Denken der Folgezeit über die Kreise seiner Schüler hinaus bestimmt, so hat Kahler mit seiner Gedankenführung großen S. 636.
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Einfluß auf die Theologie weit über seine Schule hinaus gehabt. Die Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Geschichte hat ihn zutiefst bewegt. Genauer gesagt, ging es ihm um die Klärung der Frage, wieweit der Glaube Geschichte begründen könne. ) Eine einfädle Wiederaufrichtung des altgläubigen Bildes von Jesus erschien ihm genau so unmöglich wie der sogenannte historische Jesus, gegen den sich seine Schrift richtet. Auszugehen ist nach Kahler von der Tatsache, daß wir im Neuen Testament den Niederschlag der kirchengründenden Predigt vorfinden. Der Glaube an Christus, ja der Verkehr des Christen mit ihm wird vorausgesetjt, wenn man die Heilige Schrift recht verstehen will. Dann ist „der auferstandene Herr . . . nicht der historische Jesus hinter den Evangelien, sondern der Christus der apostolischen Predigt, des ganzen Neuen Testaments". ) Später heißt es: „Der wirkliche Christus ist der gepredigte Christus" .3) Im gleichen Satj wird der „wirkliche" Christus als der „wirksame" beschrieben, „der durch die Geschichte der Völker schreitet, mit dem die Millionen Verkehr gehalten haben in kindlichem Glauben, mit dem die großen Glaubenszeugen ringend, nehmend, siegend und weitergebend Verkehr gehalten haben". An dieser Stelle mag deutlich werden, was nach Kahler unter „geschichtlich" zu verstehen ist. Hören wir ihn: „Was ist denn eigentlidi eine geschichtliche Größe? . . . Der Urheber und Träger seiner bleibenden Fortwirkung. Als wirkungsfähiger greift der Mensch in den Gang der Dinge ein; was er dann ist, das wirkt, dadurch wirkt er.'"4) Die spürbare Nachwirkung ist also das wahrhaft Geschichtliche. Der Glaube der Jünger an den Herrn als Erlöser und Todüberwinder ist die „durchschlagende" Wirkung, die Jesus hinterlassen hat. 5 ) Gewiß hat Kähler dabei gemeint und vorausgesetjt, daß sich der biblische Christus und die geschichtliche Wirklichkeit wohl vereinen lassen: „er selbst ist der Urheber dieses Bildes."6) Aus Kählers Darlegungen glaubte man später auch entnehmen zu dürfen, daß die Geschichte im Sinne von historischer Tatsächlichkeit für den Glauben nicht unbedingt entscheidend sei. Unter dem Einfluß der Kierkegaardschen Forderung nach „Gleichzeitigkeit" der biblischen Inhalte mit unserer Situation und der Heideggerschen Daseinsinterpretationen gelangt man zu einer vornehmlich existentiell zu verstehenden Interpretation der Bibeltexte, soweit sie uns angehen. Sich geschichtlich -1) Vgl. Ernst Wolf im Vorwort, S. 6 zum Neudruck der Kählerschen Schrift, 1956. 2 ) S. 41. 3 ) S. 44. 5 ) S. 39. 6 ) S. 68 — Vgl. auch S. 75/76. *) S. 37.
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verstehen heißt dann, sich von dem Anspruch Gottes und d e m menschlichen D u , dem Nächsten, in einer unwiederholbaren, k o n k r e t e n L a g e getroffen und in der Entscheidung stehend wissen. E s liegt dann nahe, eine solche V e r a n t w o r t u n g wesentlich von der Z u k u n f t her zu sehen. Heideggers Zeitbegriff liegt ja auch in dieser Richtung. F ü r Bultmann, der durch den genannten D e n k e r beeinflußt ist, besteht demnach die menschliche Geschichtlichkeit vornehmlich darin, „wenn das menschliche Sein verstanden ist als L e b e n in V e r a n t w o r t u n g gegenüber der Z u k u n f t und d a r u m als L e b e n in Entscheidung"; 1 ) denn „Geschichtlichkeit b e d e u t e t , in V e r a n t w o r t u n g zu leben, und die Geschichte ist ein R u f zur Geschichtlichkeit". 2 ) Folgerichtig wird dasEschatologische als ein „Geschehen innerhalb der Geschichte" 3) verstanden. Bezeichnend f ü h r t B u l t m a n n im gleichen Satj aus, daß das eschatologische Geschehen zwar „ m i t d e m A u f t r e t e n J e s u von N a z a r e t h " anhebt, sich dann aber weiter in der Geschichte vollzieht, — „ a b e r nicht als eine historisch festzustellende Entwicklung, sondern jeweils Ereignis werdend in V e r k ü n d i g u n g und Glaube. J e s u s C h r i s t u s " . . . ist dann „ d e r jeweils hier und jetjt in der V e r k ü n d i g u n g Anr e d e n d e " . 4 ) Durch diese existentielle Aktualisierung soll offenbar die Schwierigkeit überwunden werden, die uns heute die inhaltliche F a s s u n g der urchristlichen Eschatologie, ü b e r h a u p t die unsichere Überlieferung der christlichen B o t s c h a f t bereitet. Diese G e d a n k e n B u l t m a n n s sind von Gogarten systematisch dargestellt worden. E r b e k ä m p f t in seiner Streitschrift f ü r B u l t m a n n „ E n t mythologisierung und K i r c h e " , 1953, nicht nur den Glauben an gegenständliche Wahrheiten, dem das falsche S u b j e k t -— Objekt-Schema zu G r u n d e liege, sondern von hier aus auch die Vorstellung, daß es im K e r y g m a , d. h. der bezeugenden V e r k ü n d i g u n g auf objektives Geschehen im Sinne der historischen F e s t s t e l l b a r k e i t ankomme. 5 ) D i e s e neuartige F o r m und F a s s u n g von „Geschichtlichkeit" hat es d a r u m nidit so sehr mit der Vergangenheit, sondern mit der Geschichtlichkeit der menschlichen E x i s t e n z ü b e r h a u p t zu tun. 6 ) Sie stellt sich genauer dar als V e r a n t w o r t u n g f ü r das Geschehen, was v o m Menschen ausgeht, aber auch f ü r das, was auf ihn verantwortlich zukommt. 7 ) D a r ü b e r hinaus und zugleich ist sie V e r a n t w o r t u n g f ü r die Welt, die eine Schöpfung Gottes ist. 8 ) A u d i in d e m Geschichtsbegriff Gogartens spielt die Z u k u n f t eine große Rolle. Sie dient wie bei B u l t m a n n dazu, die christliche M Geschichte und Eschatologie, 1958, S. 162. 2 ) ebd. 3 ) ebd. S. 180. 5 ) S. 32/33. "») ebd. S. 181. 8 ) ebd. S. 42. 7 ) Was ist Christentum, 1956, S. 14. 8 ) ebd. S. 81.
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Eschatologie existentiell zu erfassen und in diesem Sinne fruchtbar zu machen. Im Glauben an die „Zukünftigkeit Gottes" ergreift der Mensch seine geschichtliche Existenz, die dann die Vergangenheit und Gegenwart in anderem Licht erscheinen läßt. Der Mensch kann Gott „nie und nirgends und auf keine Weise . . . anders begegnen als in seiner Zukünftigkeit". 1 ) C. H. Ratschow hat in dem neuen Werk „Der angefochtene Glaube", 1957, demgegenüber geltend gemacht, daß das Kommen Gottes nur dann sinnvoll sei, wenn und weil er uns schon erwählt habe. 2 ) Gottes Tun in der Vergangenheit ist also auch für uns bedeutsam. Ganz allgemein kann man fragen, ob der Gogartensche Begriff von Geschichte und Geschichtlichkeit nicht zu eng sei (Schrey). Zuzugeben ist, daß der wirkliche Mensch, wie er in der Gegenwart als durch die Vergangenheit bedingt und der Zukunft ausgeliefert vor uns steht, nur insofern eine echte Existenz führen kann, als an ihn ganz konkrete geschichtlich bedingte Forderungen und Vorstellungen herantreten. Tatsächlich besteht die Geschichte des einzelnen Menschen und der Gesamtheit dauernd aus Entscheidungen, die sich aus dem eben skizzierten Tatbestand ergeben. Das geschichtliche Leben steht und fällt mit verantwortlichen Entscheidungen. Besonderes Anliegen der Theologen Bultmann und Gogarten ist es, zu zeigen, daß jene nicht im luftleeren Raum fallen, sondern sich konkret vollziehen. Die besondere Situation ist wiederum ein Niederschlag vergangenen Geschehens, auf Grund dessen sich der Mensch der „Künftigkeit Gottes" stellen soll. Besonderes Gewicht und eigenen Ernst bekommt dies noch durch den Gedanken der nicht umkehrbaren Zeit. Alle diese Umstände sind im existentiellen Begriff Geschichte als „Geschichtlichkeit" mit Recht hervorgehoben. Ist aber jene nichts anderes als eine existentielle Angelegenheit? Kann man etwa in Erinnerung und unter einseitiger Berufung auf M. Kahler „Geschichte" und „Historie" derartig gegenüberstellen? Eine solche Haltung ist gewiß als notwendiger Widerspruch gegen die historisierende der vorausgegangenen Generationen verständlich. Dabei wollen wir noch einmal im Hinbiidt auf die Historismusfrage hervorheben, daß z. B . Dilthey und Troeltsch nicht Geschichte um der Geschichte willen getrieben haben. Sie hofften vielmehr, aus ihr Befreiung von der Vergangenheit und Wegweisung für die Zukunft zu erlangen; insofern führt eine Linie von Dilthey über Heideggers „Geschichtlichkeit des Daseins" zu Gogarten und Bultmann. 2)
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Der Mensch zwischen Gott und Welt, 1952, S. 443. S. 163.
In entsprechender Weise glaubte eine bestimmte Richtung der evangelischen Theologie im historisch gestimmten 19. Jahrhundert, wie wir schon einmal sagten, ein historisch zutreffenderes und besseres Bild vom Leben Jesu entwerfen zu können, das befreiend wirken sollte, weil man annahm, es könne den Widerstreit vom modernen Natur- und Geschichtsbewußtsein und Altgläubigkeit auflösen. Nach dem Scheitern dieser Bemühungen gab man dem historisierenden Unternehmen überhaupt den Abschied und wandte sich in einem kühnen Sprung der einseitig existentiellen Auffassung zu. Zur Heilsgeschichte alten Stils zurückzukehren, verbot die intellektuelle Redlichkeit. Dieser existentiell verkürzte Geschichtsbegriff, der sich im historisch-religionsgeschichtlichen Bereich durchaus mit der Anerkennung und Handhabung der kritischen Methode verbinden läßt, ja diese sogar voraussetzt, wie das Beispiel Bultmanns zeigt, sucht der Skylla der traditionellen Heilsgeschichte, die nicht mehr überzeugend ist, und der Charybdis des Historismus, der nicht mehr befreiend wirkt, zu entgehen. Es bleibt zurück ein Begriff von „Geschichte", der zu dem, was man bis dahin so nannte, mindestens in einer starken Spannung steht. Selbstverständlich bestreiten seine Vertreter nicht jede „Faktizität" der in der Bibel berichteten Ereignisse, halten sie aber als solche nicht für entscheidend. Das Kerygma, nicht das „historische" Geschehen sei ausschlaggebend! Ist mit einer solchen „Existenzialisierung" der Geschichte diese selbst nicht schon abgewertet? Hat sich die Offenbarung in der Geschichte nicht unter der Hand in eine solche an der Geschichte •— Geschichte hier gemeint als reales Geschehen — gewandelt? III. Geschichte, Existenz, Kerygma in ihrer gegenseitigen Beziehung heute An der Stellungnahme zur Frage nach dem historischen Jesus kann man deutlich die Schwankungen der Beurteilung von Geschichte und Historie verfolgen. Dem liberalen Glauben an die Möglichkeit, ein jedermann einleuchtendes und überzeugendes Leben Jesu aus den synoptischen Evangelien entwerfen zu können, folgte, wie gesagt, die große Ernüchterung und Enttäuschung. Man meinte darauf, es sei nicht möglich, ein solches zu schreiben. Heute geht man durchweg nicht mehr so weit, ohne dabei zum alten liberalen oder orthodoxen Jesusbild zurückkehren zu wollen. Vor zwei Jahren behauptete Jeremias an dieser Stelle, die Quellen des Lebens Jesu seien keineswegs nur gefärbt, ihr gewiß kerygmatischer Charakter weise auf den historischen Jesus zurück. So sei z. B. die 11
Vorstellung vom stellvertretenden Leiden Jesu eigener Gedanke gewesen. Ähnlich betont Rengstorf in seiner gründlichen Studie „Die Auferstehung Jesu", 1952, das Keryma sei mehr als nur eine Interpretation von Vorgängen, sondern „Zeugnis von dem mit der geschichtlichen Erscheinung Jesu von Nazareth gegebenen und nicht etwa nur verknüpften Handeln Gottes der Art, daß Gott hier vollständig und abschließend zum Heil aller Menschen gehandelt hat".1) Darum komme dem Historischen „grundlegende und wesenhafte Bedeutung für das urchristliche Kerygma" zu.2) Ratschow unterstreicht in seinem oben angeführten Werk das, was sich heute mindestens als Forderung immer mehr stellt: „Die Wahrheit in Christo ist nicht unabhängig von der Wahrheit der Urteile über Jesus." 3 ) Der erste Teil seines Buches trägt die bezeichnende Überschrift: Jesus von Nazareth, Gottes Anwesenheit in leibhafter Gestalt. Solche Urteile mehr „positiv" eingestellter Theologen — man müßte auch noch Stauffer erwähnen — berühren sich heute mit Aussagen von Forschern, die von Bultmann herkommen. Im neuen Jesusbuch G. Bornkamms heißt es: „Aber es kann ja auch ernstlich keine Rede davon sein, daß die Evangelien und ihre Überlieferung uns die Frage nach dem historischen Jesus verbieten. Sie erlauben nicht nur, sie fordern diese Bemühung." 4 ) Käsemann sagt in einem 1954 erschienenen Aufsatj „Das Problem des historischen Jesus" (Zeitschrift für Theologie und Kirche 51): „Die Frage nach dem historischen Jesus ist legitim die Frage nach der Kontinuität des Evangeliums in der Diskontinuität der Zeiten und in der Variation des Kerygmas". Der Wandel gegen früher kommt im folgenden Sa§ zum Ausdruck: „Solcher Frage haben wir uns zu stellen und darin das Recht der liberalen Leben- Jesu-Forschung zu sehen, deren Fragestellung wir nicht mehr teilen!" Ein nordischer Theologe, Dahl in Oslo, macht darauf aufmerksam, daß archäologische Funde und Überlegungen das Vertrauen zur Überlieferung gestärkt haben.5) Wenn auch historisches Wissen den Glauben nicht begründen könne, so führe eine ausschließlich existentiale Interpretation zur Enthistorisierung des Neuen Testaments. 6 ) Das Wie des Lebens Jesu sei keineswegs theologisch bedeutungslos. 7 ) 2 ) ebd. s ) a. a. O. S. 310. !) S. 11. Jesus von Nazareth, Urban-Bücherei, 1957, S. 20. — Vgl. dazu E. Fuchs „Glaube und Geschichte im Blick auf die Frage nach dem historischen Jesus", in: Zeitschrift für Theologie und Kirche, 1957, S. 117 ff. 5 ) Der historische Jesus als geschichtswissenschaftliches und theologisches Problem, in: Kerygma und Dogma, 1955, S. 113. 6 ) ebd. S. 125. 7 ) ebd. S. 126. 4)
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Deutlich erklärt man auf bewußt lutherischer Seite: „Das Heilsgesdiehen erschöpft sich nicht in seiner Wirkung auf uns, sondern eben diese weist über sich hinaus . . . Ohne die Betonung und Wahrung auch jener anderen Seite würde dieses .,Geschichtliche'" bei aller strukturellen Analogie doch zu etwas anderem werden, als was es bei der biblischen Sache ist." 1 ) Kerygma ohne die historische Grundlage führe zur Spiritualisierung. 2 ) In einer grundlegenden gerade erschienenen Schrift von Paul Althaus „Das sogenannte Kerygma und der historische Jesus", 1958, wird in harter und umfassender Kritik festgestellt: „Nach dem Neuen Testament ist das Wort Fleisch geworden, menschliches Personleben... In der Kerygma-Theologie ist das Wort — Kerygma geworden! Die Kerygma-Christologie bedarf der konkreten Züge des irdischen Jesus nicht." ) Die urchristliche Gemeinde habe nicht nur verkündet und Verkündigung gehört, sondern auch Erinnerungen an Jesus weitergegeben und aufbewahrt. Kahler sei gewiß im Recht gewesen, wenn er „seinerzeit dem Historismus der Leben-Jesu-Leute gegenüber den Thron darauf" gelegt habe, „daß die Evangelien nicht primär Quellen im Sinne des Historikers sind, sondern Zeugnisse des Glaubens". Heute gelte indes: „Die Evangelien sind auch Berichte und Quellen. Demgemäß ist die historische Rückfrage an das Kerygma auf seinen historischen Grund unabweisbar und theologisch legitim. Das Neue Testament leitet durch den Charakter der Evangelien selber zu solcher geschichtlichen Besinnung an." ) Schließlich sei noch an H. Diern „Der irdische Jesus und der Christus des Glaubens", 1957, erinnert. Er möchte eine Mittelstellung zwischen der Kerygma-Theologie und der neuen theologischen Rechten einnehmen: Jesus Christus, dem unsere Glaubensentscheidung gilt, ist in seiner irdischen Person der Anfang des Heilsgutes, das die Gemeinde verkündet. 5 ) Glaube und Geschichte, „Geschichtlichkeit" und Historie sind nach dem Ausgeführten also keine Gegensätje, sondern aufeinander angewiesen. Luther selbst scheint da noch viel weiter zu gehen als unser 1 ) E. Kinder „Das neuzeitliche Geschichtsdcnken und die Theologie. Antwort an Friedrich Gogarten, 1954, S. 22. 2 ) ebd. S. 23. 3 ) S. 27. 4 ) ebd. S. 13. B) S. 16/17. Ausführlicher äußert sich Diem über das Verhältnis von Glaube und Geschichte in Bd. II seiner Dogmatik, § 3 u. 4, 1955
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Geschlecht, das durch den Historismus bestimmt war und durch dessen Krise erschüttert ist. Er sagt in der Osterpredigt des Jahres 1529: „Nam ante fidem oportet cognitio historiae adsit" — Vor dem Glauben muß die Kenntnis der Geschichte da sein! IV. Offenbarung in der Geschichte Wir fassen zusammen und ziehen Folgerungen: Der Glaube des Historismus, durch entsprechende Besinnung auf die geschichtliche Entwicklung eine Art Wegweisung für Gegenwart und Zukunft zu erlangen, hat sich als trügerisch erwiesen. Die Geschichte ist keineswegs die direkte Offenbarung Gottes, wie es Herder annahm. — Karl Barth betont demgegenüber grundsätzlich: „Die Offenbarung wird Geschichte", nicht „Die Geschichte wird Offenbarung". 1 ) Troeltsch (der nicht ohne Herders Vorarbeit zu denken ist), beachtet wohl nicht genügend, daß, um mit Karl Barth zu sprechen, „Geschichte zwar ein Prädikat der Offenbarung ist, aber nicht Offenbarung ein Prädikat der Geschichte".2) Es gibt keine Offenbarung durch die Geschichte, keine Geschichte als Offenbarung. Nachdem sich dieser Weg als unmöglich erwiesen hatte, versuchte man, wie gezeigt wurde, die Geschichte, genauer ihr Verhältnis zur Offenbarung, von deren Existenzcharakter, den sie ja fraglos hat, zu verstehen. Dabei kam es freilich, ohne daß man es eigentlich beabsichtigte, zu einer Art von Offenbarung an der Geschichte, wenn man den überkommenen Begriff im Sinne von Historie gleich Geschehen festhält. Es handelt sich aber für uns um Offenbarung in der Geschichte. Das offenbarende Heilsgeschehen ist dann aber nicht ein Bezirk neben oder innerhalb der Weltgeschichte. Es ist aber andererseits auch mehr als nur ein Werturteil oder eine Glaubensaussage über ein rein historisch aufzuweisendes Geschehen. Genügt es da wohl, wenn man mit Ebeling meint, daß das Geschehen des sich offenbarenden Gottes „als historisches Geschehen sich in nichts grundsätjlich unterscheidet von anderem historischen Geschehen, das darum als historisches Geschehen der historischen Betrachtung vollkommen offen liegt, als Offenbarung dagegen sich nur durch das bezeugende Wort des Glaubens erschließt"? 3 ) Sollte man nicht besser mit F. Flückiger sagen, daß Heilsgeschichte als Offenbarung bedeute die 2 ) ebd. Kirchliche Dogmatik I, 2, S. 64, 1948. G. Ebeling „Die Geschichtlichkeit der Kirche und ihre Verkündigung als theologisches Problem", 1954, S. 60. s)
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Enthüllung des göttlichen Handelns, „wie es sonst nirgends der Fall ist". 1 ) Die Menschwerdung Gottes geschieht ja nicht zeitlos, „ s o n d e r n sie geschah einmal, an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit". 2 ) Im Hinblick auf neutestamentliche Berichte, besonders auf das Ostergeschehen, würde folgendes g e s a g t werden können: Die J ü n g e r bezeugten das, was sie gesehen hatten, nicht so sehr das, was ihnen nachträglich a u f g e g a n g e n war. Karl Barth sagt: „Nicht nur der Glaube an ihn, nicht nur die Verkündigung von ihm, sondern die diesen Glauben und diese Verkündigung k o n k r e t b e g r ü n d e n d e und f o r m e n d e Erinnerung an ihn u m f a ß t e auch diese Zeit, die Zeit der vierzig T a g e . " 3 ) Sie p r e d i g t e n nicht ihren Osterglauben, in dem das „ K r e u z als H e i l s e r e i g n i s " verstanden wurde, sondern sie berichteten von dem Glanz (Doxa), der von dem menschgewordenen Wort Gottes ausging, das unter uns seine S t ä t t e aufgeschlagen hatte (Joh. 1, 14; A n f a n g 1. J o h . ) , sich Ostern k r a f t v o l l , wenn auch nur d e m J ü n g e r k r e i s , bezeugte. E i n e solche A u f f a s s u n g — christlich-realistische könnte m a n sagen — steht gewiß im Gegensatz zum kausal-innerweltlichen Geschichtsdenken der l e g t e n J a h r h u n d e r t e . Sie begnügt sich nicht damit, die Geschichte mit christlichen R e d e n zu begleiten, sondern ist bereit, Umgestaltungen in der Geschichte auf Grund des Christusereignisses anzuerkennen. Die von Matth. 27, 5 1 — 5 3 berichteten Ereignisse: Zerreißung des Tempelvorhangs, erste A u f e r s t e h u n g der T o t e n — sind Anzeichen. Ein neuer Aon tat sich auf, der in den bisherigen hineingebrochen ist, ihn zutiefst in F r a g e stellt und schließlich ganz überwinden wird. D a b e i m a g zugestanden werden, daß sich die Christusoffenbarung in einem geschichtlichen R a u m vollzog, der ein Weltbild aufweist, das f ü r die d i r e k t e E i n w i r k u n g von oben sich aufgeschlossener zeigte als unseres, das weitgehend innerweltlidien C h a r a k t e r trägt und meint, ohne Götter und Gott, E n g e l und D ä m o n e n a u s k o m m e n zu können. D i e Gegensäße der Weltbilder lassen gewiß die B e m ü h u n g e n um die „ E n t m y t h o l o g i s i e r u n g " verständlich erscheinen. M a n sollte das jedoch nicht ü b e r t r e i b e n ; denn das Christusgeschehen sprengt und stellt in F r a g e das antike, angebliche „mythische" sowie das m o d e r n e , das mit „Heilsgeschichte und Weltgeschichte", in: Ev. Theologie, 1958, S. 39. ) ebd. S. 44. s ) Kirchliche Dogmatik III, 2, S. 530, 1948. — Vgl. die folgende Kritik an Bultmann S. 531—537. 2
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Kausalität, Innerweltlichkeit und Analogie zu unserem Bewußtsein arbeitet. Christus hat allemal mehr geleistet als nur ein neues Existenzverständnis ermöglicht und neue Lebensmöglichkeiten erschlossen, bei welchen das übrige Geschehen seinen innerweltlichen Lauf f o r t s e i e n mag. Es handelt sich um Existenzwandel. Das wird deutlich an dem Wandel im Leben eines Petrus, Paulus, der Jünger überhaupt, aber auch des Zachäus und Cornelius. Die umwandelnde Wirkung des Wortes Christi zeigt die Kirchengeschichte bis in unsere Tage. Das große Verdienst der christlichen Theologie der alten Kirche ist es, daß zunächst das antike Weltbild umgestaltet und überwunden wurde. Als sie sich im Kampf gegen die griechisch-syrische Gnosis und die spiritualisierenden Richtungen in der Christologie herausbildete, betonte man mit Recht gegen den antiken Spiritualismus und eine entsprechende Dämonologie die Geschichtlichkeit und Einmaligkeit des Erlösers. So wurde überhaupt erst ein Geschichtsbewußtsein erzeugt. Augustins Geschichtsphilosophie, besser: — wie wir schon im Anschluß an Löwith und Kamiah zu Beginn unserer Darlegungen andeuteten — seine theologische Betrachtung des Geschehens vom endgeschichtlichen Ziel her bildet zugleich den kritischen Abschluß und die Überwindung des antiken Welt- und Menschenbildes. Dies hat bedeutende Folgen f ü r die kulturelle, geistige, zum Teil auch soziale Entwicklung gehabt. Es kann hier im einzelnen nicht ausgeführt werden, wie weit das Verhältnis von Mensch zu Mensch, des einzelnen zur Gesamtheit, des Menschen zur Natur und Kultur in den folgenden Jahrhunderten bis heute sich grundlegend gewandelt hat (man denke nur an die soziale Fürsorge des Staates f ü r die Bedrängten als verweltlichte — christliche Nächstenliebe). Daß zugleich auch die teuflische Gegenmacht wieder viel zerstörte und in Frage stellt, bleibt bestehen. Es gibt darum keine direkte Rechtfertigung des Christentums aus der Geschichte, auch keinen christlichen Historismus. Bis zum auch äußerlich erkennbaren Siege Christi gibt es nur Ansätje, die freilich auch dem Auge des Ungläubigen nicht ganz verborgen sein können; denn der Christusglaube öffnet nicht nur ein neues Existenzversiäradnis, sondern auch eine neue Existenzweise mit entsprechenden Auswirkungen im Weltbild und im Zusammenleben der Menschen. Das Wort des Paulus gilt bis zu einem gewissen Grade auch f ü r eine ganze Geschiciitsperiode: Wenn also jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung geworden: Das Alte ist vergangen, etwas Neues ist entstanden (2. Korinth. 5,17). 16
Die Eigenart des biblischen Gottesglaubens von Carl Stange
Herrn T)omprop$t
T). Ernst
Sommerlath
Domherrn in Meißen, Professor Ordinarius an der Universität Leipzig in dankbarer Erinnerung an Jahrzehnte gemeinsamer Arbeit im Rahmen des Apologetischen Seminars und der Luther-Akademie zu seinem 70. Geburtstage am 23. Januar 1959 I. Der biblische Gottesglaube unterscheidet sich von allem anderen 'Gottesglauben dadurch, daß er die ganze Welt für sich in Anspruch nimmt. Dies zeigt sich schon darin, daß sich nur in der biblisdien Frömmigkeit der Glaube an Gott als den Schöpfer der ganzen Welt findet. In allen anderen Religionen sind es immer nur Bruchteile der Welt, die zu religiösen Eindrücken und Empfindungen führen. Daher trägt die außerbiblische Religion in der Regel polytheistischen Charakter. Aber ebenso unterscheidet sich die biblische Religion von allen anderen Religionen dadurch, daß sie als das Ziel der göttlichen Heilsabsicht die ganze Menschheit berufen sein läßt, während der Gottesglaube sonst immer in den Schranken nationaler und kultureller Bindungen bleibt: im biblisdien Gottesglauben ist der Partikularismus grundsätzlich von Anfang an überwunden. — Dies Letjtere — die Ausweitung des von der Gottheit zu erwartenden Heils über die gesamte Menschheit — findet in der neutestamentlichen Form des biblischen Gottesglaubens darin seinen greifbaren Ausdruck, daß Geburt und Tod des Stifters des Christentums zum Mittelpunkte des geschichtlichen Lebens der ganzen Menschheit werden. Um seines Kreuzes willen bildet die Geburt Jesu den Mittelpunkt der christlichen Zeitrechnung: von der Geburt Jesu an werden die Jahre nach rückwärts bis zum Anfang des geschichtlichen Lebens der Mensdiheit geredinet: „Ehe denn Abraham ward, bin ich!" (Joh. 8, 58) — und ebenso nach vorwärts bis an das Ende der Tage: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt!" (Mt. 28, 20). 17
Überraschender Weise findet sich aber diese universale Perspektive nicht erst im Rahmen des Neuen Testamentes, sondern auch schon auf den ersten Blättern des Alten Testamentes. Die Idee der Heilsgeschichte als eines Zusammenhanges im Erleben der ganzen Menschheit wird schon den Erzvätern des Alten Bundes — und zwar ihnen allen: Abraham, Isaak und Jakob — mitgeteilt. Ihnen allen wird verkündet, daß durch ihren Samen „alle Geschlechter auf Erden sollen gesegnet werden" (Gen. 12, 3; 26, 4; 28, 14). Diese Verheißung, daß der Segen Gottes über alle Geschlechter auf Erden kommen soll, gibt der biblischen Frömmigkeit ihr einzigartiges Gepräge, durch das sie sich von allen anderen Arten der Gottesverehrung unterscheidet. Wenn aber diese der ganzen Menschheit geltende Verheißung gegenüber den drei Erzvätern wiederholt ausgesprochen wird, so geschieht dies nicht bloß deshalb, weil diese Besonderheit des biblischen Gottesglaubens so stark wie möglich unterstrichen werden soll, — es scheint auch in der Nebeneinanderstellung der drei Erzväter eine Andeutung gegeben zu sein, wie sich die Erfüllung jener Verheißung verwirklichen wird, sodaß man an der besonderen Eigenart der Frömmigkeit der Erzväter den kommenden Weg der Heilsgeschichte — wenigstens im Bereiche des Alten Bundes — ablesen kann, soweit in ihrer Frömmigkeit ein Unterschied zwischen ihnen besteht. II. Soweit die beiden ersten Erzväter in Betracht kommen, kann hiervon allerdings noch nicht die Rede sein. Was von Isaak erzählt wird, nimmt sich wie eine Wiederholung des über Abraham Mitgeteilten aus, — wie dies auch von der historischen Kritik bemerkt worden ist. Das Einzige, was der Geschichte Isaaks Bedeutung verleiht, ist die Erzählung von der Bereitschaft Abrahams zur Opferung seines Sohnes. Daran ist Isaak selbstverständlich nur passiv beteiligt: diese Erzählung von dem Opfer Abrahams sagt über das Gottesverhältnis Isaaks gar nichts aus, sondern gehört ausschließlich in die Geschichte Abrahams. Die Gestalt Isaaks ist in der Geschichte Abrahams nur deshalb notwendig, weil mit der Erzählung vom Opfer Abrahams die Loslösung der biblischen Frömmigkeit vom Heidentum anschaulich wird. Das Opfer der Erstgeburt ist die Höchstleistung der heidnischen Frömmigkeit, die Abraham schon in seiner Heimat, aber dann auch wieder in Kanaan kennen gelernt hat. Das Motiv dieses Opfers ist die Erwägung, daß in der Hingabe des Erstgeborenen die Unterordnung unter die Gottheit und unter ihren Anspruch an das eigene Leben in 18
nicht mehr zu überbietender Weise zum Ausdruck kommt. Soll also mit der Frömmigkeit Abrahams eine höhere Stufe der Gottesverehrung gegenüber dem Heidentum erreicht werden, so scheint Abraham wenigstens der gleichen Opferwilligkeit fähig sein zu müssen. — Hierin liegt für Abraham die Versuchung! Vielleicht war für Abraham schon in seiner Heimat das Opfer der Erstgeburt der Anstoß, den er an der Frömmigkeit der Heimat nahm und der ihn zur Auswanderung aus der Heimat veranlaßte. 1 ) Aber als er dann in Kanaan wieder vor dies Problem gestellt wird, tritt aufs neue die Versuchung an ihn heran. Doch nun überwindet er sie, indem er sich der Verheißung erinnert, die sich für ihn mit seinem Auszuge aus seiner Heimat verband. Wenn durch ihn und seinen Samen der Segen Gottes zu allen Völkern auf Erden kommen soll, dann liegt es also nicht an dem Verhalten des Menschen, ob Gott ihn segnet, — es ist vielmehr unabhängig vom Verhalten des Menschen Gottes Wille, daß alle Menschen zu dem von Gott ihnen zugedachten Heil gelangen sollen. Bei dem Segen, der Abraham zuteil geworden ist, haben wir es also mit einer ganz anderen Auffassung des Verhältnisses zwischen Gott und den Menschen zu tun als im Heidentum. Alles, was der Mensch Gott als Opfer darbringen kann — die Früchte des Feldes, die Tiere seiner Herde und zuletjt auch der erstgeborene Sohn —, alles dies ist aus Gottes Schöpferhand hervorgegangen: wie sollte es also geeignet sein, einen Einfluß auf das Verhältnis Gottes zum Menschen auszuüben, wenn der Mensch es Gott als Opfer darbringt? Indem Gott dem Menschen alle die Werte des irdischen Lebens zur Verfügung stellt, erweist er sich als die Quelle aller dieser Werte und bedarf infolgedessen nicht des Opfers dieser Werte durch den Menschen, um ihm seine Gunst zuzuwenden. Der primitive Mensch stellt sich allerdings die Gottheit nach seinem eigenen menschlichen Wesen vor: als ob es darauf ankomme, daß der Mensch durch sein Verhalten die Gunst der Gottheit sich erwerben müsse und als ob dazu die Dinge geeignet wären, die der Mensch in seinem eigenen Leben schält und sich wünscht. Wenn Gott dem Menschen die Güter des irdischen Lebens darbietet, so geschieht dies, damit der Mensch den Unterschied kennen lerne zwischen gut und böse und damit empfänglich werde für den Unterschied in der Stufenreihe der Werte zwischen dem, was ihm in seiner Zugehörigkeit zur Welt — und Wenn das Land, das Abraham als Ersatz für die Heimat erhalten soll, bezeichnet wird als ein Land, in dem Milch und Honig fließt, so könnte dies vielleicht als Gegensatz gemeint sein zu dem Lande, in dem der Weg zu Gott durch das Übermaß der Grausamkeit hindurchgeht.
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dem, was ihm als d e m E b e n b i l d e Gottes eigen ist. In der E r k e n n t n i s von Gut und B ö s e k o m m t zum Ausdruck, daß der Mensch nicht bloß der E r d e angehört, sondern in sich eine ü b e r die E r d e hinausgreifende B e r u f u n g trägt zu einem L e b e n , das ihm nicht durch seine Sinne von der E r d e her zuwächst, sondern ihm K u n d e gibt von einer Macht, die das L e b e n in sich selber hat ( J o h . 5, 26). — Was Goethe im A n f a n g d e s zweiten Teiles seines F a u s t von dem uns Menschen angeborenen T r i e b e sagt, ü b e r alle Weiten der E r d e hinauszustreben, ist der poetische Versuch, das auszudrücken, was die Schöpfungsgeschichte der Bibel von der Erschaffung des Menschen nach dem Bilde Gottes gesagt hat. — A b e r obgleich die heidnische F r ö m m i g k e i t irrt, indem sie auf d e m Wege des O p f e r s die Gottheit zu beeinflussen und ihre Gunst zu erwerben meint, liegt doch in dem A u f s t i e g e des O p f e r g e d a n k e n s bis zum O p f e r des ersten Sohnes eine Ahnung des wahren Wesens Gottes. D i e Erzählung vom O p f e r A b r a h a m s hat es nicht bloß mit der L o s l ö s u n g A b r a h a m s v o m H e i d e n t u m zu tun, sondern k ü n d e t bereits die am E n d e der Wege Gottes k o m m e n d e endgültige Offenbarung seines Wesens an. Wie alles, was von Gott ausgeht, sich in L e b e n zu kleiden pflegt, s o wird die neue E r k e n n t n i s Gottes, die A b r a h a m gewinnt, als das Wort, das Gott zu A b r a h a m spricht, zur R e d e eines E n g e l s , der A b r a h a m bezeugt, daß Gott das O p f e r seines Sohnes nicht will. Die Bereitschaft A b r a h a m s zum O p f e r seines Sohnes beweist, daß der G l a u b e A b r a h a m s der Höchstleistung des heidnischen Glaubens gewachsen ist; aber zugleich auch, daß der G l a u b e A b r a h a m s anders ist als der heidnische Glaube. F ü r A b r a h a m ist Gott nicht wie ein Mensch, der f ü r j e d e n Dienst, den er einem Mitmenschen erweist, seine B e z a h l u n g verlangt, hat Gott ihn doch b e r u f e n , ohne von A b r a h a m durch dessen O p f e r veranlaßt zu sein. A b r a h a m ist der erste Mensch gewesen, der von G o t t e s freier Güte gewußt hat und um der bedingungslosen L i e b e willen, die Gott ihm erwiesen hat, an ihn geglaubt h a t ! Wiederholt weist der E n g e l darauf hin, daß A b r a h a m seines einigen Sohnes nicht verschonet h a t u m Gottes willen (Gen. 22, 12 und 18). A b r a h a m hat nicht d a r a n gedacht, durch die O p f e r u n g seines Sohnes sich selber Vorteile f ü r sein eigenes L e b e n zu verschaffen oder etwaige B e d r o h u n g in seinem irdischen Wohlergehen abzuwehren, — es ist nur die vor keinem O p f e r zurückschreckende und selber keines ihm darzubringenden O p f e r s b e d ü r f e n d e L i e b e , worin ihm der Wille Gottes offenbar geworden ist. In dieser Vorahnung dessen, was a m E n d e der Heilsgeschichte Gottes in unverhüllter K l a r h e i t sich darbietet, stellt sich d e r biblische Gottesglaube als ein durch Gott gewirktes Wunder dar. Von A b r a h a m sagt die
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Stimme des Engels: „Nun weiß ich, daß du Gott fürchtest und hast deines einigen Sohnes nicht verschonet um meinetwillen." (Gen. 22, 12). Als Abraham sidh bereit findet, seinen Sohn zu opfern, dachte er nicht an sein eigenes Leben, dem er durch die Hingabe seines Sohnes die Gunst Gottes erwerben wollte. Es war vielmehr die ihm durch seine Aussonderung aus dem Heidentum zuteil gewordene Güte Gottes, die ihn das Wesen Gottes und damit auch den Sinn seines eigenen Lebens hatte erkennen lassen. Mit starker Betonung wiederholt der Engel diese Deutung des Verhaltens Abrahams: „Ich habe bei mir selber geschworen, spricht der Herr, dieweil du solches getan hast und hast deines einigen Sohnes nicht verschonet, daß ich deinen Samen segnen und mehren will, . . . und durch deinen Samen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, daß du meiner Stimme gehorcht hast" (Gen. 22, 16— 18) . . . und nicht den vom Irdischen stammenden Gedanken. Der Widersinn des Heidentums besteht darin, daß der Mensch das Wertvollste in seinem Leben opfern soll, um dadurch andere Güter seines irdischen Lebens, die nicht von ferne mit jenem wertvollsten Gute verglichen werden können, sicherzustellen und gegen etwaige Launen der Gottheit zu schütjen. Wenn der Mensch das Opfer seines ersten Sohnes gebracht hat, so meint er, auch sicher sein zu dürfen, daß seine Äcker reiche Frucht tragen und seine Geschäfte erfolgreich vonstatten gehen werden und er auch seiner Feinde mächtig werden wird. Aber was bedeuten die Äcker und die Geschäfte und selbst der Sieg über die Feinde gegenüber der Liebe, die den Vater mit seinem Sohne verbindet! Das Verhältnis, in dem der Vater zu seinem Sohne steht, bedeutet für den Vater mehr als alles andere, was den Inhalt seines Lebens ausmacht. Der Gott Abrahams aber läßt es nicht zu, daß die Selbstsucht der irdischen Gedanken der kostbarsten Gabe des menschlichen Lebens übergeordnet wird, denn der Name des Vaters ist das Höchste, was es im Himmel und auf Erden gibt! In der biblischen Frömmigkeit ist der Name des Vaters zum Namen Gottes geworden (Mt. 6, 9). Und von Gott heißt es (Joh. 3, 16): „Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben". — Und ebenso hat auch Paulus (Rom. 8, 32) gesagt: „Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat ihn" —, der uneingeschränkt das Ebenbild Gottes genannt werden durfte (2. Kor. 4, 4) — „für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken!" 21
III. Einen wesentlich anderen Eindruck bekommt man dann aber von dem, was von dem dritten der Erzväter erzählt wird. Die durch Gott angekündigte Geschichte des Heils geht nicht einen geradlinigen Weg. Es setjt nicht alsbald die Erfüllung der Weissagung ein, — es bietet sich zunächst scheinbar das Gegenteil dar: während die Verheißung, die Abraham zuteil wird, allen Völkern der Erde gilt, wird tatsächlich nur das jüdische Volk Erbe der Verheißung. Es gehören nur die Nachkommen Jakobs zum auserwählten Volk. Weder alle Nachkommen Abrahams, noch alle Nachkommen Isaaks sind Träger der Heilsgeschichte, sondern allein Jakob und seine Kinder, — geschweige denn, daß alle Völker der Erde zum Volke der Erwählung gehören. Aber obgleich dies ein Abweg zu sein scheint, liegt es doch im Wesen der Heilsgeschichte, daß sie mit diesem Umwege über ein einzelnes Volk beginnen muß. Die Gliederung der Menschheit in Völker gehört auch zur Pädagogik Gottes. Denn nur im Rahmen des Volkes weitet sich der Blick des Menschen über die Schranken des eigenen Sonderlebens hinaus zum Bewußtsein der dem Ganzen der Menschheit eingestifteten Gottesordnung. Im Anfang der Bibel heißt es: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei!" (Gen. 2, 18). Der Mensch bedarf eines Gefährten, damit er der Eigenart des dem Bilde Gottes entsprechenden Menschentums teilhaftig werde. So kommt es zur Erschaffung des Weibes und damit zur Entstehung der Familie und von der Familie durch die Sippe hindurch zur Entstehung des Volkes. Durch das Volk tritt der Mensch mit Gott in Verbindung, nicht — wie alle übrigen Lebewesen — bloß nach dem Leben, das er als Einzelwesen in sich trägt, sondern auch nach dem Leben in der Gemeinschaft, das ihn in der Verbindung seines Lebens mit dem Leben anderer Menschen auf eine höhere Lebensstufe, auf diejenige des Lebens Gottes, führt. In seiner Zugehörigkeit zum Volke vollzieht sich der Aufstieg des Menschen über den rein animalischen Zustand des Lebens in die Leitung durch das Gewissen, das ihm in den Gefühlen der Verantwortung und der Schuld von der Bedeutung seines Lebens für Gott Kunde gibt, wenn die Menschen einander als Ich und Du begegnen und im Bewußtsein ihrer besonderen Berufung in gegenseitigem Dienst und Dank miteinander verbunden werden.) — Das Bild, das im Alten Testamente von Jakob gezeichnet wird, läßt in ihm die Verbindung der animalischen Triebhaftigkeit des Menschen *) Vgl. meine Schrift: Die Anfänge der Theologie Luthers, 1957, S. 48—52 (Studien der Luther-Akademie, N. F. Heft 5).
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mit seiner Berufung zum Bilde Gottes in scharfer Beleuchtung hervortreten. Während die Liebe Abrahams zu seinem Sohne zum Gleichnis der Liebe Gottes gegenüber den Menschen wird, zeigt das Beispiel Jakobs, daß die Verklärung, die dem Bilde des Menschen durch die Liebe Gottes erwächst, auf die Erdhaftigkeit der Gesinnung Jakobs keinen Einfluß ausübt. Das der Vaterliebe am nächsten stehende Verhältnis der Bruderliebe hindert Jakob nicht, Esau um sein Erstgeburtsrecht zu bringen und seinen Vater zu betrügen. Als er dann vor der Rache Esaus flieht, tritt Gott ihm in den Weg, •— aber nicht mit der Strafe für seine Sünde, sondern mit der Erinnerung daran, daß Jakob um Abrahams willen an der diesem zuteil gewordenen Verheißung auch seinerseits Anteil haben soll. Aber wie antwortet Jakob auf dies für menschliches Empfinden unbegreifliche Verhalten Gottes? Man kann die Worte, die in der Heiligen Schrift stehen, nur wiederstrebend wiederholen! Im 28. Kapitel der Genesis, Vers 20—22, heißt es: „Und Jakob tat ein Gelübde und sprach: So Gott wird mit mir sein — und mich behüten auf dem Wege, den ich reise, — und mir Brot zu essen geben — und Kleider anzuziehen — und mich mit Frieden wieder heim zu meinem Vater bringen, — so soll der Herr mein Gott sein, . . . und alles, was du mir gibst, des will ich dir den Zehnten geben!" Für Jakob handelt es sich also eindeutig um ein Geschäft: Jakob macht seine Anerkennung Gottes von einem Kaufpreis abhängig, den Gott zahlen soll! Aber ganz sicher ist ihm der Handel nicht. Es ist wohl sein böses Gewissen, das ihn nicht an den Erfolg glauben läßt. Deshalb stellt er schließlich noch 1 0 % Zinsen in Aussicht von allem, was Gott ihm zuteil lassen wird! Das ist zweifellos ein besonders kluger Zusatz: Jakob ist jedenfalls davon überzeugt, daß diese Aussicht für Gott ein Antrieb sein wird, Jakob möglichst viel zu geben. Es ist kein Wunder, daß in einer Familie, in der in so unverhüllter Weise die Erdhaftigkeit des Menschen in die Erscheinung tritt, es vieler Bemühungen Gottes bedarf, um in ihr das Verständnis für die eigentliche Aufgabe des Menschen zu wecken. Der Erzvater Jakob muß es an seinen eigenen Kindern erfahren, wie schmerzhaft es für seinen eigenen Vater Isaak gewesen sein muß, als dieser von dem Betrüge Jakobs ihm gegenüber erfuhr. Als die Söhne Jakobs ihren Bruder Joseph an die Ägypter verkauften und ihrem Vater Jakob die Nachricht brachten, daß ein wildes Tier Joseph zerrissen habe, da mußte Jakob dasselbe erdulden, was er seinem Vater angetan hatte. E r mußte sehen, wie in seinen Kindern die Saat aufging, die er gesät hatte.
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Aber tro^dem ging doch die durch Gott angekündigte Heilsgeschichte ihren Weg. Das Unrecht, das die Söhne Jakobs ihrem Bruder Joseph angetan hatten, ward für Joseph und für seine Brüder in Segen verwandelt. Joseph selber gelangte in Ägypten zu hohen Ehren, und seine Brüder mußten in der Zeit der Hungersnot ihn um seine Hilfe bitten. So erteilt Gott Jakob und seinen Kindern anschaulichen Unterricht, wie Menschen als Glieder einer Familie miteinander leben sollen. Aber als dann Joseph stirbt, hat der Unterricht in der Aufgabe des Lebens in der Familie sein Ende, und es beginnt die Erziehung des Volkes Israel. Der Unterschied zwischen Familie und Volk besteht darin, daß in der Volksgemeinschaft der Lebenskreis sich erweitert: die Stimme des Blutes spricht nicht mehr das entscheidende Wort. Die Aufgabe des Menschen besteht nicht mehr bloß darin, daß er für sich selber und für die ihm blutmäßig unmittelbar Verbundenen sorgt, wie dies mehr oder weniger auch bei jedem anderen Lebewesen der Fall ist. In dem Zusammenschlüsse zum Volke tritt in die Erscheinung, was den Menschen von allen übrigen Lebewesen in der irdischen Welt unterscheidet. In der biblischen Schöpfungsgeschichte kommt dies schon darin zum Ausdruck, daß der Mensch zur Herrschaft über alles Leben und über die ganze Erde berufen wird. An die Stelle der durch das Blut vermittelten Verbundenheit in der Familie tritt der Sinn für die Einheit und das Ganze der Schöpfung, über die der Mensch herrschen soll, und damit dann auch der Sinn für die Verbundenheit mit anderen Menschen über die Grenze des Blutes hinaus. Dabei kommt es zunächst zur Entstehung des Volkstums als des Zwischengliedes zwischen der Familie und der Menschheit. Mit der Familie hat das Volk gemeinsam die Verhaftung unter die Bedingungen des naturhaften Lebens, und es unterscheidet sich von der Familie dadurch, daß die naturhafte Bedingtheit des Volkes nicht mehr wie bei der Familie im Blute als der allen Einzelwesen gemeinsamen Lebensgrundlage gegeben ist, sondern in dem durch Raum und Zeit bedingten Schicksal des Zusammenlebens ihr Gepräge gewinnt. Von entscheidender Bedeutung für das Leben des Volkes sind also die Bedingungen, in die sich nach den örtlichen und zeitlichen Verhältnissen das Zusammenleben der Menschen kleidet. Für das Volk Israel spielt der aus seiner Familiengeschichte sich ergebende Aufenthalt in Ägypten eine entscheidende Rolle. Beim Propheten Hosea (11,1) heißt es: „Da Israel jung war, hatte ich ihn lieb und rief ihm, meinem Sohne, aus Ägypten" (Ex. 4, 22. Vgl. Mt. 2, 15). Durch den Aufenthalt in Ägypten lernen die Kinder Israel den Unterschied
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kennen zwischen der Heimat als dem Ort der Familie und der Fremde als der Begegnung mit anderen Völkern, und werden dadurch zum Nachdenken über die ihnen zugedachte besondere Aufgabe geführt. Das Ergebnis tritt in der mosaischen Gesetzgebung zutage. Die Bedeutung der mosaischen Gesetzgebung besteht darin, daß in ihr die Universalität des biblischen Gottesgedankens übertragen wird auf das Abbild Gottes im Menschen. Ebenso wie der Polytheismus des Heidentums durch den biblisdien Glauben an den einen Schöpfer Himmels und der Erde abgelöst wird, ebenso ist es der tiefere Sinn der mosaischen Gese^gebung, daß die Vielheit der Völker durch die Idee der einen Menschheit überwunden wird. In der Tat haben sich denn auch die zehn Gebote der mosaischen Gesetzgebung als die Bürgschaft einer allgemein menschlichen Lebensordnung bewährt. Wie in dem Übergange von der Familie zum Volke die Planmäßigkeit der göttlichen Heilsgeschichte zutage tritt, so ist das gleiche dann auch beim Übergange vom Volke zur Menschheit der Fall. Dem jüdischen Volke erscheint zunächst die ihm durch Moses zuteil gewordene Gesetzgebung als eine Höchstleistung des jüdischen Volkes selber. Wenn man sich die Umstände vergegenwärtigt, unter denen die Gesetzgebung des Moses zustande gekommen ist, kann man sich nicht dem Eindruck entziehen, daß es sich dabei um eine Reihe von Wundern Gottes handelt. Einem geknechteten Volke gelingt es, gegenüber einem übermächtigen Feinde über das Meer hin die Freiheit zu erlangen und in jahrzehntelanger Wanderung durch die Wüste immer neue Nöte und Gefahren zu überstehen und schließlich dann doch das den Vätern verheißene Land seiner Sehnsucht sich zu eigen zu machen! Aber der Eindruck, den alle diese Wunder auf das Volk machen, findet im Bewußtsein des Volkes einen Widerhall, als ob alles, was Gott an ihm getan, eigene Leistung des Volkes und f ü r das Volk ein Grund zur Selbstbewunderung sei. Im Deuteronomium heißt es (4, 7 f.) im Munde des Moses selber: „Wo ist so ein herrliches Volk, zu dem Götter also nahe sich tun, als der Herr, unser Gott, so oft wir ihn anrufen? Und wo ist so ein herrliches Volk, das so gerechte Sitten und Gebote habe als all' dies Gesetz, das ich euch heutiges Tages vorlege?" Und ebenso heißt es am Ende des Deuteronomiums (33, 29): „Wohl dir, Israel! Wer ist dir gleich? 0 Volk, das du durch den Herrn selig wirst, der deiner Hilfe Schild und das Schwert deines Sieges ist! Deinen Feinden wird es fehlen, aber du wirst auf ihren Höhen einhertreten." Das sind Klänge, die an Jakob erinnern in seiner Unterordnung der Frömmigkeit unter das eigene Ich und in der Nichtachtung der anderen, 25
die doch auch das Bild Gottes tragen. Wie Jakob sich nicht scheut, selbst seinen Zwillingsbruder um sein Erbteil zu bringen und seinen Vater zu betrügen, so ist für Israel jedes fremde Volk seiner Verachtung und seines Hasses wert! Es ist nicht überraschend, daß sich aus der Selbstschätzung des jüdischen Volkes und aus der Überhebung gegenüber allen anderen Völkern für das Volk Israel das Verlangen nach weltlicher Herrschaft ergibt, wie es in der Wahl eines Königs von Israel seinen Ausdruck findet. Die Geschichte dieses Königtums geht allerdings schnell zu Ende, und das Volk Israel macht dann an seinem eigenen Schicksal die passive Erfahrung, was es heißt, „auf den Höhen seiner Feinde einherzutreten!" Aber auch der Untergang des Volkes ist keine Widerlegung der Verheißung, die den Erzvätern zuteil geworden ist. Daß alles, was von der Erde stammt, auch wieder zur Erde werden muß, muß auch das auserwählte Volk erfahren; aber da ihm auf seinem Wege Gott begegnet ist, wird sein Schicksal ihm aufs neue zur Verheißung. Es kann ja nicht ohne Grund sein, daß mit der Zerstörung aller irdischen Hoffnung eine bessere Hoffnung im Menschen lebendig wird. Wenn man schon aus der Lebensfülle, die sich in der vergänglichen Welt ausbreitet, einen überwältigenden Eindruck von dem Leben bekommt, aus dem alle Herrlichkeit des Irdischen stammt, wie über alles Verstehen herrlich muß dann das Leben sein, von dem die Welt des Irdischen nur ein flüchtiger Abglanz ist! Aber dazu kommt, daß dem Menschen — und zwar nur dem Menschen — diese Begegnung mit dem Jenseits des Irdischen zugänglich ist, sodaß nur der Mensch in Berührung steht mit dem Leben Gottes. Und wenn wir dann fragen, warum wohl dem Menschen dieser Zugang zu dem Throne Gottes geöffnet worden ist, so kann dies nur bedeuten, daß es zu Gottes Wesen gehört, sein Leben dahinzugehen, sodaß es Gott zum Abbild und Widerhall seines Lebens werde. In der Geburt des Menschen findet die Schöpfung Gottes ihren Abschluß.) *) A l s M o s e s bei seiner B e r u f u n g durch Gott ihn fragt, mit welchem N a m e n er ihn d e m V o l k e I s r a e l nennen solle, lautet d i e Antwort Gottes nach d e r Ü b e r s e t z u n g L u t h e r s : „ I c h w e r d e sein, d e r ich sein w e r d e " , — in der d u r c h K a u t z s c h herausgegeb e n e n Ü b e r s e t z u n g : „ I c h b i n , d e r ich b i n " ( E x . 3 , 1 4 ) . In b e i d e n Ü b e r s e t z u n g e n scheint d i e E w i g k e i t Gottes gemeint zu s e i n : d a s eine M a l als in i h r e m Ü b e r g r e i f e n ü b e r a l l e Zukunft u n d d a s a n d e r e M a l in d e r Beständigkeit ihrer Gegenwart. I n d e r Ü b e r s e t z u n g L u t h e r s w ü r d e a l l e r d i n g s der Begriff d e r Zeit i m V o r d e r s a t z u n d i m Nachsatz v e r s c h i e d e n e B e d e u t u n g h a b e n . I m V o r d e r s a t z w ü r d e von d e r Gegenwart auf d i e Z u k u n f t verwiesen w e r d e n : S o , w i e ich jetzt bin, w e r d e ich auch in d e r Z u k u n f t sein, d. h. es k o m m t d i e zeitliche Dauer des D a s e i n s Gottes in Betracht. I m Nachsatz w ü r d e d a g e g e n eine A u s s a g e ü b e r d i e Beschaffenheit des S e i n s Gottes gegeben w e r d e n ; trotz d e s Wechsels der Zeit ist d a s Sein G o t t e s i m m e r sich selber gleich. In der v o n K a u t z s c h e m p f o h l e n e n Ü b e r s e t z u n g verschwindet d i e s e D o p p e l d e u t i g k e i t a l l e r d i n g s ; a b e r d i e F o r m e l : „ I c h bin, der ich b i n " , erscheint a l s v ö l l i g inhaltsleer, —
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Von dieser Zusammengehörigkeit der Menschen mit Gott können wir schon von der Schöpfung h e r einen E i n d r u c k b e k o m m e n ; a b e r weshalb es so ist, d a s wissen w i r e r s t d a n n , w e n n uns d e r A b s t a n d z u m B e w u ß t sein k o m m t , d e r z w i s c h e n d e m u m u n s e r e i g e n e s Ich k r e i s e n d e n L e b e n u n d d e m sein L e b e n m i t t e i l e n d e n H e r r n d e r W e l t b e s t e h t . S c h o n in d e r apokryphen Weisheit Salomonis (Kap. 13) wird der Gottesglaube Heidentums
des
aus d e r N a t u r b e t r a c h t u n g abgeleitet: „ D e n n es k a n n ja an
d e r G r ö ß e u n d S c h ö n e d e r G e s c h ö p f e d e r s e l b i g e n S c h ö p f e r als i m B i l d e e r k a n n t w e r d e n " ( S a p . Sal. 1 3 , 5 ) . E b e n s o h e i ß t es b e i P a u l u s i m H i n blick a u f u n s e r e E r k e n n t n i s G o t t e s v o n d e r W e l t h e r : „ W i r s e h e n j e t z t d u r c h e i n e n S p i e g e l in e i n e m d u n k l e n W o r t " ( 1 . K o r . 1 3 , 1 2 ) . A b e r d e r G l a u b e a n G o t t i m S i n n e d e r b i b l i s c h e n F r ö m m i g k e i t ist e r s t d a n n m ö g lich, w e n n sich d e r B l i c k d e s M e n s c h e n v o n d e n G e s c h ö p f e n in d e r W e l t , d i e v o r s e i n e n A u g e n l i e g t , a u f d e n M e n s c h e n s e l b e r r i c h t e t , d. h. w e n n auch das Gewissen mitspricht bei d e r F r a g e nach Gott. wie denn auch alsbald bei der Wiederholung Moses nur noch sagen soll: „,Ich bin' hat mich gesandt". Diese Verkürzung der rätselhaften Formel auf das einfache „Ich bin", zeigt, daß von dem Verhältnis von Zeit und Ewigkeit nicht die Rede sein soll. Der Nachdruck liegt nicht auf dem Sein, sondern auf dem „Ich". Es ergibt sich dies auch aus dem Zusammenhange. Im Folgenden wird nämlich gesagt, wie der Name dessen ist, der durch Moses zu dem Volke Israel sprechen will: es ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Und Gott sprach weiter zu Mose: „Also sollst du zu den Kindern Israel sagen: Der Herr, eurer Väter Gott, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name ewiglich, dabei soll man mein gedenken, für und für" (Ex. 3, 15). Aus diesen Worten geht hervor, daß das Auftreten des Moses nicht ohne Beanstandung von dem Volke Israel aufgenommen worden ist. Eben dies ergibt sich auch aus der Ex. 6 , 2 f. folgenden Wiederholung der Berufung und Sendung des Moses, wobei ausdrücklich gesagt wird: „Ich bin erschienen Abraham, Isaak und Jakob als der allmächtige Gott; aber mein Name J a h w e ' ist ihnen nicht offenbart worden." Moses bringt also nicht einen anderen Gott als den der Erzväter. Den Namen Jahwe, der nach Kautzsch (S. 91, Anm. a) von den Midianitern stammt, hat Moses vermutlich bei seinem dortigen Aufenthalte kennen gelernt. Aber bei der Einführung dieses neuen Namens handelt es sich nicht um einen neuen Gottesglauben. In dem von Moses bevorzugten Namen Jahwe liegt das Hauptgewicht in der Betonung des „Ich" Gottes. Durch den Hinweis auf die Erzväter bekommt der Name „Jahwe" seine Deutung. Dieser Hinweis auf die Erzväter bedeutet, daß der biblische Gottesglaube nicht auf das Verhältnis Gottes zur Welt, sondern auf das Verhältnis Gottes zum Menschen begründet ist. Der durch Moses übernommene Name Gottes besagt, daß Gott, wie er in der Offenbarung gegenüber den Erzvätern seine persönliche Verbundenheit mit ihnen bezeugt hat, so sich auch gegenüber dem von Moses geführten Volke Israel als ihm persönlich verbunden bewähren wird. Wie der Mensch in der Schöpfungsgeschichte das Ebenbild Gottes genannt wird (Gen. 1,27), so gehört Gott auch in der Heilsgeschichte immer mit dem Menschen in persönlicher Verbundenheit zusammen, also auch mit dem Volke Israel. Der Name Jahwe bringt nicht einen neuen Gott, sondern fügt zu der den Erzvätern geoffenbarten Allmächtigkeit Gottes in der Hinwendung Gottes zum menschlichen Leben das Merkmal der persönlichen Treue hinzu.
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Als der Prophet Jesajas den Herrn sitzen sah auf seinem hohen und erhabenen Stuhl, umgeben von den Seraphim, die einander zurufen: „Heilig, Heilig, Heilig ist der Herr Zebaoth! Alle Lande sind seiner Ehre voll!" — da spricht er: „Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volke von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den Herrn Zebaoth, gesehen mit meinen Augen" (Jes. 6, 1—5). In dieser Begründung des Gottesglaubens stimmen beide — Altes und Neues Testament—miteinander überein — , wie denn auch Petrus nach dem wunderbaren Fischzug in die Worte ausbricht: „Herr, gehe hinaus von mir: ich bin ein sündiger Mensch." (Luc. 5, 8.) In der Heilsgeschichte Gottes kommt seine Offenbarung an ihr Ziel, wenn die Schöpfung der irdischen Welt in ihrem Ursprung aus Gott erkannt worden ist in dem sich daraus ergebenden Anspruch an den Menschen als das endgültige Ziel des Schöpferwillens in dem Abstände seines Lebens von der Herrlichkeit Gottes. Von seinem Gewissen aus kann der Mensch in diesem Zwiespalt nur die Ankündigung des Gerichtes sehen; aber um so gewaltiger ist dann der Eindruck, wenn im Gefolge Johannes des Täufers noch einmal der Himmel sich auftut (Mt. 3, 16 ff.) und noch einmal die Himmelsleiter erscheint (Joh. 1, 51) und dann über Gottes erstgeborenen Sohn das Zeugnis Gottes laut wird: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." Jesus hat diese Stimme Gottes nicht gehört in seinem vorweltlichen Dasein, sondern als er die Johannes-Taufe begehrte und sich damit zu dem „Heilig" der Seraphim bekannte. So gilt ihm also die Offenbarung Gottes nicht auf Grund irgendwelcher übernatürlicher Geheimnisse, sondern weil in ihm zum ersten Male als das Ergebnis der alttestamentlichen Heilsgeschichte Gottes der Mensch so erscheint, wie es dem Schöpferwillen Gottes entspricht. Das Heidentum vermag sich das Göttliche immer nur als Verneinung der Naturordnung und als die Durchbrechung der in der Welt herrschenden Gesetje vorzustellen. Daß aber in dem geschichtlichen Leben der Menschheit Gott die Fäden knüpft, aus denen sein Heilswerk sich bildet, findet außerhalb der biblischen Offenbarung kein Verständnis; und doch kann es sich in der Heilsgeschichte immer nur um Gottes Verhältnis zur Menschheit, aber nicht um sein Verhältnis zu den Daseinsbedingungen der Schöpfung handeln. In seinen Gleichnissen vom Himmelreich vergleicht Jesus dasselbe wiederholt mit dem Saatfeld, auf das Gott seinen Samen streut; in der Wahl dieses Gleichnisses hat Jesus es deutlich gemacht, daß zwischen dem Heilswerk Gottes und der Weltschöpfung kein Gegensatj besteht, sodaß die Weltordnung korrigiert werden müßte, damit die Heilsgeschichte 28
Gottes wirklich werde; der Same, den Gott sät, nimmt seine Nahrung aus der Erde und gewinnt ebenso sein Wachstum aus der Erde, ist also in jeder Hinsicht das Ergebnis der von Gott geschaffenen Weltordnung. Zur Entstehung des Himmelreiches kommt es aber immer nur, wenn das Leben Gottes dem Menschen begegnet. — Aus der Lebensgeschichte Luthers wissen wir, daß auch für ihn der Durchbruch zum Verständnis des Evangeliums in dem Augenblicke erfolgt, als ihm klar wird, daß das Wort Gottes nur als persönliche Anrede beim Menschen sein Ziel erreicht. Mit dieser Erkenntnis tritt Luther nicht etwa neben Jesus, sondern in die Gefolgschaft Jesu und wird uns zum Boten, daß die Zusage, die Jesus bei seiner Taufe erhält, nämlich die Zusage: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!" für jeden gilt, der durch Jesus zum Reiche Gottes gekommen ist. IV. Beide — das Alte und das Neue Testament — gehören zusammen. Im Alten Testament ist es der Vatername Gottes, in dem sich das Wunder des Lebens Gottes offenbart: „Alle gute und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichtes" (Jak. 1,17) —• und im Neuen Testament ist es der Name des Sohnes, der uns die Anfechtungen des irdischen Lebens überwinden läßt und zum Geleitwort für das Kommende wird: „So sind wir nun Gottes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden!" (1. Joh. 3, 2).
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CARL
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Erasmus und Julius II. - eine Legende Oktav. XI, 357 Seiten und Text I - X X X mit 2 Tafeln. 1937. (Verlag Alfred Töpelmartn)
D M 18,—
Der Dialog Julius exclusus ist der schärfste aller literarischen Angriffe auf Julius II. Die moderne Erasmus-Forschung betrachtet es als endgültig erwiesen, daß der Dialog von Erasmus geschrieben worden ist. Der Verfasser führt den Nachweis, daß dies ein Irrtum ist, indem er das Problem in einer bisher nicht erreichten Vollständigkeit und Vielseitigkeit aufrollt. Es wird nicht oft vorkommen, daß ein geschichtliches Problem mit solcher Sicherheit seine Lösung findet, wie es in diesem Buche der Fall ist. Für die Erasmus-Forschung ergibt sich daraus die Notwendigkeit, das Bild des Erasmus neu zu zeichnen. CARL
STANGE
Luthers Gedanken über die Todesfurcht Oktav. 90 Seiten. 1932. (Greif swalder Studien zur Lutherforschung
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