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German Pages 527 Year 1994
Völkerrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Realität Festschrift für Karl Zemanek zum 65. Geburtstag
Völkerrecht
zwischen normativem Anspruch und politischer Realität Festschrift für Karl Zemanek zum 65. Geburtstag herausgegeben von
Konrad Ginther, Gerhard Hafner, Winfried Lang Hanspeter Neuhold, Lilly Sucharipa-Behrmann
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Völkerrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Realität : Festschrift für Karl Zemanek zum 65. Geburtstag / hrsg. von Konrad Ginther ... - Berlin: Duncker und Humblot, 1994 ISBN 3-428-08175-7 NE: Ginther, Konrad [Hrsg.]; Zemanek, Karl: Festschrift
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 3-428-08175-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Nonn für Bibliotheken
Preface By Boutros Boutros-Ghali Secretary General ofthe United Nations
It is a most pleasant privilege for me to write the preface to this Festschrift for Professor Karl Zemanek, and to join with so many others in celebrating bis long and fruitful career as a jurist, a diplomat, and a teacher of public internationallaw. During the more than forty years in wbich 1 have had the pleasure of knowing Professor Zemanek, he has been not only a very valued coHeague, but also a dear friend. For more than forty years, Professor Zemanek has devoted bimself to the teacbing and dissemination of public international law, not only in bis native Austria, but in various parts of Europe, Africa, Asia and North America as weH. It is particularly fitting, therefore, that five of Professor Zemanek's former students - establis!1.ed international lawyers in their own right - have initiated this Festschrift in bis honour. The fact that so many weH-established jurists and practitioners, all friends of Professor Zemanek, have contributed writings to this impressive undertaking has made the publication a true liber amicorum. Amongst Professor Zemanek's many distinctive contributions to the field of international law bis work on the sources of international law, on state responsibility, on international organizations, and on the interaction between international law and foreign policy is particularly noteworthy. Through bis indepth analysis, research, and critical exposition of these and other topics of internationallaw, Professor Zemanek has made a very important contribution to the wider appreciation and understanding of internationallaw. Perception and pragmatism underlie Professor Zemanek's work. On the role of consensus in decision-making, for example, he pointed out the uses of imprecision, noting that: 11 Ambiguity in international documents or instruments has many reasons. It is often deliberate, desired even by those who ostensibly support the act but do not wish to define their obligations too clearly. Further-
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Preface
more, even majorities must sometimes be put together through a compromise and it may be that it was the deplored ambiguity which enabled a marginal group to vote affirmatively. The famous 'security of the law' is a mythical idea which, in any case, could not be achieved by texts but only through good faith." 1 Professor Zemanek has participated in many important international law codification projects. He has twice been President of United Nations Codification Conferences, presiding in 1977-1978 over the Conference on the Succession of States in Respect of Treaties, and presiding in 1986 over the Conference on the Law of Treaties between States and International Organizations, or between International Organizations. Professor Zemanek's role in the 1986 Conference well illustrates his considerable diplomatic and negotiating skills and bears witness to his impressive ability to convert theory and knowledge into practice. As President of the 1986 Conference, Professor Zemanek was required to resolve conflicting proposals incorporated in some 80 written amendments submitted to the Conference. Assisted by the procedural arrangements worked out in New York prior to the Conference, Professor Zemanek confidently assumed his task, organizing and chairing various group meetings and consultations. Through the promotion of consensus and cooperation, he achieved general agreement on almost all outstanding issues, thereby making the conference an important international success. Professor Zemanek's achievements and his many academic monographs, lectures, and artic1es have left a strong and indelible mark on the fie1d of internationallaw. His valuable work as an arbitrator, conciliator, and mediator of disputes has added further lustre to a varied and most distinguished career. I am pleased to add my voice in recognition of Professor Zemanek's many accomplishments, and happily share in this fitting sixty-fifth birthday tribute to a valued and respected colleague. New York, January 1994
1 K. Zemanek, Majority Rule and Consensus Techniques in Law-Making Diplomacy, in: R. Mac Donald/D. Johnston (eds.), The Structure and Process of International Law (1983), p. 857 ff. (p. 879).
Karl Zemanek zu einem besonderen Geburtstag Karl Zemanek vollendet arn 18. November 1994 sein 65. Lebensjahr; seine Freunde und Kollegen möchten ihm zu diesem Anlaß mit diesem Band Freude bereiten. Nicht nur der Ordnung halber seien an dieser Stelle zunächst einige der wichtigsten biographischen Angaben zusammengefaßt. Karl Zemanek wurde arn 18. November 1929 in Wien geboren. Er studierte nicht nur in Wien, sondern auch - fiir seine Generation in Österreich alles andere als eine Selbstverständlichkeit - im Ausland, in Oxford, Paris und Saarbrücken. 1952 wurde er an der Wiener Universität zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert. Nach zweijähriger Assistententätigkeit an der Universität des Saarlandes 1954 - 1956 habilitierte er sich 1957 bei seinem Lehrer und Mentor Alfred Verdross mit einer abseits der damals ausgetretenen Pfade gelegenen Arbeit über das Vertragsrecht Internationaler Organisationen an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Bereits ein Jahr später wurde er an dieser Fakultät zum außerordentlichen, 1964 zum ordentlichen Professor fiir Völkerrecht und Internationale Organisationen ernannt. Neben seiner außergewöhnlich steilen wissenschaftlichen Laufbahn ist Karl Zemaneks gleichfalls jahrzehntelanges Naheverhältnis zur völkerrechtlichen Praxis hervorzuheben, das in dieser Intensität nur wenige Theoretiker des Völkerrechts aufweisen. Bereits 1959 gehörte er das erste Mal der österreichischen Delegation zur Generalversanunlung der Vereinten Nationen an und vertrat Österreich dort im 6. Ausschuß. Seit 1967 wirkt er als Konsulent des Außenministeriums und wurde und wird als die Autorität bei der Lösung schwieriger Völkerrechtsfragen herangezogen. Erwähnt seien ferner seine Entsendung als Vertreter Österreichs in den mit rechtlichen Fragen befaßten Unterausschuß des UN-Weltraumkomitees 1962 - 1976 sowie seine Ernennung zum stellvertretenden bzw. zu einem der beiden Leiter der österreichisehen Delegation bei der Wiener Vertragsrechtskonferenz 1968/1969 bzw. bei der Konferenz über die Vertretung von Staaten in ihren Beziehungen mit Internationalen Organisationen 1975. Seine diplomatische Tätigkeit fand ihre Krönung in seiner Betrauung mit der Präsidentschaft der UN-Konferenzen in Wien über die Staatennachfolge in Verträge 1977/1978 sowie des Vertragsrechts der Internationalen Organisationen 1986.
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Zueignung
In einer Zeit, in der Wiener Schulen von Weltruf der Vergangenheit angehören, ist die Tatsache besonders bedeutsam, daß Karl Zemanek zur nicht eben großen Gruppe international anerkannter österreichiseher Gelehrter zählt. Diese Wertschätzung fand insbesondere 1973 in seiner Aufnahme als assoziiertes und 1981 als Vollmitglied in das Institut de Droit international ihren Niederschlag. Karl Zemanek ist ferner unter anderem Mitglied der International Academy of Astronautics und war Vorsitzender von Ausschüssen der International Law Association. In seiner wissenschaftlichen Arbeit, über die das Verzeichnis seiner Publikationen am Ende dieses Bandes Auskunft gibt, hat Karl Zemanek einerseits besondere Freude am Knacken harter Nüsse. Gerade bei der Behandlung schwieriger theoretischer Grundsatzfragen, z. B. der Völkerrechtsquellen oder der Staatenverantwortlichkeit, kommen ihm sein Scharfsinn, seine Gabe, präzise und prägnant zu formulieren, und sein umfassendes juristisches Wissen besonders zugute. Andererseits hat er seit langem sein Hauptaugenmerk auch den völkerrechtlichen Aspekten der österreichischen Außenpolitik zugewendet. Dabei hat er seine enge Verbindung zur Praxis und sein nicht nur fiir Juristen ungewöhnliches Verständnis fiir politische Zusammenhänge zu nützen gewußt; so hat er vor allem die Entwicklung der dauernden Neutralität von ihren Anfängen durch Jahrzehnte mitgestaltet und wissenschaftlich begleitet. Karl Zemanek besitzt aber nicht nur intellektuelle Brillanz. Alle, die mit ihm zu tun haben, bescheinigen ihm Integrität und Korrektheit. Geprägt von seinen Erlebnissen der Kriegs- und Nachkriegszeit ist Karl Zemanek ein überzeugter ÖSterreicher. Dies hindert ihn freilich keineswegs an Kritik an Kleinkariertheit und sonstigen Mißständen in diesem Land. Nicht unerwähnt sollen ferner seine vielfältigen Interessen bleiben, die von alter Musik über moderne Malerei bis zur Kenntnis guter Küche und guter Weine reichen. Auch über Kostproben seines Witzes und Humors könnten (nicht nur) die Herausgeber dieses Bandes ausfiihrlich berichten. Vor allem aber sind gerade wir ihm fiir Unterstützung und Förderung in jüngeren Jahren und auch später fiir mehr als einen guten Rat zu Dank verpflichtet. Wir haben uns daher entschlossen, einem nicht eben originellen, in unseren Augen aber sinnhaften akademischen Brauch zu folgen und Karl Zemanek eine Festschrift zu widmen. Mit der Bitte um Beiträge dazu haben wir uns an prominente österreichische und ausländische Kollegen gewandt, von denen wir wissen, daß sie den Adressaten des Bandes persönlich besonders schätzen, und daß ihnen ebenso seine Wertschätzung und Freundschaft gelten. Damit und mit einem weiteren Merkmal haben wir versucht, die Beliebigkeit mancher Festgaben zu vermeiden: Wir haben die Autoren gebeten, ihre Beiträge auf vier Schwerpunkte des wissenschaftlichen Werks Karl Zemaneks auszu-
Zueignung
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richten und sich dabei möglichst vor allem auch mit seinen, von den Herausgebern jeweils in einer Einleitung zusammengefaßten Aussagen auseinanderzusetzen. Für die Bereitschaft dazu haben wir den Mitarbeitern an diesem Band ebenso herzlich zu danken wie dem Verlag Duncker & Humblot für die Übernahme der Veröffentlichung und die gute Zusammenarbeit dabei. Besonders freuen wir uns darüber, daß wir Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali, der mit Karl Zemanek seit vielen Jahren befreundet ist, dazu gewinnen konnten, das Vorwort zu diesem Band zu verfassen. Unser Dank gebührt ferner Frau Susanne Chrobak, Herrn Peter Kustor, Dr. Michael Postl, Frau Gerda Priessnitz, Mag. Robert Puaschitz, Mag. Judith Putzer, Dr. August Reinisch und Frau Brigitte Reiter für ihre Hilfe bei der Erstellung der druckfertigen Fassung des Buches. Wir hoffen, daß diese Festgabe nicht nur einen persönlichen Zweck, Karl Zemanek als Ausdruck unseres Dankes und unserer besten Wünsche Freude zu machen, erfüllen wird. Wir sind eigentlich sicher, daß sie auch ihr zweites Ziel erreichen wird, in der wissenschaftlichen Diskussion häufig zitiert zu werden, so daß Karl Zemaneks Name zusätzliche Erwähnung finden wird. Konrad Ginther, Winfried Lang, Gerhard Hafner, Hanspeter Neuhold, Lilly Sucharipa-Behrmann.
Inhalt
I. Entstehungsprozesse und Struktur des Völkerrechts Einleitung Von Gerhard Hafner............................................................................
3
Anmerkungen zur Rechtsfortbildung und Rechtsschöpfung durch internationale Gerichte Von Rudolf Bernhardt .........................................................................
11
Das künftige Arbeitsprogramm der ILC Von Franz Cede ..................... ............ .. ......... ......................... .............
25
International Law on a Given Day By James Crawford and Thomas Viles ................................................
45
UN-Satzung und allgemeines Völkerrecht - Zum exemplarischen Charakter von Art. 103 SVN Von Heribert Franz Köck ....................................................................
69
Die Erzeugung ungeschriebenen Völkerrechts: Allgemeine Verunsicherung - klärende Beiträge Karl Zemaneks Von Bruno Simma............................ ................. ................... .......... .....
95
Das Streitbeilegungsübereinkommen der KSZE: Cui bono? Von Gerhard Hafner ........................................................................... 115
XII
Inhalt
11. Internationale Organisationen Einleitung Von Winfried Lang .................................. .............. .......... ..... .............. 157 Regionale Abmachungen: Friedenswahrung und Rechtsdurchsetzung zum Problem der Allokation internationaler Rechtsdurchsetzungsmacht Von Jost Delbriick ............................................ ................................... 163 Is the European Community an International Organization? By Peter Fischer.................................................................................. 179 Zur Frage des rechtlichen Status der Entscheidungen eines Staatengemeinschaftsorgans: die "views" des Menschenrechtsausschusses Von Kurt Herndl............................ ........................................... .......... 203 Die Bindung Internationaler Organisationen an völkerrechtliche Verträge ihrer Mitgliedstaaten Von Christoph Schreuer ...................................................................... 223 Eurocontrol und EWG-Wettbewerbsrecht Von Ignaz Seidl-Hohenveldern ............................................................ 251 Regimes and Organizations in the Labyrinth of International Institutions By Winfried Lang.......... ..... ..... ......... ......................... ..... ....... .............. 275
111. Staatenverantwortlichkeit
Einleitung Von Konrad Ginther.................... .............................................. .......... 293
Inhalt
XIII
State Responsibility: The Problem ofDelegation By lan Brownlie ................................................ .................................. 299 International Control and State Responsibility By Pierre-Marie Dupuy ........................................................................ 307 Crimes of States - an Essay By Robert Rosenstock....................... ........................... ........................ 319 Verantwortlichkeit, Haftung und Verantwortung im Völkerrecht Von Konrad Ginther. .................... ..................... .................................. 335
IV. Völkerrecht und Außenpolitik
Einleitung Von Hanspeter Neuhold................ ... ....... ........ .................. .......... ......... 355 Demokratie und Völkerrecht in Europa Von Jochen Abr. Frowein .................................................................... 365 Rechtsberater im Auswärtigen Dienst - Erinnerungen Von RudolfKirchschläger ................................................................... 377 Ist das Neutralitätsrecht noch Teil des universellen Völkerrechts? Von Dietrich Schindler.............. ... ..... ...... .............. ............. ... ...... .... .... 385 Poland 's Political Dialogue with the European Community By Krzysztof Skubiszewski.............................. ................. ................... 40 I
XIV
Inhalt
The "Uti Possidetis 1uris Principle" in Historical Perspective By Santiago Torres Berruirdez ................. ... ...... ... ... ... .. ..... ... .. .. .. ....... ... 417 Neutralität und Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen Von Helmut Türk .. ...... ............ ... ..... ................................................ .... 439 Österreich in einem neuen Europa - Versuch einer Standortbestimmung Von Hanspeter Neuhold.......................... .................................. ..... ...... 465
Schrijtenverzeichnis................................................................................. 495 Autorenverzeichnis ...... ... ..... ........ ... ................................................. ........ 503
Abkünungsveneichnis ABI. ABM Abs. Abschn Add. AFDI AHB AJTI.AJPIL Ann.Dig. Ann.IDI ao. Art. ASEAN ASVG Aufl. AusYIL
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XVI
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I. ENTSTEHUNGS PROZESSE UND STRUKTUR DES VÖLKERRECHTS
Einleitung Von Gerhard Hafner Das besondere Interesse Karl Zemaneks galt schon immer der Struktur des Völkerrechts sowie den Besonderheiten von dessen tragendem Fundament, den Völkerrechtsquellen. Bereits in seiner jungen wissenschaftlichen Laufbahn setzte er sich mit dem Entstehungsprozeß des Völkerrechts auseinander; in erster Linie betraf dies das völkerrechtliche Vertragsrecht. So erschien bereits 1954 sein Artikel über die Entwicklung des völkerrechtlichen Vertragsrechts· , zu einern Zeitpunkt also, als die International Law Cornrnission (ILC) ihre Diskussion der Kodifizierung des völkerrechtlichen Vertragsrechts erst begonnen hatte. Im Mittelpunkt dieses Artikels stehen Fragen des Beitritts zu einern multilateralen Vertrag, des Vorbehalts und der Registrierung von Verträgen aufgrund Art. 102 SVN, dessen Zweckmäßigkeit bestritten wird; dank des Zeitpunktes der Veröffentlichung - während der Diskussion in der ILC kommt der Artikel auch heute noch als Beitrag zum völkerrechtlichen Vertragsrecht außerhalb der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) zur Geltung. Wie sehr das Vertragsrecht, und hier insbesondere das Instrument des Vorbehalts, Zemanek dauernd beschäftigt, zeigt sich daran, daß er sich fast dreißig Jahre später von neuem mit der - inzwischen von der Wiener Vertragsrechtskonvention nur unbefriedigend gelösten - Vorbehaltsfrage in seinem Beitrag zur Festschrift fiir M. Lachs2 auseinandersetzte. Hierin analysiert er sorgfältig die Entstehungsgeschichte des Vorbehaltsregimes der WVK sowie den auf die Wiener Vertragsrechtskonferenz ausgeübten Einfluß der sowjetischen Delegation, deren Haltung er mit der sowjetischen Stellungnahme zum Fall der Völkerrnordkonvention in Verbindung bringt, und weist die Lücken dieses Regimes vor allem fiir den Fall der unzulässigen Vorbehalte überzeugend nach. Es ist nicht auszuschließen, daß dies einer jener Artikel ist, die die ILC jüngst erst dazu brachten, sich von neuem dieses Problems anzunehmen3 •
• Die Entwicklung des völkerrechtlichen Vertragsrechts, ÖZöR 6 (1954), S. 378 ff. Some Unresolved Questions conceming Reservations in the Vienna Convention on the Law of Treaties, in: Essays in International Law in Honour of Judge M. Lachs, 1984, S. 323 ff. 3 Vgl. den Beitrag F. Cedes in dieser Festschrift. 2
4
Gerhard Hafuer
Zemaneks grundlegende Monographie zum Vertragsrecht der internationalen Organisationen4 verbindet die Diskussion des Vertragsrechts mit jener der Struktur internationaler Organisationen. Es wird darin nachgewiesen, wie sehr einerseits das Organisationsrecht vorn Vertragsrecht bestimmt ist, wie andrerseits aber auch das auf zwischenstaatliche Verträge ausgerichtete geltende Vertragsrecht Änderungen aufgrund der Besonderheiten internationaler Organisationen bedarf. Die Beschäftigung mit dem Vertragsrecht internationaler Organisationen gipfelte schließlich in Zemaneks Präsidentschaft auf der Wiener Konferenz der Vereinten Nationen über das Recht der von diesen Völkerrechtssubjekten abgeschlossenen Verträge 1986. Seine Erfahrungen, die er schon aus seiner früheren Befassung mit dem Vertragsrecht internationaler Organisationen' schöpfte, und seine Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem aus dieser Konferenz resultierenden "Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen" 6 legte er in der Seidl-Hohenveldern gewidmeten Festschrift' nieder. Sein Schluß aus dem Abstimmungsverhalten deutet bereits in die Richtung, die er auch in anderen Arbeiten einschlägt, wonach derartige Konventionen ihre Bedeutung nicht so sehr aus ihrer rechtlichen Bindungswirkung und tatsächlichen Zahl der Vertragsparteien8 , sondern eher aus ihrer Überzeugungswirkung gewinnen. Mit dem Vertragsrecht beschäftigt sich Zemanek auch insofern, als er seine Erfahrungen als Präsident der Wiener Konferenz der Vereinten Nationen über die Staatennachfolge in Verträge, die in zwei Sessionen 1977 und 1978 stattfand, in seinem Beitrag zur Festschrift fiir Verdross9 verarbeitete. Sowohl als Präsident der Konferenz als auch als Verfasser des Beitrags konnte er auch schon auf seine zwanzig Jahre vorher verfaßten, auf umfangreiche Recherchen gestützten Haager Vorlesungen über die StaatennachfolgelO zurückgreifen, Das Vertragsrecht internationaler Organisationen (1957). , Neben seiner in FN. 4 genannten Habilitationsarbeit siehe auch: Agreements Conc1uded by International Organizations and the Vienna Convention on the Law of Treaties, University ofToledo LawReview 3 (1971), S. 145 ff 6 Text in: 115 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XVII. GP. , The United Nations Conference on the Law of Treaties Between States and international Organizations or Between International Organizations: The unrecorded history ofits "general agreement" in: K.-H. BöckstiegellH.-E. FolzlJ. M. MössnerlK. Zemanek (Hrsg.), Völkerrecht. Recht der Internationalen Organisationen. Weltwirtschaft (FS fur I. Seidl-Hohenve1dern) (1988), S. 665 fI. 8 Ebd., S. 678. 9 Die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge, in: H. Miehslerl E. MockIB. Simma/l. Tammelo (Hrsg.), Ius Humanitatis. Festschrift zum 90. Geburtstag von Alfred Verdross (1980), S. 719 ff 10 State succession after decolonization, RdC 116 (1965 IlI), S. 187 ff, (S. 232). 4
Einleitung
5
deren Erkenntnisse auch den Autoren jenes Konventionsentwurfes, der den Verhandlungen auf der Konferenz zugrunde lag, wertvolle Anregungen gegeben hattenlI. Insbesondere seine Unterscheidung zwischen der Staatennachfolge als "rechtserheblichen Akt" und den Folgen dieses Vorgangs fand schließlich Eingang in diese Konventionl2 , da diese den Vorgang der Staatennachfolge selbst nicht in ihren Regelungsgegenstand einbezieht13 • Eine umfassende Darstellung des gesamten völkerrechtlichen Vertragsrechts aus der Feder Zemaneks findet sich im Österreichischen Handbuch des Völkerrechts l4 ; Zemanek gelingt es darin, in übersichtlicher Form seine umfassende Kenntnis der Praxis und der daraus gewonnenen Theorie des völkerrechtlichen Vertragsrechts darzulegen - ausgehend von der Interessenslage beim Vertragsabschluß und bei dessen Anwendung. Hiebei bringt er auch den Begriff des "objektiven multilateralen Vertrags" für jene multilateralen rechtsetzenden Verträge ein, bei denen die Geltung von der Erzeugung abgekoppelt ist l5 • In diesem Zusammenhang scheut er auch nicht vor Kritik an der österreichischen Vertragsabschlußpraxis zurück (z.B. bei den Vollmachten für Ressort- oder Verwaltungsabkommen l6 oder hinsichtlich der Zuständigkeit des VfGH nach Art. 140 a Abs. 1 B-VG, über die innerstaatliche Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen zu erkennen 17). Diese Kenntnis der Praxis brachte ihn an anderer Stelle auch zur Schlußfolgerung, daß die in Art. 102 SVN verankerte Registrierungspflicht völkerrechtlicher Verträge heute vor allem eher aufgrund von Fehlern der Bürokratie oder wegen des technischen Charakters der Verträge denn wegen bewußter Geheimhaltungsabsicht öfters nicht beachtet istl8 . Das Phänomen der völkerrechtlichen Kodifikationen mit universellem Geltungsanspruch war Zemanek kontinuierlich ein besonderes Anliegen, nicht zuletzt aus seiner Tätigkeit in den Kodifikationskonferenzen, die sich in einzelnen Artikeln niederschlug l9 • Dieses Interesse veranlaßte ihn sehr bald, sich mit dem Völkergewohnheitsrecht auseinanderzusetzen und dessen Grundstrukturen aufzuzeigen. Ausgehend von den Problemen der Kodiftkationen dringt sein grundlegender Artikel über die Bedeutung der Kodifizierung des Völkerrechts für seine Anwendung20 tief in die Problematik des VölkergeDie Wiener Konvention (FN. 9), S. 731, S. 733. Ebd., S. 721; State succession (FN. 10), S. 189 fI. 13 Gemäß Art. 1 bezieht sich dieses Übereinkommen "to the effects of a succession ofStates in respect oftreaties between States"; Text in: pN-Doc. AlCONF. 80/3l. 14 H. Neuho/dIW. Hummer/eh. Schreuer (Hrsg.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, (Bd. 1), (Aufl., 1991), S. 55 ff. 15 Ebd., S. 56, Rz. 273. 16 Ebd., S. 60, Rz. 297. 17 Ebd., S. 81, Rz. 416. 18 Treaties, Secret, EPlL 7 (1984), S. 505 ff., (S. 506). 19 Siehe seine in FN. 7 und 9 zitierten Artikel. 20 Die Bedeutung der Kodifizierung des Völkerrechts für seine Anwendung, in: FS Verdross (FN. 9) , S. 565 ff. II
12
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Gerhard Hafner
wohnheitsrechts ein. Gestützt auf seine umfassende Kenntnis von Theorie und Praxis und seine Fähigkeit, aus komplexen Sachverhalten die Grundelemente und -beziehungen herauszuschälen und einleuchtend zu erklären, erklärt er in diesem reichhaltigen Beitrag die hauptsächlichen Probleme des Völkergewohnheitsrechts in verständlicher Weise und arbeitet praktikable Wege zu deren Lösung aus. Für den Bereich des Völkergewohnheitsrechts sind insbesondere sein Hinweis auf die Bedeutung des Zusatzes "sive necessitatis" zur opinio iuris (der allerdings bis heute noch einer weitergehenden Untersuchung harrt)21 , seine Betonung der Erfassung der Staatenpraxis durch neue, auf elektronische Datenverarbeitung gestützte Methoden, der er sich auch in rezenten Arbeiten wieder widmete, wie auch seine Überlegungen zum Nachweis der Rechtsüberzeugung und der persönlichen Geltung besonders hervorzuheben. Seine überzeugend vorgebrachten Gedanken zur Beweislastverteilung für den Nachweis der opinio iuris haben bleibenden Wert wie auch die von ihm behauptete Tendenz des IGH zu einer voluntaristischen Konzeption, gemildert durch die Vermutung der Zustimmung22 , wohl schwer widerlegt werden kann. Das Problem der Kodifikation untersucht er von formeller wie auch materieller Seite her, wobei er bereits den Beginn zu seinen späteren Überlegungen von einer Trennung von Erzeugung und Geltung derartiger, als objektiv bezeichneter Verträge23 setzt. Wenn er in diesem Artikel die Behauptung aufstellt, Kodiflkationen trügen zur Rechtssicherheit bej24, so überprüft er in seinem fiinfzehn Jahre später erschienen Beitrag zur Festschrift für Ago~ , ob sich diese Erwartung bestätigt habe. Seinen enttäuschenden Befund über die geringe Zahl der Vertragsstaaten erklärt er einerseits mit der Ungeeignetheit des Regelungsobjekts für eine Kodiflkation mangels materieller Reziprozität, mit der sozialen Dynamik, mit der ein Vertragstext nicht Schritt halten kann, sowie der Diskrepanz zwischen dem Konservativismus der nationalen Bürokratie und dem Fortschritt auf internationaler Ebene26 • Abhilfe kann seiner Ansicht nach vor allem dadurch geschaffen werden, daß Instrumente mit einer Rechtskraft unterhalb der von Verträgen, wie etwa Restatements oder Deklarationen, ausgearbeitet werden, an denen die Staaten dann allmählich ihr Verhalten ausrichten könnten27 • Den endgültigen Schritt zur theoretischen Aufbereitung der staatlichen Praxis vollzog Zemanek, nicht zuletzt angeregt durch seinen Vorsitz im KomiEbd., S. 567. Ebd., S. 578. 23 Siehe FN. 15. 24 Die Bedeutung der KodifIzierung (FN. 20), S. 596. 25 CodifIcation of International Law: Salvation or Dead End? in: International Law at the Time of its CodifIcation, Essays in Honor of R. Ago (1987), S. 581 ff., (S. 585 ff.) 26 Ebd., S. 591 ff. 27 Ebd., S. 600 f. 21
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tee der International Law Association über "The Formation of Rules of Customary (General) International Law"28, in einem seiner jüngsten Artikel "What is 'State practice' and who makes it? "29. Er schließt sich hiebei der Kritik am Urteil des IGH im Nicaragua-Fall an, worin der Gerichtshof die Praxis zwar als konstitutives Element des Völkergewohnheitsrechts bezeichnete, sich in seiner eigenen weiteren Argumentation jedoch nicht daran hielt30 . Aufgrund eingehender Untersuchungen der Digesten, die zahlreiche Staaten in völkerrechtlichen Jahrbüchern regelmäßig publizieren, kategorisiert er die den Staaten zurechenbaren Akte entsprechend ihrem Ursprung aus der nationalen Judikatur, Legislative oder Exekutive unter Betonung der verschiedenen Formen des diplomatischen Verkehrs sowie der neuen Kommunikationsformen außerhalb des traditionellen diplomatischen Mittel. Diese Vielfältigkeit erschwert es jedoch nach seinem Dafürhalten, Relevantes von Irrelevantem zu unterscheiden. Die Diskussion darüber, welches Organ überhaupt einen Staat völkerrechtlich verpflichten könne, beginnt er mit einer Gegenüberstellung von Art. 7 und Art. 46 WVK; seiner Ansicht nach - die auch der österreichischen Verfassungslage entspricht31 - stellt Art. 7 lediglich eine Vermutung hinsichtlich der entsprechenden Zuständigkeit des Staatsoberhauptes, Regierungschefs und Außenrninisters auf, da andernfalls Art. 46 WVK seines Sinns beraubt wäre. Die von den Staaten eingeschlagene Praxis bei Vertragsabschluß, angewendet auf die einseitigen Verpflichtungserklärungen, führt ihn zum Schluß, daß die Rechtskraft der meisten einseitigen Akte der Staaten aus dem Prinzip von Treu und Glauben resultiert32 und daß mehr Überzeugungskraft von Akten ausgeht, denen eine bestimmte Konsistenz innewohnt. Aus diesen Gründen hält er es für gerechtfertigt, statt von Völkergewohnheitsrecht von "regular conduct corresponding to the current opinio iuris" zu sprechen33 . Mit dem gegenwärtigen Entstehungsverfahren von vertraglichem Völkerrecht setzte sich Zemanek in seinem Artikel "Majority Rule and Consensus Technique in Law-Making Diplomacy"34 auseinander, wobei er sich auf seine große Erfahrung in der Konferenzdiplomatie, sei es als Leiter der österreichi28 The International Law Association, Report of the Sixty-Third Conference Held at Warsaw (1988), S. 935 ff. 29 In FS ft1r R. Bernhardt (im Druck). 30 Zu der rechtsschöpferischen Kraft von internationalen Urteilen siehe R. Bemhardts Beitrag zu dieser Festschrift. 31 Gemäß Art. 65 B-VG schließt der Bundespräsident völkerrechtliche Verträge ft1r die Republik Österreich ab, kann aber dieses Abschlußrecht ft1r Verträge, die nicht der Genehmigung des Nationalrates bedürfen, an die Bundesregierung oder einzelne Bundesminister delegieren (Art. 66 B-VG). 32 State practice (FN. 29), S. 14 f(Manuskript). 33 Ebd., S. 15. 34 Majority Rule and Consensus Technique in Law-Making Diplomacy, in: R. MacDonald/D. Johnston (Hrsg.), The Structure and Process of International Law (1983), S. 857 ff.
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schen Delegationen35 , Berater anderer Delegationen36 , sei es als Konferenzpräsidentl1 , stützen konnte, die zum Zeitpunkt der Abfassung des Artikels bereits einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren umspannte. Es ist gerade jener Zeitraum, in dem sich eine neue Art der Entscheidung herausbildete: jene nämlich mittels Konsensus. Ausgehend von den Entscheidungsverfahren zu Beginn dieses Jahrhunderts, als noch das Einstimmigkeitserfordemis regierte, legt Zemanek die seitdem eingetretene Entwicklung der Auseinandersetzung zwischen Ein- und Mehrstimmigkeit dar, die schließlich in ein Konsensus-Verfahren einmündete, wie es als Verfahren zur Erzielung eines "gentleman's agreement"38 in den Verfahrensregeln der Dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (UNCLOS III)39 formuliert wurde40 . Er stellt aber nicht nur diese Entwicklung fest, sondern dringt auch in den konzeptuellen Hintergrund der verschiedenen Verfahren ein; Neo-Hegelianismus und absolute Souveränität gelten ihm als Rechtfertigung der Einstimmigkeit, während die Wurzeln fiir die Mehrstimmigkeit schon in der Aufklärung zu finden seien, wie sie durch Grotius oder Rousseau vertreten wurde. Die fiir die Mehrstimmigkeit erforderlichen sozialen Bedingungen sieht Zemanek jedoch heute nicht gegeben, was ihn sicherlich auch seine eigenen mannigfachen Verhandlungserfahrungen lehrten. Der Konsensus, dessen drei Hauptelemente Zemanek in den dazu führenden Verhandlungen, der Rolle des Vorsitzes und den Votumserklärungen ortet, sei zwar schwierig zu definieren; nichtsdestotrotz entspreche dieses Verfahren besser den derzeit gegebenen sozialen Bedingungen, somit einer Zeit, in der kein "volonte generale" existiere, sondern lediglich "a sum of values and interests which are in many respects conflicting"41 . Neben dem Vertrags- und Völkergewohnheitsrecht wandte sich Zemanek auch der dritten Kategorie von Völkerrechtsquellen im Katalog des Art. 38 des Statuts des IGH zu. Gelegenheit dazu bot sich ihm anläßlich der Diskussion 35 Seit 1959 arbeitete Zemanek in dieser Funktion auf zahlreichen Konferenzen oder in internationalen Organisationen; hervorgehoben sei die Vertretung im "Legal Sub-Committee ofthe UN Committee on the Peaceful Uses ofOuter Space" von 1962 bis 1976, seine Arbeit auf den General Conferences of UNESCO sowie seine Vertretunfi in der 6. Kommission der Generalversammlung der Vereinten Nationen. 6 Auf der Wiener Konferenz der Vereinten Nationen über diplomatische Beziehungen 1961 und der Wiener Konferenz der Vereinten Nationen über konsularische Beziehungen 1963 fungierte Zemanek als Berater der Delegation des Heiligen Stuhles. 11 Zemanek war Präsident der Wiener Konferenz der Vereinten Nationen über die Staatennachfolge in Verträge, die im Jahr 1977 und 1978 stattfand. ] I Vgl. dazu auch seine Ausführungen in dem in FN. 7 genannten Beitrag, S. 667 f. 39 UN-Doc. AlCONF. 62/30. 40 In Kenntnis der weiteren Entwicklung auf der UNCLOS III sei noch hinzugeftlgt, daß gerade diese Konferenz die Mängel dieses Verfahrens bewies, da schließlich auf die Abstimmung zurückgegriffen werden mußte, um die Konferenz abschließen zu können. 41 Majority Rule (FN. 34), S. 879.
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der Resolutionen der Vereinten Nationen zum Weltraum42 . Die einstimmige Annahme der Weltraumresolutionen der Generalversammlung inspirierten ihn zu der Behauptung, daß diese Resolutionen "an expression of the universal legal conscience" darstellen und die darin enthaltenen Prinzipien folglich als die "von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen" im Sinne des IGH-Statuts anzusehen seien43 • Diese Prinzipien gelten rur ihn aber noch nicht als unmittelbar anwendbare Normen, sondern als Abstraktionen, die erst der konkreten Durchfiihrung durch Völkergewohnheitsrecht, Vertragsrecht oder durch Urteile bedürften44 • Wie fruchtbar dieser Ansatz besonders fiir das sich entwickelnde internationale Umweltrecht sein kann, beweist insbesondere die neuerliche Aufnahme dieses Gedankengangs durch Simma in seinem Beitrag zu dieser Festschrift. Aus seiner Kenntnis der internationalen Praxis konnte Zemanek auch schöpfen, um zu allgemeinen Schlüssen über das Wesen der Konsultationen als Instrument der Streitverhütung oder -schlichtung zu gelangen45 • Zwar beziehen sich viele Verträge auf dieses Instrument und wurde es auch als Streitbeilegungsinstrument im Laufe der KSZE-Verhandlungen besonders beton~6, doch konnte seine eigentliche Bedeutung und Abgrenzung vom Instrument der Verhandlungen noch kaum erklärt werden. Zemanek unternahm es, in dieser Vielfalt der Konsultationsklauseln ordnend zu wirken und deren Gemeinsamkeiten herauszufiltem. Allerdings bezweifelt er selbst nicht nur die Möglichkeit einer eindeutigen Kategorisierung, sondern auch deren Nutzen47 ; in dieser Aussage kommt insbesondere jene Wirklichkeitsbezogenheit Zemaneks zum Tragen, die erst seine Werke tatsächlich zu Theorien des Völkerrechts werden ließen. Nur auf diese Weise, von der Realität der internationalen Beziehungen und der Notwendigkeit einer Ordnung ausgehend und deren Spannungsverhältnis zur Kenntnis nehmend, wie es eben fiir Zemaneks wissenschaftliche Vorgangsweise charakteristisch ist, kann der Wissenschaftler Völkerrecht erkennen, verstehen und weiterbilden. Diesem Wirklichkeitsbezug ordnen sich die Beiträge in diesem Teil der Festschrift unter; gleichzeitig spiegeln sie auch die Breite und konzeptuelle Tiefe des wissenschaftlichen Werkes Zemaneks wieder. Köcks Beitrag gilt der grundsätzlichen rechtlichen Bedeutung der Satzung der Vereinten Nationen fiir die Völkerrechtsordnung. Drei Beiträge setzen sich mit der Erzeugung von 42 The United Nations and the Law ofOuter Space, The Year Book ofWorldAffairs 1965, S. 199 tT. 43 Ebd., S. 209. 44 Ebd., S. 210. 45 On Consu1tations, in: Pensiamento juridico y Sociedad internaciona1, Estudios en honor de1 profesor DA Truyo1 y Serra (Bd.2), (1986), S. 1246 tT. 46 G. Hafner, Bemühungen um ein gesamteuropäisches Streitbeilegungssystem im Ralunen der KSZE, in: FS Seidl-Hohenve1dern (FN. 7), S. 147 tT. (S. 158 fi). 47 On Consultations (FN. 45), S. 1260.
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Völkerrecht auseinander: Simma versucht einen früheren Gedanken Zemaneks über die allgemeinen Rechtsgrundsätze für das Umweltrecht fruchtbar zu machen, der derzeitige österreichische Völkerrechtsberater Cede setzt sich mit der Problematik des weiteren Arbeitsprogramms der ILC auseinander, Bernhardt befaßt sich mit dem - trotz seiner theoretisch wirkenden Bezeichnung sehr praxisbezogenen Thema der Rechtsfortbildung durch internationale Gerichte. Mit der Diskussion der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht und seiner Dynamik greift Crawfords Beitrag ebenfalls einen zentralen Punkt der Auseinandersetzung Zemaneks mit dem Völkergewohnheitsrecht auf.
Anmerkungen zur Rechtsfortbildung und Rechtsschöpfung durch internationale Gerichte Von Rudolf Bernhardt
A. Das Grundsatzproblem Das Thema dieses Beitrages könnte an manche literarische Äußerungen und praktische Tätigkeiten Karl Zemaneks anknüpfen, hier soll ein kurzes Zitat genügen: "Following the example of domestic laws, under which fault is the prevailing form of responsibility for offenees, international law teachings since Grotius have also proposed fault as a basis for international responsibility. Moreover, international arbitrators and judges, by applying general principles of law, transformed this proposal into standard practice before World War H, in spite of the absence of adequate procedures to establish fault"· . In dem zweiten der zitierten Sätze klingt die Problematik unserer knappen Betrachtungen zu den Aufgaben und Tätigkeiten internationaler Gerichte an: Über die Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze haben Schiedsrichter und Richter Regeln des Völkerrechts zur Haftung der Staaten aus der Taufe gehoben. Sie sind damit rechtsschöpferisch tätig geworden. Dürfen sie das? Müssen sie es vielleicht sogar? Wir haben es natürlich mit einer viel diskutierten Grundfrage des Rechts und der Gewaltenteilung zu tun, die aber bei internationalen Gerichten mit zusätzlichen und besonderen Problemen verbunden ist, die nationale Richter und nationale Rechtsordnungen nicht oder allenfalls in anderer Weise kennen. Internationale Gerichte bestehen nicht nur aus Richtern unterschiedlicher Nationalität und mit unterschiedlicher rechtlicher Erfahrung und Prägung, sondern sie haben es auch mit einer Rechtsordnung zu tun, die nach wie vor viele "ungeschriebene" Regeln enthält und in der anwendbare Verträge nicht selten vielfältig deutbare Kompromißformeln enthal• K. Zemanek, Responsibility of States: General Principles, EPIL 10 (1987), S. 362 t1, (S. 365). (Hervorhebung hinzugefügt). Der Herausgeber der Enzyklopädie ist Karl Zemanek dankbar für zwölf gehaltvolle Beiträge. 3 Zemanok
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ten. Auch gibt es keinen internationalen Gesetzgeber, der für problematisch gehaltene Richtersprüche durch alsbaldige gesetzgeberische Korrekturen zumindest für die Zukunft wirkungslos machen kann. All dies trägt zur nach wie vor feststellbaren Zurückhaltung der Staaten bei der Anerkennung richterlicher Streitbeilegung bei. Internationale Normen, die die Aufgaben von Gerichten umschreiben, sind durchwegs sehr allgemein gehalten, und das ist wohl unvermeidlich. Art. 36 IGH-Statut sagt, daß der Gerichtshof Rechtsstreitigkeiten über die Auslegung eines Vertrages und jede sonstige Frage des Völkerrechts entscheiden soll, und Art. 38 enthält den bekannten Katalog der Völkerrechtsquellen, der weder vollständig noch eindeutig ist. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft - über dessen Qualifizierung als internationales Gericht im üblichen Sinn man natürlich diskutieren kann und muß 2 - ist aufgetragen: "Der Gerichtshof sichert die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages" (Art. 164 EWG-Vertrag). Art. 45 EMRK sagt: "Die Zuständigkeit des Gerichtshofes umfaßt alle die Auslegung und Anwendung dieser Konvention betreffenden Fälle". Die im Rahmen der KSZEEntwicklung Ende 1992 angenommene, vom Inkrafttreten wohl noch weit entfernte Konvention weist der Gerichtsinstanz die Aufgabe zu, Streitigkeiten nach Völkerrecht zu entscheiden3 • Die Zitate und Beispiele ließen sich beliebig vermehren, zur Klärung des Problems tragen sie wenig bei. Wir wollen nach einigen weiteren grundsätzlichen Betrachtungen an einigen Beispielen zeigen, wie internationale Gerichtsinstanzen in der Praxis versuchen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Daß internationale (und nationale) Gerichte Recht anwenden und nicht Recht setzen sollen, ist wohl allgemein anerkannt. Daher sieht Art. 38 Abs. 1 lit. d) IGH-Statut in richterlichen Entscheidungen nur "Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen" ("subsidiary means for the determination of rules of law"). Die Auffassung jedoch, daß der Richter durch rein rationale Subsumption des Sachverhalts unter die Rechtsnorm ohne eigene Wertung zur richtigen Lösung im Einzelfall gelangt, gehört einer längst vergangenen Epoche an. Vor 200 Jahren hat § 47 der Einleitung zum Preussischen Allgemei2 Auf die RechtsprechWlg dieses Gerichts wird hier nicht eingegangen, weil das nur in VerbindWlg mit einer grundsätzlichen Betrachtung des Rechts der Europäischen Gemeinschaft sinnvoll wäre; wenn dieser Europäische Gerichtshof nicht selten als Motor der Integration bezeichnet (Wld gelegentlich auch kritisiert) wurde, zeigt dies an, daß rechtsfortbildende oder rechtsschöpferische Elemente auch hier Wlverkennbar sind. 3 Übereinkommen über Vergleichs- Wld Schiedsverfahren innerhalb der KSZE vom 15. Dezember 1992, Art. 30: "Aufgabe des Schiedsgerichts ist es, die ihm Wlterbreiteten Streitigkeiten gemäß dem Völkerrecht zu entscheiden. Diese BestimmWlg berührt nicht die Befugnis des Gerichts, einen Fall ex aequo et bono zu entscheiden, sofern die Streitparteien dies vereinbaren". Englischer Text in ILM 32 (1993), S. 551.
RechtsfortbildlUlg lUld Rechtsschöpfung durch internationale Gerichte
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nen Landrecht von 1794 bestimmt: "Findet der Richter den eigentlichen Sinn des Gesetzes zweifelhaft, so muß er ... seine Zweifel der Gesetzcornmißion anzeigen, und auf deren Beurtheilung antragen". Ähnliche, aber auch gegenteilige Äußerungen finden wir in unterschiedlichen Rechtsordnungen, berühmt wurde etwa die Formel in § 1 des Schweizerischen Bundesgesetzbuches: "Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll der Richter nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die er als Gesetzgeber aufstellen würde". Die alte Kontroverse über die Rolle des Richters dürfte heute im Grundsätzlichen überholt sein, fiir das nationale wie fiir das internationale Recht. Rechtsanwendung und Rechtsprechung sind selten und allenfalls dann, wenn Norm und Sachverhalt gleichermaßen eindeutig sind, rein rationale und wertungsfreie Vorgänge, und Rechtsstreitigkeiten gelangen in aller Regel nur dann zum Gericht, wenn unterschiedliche Auffassungen über die Rechtslage möglich sind und vertreten werden. Im übrigen aber sind wertende und "schöpferische" Elemente notwendigerweise mit der richterlichen Streitentscheidung verbunden. Die eigentliche Frage ist daher heute nicht mehr das "Ob" richterlicher Rechtschöpfung, sondern das "Wie" und das Maß. Woher bezieht der Richter seine Maßstäbe, und in welchem Umfang ist er befugt oder aufgerufen, das Recht fortzuentwickeln? Als Grenze bleibt bestehen, daß der Richter sich nicht über das geltende Recht hinwegsetzen darf; der Wortlaut eines Vertrages, die Existenz eindeutiger und allgemein anerkannter gewohnheitsrechtlicher Regeln binden den internationalen Richter auch dann, wenn er eine abweichende Regel fiir angemessener hält. Insoweit darf der Richter nicht Gesetzgeber sein, wenn nicht die Rechtsordnung sich in Einzelfallentscheidungen und -wertungen auflösen soll. Der einzige Fall, in dem ein internationaler Richter bewußt und explizit vom geltenden Recht abweichen darf, ist dann gegeben, wenn die Parteien ihn zur Entscheidung ex aequo et bono ermächtigen - was nach Art. 38 Abs. 2 des IGH Statut seit Jahrzehnten möglich, aber in der Praxis noch nie vorgekommen ist. Entscheidungen contra legem sind unzulässig. Wenn aber der Richter keine klare Rechtslage antriffi:, steht er unausweichlich vor der Notwendigkeit, wertend und "rechtsschöpferisch" tätig zu werden. Im Völkerrecht gibt es auch keine einfache Grundregel, die die Aufgabe erleichtert, etwa die zuweilen aus der Lotus-Entscheidung4 des Ständigen Internationalen Gerichtshofs abgeleitete Maxime, im Zweifel sei zugunsten der Ungebundenheit, der souveränen Gestaltungsfreiheit der Staaten zu entscheiden. Eine solche Maxime läßt sich m. E. in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weder fiir die Vertragsauslegung noch fiir gewohnheitsrechtliche Bindungen der Staaten nachweisen;
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peD, Judgmentno. 9, sero A, no. 10 (1927).
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dazu sind die Erfordernisse der internationalen Kooperation und die zwischenstaatliche Interdependenz zu groß. Die Freiheit des einen Staates bedeutet zudem in der Regel die Duldungspflicht eines anderen Staates oder der Staatengemeinschaft, und hier kann es in der heutigen Welt keine einseitige Maxime "in dubia pra libertate rei publicae" geben. Aus all dem folgt, daß Rechtsfortbildung und Rechtsschöpfung notwendige Bestandteile richterlicher Rechtsprechung auch in der internationalen Rechtsordnung sind. Die Übergänge zwischen Rechtsanwendung, Rechtsfortbildung und Rechtsschöpfung sind fließend. Bevor dies an einigen Beispielen aus der Rechtsprechung internationaler Gerichte aufgezeigt wird, ist noch anzumerken, daß die Entscheidungen der Gerichte nur selten in nennenswertem Umfang methodische Betrachtungen enthalten; die Gründe dafür sind sicher vielfältig. Nicht immer dürften die Mitglieder internationaler Gerichte in methodischer Absicht derselben Meinung sein; auch spricht manches dafür, einen Richterspruch in Begründung und Ergebnis auf das im konkreten Fall Notwendige zu beschränken. Richterliche Erkenntnisse sind im übrigen keine gelehrten Abhandlungen, die die Prämissen, den Gang der Überlegungen, die konsultierten Texte und das ausgewertete Material vollständig wiedergeben, im Gegenteil: Bisweilen ist es bei Kollegialgerichten eher möglich, Ausfiihrungen in einern Urteilsentwurf zu streichen oder zu kürzen als Begründungen auszuweiten und zu vertiefen. Der Leser von Gerichtsentscheidungen muß sich daher mit Texten auseinandersetzen, die die im Spruchkörper angestellten Überlegungen nur verkürzt wiedergeben. Im folgenden soll anhand von Äußerungen des Internationalen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs rur Menschenrechte gezeigt werden, wie Rechtsfortbildung und Rechtsschöpfung in den Richterspruch eingehen. Dabei kann es sich nur um eine Skizze und um fragmentarische Bemerkungen handeln.
B. Die Spruchpraxis des Internationalen Gerichtshofs Der Internationale Gerichtshof, das juristische Hauptorgan der Vereinten Nationen, hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung sowohl zu traditionellen Rechtsfragen als auch zu Problemen Stellung zu nehmen, die erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der neuen Weltorganisation eine größere Bedeutung erlangt haben. Zu den neuen Problemen gehörten das Recht der internationalen Organisationen und die Entwicklung des Meeresvölkerrechts mit der Anerkennung der Rechte des Küstenstaates arn Festlandsockel und in einer ausschließlichen Fischereizone.
Rechtsfortbildung und Rechtsschöpfung durch internationale Gerichte
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Internationale Organisationen haben vor dem Ersten Weltkrieg keine größere Rolle gespielt, allenfalls im Rahmen mehr technisch-unpolitischer Zusammenarbeit erreichten sie eine gewisse Bedeutung. Diese nahm zu mit der Begründung des Völkerbundes und der Internationalen Arbeitsorganisation, aber die damit verbundenen Rechtsfragen waren eher Gegenstand wissenschaftlicher Erörterungen als richterlicher Entscheidungen und Stellungnahmens . Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen die internationalen Organisationen zahlenmäßig und nach ihren Aufgaben in ganz neue Größenordnungen, und zentrale, zugleich auch neue Rechtsfragen wurden dem Internationalen Gerichtshof unterbreitet, überwiegend im Gutachten-Verfahren. Im Anschluß an die Ermordung des Grafen Bernadotte wurde der Gerichtshof gefragt, ob die Organisation der Vereinten Nationen eigene Rechtspersönlichkeit besäßen und eigene Ansprüche und solche ihrer Bediensteten geltend machen könnten. Der Gerichtshof' stellte unter anderem folgende Betrachtungen an: "Does the Organisation posses international personality? This is no doubt a doctrinal expression, which has sometimes given rise to controversy. But it will be used here to mean that if the Organization is recognized as having that personality, it is an entity capable of availing itself of obligations incumbent upon its Members. To answer this question, which is not settled by the actual terms of the Charter, we must consider which characteristics it was intended thereby to give to the Organization. ... Throughout its history, the development of international law has been influenced by the requirements of international life, and the progressive increase in the collective activities of States has already given rise to instances of action upon the international plane by certain entities which are not States. ... But to achieve these ends the attribution of international personality is indispensable". Der Gerichtshof führte weiter aus, daß die Organisation nicht nur Rechtspersönlichkeit gegenüber ihren Mitgliedern besitzen könne, sondern daß die Gründerstaaten der Vereinten Nationen ... "representing the vast majority of the members of the international community, had the power, in conformity whith international law, to bring into being an entity possessing objective international personality, ... together with the capacity to bring international claims". s Die verschiedenen Gutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshofes zu den Kompetenzen der Internationalen Arbeitsorganisation enthalten wenig prinzipielle Aussagen; immerhin hat etwa das Gutachten zur Kompetenz der Organisation, incidenter auch die persönliche Arbeit des Arbeitgebers zu regeln (PCll sero B, no. 13), die Mö1lichkeit von "implied powers" einer internationalen Organisation anerkannt. IC] Reports 1949, S. 174 tT., S. 178 tT.
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Seit diesem Gutachten ist wohl - nunmehr allgemein - anerkannt, daß die Organisation der Vereinten Nationen (dasselbe gilt im Prinzip auch für andere internationale Organisationen) völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit besitzen und Ansprüche geltend machen kann. Da eindeutige Texte hierfür fehlten, hat der Gerichtshof aus dem Charakter der Organisation und den Notwendigkeiten der internationalen Ordnung seine Schlüsse gezogen. Rechtsanwendung und Rechtsschöpfung gehen hierbei ineinander über. Das Recht der internationalen Organisationen hat den Gerichtshof auch sonst mehrfach beschäftigt, etwa im Zusammenhang mit dem Südwest-AfrikaMandat, das unter anderem die Fragen des Übergangs von Überwachungsfunktionen vom Völkerbund auf die Vereinten Nationen und schließlich der Befugnis der Weltorganisation zu einseitiger Beendigung des MandatsVerhältnisses aufwarfl. Man kann darüber streiten, ob die Fragen immer zutreffend beantwortet wurden, aber zweifelsfrei ist, daß der Gerichtshof ohne klare Texte und Präzedenzfälle der Struktur der internationalen Ordnung rechtliche Ergebnisse entnommen hat. Nicht anders stand es, als der Internationale Gerichtshof zu befinden hatte, ob die Weltorganisation ein verbindlich entscheidendes Verwaltungsgericht schaffen durfte; der Gerichtshof! bejahte das: "... the Court finds that the power to establish a tribunal, to do justice as between the Organization and the staff members, was essential to ensure the efficient working of the Secretariat, and to give effect to the paramount consideration of securing the highest standards of efficiency, competence and integrity. Capacity to do this arises by necessary intendment out of the Charter". Insgesamt hat der Internationale Gerichtshof Wesentliches zum Recht der internationalen Organisationen, insbesondere der universellen Organisationen, beigetragen. Er konnte sich dabei nur selten auf eindeutige Texte stützen; hinzukommen mußten jeweils Betrachtungen über Aufgaben und Ziele der betroffenen Organisation und die Struktur der internationalen Ordnung. Weder das Gewohnheitsrecht noch allgemeine Rechtsgrundsätze konnten entscheidend helfen, denn die Probleme waren weitgehend neu, und gefestigte Rechtsauffassungen hatten sich bis zur Befassung des Internationalen Gerichtshofs noch nicht bilden können. Es war letztlich eine - notwendige und gelungene - rechtsschöpferische Tätigkeit, die der Internationale Gerichtshof vollbracht hat. Das andere Beispiel aus der Tätigkeit des Internationalen Gerichtshofs, das hier knapp erörtert werden soll, betrifft das Meeresvölkerrecht, speziell die 7 Zusammenstellung der einschlägigen Gutachten: E. Klein, South West Africa/Narnibia (Advisory Opinions and Jugments), EPIL 2 (1981), S. 260. 8 Advisory Opinion, ICJ Reports 1954, S. 47 ff., S. 57.
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Abgrenzung der Festlandsockelanteile (und auch der ausschließlichen Wirtschafts- und Fischereizonen) zwischen benachbarten oder gegenüberliegenden Staaten. Das Problem war verhältnismäßig neu, die vorhandenen Vertragstexte sind nach wie vor nicht eindeutig und zudem nicht allgemein verbindlich. Das Problem ist erst akut geworden, seit ausschließliche Rechte der Küstenstaaten am Festlandsockel nach und nach in Anspruch genommen und anerkannt wurden und seit mehr und mehr miteinander konkurrierende Ansprüche geltend gemacht wurden. Die relevanten Vertragstexte sind insbesondere: Art. 6 Festlandsockel-Konvention 1958, Art. 74 (zur ausschließlichen Wirtschaftszone) und Art. 83 (zum Festlandsockel) Seerechts-Konvention 1982. Die Konvention von 1958 ist nur für eine Minderheit der Staaten verbindlich, die Konvention 1982 tritt zwar Ende 1994 in Kraft, dürfte aber auch dann noch für längere Zeit nur für eine begrenzte Zahl von Staaten und nicht unbedingt für die in diesem Bereich wichtigsten gelten. Eine erstaunlich große Zahl von Abgrenzungs-Streitigkeiten ist dem Internationalen Gerichtshof bisher unterbreitet worden, vom 1969 entschiedenen Streit über den Festlandsockel unter der Nordsee zwischen den Niederlanden und Dänemark auf der einen und der Bundesrepublik. Deutschland auf der anderen Seite9 , bis zum 1993 entschiedenen Streit über die Abgrenzungen zwischen Jan Mayen (Norwegen) und Grönland (Dänemark)lo. Dazwischen liegen insbesondere die Entscheidungen in Streitigkeiten zwischen Tunesien und Libyenll (1982 entschieden), zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten über die Abgrenzungen im Golf von Maine l2 (1984 entschieden), und zwischen Libyen und Malta13 (1985 entschieden). Hinzu kommen Schiedsgerichtsentscheidungen, zuletzt die Entscheidung vom 10. Juni 1992 im Streit zwischen Frankreich und Kanada über die Gewässer im Gebiet St. Pierre und Miquelonl4 . Die in diesem Zusammenhang auftretenden Rechtsfragen sind besonders facettenreich. Art. 6 der Konvention von 1958 sieht drei Alternativen für die Abgrenzung konkurrierender Ansprüche am Festlandsockel vor: Primär sollen die betroffenen Staaten sich vertraglich einigen; ohne Einigung soll grundsätzlich das Äquidistanzprinzip gelten, aber doch nur dann, wenn keine "besonderen Umstände" vorliegen. Die Seerechts-Konvention von 1982 enthält, nach vielen Vorschlägen und Kontroversen während der Konferenz, schließlich die folgende Kompromiß-Formel:
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ICJ Reports 1969, S. 3. ICJ Reports 1993, S. 38. ICJ Reports 1982, S. 18. ICJ Reports 1984, S. 246. ICJ Reports 1985, S. 13. ILM 31 (1992), S. 1145.
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"The delimitation of the exclusive economic zone [the continental shelfj between States with opposite or adjacent coasts shall be effected by agreement on the basis of internationallaw, as referred to in Art. 38 of the Statute of the International Court of Justice, in order to achieve an equitable solution". Nennenswert weiter hilft die Formel nicht, sie verweist auf die Regeln des Völkerrechts, ohne sie kenntlich zu machen, und sie betont die Notwendigkeit, ein billiges Ergebnis zu erreichen, wobei in der Regel die Auffassungen über ein solches Ergebnis zwischen den Streitparteien divergieren. Das Äquidistanzprinzip ist vorn Internationalen Gerichtshof schon 1969 als nicht gewohnheitsrechtlich verbindlich angesehen worden, und es taucht im Text von 1982 gar nicht mehr expressis verbis auf. Der Internationale Gerichtshof hat in seiner RechtsprechungU Abgrenzungskriterien entwickelt, die zu einer billigen Lösung fUhren sollen, und er hat bei der Anwendung dieser Kriterien die jeweilige Küsten- und Meereskonfiguration besonders berücksichtigt. Zu den relevanten Kriterien gehört auch das Äquidistanzprinzip, vor allem bei einander gegenüberliegenden Küsten, aber selbst in derartigen Fällen haben andere Kriterien zu Abweichungen vom Äquidistanzprinzip gefUhrt, so insbesondere im Rechtsstreit LibyenlMalta und im Rechtsstreit NorwegenlDänemark (Jan Mayen). Ein Kriterium, dem mehrfach besondere Bedeutung beigemessen wurde, ist die Länge der für die Abgrenzung relevanten Küsten; die längere Küste fUhrt zu einem größeren Anteil an dem Festlandsockel bzw. der ausschließlichen Wirtschaftszone. Weitere Kriterien können eine Rolle spielen, etwa die Gestalt des Meeresbodens oder die Existenz traditionneller Fischereigebiete. Keine Rolle soll dagegen die Landrnasse der beteiligten Staaten spielen. Die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs und die in ihr entwikkelten Kriterien können hier nicht im einzelnen aufgezeigt werden. Wesentlich ist, daß der Versuch gemacht wurde, rationelle Kriterien zu entwickeln, deren Anwendung auf den Einzelfall zu einer billigen Lösung fUhrt. Gelegentlich ist geltend gemacht worden, diese Rechtsprechung sei im Grunde eine - unzulässige - Ex-aequo-et-bono-Judikatur. Der Gerichtshof unterstreicht demgegenüber, daß die "Equity" Bestandteil der Rechtsordnung sei und eine sie berücksichtigende Rechtsprechung den Bereich der normorientierten Rechtsanwendung nicht verlasse l6 • Es spricht m.E. viel für die Auffassung des Gerichtshofs, jedenfalls in einem Bereich, in dem eine rechtliche Lösung gefunden werden muß, die Rechtsordnung jedoch keine klaren und eindeutigen I' Dazu R. Bernhardt, Custom and Treaty in the Law of the Sea, RdC 205 (1987 V), S. 247; allgemein insbes. P. Weil, Perspectives du droit de 1a dei imitation maritime (1988). 16 Siehe schon die Entscheidung zur Festlandsockel-Abgrenzung in der Nordsee, IC] Reports 1969, S. 48.
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Maßstäbe bereithält. Hier ist eine stärkere rechtsschöpferische Aktivität eines internationalen Gerichts im Grunde unvermeidlich. Die Tatsache, daß diese flexible Rechtsprechung andere Staaten und Streitparteien nicht gehindert, sondern eher angeregt hat, auch ihre Kontroversen dem Gerichtshof zu unterbreiten, zeigt, daß Rechtsschöpfung dieser Art durchaus hilfreich sein kann. Sie vermittelt den Beteiligten die Aussicht, daß eine gerichtliche Entscheidung fiir beide Parteien einen begrenzten Erfolg darstellen kann; auch wenn ihre Maximalansprüche nicht anerkannt werden sollten, ist doch zugleich das völlige Obsiegen der anderen Seite unwahrscheinlich. Rechtsschöpferische Entwicklung und Anwendung von Abgrenzungskriterien fuhrt im konkreten Fall zur Komprornißlösung, die die Staaten nicht selbst finden konnten, aber als Richterspruch akzeptieren.
C. Die Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Der internationale Menschenrechtsschutz hat eine neue Art internationaler Gerichte hervorgebracht, die auch vor weitgehend neuen Aufgaben steht: Es geht um den Schutz des Einzelnen vor Übergriffen der Staatsgewalt, und dieser Schutz ist internationalen Organen anvertraut, die, Verfassungsgerichten vergleichbar, das Verhalten staatlicher Organe an einern Grundrechtskatalog messen; nur ist dieser Katalog nicht in einer Verfassung, sondern in einern völkerrechtlichen Vertrag enthalten. Zur Zeit existieren zwei echte Menschenrechtsgerichtshöfe, der Europäische und der Interarnerikanische Gerichtshof. Andere internationale Organe haben vergleichbare Aufgaben, so die Europäische und die Amerikanische Menschenrechtskommission, auch die Afrikanische Menschenrechtskommission und einige andere Ausschüsse oder Komitees, etwa zum Schutz vor Rassendiskriminierung und zur Kontrolle der Beachtung anderer universeller Menschenrechtstextel7 ; diese Kommissionen und Komitees haben, wie gesagt, zum Teil ähnliche Kontrollfunktionen wie die Menschenrechtsgerichtshöfe, nur fehlt ihnen überwiegend die Kompetenz zur verbindlichen Entscheidung. Die folgenden Betrachtungen und Bemerkungen befassen sich aus naheliegenden Gründen vor allem mit dem Europäischen Gerichtshof fiir Menschenrechte. Dieses internationale Gericht hat sich mit der Einhaltung von Menschenrechtsgarantien durch staatliche Organe zu befassen. Die maßgeblichen 17 Vgl. R. Bernhardt, Schutz der Menschenrechte durch internationale Organe, 4. Herbert Miehsler-Gedächtnisvorlesung (1990).
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Texte sind knapp und stecken voller Auslegungsprobleme, die von Richtern mit unterschiedlicher Nationalität, Herkunft und juristischer Vorprägung zu lösen sind. Dies war und ist selbst dann nicht einfach, wenn gemeinsame Verfassungstraditionen und langjährige demokratische Strukturen in den beteiligten Staaten bestehen; die Aufgabe wird in Zukunft aber noch größer, wenn mehr und mehr Staaten aus Mittel- und Osteuropa zu der Menschenrechtsgemeinschaft des Europarats hinzukommen. Die traditionellen Regeln für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge passen bei Menschenrechtskonventionen nur begrenztl8 • Natürlich sind Wortlaut, systematischer Zusammenhang der Vertragsbestimmungen und der Vertragszweck zu beachten, aber diese allgemeinen Maximen helfen bei weit gefaßten Klauseln und neuen Problemen nur zum Teil. Zwei andere Auslegungsmaxime, die heute eher in Lehrbüchern und wissenschaftlichen Abhandlungen als in der Wiener Vertragsrechtskonvention genannt werden und in der Vergangenheit sicher eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben, sind bei Menschenrechtstexten weitgehend unbrauchbar: die Auslegung zugunsten der Unabhängigkeit der Staaten und die Orientierung an den Vorarbeiten, den "travaux pft!paratoires", die dem Vertragsabschluß vorangingen. Einige wenige Überlegungen und Beispiele sollen die Problematik aufzeigen. Zunächst: Im Bereich des Menschenrechtsschutzes würde eine Auslegung zugunsten der Unabhängigkeit der Staaten, zugunsten der staatlichen Souveränität, dem Anliegen der Konvention zuwiderlaufen, nämlich das Individuum zu schützen. Der Europäische Gerichtshof fiir Menschenrechte hat jedenfalls schon früh die Auffassung vertreten, daß in der Konvention vorgesehene staatliche Eingriffsbefugnisse eng zu interpretieren seien: Im Klass-Urteil vom 6. September 1978 heißt es: "This paragraph [Art. 8, par. 2], since it provides for an exception to a right guaranteed by the Convention, is to be narrowly interpreted. Powers of secret surveillance of citizens, characterising as they do the police state, are tolerable under the Convention only in so far as strictly necessaty for safeguarding the democratic institutions" 19 • Auch in anderen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird betont, daß Konventionsbestimmungen eher extensiv zum Schutz des Individuums als zugunsten der staatlichen Gestaltungsfreiheit zu interpretieren sind. Man kann bezweifeln, ob in diesem Bereich überhaupt allgemeine Prinzipien viel weiterhelfen oder nicht eher Individualrecht und Schutz der Gemeinschaft jeweils gegeneinander abgewogen werden müssen. 18 R. Bemhardt, Thoughts on the Interpretation of Human Rights Treaties, in: MacdonaldIPetzold (Hrsg.), Studies in Honour ofGerard J. Wierda (1988), S. 65. 19 European Court ofHuman Rights, sero A, no. 28, S. 21.
Rechtsfortbildung und Rechtsschöpfimg durch internationale Gerichte
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Eine teleologische Interpretation kann bei einer Vorschrift zu mehr Individualschutz, bei einer anderen zum Vorrang von Gemeinschaftsbelangen führen. Jedenfalls sind Menschenrechtstexte nicht allgemein zugnnsten der Gestaltungsfreiheit und Eingriffsbefugnis der Staaten zu interpretieren. Ein anderes Problem hat den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schon mehrfach beschäftigt: Inwieweit kann oder muß der Gerichtshof Wandlungen der gesellschaftlichen Verhältnisse und Anschauungen bei der Auslegung der Konvention berücksichtigen? Bei einer an der Entstehungsgeschichte orientierten Interpretation könnten solche Wandlungen wohl allenfalls in engen Grenzen berücksichtigt werden, und in der Tat ist von betroffenen Staaten zuweilen geltend gemacht worden, sie hätten sich - und seien weiterhin - nur insoweit gebunden, wie sie das zur Zeit der Abfassung der Konvention gesehen und gewollt hätten. Der Gerichtshof hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen. Bevor auf einige Beispiele eingegangen wird, ist darauf hinzuweisen, daß es sich um eine vielschichtige Problematik mit unterschiedlichen Konstellationen handelt. Einmal können neue Sachverhalte zu bewerten sein, Sachverhalte, die zur Zeit der Abfassung der Konvention noch wenig bekannt waren. Es können aber auch alte Fragen und Sachverhalte eine neue Bewertung erfordern oder zumindest nahelegen. Zu den Problemen, die erst in neuerer Zeit stärker erkannt worden sind, gehört die Geschlechtsumwandlung und allgemein die Position der sogenannten Transsexuellen. Personen, die seit der Geburt physisch dem einen Geschlecht angehören, fühlen sich psychisch dem anderen Geschlecht zugehörig, und die modeme Medizin hat es durch chirurgische Eingriffe und Hormonbehandlung möglich gemacht, den Körper und das äußere Erscheinungsbild zu verändern. Haben Personen, die diese Verwandlung gewünscht und erwirkt haben, nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Recht darauf, ihr Privat- und Familienleben ganz an ihrem "neuen" Geschlecht auszurichten, und muß der Staat dem entgegenkommen? Haben sie vielleicht sogar nach Art. 12 der Konvention das Recht, eine Person ihres ursprünglichen Geschlechts zu heiraten? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat hier einen Mittelweg eingeschlagen, der vielleicht mehr Kritik als Zustimmung gefunden haeo . Einmal ging es um die Korrektur des Geburtsregisters und anderer amtlicher Dokumente. Hier hat der Gerichtshof eine Korrektur des (ja nicht von Anfang an unrichtigen) Geburtsregisters abgelehnt und im übrigen darauf abgestellt, ob die jeweilige staatliche Ordnung es dem Betroffenen ermöglicht, im allgemeinen der veränderten Geschlechtszugehörigkeit 20 Rees Case, Judgment of 17 October 1986, sero A, no. 106; Cossey Judgment of 27 September 1990, sero A, no. 184; Case olB. V. France, Judgment of25 March 1992, sero A, no. 232 (C). Wie kontrovers die Ansichten sind, zeigen die abweichenden Stellungnahmen der Menschenrechts-Kommission und die Sondervoten.
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entsprechend zu leben; da im Vereinigten Königreich die Wahl des Vornamens und die Eintragungen in Ausweise weitgehend der Entscheidung des Einzelnen überlassen sind, wurde die dortige Regelung als konventionsgemäß, die französische dagegen als konventionswidrig angesehen, da in Frankreich Änderungen des Vornamens kaum möglich waren und die Angaben in amtlichen Dokumenten sofort erkennen ließen, daß der Ausweisinhaber äußerlich einem anderen als dem urkundlich vermerkten Geschlecht angehört. Ein Recht zur Eheschließung gemäß der neuen Geschlechtszugehörigkeit wurde verneint. Der Grundgedanke dieser Differenzierungen ist, daß es zum Kern der Persönlichkeit gehört, im Alltag dem selbst empfundenen Geschlecht entsprechend leben und auftreten zu können; andererseits wurde auf die in Europa nach wie vor verbreitete Auffassung Rücksicht genommen, daß nur Personen eindeutig unterschiedlichen Geschlechts das Recht der förmlichen Eheschließung fiir sich in Anspruch nehmen können. Das Beispiel zeigt, daß auch neue Probleme und Sachverhalte von der Konvention erfaßt werden (können), doch die Frage nach der Konventionswidrigkeit kann im Einzelfall unterschiedlich beantwortet werden. Wenn gesellschaftliche Auffassungen sich wandeln, wenn menschliche Beziehungen und menschliches Verhalten in einem späteren Zeitraum anders beurteilt werden als zur Zeit der Ausarbeitung und Annahme der Konvention, muß die Frage beantwortet werden, welche Wertungen fiir die Auslegung und Anwendung der Konvention maßgeblich sind - die früheren oder die späteren. Praktische Beispiele hierfiir bieten die Rechtsstellung der "unehelichen" Mutter und ihres Kindes, oder auch die Strafbarkeit homosexuellen Verhaltens. Hier und in anderen Bereichen haben sich die gesellschaftlichen Anschauungen seit 1950 drastisch verändert, die staatlichen Rechtsordnungen haben das überwiegend berücksichtigt. Der Europäische Gerichtshof fiir Menschenrechte hat im Tyrer-Urteil vom 25. April 1978 - es ging um die körperliche Züchtigung jugendlicher Delinquenten - erstmalig prinzipiell zu der Frage Stellung genommen, ob Veränderungen fiir Auslegung und Anwendung der Konvention relevant sind: "The Court must also recall that the Convention is a living instrument which, as the Commission rightly stressed, must be interpreted in the light of present-day conditions. In the case now before it the Court cannot but be influenced by the developments and commonly accepted standards in the penal policy ofthe member States ofthe Council ofEurope in this field"21. Hieran hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung festzuhalten und als Konsequenz die Benachteiligung der nicht verheirateten Mutter und ihres
21 Sero A, no. 26, S. 15 f.
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Kindes im Marckx-FalF2 (entschieden am 13. Juni 1979) für konventionswidrig erklärt. Weiter hat er die generelle Strafbarkeit homosexuellen Verhaltens für nicht mehr mit der Konvention vereinbar erklärt23 • Die Alternative lautet also: Statische oder dynamische Interpretation? Die Rechtsprechung hat sich eindeutig für die dynamische, jetzt meist und besser evolutiv genannte Interpretation entschieden. Daß das zugleich richterliche Rechtsfortbildung impliziert, ist ebenfalls kaum zweifelhaft. Dabei war der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wohl in der Regel bemüht, die Entwicklungen in den europäischen Rechtsordnungen und in den europäischen Gesellschaften aufzunehmen und behutsam in seiner Rechtsprechung zu berücksichtigen. Der internationale Richter wird noch weniger als der nationale Richter weiter gehen und sich an die Spitze der Rechtsentwicklung setzen können. Richterlicher Aktivismus könnte andernfalls dazu führen, daß die Staaten nicht mehr bereit sind, der europäischen Rechtsprechung zu folgen. Wiederum zeigt sich, daß es nicht um das Ob, sondern um das Maß richterlicher Rechtsfortbildung geht.
D. Zusammenfassung Die erörterten Beispiele haben die vielfachen Aspekte richterlicher Rechtsfortbildung und Rechtsschöpfung zu zeigen versucht, abschließend sollen die allgemeinen Betrachtungen, die am Anfang dieser Skizze angestellt wurden, noch einmal kurz aufgenommen werden. Fortbildung und Schöpfung des Rechts durch internationale Richter lassen sich allenfalls theoretisch und abstrakt unterscheiden, in dem Sinne, daß Rechtsfortbildung den bisherigen Rechtszustand weiterentwickelt und Rechtsschöpfung bisher nicht vorhandene Regeln einführt. Aber im Grunde ist jede Rechtsfortbildung auch Schöpfung neuen Rechts, und jede Rechtsschöpfung enthält eine Fortbildung des bisherigen Normenbestandes. Beides, Rechtsfortbildung und Rechtsschöpfung, sind legitime und notwendige Aufgaben (des nationalen und) des internationalen Richters. Nicht das Ob, sondern das Ausmaß der Rechtsschöpfung bedarf der Diskussion. Hier könnte man zwischen "judicial self-restraint" und "judicial activism" unterscheiden, wobei wohl auf internationaler Ebene die richterliche Zurückhaltung noch eher geboten sein kann als im innerstaatlichen Bereich. Aber allgemeine Maximen
Ser. A, no. 3l. Dudgeon Case, Judgment of 22 October 1981, sero A, no. 45; Case of Medinos Cyprus, Judgment of22 April 1993, ser. A, no. 259. 22 23
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können überhaupt nur auf mögliche Tendenzen hinweisen, bei der Entscheidung einer konkreten Rechtsstreitigkeit helfen sie nicht unbedingt weiter. Bei der Feststellung und Anwendung des Völkergewohnheitsrechts steht der internationale Richter oft vor besonders schwierigen Fragen. Eine umfassende Bestandsaufnahme der Staatenpraxis ist selten möglich, und ob sie weiterführen kann, ist durchaus zweifelhaft. Viele Akteure und Faktoren spielen bei der Hervorbringung der Regeln eine Rolle; konkludentes Verhalten der Staaten und ihrer Repräsentanten und das Vermeiden einer jeden Stellungnahme können von Bedeutung sein. So muß sich der internationale Richter auf fragmentarischer Grundlage eine Überzeugung von der bestehenden Rechtslage bilden. Er muß dabei auch die Strukturen und Grundlagen der internationalen Ordnung in seine Betrachtungen einbeziehen, wie es der Internationale Gerichtshof bei seinen Aussagen über das Recht internationaler Organisationen getan hat. Wo Völkergewohnheitsrecht und Verträge zu keinem sicheren Ergebnis führen, kommen die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den innerstaatlichen Rechtsordnungen entnommen werden können, ins Blickfeld. Ein wichtiges Gebiet, in dem diese Rechtsquelle von internationalen Richtern erschlossen und weiterentwickelt wurde, ist, wie eingangs erwähnt, das Gebiet der Staatenverantwortlichkeit, eines der Interessengebiete von Karl Zemanek. Schließlich kommt der internationale Richter auch bei der Auslegung und Anwendung völkerrechtlicher Verträge nicht daran vorbei, rechtsschöpferisch tätig zu werden. Das wurde oben an einigen Beispielen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gezeigt, es gilt auch sonst. Selbstverständlich hat jeder Rechtsbereich und jeder Vertrag seine Eigenheiten; z. B. kann die Vernachlässigung der Vorarbeiten zu einem Vertrag bei einer multilateralen Menschenrechtskonvention sinnvoll und notwendig, bei einem bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen dagegen bedenklich sein. Aber wann immer ein Vertrag keine über jeden Zweifel erhabene Antwort bereit hält und ein internationaler Richter einen Streit zu entscheiden hat, sind rechtsschöpferische Elemente mit im Spiel.
Das künftige Arbeitsprogramm der ILC Von Franz Cede*
A. Einleitung Wenn ich als Praktiker des Völkerrechts einen bescheidenen Beitrag zur Ehre eines der führenden Vertreters der österreichischen und internationalen Völkerrechtswissenschaft und -lehre verfasse, mag es mir gestattet sein, einige persönliche Bemerkungen über den Jubilar voranzustellen. Nicht erst als neubestellter Rechtsberater des österreichischen Außenministeriums war es mir vergönnt, die Schärfe des Intellekts, das enzyklopädische völkerrechtliche Wissen und das stets unabhängige, fachlich fundierte Urteil Karl Zemaneks zu schätzen. Aus der Bekanntschaft ist mit der Zeit eine Freundschaft gewachsen, die Zemaneks Funktion als Juriskonsulent des Außenministeriums mit meinen Aufgaben als beamtetes Mitglied dieses Hauses auf die angenehmste Weise ergänzt. Ihm sei an dieser Stelle gedankt fiir sein jahrzehntelanges Wirken inmitten des Geschehens der österreichischen Außenpolitik, als Konsulent, als Delegierter, als Konferenzpräsident und immer wieder, besonders in den schwierigen Situationen, als guter Freund, dessen Stimme gehört und dessen Expertise zitiert wird. Karl Zemanek ist in seinem wissenschaftlichen Werk ein aufmerksamer und zum Teil recht kritischer Kommentator der Arbeiten der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationenl . Sein unablässiges Interesse an der
• Aufrichtigen Dank schulde ich Mag. Engelbert Theuennann, Bundesministerium filr auswärtige AngelegenheitenlVölkerrechtsbÜfo, filr die umsichtige Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrages. 1 Vgl. z.B. K. Zemanek, Die Bedeutung der KodifIzierung des Völkerrechts filr seine Anwendung, in: R. MarciclH. MoslerlE. Suy/K. Zemanek (Hrsg.), Festschrift fiir A. Verdross zum 80. Geburtstag (1971), S. 565 ff; ders., Schuld- und Erfolgshaftung im Entwurf der Völkerrechtskommission über Staatenverantwortlichkeit, in: E. Diez/J. P. MüllerlH. Reimann/L. Wildhaber (Hrsg.) Festschrift filr R. Bindschedler (1980), S. 315 ff.
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"fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts und seiner Kodifikation"2 hat mich dazu veranlaßt, einen Ausblick auf das künftige Arbeitsprogramm der ILC zu geben. Im einzelnen möchte ich mich mit der Reihe neuer Themen eingehender auseinandersetzen, welche die ILC fiir ihr langfristiges Arbeitsprogramm in Betracht gezogen hat, und von denen schließlich zwei Problemkreise ausgewählt wurden, nämlich "das Recht und die Praxis in bezug auf Vorbehalte bei Verträgen" sowie "die Staatensukzession und ihre Auswirkung auf die Staatsangehörigkeit natürlicher und juristischer Personen"3.
B. Würdigung der bisherigen Arbeit der ILC Der zuletzt 1988 veröffentlichte Tätigkeitsbericht der ILC 4 sowie die jährlichen Tagungsberichte zeigen eine eindrucksvolle Bilanz der Tätigkeit der ILC. Im Verlaufe ihrer bisher 45 Tagungen ist es der ILC gelungen, abschließende Berichte zu nicht weniger als 21 Themen vorzulegen, von denen 11 die Grundlage fiir den Abschluß multilateraler Abkommen bildeten, die heute einen wesentlichen Bestandteil des gesatzten Völkerrechts darstellen. Mit dieser historischen Leistung hat die ILC die in sie gesetzten Erwartungen der Staatengemeinschaft ganz ohne Zweifel in hohem Maße erfüllt. Ihr kommt eine zentrale Rolle bei der Kodifikation und Weiterentwicklung des Völkerrechts zu. Es darf in diesem Zusammenhang Erwähnung finden, daß die österreichi~ sehe Bundeshauptstadt als Ort der wichtigsten Kodifikationskonferenzen unter der Ägide der Vereinten Nationen, die zur Finalisierung von insgesamt sieben "Wiener Übereinkommen" geführt haben, mit dem Werk der ILC aufs engste verbunden istS • Gemäß Art. 13 SVN soll die Generalversammlung (GY) u.a. Untersuchungen veranlassen und Empfehlungen abgeben, um "die fortschreitende Entwick2 Vgl. K. Zemanek, Codification of International Law: Salvation or dead end?, in: International law at the time of its Codification, Essays in Honor of R. Ago (1987), S. 81 ff. 3 Vgl. Report ofthe ILC on the work of its 45th session (1993), GAOR 48th Session, Supplement no. 10 (A/48/19), para. 425 ff. 4 United Nations (Hrsg.), The work ofthe ILC (4. Aufl. 1988). .. S Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen 1961, Wiener Ubereinkommen über konsularische Beziehungen 1963, Wiener Vertragsrechtskonvention 1969, Wiener Übereinkommen über die Vertretung von Staaten in ihren Beziehungen mit Internationalen Organisationen universellen Charakters 1975, Wiener ütx:reinkommen über die Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge 1978, Wiener Übereinkommen über die Staatennachfolge in Staatsvermögen, -archive und -schulden 1983, Wiener Übereinkommen über das Vertragsrecht der Internationalen Organisationen 1986.
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lung des Völkerrechts sowie seine Kodifizierung zu begünstigen"6. Zur Erfüllung dieser Aufgabe setzte die GV auf Vorschlag des Ausschusses rur die fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts und seine Kodifizierung mit Res. 174 (11) vom 21. November 1947 die Völkerrechtskommission ein. Gemäß Kapitel 11 ILC-Statut besteht die Aufgabe der ILC in der fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts und in der Kodifikation des Völkerrechts. Nach Art. 15 ILC-Statut bedeutet ersteres "the preparation of draft conventions on subjects which have not yet been regulated by internationallaw or in regard to which the law has not yet been sufficiently developed in the practice of states"; letzteres umfaßt dagegen "the more precise formulation and systematization of rules of international law in fields where there already has been extensive state practice, precedent and doctrine". Der Festschreibung bestehenden Völkerrechts durch Kodifikation (de lege lata) wird somit dessen Weiterentwicklung (de lege ferenda) gegenübergestellt. Die Problematik der Unterscheidung dieser Begriffe und Aufgaben war bereits dem oben zitierten Ausschuß bewußt. In seinem Bericht an die GV fuhrt er dazu u.a. aus: "Der Ausschuß gelangte zu der Erkenntnis, daß bei der Kodifizierung von internationalem Recht keine klare Unterscheidung gemacht und in der Praxis durchgehalten werden kann zwischen der Formulierung von bestehendem Recht und von Recht, wie es sein sollte. Es wurde festgestellt, daß bei jeder Kodifizierung der Kodifizierende unweigerlich Lücken ausfiillen und das Recht im Hinblick auf neue Entwicklungen ergänzen muß "1. In der Praxis hat sich erwiesen, daß sich die Konzepte der Kodifikation und der fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts nicht streng unterscheiden lassen. In aller Regel strebte die ILC die Ausarbeitung von Konventionsentwürfen an, die nicht allein das geltende Völkergewohnheitsrecht festschrieben, sondern auch bisher völkerrechtlich noch nicht oder nur unvollständig erfaßte Materien einschlossen. Die ILC hat auf ihrer ersten Tagung 1949 auf der Grundlage eines Memorandums des Sekretariats mit dem Titel "Überblick über das Völkerrecht in bezug auf die Kodifikationsarbeit der ILC" 25 Themen im Hinblick auf ihre mögliche Aufnahme in eine Liste von Studiengegenständen geprüft. Schließlich nahm die Kommission 14 Themen in eine provisorische Liste fiir die weitere Kodifikationsarbeit der ILC auf, die ihr langfristiges Arbeitsprogramm darstellen' .
6 Vgl. dazu allgemein Fleischhauer, Art. 13, in: B. Simma (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen: Kommentar (1991), S. 224. 1 Bericht des Ausschusses filr die fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts und seine Kodifizierung, zitiert von Fleischhauer, ebd., Rz. 12. 8 Vgl. die Themenübersicht in: United Nations, (FN. 4).
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Von Anbeginn an war klargestellt, daß diese Liste weder abschließend noch zwingend war. Die Aufnahme weiterer Sachthemen in das Arbeitsprogramm der ILC erfolgte vor allem aufgrund von Zuweisungen durch die GV - vielfach basierend auf einem Vorschlag der ILC selbst9 • Das Verhältnis zwischen ILC und dem Rechtssausschuß der GV bei der Themenauswahl und Setzung von Prioritäten wird verschiedentlich als ein Verhältnis der "produktiven Kooperation" beschrieben10 . Denn die schwierige Aufgabe der Themenauswahl, die schlußendlich von den Staaten getroffen werden müsse, sei eine politische Aufgabe. Insbesondere in Themenbereichen, die noch nicht ausreichend durch Staatenpraxis abgesichert sind (also im Bereich der "fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts") bedürfe die ILC rechtspolitischer Vorgaben durch den Rechtsausschuß der Gy. Ansonsten bestehe die Gefahr, daß das Ergebnis der ILC zu einem Thema nicht den Rechtsansichten und Wünschen der Mitgliedstaaten entspreche und folglich von diesen nicht aufgegriffen werde11 • Die ILC hat ihr Arbeitsprogramm wiederholt einer allgemeinen Überprüfung unterzogen, um es den Empfehlungen der GV und den Interessen der Staatengemeinschaft anzupassen bzw. gewisse Themen auszuscheiden. Eine erste Überprüfung fand auf Empfehlung der GV im Jahre 1962 statt. Eine weitere Überprüfung wurde von der ILC im Jahre 1973 auf der Grundlage einer Sekretariatsstudie "Survey of International Law"12 durchgeführt. Die bisher letzte Überprüfung des Arbeitsprogramms mit Vorschlägen für die Aufnahme von zwei neuen Sachthemen ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Die ILC ist in erster Linie ein Instrument der Staatengemeinschaft zur Erarbeitung völkerrechtlich verbindlicher Normen. Das Ziel der ILC ist in der Regel, die Arbeit an einem Sachthema mit der Empfehlung an die GV abzuschließen, daß hiezu eine multilaterale Konvention verabschiedet werden soll13. Durch die Annahme eines Konventionsentwurfes in der Regel auf einer internationalen Staatenkonferenz und die Ratifikation durch die Staaten wird neues Völkervertragsrecht in Geltung gesetzt. Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob der von der ILC erarbeitete Entwurf Normen des Völkergewohnheitsrechts oder Bestimmungen umfaßt, für die sich noch keine für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht ausreichende Staatenpraxis nachweisen läßt. Ziel der Kodifikation ist eine Erhöhung der Rechtssicher9
Vgl. die Übersicht in: United Nations, (FN. 4).
10 Vgl. B. Graefrath, The International Law Commission Tomorrow: hnproving its
organization and methods ofwork, AJIL 85 (1991), S. 595 fIeS. 602). 11 Vgl. BaradeilFranckITrachtenberg, The International Law Commission: The Need for a NewDirection (1981), para. 23. 12 UN Doc. AlCN.4/245 vom 23. April 1991. 13 Vgl. Art. 23 ILC Statut.
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heit in einem bestimmten Rechtsbereich sowie eine Reform und Anpassung des Völkerrechts an neue soziale, politische bzw. wirtschaftliche Lagen l4 • In der Praxis der ILC hat sich eine Verlagerung von der Kodiftkation zur "fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts" vollzogen1s . Der Aspekt der Weiterentwicklung und somit Änderung des Völkerrechts trat immer stärker in den Vordergrund. Die Kodiftkation einer Rechtsmaterie sollte zunehmend nicht nur einen Austausch der Geltungsgrundlage für inhaltlich gleichbleibende völkerrechtliche Regeln, sondern eine inhaltliche Änderung bewirkenl6 • Die ILC war bestrebt, aktuelle Entwicklungen in den internationalen Beziehungen verstärkt zu berücksichtigen. Dabei stand dem traditionellen westlichen Völkerrechtskonzept die Völkerrechtsauffassung der "sozialistischen" Staaten gegenüber. Die bestehende Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft wurde darüber hinaus von den im Rahmen der Dekolonisierung entstandenen Staaten der Dritten Welt in Frage gestelltl1 • Im Sinne einer "fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts" wurde im Rahmen der ILC versucht, durch Rechtsschaffung über geltendes Völkerrecht hinaus die Rechtsauffassungen und Interessen dieser "newly independent states"18 zu berücksichtigen. Die ILC sah sich somit der Schwierigkeit eines schwindenden Konsensus der Staatengemeinschaft über das bestehende Völkerrecht und über die Frage, in welche Richtung die Rechtsordnung weiterentwickelt werden sollte, ausgesetzt. Kodiftkationsbemühungen der ILC werden daher nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn alle divergierenden Interessen der verschiedenen Staatengruppen in einem ausbalancierten Entwurf berücksichtigt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, daß die Ausarbeitung eines Konventionsentwurfes bereits in der ILC selbst scheitert oder die GV sich nicht auf die Einberufung einer Kondiftkationskonferenz einigen kann l9 • In einigen Fällen, in denen sich eine Staatenmehrheit im Rahmen der VN über die Interessen einer anderen Staatengruppe hinwegsetzte, hat letztere in der Regel zwar die formelle Annahme einer Konvention nicht verhindert; deren Ratiftkation wurde jedoch in der
14 Vgl. K. Zemanek, Codification of International Law: Salvation or dead end ?, in: International Law at the time of its Codification, Essays in Honor of R. Ago (1987), S.583. IS Vgl. B. Graefrath, (FN. 10), S. 600. 16 Vgl. G. Hafner, Bemerkungen ~ Überprüfung des Gestaltungsprozesses internationaler multilateraler Abkommen, ÖZöRV 32 (1982), S. 241 ff(S. 249). 17 Vgl. K. Ginther, Die Einwirkung der Dekolonisierung auf das Völkerrecht, SchwJIR 38 (1992), S. 9 ff. 18 Vgl. die Begriffsbestimmungen in Art. 2 der Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge. 19 Vgl. z.B. das Schicksal des von der ILC ausgearbeiteten Entwurfes betreffend den Status des diplomatischen Kuriers und des diplomatischen Kuriergepäcks, der bisher von der GV nicht aufgegriffen wurde.
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Folge von diesen Staaten mehr oder minder geschlossen boykottierf2°. Damit wird das eigentliche Ziel der Kodifikation verfehlt, da eine erhöhte Rechtssicherheit und "fortschreitende Entwicklung" nur dann eintreten kann, wenn sie von allen maßgeblichen Staatengruppen mitgetragen wird21 .
C. Das gegenwärtige Arbeitsprogramm der ILC Das gegenwärtige Arbeitsprogramm der ll-C umfaßt vier Sachthemen, die sich jeweils in einem verschiedenen Reifestadium befinden22 : a) Kodex über Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit einschließlich der Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs, b) Staatenverantwortlichkeit, c) Haftung für schädliche Folgen aus völkerrechtlich nicht verbotenen Handlungen, d) das Recht der nicht-schiffahrtsmäßigen Nutzungen internationaler Wasserläufe. Die ersten beiden Sachthemen waren bereits im ersten Arbeitsprogramm aus 1949 enthalten. Die Behandlung der vier Sachthemen ist dabei so angelegt, daß ihre juristische Aufarbeitung grundsätzlich in die Schaffung neuer Völkerrechtsinstrumente münden so1l23. Die ll-C hat sich auf ihrer 45. Tagung darauf geeinigt, die vier Sachthemen mit abgestufter Priorität weiterzubehandeln24 . Diesem Arbeitsvorschlag der ll-C stimmte die GV auf ihrer 48. Session ZU2' •
Die GV ersuchte die ll-C in Res. 48/31 insbesondere, ihre Arbeit am Entwurf eines Statuts für einen Internationalen Strafgerichtshof mit besonderer Dringlichkeit fortzusetzen und diesen wenn möglich bei ihrer 46. Tagung 1994 fertigzustellen26 . Es wurde mit Befriedigung registriert, daß es der ll-C innerhalb kürzester Zeit gelungen war, einen vollständigen Text eines solchen Statutenentwurfs zu erstellen. Den politischen Willen der Staaten vorausgesetzt, sollte es möglich sein, daß der Entwurf der 49. GV bereits in einer end20 Vgl. Z.B. das Schicksal der Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge 1978 und der Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Staatsvennögen, -archive und -schulden 1983. 21 Vgl. A. VerdrosslB. Simma, Universelles Völkerrecht (3. Aufl. 1984 ), § 594. 22 Report ofthe n..C ofits 45th session, (FN. 3), para. 424. 23 Vgl. ausfilhrlich United Nations, (FN. 4). 24 Vgl. Report ofthe n..C ofits 45th session, (FN. 3), para. 424. 2' Vgl. GVRes. 48/31 vom 9. Dezember 1993. 26 Vgl. den Text des Entwurfes im Annex zum Report ofthe n..C ofits 45th session.
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gültigen Fassung vorgelegt werden kann. Um die Arbeit der ILC zu erleichtern, wurden die Staaten eingeladen, schriftliche Kommentare zum Statutenentwurf abzugeben. Daß die Arbeit arn Entwurf eines Statuts eines Internationalen Strafgerichtshofs nunmehr zügig voranschreitet, läßt sich nicht mit der Behandlung des Kodifikationsvorhabens fiir einen Kodex betreffend Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit erklären. Die Beschleunigung der Arbeit arn Statutenentwurf wurde vielmehr in Anbetracht der schwerwiegenden Verstöße gegen das humanitäre Recht in aktuellen bewaffneten Konflikten durch die allgemeine Einsicht bewirkt, daß ein dringender Handlungsbedarf zur Beseitigung eines gravierenden völkerrechtlichen Defizits vorlag. Dieses besteht darin, daß Einzelpersonen, selbst wenn sie die schwersten Delikte in Verletzung der elementaren Regeln des humanitären Rechts und der Menschlichkeit begangen haben, international nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Die Behandlung des Statutenentwurfs fiir einen Internationalen Strafgerichtshofbietet in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel dafiir, wie ein ins Stokken geratenes Projekt mit einern Mal durch Anstöße der internationalen Politik wieder in Bewegung geraten kann. Es ist auch damit zu rechnen, daß das durch Beschluß des Sicherheitsrates27 geschaffene internationale Tribunal zur Verfolgung von Personen, die fiir schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich sind, welche seit 1991 im Hoheitsgebiet des ehemaligen Jugoslawien begangen wurden, die Arbeiten der ILC zu dieser Rechtsrnaterie befruchten wird. Umgekehrt kann aber auch ein Einfluß der bereits erfolgten Arbeiten der ILC auf dieses Tribunal konstatiert werden. Für den Entwurf eines Kodex betreffend Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit sieht das Arbeitsprograrnrn vor, daß die ILC bestrebt sein wird, den Text 1996 in zweiter Lesung abschließend zu behandeln. Die ILC nimmt weiters in Aussicht, den Kodifikationsentwurf über die Staatenverantwortlichkeit 1996 in erster Lesung abzuschließen28 • Zurecht wird die Vorbereitung einer Konvention über die Staatenverantwortlichkeit als das wichtigste noch ausstehende Vorhaben der ILC fiir diese Dekade bezeichnet. Die juristische Aufbereitung dieser Materie, mit der sich Zemanek in seinem wissenschaftlichen Werk eingehend auseinandergesetzt hae9 , schreitet relativ zügig voran. Bei ihrer 45. Tagung konnte die ILC in erster Lesung Forrnulie27 28
SR-Res 827 vom 25. Mai 1993. Report ofthe ILC on the work of its 45th session, (FN. 3), para. 424 sowie para.
193 tT. 29 Vgl. K. Zemanek, Responsibility of States, General Principles, EPIL 10 (1987), S. 362 f.; ders., Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit und die Sanktionen des Völkerrechts, in: H. NeuholdlW. Hummer/eh. Schreuer (Hrsg.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts (2. Autl 1991), S. 410 ff.
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rungen für mehrere komplexe Bestimmungen betreffend Rechtsbehelfe und Gegenmaßnahmen im zweiten Teil des Textentwurfs annehrnen30 , und es besteht Anlaß zur Hoffnung, daß der vorgesehene Zeitrahmen für die Weiterbehandlung des Projekts eingehalten wird. Zu dem noch offenen Projekt betreffend die internationale Haftung für schädliche Folgen aus völkerrechtlich nicht verbotenen Handlungen hat sich die Kommission vorgenommen, noch im Laufe ihres verbleibenden Mandates wesentliche Fortschritte zu erzielen31 . Die Aussichten hiefür scheinen allerdings nicht günstig; es ist nämlich bisher noch nicht gelungen, ein juristisches Konzept zu entwickeln, welches es grundsätzlich rechtfertigen würde, den Fragenkreis von der Staatenverantwortlichkeit zu lösen und einer eigenständigen völkerrechtlichen Regelung zuzuführen. Zum vierten derzeit von der n..C behandelten Thema, dem Recht der nicht schiffahrtsmäßigen Nutzungen internationaler Wasserläufe, lag der 45. Tagung der n..C der erste Bericht des Rapporteurs vof 2 • Darin regt er unter anderem neue Formulierungen zu Texten an, die von der n..C in erster Lesung auf der 43. Tagung bereits angenommen worden waren. Der Redaktionsausschuß befaßte sich neuerlich damit und einigte sich mit einer Ausnahme auf den gesamten Entwurf von Artikeln. Der Arbeitsplan der Kommission nimmt den Abschluß der zweiten Lesung des Textentwurfs für 1994 in Aussicht33 . Zur grundsätzlichen Frage des Berichterstatters, ob das Projekt in ein rechtsverbindliches Instrument (Rahrnenkonvention) oder in Modellregeln münden so1l34 gab eine Mehrzahl von Staatenvertretern im Rechtsausschuß der 48. GV dem Abschluß einer Rahrnenkonvention den Vorzug. Somit wurde erneut ein Hinweis gegeben, daß alle laufenden Arbeitsvorhaben der n..C zu neuen Normen des Vertragsrechts in Form multilateraler Völkerrechtsinstrurnente führen sollen.
D. Das langfristige Arbeitsprogramm der ILC Auf der 44. Tagung der n..C im Jahre 1992, wurde eine "Working Group on the long-term programme of work" mit dem Auftrag eingesetzt, Themen für die Arbeit der n..C in einer längerfristigen Perspektive und somit für die Auf30 Art. 1 Abs. 2, Art. 6, Art. 6 bis, Art.7, Art. 8, Art. 10, Art. 10 bis; vgl. Report of the ILC on the work ofits 45th session, (FN. 3), para. 334 f1 31 Siehe ebd., para. 424 sowie para. 101 ff. 32 Siehe ebd., para. 341 ff. 33 Ebd., para. 424. 34 Vgl. ebd., para. 344 ff.
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nahme in das Arbeitsprogramm der Kommission vorzuschlagen35 • Die Arbeitsgruppe nahm ihre Tätigkeit unter dem Vorsitz des britischen n..CMitglieds Bowett auf und erteilte einzelnen Mitgliedern jeweils den Auftrag, die in der ersten Auswahl festgehaltenen Themen schriftlich vorzustellen. Die synoptische Einführung der Themen wurde jeweils vom Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Bowett und vom französischen n..C-Mitglied Pellet mit einem kurzen schriftlichen Kommentar versehen36 . Auf der Grundlage der in der Folge unterbreiteten Kurzdarstellungen ("outlines and explanatory summaries") sowie der diesbezüglichen Stellungnahmen ("commentaries") erstattete die Arbeitsgruppe sodann der 45. Tagung der n..C ihren eingangs erwähnten Vorschlag für die Aufnahme von zwei neuen Sachthemen in das Arbeitsprogramm der Kommission. Als Auswahlkriterien wurden dabei von der n..c selbst folgende Gesichtspunkte festgelegt: Das Thema sollte von der internationalen Gemeinschaft als dringlich angesehen werden; das internationale Klima sollte für dessen Behandlung durch die n..C günstig sein; das Thema müsse in die Zuständigkeit der n..C fallen und schließlich sollte gewährleistet sein, daß die Kommission das Thema innerhalb einer vernünftigen Zeit zum Abschluß bringen kann37 • Wie identifizierte die Arbeitsgruppe die für eine künftige Behandlung durch die n..C vorgesehenen Problemkreise? Um darüber ein Gesamtbild vermitteln zu können, scheint es angezeigt, die Vorschläge, wie sie schriftlich unterbreitet wurden, im einzelnen darzustellen. Derek W. Bowett unterbreitete als seinen Vorschlag das Thema "Eigentum und Schutz von SchifJswracks außerhalb der Grenzen der nationalen Hoheitsgewalt auf der See". Daß es gerade ein Angehöriger einer der großen seefahrenden Nationen war, der diesen juristisch reizvollen und bisher von wenig klaren Rechtsregeln geordneten Gegenstand38 vorschlug, erstaunt ebenso wenig wie die Empfehlung der Arbeitsgruppe, das Thema nicht in die nähere Auswahl zu ziehen. Bowett zeigt in seiner gründlichen Synopsis zweifellos eindrucksvoll das völkerrechtliche Manko auf, das auf diesem Gebiet im besonderen die Lösung eigentumsrechtlicher Fragen und die Aspekte des Kulturgüterschutzes erschwert. Der Berichterstatter schließt sich der skeptischen Einschätzung der Mehrheit der n..C-Mitglieder selbst an, die kein allgemeines Interesse an der Behandlung der völkerrechtlichen Implikationen gesunkener 35 Vgl. Report of the ILC on the work of its 44th session (1992), GAOR 47th Session, Supplement no. 10 (A/47/1O), para. 369 f. 36 UNDoc. ILCIWGILTPW/9311 vom 3. Mai 1993 undILCIWGILTPW/9311/Add.1 vom 14. Mai 1993; die Ausftihrungen zu den einzelnen Themen sind in der Zwischenzeit als Doc. A/CN.4/454 erschienen 37 Report ofthe ILC on the work ofits 45th session, (FN. 3), para. 429. 38 Selbst das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 1982 nimmt darauf nur indirekt bezug, so etwa durch seine Art. 149 und 303 betreffend archäologische und historische Gegenstände.
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Schiffe im Rahmen des künftigen Arbeitsprogrammes erkennen wollte39 • Im Hinblick auf die angeführten Kriterien der ILC kann dieser Ansicht sicherlich gefolgt werden. Die Staatengemeinschaft sieht die Erstellung eines rechtlichen Regimes fur Eigentumsfragen und Probleme des Kulturgüterschutzes bei Schiffswracks gegenwärtig nicht als besonders dringlich an. Das zweite Thema auf der Liste der Arbeitsgruppe stammt vom tunesischen ILC-Mitglied Mohamed Bennouna. Es betrifft "die rechtlichen Bedingungen von Kapitalinvestitionen und diesbezügliche Vereinbarungen". In seiner Präsentation unterstreicht Bennouna besonders den Nord-Süd Kontext der Thematik, die er anband einer Übersicht über geltende Regelungen fur ausländische Kapitalinvestitionen aufbereitet. Er führt dazu Beispiele aus nationalen Rechtsordnungen, internationalen Gerichtsentscheidungen, bilateralen Investitionsschutzabkommen, multilateralen Abkommen und Völkergewohnheitsrecht an. Aus seiner Darstellung zieht Bennouna den Schluß, daß es bisher weder möglich war, ein multilaterales Regime fur den Schutz von Investitionen noch einen Verhaltenskodex fur transnationale Unternehmungen zu erstellen. Aus der Fülle der internationalen Rechtsprechung in Fällen von Streitigkeiten aus Kapitalinvestitionen glaubt er aber, die zentralen Themen zu erkennen, die allesamt auf die Entwicklung von neuen Normen allgemeinen Völkerrechts hinweisen würden. Die Ausbreitung der Marktwirtschaft und des wirtschaftlichen Liberalismus sind nach Ansicht von Bennouna zusätzliche Argumente, die fur die Fixierung der völkerrechtlichen Grundsätze sprechen, welche fur den Investitionsschutz gelten sollen40 • Bennouna spricht sich daher fur deren Kodifikation in Form eines multilateralen Abkommens aus. In seiner Ablehnung des Themenvorschlags Bennounas läßt es Alain Pellet nicht an Deutlichkeit mangeln41 • Als Haupteinwände gegen eine Behandlung des Themas durch die ILC führt Pellet in seinem Kommentar an, daß die Frage politisch zu kontroversiell sei, der Vorschlag ausschließlich das Nord-SüdVerhältnis der Thematik betreffe, und daß die ILC mangels Expertise auf dem Investitionsschutzsektor nicht das richtige Forum fur die Fragestellung sei. Unter Hinweis auf die Probleme im Zusammenhang mit der von der GV 1962 angenommenen Erklärung über die permanente Souveränität über die natürlichen Rohstoffe42 sowie der 1974 angenommenen Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten43 rät Pellet davon ab, Rechtsfragen des interVgl. UN Doc. ILCIWGILTPW/9311, S. 1 fI. Vgl. ebd., S. 7 fI. 41 Vgl. ebd., S. 12 f. 42 Vgl. GV-Res. 1803 (XVII), vom 14. Dezember. 1962. 43 Vg1. GV-Res. 3281 (XXIX) vom 12. Dezember 1974. Umstritten ist dabei insbesondere Art. 2 der Charta, der eine Verstaatlichung ausländischen Vermögens lediglich unter Berücksichtigung der einschlägigen nationalen Rechts- und sonstigen Vorschriften vorsieht. Vgl. dazu auch l. Seidl-Hohenveldem, Modernes Völkerrecht und der 39
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nationalen Investitionsschutzes im Rahmen der ILC weiter zu verfolgen. Er beschwört die Gefahr der Politisierung, der sich die ILC im Falle einer Befassung mit diesem Thema aussetzen würde und die sie von ihrer Aufgabe als "objektiver und unparteiischer Beobachter rechtlicher Phänomene" abbringen würde. Bowett äußert sich in seinem Kurzkommentar höflich, aber ebenfalls skeptisch zu den Erfolgsaussichten des von Bennouna vorgestellten Themas4"' . Die Argumente, die gegen die Erstellung einer multilateralen völkerrechtlichen Regelung des Kapitalschutzes bei Auslandsinvestitionen eingewendet werden, sind nicht von der Hand zu \\dsen. Es ist sicherlich unbestritten, daß sich das politische und ideologische Klima seit den frühen siebziger Jahren grundlegend gewandelt hat. Eine Änderung der grundlegenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Veränderungen der wirtschaftlichen Interessenlagen4' haben die Fronten der Auseinandersetzung zunehmend aufgelöst. Es besteht heute ziemliche Übereinstimmung über das Scheitern des Konzepts einer "Neuen internationalen Wirtschaftsordnung" (NIWO). An die Stelle völkerrechtspolitischer Postulate wie der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten sind bilaterale Abkommen insbesondere zum Investitionsschutz getreten. Es scheint daher weder ein besonderes Interesse der Staatengemeinschaft an diesem Thema noch ein günstiges Klima fiir rasche Fortschritte gegeben zu sein. Ein Teilaspekt der Fragestellung wäre hingegen überlegenswert: Obwohl die Regelungsdichte bilateraler Investitionsschutzabkommen zunimmt, erscheinen die Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten in diesem Rechtsbereich immer noch unbefriedigend. Die ILC könnte daher die Verbesserung der Streitbeilegungsmechanismen fiir ihre künftige Arbeit in Betracht ziehen. Das dritte Thema, welches schließlich von der ILC fiir ihr langfristiges Arbeitsprogramm aufgegriffen wurde, beruht auf einem Vorschlag des tschechischen ILC-Mitglieds Vaclav Mikulka, der kurz vor der Teilung seines Landes noch als Staatsangehöriger der Tschechoslowakei in die Kommission aufgenommen wurde. Mikulka, mittlerweile Bürger der Tschechischen Republik, wußte daher, wovon er sprach, als er in der ILC die "Staatensukzession und ihre Auswirkung auf die Staatsangehörigkeit natarlicher und juristischer Personen" thematisierte46 • Das Problem hatte die ILC bei ihrer 20. Tagung (1968) bereits einmal am Rande, und zwar als Teil des Gesamtkomplexes der Staatennachfolge beschäftigt, es wurde jedoch später bei der Eingrenzung des Schutz ausländischen Eigentums, in: Ius Humanitatis, Festschrift für A. Verdross (1980), S. 653 ff. 44 UN Doc. ILC/WGILTPW/93/lIAdd. 1, S. l. 4' So gibt es z.B. in einigen der seinerzeitigen Hauptbetreiberstaaten der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten mittlerweile zahlreiche Unternehmen, die umfangreiche Auslandsinvestitionen tätigen. 46 UNDoc. ILC/WGILTPW/9311, S. 14 ff.
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Themas fallengelassen. Aufgrund der rezenten Fälle der Staatensukzession in Europa gewann die Frage der Staatsangehörigkeit plötzlich eine sehr praktische und politische Aktualität. Es ist Mikulkas Verdienst, die Dringlichkeit der Feststellung völkerrechtlicher Regeln in diesem Bereich so überzeugend dargelegt zu haben, daß die Materie in das Arbeitsprogramm der ILC aufgenommen wurde. In seinem Abriß konnte er wohldokumentiert die herrschende Auffassung belegen, derzufolge die Staatennachfolge nicht automatisch eine Änderung der Staatsangehörigkeit natürlicher oder juristischer Personen bewirkt, sondern daß es vielmehr dem Sukzessorstaat innerhalb bestimmter im allgemeinen Völkerrecht festgelegter Grenzen zusteht, selbst zu bestimmen, wen er als seinen Angehörigen ansieht. Sehr häufig wurden in völkerrechtlichen Verträgen (z.B. in Friedensverträgen) bei Gebietsübergängen die damit zusammenhängenden Staatsangehörigkeitsfragen in der Weise geregelt, daß der Wohnsitz oder der ständige Aufenthalt als entscheidendes Kriterium fiir den ipso facta Erwerb der Staatsangehörigkeit bestimmt wurde. Daneben sahen eine Reihe von Verträgen bei der Staatsbürgerschaft auch das Recht der Option vor. In den jüngsten Fällen der Staatennachfolge in Ost- und Südosteuropa, so zeigte Mikulka auf, haben sich hinsichtlich der Staatsangehörigkeit neue rechtliche Schwierigkeiten ergeben, die dringend einer völkerrechtlichen Klärung bedürfen. Als Beispiele führte er die Weigerung der baltischen Staaten an, der während der Sowjetherrschaft eingewanderten russischen Bevölkerung die Staatsangehörigkeit zu verleihen, oder die Situation im früheren Jugoslawien, wo eine ethnisch gemischte Bevölkerung lebt und ein bewaffneter Konflikt zu ethnischen Säuberungen geführt hat. Mikulka regte an, daß die ILC die einschlägige Staatenpraxis umfassend erheben sollte, um festzustellen, ob sich einheitliche Prinzipien für die Staatsangehörigkeit in Fällen der Staatensukzession ableiten lassen. Als Ergebnis der Arbeit der ILC zu diesem Thema sollte ein Bericht oder ein Deklarationsentwurf angestrebt werden, der von der GV angenommen werden könnte. Mikulka riet von der Ausarbeitung einer Konvention ab und verwies auf die negativen Beispiele der beiden von der ILC vorbereiteten Konventionen über Teilaspekte der Staatennachfolge47 • Eine von der GV zu beschließende Deklaration könnte dem Vorschlag Mikulkas folgend den internationalen Mindeststandard für den Ex-lege-Erwerb der Staatsangehörigkeit festlegen. Dieser könnte von den Staaten bei der Erlassung nationaler Gesetze als nützliche Orientierung herangezogen werden.
47 Vgl. die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge, vom 23. August 1978 und die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Staatsvermögen, -archive und -schulden vom 8. April 1983. Zu ersterem vgl. ausftlhrlich K. Zemanek, Die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge, in: Ius Humanitatis, Festschrift filr A. Verdross (1980), S. 719 fI
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Bowett und Pellet äußerten sich positiv zum Vorschlag Mikulkas und empfahlen dessen Aufnahme in das langfristige Arbeitsprogramm der ILeB • Erwähnenswert erscheint die Auffassung Pellets und Mikulkas, wonach sich die Staatennachfolge überhaupt nicht für eine vertragsrechtliche Regelung eigne, weil der Sukzessorstaat theoretisch nicht durch Abkommen gebunden sei, die der Gebietsvorgänger abgeschlossen hat, bzw. denen dieser beigetreten isr9 . Würde man dieser Ansicht ohne Differenzierung zustimmen, müßte sich die ILC wohl die Frage gefallen lassen, ob sie sich mit der Ausarbeitung der beiden Konventionen über gewisse Aspekte der Staatennachfolge nicht eigentlich auf einem Irrweg befunden hat. Bei aller Berechtigung der Kritik an den bisherigen Kodiftkationsbemühungen der ILC im Bereich der Staatennachfolge scheint diese Ansicht doch über das Ziel zu schießen, da es gerade eine der Aufgaben der ILC ist, bestehendes Völkergewohnheitsrecht zu kodiftzieren. Damit soll insbesondere ein Beitrag zur Rechtssicherheit und zur Identiftzierung des Gehalts bestehenden Völkergewohnheitsrechts geleistet werden - das auch dann anwendbar ist, wenn eine Vertragspartei von Verträgen über Staatennachfolge untergeht. Probleme bereiten eben gerade jene Bestimmungen der Konvention über die Staatennachfolge in Verträge 1978, deren Gehalt völkergewohnheitsrechtlich nicht abgesichert erscheint. Auch ohne formelles Inkrafttreten stellen die beiden Konventionen jedoch einen wichtigen Bezugspunkt in den gegenwärtigen Diskussionen über diesen Rechtsbereich dar. Weniger Erfolg war dem zweiten von Mikulka vorgeschlagenen Thema beschieden, nämlich der Frage der "Staatensukzession in bezug auf die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen 1/50. Mikulka zeigte die verschiedenen Teilaspekte der Fragestellung auf und regte an, daß die ILC hiezu die Praxis der internationalen Organisationen mit dem Ziel erheben sollte, in einem Bericht rechtliche Lösungen für die hauptsächlichen Problemkategorien anzubieten; dies würde dazu beitragen, die Praxis der internationalen Organisationen zu vereinheitlichen. Die Arbeitsgruppe vermochte diesen Anregungen nicht zu folgen. Bowett hielt eine Befassung der ILC mit dem Fragenkreis einfach mit der Begründung für nicht sinnvoll, daß Entscheidungen über die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen in Fällen der Staatennachfolge in der Regel weniger aus rechtlichen als aus politischen Überlegungen getroffen würden~l . Das fünfte Thema, das im Hinblick auf eine mögliche Bearbeitung durch die ILC von der Arbeitsgruppe erörtert wurde, betrifft das Konzept der "globalen Gemeingüter (global commons)". Christian Tomuschat legte den 48
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~o ~l
UN Doc. ILCIWGILTPW/9311, S. 26 tT. Ebd., S. 26. Ebd., S. 21tT. UN Doc. ILCIWGILTPW/9311 Add. 1, S. 2.
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Bericht dazu vor und riet selbst in seinen Konklusionen davon ab, das Thema in das langfristige Arbeitsprogramm der ILC aufzunehmen'2. Tomuschat beschreibt den Begriff "global commons" als Räume oder Gebiete, die keinem Staat gehören. Daneben versteht er darunter auch Umweltressourcen, die sich der vollständigen Aneignung durch den Menschen entziehen, wie z.B. Luft, Wasser, das Wetter oder in einem weiteren Sinne auch die Fauna und Flora der Erde. Tomuschat ging in seinem Beitrag sodann auf verschiedene rechtliche Regime (z.B. Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 1982, Weltraumvertrag 1967, Rahmenkonvention über Klimaänderungen 1992) ein, in denen das Konzept "global commons" seine Bedeutung hat. Tomuschat vertritt die Auffassung, daß das Konzept in den einzelnen Abkommen zu unterschiedlich ausgestaltet sei, als daß es in einem völkerrechtlichen Regime allgemein übernommen werden könnte. Andererseits könnte der anzustrebende Schutz der "globalen Gemeingüter" durch die Formulierung entsprechender präventiver Normen im Rahmen des von der ILC ausgearbeiteten Entwurfs über "Schädliche Folgen aus völkerrechtlich nicht verbotenen Handlungen" erreicht werden. Tomuschats Empfehlung ging dahin, dem Artikelentwurf zum letztgenannten Gegenstand in diesem Sinne eine neue Ausrichtung zu geben. Das japanische ILC-Mitglied Chusei Yamada stellte den sechsten Themenvorschlag zur Diskussion: "Rechte und Pflichten der Staaten zum Schutz der menschlichen Umwelt". Yamada zeigte die Entwicklung des internationalen Umweltrechtes auf und wies auf die neue Dimension dieses Rechtsgebiets hin, die über die traditionellen zwischenstaatlichen Beziehungen hinausgeht. Aus der Erkenntnis, daß die Sorge um die Umwelt ein gemeinsames Anliegen der Menschheit geworden ist, folgert der Berichterstatter, daß die Staaten grundsätzlich und erga omnes verpflichtet sind, die Umwelt zu schützen. Dieser Grundsatz sei bereits in einer Reihe von internationalen Umweltschutzabkommen verankert (z.B. Art. 2 Abs. 1 Wiener Konvention zum Schutz der Ozonschicht). Yamada schlug vor, eine Rahmenkonvention auszuarbeiten, welche die grundSätzlichen Rechte und Pflichten der Staaten zum Schutze der Umwelt generell verankern würde. Er ging soweit, eine detaillierte Struktur fiir eine solche Rahmenkonvention zu erstellen. Der ambitionierte Plan Yamadas wurde in der Arbeitsgruppe jedoch verworfen. Pellet hielt das Projekt fiir nicht ausgereift, auch bezweifelte er, ob die ILC das Fachwissen aufbringe, um das Thema ohne Zuziehung von UmweItexperten sinnvoll behandeln zu können. Auch kritisierte Pellet, daß der weitreichende Vorschlag Yamadas zu Doppelgleisigkeiten der ILC in anderen '2 Ebd., S. 29 ff.
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Bereichen, etwa bei der Frage der völkerrechtlichen Haftung, führen würde. Auch Bowett äußerte sich vorsichtig ZUTÜckhalten4. Er vertrat die Ansicht, daß es besser wäre, ein System etwa im Rahmen des UNEP zu entwickeln, das konkrete Umweltprobleme identifiziert und sicherstellt, daß urnweltgefahrdende Tätigkeiten nach entsprechender Begutachtung durch das UNEP aufgrund eines "international environmental impact assessment" eingestellt werden. Auch befürwortete Bowett die Ausarbeitung von Mechanismen, die gewährleisten würden, daß die Empfehlungen des UNEP nach erfolgter Begutachtung auch tatsächlich Beachtung finden. Die Genugtuung, daß sich die ILC zumindest gedanklich mit einern der zentralen Probleme der Menschheit im ausgehenden 20. Jahrhundert befaßt, mischt sich mit dem Bedauern, daß diese Ansätze in der Kommission nicht weiter führen. Andreas Jacovides, das zypriotische ILC-Mitglied, verfaßte einen Beitrag zum "ius cogens" als mögliches Thema für die Aufnahme in das Arbeitsprogramm der ILC. So wenig sich der Grundsatz zwingender Normen im Völkerrecht bestreiten läßt53 , so unbestimmt ist andererseits sein normativer Umfang sowie der genaue Modus der Entstehung dieser völkerrechtlichen Normen, die so grundlegende Bedeutung für ein zivilisiertes Zusammenleben der internationalen Gemeinschaft haben, daß Verträge nichtig sind, die zu ihnen im Widerspruch stehen. Jacovides wies in seiner Zusammenfassung auf die bekannten ungelösten Probleme hin, die einer präzisen Erfassung der zwingenden Normen des Völkerrechts in der Praxis und der Lehre noch immer entgegenstehen. Der Beitrag Jacovides' unterließ es aber, genauer anzugeben, in welche Richtung eine allfällige Befassung der ILC mit dem von ihm angeregten Thema führen sollte. Es verwundert nicht, daß Pellet im Kommentar zum Vorschlag Jacovides' gerade die Schwierigkeiten Frankreichs mit dem Konzept der zwingenden Normen im Völkerrecht anführte. Pellet sprach sich zwar nicht dagegen aus, daß sich die ILC einmal in fernerer Zukunft mit der Fragestellung befassen könnte, und schlug die Ausarbeitung einer diesbezüglichen Studie vor. Wogegen er sich jedoch dezidiert wandte, waren alle Versuche, eine umfassende Liste von zwingenden Normen des Völkerrechts zu erstellen. In diesem Zusammenhang zitierte Pellet die seiner Ansicht wenig überzeugenden Erfahrungen bei der Arbeit der ILC arn Kodexentwurf über Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit. Auch Bowett gewann in seiner Äußerung dem Vorschlag zum ius cogens wenig ab. Er bestritt, daß auf diesem Gebiet bereits eine ausreichende Staatenpraxis vorliege und meinte, die ILC könnte nur Spekulationen darüber anstellen, welche zwingenden Normen sich in der Zukunft entwickeln könnten oder sollten. Mit diesen Voten wurde der Vorschlag von Jacovides beiseite gelegt. 53
Art. 53 WVK.
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Ausgewählt wurde schließlich als zweites Thema "das Recht und die Praxis in bezug au/Vorbehalte bei Verträgen". Es war bereits bei der 46. Tagung der GV, anläßlich der Debatte über den ILC-Bericht im Rahmen der 6. Kommission, für eine Aufnahme in das langfristige Arbeitsprogramm der ILC vorgeschlagen worden. Die Arbeitsgruppe griff die Anregung auf und schloß das Vorbehaltsregime in seine bereits engere Themenliste ein. Pellet unterbreitete hiezu eine gründliche Zusammenfassung, in der er die Probleme mit den Vorbehaltsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention resümierte. Von den rechtlichen Fragen, die Pellet aufgeworfen hatte, übernahm der ILC-Bericht über die 45. Tagung ausdrücklich jene, die sich in der Praxis bei der Unterscheidung der Vorbehalte von interpretativen Erklärungen ergeben sowie die Probleme der Abgrenzung des zulässigen Anwendungsbereichs von solchen Erklärungen. Weiters hielt die Kommission die offenen Fragen bei der Beurteilung der Gültigkeit von Vorbehalten, das Regime der Einspruche gegen Vorbehalte und die Auswirkung von Vorbehalten auf das Inkrafttreten von Verträgen einer eingehenderen Behandlung wert. Darüber hinaus führte die ILC die von den Wiener Vertragsrechtskonventionen nicht erfaßten Fragen an, die sich im Zusammenhang mit Vorbehalten bei solchen Abkommen ergeben, die einen besonderen Zweck verfolgen (z.B. Gründungsverträge internationaler Organisationen, Menschenrechtsinstrumente), weiters bei Kodifikationsabkommen oder bei spezifischen vertragstechnischen Verfahren (z.B. Zusatzprotokolle, bilaterale Verfahren). Die ILC hielt beim Fragenkreis der Vorbehalte zu Verträgen sämtliche von ihr für die Aufnahme in das langfristige Arbeitsprogramm aufgestellten Kriterien für erfüllt. Sie legte dabei Wert auf die Feststellung, daß keine Notwendigkeit bestehe, das Vorbehaltsregime der Wiener Vertragsrechtskonvention (Art. 19-23) in Frage zu stellen, daß aber die betreffenden Bestimmungen im Rahmen von Zusatzprotokollen zu bestehenden Abkommen oder als praktischer Leitfaden präzisiert und entwickelt werden könnten. Die Empfehlung, daß zu diesem Thema ein Leitfaden für die Praxis ausgearbeitet wird, dürfte wohl realistischer sein als die Option, neue völkerrechtliche Instrumente zu schaffen. Der Vollständigkeit halber soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Arbeitsgruppe auf ihrer Liste zwei Themen in Reserve hielt54 , die bei der engeren Auswahl ausgeschieden wurden.
S4 Siehe ILC/WGILTPW/93/1: extraterritoriale Anwendung nationaler Rechtsordnung; das Recht betreffend internationale Grundgewässer.
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E. Schlußbetrachtungen Die Suche der ILC nach neuen Themen für ihre künftige Arbeit macht deutlich, daß, wie manche meinen, die "goldene Ära" der großen Kodifikationsvorhaben zu Ende geht. Sieht man von den noch nicht abgeschlossenen Vorhaben ab und blickt in die Zukunft, braucht es keine besonderen analytischen Fähigkeiten, um zu erkennen, daß die ILC in ihr langfristiges Arbeitsprogramm kein Projekt aufgenommen hat, das sich mit den großen Themen der vergangenen Jahrzehnte vergleichen läßt. In ihrer Orientierung verfolgt die ILC nunmehr bescheidenere Zielsetzungen, sowohl hinsichtlich der inhaltlich doch eher eingegrenzten Fragenkreise als auch der angestrebten Rechtsform. War in ihrer bisherigen Tätigkeit die Erstellung von Konventionsentwürfen über breit angelegte Themen von grundsätzlicher und universeller Bedeutung das anvisierte Ziel, so wird für die nächsten Jahre nur ein kleineres Feld zu bestellen sein. Anstalt neues Völkervertragsrecht in wichtigen Bereichen zu entwerfen, nimmt die ILC nunmehr die Ausarbeitung von juristischen Ratgebern für die Staatenpraxis zu relativ eng bestimmten Einzelfragen in Aussicht. Die Kommission ist somit an einem Wendepunkt in ihrer Geschichte angelangt. Die künftige Ausrichtung der Arbeit dürfte einem neuen Realismus entsprechen, der durchaus im Einklang mit der Erwartungshaltung der internationalen Gemeinschaft steht. Dies wurde durch die Konsensannahme des künftigen Arbeitsprogramms der ILC durch die 48. GV der VN bestätigt. Von manchen wird kritisiert, daß die ILC sich damit vor den "wirklichen Themen" wie z.B. Umwelt- und Bevölkerungsfragen oder der Migrationsproblematik verschließe und sich eher rechtstechnisch relevanten Fragestellungen hingebe55 • Es mag jeweils einleuchtende Begründungen dafür geben, daß die ILC die Herausforderung, völkerrechtlich verbindliche Regelungen zu den zentralen Fragen, welche die Menschheit im ausgehenden 20. Jahrhundert beschäftigen, nicht aufgreift. Wie oben ausgeführt wurde, entsprechen diese Themen oft nicht den von der ILC selbst aufgestellten Kriterien für eine Bearbeitung. Die meisten der vorgeschlagenen Themen sind nach den Denkkategorien der ILC zu kontroversiell, als daß sie für eine Kodifikation in Frage kämen. Sie sind, mit anderen Worten ausgedrückt, für die ILC politisch und juristisch nicht konsensfähit 6 . Eine überzeugende Erklärung liegt gewiß in der Argumentation, daß die Kodifizierung juristischer Komplexe immer dann 55 In diesem Sinne äußerten sich einige Delegierte des 4. infonnellen Treffens der Rechtsberater der Außeruninisterien am Rande der 6. Kommission der 48. GV am 25./26. Oktober 1993. 56 Vgl. G. Hafner, Bemerkungen zur Überprufung des Gestaltungsprozesses internationaler mulitlateraler Verträge, ÖZöRV 32 (1982), S. 251 f.
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besonders glücklich vonstatten ging, wenn es sich um die Festschreibung von völkerrechtlichem Sekundärrecht51 oder um solche Materien handelte, die sich speziell für einen universellen Interessenausgleich eigneten58 • Die Identifizierung derartiger Rechtsbereiche gestaltet sich heute, wie der Selektionsprozeß in der Arbeitsgruppe über das künftige ILC-Programm erwiesen hat, zunehmend schwierig. Die auf solche Weise erfolgte thematische Einengung und Zielbeschränkung wirft allerdings die Frage auf, ob die ILC nicht Gefahr läuft, a la longue ihre führende Rolle bei der Kodifikation und Fortentwicklung des Völkerrechts im universellen Rahmen der Vereinten Nationen einzubüßen. Geht man einmal davon aus, daß eine Marginalisierung der ILC in der Zukunft keine wünschenswerte Perspektive darstellt und nicht im Interesse der internationalen Gemeinschaft liegt, frägt sich, wie der befürchteten Entwicklung Einhalt geboten werden kann. In dieser Hinsicht bieten gewiß die laufenden Reformbemühungen zur Verbesserung der Effizienz der Arbeitsmethoden der ILC hilfreiche Ansätze. Worauf es aber letzlich ankommen dürfte, wenn es darum geht, der ILC neue Impulse zu verleihen, sind nicht allein Verbesserungen prozeduraler Natur in einzelnen Punkten. Will man erreichen, daß die ILC wieder vom Rande in die Mitte des Geschehens bei der Vorbereitung und Fixierung völkerrechtlicher Normen für die bedeutendsten Problemkreise der Gegenwart rückt, bedarf es grundlegenderer Weichenstellungen. Es wäre daher der Überlegung wert, die Kriterien der ILC für die Behandlung eines Themas neu zu überdenken, um es der Kommission zu ermöglichen, bereits in die Verhandlungsphase über einen Fragenkreis, der einer völkerrechtlichen Regelung zugeführt werden soll, einbezogen zu werden. Der Vorteil einer Einbindung der Kommission bereits in den Verhandlungsprozeß bestünde darin, daß die ILC nicht erst mit solchen Themen befaßt würde, die nach ihren eigenen strengen Richtlinien reif fiir die Kodifikation sind, sondern auch mit aktuellen und dringlichen Rechtsproblemen, die nach dem vorherrschenden Verständnis der ILC als politisch kontroversiell und daher als ungeeignet für eine Bearbeitung abgetan werden müssen. Es versteht sich, daß der gegenwärtige Arbeitsmodus radikal geändert werden müßte, wollte man der ILC auch beim Bemühen um einen politischen Ausgleich der Interessen eine bedeutendere Aufgabe zumessen. Gegenwärtig erfolgt die Rückkoppelung der ILC mit der Staatenwelt im wesentlichen auf zweierlei Weise: Zum einen durch das "feedback" der 6. Kommission der GV anläßlich der jährlichen Debatte des Berichts der ILC und zum anderen durch die schriftlichen Stellungnahmen der Staaten zur laufenden Arbeit. Dieser Dialog jedoch reicht nicht aus. Es wäre vielmehr nötig, eine qualitativ und quantitativ dichtere 51 58
Z.B. Recht der Verträge. Z.B. Diplomaten- Wld Konsularrecht.
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Verflechtung zwischen den Staatenvertretern als den authentischen Interpreten der internationalen Staatenpraxis und der ILC als Institution sowie ihren Mitgliedern herzustellen. So wäre es etwa vorstellbar, daß Staatenvertreter, die von der GV nach einern bestimmten Verfahren ausgewählt werden, bei den Tagungen der ILC als Beobachter anwesend sind und dort das Recht erhalten, in den Debatten Kommentare abzugeben. Unbestritten ist, daß Impulse und die rechtspolitischen Vorgaben von der GV kommen müssen. Zu welchen herausragenden Leistungen die ILC unter diesen Voraussetzungen in der Lage ist, hat sie mit der Ausarbeitung eines Statutenentwurfs für einen Internationalen Strafgerichtshof erst jüngst wieder bewiesen. Die vielfach formulierte Kritik an mangelnden Fortschritten in der Arbeit der ILC ist daher insbesondere auch an die Staatenvertreter zu richten. Eine weitere Anregung, der ILC zu neuer Vitalität zu verhelfen, könnte in der Erkenntnis liegen, daß die Kommission bei ihrer Themenauswahl künftig nicht nur die Kodifikation als das primäre Ziel verfolgen sollte. Vielleicht eröffnet die zunehmende Bedeutung der KlarsteIlung völkerrechtlicher Konzepte (Restatement of law) und die Erarbeitung von Leitfaden für die Staatenpraxis (guidelines) für die Arbeit der ILC eine so wichtige neue Funktion, daß sie die traditionelle AufgabensteIlung der Kommission sogar in einer mittelfristigen Perspektive in den Hintergrund rücken könnte. Auf längere Sicht bleibt freilich die Fortentwicklung und Festschreibung verbindlicher Völkerrechtsnormen die eigentliche Berufung der Kommission. In diesem Sinne wird dem Vorsitzenden der ILC, Julio Barboza, recht zu geben sein, der die Kodifikation als endlosen Dialog zwischen Staatenvertretern und den zur Rechtssetzung berufenen Organen ansieht. Da sich das Völkergewohnheitsrecht immer weiter entwickle, werde es auch weiterhin einen Bedarf an Kodifikation geben: "law rnaking never ends"59.
59 Statement von Botschafter Barboza auf dem 4. informellen Treffen der Rechtsberater der Außenministerien am Rande der 6. Kommission der 48. GV am 25.126. Oktober 1993. 5 Zomondc:
International Law on a Given Day By James Crawford and Thomas Viles
"Where can we live but days? Ah, solving that question Brings the priest and the doctor In their long coats Running over the fields. ,,\
A. The Problem of Time in International Law-making Internationallaw is a system, regarded as a legal system, dealing with international persons, events and transactions existing in time. Presumably therefore one starts with international law as at a given time. If one is concerned to resolve a problem arising at that time, one applies the international law of that time. The inter-temporal rule requires one to select the internationallaw of the time of the transaction in question2 . If one is concerned to resolve a problem arising after that time, one asks how it is that international law may have changed since then, and whether the change makes any difference. In either case, the starting point is clear, definite, unassailable international law at a given time3 . We would like to explore this idea, so pervasive in legal thought. To give the exploration point we will take a point in time, 29 September 1945. It was a Saturday. We want to ask what internationallaw was, or rather what it contained, on that day. To simplify the analysis, we will ignore the possibility that internationallaw rnay have changed during that day. If internationallaw exists in time, as it does, and if it changes, as it does, then it must change in time. 1 Ph. Larkin, "Days", in Collected Poems (1988), p. 67. 2 Island ofPalmas Case. A.JIL 22 (1928), p. 883; Ann Dig
4, p. 3. idea also underlies the conception of the critical date in boundary and territorial disputes, although it rarely makes a difference whether the law had changed from one day (or even one year) to the next, as distinct from between eras or broad phases in its development. 3 This
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But for it to ehange within the eonfines of a single day may seem sudden, unsettling, untrustworthy. Let us assume that international law takes no aeeount of fractions of days, or that it was in fact stable on that day. On that assumption, all we need to do is to discover its content then. It will be clear that we could not answer that question within the confines of a single article. The result would be a textbook, International Law as it was on 29 September 1945, which people could read who had a problem arising on that day. No doubt some might read it who had a problem arising on the day after, or the day after that (although they would have to ask the second question, "what has ehanged?", a question which the book would not answer). So we will not ask what all of internationallaw was on that day in Joseph Raz's terms, the content of the momentary legal system that was internationallaw on that day4. To take another simplifying step, we will limit ourselves to asking what one particular proposition of international law was on that day. The proposition we have chosen is the proposition that aState has, or does not have, a continental shelf. What did international law have to say about that proposition that day? Before discussing that question, we should point out that 29 September 1945 was the day after 28 September, the day on which President Truman of the United States issued two proclamations. One, which is well-known as the Truman Proclamation, was a Proclamation with respect to the Natural Resources of the Subsoil and Sea Bed of the Continental SheI.f . The second was a Proclamation with respect to Coastal Fisheries in Certain Areas of the High Seas6 . The Continental Shelf Proclamation recited the "long range world-wide need for new sources of petroleum and other minerals" and the need for "recognized jurisdiction over these resourees" for the purposes of their conservation and development. In a fourth and lengthy recital, it stated that .... "it is the view of the Government of the United States that the exereise of jurisdiction over the natural resourees of the subsoil and sea bed of the continental shelf is reasonable and just, since the effectiveness of measures to utilize or eonserve these resources would be eontingent upon eooperation and proteetion from the shore, since the eontinental shelf may be regarded as an extension ofthe land-mass ofthe coastal nation and thus naturallyappurtenant to it, since these resourees frequently form a seaward extension of a pool or deposit lying within the territory, and since self-protection eompels the coastal 4 See J. Raz, The Concept of a Legal System (1970), p. 34 f, p. 187 f 5For text see AJIL 40 (1946), Supp., p. 45 (hereafter "Continental She1fProclamation"). 6 For text see AJIL 40 (1946), Supp., p. 46 (hereafter "Coastal Fisheries Proclamation").
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nation to keep close watch over activities off its shores which are of the nature necessary for utilization ofthese resources. ,,7 In a single operative clause it went on to proclaim the following as the "policy of the United States with respect to the natural resources of the subsoil and sea bed of the continental shelf,8 : "Having concern for the urgency of conserving and prudently utilizing its natural resources, the Governrnent of the United States regards the natural resources of the subsoil and sea bed of the continental shelf beneath the high seas but contiguous to the coasts of the United States as appertaining to the United States, subject to its jurisdiction and control. In cases where the continental shelf extends to the shores of another State, or is shared with an adjacent State, the boundary shall be deterrnined by the United States and the State concerned in accordance with equitable principles. The character as high seas of the waters above the continental shelf and the right to their free and unimpeded navigation are in no way thus affected. " The Coastal Fisheries Proclarnation was drafted in parallel, with four recitals and a single operative statement of "the following policy of the United States with respect to coastal fisheries in certain areas of the high seas": "In view of the pressing need for conservation and protection of fishery resources, the Governrnent of the United States regards it as proper to establish conservation zones in those areas of the high seas contiguous to the coasts of the United States wherein fishing activities have been or in the future rnay be developed and rnaintained on a substantial scale. Where such activities have been or shall hereafter be developed and maintained by its nationals alone, the United States regards it as proper to establish explicitly bounded conservation zones in which fishing activities shall be subject to the regulation and control of the United States. Where such activities have been or shall hereafter be legitirnately developed and rnaintained jointly by nationals of the United States and nationals of other States, explicitly bounded conservation zones rnay be established under agreements between the United States and such other States; and all fishing activities in such zones shall be subject to regulation and control as provided in such agreements. The right of any State to establish conservation zones off its shores in accordance with the above principles is conceded, provided that corresponding recognition is given to any fishing interests of nationals of the United States which may exist in such areas. The character as high seas of the areas in which such conservation zones are established and the right to their free and unimpeded navigation are in no way thus affected."
7 AJIL 40 (1946), Supp., p. 45 f. (emphasis added). sld., p. 46 (emphasis added).
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An initial point to notice is the extent to which the Continental Shelf Proclamation articulated what came to be accepted as the rules of general or customary internationallaw on the matter. According to the Proclamation, the continental shelf was the "extension of the land-mass of the coastal nation", i.e. its natural prolongation. It existed for the purpose of conservation as weH as utilization; by clear implication, only the coastal State could authorize exploitation of sea bed resources. Entitlement to a continental shelf did not depend on actual occupation or on prescriptive use; in this sense too the doctrine had nothing in common with the acquisition of land territory. Boundaries between the continental shelves of opposite or adjacent States were to be determined by the States concerned "in accordance with equitable principles". Continental shelf rights did not afIect the status of the superjacent waters as high seas, or rights of high seas navigation or fisherr . The area of the shelf was described as "appertaining to the United States, subject to its jurisdiction and control": here is the seed of the distinction between "sovereignty" and "sovereign rights", and even of the idea of ipso jure appurtenance, ideas which were to be spelt out along with all but one of the elements listed above in the 1958 Continental ShelfConventionlO • Two related points can be made, corroborating the seminal character of the Proclamation. First, the only aspect of the Proclamation negatived by the 1958 Convention was the rule of delimitation of overlapping shelves. Article 6 of the 1958 Convention provided for the delimitation of shared continental shelf by an equidistance-plus-special circumstances rule, instead of delimitation "in accordance with equitable principles". But this was precisely the aspect of the 1958 Convention which the International Court held not to reflect general internationallaw, in a judgment which otherwise strongly affirmed the continental shelf regime ll . In adopting a principle of apportionment "in order to achieve an equitable solution", Article 83 of the United Nations Convention on the Law of the Sea might be seen as retuming the conventional expression of the continental shelf doctrine to its customary roots l2 .
9 The latter were to some extent afIected by the Coastal Fisheries Proc1amation. But that proc1amation provoked a much more diffuse response, partly because of existing conflicting uses and interests. For these reasons it did not have the catalytic efIect of the Continental She1f Proc1amation, although it seems to have been regarded at the time as equally important. For the subsequent deve10pment of the right of a coastal State to manage coastal fisheries, leading to a priority right to those fisheries and eventuallya quasi-exc1usive right see D. P. O'Connell, The International Law of the Seabin: 1. A. Shearer (ed.), vol. 1, (1982), p. 530 fI. I Geneva Convention on the Continental She1f, 29 April 1958, UNfS 499, p. 311. 11 North Sea Continental Shelf Cases, lCI Reports (1969), p. 6. The Court referred specifically to "the history of the deve10pment of the legal regime of the continental she1r' (Jd., para 85). 12 See AlCONF. 62/122,7 October 1982.
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Secondly, the major issue the Continental Shelf Proclamation left vague or undetermined was the major issue the 1958 Convention left vague or undetermined13 . The Proclamation said almost nothing as to the definition or extent ofthe continental shelf. It was no doubt based on a geological or geomorphological conception of the shelf, but it did not address the issue of how far the shelf should be taken to extend. The shelf was seen as an "area contiguous to the coasts ofthe United States", but contiguity was not defined. Rernarkably, nor was it defined with any precision in the Continental Shelf Convention: the famous depth-plus-exploitability criterion of Article 1 of the Convention was a fudge, a form of words barely disguising the absence of agreement. If limits on the extent of the shelf are to be derived from the Convention, it is by implication from the geomorphological doctrine of the shelf, and from the concept of "adjacency", a synonym for contiguity. The problem was only to be resolved in the 1982 Convention's elaborate formula, which was part of a conception of the shelf increasingly dissociated from the older geomorphological basisl4 . But this uncertainty did not prevent the International Court in 1969 from endorsing the continental shelf doctrine as general international law, notwithstanding the vagueness of Article 1 ofthe 1958 Conventionl5 . Thus the question is not whether the norms articulated in the Continental Shelf Proclamation came to be recognized as norms of general international law. It is clear that they did so. The question is what the status of those norms was the day after they were made. That is a normative and not a historical question, but like most normative questions in international law, and all normative questions as to matters morally indifferent, it cannot be answered without detailed historical inquiry. That is the purpose of Part B of this essay. In Parts C and D we will return, refreshed by the historical excursus, to the issue of analysis.
B. Premonitions and Consequences of the Continental Shelf Proclamation The issue of control over the resources of the continental shelf was hotly but inconclusively debated during the early twentieth century. A few commentators argued that there was a growing need to reformulate the law, but there 13 It is true that the Proclamation only hinted at the answer to the question whether the continental she1fhad to be claimed, or was "inherent" in the coastal State (cf Continental She1f Convention, Art 2(3): "The rights of the coastal State over the continental shelf do not depend ... on any express proclamation"). It would have been paradoxical for the Proclamation to have asserted its own irrelevance. In practice, despite Art 2(3), coastal States have proclaimed their continental shelves. 14 UNCLOS Art. 76(2)-(9). 15 North Sea Continental ShelfCases, IC] Reports (1969), p. 6 at para. 19.
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was sharp disagreement on fundamental principles. One line of division was between those who thought the sea bed of the continental shelf should be treated as res nullius, and therefore subject to control by occupation, and those who opposed any erosion of the principle of the freedom of the high seas. Within the res nullius camp, there was disagreement between those who held that aState occupies the adjacent continental shelf as it were ipso facto, by reason of its sovereignty over the coast, and those who believed that a further requirement should be imposed - actual occupation. Within the "actual occupation" camp, some argued that a State's mere declaration of exclusive control was sufficient to constitute actual occupation, while others argued that there had also to be physical occupation and use of the shelf to make occupation effectivel6 . In retrospect, the writings of these publicists have been seen as "harbingers" or "premonitions" of later developments, but not as expressive of the law at the timeI? . In truth they were neither. Claims to the sea bed at the time were based on actual occupation, but this was a form of prescriptive use, i.e. aderogation from the res communis status of the sea bed. Tbe continental shelf doctrine when it came to be articulated denied that the shelf was res nullius, but did not depend on any form of occupation ofthe shelf. In 1916, DeBuren, a Spanish oceanographer, urged that national territorial waters be extended to include the whole of the continental sheW 8 . Other writers pointed out that there was a growing need for States to assert adequate control over the fisheries to their coase 9 . But these were minority voices, speaking against the weight of a tradition which limited coastal State rights to a narrow (albeit not clearly determined) territorial sea. Representative of this position was Sir Cecil Hurst, who wrote in 1924 that while it was fairly weIl settled in British law that the sovereign's property rights in the sea bed vest 16 That debate was in a sense carried over from the then current debate over whether occupation of terra nullius could be perfected by symbolic or formal acts, or required actual occupation and contro!: cf Eastern Green/and Case, PCll sero NB, no. 53, (1931). In the event the continental shelf debate was seen to raise quite different issues. 17For an excellent summary of the pre-1945 views of publicists see H. Wa/dock, The Legal Basis of Claims to the Continental Shelf, Grotius Society Transactions 36 (1951), p. 115. 18 See League of Nations Doc C.196.M.70.1927.V (1927), at p. 23, cited in: R. Young, Recent Developments with Respect to the Continental Shelf, AJIL 42 (1948), p. 849. 19 E.g. S. R. Starni, Intereses Argentinos en e1 Mar (1916), p. 38 fI. and J. L. Suarez, Diplomacia Universitaria Americana (1918), p. 174, p. 180 fI., cited in: Young (1948), p. 849. On the question of which proposed regime to adopt, Suarez, who was rapporteur of the subconunittee on exploitation of sea resources of the Conunittee of Experts, said that "there is no stable, permanent and convenient solution except to adopt the rule of the continental shelf with some modifications according to circumstances." Quoted in: E. M Borchard, Resources of the Continental She1f, AJIL 40 (1946), p. 53, p. 60 f.
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from the low-water mark out, they "do not in general extend beyond the threemile limit. ,,20 The voices of dissent, however, were not quelled. The disagreement over the breadth of the territorial sea which was the reason for the failure of the 1930 Codification Conference kept the debate alive, and must have had an unsettling effect?! But even commentators who emphasized the lack of clarity in the law tended to champion the classical principle of freedom of the high seas, and to view attempts to change the law as dangerous encroachments on this principle. For example Gidef2 and Higgin and Colombos23 "took the view thatthe surface of the sea bed, outside territorial waters, has the same legal status as the high seas". 24 Before World War 11, all States, including the United States, agreed on the minimum principle that aState has exclusive control over the waters, the sea bed, and the air space within the three-mile territorial limit. This was revealed in responses to a questionnaire from the Preparatory Committee for the Hague Conference for the Codification of International Law sent to various States in 1929. The Preparatory Committee observed that unanimity existed on this point at least25 . But this minimum position appears also to have been the ma20 C. Hurst, Whose Is the Bed of the Sea? - Sedentary Fisheries Outside the 1breeMi1e Limit, BYIL 4 (1924), p. 34, p. 39. One commentator surveying the literature short1y after the Continenta1 She1fProclamation conc1uded that "[t]he most that can be said is that three mi1es is a minimum": Borchard (FN. 19), p. 57. Cf Waldock (FN. 17), p. 115, p. 116: "[T]here was by 1939 virtual unanimity that aState possesses full sovereignty over its maritime beIt, although there was much controversy as to the precise width of that beIt. " 21 See Final Act of the Conference for the Codification of International Law held at The Hague, March-April1930, League ofNations Official Journal 889 (1930), p. 915; Le~e ofNations Doc. C.196.C.74.M.39.1929.V (1929); O'Connell (FN. 9), p. 21. G. Gidel, Le Droit International Pub1ic de la Mer (1932, reissued 1981), p. 498 tI. 23 A. P. Higgin/C. J. Colombos, International Law ofthe Sea (1943), p. 54. Remarkab1y, the 6th edition of this work, pub1ished in 1967, bad bare1y changed its 1ine. After referring to exceptional cases of actua1 occupation, it states that: "Apart from these exceptional cases, the use of the bed of the sea can only be regu1ated by the community of nations through express international agreements". On the other band the sub-soil of the sea-bed cou1d be subject to claims based on actual occupation (e.g. through tunnelling or mining): C. J. Colombos, International Law of the Sea (6th rev. ed. 1967), p. 67 tI. Reciting the deve10pments since 1945, Colombos argues that the various "municipa1 enactments, in so far as they relate to the subsoil and the exploitation of mineral resources by drilling extended from the coast by under-water operation, may be regarded as being in accordance with the accepted principles of international law, any simi1ar claims to the sea-bed must give rise to serious doubts .... It rnay ... be doubted whether the right to unilateral occupation of the bed of the sea over extended areas can be regarded as estab1ished in international law, in any case where such occupation entai1s the setting up upon the high seas of installations inconsistent with the common right offree navigation". Id., p. 75 f. 24 See also Waldock (FN. 17), p. 117. 25 See G. H. H. Hackworth, Digest ofInternational Law, vol. 1, (1940), p. 654.
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ximum position on which all States could agree. The League of Nations Committee of Experts for the Progressive Codification of the Law observed that many States feIt that new principles needed to be developed26 . After considering a variety of proposals respecting jurisdiction over adjacent waters, including sovereignty on the basis of exploitable resources such as fisheries, it concluded only that no consensus could be reached27 . In particular it observed that: "as regards the bed of the sea and the subsoil, there are but few mIes of intemationallaw. ,,28 In the inter-war years, among the commentators who argued for an extension of State jurisdiction it was agreed that in order to acquire jurisdiction over the continental shelf beyond the three-mile limit, at the very least there must be some sort of occupation by the govemment or nationals of the State asserting jurisdiction. In a note in 1946 discussing the Gulf of Paria Treaty, it was observed that most authors had held that the sea bed beyond territorial waters "is res nullius over which sovereignty may be acquired by occupation,,29 . Among scholars taking the new view, many contended that the occupation must take the form of actual use of the res nullius. The fifth edition of Oppenheim (the first edited by Hersch Lauterpacht) made actual occupation one of the five critical factors justifying claims to extraterritorial or sea bed resources30 . Hurst criticized as old-fashioned and "lapsed" the common law theory that the sovereign could assert jurisdiction beyond the three-mile limit simply 26 League of Nations Committee of Experts for the Progressive Codification of the Law, Report, League of Nations Doc C.96.M.70.1927.V (1927), p. 63 ff., cited in: Young (FN. 18), p. 849. 27 Borchard (FN. 19), p. 56 ff. Underlying this lack of consensus was the position taken by many coastal States - including Russia, France, Portugal, and Norway - that national jurisdiction over fisheries should extend more than three miles from shore. See J. W Bingham, The Continenta1 Shelf and Marginal Belt, AJlL 40 (1946), p. 173, p.174. 28League of Nations Doc C.74.M.39.Y. (1929), p. 18 ff. and C.230.M.1l7.V. (1930), p. 6, quoted in: Hackworth, Digest, vol. 1 (1940), p. 654. 29 F. A. VaIlat, The Continental Shelf, BYIL 23 (1946), p. 333, p. 334. Other proponents of the res nullius view of the sea bed were Fauchille, in: Traite de Droit international Public, vol. 1 (1925), p. 19; Westlake, in: International Law, vol. 1 (1904), p. 187 f., and H. A. Smith, in: Great Britain and the Law of Nations, vol. 2 (1935), p. 122. This was also the legal theory under which the Netherlands acquired lands of the fonner Zuyder Zee. See Borchard (FN. 19), p. 62. Re1ated to the notion of controlby-occupation is the notion of contro1-by-acquiescence. Hackworth cites the 1918 case of the man who wanted to bui1d an artificial is1and in the Gu1f of Mexico. The US Department of State refused to give him a license, but to1d him to go ahead if no other nation objected; Hackworth, Digest, vol. 2 (1940), p. 679. 30 H. Lauterpacht (ed.), International Law (5th ed. 1937), p. 287. Lauterpacht's view was to change: by 1950 he had decided that contiguity was far more "potent" as a justification for control over the continental shelf than occupation, since contiguity is an "absolute" and not a relative concept 1ike occupation or use: H. Lauterpacht, Sovereignty over Submarine Seas, BYIL 27 (1950), p. 376, p. 428.
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by declaration or decree: "maritime occupation must be effective in order to be valid,,31. He contended that areas outside the three-mile limit must "have always been kept in occupation by the Sovereign of the adjacent land. ,,32 Plowden's notion that the sovereign's jurisdiction was "the whole of the sea" lying between Britain and her possessions and that the reach of the crown's jurisdiction went "unto the midst of the Sea between England and Spain" was now held to be "excessive,,33. "[W]ide claims ofjurisdiction over the narrow seas", said Hurst, have "fallen into desuetude,,34 . Similarly, when in 1945 the American Bar Association International Law Section called on the United States Govemment to recognize the "need for appropriate regulation" of continental shelf resources, it implicitly adopted the "actual occupation" view. It resolved to assist the govemment by drafting proposals "based on principles recognizing acquired historical fishing rights and interests,,35. Shortly after the Continental Shelf Proclamation, one commentator contended that it could not confer sovereignty or control over continental shelf resources, because a decree or proclamation is "not equivalent to actual occupation or control,,36. This commentator expressed strong reservations about the Proclamation's effect on freedom on the high seas: "It is thought that the limitation as to the waters above the submarine areas is essential if the doctrine of the continental shelf is to receive any sort of legal blessing,,37 . Some commentators saw the Continental Shelf Proclamation as itself an act of occupation. Citing the Is/and of Pa/mas and Eastern Green/and cases, Waldock pointed out that occupation was an event that took place over time, and that the Proclamation "may properly be regarded as [an] effective first act of occupation", given the special circumstances involved in occupying a submarine area38 . Others saw the Proclamation as a form of notional occupation, equivalent perhaps to acts of symbolic possession in the law of acquisition of land territory. In response to the publicists who criticized the Continental Shelf Proclamation because it asserted control over ares nul/ius which the United States did not effectively occupy, 1. P. R. Feith, Rapporteur of the International Law Association Committee on the subject, wrote that "effective occupation is not a necessary condition for the acquisition of control and ju31 Hurst (FN. 20), p. 39. 32 Id., p. 40.
citing R. v Sir John Constable (1577), p. 3, Leonard p. 73. Id., p. 39. 35 M. B. Carroll, American Bar and International Organization, AJ1L 39 (1945), p. 20, p. 32 f. 36 Vallat (FN. 29), p. 337. 37 Id., p. 338. 38 Waldock (FN. 17), p. 142. 33 Id., 34
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risdiction over the sea bed and subsoil of the continental shelf outside territorial waters, but an act of notional occupation, i.e., a proclamation, or declaration, is sufficient for this purpose"39. In the event, as will be seen, State practice endorsed a conception of the continental shelf which was based neither on actua1 nor on symbolic occupation.
L State Practice before the Continental Shelf Proclamation The evidence of State practice leading up to the Continental Shelf Proclamation is anecdotal, fragmentary and sometimes inconsistent. Instances of control over areas outside the three-mile limit, even when obtained by occupation and use, seem not to have been nurnerous. The Dutch, Portuguese, and British, as successive sovereigns, claimed title to the produce of the chank and pearl fisheries in the sea beds 20 miles off the coast in the Gulf of Mannar near Ceylon40 . Similar claims were made to exclusive title to thefructus ofthe pearl fisheries in sea beds outside the territorial waters of Bahrain. The Irish Cornrnissioners regulated the harvesting of oyster beds up to 23 miles offshore of Eastem Ireland. The Bey of Tunis claimed an exclusive right to sponges by "continuous and unquestioned enjoyrnent" beyond the three-mile limit which foreign mIers did not challenge. Mexico regulated pearl fishing beyond territorial waters41 . 39 J. P. R. Feith, Rights to the Sea-Bed and Its Subsoil, in: Report ofthe 44th Conference ofthe International Law Association (1950), p. 87, p. 125. 40 The Colonial Act of 1811 extended pearl fisheries on the banks of the Gulf of Mannar from six to twenty-one miles. According to Fulton, these fisheries "have been treated from time immemorial by the successive mlers of the islands as subjects of property and jurisdiction; and the laws ... apply also to foreigners." Fulton, Sovereignty ofthe Sea (1911), p. 697 f. In a Foreign Office statement of 30 May 1933, the British government explained that: "Pearl fisheries stand on a different footing to the ordinary kind of fishing in the waters ofthe sea, because the banks where the pearl oysters lie must be treated as part of the bed of the sea. F or many centuries the pearl banks off the coast of Ceylon have been claimed as subject to the sovereignty of the rulers of the neighbouring territory and subject therefore also to their control. Some of these banks are more than three miles from the shore, but where they are situated under the high seas, the claim of sovereignty and control is limited in extent to the area of the banks, and does not atfect the rights of navigation or of ordinary fishing in the waters over the banks. " Hansard, vol. 163, cols. 1417f.; quotedin: Waldock(FN. 17), p. 118 f. 41 See generally Hurst (FN. 20), p. 490 ff.; Borchard (FN. 19), p. 62. Hurst later took pains to state that his comments on the propriety of claims to control of sedentary fisheries could not be generalized to justify the proclamation of control over the entire continental she1f. See C. Hurst, The Continental Shelf (1949), p. 34, Grotius Society Transactions, p. 165, p. 165 f. According to Jessup, "Vatte1... asserted that the re sources near the shore may be taken advantage of by the littoral State and subjected to
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Overall, however, these claims were treated as isolated and particular, and as not giving rise to any general rule. Thus "[t]he attempt on the part of Russia, by publication of the Ukase of Emperor Paul in 1821, to assert dominion over the northem waters of the Pacific and to restrain the rights of other nations therein, was made the subject of immediate and emphatic protest by Great Britain and the United States"42. Similarly, "the Norwegian Decree of 1869 which defined the fishing limit off Sunnmore ... met prompt protest from France,,43. On the other hand there was apparently no protest over a 1916 declaration by the Czar that Russia's sovereignty extended to uninhabited islands in the Arctic Sea, a claim made expresslyon the basis that the islands formed "the continuation of the continental shelf' and reaffirmed by the Soviet govemment in 192444 • Another significant and much-cited precedent was the Gulf of Paria Treaty, signed by Great Britain (on behalf ofTrinidad) and Venezuela in 194245 . The Treaty divided the Gulf between the two countries, and apportioned exclusive control over the "submarine areas" of the Gulf. These submarine areas included "the sea bed and sub-soH outside the territorial waters of the High Contracting Parties". However, the significance of the Gulf of Paria agreement was unclear. As the Foreign Office recognised a year before the Treaty's signature while negotiations with Venezuela were proceeding, any agreement to divide the sea bed would not affect third parties unless active steps were taken to assert sovereignty; on this view the Treaty was merely an agreement of mutual restraint between the parties46 • In reliance on the Treaty, however, the United Kingdom annexed outright the submarine areas on its side of the Gulf of Paria47 . its ownership, apparently without regard to the limit of cannon range... Littoral sovereigns have claimed the beds from time immemorial as their exclusive property." P. C. Jessup, The Law ofTerritorial Waters and Maritime Jurisdiction (1927), p. 14. This is a slight exaggeration. With the few exceptions, all the claims to sea bed resources before 1945 related to pearl, oyster, and coral beds. Cf Jessup's later statement about the assertion of contro1 over the waters of the continenta1 she1f contained in the abortive Cope1and Bill: "The legal theory ofthe projected coast submerged beneath the waters of the sea, which seems to underlie the Copeland Bill, could scarcely be defended by the United States in an international controversy." P. C. Jessup, The Pacific Coast Fisheries, AJIL 33 (1939), p. 129, p. 133. 421. MacGibbon, Some Observations on the Part of Protest in International Law, BYIL 30 (1953), p. 293, p. 302. 43/d. 44 V. L. Lakhtine, Rights over the Arctic (1928), p. 43 ff., cited in: Young (FN. 18), p. 849 f. 45 205 LNTS 121. 46 CO 295/625 (26 March 1941); O'Connell, (FN. 9), p. 470 and FN. 13. On the internal British debate preceding the 1942 Treaty see G. Marston, The Marginal SeaBed: United Kingdom Legal Practice (1981), p. 231 ff. 47 Submarine Areas of the Gulf of Paria (Annexation) Order 1942, 144 BFSP 970. See Val/at (FN. 29), p. 336.
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II. United States Practice prior to tbe Continental Sbelf Proclamation
Before the late 1930s the United States did not show any desire to challenge the classical three-mile rule. It was in full accord with the other nations canvassed by the League ofNations in 1929. In 1918, it had explicitly denied that it had any jurisdiction over the continental shelf sea bed outside the three-mile limit. In response to an oil prospector seeking a license to drill in the Gulf of Mexico the State Department wrote that: "The United States has no jurisdiction over the ocean bottom of the Gulf of Mexico beyond the territorial waters adjacent to the coast. Therefore it does not appear possible for the United States to grant you the leasehold or other property rights in the ocean bottom which you desire,,48 . In the mid-1930s there were two unsuccessful attempts by the United States Congress to assert control over salmon smolts in waters over the continental shelf outside the three-mile limit. It seems that the salmon stocks were being depleted by aggressive Japanese trawling. One attempt was the so-called Dimond Bill, which was based on the "somewhat doubtful premise" that salmon from its rivers were property of the United States49 . The other attempt was the Copeland Bill, which recited that the shallows of the Behring Sea were actually a "slightly submerged margin" of the continent, and therefore the United States had jurisdiction to protect "mineral deposits, fisheries and animal life"so. The Copeland Bill sought to assert jurisdiction over waters over the continental shelfto a depth of 100 fathoms "more or less"Sl . Although these Bills were not passed, they mark the beginning of the change in United States policy. The Continental Shelf Proclamation has its roots in a 1943 initiative by Secretary of Interior Ickes and Secretary of State Cordell Hull to protect and elaborate the United States' right to occupy and exploit the surface and subsoil of the open sea beyond the three mile limit on the continental shelf. President Roosevelt, aware of the extent of oil prospecting in the Gulf of Mexico and of the problems with Japanese fishing off Alaska in the 1930s, supported the suggestion and directed the State Department to produce a plan52 . Various committees in the State Department bureaucracy studied the matter over the ensuing year.
Quoted in: Hackworth, Digest, vol. 2 (1940), p. 679. Waldock (FN. 17), p. 122 f. 50 ld., p. 123. 51 See generally P. C. Jessup, The Pacific Coast Fisheries, AJIL 33 (1939), p. 129, p. 133; G. lreland, The North Pacific Fisheries, AJIL 39 (1942), p. 400. 52 See Foreign Relations ofthe United States, vol. 2 (1945), p. 1481 f. 48
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Within the Department, the Office of Economic Affairs, expressed serious reservations about the action being contemplated. The Office's "main concern" with respect to the contemplated changes in the US position on both fisheries and sea bed and subsoil in the continental shelf was that "the United States should not announce this policy without some form of international consultation with at least the countries that would feel themselves interested and affected thereby. ,,53 The Office apparently feared that if the United States should act unilaterally without first developing a consensus with other nations, it would "lead to misunderstanding, suspicion, and opposition on the part of many other countries,,54 . With respect to the new policy on fisheries, the Office suggested circulating it in draft form for comment to Canada, Newfoundland, the United Kingdom, the Soviet Union, Mexico, Ecuador and others, "and the United States would regard concurrence of these ... countries as essential before proceeding to announce any action. ,,55 With respect of other countries not directly affected, the Office proposed that their comments be solicited "although it would not necessarily follow that complete concurrence would be regarded as an indispensable precedent to taking any action. ,,56 With respect to US policy on the sea bed and subsoil, the Office recommended a modified version of the consensus-building campaign it had suggested for the fisheries policy: "One such procedure might be for the United States to inform other govemments (not necessarily all govemments, but at least all major govemments and all having appropriate interest in the subject) of its intentions a.) to assume jurisdietion over the natural resourees of the sea bed and subsoil of the continental shelf contiguous to its coasts, and b.) to inaugurate negotiations with neighboring States. The communication to the other govemments should indicate that before taking these steps the United States desires to receive the comments of the govemments, and that it will give attentive eonsideration to those comments.,,57 On 23 September 1944 Assistant Secretary of State Long advised Acting Secretary of State Stettinius to ignore these concerns. In bis opinion they were merely procedural, and "not related to the decision of policy". In bis words, "certain ideas [of the Office] ... seem not to be germane to the present purpoS3 See id., p. 1485 fT. (unsigned memo of the Office of Economic Affairs with annexes). 54 Jd., p. 1486, p. 1487. ss Jd., p. 1486. 56 Jd., p. 1487. S7 Jd.
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se. ,,58 In a 28 November 1944 letter, Stettinius recorded bis agreement: "While I feel that the considerations presented in the ECA memorandum are not without merit, I am inclined to believe that the additional suggestions dealt with in the ECA draft could more properly be handled by aseries of administrative decisions and announcements. ,,59 A month later, however, Secretary of State Stettinius seemed to back away from the plan to present the world with a lai! accompli. It is not clear from the record what caused this change. In a letter to Agriculture Secretary Ickes on 19 December 1944, he recorded that there was general agreement between the Agriculture and State Department bureaucracies that there should be no proclamations "at the present time". Stettinius wrote: "we are in agreement that in case the proposed policy meets with [president Roosevelt's] approval, it should be made known informally to the other governments primarily concemed, and that the reactions of those governments leamed, before steps are taken to make the policy public... [I]t would be preferable to obtain the President's approval, and to take the matter up with the other governments, namely Canada, Newfoundland, Mexico, USSR, Great Britain, and Cuba, before submitting proclamations. Tbis procedure, it seems to me, would more likely keep the other governments in a favorable frame of mind.,,60 Stettinius noted that since 1943, the United States had been intermittently involved in negotiations with the Governments of Canada, Newfoundland and Mexico with a view to developing a regime for joint proteetion of coastal fisheries. He was concemed that the Canadian government would be miffed by a unilateral proclamation. (He did not voice similar concems in relation to Mexico!61) He also noted that work with representatives of Canada and Newfoundland "contributed materially in the formulation of the statement on fisheries. ,,62 On the other hand: "With respect of the resources of the subsoil and sea bed ... there have as yet been no corresponding discussions with other governments.,,63 Stettinius recommended to the President that any proclamation on the continental shelf be held in abeyance for two months following the date of the President's approval so that the views of other governments could be ascertained64 . Roosevelt approved the plan on 31 March 1945, and for the ensuing two months a short list of governments - Canada, Mexico, Great Britain, and the p. 1484. p. 1487. 60 Jd., p. 1489. 61 Jd., p. 1489. 62 Jd. 63 See Stettinius letter to F. D. Rooseve1t, 22 January 1945; id., p. 1491. 64 Jd., p. 1491.
S8 Jd., 59 Jd.,
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Soviet Union - were given drafts ofboth the sea bed and fisheries proclamations. These drafts did not vary from the final texts65 . The Netherlands, Norway, France, Iceland, Denmark and Cuba were sent drafts of the fisheries declaration only66 . With respect to the continental shelf, the "Explanatory Statement" attached to the draft proclamation stated that there was an "absence of recognized jurisdiction" over the resources of the sea bed and subsoil, and argued that the proposed proclamation was based on the need for "reasonable assurance of title". This is a clear admission that what was contemplated was the creation of a new norm67 . The US noted that exclusive jurisdiction could be acquired by a State's occupation of the continental shelf: it cited the practices of "certain States", including Ceylon, India, Bahrein, Ireland, Tunisia, Australia "and elsewhere" to support the idea of exclusive control of sea bed resources68 . But it also put its case in terms of resisting the extension of the principle of freedom ofthe high seas to the sea bed; i.e. the concem was to give to the coastal State alone the right to use the contiguous sea bed resources, a right which would exist independently of its exercise69 . With respect to overlapping claims between neighbouring coastal States, the US Statement suggested that there would be "little practical necessity for delineation" in the near future, since installations for exploitation ofresources will be "comparatively near shore,,70. After the drafts went out, Canada quickly indicated that it was not inclined to respond, ostensibly because of the press of business of the Dumbarton Oaks conference, and also because a general election was imminene l . But from its earlier dealings with Canada on the issue, the State Department understood Jd., p. 1496, p. 1510. Jd., p. 1510. The drafts are set forth as "Annexes" to the Stettinius letter to Roosevelt; id., p. 1491. They were accompanied by draft "Explanatory Statements"; id., f. 1496 ff. 6 Jd., p. 1500. See also various remarks in the Press Release which the Department ofState issued when the Continental ShelfProclamation was made, for example, that it was "establishing" jurisdiction "from an international standpoint": Foreign Relations of the United States, vol. 2 (1945), p. 1529. 68 Jd., p. 1510 tT. 69 Jd., p. 1502. 70 Jd., p. 1503. State Department Legal Adviser Hackworth scrutinized the proposed proclamations, and assured the State Department that they comported with the requirement of the new UN Charter. He said: "The language of the Charter is very general in character and in no wise inhibits or was intended to inhibit governments from taking independent steps to improve their economic condition." G. Hackworth, letter to the Secretary of State, 5 July 1945, Foreign Relations of the United States, vol. 2, (1945), p. 1521. Hackworth suggested that "should other States consider that action taken by the United States under the proclamations infringes upon their rights and should a dispute result, the matter might conceivably be brought before the General Assembly or the Security Council, or both, or if the dispute were legal in character it might be referred to the International Court of Justice." Jd., p. 1522. 71 Jd., p. 1494 f. 65 66
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that it would likely accept the US position in relation to the fisheries proclamation. Great Britain initially paid little heed to the proposed proclamation on the continental shelf, as distinct from the fisheries proclamation. To Sir George Sansom of the British Embassy, Assistant Secretary of State Dooman empbasized that the proclamation was a "necessary control ... to guard against depletion of our mineral resources. ,,72 The British response was indeterminate: at first, it simply made "no comment" on the issue, addressing all of its comments to the fisheries proclamation73 . Indeed, after many communications on the fisheries issue, Dooman finally put it to the Secretary of the British Embassy directly: "I asked Mr. Cecil if any mention bad been made by the Foreign Office of the continental shelf policy. He replied in the negative. He threw out the guess that the British Government bad very little interest in the matter. ,,74 Several days later, however, the British Government did address the issue, agreeing that "it would appear desirable to endeavour to seeure the safe and orderly development of any oil resources which may exist beyond but adjacent to territorial waters", and stating that it would "likewise object" to foreign companies exploiting oil in submarine areas adjacent to the territorial waters of its Caribbean possessions75 • However, the United Kingdom urged that the issue be resolved by bilateral and international agreements among all the Caribbean nations. This re mark might be read as an implicit criticism of the US plan to act by unilateral proclamation, but Secretary of State Byrnes refused to p. 1505. The UK feIt that the US position with respect to fisheries was "likely to spread confusion" in Europe, since it would encourage similar declarations, prejudicial to British interests in the North Sea, by other nations. See, e.g., id., p. 1511 f. It asked that the US refrain from issuing a proc1amation of any general principle of control by coastal States, and rewrite the proposed proc1amation to make it c1ear that it was simply a statement ofpolicy based on defacto control by the US; id., p. 1513, p. 1515, p. 1517. It suggested that "emphasis ... be laid on adherence to the principle of the three-mile limit and to the principle of international, as opposed to national, control of fisheries outside that limit." The US rejected the proposed textual changes. Dooman told the Secretary of the British Embassy that "matters have gone too far" to make any changes in the fisheries proclamation. Id., p. 1518. Ultimately, the US relented somewhat, and promised to clarify that the reach of the fisheries proclamation was limited to the Western Hemisphere. This would be done not in the proclamation itself, but in an accompanying Press Release. See id., p. 1522, p. 1528. In fact, the Press Release did not deliver on the promise. It stated that "[t]he United States will recognize the rights of other countries to establish [fishing] conservation zones off their own coasts where the interests of nationals of the United States are recognized in the same manner that we recognize the interests of the nationals of other countries." Jd., p. 1529. The whole transaction suggests that the process of "consultation" was a limited exercise of a public relations character. 74 Jd., p. 1519. 75 Jd., p. 1524. 72 Jd., 73
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see it that way: "careful study of the note would seem to warrant the conclusion that the British Government is now prepared to take a position wholly in line with the principles set forth in our draft statement of policy with regard to the resources of the Continental Shelf. ,,76 Byrnes was off the mark. On 31 August 1945, four weeks before the two Proclamations were issued, Second Secretary Robert Cecil of the British Embassy sent a short note: "As regards ... the 'Proposed Decision with respect to Natural Resources of the Sub-Soil and Sea-bed of the Continental Shelf, the Foreign Office has not hitherto offered any comment and we have now been asked to confirm that none will be forthcoming. At the same time His Majesty's Government do not wish to be associated with this Decision and would prefer that, when it is announced, no reference should be made to prior consultation with His Majesty's Government, either in the Decision itself or in any explanatory statement which may be issued.,,77 When Dooman gave a copy of the proposed proclamations and statements to the Soviet Ambassador, his first question was whether the United States was asserting sovereignty over areas beyond the three-mile limit. Dooman explained that the United States merely sought control over fishing operations in its own fishing grounds, and that "we expect nationals of other governments to conform to the same fishing regulations as those which American fishermen would be required to observe.,,78 In response to the proposed sea bed proclamation, Ambassador Gromov asked "if we proposed to invite foreign governments to enter into a convention which would embrace our proposed policy decision". Dooman replied in the negative "at least in the first instance ... Perhaps at some future date it might be desirable to consider some such procedure.,,79 Iceland (which was only shown the draft fisheries proclamation) stated that it was "in general agreement", but needed to consult further80 . There is no record of any other response. Cuba (also only given the fisheries proclamation) stated that it "accepts in all respects decisions which should be adopted with reference to fisheries in certain areas of the high seas", and it asserted interests in various parts of the Gulf in which overlapping claims might be made by the United States and Mexic081 . Id., p. 1527. Id., p. 1527. 78 Id., p. 1507. 79 Id., p. 1508. 80Id.,p.1511. 81 Id., p. 1514. 76
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Thus what seems to have happened is that the State Department fully understood that the United States was undertaking a new practice that was not consistent with current norms. Given the novelty of the proposed principle, the options were to build a consensus for a new international norm, or simply to state unilaterally a new principle of US practice, leaving international responses to await the event. The course actually taken was something of a compromise: after first considering purely unilateral action, the United States in efIect followed the recommendations of the Office of Economic Affairs, at least to the extent of seeking to develop a consensus with a few nations directIy affected. But it was not very successful in this. Through diplomatie channels most of those consulted either privately expressed reservations or otherwise distanced themselves from the proposed policy. None did so openly, however, nor did any govemment overtly resist the proposed action.
III. International Reaction to tbe Continental Sbelf Proclamation
Perhaps because of the diplomatie campaign before the two Proclamations were issued, international reaction after 28 September 1945 was muted. The general consensus among commentators was that the Proclamation did "not purport to be based on any recognized and established role of international law, but on what is reasonable and just. ,,82 Hurst thought that the Proclamation went too far in the direction of underrnining freedom of the seas, and argued that the limited case of control of sedentary fisheries by historical occupation did not support taking jurisdiction of the entire continental shelf3 . Of more significance than these comments was the reaction of govemments. Not only was there no public criticism of the Continental Shelf Proclamation, but shortly afterwards several States made their own proclamations, in some cases going considerably further than claims to a continental shelf as such. Panama, for example, announced on 4 March 1946 that "the air space and continental shelf corresponding with the national territory" belonged to the State84 . The Panarnanian Govemment also began to regulate shark fishing to the extent of the continental shelf5 . Argentina was even more explicit: in a Note, The Continental Shelf, BYIL 43 (1946), p. 333, p. 335. See C. Hurst, The Continental Shelf, Grotius Society Transactions 34 (1948), p.153. 84 Gaceta Oficial, 4 March 1946, Art. 209. 85 Decree no. 449 of 17 December 1946, Gaceta Oficial, 24 December 1946. "Continenta1 shelf' is not defmed in the Panamanian Legislation, but one commentator suggested that it was the coastal waters to the 500-meter 1ine. SeeR. Young, The Continental She1f in the Practice of the American States, Inter-American Juridical Yearbook27 (1950-1951),p. 31. 82
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Decree of 5 December 194686 , it claimed sovereignty (which the Continental Shelf Proclarnation had studiously avoided clairning) over the continental platforrn and waters, arguing that this declaration accorded with doctrine "implicitly accepted in modem international law". The United States Government in response reserved its rights with respect to any claim of sovereignty advanced under the Decree87 , and one cornrnentator stated that the move was "clearly contrary to accepted principles of internationallaw. ,,88 So far as the shelf as such was concerned, US criticism of Argentina's action was, perhaps, hypercritical. After all, as one cornrnentator noted, the United States' assertion of "jurisdiction and control" was "tantarnount" to outright sovereignty over the shelf; "the failure to state this expressly may have been due to the realization that a bare unilateral declaration could not, in internationallaw, vest any legal right to sovereignty in the United States,,89 . Other State practice focused on the sea bed and subsoil as such, accepting at least to this extent the concept of the shelf underlying the Continental Shelf Proclarnation. This was true of the various proclarnations made by the Persian Golf States in 1949, and on behalf of various British colonies between 1948 and 195490 . Australia proclaimed a continental shelf in 1953, relying directly on the articulation of the doctrine in the International Law Cornrnission's draft of 1951 91 , and many other States followed suit. By 1954, one cornrnentator thought it quite uncontroversial to observe that "many now regard as accepted custornary law" the proposition "that the continental shelf vests ipso facta in the coastal State,,92 . No doubt it is the case that the idea of the continental shelf which underlay the Continental Shelf Proclamation was "a rnarketable concept in the marts of international law,,93. Another cornrnentator called the Proclarnation a "seed from which [new] rights and rules can grow" in an area where the law is "not fully developed and rigid"94. Such writers took a benign view of the Proclarnation because it did
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no. 14, 708/46, Boletin Oficial, 5 December 1946.
87 See Young (FN. 85), p. 28. 88 Vallat (FN. 29), p. 337.
89 Id. See also Hurst (1949), p. 161 f.: "[T]he difficulty is that the distinction between the jurisdiction and the exclusive control which are claimed and sovereignty is so small as to be little more than a question of narne... [T]he United States is clairning rigl}ts which are as large as sovereignty." 90 For details see R. Young, Further Claims to Areas beneath the High Seas, AJIL 43 (1949), p. 790; O'Connell, (FN. 9), p. 473 f. 91 Id., p. 474, and for a contemporary assessment see L. F. E. Goldie, Australia's Continental Shelf: Legislation and Proclarnations, ICLQ 3 (1954), p. 535. 92 D. H. N. Johnson, The Continental Shelf, by M W. Mouton (book review), BYIL 30 (1953), p. 557 ff. 93 Young (FN. 18), p. 849. 94 Vallat (FN. 29), p. 337.
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not extinguish existing (i.e. individual) legal rights, and because it did not purport to extend territoriallimits95 . In 1954 L. F. E. Goldie concluded that: "Because the categories of positive international law did not, before the inception of the continental shelf doctrine in 1942 (or 1945) expressly prohibit the appropriation of the sea-bed and subsoil outside territorial waters, it is submitted that the continental shelf doctrine does not effect any great degree of change in the internationallaw of the sea. ,,96
C. The Impact of the Continental Shelf Proclamation on the Law in Force It will be apparent that before the Continental Shelf Proclamation, there was little support for a general doctrine of rights over the sea bed beyond territorial limits, especially one involving ipso jure appurtenance. There was a realization that the law needed to develop beyond the strict limit of a narrow (3-6 nm) territorial sea, but the direction the law should take was controversial and unclear. As State Department documents show, the United States itself was not inclined to support any change in the law until the late 1930s. In 1944 and 1945 United States officials were weIl aware that there was no consensus among nations on the idea of a continental shelf, and that the Proclamation would mark a clear departure from the pre-existing law. On the other hand, the reactions of govemments after the Proclamation was issued show general agreement with it, whether or not those govemments had been consulted before 28 September 1945 - as most had not. Commentators appear to have been more troubled by the development than govemments97 . By contrast the International Law Commission did not hesitate to adopt the continental shelf as an institution in the early 1950s. In 1950, Brierly had asserted that "the continental shelf belonged ipso jure to the littoral State", a view supported by Hudson and Amado, and reflected in the Commission's Report for that years. In 1951 the Commission adopted draft p. 338. See Goldie (FN. 91), p. 558. The argwnent reflects the strong influence of Laute~acht's views, as expressed in 1950; see also O'Conneli (FN. 9), p. 472 f. 7 See e.g. S. Oda, The Continental Shelf, Japanese Annual ofl1 1 (1957), p. 15, p. 37: "We should not... be in a hurry to approve new trends towards the division of the submarine areas through the use of [the] still ambiguous doctrine of the continental shelf. " 98 See YBl1C 1951, vol. 1, p. 227 ff. at paras 8a (Brierly), 37 (Hudson), 40 (Amado). The Report o[ the Second Session stated that: "In the opinion of the Commission, the sea-bed and subsoil ofthe submarine areas ... were not to be considered res nullius or res communis. The sea-bed and subsoil were subject to the exercise, by the littoral States, of control and jurisdiction for the purposes of their exploration and 95 Jd.,
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articles 1-3 on the continental shelf, in tenns which underwent only minor change before their adoption as Articles 1-3 ofthe 1958 Convention". On the other hand Lord Asquith as sole arbitrator in the Abu Dhabi Arbitration in 1951 reviewed the State practice before and after 1945 and concluded that: "there are in this field so many ragged ends and unfilled blanks, so much that is merely tentative and exploratory, that in no fonn can the doctrine claim to have assumed hitherto the hard lineaments or the definitive status of an established rule of internationa1law."lOo He went on to agree with the policy arguments favouring "the ipso jure variant" ofthe continental shelf doctrine, but held that draft articles 1-3 adopted by the International Law Commission were "mere recommendations as to what such rules might with advantage be, if adopted by International Convention."IOI But the issue in that case was whether agrant by the Ruler of Abu Dhabi in 1939 extended to the resources of the continental shelf, and it was quite unnecessary to answer that question by deciding what the status of the continental shelf doctrine was in J95 J. It was sufficient to say that the Ru1er cou1d not have granted, and wou1d not have intended to grant, in 1939 rights which at that time did not exist, and that there was no reason to interpret the grant as covering uncontemplated rights which might later come into existence as a result of changes in the law. In fact the Ru1er had proc1aimed a continental shelf in 1949 and had shortly thereafter purported to grant continental shelf rights to another (American) company: the dispute was essentially one between successive grantees, and it was a dispute over rights which both agreed existed in 1951. Lord Asquith's denial of their existence at that time was, if not gratuitous, at least unnecessary. In the event the rights were thereafter exercised and recognized on the basis of the Ruler's 1949 prodamation. The reasons for the rapid acceptance of the principle of a continental shelf are to some extent specu1ative, but they seem dear enough. The United States occupied a position of great influence as the least exhausted and economically and militarily the most significant of the victorious A1lied Powers. It commanexploitation. The exercise of such contro1 and jurisdiction was independent of the concept of occupation." YBILC 1950, vol. 2, p. 384 f. See also D. P. O'Connell, in: l. A. Shearer (ed.), The International Law ofthe Sea, vol. 2 (1984), p. 473. 99YBILC 1951, vol. 2, p. 141 f. 100 Abu Dhabi Arbitration, ILR 18 (1951), p. 144, p. 155. 101 Id., p. 156, p. 158. This statement is wrong in fact, as the references in FN. 98 show. Nonethe1ess a simi1ar view was taken, also in the interpretation of a pre-1945 grant, by Lord Radc1iffe in Sheikh 0/ Qatar v Petroleum Development (Qatar) Ltd, ICLQ 1 (1952), p. 26l. It reflected current legal opinion in the British Foreign Office, emanating from Beckett and Fitzmaurice, who continued to rest sea bed rights on a doctrine of occupation see: O'Connell, (FN. 9), p. 471 and references.
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ded the new technology which allowed exploration and exploitation of continental shelf resources, especially oil and gas. It was therefore the State which above all others would have had to support a regime based on res communis or distant-water occupation, if such a regime were to have a chance of success. On the contrary, while clairning a continental shelf for itself, it did so in terms which allowed allother coastal States to rnake sirnilar claims, to control the rate and terms of subsequent exploitation of the shelves adjacent to their coasts, and to do so irrespective of their own capacity to occupy, explore or exploit them. Moreover the Continental Shelf Proclarnation was a reasoned argument for the extension of jurisdiction in terms of the orderly development of continental shelf resources. One does not need to attribute to the United States benevolent or selfless motives for its action. (The attribution of motives to States is notoriously a difficult business anyway.) No doubt what underlay the two Proclarnations was a calculation of interest. But the calculation was not simply that the United States had an interest in its own sovereign rights over its own continental shelf. The interest was in all coastal States having recognized rights and jurisdiction - the econornic power and technical resources available would see to it that Arnerican oil companies thereafter played a leading role. And in the circumstances ofthe time, other States (the great rnajority ofthem coastal States) had no interest in denying the claim. The Continental Shelf Proclarnation went "with the grain" of the principle of State equality, and the influence of the United States thereby assured to the likes of the Trucial States resources unirnagined.
D. Conclusions It is difficult to draw from a single case conclusions about the difficult and diffuse processes of the creation of custornary norms. But some observations rnay be made. First, US opinio juris was lacking, if by opinio juris is meant the opinio of the State in question as to the existing law. The relevant officials of the United States (those who addressed their minds to that issue) did not believe that the content of the Proclarnation was already international law, although understandably they did not stress that belief at the time the proclarnation was issued. On the other hand, opinio existed at a different level, i.e. as to the immediate future. The Proclarnation articulated a rule which the United States was prepared to live by in the future, i.e. from that moment onwards, for itself and for others. In this sense a proclarnation was necessary in order to establish a
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rule that a continental shelf would be attributed to each coastal State without the need for a proclamation. The opinio took the fonn of a settled conviction as to what the law should be, and would be for the proclaiming State. It was in no sense divorced from policy considerations; on the other hand, it contained no element of paradox. One can without contradiction announce the intention to live by a certain rule, if one does live by it from that time l02 . But escaping one paradox seems to lead to another. On the one hand, it cannot be the case that the Proclamation had the immediate effect of a piece of legislation. In the international system there is no central legislative authority, not even the President ofthe United States. On the other hand, it would be odd to treat the Continental Shelf Proclamation, a rational attempt to develop the law based on an articulation of principle that came to be widely accepted, as unlawful at the time. Not only would this raise the question how unlawful conduct could lead to a change in the law (ex injuria jus non oritur). It also overlooks the reaction to the Proclamation, which was one of caution in some quarters, welcome in others, but so far as governments were concemed, in no case one of condemnation. If the Continental Shelf Proclamation was unlawful, why was it not protested? If it was unlawful, at what point did it become lawful? We seem to have a case, within the momentary legal system of international lawas it was on 29 September 1945, of a question that cannot be answered, of conduct that was neither lawful nor unlawful (or perhaps contingently both). We are pushed back to the idea of the momentary legal system itself. At least in the context of a custom-based system, that idea seems to make no sense. Or rather, it is an ex post facta construct. One cannot tell what all of internationallaw was on a given day until after that day. Custom is developed by a dialogue in time l03 . By definition, therefore, instant custom is excluded. Like good coffee, internationallaw has to be brewed. This does not mean that a court could not have answered a question about the Continental Shelf Proclamation by reference to 29 September 1945. How that question would have been answered would have depended, inter aUa, on the wisdom of the Court. It might, as the International Court did in the Fisheries Jurisdiction cases, have refused to anticipate the law before the law-maker had laid it down lO4 , although that statement related more to the interaction between the Court and a major UN lawrnaking conference than to the processes of the development of custom as such. Moreover, despite its prote102 See the explanation of custom as the development from the belief that X is to be taken as the rule to the beliefthat in truth it is: J. M Finnis, Natural Law and Natural Ri~ts (1980), p. 238 ff. 03 By "dialogue" we do not mean a mere1y bilateral conversation. 104 United Kingdom v Ieeland, ICJ Reports 1974, p. 3 at para. 53; Federal Republic ofGermany v Ieeland, ICJ Reports 1974, p. 175 at para. 45.
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James CrawfordfThomas Viles
stations, the Court did then develop the law in the direction in which it was going l05 . In the context of oUf putative case about the Continental Shelf Proclamation, other reactions would have been possible. The court could have resorted to abilateral detennination of rights and duties, leaving the multilateral position flexible. In other words, like the International Court in the Fisheries Jurisdietion cases lO6 , it could have used the language of opposability rather than legality. Its decision could have been made as fact-specific as possible, avoiding detenninations of general principle. Or it rnight have grasped the nettle, endorsed the reasons for the continental shelf doctrine given by the United States, and discerned from the reaction to the Proclamation the actual or prospective acceptance by governrnents of the doctrine. Whatever its approach, the decision would have referred implicitly or explicitly to the whole body of material which was relevant to the status of the Proclamation. It would not have been lirnited to the material evidence of a single day. We do not mean to infer that rules of custornary international law are merely generalizations which dissolve on scrutinyl07 . But when existing rules are challenged with the kind of opinio which the United States manifested in the Proclamation - opinio not as to the meaning or application of an existing rule but as to the content of the law - the content of the law is placed in question, and the answer to the question can be neither immediate nor automatic. The subsidiary and secondary character of momentary legal systems was accepted by Raz himself. He did not suggest "that momentary legal systems can be analysed independently of the legal systems to which they belong."los On the contrary "both the identity and the existence of momentary systems can be detennined only by reference to other momentary systems of the same legal system"l09 - we would prefer to say, only by reference to the processes of the legal system which enable one to tell, more or less, what the law was at a given time. This is at any rate the case with customary law in a decentralized system. "A legal system exists at any given moment if this moment is part of aperiod in which it exists. ,,110 In a way, it is the movement of the system across time (the continuing attitude of the actors to it across time) which comes first. Its content at a given time is its product. 105 United Kingdom v Ieeland, lCJ Reports 1974, p. 3 at paras. 69 ff.; Federal Republic ofGermany v Ieeland, lCJ Reports 1974, p. 175 at paras. 61 ff. 106 United Kingdom v Ieeland, lCJ Reports 1974, p. 3 at paras. 68, 71; Federal Republic ofGermany v Ieeland, lCJ Reports 1974, p. 175 at paras. 60, 63. 107 Although some writers have appeared to reach this conc1usion: e.g. M Koskenniemi, From Apology to Utopia (1989), p. 388 f., p. 420 f. 108 Raz (FN. 4), p. 189. 109Id.
110 Id.,
p. 208.
UN-Satzung und allgemeines VölkerrechtZum exemplarischen Charakter von Art. 103 SVN Von Heribert Franz Köck
A. Problemstellung Stellung und Wirksamkeit der Satzung der Vereinten Nationen in der Gesamtheit völkerrechtlicher Verpflichtungen überhaupt ist vielfach umstritten. Die Satzung selbst enthält zwar einige wenige Bestimmungen, welche für diesen Problemkreis bedeutsam sind! , doch ist er dadurch nur sehr punktweise angesprochen, während vom Bemühen um eine Gesarntregelung des Problems durchaus keine Rede sein kann. So stellt sich denn der bloße Versuch dar, einzelne, dem Bewußtseinsstand zum Zeitpunkt der Gründung der Organisation entsprechende Aspekte einigermaßen befriedigend zu lösen, wobei in diese 1 In diesem Zusanunenhang ist vor allem der hier behandelte Art. 103 zu nennen, welcher sich ausdrücklich auf Verpflichtungen der Mitglieder bezieht. Die in dieser Arbeit zitierten Artikel sind, soweit nichts anderes gesagt wird, solche der Satzung der Vereinten Nationen. Für die Nichtmitglieder ist der in der Folge hier ebenfalls behandelte Art. 2 Abs. 6 zu nennen. Hingegen ist es bei den auf die Feindstaaten des Zweiten Weltkriegs bezüglichen Sonderbestimmungen (vgl. Art. 53, Art. 77 und Art. 107) unsicher, ob die ihnen gegenüber in Anspruch genommenen Rechte als Ausfluß der Satzung der Vereinten Nationen oder eher doch als die traditionellen Rechte der Siegennächte, den Besiegten eine neue Friedensordnung aufzuerlegen, angesehen werden müssen. Zu letztgenanntem Artikel vgl. G. Ress, Art. 107, in: B. Simma (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen - Kommentar (1991), S. 1099 fI.; vgl. auch G. Ress., Art. 53, ebd., S. 676 fI. Schließlich ist in diesem Zusanunenhang auch noch Art. 102 zu nennen, weil dieser nicht nur in Abs. 1 eine Verpflichtung enthält, "[a)lle Verträge und sonstigen.internationalen Übereinkünfte, die ein Mitglied der Vereinten Nationen nach dem Inkrafttreten dieser Satzung schließt, ... so bald wie möglich beim Sekretariat registrier[en)" zu lassen, sondern in Abs. 2 auch bestimmt: "Werden solche Verträge oder internationalen Übereinkünfte nicht nach Abs. 1 registriert, so können sich ihre Vertragsparteien bei einem Organ der Vereinten Nationen nicht auf sie berufen." Nach U. Knapp, Art. 102, ebd., S. 1052 fI., aufS. 1063, ist "[d)ie Frage, ob Art. 102 Abs. 2 auch auf Nichtmitglieder anwendbar ist, ... äußerst strittig". Der Jubilar, dem diese Festschrift gewidmet ist, hat die Frage schon früh untersucht und ist zum Schluß gekommen, daß die Nichtmitglieder bei Nichtregistrierung eines (auch) von ihnen abgeschlossenen Vertrages keine Sanktion trefI~p. könne. Vgl. K. Zemanek, Die Entwicklung des völkerrechtlichen Vertragsrechtes, OZöR 6 (1955), S. 378 fI., (S. 396).
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Lösungsversuche wiederum durchaus unterschiedliche Auffassungen eingegangen sind und damit zu Kompromissen geführt haben2 •
L Eine zweifache Problematik Die in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme lassen sich in zwei große Gruppen zusammenfassen. In die eine fallen völkerrechtliche Verpflichtungen von Mitgliedstaaten, die in der einen oder anderen Weise mit den Verpflichtungen aus der Satzung der Vereinten Nationen unvereinbar sind. In die andere Gruppe fallen alle Fragen, die das Verhältnis von Nichtmitgliedern der Vereinten Nationen zur Organisation unter dem Aspekt betreffen, wie weit sich schon auf Grund der bloßen Existenz der Vereinten Nationen für die Nichtmitglieder in ihrem völkerrechtlich relevanten Verhalten Konsequenzen ergeben. Die letztgenannte Problematik ist in der Satzung selbst ausdrücklich in Art. 2 Abs. 63 angesprochen; auf die erstgenannte nimmt Art. 103 Bezug. Art. 103 SVN lautet: "Widersprechen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus dieser Satzung und ihre Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften, so haben die Verpflichtungen aus dieser Satzung Vorrang." Der Text von Art. 103 zeigt schon, daß damit nur ein Teilaspekt des Problems angesprochen ist, nämlich die Kollision von Verpflichtungen aus der Satzung mit Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen. Über das Verhältnis von Verpflichtungen der Mitglieder aus der Satzung zu Verpflichtungen aus anderen Völkerrechtsquellen - Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut nennt in diesem Zusammenhang noch das Gewohnheitsrecht und die Allgemeinen Rechtsgrundsätze - wird hingegen in Art. 103 nichts ausgesagt. Hinsichtlich
2 Was Art. 2 Abs. 6 anlangt, so weist Wolfgang GrafVitzthum in seinem Kommentar darauf hin, daß sich aus der Entstehungsgeschichte sowohl Grunde fi1r eine Verbindlichkeit der Satzung auch fi1r Nichtmitglieder als auch Grunde fi1r einen bloßen Gewährleistungsauftrag an die Organisation ableiten lassen, was auch durch Varianten im englischen bzw. französischen Text gestützt wird. Graf Vitzthum spricht von "weitreichenden Meinungsunterschiede[n], wie sie aus den Quellen zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift deutlich werden". W. GrafVitzthum, Art. 2 Abs. 6, in: Simma (FN. 1), S. 93 fT., (S. 95). Was Art. 103 anlangt, so meint R. Bemhardt in seinem Kommentar, ebd., S. 1066, (S. 1067), daß die Materialien zur Entstehungsgeschichte S. 598, "nicht allzu ergiebig" seien. (Mit Verweisung auf insbesondere UNCIO S. 602 f., S. 646, S. 654, S. 662 f., S. 666, S. 675, S. 684, S. 686, sowie auf UNCIOXV,S.1l7.) 3 Art. 2 Abs. 6 lautet: "Die Organisation trägt Sorge dafi1r, daß Staaten, die nicht Mitglieder der Vereinten Nationen sind, insoweit nach diesen Grundsätzen handeln, als dies zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlich ist. "
xm,
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des Gewohnheitsrechts ist dies sogar absichtlich unterlassen worden4 . Für eine umfassende Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis von aufgrund der Satzung und unabhängig von der Satzung bestehenden Verpflichtungen müssen diese Rechtsquellen aber ebenfalls einbezogen werden. Zwischen Art. 103 und Art. 2 Abs. 6 besteht übrigens zumindestens insoweit ein direkter Zusammenhang, als sich die Frage einer satzungswidrigen Verpflichtung für einen Mitgliedstaat aus seiner Beziehung zu einem Nichtmitgliedstaat ergeben kanns .
II. Grundsätzliche Lösungsansätze Für die geschilderte Problematik gibt es verschiedene Lösungsansätze.
1. Konkurrierende Methoden Man kann bei der Auslegung von Art. 103 6 Abs. 67 - in zweierlei Weise vorgehen.
-
und übrigens auch von Art. 2
4 Vgl. Bemhardt (FN. 2), S. 1067, mit Verweisung auf J. Combacau, Le pouvoir de sanction de l'O.N.U. (1974), S. 282. 5 Eine spezifische Schwierigkeit stellte in diesem Zusammenhang Art. 18 Völkerbundsatzung dar, welcher nicht nur für alle Völkerbundmitglieder eine Registrierungspflicht betretTend der von ihnen abgeschlossenen Verträge enthielt, sondern auch vorsah, daß ein solcher Vertrag bei unterlassener Registrierung nicht rechtsverbindlich sein sollte. Das Unterlassen der Registrierung eines zwischen einem Völkerbundmitglied und einem Nichtmitglied abgeschlossenen Vertrages hätte für letzteres wohl kaum zu dessen rechtlicher Unverbindlichkeit fi1hren können; andererseits war aber ein Vertrag, der nur fiir eine Seite (nämlich das Nichtmitglied) verbindlich, für die andere (nämlich das Völkerbundmitglied) aber nicht verbindlich gewesen wäre, nicht vorstellbar. Daher löste schon die Praxis des Völkerbundes dieses Problem dahin, daß auch nicht registrierte Verträge ganz allgemein als verbindlich angesehen wurden, sich das Völkerbundmitglied aber vor einem Organ des Völkerbundes nicht auf sie berufen konnte. Vgl. H. F. KöckIP. Fischer, Internationale Organisationen, (2. Aufl. 1986), S. 134 f. Diese Praxis ist dann in Art. 102 SVN eingegangen. Vgl. ebd. S. 248; vgl. all~emein nochmals Knapp (FN. I), S. 1052 tT. Die in Art. 103 enthaltene Regelung wird in der völkerrechtlichen Literatur häufig, meist aber nur beiläufig behandelt, sei es im Zusammenhang mit der Satzung der Vereinten Nationen, sei es ganz allgemein im Zusammenhang mit der Frage des Verhältnisses von Verträgen untereinander. Außer auf Bemhardt (FN. 2) sei noch besonders auf E. Sciso, On Artide 103 of the Charta of the United Nations in the Light of the Vienna Convention on the Law ofTreaties, ÖZöRV 38 (1987), S. 161 tT. verwiesen. 7 Außer auf den (FN. 2) genannten Kommentar von Graf Vitzthum sei noch besonders auf U. Scheuner, Die Vereinten Nationen und die Stellung der Nichtmitglieder, in: G. SchreiberlH. Mosler (Hrsg.), Festschrift für Karl Bilfmger (1954), S. 371 tT.; J. Soder, Die Vereinten Nationen und die Nichtmitglieder (1956); R. A. Falk, Tbe Authority ofthe United Nations over non-members (1965); P. Cahier, La charte des Nations Unies et les Etats tiers, in: A. Cassese (Hrsg.), Current Problems of International
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a) Der induktive Approach
Man kann mit der Geschichte des Zustandekommens der Bestimmung beginnen, dazu auch eine allfällige Vorläuferbestimmung in der Völkerbundsatzung8 heranziehen und dabei Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten ebenso wie Verschiedenheiten feststellen, und schließlich die bisherige Praxis der Vereinten Nationen als solcher, der Mitgliede~, aber auch der NichtmitgliederIo , soweit sie in diesen Zusammenhang gehört, analysieren. Eine solche Vorgangsweise hat den Vorteil, von vornherein den Vorwurf zu vermeiden, es werde auf eine oder einige wenige Bestimmungen der Satzung ein ganzes theoretisches Gebäude aufgebaut, dessen Bild aber der Wirklichkeit, also dem Erscheinungsbild der Praxis, nicht entspreche. Kommt man auf diese Weise zu keiner klaren Antwort auf die gestellten Fragen, so kann man die Schuld hiefür der - zugegebenermaßen oft - uneinheitlichen Praxis zuschieben und für sich das schon von Johann Jakob Moserll beanspruchte und seither immer mehr salonfahig gewordene Verdienst in Anspruch nehmen, keine Staatsromane zu schreiben, sondern die Realität der internationalen Rechtsbeziehun-
Law (1975), S. 81 ff.; J. A. Frowein, Die Vereinten Nationen und die Nichtmitglieder, Europa-Archiv 25 (1970), S. 256 ff., verwiesen. 8 Für Art. 103 SVN war dies Art. 20 Völkerbundsatzung, welcher lautete: "Die Bundesmitglieder erkennen, ein jedes filr sein Teil, an, daß die gegenwärtige Satzung Verpflichtungen und Einzelverständigungen aufhebt, die mit ihren Bestimmungen unvereinbar sind, und verpflichten sich feierlich, solche in Zukunft nicht mehr einzugehen. Hat ein Mitglied vor seinem Eintritt in den Bund Verpflichtungen übernommen, die mit den Bestimmungen der Satzung unvereinbar sind, so hat es die Pflicht, unverzüglich Maßnahmen zur Lösung dieser Verpflichtungen zu ergreifen." - Was Art. 2 Abs. 6 SVN anlangt, so ist Art. 17 Völkerbundsatzung als Vorläufer anzusehen, welcher lautete: "Bei Streitfragen zwischen einem Bundesmitglied und einem Nichtmitglied oder zwischen Staaten, die nicht Mitglieder sind, werden der Staat oder die Staaten, die nicht Mitglieder sind, aufgefordert, sich filr die Beilegung der Streitfrage den den Bundesmitgliedern obliegenden Verpflichtungen zu unterwerfen, und zwar unter den vom Rat filr gerecht erachteten Bedingungen ... Lehnt der so aufgeforderte Staat es ab, die Verpflichtung eines Bundesmitglieds filr die Beilegung der Streitfrage auf sich zu nehmen, und schreitet er zum Krieg gegen ein Bundesmitglied, so fmden die Bestimmungen des Art. 16 [Sanktionen im Falle eines Friedensbruches] auf ihn Anwendung. Weigern sich die Parteien, auf die Aufforderung hin, die Verpflichtung eines Bundesmitglieds filr die Beilegung der Streitfrage auf sich zu nehmen, so kann der Rat alle zur Vermeidung von Feindseligkeiten und zur Schlichtung des Streites geeigneten Maßnahmen ergreifen und Vorschläge machen." 9 Zu Art. 103 vgl. Bemhardt (FN. 2), S. 1069 und S. 1072 f. 10 Vgl. etwa R. Bindschedler, Das Problem der Beteiligung der Schweiz an Sanktionen der Vereinten Nationen, besonders im Falle Rhodesiens, ZaöRV 28 (1968), S. 1 ff.; D. von Schenck, Das Problem der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Sanktionen der Vereinten Nationen, besonders im Falle Rhodesiens, ZaöRV 29 (1969), S. 257 ff. 11 1701-1785.
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gen zu analysierenl2 . Der Nachteil dieser Vorgangsweise liegt freilich darin, daß sie in nicht wenigen Fällen wegen der genannten Widersprüchlichkeit der Praxis zu keiner klaren Aussage über die Rechtslage kommt und damit die wichtige Funktion der Rechtswissenschaft nicht wahrnimmt, durch die Erarbeitung eines widerspruchslosen Nonnensystems13 im betreffenden Rechtsbereich oder eines Teiles desselben zur Klärung der Frage beizutragen, was nun tatsächlich - auch unter Beachtung einer bestimmten Hierarchie von Nonnen rechtlich gilt und welche Verhaltensweise daher im konkreten Fall rechtlich verbindlich vorgegeben ist. b) Der induktiv-deduktive Approach
Die andere Vorgangsweise findet sich mit der häufig - explizit oder implizit - anzutreffenden Aussage, das einzig Sichere sei, daß man nichts Sicheres sagen könne, nicht ab, sondern versucht gerade in das Chaos einer einander scheinbar oder tatsächlich widersprechenden Praxis Ordnung zu bringenl4 . Dies fordert freilich die Bereitschaft, diese Praxis in ihren verschiedenen konkreten Erscheinungen zu bewerten, dabei unter diesen zu differenzieren und einzelne von ihnen in ihrer rechtlichen Relevanz in Frage zu stellen. Eine solche Bewertung fordert freilich einen Bewertungsmaßstab, der nur aus einer
12 Vgl. dazuA. Verdross, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 104; vgl. auch C. Baron Kaltenborn von Stachau, Kritik des Völkerrechts nach dem jetzigen StandplUlkte der Wissenschaft (1847), S. 91 ff., welcher auf S. 92 darauf hinweist, daß Moser "weder
ein natürliches, noch ein künstlich konstruiertes historisch-phantastisches, noch ein mit frommen Visionen ausstaffiertes (St. Piere) Völkerrecht schreiben" wollte "sondern ein wahrhaft positives lUld historisches nach dem wirklichen System von Europa". - Vgl. auchA. Verdross lUldH. F. Köck, Natural Law: The Tradition ofUniversal Reason and Authority, in: R. St. J. Macdonald /D. M. Johnston (Hrsg.), The Structure and Process ofInternational Law: Essays in Legal Philosophy, Doctrin and Theory (1983), S. 17 ff., (S.39). 13 "Das Erkenntnisziel der Jurisprudenz ist die AutTmdlUlg des Hier lUld Jetzt (im normativen Sinne) geltenden Rechts, lUld zwar als eines nicht schlechthin 'gegebenen', sondern eines aus einem (in Gesetzen lUld richterlichen EntscheidlUlgen, Verwaltungsakten lUld Verträgen) vorgegebenen Stoff jeweils erst näher zu entwickelnden RegellUlgsinhaltes. Dabei macht sie ... die Voraussetzung, daß diesem Stoff bis zu einem gewissen Grade eine innere OrdnlUlg innewohnt, daß er insgesamt als Versuch miteinander übereinstimmender Antworten auf Rechtsprobleme als solche verstanden werden kann. Ohne diese Voraussetzung bliebe ihr kaum mehr als die Tätigkeit des Sanunelns und Registrierens - eine Tätigkeit, mit der sie sich zu keiner Zeit zufrieden gegeben hat." K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft (3. Aufl. 1975), S. 226 f. 14 Vgl. ebd., S. 429: "Die Aufdeckung der Sinnzusammenhänge, in denen die einzelnen Rechtsnormen lUld Rege1lUlgen miteinander lUld mit den leitenden Prinzipien der RechtsordnlUlg stehen, lUld ihre DarstelllUlg in einer die Übersicht ermöglichenden geordneten Weise, d.h. in der Form eines Systems, ist eine der wichtigsten Aufgaben der wissenschaftlichen Jurisprudenz." Vgl. auch c.-W Canaris, Systemdenken lUld Systembegriff in der Jurisprudenz (1969), S. 11 ff.
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rechtlichen Gesamtschau!5 der internationalen Gemeinschaft gewonnen werden kann. Es war nicht zuletzt der verehrte Lehrer des Jubilars, Alfred Verdross, der dies schon in der Zwischenkriegszeit grundsätzlich!6 und eindringlich!? dargetan hat. c) Einwand gegen den deduktiven Approach
Gegen diese Vorgangsweise könnte als Einwand erhoben werden, daß eine Rechtsgemeinschaft wie die internationale keine vorgegebene Verfassung habe, unter deren. Schirm die einzelnen aus den verschiedenen Völkerrechtsquellen fließenden Normen ihren spezifischen Platz fänden und woraus auch ihre Zuordnung zueinander und eine etwaige Über- und Unterordnung abgeleitet werden könnten, sondern daß sich die internationale Rechtsgemeinschaft von unten, und zwar punktuell aus den im Laufe der Zeit erzeugten Normen des Vertrags und des Gewohnheitsrechtes aufbaue. Daher sei ihr eine letztlich ebenfalls notwendigerweise punktuell-kasuistische Betrachtungsweise angemessener, ja allein realistisch; hingegen sei den systematischen Betrachtungsweisen insoweit ein unrealistischer Aspekt eigen, als sie alle eine mehr oder weniger umfangreiche und mehr oder weniger ofIengelegte Anleihe bei dem positiven Völkerrecht vorausliegenden Normen machten und damit den Staaten zurnindestens einige Normen oder Grundsätze vorgäben, welche von der Staatenpraxis selbst nicht getragen würden!8 . !5 Eine solche fordert Larenz mit der Begründung, die Rechtsnonnen stünden "nicht unverbunden nebeneinander, sondern untereinander in einem mannigfachen Zusammenhang ... Dementsprechend hat jede Auslegung einer Nonn ... den Bedeutungszusammenhang, den Kontext und den systematischen Ort der Nonn, ihre Funktion im Gesamtzusammenhang der betreffenden Regelung, zu berücksichtigen. Darüber hinaus
... steht die Rechtsordnung im ganzen ... unter bestimmten leitenden Rechtsgedanken. Prinzipien oder allgemeinen Wertmaßstäben. von denen einigen heute der Rang des Veifassungsrechts zukommt. Thre Funktion ist es, die den Nonnen zugrunde liegende
Wertentscheidung unter dem Rechtsgedanken zu rechtfertigen, sie zu vereinheitlichen oder durch Wertungswidersprüche nach Möglichkeit auszuschließen." Larenz (FN. 13), S. 429. VgL auch H. F Köck, Juristische Methodologie und soziale Rechtsanwendung im Völkerrecht, in: P. Jabomegg/ K. Spielbüchler, Festschrift für Rudolf Strasser zum 70. Geburtstag (1993), S. 251 ff. !6 Vgl. A. Verdross, Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsverfassung (1923). 17 A. Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (1926). - Vgl. dazu H. F Köck, Leben und Werk des österreichischen Rechtsgelehrten Alfred Verdross, ÖZöRV 42 (1991), S. 31 ff., (S. 380; ders., Alfred Verdross - Ein österreichischer Rechtsgelehrter von internationaler Bedeutung (1991), S. 14 f. !8 eh. Dominice, Methodology of International Law, in: EPll.. 7 (1984), S. 334 ff., unterscheidet in diesem Sinne zwei große Gruppen methodologischer Schule: "The inductive method favours the identification of the rules of law by the observation of their effectiveness in international society. It consideres a rule to be a rule of law if it is recognized as such by the subjects of internationallaw ... The deductive method, on the other hand, deterrnines the existence of rules of international law by process of
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d) Widerlegung des Einwandes gegen den deduktiven Approach
Dieser Einwand ist aber theoretisch und pragmatisch verfehlt. i) Der theoretische Grund
Der Einwand ist theoretisch verfehlt, weil er bewußt oder unbewußt von der alten Frontstellung zwischen Rechtspositivismus und Naturrechtslehre ausgeht. Dabei übersieht er aber, daß man zur Schaffung einer tragfähigen Wertebasis in einer Gesellschaft - sei es nun innerhalb des Staates oder in der internationalen Gemeinschaft - noch keineswegs Naturrechtslehren bemühen muß, weil jede Rechtsgemeinschaft, also auch die weltanschaulich pluralistisch geprägte, sich auf die Anerkennung zumindest eines Minimalbestands an Grundsätzen oder Normen einigen muß, um sich selbst überhaupt als eine solche Rechtsgemeinschaft mit verbindlichem Gehorsamsanspruch gegenüber ihren Gliedern - im Staat vor allem die Einzelnen, in der internationalen Gemeinschaft vor allem die Staaten - verstehen zu könnenl9 . Dabei steht es freilich jedermann frei, die Erkennbarkeit dieser Grundsätze oder Normen als (im Sinne des Naturrechtes) absolut verbindlich zu leugnen; aber auch von ihm muß die Anerkennung dieser Grundsätze oder Normen gefordert werden. Wer dazu nicht bereit ist, versetzt sich selbst in die Rolle des nationalen oder internationalen Anarchisten und bleibt daher mit seiner Meinung für die weitere Bestimmung von Rechtsinhalten außer Betracht. Dabei ist es freilich häufig gar nicht notwendig, auf diesen pluralistischen Grundbestand zu rekurrieren, weil im Völkerrecht durch die subsidiäre Rechtsquelle Allgemeine Rechtsgrundsätze20 ohnedies ein fast unerschöpflireasoning based on principles, legal facts or on formal modes of creation, which are the foundations of the validity of the rules." (Hervorhebung durch den Verf.) 19 Vgl. dazu H. F. Köck, Der erste Staatszweck in einer pluralistischen Gesellschaft, in: H. Miehsler/E. MockIB. Simma/I. Tammello (Hrsg.), lus Humanitatis. Festschrift zum 90. Geburtstag von Alfred Verdross (1980), S. 89 t1; das d~rt Gesagte gilt mutatis mutandis auch filr die internationale Gemeinschaft. Was die Übertragung des Gemeinwohlbegriffs vom Staat auf die internationale Gemeinschaft anlangt, vgl. A. Verdross, Der klassische Begriff ~~s "bonum commune" und seine Entfaltung zum "bonum commune humanitatis", in: OZöRV 28 (1977), S. 143 ff. 20 Vgl. Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut: "Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach Völkerrecht zu entscheiden, wendet an ... c. die von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze ... " - Neben dem klassischen Werk von H. Lauterpacht, Private Law Sources and Analogies in International Law (1927), fmden sich gerade in der vonAlfred Verdross begründeten Wiener Naturrechtlichen Schule des Völkerrechts und der Rechtsphilosophie eine Reihe von Untersuchungen zu diesem Thema. Vgl. A. Verdross, Die Allgemeinen Rechtsgrundsätze im Völkerrecht, in: Recht, Staat und Gesellschaft, Festschrift filr Hans Ke1sen zum 50. Geburtstag (1931), S. 362 ff; ders., Les principes generaux du droit dans la jurisprudence internationale, RdC 52 (1935 11), S. 195 ff.; St. Verosta, 7 Zemanek
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ches Reservoir an Grundsätzen zur Verfügung steht, welche aus dem innerstaatlichen Recht rechtsvergleichend ermittelt werden können und damit aus einem Bereich stammen, in dem zahlreiche durchgebildete Rechtsordnungen bestehen und sich in der Vergangenheit auch schon bewährt haben. Die konsequente Anwendung Allgemeiner Rechtsgrundsätze müßte daher in einem sehr hohen Maße ausreichen, nicht nur die im positiven Völkerrecht bestehenden Lücken zu rullen, sondern auch zwischen widersprüchlichen normativen Ansprüchen zu differenzieren, welche sich aus einer scheinbar oder tatsächlich widersprüchlichen Praxis zu ergeben scheinen. Ist doch die Forderung nach Auflösung von Antinomien in einem hierarchisch gegliederten Rechtssystem ebenfalls ein allgemeiner, allen Rechtsordnungen notwendig eignender Rechtsgrundsatz21 , der damit auch rur die Völkerrechtsordnung Gültigkeit haben muß. ii) Der pragmatische Gnmd
Es gibt aber auch einen pragmatischen Grund dafiir, warum sich die Wissenschaft nicht scheuen soll, die normativen völkerrechtlichen Ansprüche in ein System zu bringen. Tut sie dies nämlich nicht selbst und ist sie damit der völkerrechtlichen Praxis nicht insoweit immer voraus, so wird diese Aufgabe früher oder später von anderer Stelle wahrgenommen. Diese andere Stelle ist entweder die Staatenpraxis22 selbst, die dabei freilich wiederum punktuell und unsystematisch vorgeht und daher rur sich allein immer nur sehr kleine Fortschritte leisten kann. Größere Würfe gelingen nur der organisierten Staatengemeinschaft durch die von bzw. in ihr gebildeten Organe. Bis zum Ersten Weltkrieg geschah ein solcher einigermaßen systematischer Fortschritt vor allem im Rahmen des internationalen Konferenz- und Kongreßsystems23 ; seit dem Ersten Weltkrieg kommt aber eine immer bedeutsamere Rolle der jeweiDie Allgemeinen Rechtsgnmdsätze in der Staatenpraxis, ÖJZ 5 (1950), S. 101 ff.; Wld 1. Seidl-Hohenveldem, Die Rolle der RechtsvergleichWlg im Völkerrecht, in: F A. Freiherr von der HeydteII. Seidl-HohenveldemlK.Zemanek (Hrsg.), Festschrift fiir Alfred Verdross zum 70. Geburtstag (1960), S. 253 ff.; vgl. auch H. Mosler, RechtsvergleichWlg vor völkerrechtlichen Gerichten, in: R. MarciclH. MoslerlE. Suy/ K. Zemanek (Hrsg.), Festschrift fiIr Alfred Verdross zum 80. Geburtstag (1971), S. 381 ff; vgl. schließlich umfassend H. Mosler, General Principles of Law, EPIL 7 (1984), S. 89 ff. 21 Nach Larenz (FN. 13), S. 324, liegen Normwiderspruche dann vor, "wenn die Normen fiIr denselben Sachverhalt einander ausschließende Rechtsfolgen anordnen. Ein Normwiderspruch muß beseitigt werden, sei es dadurch, daß einer Norm der Vorrang zuerkannt wird, sei dadurch, daß beide eingeschränkt werden, da es logisch Wldenkbar ist, daß einander ausschließende Rechtsfolgen nebeneinander eintreten." (HervorhebWlg durch den Verf.) 22 Zur Staatenpraxis Wld dem aus ihr entfließenden Völkergewohnheitsrecht vgl. P. Fischer/H. F Köck, Allgemeines Völkerrecht (3. Aufl. 1991), S. 38 ff. 23 Zu diesem vgl. KöckIFischer (FN. 5), S. 53 ff.
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ligen Weltfriedensorganisation - früher dem Völkerbund, gegenwärtig den Vereinten Nationen - zu. Es sind daher heute fast ausschließlich Organe der Vereinten Nationen24 oder die unter ihren Auspizien einberufenen internationalen Konferenzen, durch die einer systematischen Durchdringung und Fortbildung des Völkerrechts zurnindestens der Weg gewiesen wird25 . Dieses DenWeg-Weisen wird heute nicht selten auch von der Generalversammlung der Vereinten Nationen wahrgenommen, soweit sie in ihren Resolutionen eine mehr oder weniger einhellige Auffassung der internationalen Gemeinschaft über deren eigene Natur sowie über die sich daraus ergebenden Konsequenzen für deren Recht, also das Völkerrecht, darlegt26. Diese Resolutionen haben zwar bloß Empfehlungscharakter, geben aber immerhin die Richtung an, in die die internationale Gemeinschaft ihr Recht entwickeln will, und enthalten damit oft zurnindestens die Ansätze zu einern sogenannten "soft law..27 . Das Völkerrecht wird aber auch noch von einer anderen Stelle weitergebildet, die dazu zwar - wie auch grundsätzlich anerkannt ist - auch keinen größeren Beruf hat als die Völkerrechtswissenschaft, deren Enuntiationen aber rein faktisch ein besonderes Gewicht zukommt. Diese Stelle sind die internationalen Gerichte und Schiedsgerichte, heute insbesondere der Internationale GerichtshofS . Diese haben sich völlig zurecht, weil ihrer Aufgabe entsprechend, nur selten gescheut, das Bestehen und den Inhalt einer Norm oder eines Grundsatzes, der zur Entscheidung des anhängigen Falles oder zur Beantwortung der gestellten Rechtsfrage notwendig war, mit einer Klarheit auszusprechen, mit der ihn die Doktrin zuvor oft nicht feststellen zu können geglaubt hat. Den internationalen Schiedsgerichts- und Gerichtsentscheidungen29 eignet damit meist eine systematische Klarsicht, wie man sie im Bereich der Wissenschaft oft vermissen muß, für dieselbe aber wünschen könnte. 24 Nach Art. 13 SVN liegt die Kompetenz fil.r die fortschreitende Entwicklung des Völkerrechts und seine KodifIzierung bei der Generalversanunlung; diese bedient sich dazu eines Unterorgans, der ILC. Zu dieser vgl. F. Val/at, International Law Commission EPIL 9 (1986), S. 183 fI. 25 Zur KodifIkation von Völkerrecht vgl. FischerlK6ck (FN. 22), S. 42 fI. 26 Als Beispiel seien hier drei Resolutionen aus dem Jahr 1974 genannt, die sowohl grundlegenden wie wegweisenden Charakter haben. Es handelt sich dabei um die Deklaration über die Errichtung einer Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung (UN-Doc. NRES/320l/S-VI), das Aktionsprogramm über die Errichtung einer Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung (UN-Doc. NRES/3202/S-VI), beide vom l. Mai 1974, sowie die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten (UN-Doc. NRES/328llXXIX) vom 12. Dezember 1974. 27 Der BegrifI stammt von l. Seidl-Hohenveldem; vgl. dazu seine Ausfilhrungen in International Economic Soft Law, RdC 163 (197911), S. 165 fI. 28 Klassisch sind hiezu die Ausfilhrungen von H. Lauterpacht, The development of international law by the International Court (1958); schon zuvor ders., The develoJ'ment of internationallaw by the Permanent Court of International Justice (1934). 2 Lauterpacht, ebd., S. 6, sieht aber auch einen gewichtigen Unterschied im Beitrag internationaler Schiedsgerichte einerseits, des Ständigen Internationalen Gerichtshofs und des Internationalen Gerichtshofs andererseits zur systematischen Darlegung
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e) Zum Verhältnis von Judikatur und Doktrin
Der Aufforderung an die Völkerrechtswissenschaft, sich in dieser Hinsicht an der internationalen Rechts- und Schiedssprechung ein Beispiel zu nehmen, kann auch nicht mit den folgenden Argumenten stichhaltig begegnet werden. Das eine geht dahin, daß sich internationale Schiedsgerichte und Gerichte der Beantwortung einer internationalen Rechtsfrage selbst dort nicht entziehen könnten, wo diese schwer, ja eigentlich gar nicht zu beantworten seeo ; insoweit sei der Wissenschaft ein vergleichsweise bescheideneres und zurückhaltenderes Herangehen angemessener. Dieses Argument geht deshalb ins Leere, weil Bescheidenheit und Zurückhaltung der Völkerrechtswissenschaft schon dadurch inhärent ist, daß sie die von ihr angebotenen Lösungen eben nur anbietet, weil sie sie ohnedies niemandem auferlegen kann. Das andere Argument geht dahin, daß es sich ein internationales Schiedsgericht oder Gericht leisten könne, den Bestand eines bestimmten Grundsatzes oder einer bestimmten Nonn im Völkerrecht zu behaupten, weil ihre Entscheidungen inappellabel seien und daher auch nicht demselben umfassenden Begründungszwang unterlägen wie die Thesen der Völkerrechtswissenschaft3! . Aber auch dieses Argument geht ins Leere, weil aus einer gelegentWld FortbildWlg des Völkerrechts. So ließ seiner MeinWlg nach die SchiedssprechWlg des Ständigen Haager Schiedshofs mangels fester Schiedsrichterbank die notwendige rechtliche Kontinuität vermissen, einer der wichtigsten Gründe dafür, daß im System des VölkerbWldes nicht der Ständige Haager Schiedshof als RechtsprechWlgsorgan übernommen, sondern der Ständige Internationale Gerichtshof geschaffen wurde. 30 Nur im Haya de la Torre-Fall, ICI Reports 1951, S. 71 fI., wurde dem IGH vorgeworfen, sein Urteil laufe auf ein non liquet hinaus, weil er sich geweigert habe, zwischen offenbar konkurrierenden Rechten der Parteien Wlter Bezugnahme auf ein höheres Rechtsprinzip eine EntscheidWlg zu treffen. Ähnliches könnte man auch im Nordsee-Kontinentalsockel-Fall (1969) Wld im Fischerei-Jurisdiktions-Fall (1974) behaupten. Lauterpacht weist aber, ebd.. S. 148, daraufhin, daß sich der IGH im Haya de la Torre-Urteillediglich im Rahmen der ihm von den Streitparteien Wlterbreiteten rechtlichen FragestellWlgen gehalten habe: "[I]f the Parties had desired the Court to give a judgement fmally and Wlequivocally adjudicating upon the issue involved, they had it in their power, at any stage of the dispute, to ask the Court to act in that way. This they failed to do. The Court's attitude ... shows that it does not consider it consistent with its fimction to arrogate to itself jurisdictional powers whose exercise is depending upon the will of the Parties." Die EntscheidWlg des IGH im Haya de la Torre-Fall stellt im übrigen, ebenso wie im Nordsee-Kontinentalsockel-Fall Wld im Fischerei-Jurisdiktions-Fall, schon deshalb kein non liquet dar, weil er ja nicht ausgesprochen hat, es gebe jeweils keine rechtlich begründete LÖSWlg, sondern bloß den Parteien selbst die Wahl zwischen mehreren möglichen, den Ansprüchen beider Seiten gerecht werdenden LÖSWlgen überließ. 3! Lauterpacht (FN. 28) weist aber auf S. 37 ff. ausdrücklich darauf hin, daß sich der StIG Wld der IGH im allgemeinen um eine ausftlhrliche BegründWlg ihrer Urteile Wld Gutachten bemüht hätten, Wld zwar aus zwei Gründen: Einmal, weil ein wohlbegründetes Urteil von den Parteien, insbesondere von jener, welche mit ihren Ansprüchen Wlterlegen sei, leichter akzeptiert würde; zum anderen, weil der Gerichtshof nur
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lieh vielleicht vorhandenen übertriebenen Forschheit internationaler Instanzen noch keine Verpflichtung der Völkerrechtswissenschaft zu ebenso übertriebener Ängstlichkeit abgeleitet werden kann. j) Gegen bloße Deduktion
Freilich muß sich auch der Systematiker bei der Erarbeitung seiner Aussagen über Normen davor hüten, sein System allein deduktiv aus bestimmten vorgegebenen Grundsätzen abzuleiten und die Staatenpraxis mehr oder weniger völlig außer acht zu lassen. Ein derartiges Vorgehen ist vielmehr geeignet, gerechtfertigte Anliegen einer systematischen Dogmatik in Mißkredit zu bringen. i) Die relative Gleichwertigkeit von Lösungsmodellen
Die der internationalen Gemeinschaft als ganzer und ihren einzelnen Gliedern gegebene Gestaltungsfreiheit bei der Ausgestaltung bestimmter Grundsätze darf nämlich nicht übersehen werden; diese Ausgestaltungsfreiheit beruht auf der Einsicht, daß es in vielen Bereichen rechtlich ursprünglich gleichwertige, damit aber sachlich nicht notwendigerweise gleichartige Lösungen gibt. ii) Die realen Vorgaben als sinnvolle Aufgabe
Eine sorgfältige Analyse der Staatenpraxis ist aber nicht nur aus dem gerade genannten, sondern auch noch aus einem anderen Grund notwendig. Viele Probleme werden nämlich nicht schon apriori, sondern erst aposteriori als solche erkannt, nämlich erst dann, wenn sie schon aufgetreten sind. Jedes von der Staatenpraxis her nicht befruchtete System bleibt daher notwendigerweise blutleer und im wahrsten Sinne des Wortes graue Theorie. Nur das gelungene Zusammenwirken beider Faktoren, der profunden Kenntnis des positiven durch ausführliche Begründungen zur Fortbildung des Völkerrechts beitragen könne. Nur in einem Fall, dem Rechtsgutachten betreffend den Griechisch-Bulgarischen "Gemeinschaften"-Streit (1930), PCD, sero B, no. 17, NB no. 37, hat der Gerichtshof von einer ausführlicheren Begründung abgesehen, durchaus nicht zum Vorteil filr die Autorität dieses Gutachtens. Vgl. ebd., S. 43. - Zu diesem Gutachten vgl. R. Bemhardt, Rechtsgutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs, in: K. Strupp/H. J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts (Bd. 3), (1962), S. 37 ff., (S. 44 f.); vgl. auch eh. von Katte, Greco-Bulgarian "Communities" (Advisory opinion), EPIL 2 (1981), S. 122 f.
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Rechtsstoffs und der klaren Vorstellung über seine notwendige Gliederung, garantiert richtige und damit brauchbare Ergebnisse. Gerade der Jubilar, dem diese Festschrift gewidmet ist, hat sich dies in seinen Arbeiten stets besonders angelegen sein lassen32 . Für Art. 103 SVN liegen aber - ebenso wie für Art. 2 Abs. 6 - gerade auch aus jüngster Zeie 3 umfassende Untersuchungen der einschlägigen Praxis vor, so daß wir uns hier vor allem auf den methodischsystematischen Aspekt konzentrieren können.
B. Versuch der Problemlösung über den Zweck der Rechtsordnung Unsere Betrachtung hat davon auszugehen, daß jeder Rechtsordnung zumindest der Friedenszweck eignee 4 . Dieser Friedenszweck ist in allen innerstaatlichen Rechtsordnungen so grundlegend35 , daß er schon auf diesem Wege als Allgemeiner Rechtsgrundsatz ins Völkerrecht rezipiert werden könnte, falls man einerseits seine Anerkennung im positiven Völkerrecht als noch nicht ausreichend universal ansehen und andererseits auf den Rekurs auf die pluralistische Grundlage der internationalen Gemeinschaft lieber verzichten möchte.
I. Pluralistische Zweckbegründung Trotzdem ist an dieser Stelle etwas über den Inhalt dieser pluralistischen Grundlage zu sagen. 1. Der Friedenszweck
Zentral ist auch hier der Friedenszweck, weil nicht angenommen werden kann, daß jemand - sei es im Staat der Einzelne, sei es in der internationalen Gemeinschaft der Staat - bereit ist, sich einer Rechtsordnung zu unterwerfen, 32 Damit folgte der Jubilar dem Vorbild seines Lehrers Alfred Verdross, welcher gerade als "stupender Kenner des positiven Nonnenmaterials" - vgl. die Darstellung seines Lebens und Werkes aus der Feder von St. Verosta in: von der Heydte/SeidlHohenveldemlZemanek (FN. 20), S. 1 ff., (S. 18) - besonders berufen war, die völkerrechtlichen Grundsätze und Nonnen in einem einheitlichen rechtlichen Weltbild zusammenzufassen. Vgl. FN. 16. 33 Nämlich einerseits von Bemhardt (FN. 2), andererseits von Ress (FN. 1). 34 Klassisch hiezu die Ausfilhrungen von A. Verdross über "Die Rechtsidee" und "Das Problem der völkerrechtlichen Grundnonn" in seinem Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 13 ff., (S. 17 ff.). 35 Vgl. nochmals Köck (FN. 19), S. 98 f.
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die ihm keinen ausreichenden Schutz gegen Übergriffe Dritter bietee6 . Dies zeigt gleichzeitig, daß es sich beim Friedenszweck um einen qualifizierten in dem Sinne handeln muß, daß die Erhaltung des Friedens auch in ausreichend effektiver Weise gewährleistet ist. Damit umfaßt der Friedenszweck aber nicht bloß ein Friedensgeboe7 , sondern gleichzeitig auch ein Gebot des Friedensschutzes, also der effektiven Sicherung oder Wiederherstellung des Friedens38 . 2. Der Freiheits- und WohlJahrlszweck
Da die Existenz von Menschen wie von Völkern aber durch bloßen Frieden noch nicht ausreichend garantiert erscheint, sondern auch des Zuganges zu den notwendigen ökonomischen Ressourcen bedarf, um eine entsprechende Entwicklungsmöglichkeit zu bieten, muß das Völkerrecht auch diesen Zugang in ausreichendem Maße garantieren39 . Frieden und ökonomische Ressourcen 36 Dieser Schutz stellt daher fUr den Staat ebenso wie für die internationale Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft die raison d'elre dar. Vgl. ebd, S. 99; vgl. weiters J. Messner, Das Naturrecht - Handbuch der Gesellschaftsethik, Staatsethik und Wirtschaftsethik, IV. Teil: Die Völkergemeinschaft, Kapitel 104: Die Hauptaufgabe des Völkerrechts: Die Friedenssicherung, (7. Aufl. 1984), S. 683 ff. 37 Heute umfassend enthalten in Art. 2 Abs. 4: "Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt." (Absolutes Gewaltverbot). Vgl. dazuA. Randelzho/er, Art. 2 Abs. 4, in: Simma (FN. 1), S. 67 ff. 38 Heute ausgestaltet durch die kollektive Sicherheit im Rahmen der Vereinten Nationen. Vgl. Art. 2 Abs. 5: "Alle Mitglieder leisten den Vereinten Nationen jeglichen Beistand bei jeder MaßnaIune, welche die Organisation im Einklang mit dieser Satzung ergreift; sie leisten einem Staat, gegen den die Organisation Vorbeugungs- oder ZwangsmaßnaIunen ergreift, keinen Beistand." Vgl. dazuJ. A. Frowein, Art. 2 Abs. 5, in: Simma (FN. 1), S. 90 ff. So Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen (MaßnaIunen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen). Vgl. dazu den Kommentar von Frowein zu den Art. 39-43, ebd, S. 559 ff. - Hinsichtlich der Verpflichtung eines dauernd neutralen Mitgliedes, zur kollektiven Sicherheit beizutragen, läßt sich in den letzten Jahren eine gewisse Auffassungswandlung feststellen. Dies zeigt auch ein Vergleich der diesem Thema gewidmeten oder es doch berührenden Arbeiten des Jubilars, dem diese Festschrift gewidmet ist. Vgl. etwa K. Zemanek, Das Problem der Beteiligung des immerwährend neutralen Österreich an Sanktionen der Vereinten Nationen, besonders im Fall Rhodesiens, ZaöRV 28 (1968), S. 16 ff; ders., L'Etat face a l'Organisation mondiale: l'Autriche, in: Actes du IIe Colloque 1972, Faculte de droit, Universite de Geneve, (1973), S. 47 ff. einerseits, andererseits, ders., The Chaotic Status ofthe Laws ofNeutrality, in: hn Dienst an der Gemeinschaft, Festschrift für D. Schindler (1989), S. 443 ff.; ders., Ändert sich das völkerrechtliche Neutralitätsrecht und mit ihm die österreichische Neutralität?, in: ÖJZ 47 (1993), S. 177 ff. 39 Daß sich eine entsprechende Auffassung bereits durchgesetzt hat, zeigt E.-u. Petersmann, International Economic Order, EPIL 8 (1985), S. 336 ff., (S. 341): "'Equitable commodity prices' and a 'new international economic order' have become universally recognized objectives of international economic policy.... Modern international economic low is characterized by increasing recognition 0/ legal principles 0/
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sind aber kein Selbstzweck, sondern nur der äußere Rahmen für die freie Selbstverwirklichung, die im Staat durch ein Mindestmaß an persönlicher Freiheit, im Völkerrecht aber durch das Selbstbestimmungsrecht der Völker40 garantiert werden muß. Effektive Friedenssicherung, gerechte ökonomische Strukturen und das Recht der Völker auf Selbstbestimmung stellen daher die Grundpfeiler der internationalen Ordnung dar. Daß sich in allen wichtigen innerstaatlichen Rechtsordnungen ein zumindestens grundsätzlicher Freiheits- und Wohlfahrtszweck41 findet, kann nicht bestritten werden. Auch diese beiden können daher schon über die Allgemeinen Rechtsgrundsätze auch als Teil der Völkerrechtsordnung angesehen werden. Sie sind aber in verschiedenen ihrer Aspekte auch schon im positiven Völkerrecht verankert. Als Stichworte für den Freiheitszweck mögen hier das schon genannte Selbstbestimmungsrecht42 der Völker, aber auch die Prinzipien der Nichteinmischung43 sowie die souveräne Gleichheit der Staaten44 dienen; für den Wohlfahrtszweck sei einerseits auf den Grundsatz der nationalen Souveränität über die Naturreichtümer45 , andererseits auf den Grundsatz des substantive equality for ensuring equal conditions of competition as weIl as of legal princip1es of solidarity aimed at preventing national measures with harmful extraterritorial effects and at assisting States in overcoming economic difliculties." (S. 341 ff; Hervorhebung durch den Verf.). 40 Vgl. hiezu F. KleinIH. GlossIB. MeissnerlF. MUnchIR. Rehs/Th. Veiter (Hrsg.), Beiträge zu einem System des Selbstbestimmungsrechts (1970); K. Doehring, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Gnmdsatz des Völkerrechts, Berichte der Deutschen Gesellschaft fil.r Völkerrecht 14 (1974), S. 7; F. Ermacora, Die Selbstbestimmungsidee. Thre Entwicklung von 1918-1974 (1977); A. Cassese, The selfdetermination of peoples, in: L. Henkin (Hrsg.), The International Bill of Rights (1981), S. 92 ff.; D. ThUrer, Self-determination, EPIL 8 (1985), S. 470 ff.; H. F. Köck, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, in: H. SchambecklR. Weiler (Hrsg.), Der Mensch ist der Weg der Kirche. Festschrift fil.r Johannes Schasching (1992), S. 305 ff. 41 Vgl. F. Ermacora, Allgemeine Staatslehre (1970), Bd. 1, S. 218 ff., Bd. 2, S. 720 ff.; Messner (FN. 36), welcher auf S. 872 f. vom "allgemeinen Prinzip des größtmöglichen Ausmaßes von Freiheit, das mit dem Gemeinwohl vereinbar ist", spricht, und es mit dem Subsidiaritätsprinzip identifiziert. Zur Wohlfa1Jrtsfunktion des Staates vgl. ebd. S. 857 ff. und S. 859 ff. Uber die Legitimation des Staates aus dem Zweck vgl. auchJ. Isensee, Staat - IV. Rechtfertigung des Staates - 4. Legitimation aus dem Zweck, in: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft (Bd. 5), (1989), S. 147 ff.; vgl. weiters H. Schambeck, Ethik und Staat (1986); ders., Zur Theorie und Interpretation der Gnmdrechte in Österreich, in: R. MachaceklW. Pahr/G. Stadler (Hrsg.), 70 Jahre Republik. Gnmd- und Menschenrechte in Österreich. Gnmdlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen (1991), S. 83 ff. 42 Vgl., FN. 40; vgl. weiters Doehring, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, in: Simma (FN. 1), S. 15 ff. 43 Vgl. zur Übersicht M Schröder, Non-Intervention, Principle of, EPIL 7 (1984), S. 358 ff. 44 Zu diesem Gnmdsatz vgl. den Kommentar von A. Bleckmann zu Art. 2 Abs. 1 in: Simma (FN. 1), S. 37 ff., und die dort (S. 38) angegebene Literatur. 45 Vgl. dazu B. Broms, Natural Resources, Souvereignty over, EPIL 10 (1987), S. 306 ff.
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gemeinsamen Erbes der Menschheit46 hingewiesen, aber auch auf jene Grundsätze, die der Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung47 zugrunde liegen und in der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten48 ihre konkrete Ausgestaltung gefunden haben. Hierher gehören auch die Grundsätze des sogenannten Entwicklungsvölkerrechts49 .
II. Die Zweckrealisierung als Aufgabe der internationalen Gemeinschaft Alle diese Grundsätze können aber nur unter dem Schutz der internationalen Gemeinschaft realisiert werden. Sie begründen damit nicht nur wechselweise Ansprüche der Staaten untereinander, sondern auch einen Anspruch an die internationale Gemeinschaft als ganze, den konkreten Ansprüchen gegebenenfalls zur Durchsetzung zu verhelfen. Was in der internationalen Gemeinschaft bisher zum Schutze des Friedens, zur Herbeifiihrung einer gerechten internationalen Wirtschaftsordnung, zur Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts der Völker sowie der elementarsten Freiheitsrechte der Staaten institutionalisiert worden ist, stellt sich demgegenüber als eine vergleichsweise sehr unvollkommene Ausgestaltung der der internationalen Gemeinschaft als ganzer obliegenden Pflicht dar, fur die Herstellung der gerechten internationalen Friedensordnung zu sorgen50 . Auch die diesbezüglichen, in diesem Zusammenhang relevanten Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen selbst - wie das Gewaltverbot, die friedliche Streitbeilegung und die kollektive Sicherheit -, sind im System der Vereinten Nationen institutionell und verfahrensmäßig nicht ausreichend durchgebildeeI.
Vgl. R. Wolfrum, Common heritage ofmankind, EPIL 8 (1989), S. 65 fT. Vgl. H. GrtJner/A. SchaUer (Hrsg.), Internationale Wirtschaftsordnung (1978); H. Neuhold (Hrsg.), Neue Internationale Wirtschaftsordnung und Österreich (1978), insbesondere P. Fischer, Neue Wege im internationalen Enteignungs- und Entschädigungsrecht?, S. 83 fT.; G. S. Varges, The new international economic order. Legal debate: Background status and alternatives (1983). 48 Vgl. KtJcklFischer (FN. 5), S. 316 f.; E.-u. Petersmann, Charter of Economic Rights and Duties ofStates, EPIL 8 (1985), S. 71 fT. ~9 Vgl. S. K. Chatterjee, International Law of Development, EPIL 9 (1986), S. 198 fT. 50 Fm die Völkerbundzeit vgl. dazu KtJcklFischer (FN. 5), S. 63 fT. und S. 120 tI 51 Vgl. ebd., S. 67 fT., S. 212 fT. und S. 215 ff. 46
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1. Zweckrealisierung und Satzungsinterpretation
Daraus ist zweierlei abzuleiten. Zum einen wären alle Bestimmungen der Satzung, welche den genannten Grundzwecken dienen, möglichst extensiv auszulegen; denn es muß angenommen werden, daß die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen den durch die Organisation angezielten Zweck auch so weit wie nur möglich verwirklicht sehen wollen52 . Zum anderen sind die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft dort, wo sich die Satzung der Vereinten Nationen als noch nicht ausreichend effektives Instrument zur Verwirklichung dieser Grundziele darstellt, gehalten, durch ad hoc zu koordinierendes Zusammenwirken das Erreichen dieser Zwecke zu ermöglichen. 2. Der Beitrag der Nichtmitglieder
Daraus folgt für die Nichtmitglieder der Vereinten Nationen zweierlei. Auch sie sind jedenfalls zur koordinierten Mitwirkung bei der Erreichung der Grundzwecke der internationalen Rechtsgemeinschaft verpflichtet53 , wobei im 52 Lauterpacht (FN. 28) spricht in diesem Zusammenhang von "princip1e of etIectiveness in the interpretation of the Charta" (S. 274 fI.). Im Zusammenhang mit den sogenannten "implied powers" - vgl. dazu H. F. Köck, Die "implied powers" der Europäischen Gemeinschaften als Anwendungsfalls der "implied powers" internationaler Organisationen überhaupt, in: K.-H. Böckstiegel/H.-E. FolzlJ. M. MössnerlK. Zemanek (Hrsg.), Völkerrecht - Recht der Internationalen Organisationen - Weltwirtschaftsrecht. Festschrift für 19naz Seidl-Hohenveldern (1988), S. 279 tI. - hat sich der lGH mehrfach zu diesem Grundsatz der EtIektivität bei der Auslegung der Satzung der Vereinten Nationen bekannt. So sprach er im Rechtsgutachten ErsatzjUr im Dienst der Vereinten Nationen erlittene Schäden (1949), lCJ Reports 1949, S. 174 tI., von "the competence required to enable [the UNs] functions to be efJectively discharged" (auf S. 182; Hervorhebung durch den Verf.). In seinem Rechtsgutachten über die Wirkung von vom Verwaltungsgericht der Vereinten Nationen gefällten Entscheidungen über Entschädigung (1954), lCJ Reports 1954, S. 47 tI., spricht er von einer "capacity ... by necessary intendment out ofthe Charter" (auf S. 57; Hervorhebung durch den Verf.). In seinem Rechtsgutachten über den Internationalen Status von Südwest-Afrika (1950), lCJ Reports 1950, S. 128 tI., leitete der IGH ein Aufsichtsrecht der Vereinten Nationen aus den Rechten der betrotIenen Völker ab: "No such rights of the peoples could be efJectively safeguarded without international supervision." (auf S. 136 f., Hervorhebung durch den Verf.). Schließlich leitete der IGH in seinem Rechtsgutachten betreffend Gewisse Ausgaben der Vereinten Nationen (1962), lCJ Reports 1962, S. 151 tI., aus dem Friedenszweck der Vereinten Nationen das Recht der Generalversammlung bzw. des Sicherheitsrates ab, die Bildung und Entsendung von Friedenstruppen in Krisengebiete zu veranlassen (S. 162 tI.). 53 Graf Vitzthum (FN. 2), S. 98, hält jedenfalls eine über die Satzung hinausgehende gewohnheitsrechtliche Bindung an die Prinzipien in Art. 2 für möglich: "Soweit diese Prinzipien - eventuell sogar als ius cogens - Bestandteile des Völkergewohnheitsrechtes geworden sind, gelten sie natürlich auch für diese Staaten." Art. 2 Abs. 3 und 4 seien jedenfalls zurecht als Ausdruck gewohnheitsrechtlicher Prinzipien zu verstehen.
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Einzelfall zu prüfen ist, ob das auch durch einen spezifischen Beitrag, der wiederum einem spezifischen Status - Z.B. dem der dauernden Neutralitäe 4 entspricht, geleistet werden kann.· Darüber hinaus sind sie aber auch gehalten, die Vereinten Nationen bei ihren Bemühungen um die Verwirklichung dieser Grundzwecke zu unterstützen55 , wenn man nicht überhaupt die Frage stellen will, ob es heute noch angeht, daß sich einzelne Staaten bewußt außerhalb des Kreises der Mitglieder der Vereinten Nationen halten. Zwar kann man wohl von vornherein keine Verpflichtung des einzelnen Staates aufstellen, sich fur dieses oder jenes System der kollektiven Sicherheit zu entscheiden. Ist aber einmal ein solches etabliert, dann erzeugt es eine objektive Wirklichkeit institutioneller Grundzwecke, insbesondere institutioneller Friedenssicherung. Daß dieser Zusammenschluß, welcher sich fur die Nichtmitglieder ursprünglich als bloßes Faktum darstellt, insoweit auch rechtliche Konsequenzen hat, als sie die so geschaffene Wirklichkeit anerkennen müssen, hat der IGH schon früh in seinem Rechtsgutachten Ersatz für im Dienste der Vereinten Nationen erlittene Schäden 56 ausgesprochen. Zwar ging es dort um die objektive Rechtspersönlichkeit der Vereinten Nationen als eine bloße Vorfrage dafur, ob diese befähigt seien, gegenüber einem Nichtmitglied mit der Forderung nach Schadenersatz aufzutreten; es ist aber nicht einzusehen, warum sich diese Wirksamkeit zwar auf Fragen sekundärer Bedeutung, wie z.B. die Fähigkeit, Scha-
54 R. L. Bindschedler, Pennanent Neutrality of States, EPIL 4 (1982), S. 133 fr., meint geradezu, "pennanent neutrality is an example par excellence of a means to preserve peace." (S. 137) - Der Jubilar, dem diese Festschrift gewidmet ist, hat sich immer wieder mit dem Problem der dauernden Neutralität befaßt. In diesem Zusammenhang sei vor allem auf die folgenden seiner Arbeiten, welche sich mit dem Verhältnis dauernder Neutralität und Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen befassen, hingewiesen: K. Zemanek, Dauernd Neutrale Staaten in den Vereinten Nationen, in: Machtpolitik in der heutigen Welt, Bd. 8 der Sozialwissenschaftlichen Studien des Schweizerischen Instituts für Auslandsforschung (1979), S. 153 ff; ders., Dauernd neutrale Staaten in den Vereinten Nationen, ÖZA 18 (1978), S. 265 ff; und ders., Tbe Changing International System: A New Look at Collective Security and Pennanent Neutrality, AJPIL 42 (1991), S. 277 ff. 55 Auf die ursprünglich von H. Kelsen, Tbe Law of the United Nation (1950), auf S. 107 vertretene Auffassung, über Art. 2 Abs. 6 seien auch die Nichtmitglieder mittelbar zur Beachtung der Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen verpflichtet, eine Auffassung, welche sich in der Folge im Schrifttum bisher nicht durchgesetzt hat, greift. Graf Vitzthum (FN. 2), auf S. 98 f. zurück: "Überhaupt sollte die universalistische Sichtweise des Art. 2 Abs. 6, die hinter Kelsens Auffassung steht, nicht isoliert als besonderer Aspekt des Rechts der Vereinten Nationen als einer vertraglich begründeten Staatengemeinschaft gesehen werden: Die Herausbildung und zunehmende Anerkennung von Gemeinschafispflichten und völkerrechtlichem ius cogens zeigen, daß eine individualistische, nur auf die individuellen Rechtspositionen einzelner Staaten bezogene Völkerrechtsauffassung einer neueren Auffassung vom Völkerrecht zu weichen begonnen hat, die den Gemeinschafisaspekt stärker hervorhebt. " (Hervorhebung durch den Verf.). 56 ICJ Reports 1949, S. 174 ff. Vgl. E. Klein, Reparation for injuries suffered in the service ofthe UN (Advisory opinion), EPIL 2 (1981), S. 242 ff.
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denersatz zu fordern, erstrecken sollte, nicht aber auf Fragen so eminenter Bedeutung wie etwa jene der dauernden und effizienten Friedenssicherung;7 .
m. Allgemeiner Satzungsvorrang So betrachtet stellen sich sowohl Art. 2 Abs. 6 als auch Art. 103 als dem Inhalt und Umfang nach äußerst zurückhaltende Formulierungen dar, die eigentlich nur als Teilregelungen der im jeweiligen Artikel angesprochenen Problematik anzusehen sind. Insoweit kommt Art. 103 ein exemplarischer Charakter zu. Dementsprechend kann die in Art. 103 enthaltene Regel zu einer ganz allgemeinen Vorrangbestimmung zugunsten der Satzung im Verhältnis zu allen anderen internationalen Verpflichtungen von Mitgliedern und Nichtmitgliedern ausgedehnt werden. Diese Regel würde dann lauten: "Widersprechen sich die Verpflichtungen, die Mitgliedern und - soweit dies in Betracht kommt, auch - Nichtmitgliedern der Vereinten Nationen aus dieser Satzung erwachsen, und eine ihrer sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen, so haben die Verpflichtungen aus dieser Satzung Vorrang."
1. Kann es satzungswidriges Völkerrecht geben? Um die Bedeutung einer solchen Bestimmung zu erhellen, muß freilich geprüft werden, ob es überhaupt Verpflichtungen aus anderen Rechtsquellen als aus Verträgen geben kann, welche den Verpflichtungen aus der Satzung widersprechen. Diese Frage stellt sich aber in Wahrheit auch schon bei den Verpflichtungen aus Verträgen. Konflikte zwischen Verpflichtungen aus der Satzung und Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften sind nämlich nur dann denkbar, wenn - abgesehen davon, daß es sich um einander widersprechende Verpflichtungen handeln muß - solche Verträge überhaupt neben der Satzung der Vereinten Nationen gültig sein oder doch zumindestens wirksam bestehen können. Können sie dies nämlich nicht, so kann es gar keine den Verpflichtungen aus der Satzung widersprechende Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkommen geben, und Art. 103 müßte dann eigentlich lauten: "Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften, die den Ver. S7 Auch das Urteil des StlG im Wimbledon-Fall (1923), pell, sero A, no. 1, spricht für die Annahme einer objektiven Wirkung einer von einer großen Zahl von Staaten aufgestellten Friedensordnung, im gegenständlichen Fall des Versailler Vertrags von 1919. Vgl. KöckIFischer(FN. 5), S. 132.
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pflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus dieser Satzung widersprechen, sind ungültig. 11 2. Verhältnis von Normen gleicher Stufe
Die Vorrangfrage kann daher erst auftreten, wenn man von der Gültigkeit auch jener Verpflichtungen ausgeht, die in anderen internationalen Übereinkommen enthalten sind und den Verpflichtungen aus der Satzung widersprechen. Das Bestehen einander widersprechender Verpflichtungen aus verschiedenen Verträgen kann aber überhaupt nur dann angenommen werden, wenn man nicht nur die jeweiligen Verträge, in denen sie enthalten sind, als gültig ansieht, sondern diese überdies auch als auf der gleichen Stufe stehend betrachtet. Dies kann aber im Verhältnis zwischen Satzung und anderen völkerrechtlichen Verträgen heute nicht einmal mehr als herrschende Lehre betrachtet werden. 3. UN-Satzung als ius cogens
Um einen Vorrang der Satzung vor anderen völkerrechtlichen Verträgen zu begründen, gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten. Die eine, deren man sich heute noch hauptsächlich bedient, geht dahin, für die Satzung oder Teile derselben oder doch wenigstens für ihre Grundsätze die Qualifikation als völkerrechtliches jus cogens in Anspruch zu nehmen58 . Der Grund hiefür liegt 58 Graf Vitzthum (FN. 2), spricht auf S. 98, wie wir gesehen haben, davon, daß die Prinzipien in Art. 2 "eventuell sogar als ius cogens" Bestandteile des Völkergewohnheitsrechtes geworden seien. A. Randelzhofer, Art. 2 Abs. 4, in: ebd, S. 67 ff., vertritt auf S. 83 die AuffasslUlg, daß Art. 2 Abs. 4 zum ius cogens gehöre. Bemhardt (FN. 2) spricht auf S. 1071 von der Unwirksamkeit "von Verträgen ... , die mit ChartaBestinunlUlgen kollidieren, die ius cogens wiedergeben." - Welche das sind, läßt er freilich offen: "Wieweit das der Fall ist, ist hier nicht näher zu erörtern. Das Gewaltverbot dürfte das markanteste Beispiel sein." - Da nur noch K.-J. Partsch in seinem Kommentar zu Art. 55 lit. c, in: Simma (FN. 1), S. 720 ff., (S. 722), die Frage proft, inwieweit einzelne der nach Art. 55 lit. c zu achtenden lUld zu verwirklichenden Menschenrechte lUld GrlUldfreiheiten als ius cogens anzusehen seien, aber zum Schluß kommt, "daß die Praxis der Vereinten Nationen der BezeichnlUlg von Rechten als 'gflUldlegend' nicht diese besondere BedeutlUlg beimißt", gibt es eine merkwürdige Diskrepanz zwischen der auch sonst im Schrifttum nicht seltenen allgemeinen Reklamation des Ius-cogens-Charakters für einzelne Teile der Satzung einerseits lUld der geringen Bereitschaft andererseits, diesen Charakter bei einer konkreten BestinunlUlg der Satzung festzumachen. Breiten Raum in der Satzung der Vereinten Nationen geben dem ius cogens A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht - Theorie lUld Praxis (3. Aufl. 1984), § 94, wo es heißt: "Art. 103 UN-Charta bestinunt, daß die in ihr verankerten Pflichten der Mitgliedstaaten allen anderen zwischenstaatlichen Vertragspflichten ... vorgehen ... Daraus kann gefolgert werden, daß die jene Pflichten regelnden Normen das ius cogens der Charta bilden, dem weder durch bilaterale, noch durch
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wohl darin, daß mit Art. 53 Wiener Vertragsrechtskonvention 1969 und der darin enthaltenen Definition des ius cogens ein fester positivrechtlicher Anhaltspunkt gegeben ist, auf den die Lehre gerne zuruckgreift59 . Die andere Möglichkeit ist die Begründung des Satzungsvorranges mit deren Eigenschaft als einer formellen Verfassungsurkunde der internationalen Gemeinschaft60 und unter Anwendung der Lehre vorn Stufenbau der Rechtsordnung61 • In diesem Fall ist der Satzungsvorrang schon nach dem Grundsatz lex superior derogat legi inferiori gegeben. 4. UN-Satzung als Verfassung
Die Auffassung von der Satzung der Vereinten Nationen als einer Verfassungsurkunde der internationalen Gemeinschaft ist auf dem Vormarsch62 . Sie solche multilaterale Verträge derogiert werden kann, die nur einen engeren Staatenkreis umfassen. Dieser Vorrang jener Normen der Charta hat darin seinen Grund, daß sie im Interesse der ganzen Staatengemeinschaft erlassen wurden und daher absolute völkerrechtliche Pflichten begründen." (Hervorhebung im Original). 59 Vgl. J. A. Frowein, Die Verpflichtungen erga omnes im Völkerrecht und ihre Durchsetzung, in: R. BernhardtIW. K. Geck (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte. Festschrift fiir Hermann Mosler (1983), S. 891 ff., S. 241 ff.; ders., Jus cogens, EPIL 7 (1984), S. 327 ff. 60 In diesem Sinne sagt auch Graf Vitzthum (FN. 2), auf S. 99: "Sieht man die VN-Charta mit zunehmender tatsächlicher Universalität als Grundordnung oder Verfassung dieser Staatengemeinschaft an, gewinnt der ursprüngliche Kelsen'sche Ansatz wieder an Überzeugungskraft." (Hervorhebung. im Original) - In diesem Sinne sagt auch Bruno Simma im Vorwort zur 3. Aufl. seines ursprünglich gemeinsam mit Alfred Verdross verfaßten Lehr- und Handbuches "Universelles Völkerrecht - Theorie und Praxis" (FN. 58), S. vn f.: "Seitdem die UNO ... nahezu alle Staaten umfaßt und auch die wenigen außerhalb dieser Organisation stehenden Staaten ihre leitenden Grundsätze anerkannt haben, ist ihre Charta zur Verfassung der universellen Staatengemeinschaft aufgerückt. Daher mußte von ihr ausgegangen und das schon vor ihrem Inkrafttreten geltende und von ihr in ihrer Präambel auch grundsätzlich anerkannte Völkerrecht in ihren Rahmen eingebaut werden, da dieses nur mehr insoweit verbindlich ist, als ihm nicht durch Normen der UN-Charta derogiert wird, und daher in deren Licht ausgelegt werden muß." (Hervorhebung durch den Verf.). 61 Zu diesem von AdolfMerkl entwickelten Begriff vgl. vor allem seine Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaues, in: Recht, Staat und Gesellschaft, Festschrift fiir Hans Kelsen zum 50. Geburtstag (1931), S. 252 ff., abgedruckt in: H. KlecatskylR. Marcic/H. Schambeck (Hrsg.), Die Wiener rechtstheoretische Schule Schriften von Hans Kelsen, Adolf Merk!, Alfred Verdross (1968), S. 1311 ff. - Den Stufenbau der Rechtsordnung auch in der Lehre vom Völkerrecht eingeführt zu haben, ist das bleibende Verdienst vonAlfred Verdross. In seinem Werk "Die Verfassung der Völkerrechts gemeinschaft" (vgl. FN. 17), widmet er im Zweiten Abschnitt: "Die Gliederung der Völkerrechtsordnung" diesem Problem den § 13 mit dem Titel "Der völkerrechtliche Stufenbau", S. 42 fI 62 In diesem Sinn spricht GrafVitzthum (FN. 2), S. 99, von der "Regelungsintention der Teilnehmer auf der UNCIO, eine umfassende Friedensordnung auch unter Inpflichtnahme solcher Staaten zu schaffen, die nicht Mitglieder der Vereinten Nationen werden wollten (Schweiz) oder sollten (Feindstaaten, Art. 107)". - Es ist ein Verdienst
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ist zutreffend und überdies besser als die Auffassung von der Satzung als ius cogens geeignet, eine klare Vorrangregel zugunsten der Verpflichtungen aus der Satzung gegenüber Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkommen zu liefern. Argumentiert man nämlich mit dem ius cogens, so ist man gezwungen, in jedem einzelnen Fall zu begründen, warum gerade auch diese Bestimmung in der Satzung so wichtig sein soll, daß es sich dabei um zwingendes Recht handelt. Anerkennt man hingegen den Vorrang der Satzung als Verfassung der internationalen Gemeinschaft, so kommt ihren einzelnen Bestimmungen ein Vorrang schon kraft dieser Qualifikation ZU63 . Tatsächlich weist die in Art. 103 verwendete Formulierung vom Vorrang der Verpflichtungen aus der Satzung darauf hin, daß den Gründern in diesem Zusammenhang eine Art Stufenbau der Rechtsordnung vorgeschwebt haben muß, auch wenn dieser nicht mit Konsequenzen für die Geltung, sondern bloß für den Vorrang formuliert worden ist. Sobald man aber einmal erkannt hat, daß es in einer Rechtsordnung keine wirklichen Antinomien geben kann, dann ist es bis zur Anerkennung der Wirkung des Stufenbaus auch auf die Geltung nur noch ein kleiner Schritt. 5. UN-Satzung und Gewohnheitsrecht
Was wir hier für das Verhältnis von Verpflichtungen aus der Satzung zu Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkommen erarbeitet haben, muß mutatis mutandis auch für Verpflichtungen gelten, die auf dem Gewohnheitsrecht beruhen. Grundsätzlich bestimmt sich der Vorrang zwischen Verpflichtungen aus einem internationalen Übereinkommen einerseits, aus dem Gewohnheitsrecht andererseits nach den allgemeinen juristischen Derogationsregeln. Daher wird bei Normen gleicher Stufe entweder die (stärkere) Lex-posterior-Regel oder die (schwächere) Lex-specialis-Regel zum Zug kommen. Dabei läßt es sich nur nach den Umständen des konkreten Normenkonfliktfalles bestimmen, welche der beiden Regeln Anwendung findet64 • Stehen die miteinander konkurrierenden Normen des Vertrags- bzw. des Gewohnheitsrechts aber nicht auf derselben Stufe, so geht die höhere Norm von Alfred Verdross und Bnmo Simma, mit ihrem 1976 in erster Auflage erschienenem Lehr- und Handbuch "Universelles Völkerrecht - Theorie und Praxis" ein Zeichen gesetzt und den völkerrechtlichen Stoff unter Zugrunde1egung der Satzung der Vereinten Nationen als Verfassung der internationalen Gemeinschaft neu gegliedert zu haben. 63 Auch S. Stadlmeier, Dynamische Interpretation der dauernden Neutralität (1991), S. 234 ff., legt diese Auffassung seiner Lösung des Kollisionsproblerns zwischen Satzungspflichten und Neutralitätspflichten zugunsten der Satzung unter Abstützung auf Art. 103 zugrunde. 64 Vgl. Fischer/Köck (FN. 22), S. 36.
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vor. Das ist fur das Vertragsrecht im Verhältnis zum ius cogens in Art. 53 WVK. ausdrücklich anerkannt6S ; dasselbe muß aber auch für das (zumindest lokale oder regionale) Gewohnheitsrecht im Vergleich zu dem vertraglich fixierten ius cogens gelten66 . a) Hinsichtlich der Mitglieder
Damit ergeben sich fur das Verhältnis gewohnheitsrechtlicher Verpflichtungen zu Verpflichtungen aus der Satzung folgende Möglichkeiten. Gewohnheitsrecht, das aus der Zeit vor der Satzung der Vereinten Nationen stammt und mit dieser unvereinbar ist, muß zwischen den Mitgliedern sowohl nach der Lex-specialis- als auch nach der Lex-posterior-Regel als aufgehoben gelten. Dagegen derogiert allgemeines, von den Mitgliedern der Vereinten Nationen nach der Gründung derselben erzeugtes Gewohnheitsrecht, welches mit der Satzung unvereinbar ist, den mit ihm unvereinbaren Bestimmungen der Satzung jedenfalls in jenem Ausmaß, als es sich dabei nur um institutionelles bzw. formelles Satzungsrecht handelt, und beim materiellen Satzungsrecht jedenfalls zumindestens in jenem Ausmaß, als damit nicht ein völkerrechtliches ius cogens betroffen ist. Daß es ein solches satzungsänderndes Gewohnheitsrecht nicht nur geben kann, sondern auch tatsächlich gibt, ist unbestritten67 . Dem steht auch keine Vorrangregel nach einem Stufenbau der Völkerrechtsordnung entgegen, weil - betrachtet man die Satzung der Vereinten Nationen als Verfassung der Völkergemeinschaft - man satzungsänderndes Gewohnheitsrecht eben als ein auf höherer Stufe stehendes, eben verfassungsänderndes Gewohnheitsrecht ansehen muß. Nach dem in Art. 53 WVK. niedergelegten Ius-cogens-Konzept kann aber auch allen ius cogens beinhaltenden Satzungsbestimmungen wohl schon durch eine gegenteilige Praxis der Mitglieder der Vereinten Nationen derogiert werden, wenn man sie für die Staatengemeinschaft als ganze68 repräsentativ sein läßt. 6S Vgl. ebd, s. 61; P. V/adimir, The legal consequences of confli~t between a treaty and an imperative norm ofgeneral internationallaw (jus cogens), OZöRV 21 (1971), S. 19 fT.; vgl. weiter Ch. L. Rozakis, The Concept of Jus Cogens in the Law of Treaties (1976). 66 Vgl. in diesem Zusammenhang die verschiedenen zum Thema ius cogens 1981 an der Academie de droit international de La Haye gehaltenen Vorlesungen von A. Gomez Robledo, Le ius cogens international: sa genese, sa nature, ses fonetions, RdC 172 (1981 III), S. 9 fT.; L. A. Alexidze, Legal nature of Jus Cogens in contemporary intemationallaw, ebd., S. 219 fI.; G. Gaja, Jus Cogens beyond the Vienna Convention, ebd., S. 271 fI. 67 Vgl. KöckIFischer (FN. 5), S. 159, S. 173 und S. 251. B. Simma und St. Brunner widmen diesem Problem in Zusammenhang mit der Kommentierung von Art. 27 Abs. 3 eine umfängliche Erörterung; vgl. Simma (FN. 1), S. 412 fI. 68 Die in Art. 52 WVK. verwendete Formulierung "Staatengemeinschaft in ihrer Gesamheit" will lediglich das Erfordernis einer moralischen Einstimmigkeit aufstellen,
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b) Hinsichtlich der Nichtmitglieder
Was die Nichtmitglieder der Vereinten Nationen anlangt, so konnte die Satzung ihnen gegenüber älteres, ihr widersprechendes Recht weder nach der Lex-posterior- noch nach der Lex-specialis-Regel außer Kraft setzen. Soweit für sie daher aus der Satzung Verpflichtungen erwachsen, kann der Vorrang derselben vor älterem Gewohnheitsrecht ihnen gegenüber nur mit dem Stufenbau der Rechtsordnung und also - wie weiter oben schon bei Verträgen - nur damit begründet werden, daß die Satzung der Vereinten Nationen nunmehr die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft darstellt, die auch von den Nichtmitgliedern als objektive Wirklichkeit anzuerkennen ist. Hingegen können Nichtmitglieder durch eine satzungswidrige Praxis nicht deren Vorrang vor der Satzung begründen. Dies ist im institutionell-formellen Bereich schon deswegen ausgeschlossen, weil Nichtmitglieder, die arn Leben der Organisation grundsätzlich69 nicht unmittelbar teilhaben, auch für deren Gründungsvertrag keine vertragsändernde Praxis entwickeln können. Das gilt aber auch für das die Nichtmitglieder bindende materielle Recht der Satzung; denn entweder gilt es für sie als Teil der von ihnen zu akzeptierenden Verfassung der Völkergemeinschaft und damit als ein Recht höherer Stufe, dem sie allein durch ihre anders geartete Praxis nicht derogieren können, oder aber es enthält zwingendes Recht, gegen das von ihnen allenfalls gebildetes partikuläres (regionales oder lokales) Gewohnheitsrecht schon rein begriffiich nicht ankommen kann. so daß keineswegs die Zustimmung aller Staaten gefordert ist. Vgl. Fischer/Köck (FN. 22), S. 6l. 69 Die Satzung der Vereinten Nationen sieht freilich selbst ausnahmsweise auch die Teilnahme von Nichtmitgliedern vor. Vgl. Art. 32, demgemäß "Nichtmitgliedstaaten der Vereinten Nationen ... eingeladen [werden], an den Erörterungen des Sicherheitsrats über eine Streitigkeit, mit der dieser befaßt ist, ohne Stimmrecht teilzunehmen, wenn sie Streitparteien sind. Für die Teilnahme eines Nichtmitgliedstaats der Vereinten Nationen setzt der Sicherheitsrat die Bedingungen fest, die er für gerecht hält." Vgl. dazu R. Do/zer, Art. 32, in: Simma (FN. 1), S. 468 ff., besonders ill. Teilnahme von Nichtmitgliedstaaten der Vereinten Nationen, S. 469 f. - Art. 35 Abs. 2: "Ein Nichtmitgliedstaat der Vereinten Nationen kann die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats oder der Generalversammlung auf jede Streitigkeit lenken, in der er Partei ist, wenn er im voraus hinsichtlich dieser Streitigkeiten die in dieser Satzung für eine friedliche Beilegung festgelegten Verpflichtungen annimmt." Vgl. dazu Th. Schweisfurth, Art. 35, ebd, S. 494 ff., besonders VI. Das Initiativrecht der Nichtmitgliedstaaten, S. 499 f. - Art. 93 Abs. 2: "Ein Staat, der nicht Mitglied der Vereinten Nationen ist, kann zu Bedingungen, welche die Generalversammlung jeweils auf Empfehlung des Sicherheitsrats festsetzt, Vertragspartei des Statuts des Internationalen Gerichtshofs werden." Vgl. dazu H. Mos/er, Art. 93, ebd, S. 952 ff. - Überdies können nach der Praxis der Vereinten Nationen Nichtmitglieder auch Dienstleistungen der Vereinten Nationen nach Art. 66 in Anspruch nehmen, werden als Beobachter zur Teilnahme an Sitzungen des Wirtschafts- und Sozialrates eingeladen, nehmen auch an Regionalkommissionen desselben als volle oder assoziierte Mitglieder mit Konsultativstatus teil. 8 Zemandc
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6. UN-Satzung und Allgemeine Rechtsgrundsätze Was schließlich die Allgemeinen Rechtsgrundsätze iSd Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut anlangt, so dienen diese hauptsächlich zur Lückenfüllung und werden nur dann zum Zug kommen, wenn im Völkerrecht keine einschlägige vertragliche oder gewohnheitsrechtliche Norm existiert70 . Wo es daher eine solche Norm bereits gibt - also etwa im Bereich des Rechts der Satzung -, dort ist das Zurückgreifen auf einen Allgemeinen Rechtsgrundsatz weder notwendig noch zulässig, so daß die Frage nach einem Vorrang einander allfallig widersprechender Normen bzw. Grundsätze erst gar nicht auftritt. Ob es aber über das Konzept des Art. 38 Abs. I lit. c IGH-Statut hinaus noch besondere allgemeine, d.h. in allen Rechtsordnungen enthaltene und so grundlegende Rechtprinzipien gibt, daß sie vom Völkerrecht ungeachtet seines jeweiligen positiven Rechts jedenfalls zu respektieren sind, kann hier dahingestellt bleiben; ihre Einbringung in das Völkerrecht könnte wohl nicht auf direktem Weg, sondern nur dadurch geschehen, daß man zeigt, daß sie Teil der pluralistischen Grundlage (auch) des Völkerrechtes sind.
c. Ergebnis Zusammenfassend können wir daher feststellen, daß Art. 103 ebenso wie Art. 2 Abs. 6 lediglich Teilantworten auf die grundlegende Frage geben, welche Stellung der Satzung der Vereinten Nationen in der internationalen Gemeinschaft überhaupt zukommt und wie das Verhältnis anderer Normen des Völkerrechts zu ihr zu bestimmen ist. Dabei sind beide Regelungen - Art. 103 wie Art. 2 Abs. 6 - nur verständlich, wenn man die Satzung als ein Rechtsinstrument betrachtet, dessen Regelungen im Verhältnis zum sonstigen Völkerrecht Vorrang genießen; rur die Mitglieder der Vereinten Nationen überhaupt, fiir die Nichtmitglieder aber jedenfalls in jenem Ausmaß, als dies rur die Realisierung der wesentlichsten Grundsätze der internationalen Gemeinschaft notwendig ist. So betrachtet, stellt sich aber zumindest die Formulierung von Art. 103 als zu eng dar, weil dieser Vorrang dann nicht nur im Verhältnis zu Verpflichtungen aus sonstigen völkerrechtlichen Übereinkommen, sondern auch zu sonstigen anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen gelten muß. Dieser allgemeine Satzungsvorrang fiir Mitglieder, dieser zumindest grundSätzliche Satzungsvorrang auch rur die Nichtmitglieder ist daher systematisch gefordert
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Vgl. Fischer/Köck (FN. 22), S. 41.
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und - fiir die Nichtmitglieder (auch) auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 6 - aus Art. 103 mit der Methode der Analogie71 zu begründen.
71 Die Anwendung der Analogie, also die Übertragung der Regelung eines Tatbestandes auf einen anderen, ihm älmlichen Tatbestand, weil er in den entscheidenden Punkten gleich zu bewerten ist, entspricht der Forderung der Gerechtigkeit, Gleichartiges nicht ungleich, sondern eben gleich zu behandeln. Vgl. Larenz (FN. 13), S. 366. Vgl. auch eh. Dominice, Methodology ofinternationallaw, EPIL 7 (1984), S. 334 fT., (S. 338), der die Auffassung vertritt, die Anwendung der Analogie "is certainly authorized in internationallaw, as practice shows".
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Die Erzeugung ungeschriebenen Völkerrechts: Allgemeine Verunsicherung - klärende Beiträge Karl Zemaneks Von Bruno Simma
A. Einleitung Im folgenden will ich mich einem Thema widmen, das mir Gelegenheit geben wird, zu einigen theoretischen Gedanken Karl Zemaneks Stellung zu nehmen, die ich besonders anregend gefunden habeI. Das Adjektiv "anregend" möchte ich dabei in einem doppelten Sinn verstanden wissen, weil ich mich nicht nur mit Äußerungen des Jubilars auseinandersetzen möchte, die mir Richtung gewiesen und Lösungen aufgezeigt haben, sondern auch mit solchen, die mich zum Widerspruch - oder vielleicht etwas verhaltener, zu Rückfragen - herausfordern. Der wissenschaftliche Untersuchungsgegenstand, dem diese Gedanken gewidmet worden sind, ist das Thema Völkerrechtsquellen, präziser die Frage der Erzeugung ungeschriebenen, d.h. nicht in der Rechtssatzform des Vertrages niedergelegten Völkerrechts. Ich vermeide an dieser Stelle mit Absicht die Verwendung des Begriffs "Völkergewohnheitsrecht" , weil eine der größten Herausforderungen der Theorie der Völkerrechtsquellen ja gerade in der Beantwortung der Frage liegt, bis zu welchem Grad die Entstehung ungeschriebener Völkerrechtssätze durch das Verfahren der Erzeugung von Völkergewohnheitsrecht erklärt werden kann. Mein Ausgangspunkt muß - jedenfalls für einen ordnungsliebenden Positivisten - beunruhigend sein: Der Kreis der Akteure, die sich mit dem Anspruch zu Wort melden, rechtlich relevante Verhaltensnormen für den internationalen Bereich zu formulieren, hat den illustren Zirkel der souveränen Staaten und anderer akzeptierter Völkerrechtssubjekte schon lange gesprengt. Und die immer vielfältigeren Gestalten, in denen (außervertragliche) Völkerrechtssätze - oder Sätze, die dafür ausgegeben werden - heute auftreten, lassen theoretische Bemühungen, all diese Erscheinungsformen nach wie vor unter den Katalog der sogenannten "formellen Völkerrechtsquellen" in Art. 38 des IGHI Diese Gedanken fmden sich in folgenden Beiträgen: K. Zemanek, The United Nations and the Law of Outer Space, in: The Year Book of World Affairs 19 (1965), S. 199 fT.; ders., State Responsibility and Liability, in: W LangIH. NeuholdiK. Zemanek (Hrsg.), Environmental Protection and International Law (1991), S. 187 fT., ders., What is "State practice" and who makes it?, in: Festschrift für R. Bernhardt (im Druck).
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Statuts zu subsumieren, als gezwungen bis gequält, jedenfalls aber alles andere als überzeugend erscheinen. Etwas provozierender fonnuliert: Immer mehr Mitspieler behaupten die Existenz von immer mehr (auch Völkerrechts-) Nonnen, die aus immer mehr Erzeugungsverfahren stammen (sollen), über deren Tauglichkeit immer weniger Übereinstimmung herrscht. Besonders groß ist das Gedränge der Kandidaten an der Eingangstüre zum Völkergewohnheitsrecht, wo die Bekleidungsvorschriften für den Einlaß nach Ansicht vieler Betrachter schon unzumutbar gelockert worden sind. Kein anderer Beobachter hat diese Erosion des überlieferten Verständnisses der Bedingungen der Entstehung und Geltung von Völkergewohnheitsrecht so eindrücklich beschrieben wie R. Jennings, der bezweifelt hat, "whether anybody is going to dissent from the proposition that there has never been a time when there has been so much confusion and doubt about the tests of the validity - or sources - of intemationallaw, than the present. ,,2 Und in der Sache sieht der britische Völkerrechtsgelehrte und -praktiker die Situation des Völkergewohnheitsrechts noch bedrohlicher, wenn er an anderer Stelle ausführt, daß die tradierten Voraussetzungen für den Nachweis von Gewohnheitsrecht "outwom and inadequate" seien3 ; ja, daß "most of what we perversely persist in calling customary international law is not only not customary law: it does not even faintly resemble a customary law. ,,4 Den völkerrechtlichen Praktiker scheinen derartige Selbstzweifel seiner Disziplin bei der Alltagsarbeit wenig anzufechten - aus professionellem Selbsterhaltungstrieb hält er sich - wenn er sich über den Stammbaum der von ihm herangezogenen Völkerrechtssätze überhaupt (noch) Gedanken macht - nach wie vor an die quellentheoretische biblia pauperum des Art. 38 und verdrängt die diese althergebrachte Trinität der Erscheinungsfonnen des Völkerrechts bedrohende, wenn nicht gar zerstörende, Komplexität. Diese Haltung führt deswegen nicht zum Debakel, weil sie allseits verfolgt zu werden und durchaus als lege artis anerkannt zu sein scheint5 . Für eine richtig verstandene Völkerrechtstheorie ist sie jedenfalls nicht angemessen.
2 R. Jennings, What is internationalIawand how do we tell it when we see it?, SchwJIR 37 (1981), S. 60 (auch zitiert bei Zemanek, Festschrift Bernhardt [FN. 1], im Druck). 3 R. Jennings, The Identification of International Law, in: B. Cheng (Hrsg.), International Law: Teaching and Practice (1982), S. 4. 4 Ebd., S. 5. 5 Wie anders könnte es verstanden werden, daß die neueste - von dem gerade mit seinen markanten Aussagen zitierten britischen Gelehrten mitbearbeitete - Auflage des führenden Völkerrechtslehrbuchs in englischer Sprache von seinen insgesamt 1300 Seiten nur etwas mehr als fi1nf dem Völkergewohnheitsrecht widmet und dieses Thema unangekränkelt durch irgendwelche theoretischen Zweifel abhandelt: R.Jennings/A. Watts (Hrsg.), Oppenheim's International Law (Bd. 1/1) (9. Aufl. 1991), S. 25 fT.
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Die folgenden Bemerkungen können nur auf einige Herde theoretischer Unruhe um das Völkergewohnheitsrecht eingehen, die ich anknüpfend an Beiträge des Jubilars ausgewählt habe. Das zentrale Problem ist dabei ohne Zweifel, ob die jedenfalls nominell immer noch herrschende Theorie von den zwei Elementen des Völkergewohnheitsrechts, wenn sie dies jemals getan hat, so doch heute noch als adäquates Erklärungsmodell für Entstehung und VerifIkation gewohnheitsrechtlicher Regeln dienen kann; ob eben diese beiden Vorgänge in praxi überhaupt getrennt werden können6 ; wieviel "Gewohnheit" tatsächlich hinter Gewohnheitsrecht stehen muß; ob der Begriff der "Staatenpraxis", als dem objektiven, materiellen, dieser beiden Elemente, heute unter dem Eindruck neuer und ungleich intensiverer Formen internationaler Kommunikation erweitert werden muß, und, falls dies geschieht, welche eigenständige Rolle dann noch dem zweiten Element, der Rechtsüberzeugung (opinio iuris) verbleibt. Zusarnmengefaßt und zugespitzt: Bis zu welchem Punkt kann das traditionelle, am Wortsinn orientierte Verständnis von Gewohnheitsrecht strapaziert werden, ohne daß seine totale Denaturierung eintritt und im Sinn der Firmenwahrheit eine Umbenennung ratsam wird? Meinem eigenen theoretischen Verständnis entspricht es, bei der Diskussion dieser Fragen nicht zwischen den Gesichtspunkten der Erzeugung von Völkergewohnheitsrecht einerseits und der VerifIzierung seiner Geltung andererseits zu unterscheiden. Diese Trennung ist nur dann geboten, wenn an dem Dogma des Rechtspositivismus festgehalten werden soll, wonach Völker(gewohnheits)recht ausschließlich dem staatlichen Willen entspringt, daß es, mit anderen Worten, schon dann entstanden, "perfekt", ist, wenn die Staaten die von der herkömmlichen Quellentheorie vorgeschriebenen Bewegungen einmal vollzogen haben. Eine derartige Auffassung scheint mir dem rechtstheoretischen Diskussionsstand vor etwa 100 Jahren zu entsprechen. Einer kritischen Betrachtung vermag sie aus vielen Gründen nicht standzuhalten, auf die an anderer Stelle einzugehen sein wird? Im gegenwärtigen Zusammenhang also zurück zu einer rechtspositivistischen Orientierung:
6 Vgl. Jennings (FN. 2): n[I]n international law the questions of whether a rule of customary law exists, and how customary law is made, tend in practice to coalesce. n 7 Vgl. bereits B. Simma, Editorial, EJIL 3 (1992), S. 215 ff. Grundlegend U. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht (1991), S. 156 ff.; ders., Relative Normativity in International Law, EJIL 4 (1993), S. 305 ff.
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B. Die Verunsicherung der Völkergewohnheitsrechtstheorie I. Von der Induktion zur Deduktion An anderer Stelle habe ich davon gesprochen, daß die Theorie des Völkergewohnheitsrechts gegenwärtig in einer schweren Identitätskrise steckt8 . Gemäß traditionellem Verständnis setzte seine Entstehung bzw. Geltung (s. oben) jedenfalls in der Regel die Herausbildung einer allgemeinen, einheitlichen Übung der Staaten voraus, der mehr oder weniger allmählich die Rechtsüberzeugung an die Seite tritt. Beim Nachweis wurde der Akzent jedoch ganz eindeutig auf das Element der Staatenpraxis im Sinne von Realakten gesetzt, faktisches Verhalten zählte aus guten Gründen mehr als Worte. In der Tat scheinen mir auch internationale Gerichte und Schiedsgerichte dabei üblicherweise so vorgegangen zu sein, daß sie aus dem Rohmaterial der Staatenpraxis bestimmte Regelmäßigkeiten aufspürten und dem Faktum dieser Verbreitetheit und Einheitlichkeit dann rechtliche Beweggründe, eben die opinio iuris, "unterlegten" - das Lotus-Urteil des StIGH bildet dafiir ein anschauliches Beispiel9 . Bekanntlich hat die praktische Schwierigkeit, eine von der Übung separate, eigenständige opinio iuris nachzuweisen, zwei der maßgeblichsten Autoren der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, nämlich Kelsen und Guggenheim, in früheren Schriften dazu veranlaßt, die Notwendigkeit dieses subjektiven Elementes in Zweifel zu ziehen1o. Die herrschende Methode der Verifikation von Völkergewohnheitsrecht bekannte sich demnach eindeutig zu einem retrospektiv-induktiven Vorgehen - aus mehr oder weniger solide nachgewiesenen Regelmäßigkeiten der Staatenpraxis in der Vergangenheit zog sie den Schluß auf gesolltes Verhalten auch in Zukunft - sie kann nicht treffender auf den Punkt gebracht werden als in den Worten, in denen Kelsen seine völkerrechtliche Grundnorm formulierte: "[S]tates ought to behave as they have customarily behaved. "lI Damit soll keineswegs behauptet werden, daß in die8 B. SimmaIPh. Alston, The Sources of Human Rights Law: Custom, Jus cogens, and General Principles, AusYIL 12 (1992), S. 82 ff.; B. Simma, International Human Rights and General International Law: a Comparative Analysis, Collected Courses of the Academy ofEuropean Law 1993 (im Druck). 9 PCIJ Reports, sero A, no. 10, S. 1. 10 Vgl. die Nachweise bei A. VerdrosslB. Simma, Universelles Völkerrecht (3. Aufl. 1984), § 550. 11 H. Kelsen, Principles ofIntemational Law (1952), S. 418. Sehr anschaulich auch Richter Koretsky in seiner Dissenting Opinion zu den Urteilen des IGH in den North Sea Continental Shelf-Fällen, IC] Reports 1969, S. 156: herkömmliches Gewohnheitsrecht "turns its face to the past". Vgl. auch aus der Entscheidung einer Kammer des IGH im Gulf 0/ Maine-Fall, IC] Reports 1984, S. 299: "[c]ustomary rules whose presence in the opinio iuris of States can be tested by induction based on the analysis of a sufficiently extensive and convincing practice, and not by deduction from preconceived ideas."
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sem Prozeß der Induktion das normativ ordnende Vorverständnis des Betrachters keine oder nur eine geringe Rolle gespielt habel2, aber es trat jedenfalls in der Begründung kaum offen hervor. In den letzten Jahrzehnten haben sich aber nun die Akzente im Prozeß des Nachweises von Völkergewohnheitsrecht eindeutig verschoben - von der Induktion hin zur Deduktion und, damit notwendig verbunden, von Taten hin zu Worten. Was der amerikanische Völkerrechtler Ted Stein als Prophezeiung formulierte, ist in der Realität bereits weitgehend eingetreten: "[T]he style of reasoning and argument about general international law is going to change from empirical or inductive to principally interpretative.,,13 Dies hat seinen Grund in der unleugbaren Tatsache, daß es zu immer mehr internationalen Lebenssachverhalten, auch wenn diese nicht durch völkerrechtliche Verträge normiert sind, immer mehr Texte gibt, die, ohne per se rechtsverbindlich zu sein, doch so viel Autorität14 besitzen, daß sie legitimerweise (und durchaus lege artis) als Ausgangspunkt, Raster, Argumentationsrahmen für Diskurs und Entscheidung über die Geltung bestimmter völkergewohnheitsrechtlicher Rechtssätze dienen (können). Bestimmte "Deklarationen" der Generalversammlung der Vereinten Nationen bilden die vielleicht berühmtesten Beispiele. Daneben seien die Schlußakte von Helsinki und weitere Dokumente des KSZE-Prozesses, Kodifikationsentwürfe der ILC, Bestimmungen (noch) nicht in Kraft getretener multilateraler Verträge wie z.B. des III. UN See-rechtsübereinkommens, genannt, um nur einige aus einer bunten Vielfalt von Formen zu erwähnen, in denen der multilaterale Prozeß Standards formuliert und entsprechende Verhaltenserwartungen hervorruft. Wenn man so will, können solche Worterrexte das für die Formulierung gewohnheitsrechtlicher Sätze notwendige Vorverständnis bereits in Schriftform zur Verfügung stellen. Damit liegt auf der Hand, daß diese Texte, vorsichtig ausgedrückt, in einem Naheverhältnis zu dem Element der Rechtsüberzeugung stehen: Die opinio iuris kann darin ihren unmittelbaren Ausdruck finden; zumindest aber werden diese Formulierungen, in Übereinstimmung mit dem Grad ihrer Autorität, einen mehr oder weniger entscheidenden Ausgangspunkt für die rechtlichen Überlegungen bilden, von denen sich die Staaten in ihrem tatsächlichen Verhalten leiten lassen. Um nur ein Beispiel zu erwähnen: Heute kommt kaum noch eine völkerrechtliche Stellungnahme oder Rechtfertigung zu Fragen des Gewalt- oder Interventionsverbots oder des Selbstbestimmungsrechts der VölZu dieser Rolle vgl. unten Text bei FN. l6f. T. Stein, Diskussionsbeitrag, in: A. CasseselJ. H. H. Weiler (Hrsg.), Change and Stability in International Law-Making (1988), S. 13 (Hervorhebung im Original). 14 Zu dieser Kategorie H. Miehsler, Zur Autorität von Beschlüssen internationaler Organisationen, in: Ch. Schreuer (Hrsg.), Autorität und internationale Ordnung (1979), S. 35 ff.; wie auch die weitere bei Verdross/Simma (FN. 10), § 656, in FN. 8, genannte Literatur. 12 13
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ker daran vorbei, sich mit der "Friendly Relations"-Deklaration bzw. mit der Angreiferdefinition der UN-Generalversamrnlung auseinanderzusetzen; nicht selten werden diese Texte von offizieller Seite wie geltendes Völkerrecht "gehandelt"ls. Im gegenwärtigen Zusammenhang gehe ich auf die Frage des Einflusses der "Modernisierung" des gewohnheitsrechtlichen Prozesses auf das Element der opinio iuris nicht näher ein. Um jedes Mißverständnis auszuschließen: Ich halte die gerade beschriebene deduktive Vorgangsweise nicht nur für legitim, sondern in gewissem Sinne auch für unumgänglich, um Ordnungsgesichtspunkte und Auswahlkriterien für die "Bewältigung" des Rohmaterials an Staatenpraxis zur Verfügung zu haben. Wie bereits angedeutet ist ein "inductive approach"16 gegenüber dem Völkergewohnheitsrecht ohne den Einsatz solcher "conceptual matrices,,17 ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn dem aber so ist, verdient die ausdrückliche Bezugnahme auf Texte, die dann in den Diskurs um auf Gewohnheitsrecht gestützte Rechtsbehauptungen einfließen können, den Vorzug vor einern weniger oder gar nicht transparent gemachten Vorverständnis.
ll. Metamorphose der "Staatenpraxis"? Die Frage ist nun aber, was im Verlauf dieser deduktiven, interpretativen Verifikation von Völkergewohnheitsrecht mit der realen Staatenpraxis "rund um" die Worte und Texte geschieht. Mit diesem Vorbehalt wende ich mich den problematischen Folgen jenes allgemeinen Kennzeichens der "modernisierten" Gewohnheitsrechtstheorie zu, das darin besteht, das Gewicht von Realakten immer mehr in Richtung auf bloße Worte zu verlagern. Diese Tendenz scheint sich an die Seite zweier anderer Vorgangsweisen zu gesellen, bei denen das Element der Staatenpraxis, bildlich gesprochen, "mißhandelt" wird. Die eine besteht darin, zwar pro forma an der Notwendigkeit des Nachweises einer allgemeinen, die vorforrnulierten Rechtsgedanken in der Praxis auch 15 Ein besonders markantes Beispiel bietet eine Anfragebeantwortung der deutschen Bundesregierung im Bundestag vom 9. September 1982, in der die Rechtsauffassung vertreten wird, daß die durch die Länder erteilte Genehmigung organisierter Sammlungen von Geldbeträgen zum Waffenkauf für eine Befreiungsbewegung durch die "Friendly Relations"- Erklärung verboten sei: ZaöRV 44 (1984), S. 507 ff. 16 Vgl. G. Schwarzenberger, The Inductive Approach to International Law (1965). 17 M. Koskenniemi, The PuB of the Mainstream (Besprechungsaufsatz über Th. Meron, Human Rights and Humanitarian Norms as Customary Law (1989]), Michigan Law Review 88 (1989/90), S. 1952.
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tatsächlich verwirklichenden Übung festzuhalten, bei der Handhabung dieses Nachweises aber mehr oder weniger großzügig vorzugehen. Ein extremes Beispiel derartiger Großzügigkeit bietet das Sachurtell des IGH im NicaraguaFall, wo es in Zusammenhang mit der Bestimmung der auf den Streitfall anwendbaren Gewohnheitsrechtsnormen zwar anfänglich heißt, daß "[t]he mere fact that States declare their recognition of certain rules is not sufficient for the Court to consider these as being part of customary international law ... [T]he Court may not disregard the essential role played by general practice ... [I]n the field of customary international law, the shared view of the parties as to the content of what they regard as the rule is not enough. The Court must satisfy itself that the existence of the rule in the opinio iuris of States is confirmed by practice. ,,18 Diese wiederholte Bekräftigung bleibt aber ein bloßes Lippenbekenntnis, weil der Gerichtshof in der Folge über die reale Praxis der Parteien - zwangsläufig vor allem der Vereinigten Staaten - vollständig hinweggeht. Dafür hatte der Gerichtshof natürlich gute Gründe. Im vorliegenden Zusammenhang sind aber weniger diese maßgeblich als eine doppelte Schlußfolgerung, die aus dem Urteil zu ziehen ist: zum einen, daß es um die Lehre von den zwei konstitutiven Elementen des Völkergewohnheitsrechts schlecht bestellt sein muß, wenn ihre Grundvoraussetzungen selbst von ihrem prominentesten Verfechter, dem IGH, in der praktischen Anwendung so vernachlässigt werden; und ferner, daß Herausbildung wie Geltungsnachweis gerade der zwingenden Grundsätze der modemen Völkerrechtsordnung, ihres ius cogens also, auf - orthodox - gewohnheitsrechtlichem Wege offenbar nur schwer gelingen kann. Auf beide Gesichtspunkte wird noch zurückzukommen sein. Eine zweite Spielart der Mißhandlung der Staatenpraxis geht gegenüber dem Nicaragua-Urteil diametral verschieden vor: Sie leugnet schlicht die weitere Notwendigkeit dieses Elements unter den modemen Bedingungen zwischenstaatlicher Kommunikation. Der Versuch einiger Autoren, in diesem Sinne etwa schon allein die Verabschiedung gewisser Deklarationen mit "normativem" Inhalt durch die UN-Generalversammlung als Verfahren der Erzeugung von - "instant", "pressure-cooked" oder "hothouse custom" anzusehen und genügen zu lassenl9 , ist berühmt geworden. Nach dieser Auffassung hat das Element der Staatenpraxis immer die Funktion (gehabt), den rechtlichen Bindungswillen der Staaten, deren opinio iuris oder Konsens über gesolltes Verhalten, in der 18 Case concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 97 f. 19 Vgl. die Angabe bei Verdross/Simma (FN. 10), § 566, FN. 45; ferner B. Cheng, Custom: The Future ofGeneral State Practice in a Divided World, in: R. St. J. Macdonald/D. M. Johnston (Hrsg.), The Structure and Process of International Law (1983), S.513.
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Außenwelt zu belegen; es stand, wenn man will, im Dienste dieses subjektiven Elements, auf dessen Vorliegen es letztlich entscheidend ankommt. Da nun aber die Entwicklung der Nachrichten- und Verkehrstechnik, der multilateralen Diplomatie und der zwischenstaatlichen Organisationen die Voraussetzungen für einen mehr oder weniger permanenten Fluß internationaler Kommunikation und damit neue, "elegantere", Möglichkeiten auch der Manifestation von Rechtsüberzeugung geschaffen hat, ist der mühsame Weg über die tatsächliche Übung der Staaten heute entbehrlich geworden. Die bedenklichen Konsequenzen dieser Theorie sind zu offensichtlich, als daß ich sie hier im einzelnen ausmalen müßte. In einern Satz zusarnrnengefaßt, reduziert bzw. verwässert sie die Voraussetzungen für den Nachweis der Geltung von Völkergewohnheitsrecht in für praktische Bedürfnisse unerträglichem Maße. Im übrigen scheint ihre Attraktivität mit dem Bedeutungsverlust der UN-Generalversarnrnlung doch recht stark geschwunden zu sein20 .
III. Die Auffassung Karl Zemaneks
Die gegenwärtig herrschende Gewohnheitsrechtstheorie hält demgegenüber an der Voraussetzung einer allgemeinen, einheitlichen Staatenpraxis fest, erweitert dieses Element aber durch Einbeziehung der gerade erwähnten neuen Formen zwischenstaatlicher Kommunikation und Interaktion. Wird dabei mit Augenmaß und Realitätssinn vorgegangen, ist eine solche Erweiterung des Blickfeldes durchaus angebracht. Da es sich bei diesen neuen Phänomenen nicht um Taten im Sinne von völkerrechtlichen Realakten, sondern eben um Worte handelt, bringt Karl Zemanek in seinem Beitrag zur Festschrift für R. Bernhardt die Sache präzise auf den Punkt, wenn er fragt, "whether statements, and not only actions, may be considered State practice"21. Seine empirische Analyse sowohl des in zahlreichen völkerrechtlichen Fachzeitschriften und Jahrbüchern unter der Rubrik (jeweilige nationale) "Praxis" kompilierten Materials als auch der diesen Repertorien zugrunde gelegten Auswahlmethoden faßt Zernanek in der Beobachtung zusammen "that in their interaction and
20 In dieser Hinsicht wird es interessant sein zu beobachten, ob es im Gefolge der seit dem Ende der achtziger-Jahre eingetretenen Dominanz des "Westens" in den politischen Organen der Vereinten Nationen Wld dem Zerfall der (allerdings immer schon relativen) Einheit der EntwicklWlgsländer dortselbst zu einer Neuauflage der AnschauWlg kommen wird, daß die GeneralversarnrnlWlg das normative Korsett der Charta Wld des Art. 38 IGH-Statut gesprengt habe - diesmal aber propagiert von westlichen Autoren. Ansätze derartiger "theoretischer" Chuzpe [rode ich bei J. 1. Chamey, Universal International Law, AJIL 87 (1993), S. 529 ff., (besonders S. 543 tr.). 21 Zemanek, Festschrift Bernhardt (FN. l).
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communication on customary internationallaw States do not confine themselves to dogmatically determined types of acts. They use all forms which serve this purpose, and compilers reflect that in the repertories. It further appears that the material called 'State practice' covers both, manifestations of opinio iuris and State practice in the orthodox sense. The mere 'nature' of the acts helps rarely in distinguishing one from the other or, for that matter, constitutive from confirmatory practice or practice from evidence of it. ,,22 Und weiter: "No hard and fast rule for distinguishing the relevant from the irrelevant can be offered. The evidence seems, however, to suggest that one reliable indicator is perceivable intent, which, in respect of custom, should be tested for consistency. ,,23 Der Verfasser schließt mit folgender Bemerkung: "Whether the resulting product still merits the term 'customary law', which implies tradition and long duration, is open to doubt ... 'Regular conduct corresponding to the current opinio iuris' would seem more appropriate. ,,24 An diesem Beitrag Zemaneks ist nicht nur bemerkenswert, daß er auf solider Empirie anstelle bloßer theoretischer Spekulationen basiert. Bezeichnend erscheint mir auch, daß der Verfasser in seiner Untersuchung des Elements der Staatenpraxis aus dem Kreis der Phänomene multilateraler Diplomatie, die für unseren Gegenstand Bedeutung haben könnten, von vornherein nur Stellungnahmen miteinbezieht, "made by individual States..., either to address a concrete situation and explain their stand on it or to state the position on one or more customary rules in the abstract. ,,25 Keine Berücksichtigung findet also das Abstimmungsverhalten bei der Beschlußfassung in internationalen Organisationen, darunter auch bei der Annahme der in der Literatur strapazierten Deklarationen der Generalversammlung. Daraus kann der Schluß gezogen werden, daß dieses Abstimmungsverhalten auch einem liberaleren Begriff von Staatenpraxis nicht (oder jedenfalls nicht ohne weiteres) zugeordnet werden sollte. Daneben stellt die Untersuchung Zemaneks auch die Künstlichkeit, ja die weitgehende Unhaltbarkeit der Kernthese der Lehre von den zwei Elementen des Völkergewohnheitsrechts heraus, wonach zwischen Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung grundsätzlich unterschieden werden kann und muß. Wenn und in dem Maße, in dem wir, wie es heute geschieht, auch "statements, and
22
Ebd.
23Ebd. 24 Ebd. 25 Ebd.
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not only actions" als Staatenpraxis begreifen, ist dieser Theorie der Boden unter den Füßen entzogen26 . Aus der Schlußbemerkung Zemaneks folgere ich, daß er an der im weiten, "modemen" Sinn verstandenen Staatenpraxis die Merkmale der "tradition and long duration" zu vermissen scheint und diese Elemente als fiir die Entstehung von Gewohnheitsrecht konstitutiv betrachtet. Dies ist jedoch nicht zwingend. Die von Zemanek analysierten neuen Formen zwischenstaatlicher Interaktion und Kommunikation können durchaus jenes Merkmal der Allgemeinheit und Einheitlichkeit aufweisen, wie es für Entstehung bzw. Nachweis von Gewohnheitsrecht gefordert wird. Im übrigen ist dafiir nicht eine länger andauernde Übung per se, sondern nur der Umstand entscheidend, ob diese Praxis die erforderliche "Dichte" erreicht hat, was aufgrund der veränderten faktischen Umstände relativ rasch der Fall sein kann27 • Bedeutsamer an der Schlußbemerkung ist aber, daß Zemanek ungeachtet der Metamorphose des Begriffs der Staatenpraxis und deren Verschmelzung mit dem Element der Rechtsüberzeugung daran festhält, daß nur aus "regular conduct" auf der Faktenseite in Verbindung mit opinio iuris auf das Vorhandensein von Rechtssätzen geschlossen werden darf, welche die herrschende Lehre als gewohnheitsrechtliche bezeichnet.
IV. Völker-"gewohnheits"-recht trotz widersprüchlicher Praxis? Das Beispiel der Menschenrechte Ein solcher Realismus unterscheidet sich wohltuend von einer Auffassung, die sich für den Bestand von Völkergewohnheitsrecht mit dem Nachweis von "paper practice" selbst angesichts widersprechenden realen Verhaltens der Staaten begnügen will. Diese Meinung findet sich gehäuft etwa im menschenrechtlichen Schrifttum, ja sie gibt in US-Völkerrechtskreisen wohl die herrschende Lehre wieder, wenn es darum geht, auch Nichtvertragsstaaten internationaler Konventionen zum Schutze der Menschenrechte einen gewissen Kernbestand dahingehender Verpflichtungen entgegenzuhalten oder die Verletzung eben dieser Verpflichtungen durch ausländische Staatsorgane in Form von Schadensersatzklagen vor amerikanische Gerichte zu bringen28 . Dieser Vgl. auchP.-M. Dupuy, Droit international public (1992), S. 226 ff. Statt aller Verdross/Simma (FN. 10), § 57l. 28 Treffend daher die Kommentierung des Buches eines der einflußreichsten Vertreter der im Text kritisierten Schule, nämlich Th. Meron, Human Rights and Humanitarian Norms as Customary Law (1989), durch Koskenniemi (FN. 17), S. 1951: "One is left with the feeling that Meron's very discussion ... is more intended to show American lawyers how to plead when pressing a human rights case in American courts than to reveal much about intemationallaw. " 26 27
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löbliche Zweck soll dann bedenkliche quellentheoretische Mittel heiligen29 . Als wegen ihres möglichen Einflusses auf die US-Rechtspraxis gewichtigste Stimme in diesem Chor ist das im Jahre 1986 verabschiedete "Restatement of the Foreign Relations Law of the United States" des American Law Institute zu nennen. Nach dessen § 702 soll ein Staat im Gewohnheitsrecht verankerte Völkerrechtspflichten verletzen, "if, as a matter of state policy, it practices, encourages, or condones (a) genocide, (b) slavery or slave trade, (c) the murder or causing the disappearance of individuals, (d) torture or other cmel, inhuman or degrading treatment or punishment, (e) prolonged arbitrary detention, (f) systematic racial discrimination, or (g) a consistent pattern of gross violations of internationally recognized human rights." Nun gleicht diese Aufzählung völkergewohnheitsrechtlicher Verbote fatal der Liste schwerer Menschenrechtsverletzungen, wie sie etwa nach den Jahresberichten von Amnesty International in der Mehrzahl der Staaten mehr oder weniger regelmäßig begangen werden. Auf offizieller, zwischenstaatlicher Ebene steht diesen verabscheuungswürdigen Taten - neben Dutzenden völkerrechtlichen Verträgen, denen ein großer Teil der Staaten jedoch fernzubleiben vorzieht - eine eindrucksvolle Anhäufung verschiedenster einseitiger oder in Gestalt von "soft law" verankerter Ausdrucksformen staatlichen Respekts vor den Menschenrechten gegenüber, die vom "Restatement" denn auch unter der Überschrift "Practice creating customary human rights law" einzeln angeführt werden30 . Der Kommentar zu § 702 läßt zwar noch Spuren einer gewissen theoretischen Verlegenheit erkennen, etwa wenn er davon spricht, daß die universelle Anerkennung der Menschenrechte dem Grundsatz nach und die geschilderte intensive Praxis der internationalen Befassung damit "has led to some readi29 Ich habe meine Einwände gegen die "human rights-as-customary law" -Theorie in den oben FN. 8 genannten Veröffentlichungen ausführlich dargelegt und begnüge mich hier mit einigen knappen Anmerkungen. 30 Vgl. American Law Institute (Hrsg.), Restatement of the Law: The Foreign Relations Law of the United States (Bd. 2), (1987), S. 134 ("Reporter's notes" zu § 702): "Practice accepted as building customary human rights law includes: virtually universal adherence to the United Nations Charter and its human rights provisions, and virtually universal and frequently reiterated acceptance of the Universal Declaration of Human Rights even if only in principle; virtually universal participation of states in the preparation and adoption of international agreements recognizing human rights principles generally or particular rights; the adoption of human rights principles by states in regional organizations in Europe, Latin America, and Africa... ; general support by states for United Nations resolutions declaring, recognizing, invoking, and applying international human rights principles as international law, action by states to conform their national law or practice to standards or principles declared by international bodies, and the incorporation of human rights provisions, directly or by reference, in national constitutions and laws; invocation of human rights principles in national policy, in diplomatie practice, in international organization activities and actions; and other diplomatie communications or action by states reflecting the view that certain practices violate international human rights law, including condemnation and other adverse state reactions to violations by other states. "
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ness to conclude", daß sich die Staaten dadurch gewohnheitsrechtliche Verpflichtungen auferlegt hätten; es gebe eben "some willingness to find", daß es sich bei den unzähligen verbalen oder schriftlichen Bekenntnissen zu den Menschenrechten um Staatenpraxis im Sinne des für die Entstehung von Gewohnheitsrecht konstitutiven Elements handle, wenngleich sich einige Emanationen dieser Praxis von ihren orthodoxen Vorbildern unterschieden31 • Dies ändert aber nichts an dem Gesamtergebnis, wonach trotz des flagranten Auseinanderklaffens von Worten und Taten der Mehrzahl der Staaten das gewünschte Völkergewohnheitsrecht entstanden sei. Difficile est satiram non scribere. Ist die damit beschriebene Vergewaltigung der Theorie des Völkergewohnheitsrechts der einzige Weg, um zum Ergebnis einer Verrechtlichung des "international concern" mit den Menschenrechten auch außerhalb einschlägiger Verträge zu gelangen? Dies ist mit Sicherheit nicht der Fall. An anderer Stelle habe ich selbst aufgezeigt, daß die jahrzehntelang von Staaten und in internationalen Organisationen geübten Verfahren, in Gestalt derer dieser "international concern" nach dem Motto "steter Tropfen höhlt den Stein" den Panzer des einzelstaatlichen domaine reserve zu zersetzen im Begriff ist, voll und ganz den Voraussetzungen an das Element "Staatenpraxis" im Sinne der hergebrachten Gewohnheitsrechtstheorie entsprechen32 . Die Mittel und Wege, in denen ein "droit de regard" an der Respektierung menschenrechtlicher Mindeststandards heute auf bi- wie multilateraler Ebene geltend gemacht wird, können, so meine ich, heute als im Völkergewohnheitsrecht verankert gelten, ohne daß dies denknotwendigerweise auch für die Substanz dieses Mindeststandards zutreffen müßte. Mit anderen Worten: Mir scheint hier eine gedankliche Unterscheidung zwischen dem Inhalt der menschenrechtlichen Normen und Standards, deren Erfüllung bi- wie multilateral eingefordert wird, und der Berechtigung angebracht, ebendies zu tun. Diese Berechtigung sehe ich durch langandauernde, einheitliche Staatenpraxis samt entsprechender Rechtsüberzeugung als völkergewohnheitsrechtlich etabliert an. Dies bedeutet aber beileibe nicht, daß damit auch die Substanz, die Inhalte der menschenrechtlichen Forderungen zu Gewohnheitsrecht erstarkt sein müßten. Staaten können sich, wenn der Bann des Einmischungsarguments einmal gebrochen ist (was eben der Fall ist), auch über die Respektierung von Prinzipien und 31 Vgl. Restatement, ebd. Um ebensolche Zugeständnisse kommen die an der Abfassung des § 702 maßgeblich beteiligten Autoren auch an anderer Stelle nicht vorbei. Vgl. z.B. L. Henkin, International Law: Politics, Values and Functions. General Course on Public International Law, RdC 216 (1989 IV), S. 223: "[T]here has been an unusual disposition to fmd [sie] customary law of human rights"; 0. Schachter, International Law in Theory and Practice, RdC 178 (1982 V), S. 334: "[O]ur question cannot readily be answered on the basis ofthe usual processes of customary law formation" (vgl. auch ebd.t S. 336). 3 Vgl. Simma/Alston (FN. 8), S. 98 ff; Simma (FN. 8).
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Normen auseinandersetzen, die dem außer- (bzw. vor-)rechtlichen Bereich angehören oder aus anderen Völkerrechtsquellen entsprungen sind. Um eben diese inhaltlichen Ansprüche geht es jedoch der hier kritisierten Lehre. Wohlgemerkt: Hier handelt es sich nicht darum, die Spannweite des Begriffs "Staatenpraxis" auf vernünftige Weise an neue Gegebenheiten zwischenstaatlicher Kommunikation und Interaktion anzugleichen. Die Frage ist vielmehr, ob und wie die ausgeprägte Diskrepanz zwischen offizieller Stellungnahme und realem Verhalten in menschenrechtlichen Fragen auf überzeugenderem Wege mit der Annahme gewisser Rechtspflichten - oder, vorsichtiger ausgedrückt, einer gewissen juristischen Stärkung der Menschenrechtsbewegung - versöhnt werden kann. Denn ein so klarer wie verbreiteter Wille in dieser Richtung läßt sich aus der Staaten- und Organisationspraxis zum "international concern" ohne Zweifel ablesen. Das Problem ist nur, daß sich zahlreiche Staaten, die in den menschenrechtlichen Chor auf internationaler Ebene durchaus einstimmen, nicht in der Lage sehen, ihre Beteuerungen zuhause in Taten - oder deren Unterlassen - umzusetzen. Wie kann bei diesem Stand der Dinge allein den Worten rechtsbildende Kraft zuerkannt werden.
c. Quellentheoretische Alternativen L Menschenrechtliche Staatenverpflichtungen in fleTi? In der damit angeprochenen Richtung sind verschiedene Wege erkennbar. Den wohl ZUfÜckhaltendsten Ansatz hat H. Steinberger in einer Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu völkerrechtlichen Fragen in folgenden Worten umrissen: "Das Bekenntnis zu einem menschenrechtlichen Mindeststandard des allgemeinen universalen Völkerrechts ist gewiß in einen labilen Befund der normativen Lage hineingesprochen. Dem Gericht [d.h. dem Bundesverfassungsgericht; der Verfasser] wird nicht verborgen sein, daß die universalen Menschenrechtsdeklarationen und -konventionen, gemessen an der Staatenpraxis als dem wichtigsten Element der Erzeugung völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts, vielerorts bloße Lippenbekenntnisse darstellen. Andererseits kennt die Völkerrechtsordnung bei der Entstehung allgemeinen Völkerrechts Entwicklungsstadien, in denen ein Rechtsgedanke bereits universale Zustimmung gefunden hat, ohne daß er sich durch entsprechend breite Staatenpraxis bereits zur Norm oder zum Prinzip verfestigt hat, gleichwohl aber auf dem Weg dorthin ist und ihm kein prinzipieller Widerspruch mehr seitens der entwickelten Rechtskulturen entgegengebracht wird. In einem solchen normativen Entwicklungsstadium ist es von Völkerrechts wegen zu-
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lässig, wenn ein Staat - etwa durch seine Gerichte handelnd - an einen im Werden begriffenen Normenbefund oder an eine bereits entstandene, in ihrer Geltungsbreite aber gleichwohl noch labile Norm anknüpft und damit zumindest fiir den eigenen Iurisdiktionsbereich Rechtsfolgen verknüpft; er handelt damit nicht mehr ohne völkerrechtliche Rechtsgrundlage und keinesfalls mehr völkerrechtswidrig. ,,33 Steinbergers Schlußfolgerungen werden wohl mit allgemeiner Zustimmung rechnen dürfen; kaum dagegen seine Annahme, daß es sich bei der Verpflichtung auf einen vertragsunabhängigen menschenrechtlichen Mindeststandard erst um Völkerrecht in jieri handelt. Vor allem aber kommen die Thesen Steinbergers dem rechtspolitischen Bedürfnis nach materiellen Respektierungs- und Schutzpflichten nicht entgegen, die Verletzerstaaten auf internationaler Ebene entgegengehalten werden können.
n. Authentische Auslegung Eine häufiger begangene Alternative zu dem Holzweg über das Völkergewohnheitsrecht versucht, die zahlreichen und vielfältigen Ausdrucksformen des "international concern" die Menschenrechte betreffend als Akte oder zumindest Bausteine der authentischen Auslegung der menschenrechtlichen Grundsätze der UN-Charta in den theoretischen Griff zu bekommen34 . Dieser Ansatz wirft schwierige Probleme vor allem der Zuständigkeit zur authentischen Interpretation der Charta und ihrer Abgrenzung gegenüber autoritativen Auslegungsakten und bloßen Normprojektionen auf, mit denen ich mich an dieser Stelle nicht auseinandersetzen kann35 • Doch ein Einwand drängt sich auch dann auf, wenn die Fragen der Kompetenz und Autorität gar nicht vertieft werden: Der Lösungsweg über die authentische Auslegung verliert seine Glaubwürdigkeit jedenfalls dann, wenn die genannte Masse der Worte und Texte, mit denen die Staatengemeinschaft seit nunmehr 50 Iahren menschenrechtliches "standard-setting" betrieben und ihren "international concern" entfaltet hat, als Akte der Auslegung einiger weniger vage und weit formulierter Artikel der Charta verstanden werden soll. Schon in der Allgemeinen Erklärung von 1948 haben die Menschenrechte ein Maß an Präzision erlangt, 33 H. Steinberger, Entwicklungslinien der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu völkerrechtlichen Fragen, ZaöRV 48 (1988), S. 13. 34 Vgl. dazu die in FN. 8 angeführten Arbeiten: Simma/Alston, The Sources of Human Rights Law, S. 100 ff.; Simma, International Human Rights and General international Law (mit weiterführenden Hinweisen). 35 Vgl. gnmdsätzlich zur Abstufung der Autorität von Auslegungsakten Fastenrath, (FN.7), Lücken im Völkerrecht, S. 194 t1
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das nicht als bloße Konkretisierung der Grundsätze der Charta selbst angesehen werden kann36 ; von späteren, immer differenzierteren und weitergehenden Proklamationen und Instrumenten ganz zu schweigen. Damit vermag auch der Weg über die authentische Auslegung keine entscheidende Hilfe zur allgemein-völkerrechtlichen Fundierung menschenrechtlicher Pflichten zu leisten.
m. Karl Zemaneks "modernisierte" allgemeine Rechtsgrundsätze
An diesem Punkt eröffnet uns ein Beitrag, den Karl Zemanek vor 30 Jahren über das Weltraumrecht verfaßt hat, einen nach meinem Dafürhalten überzeugenderen Lösungsweg37 . Zemanek schildert die Aktivitäten der UN-Generalversamrnlung und ihres 1958 eingesetzten Weltraumausschusses, die zur Verabschiedung zweier Resolutionen der Generalversammlung in den Jahren 1961 (Res. 1721 [XVI]) und 1963 (Res. 1962 [XVIII]) führten, in denen Rechtsgrundsätze fiir die Erforschung und Nutzung des Weltraums formuliert wurden. Zum Zeitpunkt der einhelligen - Verabschiedung dieser Deklarationen konnte es sich bei deren Inhalt nach Zemaneks Auffassung noch nicht um Gewohnheitsrecht handeln38 . Aber dies bedeutet fiir Zemanek beileibe nicht das Ende der Diskussion über eine mögliche Rechtsverbindlichkeit der von der Generalversammlung beschlossenen Prinzipien: It ••• [C]ontractual and customary norms are not the only sources of international law. Principles of law are likewise a source of internationallaw to the extent that they are recognised by international society at large, as may be seen from Article 38 (1) (c) of the Statute of the International Court of Justice. Adrnittedly, this provision has so far been interpreted to refer only to principles of municipal law whose general recognition is assumed if they are present in the major legal systems of the world. Hut it is submitted that there can be no inherent reason for interpreting Article 38 (1) (c) ofthe Statute ofthe Court in such a narrow way. The unanimous adoption of the two Declarations by the General Assembly implies that they are an expression of the universal legal conscience ... [39J. The 36 eh. Tomuschat, Vorwort zur Dokumentensanunlung "Menschenrechte" der Deutschen Gesellschaft fiJ.r die Vereinten Nationen (1992), S. 8. 37 Zemanek, The United Nations and the Law of Outer Space (FN. 1). 38 Ebd., S. 201. 39 An dieser Stelle bezieht sich Zemanek auf eine Erklänmg des Vertreters der USA im Ersten Ausschuß der Generalversanunlung anläßlich der Beratung des Entwurfs zu Res. 1962 (XVIII), wonach deren Grundsätze von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen akzeptiertes Völkerrecht zum Ausdruck brächten ("reflect"); vgl. Zemanek,
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vote of all member States cast in favour of these Declarations further implies that these member States recognise the principles contained therein. ... This would appear to make a strong case for suggesting that these principles should be treated as General Principles of Law Recognised by Civilised Nations. ,,40 Zemanek gibt zu, daß die einhellige Verabschiedung der beiden Deklarationen nicht unbedingt bedeutet, daß alle UN-Mitgliedstaaten auch sämtliche darin enthaltenen Grundsätze akzeptiert hätten, denn schließlich konnten beide Deklarationen nur als Ganzes angenommen oder abgelehnt werden. In der Tat hatten etwa bei der Beratung des Entwurfs zu Res. 1962 (XVIII) im Weltraumausschuß zahlreiche Staaten umfangreiche Bedenken zu einzelnen der darin enthaltenen Grundsätze geäußert41 • Dies veranlaßte Zemanek zu folgender Einschränkung: "If legal validity of the principles does not originate in the General Assembly's Resolutions, but rather in the universal legal conscience that they evidence, then they are in turn valid only to the extent to which such a conscience may be shown to exist.... Subsequent protests, habitual non-observance, different stipulations in subsequent conventions, or a divergent evolution of customary roles of international law would, therefore, either indicate a change in the general legal conscience, or be evidence to the effect that such a conscience never existed. ,,42 Zemanek hält jedoch daran fest, daß "as long as such acts are not forthcoming, the act of unanimous adoption by the General Assembly creates a legal presumption that such universal recognition exists, and that the principles set out in Resolutions 1721 (XVI) and 1962 (XVIII) are binding as General Principles of Law Recognised by Civilised Nations. ,,43 Abschließend stellt Zemanek klar, daß diese Grundsätze nicht mit unmittelbar anwendbaren Völkerrechtsnormen gleichgesetzt werden dürfen; vielmehr handle es sich dabei um "abstractions, to be implemented by norms of contractual or customary international law, ... or by a judgement in a given case .... The principles do not, therefore, regulate the behaviour of States in outer space and on celestial bodies, but trace the lines along which the law of outer space, whether contractual or customary, is to develop. It is here that their real importance is to be found. ,,44
ebd., S. 209. Analoge Erklärungen wurden u. a. von Großbritannien und der Sowjetunion abgegeben. Zwückhaltender drückte sich der Vertreter Frankreichs aus; vgl. die Zitate bei E. Schwelb, Neue Etappen der Fortentwicklung des Völkerrechts durch die Vereinten Nationen, AVR 13 (1966/67), S. 38 f. 40 Zemanek, The United Nations and the Law of Outer Space (FN. 1), S. 208 f. 41 Ebd., S. 209. 42 Ebd., S. 209 f. 43 Ebd., S. 210. 44 Ebd. (Hervorhebung im Original). In der Tat hat die Entwicklung des We1trawnrechts vor allem den Weg zum Vertragsrecht genommen; vgl. an erster Stelle den
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Wenn ich die Auffassung vertrete, daß dieser Ansatz, der von Klaus Dicke in eher deskriptivem Zusarnrnenhang45 als "Prinzipienweg" bezeichnet worden ist, also der Weg über ein bestimmtes Verständnis der allgemeinen Rechtsgrundsätze im Sinn von Art. 38 Abs. 1 lit. c des IGH-Statuts auch für die quellentheoretische "Verortung" der Ausdrucksformen des "international concern" mit den Menschenrechten überzeugender ist als deren Deutung als Völkergewohnheitsrecht oder authentische Auslegung, so verkenne ich dabei durchaus nicht den Unterschied zwischen den beiden Regelungsbereichen. Er ist darin zu erblicken, daß die Weltraumprinzipien in eine Situation hinein proklamiert wurden, in der zur tatsächlichen Praxis nur zwei Weltmächte in der Lage waren, und diese Praxis dann auch den beschriebenen Grundsätzen entsprach, während menschenrechtliches "soft law" und Staatenstellungnahrnen vor dem Hintergrund einer - zurückhaltend ausgedrückt - sehr unterschiedlichen realen Staatenpraxis zu würdigen sind. Aber die verbale Anerkennung (auch) als Recht ist hier ebenfalls vorhanden - vielleicht noch geschlossener und drängender als bei den weltraurnrechtlichen Grundsätzen und erlaubt damit die Annahme der Erzeugung von Völkerrecht in einer der Verfahren des Art. 38 IGH-Statut auf dem von unserem Jubilar vorgezeichneten Weg, wenn seiner Auffassung von den "allgemeinen Rechtsgrundsätzen" als (auch) originär völkerrechtlichen Prinzipien gefolgt wird. Gegen eine derart "modernisierte" Lesart spricht natürlich die herrschende Lehre zur lit. c des Art. 38, die ein vielleicht den Bedürfnissen des Jahres 1920 entsprechendes Verständnis "allgemeiner Rechtsgrundsätze" auch um den Preis zunehmender Irrelevanz versteinert. Worum es den Vätern des IGHStatuts aber ging, war, den zukünftigen Gerichtshof nicht offen rechtsetzend tätig werden zu lassen, sondern auch bei Fehlen anwendbarer Regeln des Vertrags- und Gewohnheitsrechts an Rechtsgrundsätze zu binden, die schon eine Objektivierung erfahren haben46 . Der Weg der Analogie zu übereinstimmenden Grundsätzen in foro domestico stellt eine nach wie vor allgemein akzeptierte Möglichkeit einer solchen Objektivierung dar, aber nicht notwendig die allein seligrnachende. Wenn heute in Gestalt unseres "Prinzipienweges" eine zusätzliche Methode zur Verfügung steht, den Konsens der Staatengemeinschaft über bestimmte Rechtsgrundsätze juristisch zum Tragen zu bringen, noch bevor sich, wie Zemanek es ausdrückt, "universal legal conscience" zu echtem - Gewohnheitsrecht oder Verträgen konkretisiert, verhärtet hat, umso Weltrawnvertrag vom 27. Januar 1967, dessen Wortlaut über weite Strecken die Formulierungen der im Text angesprochenen Deklarationen übernommen hat. 45 K. Dicke, Multilateraler Umweltschutz, Vereinte Nationen 32 (1984), S. 100; ausfiihrlicher ders., Völkerrechtspolitik und internationale Rechtsetzung: Grundlagen Verfahren - Entwicklungstendenzen, Zeitschrift ftlr Gesetzgebung 3 (1988), S. 129 11 Vgl. ferner E. Riedel, Standards and Sources. Farewell to the Exc1usivity of the Sources Triad in International Law, EJIL 2 /2 (1991), S. 58 ff. 46 Vgl. Verdross/Simma (FN. 10), § 599.
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besser47 . Der Ansatz über solcherart verstandene allgemeine Rechtsgrundsätze tut jedenfalls deren Konzeption weniger Gewalt an als ein denaturiertes Verständnis von Völkergewohnheitsrecht ohne reale Gewohnheit draußen, in der Welt der Tatsachen.
IV. Brauchbarkeit auch im internationalen Umweltrecht? Vor dem gerade beschriebenen Hintergrund hat mich eine Aussage des Jubilars überrascht, die er jüngst mit besonderem Nachdruck vorgetragen hat: In seinem Referat auf einer Tagung in Wien im Oktober 1990, die dem internationalen Umweltrecht gewidmet war, untersuchte Zemanek die Möglichkeit, die Völkerrechtsregeln über Staatenverantwortlichkeit für rechtswidriges bzw. Haftung für rechtmäßiges Verhalten in effektive Werkzeuge zum Schutz der Umwelt weiterzuentwickeln48 . Als Ausgangspunkt seiner Überlegungen wählte er ein von italienischen Völkerrechtlern im Auftrag ihrer Regierung ausgearbeitetes Dokument über Stand und Entwicklungsmöglichkeiten des völkerrechtlichen Umweltschutzes, das einer Tagung in Siena im Frühling 1990 als Diskussionsgrundlage gedient hatte49 . Dokument wie Tagung waren als völkerrechtliche Vorbereitungsschritte für die UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 gedacht. In § 129 dieses Dokuments findet sich folgende Aussage:" ... [O]n the whole, international practice shows that States have now accepted a general principle of responsibility for environmental harm; that is, the principle that they must answer for environmental damage caused by activities they have carried out or allowed within their own jurisdiction and by activities that are under their own control.,,50 Zemanek verstand den in dieser Passage verwendeten Begriff "responsibility" im Sinne einer echten völkerrechtlichen Verantwortlichkeit5!. Von diesem Standpunkt aus distanzierte er sich mit folgenden Worten entschieden von der Aussage des Dokuments, insbesondere von deren quellen47 Vgl. ausftlhrli.cher die beiden in FN. 8 genannten Quellen: SimmaiAlston,The Sources of Human Rights Law, S. 102 fT.; Simma, International Human Rights and General International Law, bereits früher Verdross/Simma (FN. 10), § 526, § 602, § 606 und § 639. 48 Zemanek, State Responsibility and Liability (FN. 1). 49 Forum on International Law of the Environment, Siena 17-21 April 1990. Introductory Document Prepared by the ltalian Government, (1990). 50 Ebd., S. 53. 51 Obwohl er von den Autoren des Dokuments offenbar nicht in diesem juristisch technischen, sondern im Sirm des allgemeinen Sprachgebrauchs verwendet worden war; vgl. Zemanek, State Responsibility and Liability (FN. 1), S. 188 (FN. 2).
Die Erzeugung ungeschriebenen Völkerrechts
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theoretischer Prämisse: "Although I share the opinion that existing applicable principles of international law, like sovereign equality and inviolability of territory, should and can serve as guidance for the establishment of appropriate rules of international law in the matter, I fail to see the widespread, constant, and consistent practice of States necessary for generating a rule of customary law.... Customary law is neither instant nor does it become operative through scholarly deduction from principles. Scholarly propositions may, and sometimes do, act as stimulant, but unless they are accepted and acted upon by States, they remain what they were, namely the opinions of their authors. ,,52 Da Zemanek zum Thema nur eine widersprüchliche "echte" Staatenpraxis ausmachen konnte, lehnte er die Existenz des in dem Siena-Dokument formulierten Grundsatzes als Völkergewohnheitsrecht ab53 und widmete den Rest seiner Untersuchung den völkerrechtlichen Möglichkeiten de lege ferenda. Im gegenwärtigen Zusammenhang will ich zur rechtsinhaltlichen Aussage Zemaneks gar keine Stellung beziehen. Mich interessiert hier nur ihre quellentheoretische Seite. Und dazu hätte ich eine Wiederaufnahme des im Jahre 1965 skizzierten "Prinzipienwegs" (oder zumindest eine Bezugnahme darauf) erwartet, ja erhofft. Innerhalb des Rahmens einer traditionell-positivistischen Orientierung am Maßstab des Art. 38 IGH-Statut verbleibend, böte sich zweifellos an, das von Zemanek in seiner gewohnheitsrechtlichen Existenz bestrittene Prinzip auf dieselbe Weise als "allgemeiner Rechtsgrundsatz" originär internationaler Herkunft zu begreifen, wie Zemanek selbst dies für die von der UN-Generalversammlung proklamierten Grundsätze über die Erforschung und Nutzung des Weltraums im Anfangsstadium des Weltraumrechts vorgeschlagen hatte, und wie ich dies eben für die allgemein-völkerrechtliche Verankerung eines menschenrechtlichen Mindeststandards postuliert habe. Daß "a general principle of responsibility for environmental harm" - auch im Kontext echter völkerrechtlicher Verantwortlichkeit bzw. Haftung - heute als allgemein anerkannt gelten kann, erscheint mir unleugbar. Das Problem besteht doch wohl eher darin, daß das internationale Umweltrecht in der völkerrechtlichen Haftungsfrage über allgemeine Grundsätze nicht recht hinauszukommen scheint.
Ebd., S. 188. Ebd.; § 129 des Siena-Dokuments spricht allerdings nicht ausdrücklich von einem gewohnheitsrechtlichen Prinzip. 52 53
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Bruno Simrna
D. Schlußbemerkungen Um zu dem von Zemanek 1965 und von mir hier propagierten "modernen" Weg über allgemeine Rechtsgrundsätze als eine erste Stufe der Verrechtlichung von internationalen Verhaltensprinzipien zurückzukehren, so habe ich an anderer Stelle nachzuweisen versucht, daß dieser Ansatz auch ein Erklärungsmodell fiir die Entstehung von völkerrechtlichem ius cogens - besonders markant, aber beileibe nicht ausschließlich auf dem Gebiet der Menschenrechte - bietet, das den rechtssoziologischen Besonderheiten dieser Normkategorie besser entspricht als der Weg über das Völkergewohnheitsrecht54 . Von diesem Punkt ist es dann nicht mehr weit zu einer Auffassung, die eine Begründung der Geltung menschenrechtlicher Verpflichtungen auch im allgemeinen Völkerrecht, in den Rechtssatzfonnen des Art. 38, wie ich sie eben versucht habe, als einigennaßen künstliches, wenn nicht gar gefährliches, Unternehmen ansieht. In den Worten von Martti Koskenniemi: "Some nonns seem so basic, so important, that it is more than slightly artificial to argue that states are legally bound to comply with them simply because there exists an agreement between them to that effect, rather than because, in the words of the International Court of Justice ... , noncompliance would 'shock [ ] the conscience of mankind'... and be contrary to 'elementary considerations of humanity.",55 Und weiter: "[I]t is really our certainty that genocide and torture is illegal that allows us to understand state behaviour and to accept or reject its legal message, not state behaviour itself that allows us to understand that these practices are prohibited by law. '" [I]f we are uncertain of the latter fact, then there is really little in this world we can feel confident about,,56. Meine Wiedergabe der Worte des finnischen Völkerrechtstheoretikers sollte nicht in dem Sinn gedeutet werden, daß ich eine Begründung menschenrechtlicher Sätze in der "Sprache" des Art. 38 IGH-Statut als grundsätzlich überflüssig oder verfehlt ansehe. Das Element des Staatenkonsenses darf nur nicht als das Ende vom Liede erscheinen. Staatenkonsens ist mit dem Konsens der Norminterpreten und -anwender untrennbar verknüpft. Doch das ist eine andere Geschichte.
54 SimmaiAlston, The Sources ofHuman Rights Law (FN. 8), S. 103 fI.; Simma, mternational Human Rights and General mternational Law (im Druck). Im gleichen Sinne auch die Entscheidung eines US-Bundesgerichts aus dem Jahre 1992 im Fall Siderman de Blake v. Republic 01Argentina, 965 F. 2d 699 (9th Cir. 1992), S. 715. 55 Koskenniemi (FN. 17), S. 1946 f. Vgl. auch Henkin (FN. 31), S. 61 f.; Simma, mternational Human Rights and General mternational Law (FN. 8). 56 Koskenniemi, (FN. 17), S. 1952. Über naturrechtliche Argumente in Lehre und IGH-Judikatur zum Thema Völkerrechtsquellen vgl. ausführlich ders., From Apology to Utopia (1989), S. 350 fI.
Das Streitbeilegungsübereinkommen der KSZE: Cui bono? Von Gerhard Hafner
A. Einleitung Vor der Wiener Vertragsrechtskonferenzl - es dürfte während des Sommersemesters 1967 gewesen sein - erörterte Karl Zemanek in seinem völkerrechtlichen Seminar den Entwurf, den die International Law Commission (ILC) als Verhandlungsgrundlage2 :für die Vertragsrechtskonferenz ausgearbeitet hatte. Im Rahmen der Diskussion des Vorbehaltsregimes war der Begriff "object and purpose" zu deuten, der in Nachhall des Rechtsgutachtens des IGH zum Völkermord-Abkommen3 einen wesentlichen Bestandteil des von der ILC vorgeschlagenen Vorbehaltsregimes4 bildete. Zemanek stellte dabei in Frage, ob das Rechtsgutachten nicht auch Art. IX Völkermordabkommen5 , der die obligatorische Gerichtsbarkeit des IGH stipulierte, in "Ziel und Zweck des Vertrages" hätte einbeziehen müssen6 . Schließlich sei es doch das Durchsetzungsverfahren, das einem Vertrag zur Wirkung verhelfe. Wie immer der einzelne zu dieser Frage stehen mag, so beweist diese Fragestellung dennoch, wie sehr Zemanek das Verfahren zur Entscheidung völkerrechtlicher Streitigkeiten zu den Essentialia des Völkerrechts und damit der internationalen Beziehungen zählt.
I Die Konferenz der Vereinten Nationen über das Recht der Verträge fand in Wien in zwei Sessionen statt: 26. März - 24. Mai 1968 Wld 9. April - 22. Mai 1969; siehe hiezu: United Nations Conference on the Law of Treaties, Official Records, Doc. AlCONF.39/l1/Add.2. 2 Draft artic1es on the Law of Treaties with commentaries. Adopted by the International Law Commission at its eighteenth session, in: United Nations Conference on the Law ofTreaties, Official Records, Doc. AlCONF.39/l1/Add.2, S. 7 ff. 3 ICJ Reports 1951, S. 15 ff.; E. Klein, Genocide Convention (Advisory Opinion), EPIL 2 (1981), S. 106 ff. (S. 107 f.); vgl. auch K. Zemanek, Die EntwicklWlg des völkerrechtlichen Vertragsrechts, ÖZöR 6 (1955), S. 378 ff. (S. 387 ff.). 4 Das Vorbehaltsregime, insbesondere seine Mängel, zog auch später das besondere Interesse Zemaneks auf sich; vgl. K. Zemanek, Some Unreso1ved Questions Concerning Reservations in the Vienna Convention on the Law of Treaties, in: Essays in International Law in Honour of Judge M. Lachs (1984), S. 323 ff. (S. 324 ff.) 5 Konvention über die VerhütWlg Wld Bestrafung des Völkermordes, BGBl. 91/1958. 6 ICJ Reports 1951, S. 15 (S. 23 ff.).
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Gerhard Hafuer
In jüngerer Zeit versuchte die KSZE für den europäischen Bereich dem immer wieder beschworenen Mangel eines umfassenden Systems der Streiterledigung durch das "Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE,,7 abzuhelfen.
B. Die Verhandlungen im Rahmen der KSZE L Die Ausgangslage Der Verlauf der Verhandlungen, die zur Verabschiedung dieses Übereinkommens am 10. Dezember 1992 führten, spiegelte ganz deutlich die Divergenzen in grundlegenden Fragen eines obligatorischen Streiterledigungsverfahrens wider. Das Funktionieren jedes internationalen Streitbeilegungsmechanismus setzt ein den Streitparteien gemeinsames Verständnis der von diesen Institutionen anzuwendenden Regeln voraus8 ; dies bestätigt sich darin, daß erst zu jenem Zeitpunkt, als sich die noch vorwiegend europäische Staatengemeinschaft auf gemeinsame grundlegende Rechtspositionen geeinigt hatte, auf den Friedenskonferenzen im Haag 1899 und 1907, tatsächlich die ersten Schritte zur Errichtung eines solchen Systems gesetzt wurden9 . Auf der zweiten Konferenz wurde auch schon die Errichtung eines ständigen Internationalen Gerichtshofs (damals "Weltschiedshof' genannt)10 vorgeschlagenlI, die aber erst nach dem Ersten Weltkrieg verwirklicht wurde. TTOtz dieses Ansatzes war aber der internationalen Gerichtsbarkeit noch kein durchschlagender Erfolg beschieden; selbst die Errichtung des IGH als Hauptorgan der Vereinten Nationen brachte die Staaten nicht dazu, ihre Konflikte in vermehrtem Maße gerichtlich auszutragen. Mehrere Gründe waren hiefür maßgebend: Ein wesentlicher bestand neben der Befürchtung, dadurch an Souveränität einzubüßen12 , darin, daß einflußreiche Staatengruppen angetreten waren, das bestehende Völkerrecht zu änText in: ILM 32 (1993), S. 551 fT. E. H. Carr, The 20 Years' Crisis 1919-1939 (1962), S. 198. 9 J. Dülffer, Regeln gegen den Krieg? Die Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907 in der internationalen Politik (1981), S. 205 ff, S. 300 ff. \0 Ebd., S. 310 ff. Den von den USA vorgeschlagenen Begriff "International High Court of Justice" kritisierte Lammasch als dem Gedanken der "Vereinigten Staaten der Welt" zu nahe stehend; ebd., S. 311. 11 H. Wehberg, Das Problem eines internationalen Staatengerichtshofs (1912), S. 169 ff. 12 Dieses Argument wurde bereits auf der Zweiten Haager Friedenskonferenz gegen eine institutionalisierte Gerichtsbarkeit vorgebracht; Dülffer (FN. 9), S. 311. 7
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Das Streitbeilegllllgsübereinkommen der KSZE: Cui bono?
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dem: so insbesondere die Sowjetunion ab 191713 , unterstützt nach dem Zweiten Weltkrieg von den anderen kommunistischen Staaten, sowie die neuentstandenen Staaten der Dritten Welt im Zuge des Dekolonisierungsprozesses. Da ein Rechtssprechungsorgan dazu berufen ist, bestehendes Völkerrecht anzuwenden und nicht zu ändern14, somit nicht als Instrument des "peaceful change" zu agieren, konnten diese Staaten auch nicht erwarten, ihre Interessen durch den IGH als geschützt zu sehen. Somit war besonders in jenen Bereichen, die am ehesten von Konflikten und der Konfliktbereitschaft der Staaten gezeichnet waren, in den Nord-Süd und Ost-West Beziehungen, die Tätigkeit eines derartigen Streitschlichtungsorgans blockiert, wie es sich auch in der KSZE bestätigte. Schon mit der Ausarbeitung der Helsinki-Schlußakte von 1975 setzte auch im Rahmen der KSZE die Diskussion um ein europäisches Streitschlichtungssystem ein, ausgelöst vor allem durch den von der Schweiz eingebrachten, von ihrem Rechtsberater Rudolf Bindschedler ausgearbeiteten "Entwurf der Delegation der Schweiz für einen Vertrag über ein Europäisches System der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten" (Bindschedler-Entwurf)15 . Die daraus resultierenden Verhandlungen auf den Expertentreffen der KSZE, die - wie es in der Schlußakte von Helsinki von 1975 hieß - zum Zwekke der Ausarbeitung "einer allgemein annehmbaren Methode der friedlichen Regelung von Streitfällen,,16 zuerst im Jahre 1978 nach Montreux, dann im \3 Sie befürchtete insbesondere, daß ein Gericht das kapitalistische Rechtssystem anwenden würde. W. Goralczyk, Changing Attitudes of Central and Eastern European States toward the Judicial Settlement of International Disputes, in: Academie de droit international de la Haye, Le Reglement Pacifique des Differends Internationaux en Europe: Perspectives d'Avenir, Colloque 1990, S. 482 ff.; G. Hafner, Bemühllllgen um ein gesamteuropäisches Streitbeilegoogssystem im Rahmen der KSZE, in: K.-H. BöckstiegellH.-E. FolzlJ. M Mössner/K. Zemanek, Völkerrecht. Recht der Internationalen Weltwirtschaft, FS für Ignaz Seidl-Hohenveldern (1986), S. 147 ff. (S. 162). Gemäß Badinter konnte diese Idee in Europa wegen des Bolschewismus in der UdSSR, des Nationalsozialismus in Deutschland sowie des dadurch verstärkten Nationalismus lllld Totalitarismus nicht durchdringen; R. Badinter, L'Europe du droit, EJIL 411 (1993), S. 15 ff. (S. 17). 14 Auf diese Aufgabe wies insbesondere der Präsident des IGH, Sir Jennings, in seiner Ansprache vor der 6. Kommission der Generalversammlllllg am 5. Oktober 1993 hin. 15 Dok .. CSCEIllIBI1 vom 18. September 1973; H. Miehsler, The European Convention for the Peaceful Settlement of Disputes. Reflections on a Swiss Inititative for Amendment, in: Um Recht lllld Freiheit, FS ftlr F. A v. d. Heydte (1977), S. 335 ff.; K. Ginther, Die Gnmdzüge des schweizerischen Entwurfs eines Vertrages über ein europäisches System der friedlichen Streiter1edigoog, AVR 17 (1978), S. 295 ff.; B. SimmaID. Schenk, Der schweizerische Entwurf eines Vertrages über ein System der friedlichen Streiterledigoog, in: B. SimmalE. Blenk-Knocke (Hrsg.), Zwischen Intervention lllld Zusammenarbeit. Interdisziplinäre Arbeitsergebnisse zur Grlllldfragen der KSZE (1979), S. 363 ff. 16 Text der Schlußakte in: U. Fastenrath (Hrsg.), KSZE: Dokumente der Konferenz über Sicherheit lllld Zusammenarbeit in Europa (1992), Dok. Al, S. 12.
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Jahre 1984 nach Athen einberufen worden waren l7 , wurden jedoch von der Haltung der kommunistischen Staaten weitgehend paralysiert. Eine entscheidende Änderung der Haltung der Staaten zu dieser Frage wurde durch das von Nicaragua gegen die USA im Jahre 1984 vor dem Internationalen Gerichtshof angestrengte Verfahren und das dazu ergangene Urteil lS ausgelöst: Einerseits kehrten sich die USA, dem Beispiel Frankreichs aus dem Jahr 197419 folgend, allmählich von der obligatorischen Gerichtsbarkeit ab, indem sie anläßlich der Klagseinbringung durch Nicaragua ihre Unterwerfungserklärung unter die Zuständigkeit des IGH zuerst betreffend regionale Streitigkeiten in Zentralamerika20 , schließlich hinsichtlich aller Streitfälle21 zurückzogen. Der erste Schritt dieses Rückzugs der USA erfolgte noch während der KSZE-Expertentagung in Athen 1984 22 und manifestierte sich dort darin, daß die USA lediglich nicht-bindende Ergebnisse des Streiterledigungsverfahrens für akzeptabel erklärten23 . Dieser negativen Einstellung zu Verfahren mit rechtsverbindlichen Ergebnissen, an denen Drittparteien beteiligt wären, blieben die USA auch in den späteren Verhandlungen in der KSZE treu und brachten sich dadurch in Gegensatz zu den meisten westeuropäischen Staaten, darunter selbst zu Frankreich24 . Andrerseits begannen die kommunistischen Staaten (wie auch Entwicklungsländer5 ) nach dem Urteil des IGH im Nicaragua-Fall ihre eindeutige Ablehnung der obligatorischen Gerichtsbarkeit des IGH zu überdenken26 , da 17 Zur Entwicklung dieser Diskussionen siehe L. Caflisch, Vers des Mecanismes Pan-Europeens de Reglement Pacifique des Differends, RGDIP 97 (1993), S. 1 ff.; H. Ruiz Fabri, La CSCE et le Reglement Pacifique des Differends: L'Elaboration d'une Methode, AFDI 37 (1991), S. 297 ff.; Ch. Leben, La Creation d'une Organisme pour le Relflement des Differends, RGDIP 95 (1991), S. 857; Hafoer (FN. 13). 8 ICJ Reports 1984, S. 392. 19 Frankreich zog seine gemäß Art. 36 Abs. 2 des Statuts des IGH 1966 abgegebene Unterwerfungserklärung mit Wirkung vom 10. Jänner 1974 zurück; siehe Sh. Rosenne, Documents on the International Court of Justice (1979), S. 371. 20 Erklärung vom 6. April 1984 (zitiert in ICJ Reports 1984, S. 398). 21 Erklärung vom 7. Okober 1985, abgedruckt in: ILM 24 (1985), S. 1742. 22 Die Tagung dauerte vom 21. März bis 30. April 1984. 23 Hafoer (FN. 13), S. 154. 24 Frankreich betonte insbesondere die Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit. 25 Hiefür ist die "Dec1aration of the Ministers of Foreign Affairs of the Movement of Non-Aligned Countries Meeting in The Hague to Discuss the Issue of Peace and Ru1e ofLaw in International Affairs" vom 29. Juni 1989 bezeichnend; wenn auch die Aufforderung des urspilnglichen Entwurfs an die Non-Aligned Staaten, die obligatorische Jurisdiktion des IGH anzuerkennen, fallen gelassen werden mußte, so blieb dennoch im endgültigen Text ein Verweis auf die Rolle des IGH bestehen; J.J. Quintana, The Hague Declaration and the Acceptance of the Compulsory Jurisdiction of the international Court of Justice: A Missed Opportunity? in: M Erus/S. Muller/S. Wiemers (Hr~.),.The Unit~d Natio~s Decad~ oflntern~~onal Law (19?0), S. 43 ff. (S. 44 ff.). 2 Die Kenntnis von dieser beglnnenden Anderung und ihre Rückfilhrung auf das Nicaragua-Urteil des IGH beruht auf persönlichen Gesprächen des Autors mit Vertretern sozialistischer (kommunistischer) Staaten.
Das Streitbeilegungsübereinkommen der KSZE: Cui bono?
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sie dieses als Nachweis dafür interpretierten, daß der Gerichtshof das anzuwendende Völkerrecht - anders als im Urteil in der 2. Phase des WestafrikaFalles - nicht ausschließlich im Interesse von westlichen Industriestaaten verstand. Die schließlich von Michail S. Gorbatschow bestimmte neue Ausrichtung der Sowjetunion gegenüber dem IGH27 bestätigte diese Tendenz zur vermehrten Akzeptanz bindender Streitschlichtung oder zumindest von Drittparteiverfahren. Diese neue Haltung fiihrte zusammen mit der inzwischen eingetretenen Entwicklung Osteuropas, dem beginnenden Zusammenbruch jenes Systems, das aus grundsätzlichen Motiven gegen Drittparteiverfahren gerichtet war, zu einer grundsätzlichen Änderung der sowjetischen Haltung noch auf dem Wiener Folgetreffen28 . Im Abschließenden Dokument des Wiener Folgetreffens akzeptierte die Sowjetunion bereits - im Gegensatz zu den Schlußempfehlungen des Athener Treffens von 1984 - "grundsätzlich die obligatorische Hinzuziehung einer Drittpartei, wenn ein Streitfall durch andere friedliche Mittel nicht beigelegt werden kann ... 29 Dementsprechend wurde für das Frühjahr 1991 eine neue Runde von Expertengesprächen in Valletta (Malta) angesetzt30 .
II. Das Expertentreffen in Valletta Das Treffen in Valletta vorn 15. Jänner bis 8. Februar 1991 war insbesondere davon geprägt, daß mit Ende des Kalten Krieges die für die früheren Expertentreffen charakteristische Dreiteilung der Teilnehmerstaaten in westliche, östliche und N+N (neutral and non-aligned) Staaten weggefallen war3l . Doch zeigte sich die frühere N+N Gruppe in neuer Gestalt als eine Gruppe der 27 G. Shinkaretskaya, A Changing Attitude towards International Adjudication in the Soviet Union, in: BruslMullerlWiemers (FN. 25), S. 62 ff.; G6ralczyk (FN. 13), S. 488 ff. 28 Siehe dazu: St. Lehne, The Vienna Meeting of the Conference on Security and Coo~ation in Europe, 1986 - 1989 (1991), S. 180. 2 Punkt 6 des Abschließenden Dokuments, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. B.3, S.6. 30 Punkt 7 des Abschließenden Dokuments; Text ebd., S. 6; Anhang I des Abschließenden Dokuments des Wiener Folgetreffens legte die näheren Details dieses Treffens fest. Diese Absicht wurde in der Charta von Paris filr ein neues Europa bekräftigt; Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. A2, S. 4. 31 St. Lehne, The CSCE in the 1990s. Common European House or Poternkin Village? (1991), S. 18; G. Hafner, Neutral and Non-Aligned Countries in the Processes of Pan-European Institutionalization, in: Peace and the Sciences (1991), S. 31 ff. Während der Tagung wurde diese Änderung besonders darin deutlich, daß der Vertreter eines NATO-Staates als einer der beiden Koordinatoren bestellt wurde; H. Hillgenberg, Der KSZE-Mechanismus zur friedlichen Regelung von Streitfällen, GYIL 34 (1991), S. 128.
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mittleren und kleineren Staaten einschließlich einiger Staaten des früheren Ostblocks, die ihren Zusammenhalt nicht aus der früheren Funktion als Vermittler, sondern aus ihrem gemeinsamen Interesse an einer Drittparteiregelung schöpfte32 . Obwohl aufgrund der politischen Entwicklung nunmehr bessere Aussichten für eine Einigung auf ein obligatorisches Drittparteiverfahren bestanden und entsprechende Vorschläge eingebracht wurden, konnte auf diesem Treffen dennoch kein Vertrag über klassische Mittel der Streiterledigung durch Drittparteien, sondern lediglich ein rechtlich nicht bindendes Dokument vereinbart werden. Ein Schweizer Entwurf, der sich weitgehend am "Bindschedler-Entwurf' aus dem Jahr 1973 ausrichtete und vor allem von den mittleren und kleineren Staaten mitgetragen W~3, fand nicht die Zustimmung der größeren Staaten. Vielmehr hatte es den Anschein, als wären die westlichen Staaten plötzlich von der Aussicht, tatsächlich mit einem obligatorischen Drittparteiverfahren konfrontiert zu sein, das sie in der Zeit der Ost-West Spannungen noch vehement gefordert hatten, überrascht. Insbesondere die frühere westliche Hauptrnacht, die USA, lehnte in Weiterführung ihrer Haltung während des Treffens in Athen jede vertragliche Bindung und Festlegung eines einheitlichen Drittparteiverfahrens in Form einer Schiedsgerichtsbarkeit als zu rigid ab34 • Das Ergebnis von Valletta35 besteht deshalb in einem komplexen, mit zahlreichen Ausnahmen versehenen Verfahren. In dessen erster Phase soll den Streitparteien zu einem ihnen akzeptablen Verfahren verholfen werden, wogegen erst in der zweiten Phase, sollten diese Vorschläge erfolglos bleiben, der Mechanismus, d.h. die befaßte Einheit, meritorische Ratschläge erstatten darf. Dieses Verfahren, dessen Rechtsqualität insofern im Rahmen der KSZEVerpflichtungen blieb, als es keine Vertragsform erlangte, wird von vielen wegen seiner Ausnahmen36 im sachlichen Geltungsbereich als unzureichend 32 So war der Vorschlag der Schweiz über ein Vergleichs- und Schiedsverfahren von Liechtenstein, Österreich, Polen, der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Re~ublik, Zypern, San Marino und Jugoslawien miteinbracht (Dok. CSCEIPSDV 1). 3 Siehe FN. 32. 34 Die USA warf in die Diskussion insbesondere die Vorstellung eines "facilitators" ein, der entweder gute Dienste leisten, als Vennittler tätig werden oder einen Vergleich bewirken sollte (Dok. C~CEIPSDV 3); siehe hiezu Bilder, der von "facilitative techniques" spricht, R. B. Bilder, International Third Party Dispute Settlement, Denver Journal of International Law and Policy 17 (1989), Nr. 3, S. 471 tT. (S. 497); B. 1. Spector/A. R. Korola, Facilitative Mediation in International Disputes: From Research to Practical Application, IIASA WP-92-l6 (1992), S. 5 tT. 35 Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. E.l. Siehe dazu: K. Oellers-Frahm, Die obligatorische Komponente in der Streitbeilegung im Ralunen der KSZE, ZaöRV 51 (1991), S. 71 tT.; Ruiz Fahri (FN. 17), S. 302 tT.; Leben (FN. 17), S. 860 tT.; Caflisch (FN. 17), S. 10 tT.; Lehne (FN. 28), S. 31 f.; Hillgenberg (FN. 31), S. 128 tT. 36 Zu den Valletta-Ausnahmen siehe unten, Abschnitt C.ll.2.c).
Das Streitbeilegungsübereinkonunen der KSZE: Cui bono?
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bezeichnee7 . Trotz seiner Ausnahmen gilt es jedoch insofern als akzeptabees, da als Sicherheitsnetz immer noch die Möglichkeit verbleibt, den Ausschuß Höherer Beamter (AHB) jederzeit, vor allem bei Scheitern der Bemühungen dieses Mechanismus oder Mißachtung seiner Vorschläge, mit einer Angelegenheit zu befassen, die für Frieden, Sicherheit oder Stabilität unter den Teilnehmerstaaten von Bedeutung ise 9 .
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Der Weg nach Genf
Seit Ende des Treffens in Valletta wurde die politische Landkarte Europas mit der Auflösung des östlichen Bündnissystems und dem Zerfall einiger Staaten des früheren Ostblocks in kleinere Staaten noch weiteren Änderungen unterworfen40 . Statt intersystemaren Konflikten, die schon wegen ihrer globalen Dimension kaum einem Gerichtsverfahren unterworfen worden wären, können nunmehr begrenzte überschaubare Konflikte erwartet werden, die einer derartigen Streiterledigung zugänglich erscheinen41 . Das intersystemare Ost-West Spannungsverhältnis, das zu früheren Zeiten jeden Versuch einer internationalen Gerichtsbarkeit ausgeschlossen hatte, wich nun der Ausdehnung eines einheitlichen Regelungssystems auf die gesamte KSZE-Region. Unter diesen Umständen kann eine Streitpartei kaum mehr auf Rechtsänderung, sondern nur auf die Anwendung des geltenden Rechts drängen. Denn mangels antagonistischer ideologischer Bündnisse hätte sie nur mehr wenig Chancen auf Unterstützung ihres Standpunkts durch ideologische Bündnispartner; vielmehr müßte diese Unterstützung nunmehr durch die allgemeine Akzeptanz der anzuwendenden Standards, d.h. der Gesamtheit von Völkerrecht und KSZE-Verpflichtungen, ersetzt werden. Somit wurde angenommen, daß nicht nur eine Übereinstimmung über die in den Beziehungen zwischen den KSZE-Staaten anwendbaren Standards bereits feststehe, sondern Konflikte in diesen internationalen Beziehungen der Beurteilung durch Richter (wenn auch in der Form von Schiedsgerichten) gemäß dieser Standards überlassen werden könnten. Davon wurde auch eine
Caflisch (FN. 17), S. 12. Oellers-Frahm (FN. 35), S. 80. 39 Abschnitt TI; gemäß Hillgenberg könnte dann kein Teilnehmerstaat die Aufnahme auf die Tagesordnung des AHB verhindern; ders. (FN. 31), S. 130; anderer Ansicht Leben (FN. 17), S. 867. 40 Vgl. L. Caflisch (FN. 17), S. 12. 41 Muller und Brus verweisen hiebei auf die Ansicht Fukuyamas; S. Mullerl M. Brus, The Decade of International Law: Idealist Dream or Realist Perspective? in: BruslMullerlWiemers (FN. 25), S. 3. 37 38
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Stabilisierung der inzwischen eingetretenen Veränderungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen in Europa erhofft42 . Diese Ansicht von der "Herrschaft des Rechts" manifestierte sich später auch bei dem Versuch, durch ein "Schiedsgerichtsverfahren" im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien zu lösen43 . Mit dieser insbesondere von Frankreich, in der Person von Robert Badinter, ausgehenden Überzeugung44 und unter Berufung auf die EvolutivKlausel im Valletta-Mechanismus wurde ein neuer Anstoß zur Verfestigung des "Rechtsgedankens durch richterliche Entscheidungen" in der KSZE gemacht. Badinter stützte sich dabei auf die Überlegung, daß es leichter sei, in einem konkreten Fall den darauf anzuwendenden Standard festzustellen, als diesen generell zu formulieren45 . Anläßlich dieses erneuten Anstoßes stellt sich jedoch von neuem die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines derartigen Unterfangens, zumal den Staaten derzeit eine Vielzahl von Rechtsprechungsinstanzen zur Verfügung steht, angefangen vom Ständigen Schiedshof im Haag bis zum Internationalen Gerichtshof, zusätzlich zu den in unzähligen Vertragsklauseln vorgesehenen Schiedsgerichten und ähnlichen Mechanismen46 . Die Reaktion der Staaten auf diesen neuen Anstoß richtete sich aber offensichtlich nicht so sehr danach, ob diese Initiative, sondern vielmehr danach, ob ihre Ablehnung sinnvoll erschien. So war zu befürchten, daß eine Ablehnung ausgelegt werden könnte, als wollten die Staaten keine gerichtliche Entscheidung über ihre zwischenstaatlichen Streitigkeiten und wiesen das Völkerrecht oder gemeinsame Standards als Maßstab ihres Handeins zurück. Ein anderer Grund für eine Zustimmung bestand allerdings darin, daß nun auch positive Signale von jenen Staaten gesetzt wurden, die bisher derartigen Instrumenten kritisch und ablehnend gegenüber gestanden waren47 . Da weMullerlBrus, (FN. 25), S. 4. A. Pellet, The Opinions ofthe Badinter Arbitration Committee. A Second Breath for the Self-Deterrnination of Peoples, EJIL 3/1 (1992), S. 181; Caflisch bezeichnet überhaupt die jugoslawische Krise als Katalysator filr diesen neuen Vorstoß Badinters; CafJisch (FN. 17), S. 13. 44 Badinter (FN. 13), S. 15 ff 45 Badinter geht davon aus, daß das anwendbare Rege1ungssystem durch die Gerichts-instanzen leichter geschaffen werden könnte, da diese Rechtsschöpfung "permet de pallier la difficulte inherente ä retablissement d'instruments conventionne1s sur des sujets sensibles", Badinter (FN. 13), S. 18. 46 Siehe Office of Legal Mairs, Codification Division, Handbook on the Peaceful Settlement of Disputes between States (1992). 47 Dies gilt insbesondere fur die ehemaligen sozialistischen (kommunistischen) Staaten; so unterstützten u.a. folgende Staaten den Entwurf eines Übereinkommens vom 3. Juli 1992 (Dok. CSCElHM/6): Albanien, Bulgarien, Polen, Rumänien, die Russische Föderation, die Tschechische und Slowakische Föderative Republik und 42 43
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der eine generelle Unterwerfung unter die obligatorische Zuständigkeit des IGH noch ein Beitritt zum Europäischen Übereinkommen zur friedlichen Streitbeilegung48 von ihnen erwartet werden konnte, homen die westlichen Staaten, über diese neuen Mechanismen die Beziehungen zu jenen Staaten einer obligatorischen Gerichtsbarkeit unterwerfen zu können. Wie die Miteinbringerschaft von den entsprechenden Vorschlägen49 beweist, waren auch frühere Republiken der UdSSR, die selbständig geworden waren, interessiert, die Beziehungen untereinander einem derartigen als Kontrolle verstandenen Verfahren zu unterwerfen und daraus Schutz zu gewinnen. Demgegenüber behielten aber größere Staaten, wie die USA und Großbritannien50 , ihre ablehnende Haltung gegenüber dieser Vertragslösung bei. IV. Das Genfer Treffen
Überzeugt davon, daß Europa eines neuen, bloß regionalen Mechanismus mit einer Betonung des Vergleichsverfahrens bedürfe, wandte sich Badinter an den französischen Staatspräsidenten Franr;ois Mitterand, den tschechoslowakischen Präsidenten Vaclav Havel und den deutschen Außenminister HansDietrich Genseher und gewann ihre Unterstützung rur die Ausarbeitung einer entsprechenden Konvention51 . Am 30./3l. Jänner 1992 nahm das Prager Treffen des Rates der KSZE einen Vorschlag zur Kenntnis, "eine hochrangige Gruppe von Rechtsexperten aus KSZE-Teilnehmerstaaten einzuladen, den Entwurf eines Statuts fiir ein KSZE-Vergleichs- und Schiedsspruchgremium auszuarbeiten"52, dessen Ergebnis dem Helsinki-Folgetreffen vorgelegt werden sollte. In der Folge wurde eine Gruppe aus elf Experten eingesetzt53 , die auf der Basis eines französischen Entwurfs arbeiteten54 . Das von dieser Gruppe ausgearbeitete und auf dem Nachfolgetreffen in Helsinki präsentierte Dokument55 diente als Anlaß dafiir, daß rur Oktober 1992 ein Treffen aller KSZEUngarn. Badinter spricht von einem "accueil .. particulü!rement chaleureux en Europe central et oriental", ders. (FN. 13), S. 20. 48 BGBL 4211960; der Beitritt hiezu steht gemäß Art. 41 lediglich den Europaratsmitgliedern offen. 49 So z.B. Armenien. 50 Zur Haltung dieser heiden Staaten siehe Caflisch (FN. 17), S. 15 ff. 51 Badinter (FN. 13), S. 20. 52 Punkt 21; Text in: Österreichische Außenpolitische Dokumentation (ÖAD) Nr. 2, Mai 1992, S. 53. ' 53 Gemäß Caflisch (FN. 17, S. 13) setzte sich die Gruppe zusammen aus: R. Badinter (Frankreich), R. Bernhardt (Deutschland), R. Besteliu (Rumänien), 1. Caflisch (Schweiz), C. Guevorgijan (Russische Föderation), J. Kranz (Polen), A. La Pergola (Italien), R. Moura Ramos (Portugal), M. Potocny (Tschechische und Slowakische Föderation), Sir !an Sinclair (Großbritannien) und T. Tschipev (Bulgarien). 54 Caflisch (FN. 17), S. 13. 55 Dok. CSCEIHM/6. 10 Zemanek
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Teilnehmerstaaten zur Ausarbeitung eines "umfassenden und zusammenhängenden Satzes von Maßnahmen" nach Genf einberufen wurde, "um die innerhalb der KSZE verfügbaren Optionen zur Unterstützung von Staaten bei der friedlichen Lösung ihrer Streitigkeiten zu erweitern". Hiebei sollten die "geäußerten Meinungen zu Verfahren für ein zwingendes Element bei Schlichtungsverfahren sowie zur Schaffung eines Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofes innerhalb der KSZE und zu anderen Mitteln" berücksichtigt werden56 . Auf dem Treffen, das vom 12. bis 23. Oktober 1992 in Genf stattfand, wurde der Entwurf eines Beschlusses des Ministerrates57 ausgearbeitet, der in seinen Annexen Texte für mehrere Streitbeilegungsverfahren bündelte: Annex 1 enthält von der Schweiz und den USA initiierte Änderungen des Valletta-Verfahrens mit dem Ziel seiner Vereinfachuni8 , Annex 2 das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE (Übereinkommen), Annex 3 die von Großbritannien angeregten Bestimmungen über ein vereinfachtes Vergleichsverfahren und Annex 4 das von den USA vorgeschlagene Verfahren eines Vergleichs auf Anordnung. Ausgenommen die im Übereinkommen vorgesehenen Verfahren sind alle in Genf ausgearbeiteten Regelungen so wie das Valletta-Verfahren nicht rechtsverbindlicher Natur, sondern entfalten jene politische Wirkung wie auch die anderen KSZE-Dokumente. Am 15. Dezember 1992 nahm der KSZE-Rat diese Empfehlung als Beschluß an59 an und legte das Übereinkommen zur Unterzeichnung auf. Im März 1993 wurde als Ergänzung zum Übereinkommen ein Finanzprotokoll60 ausgearbeitet, das die damit verbundenen Kostenfrage regelt. Mit Stand Mitte 1994 hatten bereits 33 Staaten das Übereinkommen unterzeichnet und sieben Staaten ratifiziert. 61 Unter diesen neuen Verfahren, welche die schon vorliegende Palette der Prozeduren zur Konflikt- und Streitbewältigung innerhalb der KSZE - wie etwa jene bei ungewöhnlichen militärischen Aktivitäten oder im Rahmen der 56 Punkte 57 - 62 der Beschlüsse der Gipfelkonferenz von Helsinki vom 10. Juli 1992; Text in: ÖAD Nr. 5, November 1992, S. 59 f.; neben dem Entwurf eines Übereinkommens lagen noch Vorschläge von Großbritannien lUld den USA vor; Caflisch (FN. 17), S. 15. 57 Der endgültige Text ist enthalten in: ÖAD Nr. I, Februar 1993, S. 59 ff. 58 Es wurde hiemit die Besetzung des Mechanismus vereinfacht. 59 Summary of Conclusions of the Stockholm COlUlcil Meeting, Pkt. 4 (Peaceful Settlement ofDisputes), abgedruckt in: ÖAD Nr. I, Februar 1993, S. 51; der Beschluß ist abgedruckt ebd., S. 59 ff. .. 60 Finanzprotokoll nach Artikel 13 des Ubereinkommens über Vergleichs- lUld Schiedsverfahren innerhalb der KSZE. 61 Mit Stand Mai 1994 haben es folgende Staaten ratifIziert: Frankreich, Monaco, Kroatien, Schweden, Polen, Schweiz lUld Zypern.
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menschlichen Dimension - erweitern, bietet sich besonders das Übereinkommen zur näheren Diskussion im allgemeinen völkerrechtlichen Rahmen an: Als einziges derartiges Verfahren beruht es auf vertragsrechtlicher Grundlage und taugt daher am ehesten zum Vergleich mit den bestehenden entsprechenden völkerrechtlichen Instrumentarien. Die weitere Untersuchung konzentriert sich vor allem darauf, wem gegenüber und fiir welche Sachverhalte die darin vorgesehenen Verfahren zur Anwendung kommen sollen; denn erst aus dieser persönlichen und sachlichen Zuständigkeit kann überhaupt die Effizienz dieses Instruments zur Sicherung des Völkerrechts oder internationaler Standards erschlossen werden.
C. Das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE
L Institutionelle Bestimmungen Das Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE folgt in institutioneller Hinsicht in großen Zügen insofern dem Bindschedler-Entwurf (und teilweise dem Europäischen Übereinkommen zur friedlichen Regelung von Streitfällen von 195762 ), als es zwei unterschiedliche Streitbeilegungssysteme umfaßt: ein obligatorisches Vergleichs- und ein fakultatives Schiedsverfahren. Es ist ratifikationsbedürftig (Art. 33 Abs. 1) und tritt mit Hinterlegung der zwölften RatifIkations- oder Beitrittsurkunde in Kraft (Art. 33 Abs. 3); Vorbehalte sind außer den ausdrücklich vorgesehenen nicht zugelassen (Art. 34). Es enthält ein eigenes Änderungsverfahren, in das andere KSZE-Institutionen eingeschaltet sind (Art. 35t3 • Institutionell sind Vergleichskommissionen und Schiedsgericht miteinander dadurch verbunden, daß sie zusammen den "Vergleichs- und Schiedsgerichtshof' (Gerichtshof; Art. 1) bilden. Im Interesse der Sparsamkeit ist aber dessen ständige Struktur klein gehalten: Sie besteht lediglich aus dem Sekretariat mit dem Kanzler an der Spitze (Art. 9). Nur der Kanzler und die Bediensteten der Kanzlei erhalten ein Jahresgehalt (Art. 7 Finanzprotokoll), während alle anderen Personen ein Tagegeld fiir jeden Tag erhalten, an dem sie ihre Aufgaben wahrnehmen (Art. 6 Abs. 1 Finanzprotokoll); den Präsidiumsmitgliedern
62 K. Ginther, European Convention for the Peaceful Settlement of Disputes, in: EPIL 2 (1981), S. 56; 1. Seidl-Hohenveldem, Le Reglement des Differends en Europe au-dela du Marche Commun, in: Academie (FN. 13), S. 174 ff. 63 Zum Änderungsverfahren siehe unten, Abschnitt C.V.
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fließt jedoch zusätzlich eine jährliche Nominalpauschale zu (Art. 6 Abs. 2 Finanzprotokollt4 . Im übrigen wird das "Listensystem" angewandt: Sobald ein Staat Vertragspartei geworden ist, ernennt er zwei Personen für das Vergleichsverfahren (Schlichter; Art. 3) und einen Schiedsrichter (mit einem Stellvertreter; Art. 4); aus der von diesen Personen gebildeten Liste wird für einen konkreten Streitfall eine Vergleichskommission bzw. ein Schiedsgericht zusammengesetzt.
1. Das Prlisidium Die Gesamtheit der Schlichter und Schiedsrichter ("Mitglieder des Gerichtshofs") bildet aus ihrer Mitte das fünfköpfige Präsidium und wählt dessen Präsidenten (Art. 7 Abs. 2). Um die gleiche Vertretung der Schlichter und Schiedsrichter im Präsidium zu sichern, wählen diese zwei Gruppen jeweils aus ihren Reihen je zwei Präsidiumsmitglieder und deren Stellvertreter (Art. 7 Abs. 3). Präsident und (der vom Präsidium gewählte) Vizepräsident müssen verschiedenen Gruppen - Schlichtem oder Schiedsrichtern - angehören (Art. 7 Abs. 4). Neben seiner Zuständigkeit fiir administrative Angelegenheiten65 kommen dem Präsidium auch Eingriffsrechte in das Streitededigungsverfahren selbst zu. Beim Vergleichsverfahren bestehen diese in der subsidiären Ernennung der von den Streitparteien zu ernennenden (Art. 22 Abs. 2) sowie - wie auch beim schiedsgerichtlichen Verfahren - in der Bestellung der anderen ("neutralen") Kommissionsmitglieder (Art. 21 Abs. 5) bzw. Schiedsrichter (Art. 25 Abs. 3). Das Zusammenwirken der - beim Vergleichsverfahren möglichen (Art. 21 Abs. 5), beim Schiedsgericht obligatorischen (Art. 28 Abs. 3) - Überzahl der neutralen Mitglieder im jeweiligen Gremium mit dem Abstimmungsmodus (Mehrstimmigkeit; Art. 8 Abs. 5) bewirkt, daß das Präsidium den Ausgangjedes dieser Verfahren entscheidend zu beeinflussen vermag und auf diese Weise zum bestimmenden Instrument dieser KSZEStreitbeilegungsmechanismen werden kann. 64 Die Kosten werden unter den Vertragsstaaten entsprechend dem in der KSZE geltenden Beitragsschlüssel aufgeteilt und "unter Berücksichtigung des zahlerunäßigen Unterschieds zwischen den KSZE-Teilnehmerstaaten und den Vertragsstaaten des Übereinkommens angepaßt" (Art. 2 Abs. 1 Finanzprotokoll). Der Beitragsschlüssel ist in den Beschlüssen von Helsinki vom 10. Juli 1992 enthalten ("XII: Administrative Beschlüsse"); Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. A.6, S. 66 f. 65 Art. 4: Anerkennung eines Verhinderungsgrundes; Art. 9: Ausarbeitung der Personalordnung filr die Kanzlei; Art. 10: Zustimmung zur Sitzverlegung; Art. 14: Regelmäßige Berichterstattung an den AHB; Art. 31 Abs. 5: Beurteilung, ob das erstbefaßte Gericht das Wiederaufuahmeverfahren durchfilhren kann.
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2. Die Bildung der Vergleichskommission Eine Vergleichskommission wird auf die Weise gebildet, daß ein Vertragsstaat, der gegen einen anderen ein Vergleichsverfahren anhängig machen will, davon den Kanzler informiert und einen Schlichter aus der erstellten Liste benennt. Nach entsprechender Information benennt die beklagte Partei ebenfalls einen Schlichter, wonach das Präsidium noch weitere, "neutrale", Schlichter ernennt. Diese Einflußmöglichkeit des Präsidiums ist allerdings als Relikt des sonst üblichen Vorgangs der Bildung einer Vergleichskommission66 - dadurch eingeschränkt, daß die Ernennung in Konsultation mit den Streitparteien zu geschehen hat (Art. 21 Abs. 4). Zwar unterliegt es dem Ermessen des Präsidiums, die Zahl der "neutralen" Schlichter zu bestimmen, doch soll es grundsätzlich drei ernennen; daraus ist die Absicht zu erkennen, daß diesen Schlichtem die Mehrheit und damit auch die maßgebende Entscheidung zukommen soll. 3. Die Bildung eines Schiedsgerichts In ähnlicher Weise - wenn auch mit einigen Unterschieden - wird das jeweilige Schiedsgericht gebildet: Die von den beiden Streitparteien für die Erstellung der Liste genannten Schiedsrichter sind ex officio Mitglieder der Schiedskommission (Art. 28 Abs. 2), das Präsidium ernennt die weiteren, "neutralen", deren Zahl die der ex officio bestellten um eines übersteigen muß (Art. 28 Abs. 3). Damit kommt aber diesen Richtern notwendigerweise die Mehrheit zu, wodurch dieses Verfahren einem internationalen Gerichtsverfahren angenähert wird67 . 4. Entscheidungsfindung Die Entscheidungen dieser Organe werden jeweils mit Stimmenmehrheit getroffen: Beschlüsse des Präsidiums, der Vergleichskommission sowie des Schiedsgerichts mit der Mehrheit der Mitglieder (Art. 8 Abs. 2), jene des Gerichtshofs mit der Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder (Art. 8 Abs. 3); bei gleicher Stimmenanzahl kommt dem Vorsitzenden das Dirimierungsrecht zu (Art. 8 Abs. 4).
Handbook (FN. 46), S. 49. Dies vor allem deswegen, weil diese neutralen Richter vom Präsidium - anders als beim Vergleichsverfahren - nicht in Konsultation mit den Streitparteien bestellt werden. 66 67
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IL Die Zuständigkeit 1. Die Zuständigkeit ratione personae
a) Der erfaßte Staatenkreis
Schon aus den ursprünglichen Absichten wurde klar, daß das KSZESystem sämtliche Staaten erfassen sollte, die bisher noch nicht einem derartigen Verfahren unterworfen waren; auch die früheren Ost-West Beziehungen und intra-Ost Beziehungen sollten einem derartigen einheitlichen rechtlichen System unterstellt werden. Adressat dieses neuen Systems sollten somit alle Staaten von "Wladiwostok bis Vancouver" sein. Das in Valletta ausgehandelte System brachte diese umfassende Wirkung zustande, da mit der Annahme durch den KSZE-Rat am 20. Juni 1991 in Berlin68 dieses komplizierte Verfahren auf alle KSZE-Teilnehmerstaaten anwendbar wurde, selbst wenn sie später in die KSZE aufgenommen wurden69 ; dies ist der Vorteil eines nicht auf einem Vertrag, sondern auf anderen (pränormativen) internationalen Instrumenten beruhenden Mechanismus, dessen Geltung keines formlichen einzelstaatlichen Bindungsaktes bedarf. Demgegenüber erzeugt ein multilateraler Vertrag aufgrund seines formalisierten Verfahrens zur Teilnahme keine derartig umfassende Wirkung, zumindest nicht sofort. Zwar könnte sein Inkrafttreten an die Ratifizierung bzw. den Beitritt aller Teilnehmerstaaten geknüpft werden, doch würde dies sein Inkrafttreten wesentlich verzögern, wenn nicht sogar überhaupt unmöglich machen70 . Auch ist die Rechtsform des Vertrages dem gesamten KSZEProzeß fremd; die schon bestehenden Verträge betreffend Abrüstung und Rüstungskontrolle (Vertrag über Konventionelle Streitkräfte7 ! , Vertrag über den Offenen Himmel72 ) bilden insofern eine separate Einheit innerhalb der KSZE, als der Kreis der möglichen Vertragsstaaten - anders als beim Über68 Punkt 8 der Zusanunenfassung der Schußfolgerungen, Text in: ÖAD Nr. I, September 1991, S. 49. 69 Bei der Aufuahme versprachen die neuentstandenen oder -aufgenommenen Staaten, die entsprechenden KSZE-Verpflichtungen zu erfüllen; siehe als Beispiel eines neuentstandenen Staates den Fall Tschechiens und der Slowakischen Republik, die erklärten daß sie "hereby adopts the Helsinki Final Act, the Charter ofParis for a New Europe and all o~er documents of the Conference on Security and Co-operation in Europe"; Text in: OAD Nr. I, Februar 1993, S. 58. 70 Gerade in der KSZE-Geschichte jüngerer Zeit, den Verhandlungen über den Rechtsstatus und die Privilegien und hnmunitäten der KSZE-Institutionen, kam dieses Problem wieder zum Tragen, da bei einer vertraglichen Regelung eine Rechtsstellung der KSZE auf zwei unterschiedlichen Ebenen befilrchtet wurde. 7! Vertrag vom 19. November 1992, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. F.3, S. 4. 72 Vertrag vom 24. März 1992, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. F.7.
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einkommen über die Streiterledigung - zumindest ursprünglich vom Kreis der KSZE-Teilnehmerstaaten verschieden war73 • Ungeachtet dessen und anders als in Valletta wurde in Genf nicht zuletzt unter Rückgriff auf den ursprünglichen Bindschedler-Entwurf dennoch wieder die Vertragsform zur Regelung des Streitbeilegungsverfahrens gewählt. Angesichts dieser Vertragsform bedarf somit - mit einer einzigen Ausnahme die ParteisteIlung in den Verfahren nach diesem Übereinkommen der Ratifikation oder des Beitritts zum Übereinkommen (Art. 33)74, so daß die Anwendbarkeit von Vancouver bis Wladiwostok kaum erzielt werden wird. b) Der territoriale Bereich Es ist nirgends genau bestimmt, ob und wieweit die überseeischen Gebiete einiger KSZE-Teilnehmerstaaten, vor allem jene Frankreichs, Großbritanniens, der Niederlande oder Dänemarks, ebenfalls unter den geographischen Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen. Das "KSZE-Gebiet" wurde als solches nie genau definiert, scheint jedoch ursprünglich diese Gebiete nicht zu umfassen75 • Soweit bisher in den KSZE-Verhandlungen geographische Festlegungen im Bereich der Abrüstung und Rüstungskontrolle erfolgten76 , wurde ein geographischer Anwendungsbereich vereinbart, der sich ausdrücklich vom allgemeinen Verständnis des "KSZE-Bereiches" unterscheidet. Beim Streiterledigungsabkommen war es nicht möglich, diesem oder dem Beispiel der Europa-
73 Der Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa zählt in der Präambel die Vertragsstaaten auf; sie setzen sich aus den früheren Parteien des Warschauer Paktes von 1955, des Brüsseler Vertrags von 1948 und der NATO zusammen; vgl. dazu die Begriffsbestimmung in Art. II Abs. 1 (A); Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. F.3, S. 3 f.; der Vertrag über den Offenen Himmel sieht die Beteiligwtg sogar von Nicht-KSZE-Teilnehmerstaaten vor; Art. XVII Abs. 5; Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. F.7, S. 39. 74 Um jedoch eine breitere Wirkung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens zu erzeugen, bedarf dieses der Hinterlegwtg von zwölf Ratiflkations- oder Beitrittsurkunden (Art. 33 Abs. 3). 75 So stellt sich z.B. die Frage, ob die Gebiete Frankreichs im Paziflk oder Indischen Ozean, der Niederlande in der Karibik oder die Falkland Inseln überhaupt Gegenstand des KSZE-Systems waren. 76 So im Anhang I zum "Dokument der Stockholmer Konferenz über Vertrauensund Sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE)", Stockholm, 19. Juni 1986, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. F.l, S. 21, sowie in Art. II (1) (B) des Vertrags über Konventionelle Streitkräfte vom 19. November 1992, wo als Anwendungsgebiet das gesamte Landgebiet der Vertragsstaaten in Europa vom Atlantischen Ozean bis zum Uralgebirge defmiert wird; Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. F. 3, S. 4.
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rats-Abkommen77 ZU folgen, die es den einzelnen Vertragsparteien überlassen, den Anwendungsbereich zu erklären; denn entweder hätte diese Bestimmung zum Zweck der genaueren Abgrenzung eigene, zeitlich jedoch ausgeschlossene Verhandlungen erfordert, oder es wäre einzelnen Staaten dadurch möglich gewesen, den geographischen Anwendungsbereich des Übereinkommens und dadurch die Bedeutung dieses Übereinkommens einseitig einzuschränken. Mangels einer besonderen Bestimmung bezieht sich das Übereinkommen in Anwendung von Art. 29 WVK78 - und analog zum Vertrag über den Offenen HimmeC 9 - somit auf das gesamte Staatsgebiet einer Vertragspartei, einschließlich der überseeischen Gebiete, für die der jeweilige Vertragsstaat international verantwortlich ist80 . Andere Schlüsse könnten nur aus allfälligen Erklärungen von Vertragsparteien81 oder einer im Rahmen der KSZE gesetzten Praxis82 gezogen werden, die zur Auslegung herangezogen werden könnten. Sofern aber eine derartige Erklärung nicht ausdrücklich im jeweiligen Journal wiedergegeben83 oder, ohne auf Widerspruch zu stoßen, den anderen Vertragsstaaten offiziell notifiziert ist, schließt die Formlosigkeit der KSZE-Verhandlungen diese Wirkung weitgehend aus. Eine allenfalls auf einer Tagung des KSZE-Rats abgegebene Erklärung über die Einschränkung des Anwendungsbereichs würde kaum imstande sein, die Zurückweisung eines Antrags auf Bildung einer Vergleichskommission oder einer Schiedskommission zu rechtfertigen selbst unter Berufung auf eine Estoppel-Wirkung nicht, weil die dann fehlende Notorietät zu Beweisschwierigkeiten fuhren würde.
77 Vgl. z.B. Art. 63 des Europäischen Übereinkommens zwn Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 21011958. 78 BGBl. 4011980. 79 Art. II Z. 8 dieses Vertrags bezeichnet als Hoheitsgebiet "die Landgebiete, einschließlich Inseln und Binnen- sowie Hoheitsgewässer, über die ein Vertrags staat die Souveränität ausübt". Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. F.7, S. 3. 80 Vgl. den Kommentar der ILC zu Art. 25 des Entwurfs der WVK, wonach gemäß dieser Bestimmung Staatsgebiet urnfaßt "all the land and appurtenant territorial waters and air space which constitute the territory of the State"; der Verweis auf die internationale Verantwortlichkeit wurde vermieden, \UD keine Assoziationen mit der KölonialKlausel zu wecken; Doc. AlCONF.39/II/Add. 2 (FN. 2), S. 33. 81 Im Sinne von Art. 31 Abs. 2 lit. b WVK. 82 Im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK. 83 Gemäß Pkt. 79 der Schlußempfehlungen der Helsinki-Konsultationen vom 8. Juni 1973 können die Teilnehmerstaaten verlangen, "daß ihre formellen Vorbehalte oder ihre interpretativen Erklärungen zu bestimmten Beschlüssen vom technischen Exekutivsekretär ordnungsgemäß registriert und an die Teilnehmerstaaten verteilt werden"; Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. A.O, S. 16.
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c) Klagslegitimation
Eine allgemeine, in der Praxis des IGH verankerte Begrenzung der Klagslegitimation folgt auch aus der Bedingung der Betroffenheit der Streitparteien. Diese Bedingung verwehrt es einem Staat, eine Angelegenheit diesen Verfahren zu unterwerfen, falls seine "tangible interests" davon nicht berührt sind84 . Bindschedler erklärte noch zu seinem Entwurf, daß sich nur jene Staaten, "die direkt an einer Streitigkeit beteiligt sind", an einem Verfahren beteiligen können; Popu1arklagen seien somit ausgeschlossen85 . Die zum Schiedsverfahren zulässigen Vorbehalte86 deuten eine derartige Einschränkung auch für die Verfahren gemäß KSZE-Übereinkommen an, da es sich vor allem bei konkurrierenden Jurisdiktionsansprüchen um solche zwischen den jeweiligen Streitparteien handeln muß. Weiters spricht auch das Interventionrecht in diesem Sinne: Denn wieweit einem Intervenienten im Vergleichsverfahren ein ausreichendes Interesse zugeordnet werden kann, bestimmen die Streitparteien (Art. 23 Abs. 3). Daraus kann aber rückschließend gefolgert werden, daß auch die Streitparteien selbst ein bestimmtes konkretes Interesse an dem Streit aufweisen müssen. Ungeachtet dessen ist es aber gerade Anliegen der KSZE, das Recht, Verfahren gegen einen anderen Staat wegen Verletzung der KSZE-Prinzipien einleiten zu können, so auszuweiten, daß letztlich jeder Teilnehmerstaat berechtigt sein sollte, derartige Verfahren zu initiieren. So sieht der Mechanismus für Konsu1tationen und Zusammenarbeit in dringlichen Situationen vor, daß "jeder Teilnehmerstaat" , der der Ansicht ist, daß eine dringliche Situation besteht, den entsprechenden Vorgang einleiten dürfe87 , wie auch das Schlußdokument, mit dem das Übereinkommen angenommen wurde, das Recht aller Teilnehmerstaaten ausdrücklich festhält, "innerhalb des KSZE-Prozesses eine Frage betreffend die Erfüllung irgendeiner KSZE-Verpflichtung im Zusammenhang mit dem Prinzip der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten oder betreffend irgendeine andere KSZE-Verpflichtung oder -Bestimmung aufzuwerfen. ,,88 Daraus könnte gefolgert werden, daß das gesamte KSZE-System 84 Zum Bestehen eines Streitfalls siehe G. Hafner, Bemerkungen zur Funktion und Bestimmung der Betroffenheit im Völkerrecht anhand des Binnenstaates, GYIL 31 (1988), S. 187 fI (S. 193 ff., S. 222 ff.). 85 Dok. CSCEIIIIB/l (FN. 15), S. 4 86 Dies gilt insbesondere für die Valletta-Ausnahmen, da es sich entweder um die Sicherheit einer Streitpartei oder um ihr Hoheitsgebiet handeln muß. 87 Anhang 2 zu den Schlußfolgerungen des Berliner Treffens des Rates der KSZE, Pkt. 1: "Wenn ein Teilnehmerstaat der Ansicht ist, daß eine dringliche Situation ... entsteht, kann er vom betroffenen Staat oder den betroffenen Staaten KlarsteIlung verlangen"; Text in: ÖAD, Nr. 10, September 1991, S. 51 f. 88 Text in: ÖAD Nr. I, Februar 1993, S. 52; so ist gemäß dem in den Beschlüssen von Helsinki geänderten Mechanismus der menschlichen Dimension jeder Teilneh-
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vom Gedanken der Popularklage getragen sein sollte, wonach zum Zwecke der Geltendmachung einer Verletzung der KSZE-Bestimmungen das konkrete Eigeninteresse nicht nachgewiesen werden müsse. Auf diese Weise wäre das individuell-relative System des völkerrechtlichen Sanktionsapparates durch ein kollektiv-dezentralisiertes mit Popularbeschwerdemöglichkeiten ersetzt. Eine genauere und differenziertere Betrachtung führt jedoch zu einem anderen Ergebnis: So besteht zwar das Recht, auf der Tagung des AHB jede Frage aufzuwerfen, doch kann diese auf die Tagesordnung des AHB nur mit Konsens, d.h. auch mit dem des möglicherweise beschwerten Staates, gesetzt werden89 . Ansonsten ist ein Initiativrecht inhaltlich insofern beschränkt, als sich ein Staat lediglich einem Verlangen nach Information unterwerfen muß90 • In jenen Bereichen, wo tatsächlich ein Kontrollmechanismus auch ohne Konsens in Gang gesetzt werden kann, sind ihm relativ enge Grenzen gegeben: So ist im Bereich der Minderheiten nur die "besonders betroffene Partei" berechtigt, Informationen an den Hochkommissar fiir Minderheiten zu liefern91 ; anderseits besteht im Bereich der menschlichen Dimension eine derartige allgemeine Zuständigkeit nur soweit, als "eindeutige, grobe und nicht behobene" Verfehlungen vorliegen92 . Außerdem sind diesem Recht Grenzen dadurch gezogen, daß entweder noch f'iinf3 oder - im abgekürzten Verfahren bei Verdacht besonders schwerwiegender Verletzungen der Menschenrechte neun andere Staaten94 die Entsendung einer Kommission unterstützen müssen; nicht das Interesse eines einzelnen Staates, sondern nur das gemeinsame eines Teilkollektivs wird als ausreichend betrachtet, um ·solche Kontrollmaßnahmen auslösen zu können95 . Gleiches gilt auch im Bereich der Frühwarnung und der vorbeugenden Maßnahmen, da der AHB auf krisenhafte Situationen entweder durch den "an einem Streitfall direkt beteiligten Staat" oder merstaat, "der dies als notwendig erachtet", berechtigt, Informationen an die anderen Teilnehmerstaaten weiterzuleiten; Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. A.6, S. 4l. 89 Zusatzdokwnent zur Durchfiihrung der Charta von Paris, Abschnitt B, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. A.3, S. 2. 90 Gemäß dem abschließenden Dokwnent des Wiener Folgetreffens (Text in: Fastenrath [FN. 16], Dok. B. 3, S. 46 f.), dem Pkt. 42 des Schlußdokwnents des Kopenhagener Treffens (Text in: ÖAD, Oktober 1990, S. 71) sowie dem Schlußdokwnen~ des Moskauer Treffens über die menschliche Dimension der KSZE (Pkt. 2; Text in: ÖAD Nr.11, November 1991, S. 49). 91 Pkt. 26 des Abschnittes TI der Beschlüsse von He1sinki vom 10. Juli 1992, Text in: ÖAD Nr. 5, November 1992, S. 53. 92 Pkt. 16 des Prager Dokwnents über di~ Entwicklung der KSZE-Institutionen und - Strukturen vom 30. Jänner 1992, Text in: ÖAD Nr. 2, Mai 1992, S. 43. 93 Pkt. 9 des Dokwnents des Moskauer Treffens (FN. 90). 94 Pkt. 12 des Dokwnents des Moskauer Treffens (FN. 90). 95 Auf diese Weise soll der Mißbrauch eines solchen Initiierungsrechtes aus politischen Gründen durch einen Staat ausgeschaltet werden.
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durch "eine Gruppe von elf an dem Streitfall nicht direkt beteiligten Staaten" aufmerksam gemacht werden kann96 . Es ist somit zu folgern, daß selbst der KSZE-Kontext, aus dem heraus das Übereinkommen entstanden ist, die Klagslegitimation im schiedsgerichtlichen Verfahren und das Initiativrecht im Vergleichsverfahren nicht über die Klagslegitimation des allgemeinen Völkerrechts ausdehnt, sondern an deren Entwicklung anpaßt. Der KSZE-Kontext berechtigt lediglich zur Annahme, daß im Bereich der menschlichen Dimension bereits soweit eine erga omnes wirkende Verpflichtungsstruktur besteht, daß beim Vergleichsverfahren97 jedem Teilnehmerstaat insoweit ein Initiativrecht zusteht, als "eindeutige, grobe und nicht behobene" Verletzungen der KSZE-Verpflichtungen vorliegen. d) Internationale Organisationen als Parteien
Der generellen Struktur der KSZE entspricht es, daß sich nur Staaten (Teilnehmerstaaten) an Verfahren innerhalb der KSZE beteiligen können, nicht jedoch internationale Organisationen98 . Während der BindschedlerEntwurf internationalen Organisation die Teilnahme explizit ermöglicht hatte99 , deutet die Präambel des Valletta DokumentslOO durch die ErwährIung der Europäischen Gemeinschaft nur indirekt die Möglichkeit der Partei stellung der Europäischen Gemeinschaften an. Das Übereinkommen enthält dagegen keinerlei Hinweis auf internationale Organisationen; dennoch erklärten die Europäischen Gemeinschaften gegen Ende der Verhandlungen das Übereinkommen als auch auf sie anwendbar. Der Widerspruch, auf den sie jedoch damit stießen, läßt derzeit aber nur den Schluß zu, daß die Europäische Union durch keine ihrer Gemeinschaften eines dieser Verfahren in Anspruch nehmen kann - ungeachtet dessen, daß somit Angelegenheiten, die in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, der Zuständigkeit des Verfahren gemäß dem Übereinkommen weitgehend entzogen sind. 96 Abschnitt III der Beschlüsse von Helsinki vom 10. Juli 1992, Text in: ÖAD Nr. 5, November 1992, S. 55. 97 hn Unterschied zwn schiedsgerichtlichen Verfahren kann im Vergleichsverfahren die Verletzung von KSZE-Verpflichtungen geltend gemacht werden. 98 Es sei dahingestellt, wieweit nichtstaatlichen (internationalen) Organisationen im Rahmen des Minderheiten- oder Menschenrechtsschutzes eine Beteiligung am Moskauer Mechanismus offensteht. 99 Gemäß Art. 60 sollte dieser Vertrag fiir "alle jene internationalen Organisationen" aufliegen, deren Teilnehmerkreis sich auf die Teilnehmerstaaten der KSZE beschränkte; Dok. CSCEIllIBIl, S. 89. 100 Die EG setzte durch, daß bei der Aufzählung der Teilnehmerstaaten bei jenem Staat, der damals die EG-Präsidentschaft innehatte (Luxemburg), auch die Europäischen Gemeinschaften erwähnt wurden; Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok.E.l, S. 1.
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e) Nichtparteien (Drittstaaten) Um die Anwendungsmöglichkeiten der Verfahren des Übereinkommens über die Vertragsparteien hinaus auszuweiten, sieht dieses in Art. 20 Abs. 2 hinsichtlich des Vergleichsverfahrens und in Art. 26 Abs. I hinsichtlich des Schiedsverfahrens die Möglichkeit vor, daß Vertragsstaaten Streitigkeiten auch mit Nichtvertragsstaaten, die KSZE-Teilnehmer sind, diesen Verfahren unterwerfen können. In beiden Fällen setzt die Zuständigkeit eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Streitparteien voraus. Die daraus resultierende besondere finanzielle Problematik wird durch Art. 2 Abs. 2 des Finanzprotokolls abgedeckt, worin diese Drittstaaten zu einer finanziellen Beteiligung verpflichtet werden. Zusätzliche Rechte ergeben sich für Drittstaaten neben dem Verfahren zur Änderung des Übereinkommens IOI noch aus dem Interventionsrecht im schiedsgerichtlichen Verfahren (anders als beim Vergleichsverfahren): Gemäß Art. 29 Abs. 3 kann sich jeder KSZE-Teilnehmerstaat, der nachzuweisen vermag, daß sein rechtliches Interesse durch eine Entscheidung berührt werden könnte, am schiedsgerichtlichen Verfahren beteiligenl02 ; der entsprechende Teil der Entscheidung wird für ihn dann bindend (Art. 29 Abs. 4)103. Während somit Drittstaaten aus dem Übereinkommen berechtigt werden, schließt Art. 38 ausdrücklich jegliche Verpflichtungen für Drittstaaten aus dem Übereinkommen aus, sofern diese nicht in schriftlicher Form angenommen worden sind104 • Es sei dahingestellt, ob es noch einer ausgeglichenen Balance von Rechten und Pflichten entspricht, wenn Staaten Mitgestaltungsrechte beanspruchen, aber jegliche Verpflichtungen ablehnen.
2. Die Zustdndigkeit ratione materiae Dem geltenden Völkerrecht ist - trotz aller gegenteiligen Versuche - noch immer zu eigen, daß es keine zentrale Streitbeilegungseinrichtung gibt, die für alle Streitigkeiten zwischen allen Staaten zuständig wäre. Dies hat auch jetzt noch Geltung selbst im regionalen Rahmen der KSZE, da die Materien, die dem Verfahren der Übereinkommen unterworfen werden können, nicht nur dem Teilnehmerkreis nach (ratione personae), sondern auch sachlich begrenzt sind (ratione materiae). Siehe unten, Abschnitt C. V. Eine vorhergehende vertragliche Vereinbarung mit einer der Streitparteien ist hiefilr nicht vorausgesetzt. 103 Hierin unterscheidet sich dieses Interventionsrecht von dem nach Art. 62 des Statuts des IGH; vgl. Cajlisch (FN. 17), S. 29. 104 Zur eingehenden Kritik dieser Bestimmung siehe Cajlisch (FN. 17), S. 17. 101 102
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a) Subsidiarittit Eine wesentliche sachliche Beschränkung folgt schon aus dem Grundsatz der Subsidiarität, der in bezug auf "bestehende Methoden und Institutionen für die friedliche Regelung von Streitfällen" schon im ersten diesem Thema gewidmeten Expertentreffen von Montreux 1978 gefordert wurde lO5 . Art. 19 des Übereinkommens versucht dieses Prinzip umzusetzen. i) Dementsprechend sind folgende Angelegenheiten der Zuständigkeit des Vergleichsverfahrens und des Schiedsverfahrens entzogen: - die Angelegenheiten, die bereits einer Schieds- oder einer Gerichtsinstanz vorgelegt worden sind und über die diese Instanzen bereits entschieden haben (Grundsätze des fis pendens und des ne bis in idem); nicht ausgeschlossen sind somit Fälle, die eine Partei einer derartigen Instanz vorgelegt hat, ohne daß die andere Partei dem Streiteinlassungszwang unterlegen ist und sich auf den Streit eingelassen hat (Art. 19 Abs. llit a)I06; - weiters jene Streitigkeiten, für die die "ausschließliche Zuständigkeit" einer anderen Streiterledigungsinstanz besteht, sei es von solchen, die mit Rechtsverbindlichkeit entscheiden (allgemeine Ausschließlichkeit) oder auch von anderen, sofern sie zur Erledigung der Streitigkeit ausdrücklich bestimmt sind (Ad-hoc-Ausschließlichkeit) (Art. 19 Abs. llit. b). (ii) Eine Vergleichskommission hat die Behandlung einer bereits unterbreiteten Angelegenheit zu suspendieren, falls diese Streitigkeit einem Gerichtshof oder Schiedsgericht oder einem anderen Organ unterbreitet wird, das Vorschläge zu diesem Fall abgeben kann (Art. 19 Abs. 2 und 3). Dadurch ist neben den rechtsprechenden allen jenen politischen Verfahren Priorität eingeräumt, die im Rahmen der KSZE in den Fall eingreifen können, wie etwa das Valletta-Verfahren oder die Diskussion vor dem AHB oder KSZE-Rat. Zumindest ist nicht auszuschließen, daß die im Valletta-Verfahren genannten "Hinweise und Ratschläge" - selbst in der ersten Verfahrensphase gemäß Abschnitt VIl lo7 - als derartige Vorschläge gelten. (iii) Schließlich können die Vertragsparteien durch Vorbehalt auch andere Verpflichtungen zur Streitbeilegung mit diesem Übereinkommen in Übereinstimmung bringen (Art. 19 Abs. 4) - eine vom Wortlaut her unklare Bestimmung, die es jedoch erlaubt, auch das Europäische Übereinkommen in einsei-
Hafoer(FN. 13), S. 151. Beispiele hiefilr sind etwa die Antarktis-Fälle (Großbritannien gegen Argentinien und gegen Chile; IC] Reports 1956, S. 12, S. 15) oder der Luftzwjschenfall-Fall (Israel gegen Bulgarien, IC] Reports 1959, S. 127) vor dem IGH. 107 Hiebei handelt es sich um die Vorschläge zum Verfahren, noch nicht zur Sub105 106
stanz.
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tiger Weise als vorrangig zu erklärenlO8 ; andere Staaten müßten dann aus der reziproken Wirkung des Vorbehalts heraus diese Priorität sich gegenüber gelten lassen, und Vergleichs- wie Schiedskommission müssen dies beachten. b) Die Unvollständigkeit der Subsidiarität
Diese Subsidiarität ist - abgesehen von der mittels Vorbehalt bewirkten Subsidiarität - im Endeffekt unvollständig, da sie nur gegenüber jenen Rechtsprechungsinstanzen gilt, die eine "ausschließliche Zuständigkeit" besitzen. Der Ausdruck "ausschließlich" ist offensichtlich schlecht gewählt, denn es steht den Streitparteien immer frei, vertraglich eine andere Streitbeilegungsart zu wählen, selbst wenn dies - wie im Europäischen Übereinkommen - im ursprünglichen Vertrag nicht vorgesehen ist. So enthält das Europäische Übereinkommen zwar eine allgemeine Verpflichtung, sowohl Rechtsstreitigkeiten dem IGH109 als auch andere Streitigkeiten dem Vergleichsverfahren bzw. der Schiedsgerichtsbarkeit110 zu unterwerfen. Es wurde aber mit dieser Verpflichtung keine "Ausschließlichkeit" im Sinne des KSZE-Übereinkommens geschaffen, da es den Parteien schon aufgrund des allgemeinen Vertragsrechts unter den Bedingungen des Art. 41 WVK frei steht, durch inter-se Abkommen andere Regelungen zu vereinbaren und dadurch die Ausschließlichkeit aufzuheben111 . Selbst die Unterwerfungserklärung unter die Zuständigkeit des IGH gern Art. 36 Abs. 2 des Statuts des Gerichtshofs reicht hiefür nicht aus, da dadurch zwar ein Einlassungszwang geschaffen ist, der Kläger aber nicht gezwungen ist, allein das IGH-Verfahren in Anspruch zu nehmen. Einer bereits vereinbarten Gerichtsbarkeit kann nur dann dieser Charakter zukommen, wenn andere Organe oder Staaten in deren Ausübung involviert sind, wie etwa in der Europäischen Union112 .
108 Anläßlich der Ratifikation erklärte die Schweiz gemäß Art. 19 Abs. 4 mittels Vorbehalt, daß die bilateral vereinbarten Vergleichs- lll1d Schiedsverfahren dem Übereinkommen vorangehen. 109 Art. 1 spricht davon, daß die "High Contracting Parties shall submit to the judgment of the International Court of Justice all international legal disputes .. ", woraus eine Pflicht zur Vorlage an den IGH lll1d nicht nur eine Streiteinlasslll1gspflicht herausgelesen werden könnte. 110 Art. 4 lll1d Art. 19, die ähnlich dem Art. 1 konstruiert sind. 111 Eine derartige Ausschließlichkeit könnte ansonsten lediglich dadurch erzeugt werden, daß der Jurisdiktionsnorm Zwangscharakter verliehen wird; dies ist jedoch im Völkerrecht nicht anzunehmen. 112 In diesem Fall bedarf das neue Abkommen der Zustimmlll1g jener, in deren Rechte eingegriffen wird; vgl. Art. 41 WVK. Dem EurOpäischen Gerichtshof wird zumindest im gerichtlichen (schiedsgerichtlichen) Bereich eine ausschließliche Zuständigkeit zugeschrieben; diese folgt neben Art. 219 EG-Vertrag schon aus der Funktion zur Wahrung der Rechtshomogenität sowie daraus, daß die rechtliche Wirknng
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Jedenfalls ist daraus zu schließen, daß die Verfahren nach dem KSZEÜbereinkommen mit dem IGH-Verfahren - sowohl dem gemäß einer einseitigen Unterwerfungserklärung nach Art. 36 Abs. 2 des Statuts als auch jenem nach dem Europäischen Übereinkommen - konkurrieren und vorgehen können, und zwar nicht nur deswegen, weil ein Staat wie etwa Österreich die Zuständigkeit des IGH insofern eingeschränkt hat, als "zur endgültigen und bindenden Entscheidung andere Mittel der friedlichen Regelung vereinbart" sind oder vereinbart werden113 • c) Die "Valletta-Ausnahmen" Zum Unterschied vom Vergleichsverfahren, das für einen Staat ipso iure mit dem subjektiven Inkrafttreten des Übereinkommens für alle Angelegenheiten anwendbar wirdll4 , sieht das Übereinkommen die Möglichkeit vor, mittels eines Vorbehalts die Ausnahmen vom Valletta-Mechanismus auch hinsichtlich der Zuständigkeit des Schiedsverfahrens - obwohl dieses unter dem Vorbehalt der zusätzlichen Unterwerfungserklärung oder eines zusätzlichen Abkommens steht - zu erklären. Gemäß Abschnitt XII des Valletta-Dokuments wird der Mechanismus nicht tätig, sofern eine der Streitparteien der Ansicht ist, daß der Streitfall Fragen ihrer territorialen Integrität oder ihrer Landesverteidigung, ihrer Hoheitsansprüche auf Landgebiete oder konkurrierende Ansprüche hinsichtlich der Hoheitsgewalt über andere Gebiete berührtl15 . Politischer Hintergrund dieser Ausnahmen sind der Streit um Gibraltar, das französische Interesse an der Nichtjustiziabilität von Fragen der nationalen Sicherheit sowie der griechisch-türkische Streit um die maritimen Zonen in der Ägäis, der die Einigung in Valletta fast verhindert hätte116 • An diesen Ausnahmen wurde kritisiert, daß sie dem Valletta-Mechanismus überhaupt jeden Sinn nähmen, da auf diese Weise jede Streitigkeit dem Mevon Entscheidungen des EuGH über die Streitparteien hinausreicht und andere Organe und Rechtssubjekte davon berührt sind. 1\3 BGBl 259/1971. Diese Konkurrenz kann auch durch den 3. Präambulärabsatz nicht aufgehoben werden, wonach die Vertragsstaaten nicht beabsichtigen, "die Zuständigkeit anderer bestehender Einrichtungen oder Mechanismen, einschließlich des Internationalen Gerichtshofs, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Ständigen Schiedshofs, ZII beeinträchtigen". Denn abgesehen von der mangelnden Rechtswirkung dieses Absatzes kann kein Vertrag sich selbst für ausschließlich erklären, ohne zwingenden Normencharakter ZII beanspruchen. 1\4 Versuche, diese Ausnahmen auch für das Vergleichsverfahren vOrZllsehen, wurden abgelehnt, obwohl einige Staaten, insbesondere Großbritannien, erklärten, deshalb nicht Vertragspartei werden ZII können; CajIisch (FN. 17), S. 17. 1\5 Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. E.1, S. 11. 1\6 Leben (FN. 17), S. 864; Hillgenberg (FN. 31), S. 134.
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chanismus entzogen werden könnte; selbst Umweltstreitigkeiten könnten als Fragen der territorialen Integrität darunter fallen. Die in einem früheren Verhandlungsstadium vorgeschlagenen positiven Listen von "justiziablen" Angelegenheiten117 hätten dagegen die Zuständigkeit eindeutiger bestimmt. Doch war eine Einigung auf eine derartige Liste nicht erzielbar. Die nunmehrige negative Liste an Ausnahmen, welche die Materien der "high level politics" zu umfassen scheinenl18 , entspricht jedoch ebenfalls den Forderungen, bestimmte, als "nicht-justiziabel" erkannte Materien in der Form einer "verfahrenshindernden Einrede" auszunehmen ll9 . Abgesehen davon, daß angesichts der bloß fakultativen Zuständigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit die Notwendigkeit, überhaupt Ausnahmen davon vorzusehen, fragwürdig ist, weisen diese Ausnahmen insbesondere zwei Mängel auf: So bleibt noch immer die Vollständigkeit dieser Aufzählung offen, da jede Angelegenheit, die von der Bevölkerung eines Staates entsprechend emotionell besetzt ist, diesen "high level"-Charakter erhalten kann, wie auch umgekehrt die genannten Materien nicht notwendigerweise so qualifiziert sein müssen. Obwohl territoriale Dispute hier als nicht-justiziabel bezeichnet werden, beziehen sich mehrere derzeit vom IGH behandelte Grenzstreitigkeiten auf derartige Materien l20 . Auch ist davon auszugehen, daß die "lustiziabilität" eines Konfliktgegenstandes nicht nur von diesem selbst, sondern auch vom jeweiligen Konfliktpartner abhängt. Staaten, die bereit wären, eine bestimmte Angelegenheit gegenüber einem bestimmten Staat einem derartigen Streitbeilegungsverfahren zu unterwerfen, könnten sich durchaus weigern, dies in den Beziehungen zu einem anderen Staat zu tun - entsprechend ihren politischen GrundeinsteIlung zu diesem anderen Staatl21 • Das System des Valletta-Mechanismus entspricht diesem Gedanken dadurch, daß es mit seinen Ad-hoc-Ausnahmemöglichkeiten eine größere Flexibilität zwischen verschiedenen Staaten zu117 Hafner (FN. 13), 165 f.: Es sei daran erinnert, daß die Frage der Fonnulienmg einer derartigen Liste schon auf der Zweiten Haager Friedenskonferenz von den USA und Österreich-Ungarn diskutiert wurde; Dülffer (FN. 9), S. 313. 118 Siehe dazu Oellers-Frahm (FN. 35), S. 80 sowie dies., Probleme und Grenzen der obligatorischen internationalen Gerichtsbarkeit, AVR 27 (1989), S. 450 tT. 119 Hillgenberg (FN. 31), S. 124; ähnlich Ruiz Fabri (FN. 17), S. 312. 120 Im Jahr 1992/93 waren folgende Fälle vor dem IGH anhängig, die als territoriale Dispute qualifIZiert werden können: Maritime Delimitation in the Area between Greenland and Jan Mayen (Dänemark gegen Norwegen), Territorial Dispute (Libyen gegen Tschad), East Timor (Portugal gegen Australien), Maritime Delimitation between Guinea Bissau and Senegal, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain sowie Land, Island and Maritime Frontier Dispute (EI Salvador ge~en Honduras), Doc. A/48/4, S. iii. 21 Auf die Abhängigkeit der Streitbeilegungsverfahren von den politischen Grundbeziehungen zwischen den Staaten und nicht nur vom Streitgegenstand selbst weist insbesondere Caflisch hin, (FN. 17), S. 3; Hafner (FN. 13), S. 157.
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läßt; im Übereinkommen kann dagegen ein Vertragsstaat diese Ausnahmen gegenüber den anderen Vertragsstaaten nicht variieren, da der Vorbehalt nur gegenüber allen anderen Vertragsstaaten wirkt. Ein Ad-hoc-Ausnahmerecht wäre hier eher im Interesse der Erweiterung der sachlichen Zuständigkeit gewesen. d) Die Deutung des "Streitfalls" aus der Funktion des Verfahrens
Eine weitere sachliche Begrenzung der den Verfahren unterliegenden Angelegenheiten folgt aus dem Begriff des "Streitfalls". Entsprechend der bisherigen Praxis der internationalen Streiterledigung muß es sich hiebei um eine "unterschiedliche Rechtsansicht" zweier oder mehrerer Völkerrechtssubjekte handeln l22 , die die Interessen der Streitparteien materiell und wesentlich betreffen123 . Das Fehlen näherer Ausführungen im Übereinkommen erlaubt aber apriori keine Antwort darauf, ob auch Streitigkeiten dem einen oder anderen Verfahren unterbreitet werden können, die nicht eine Frage der Anwendbarkeit, sondern der Änderung des Völkerrechts implizieren. Zum Unterschied von älteren Verfahren124 und dem Europäischen Übereinkommen125 ist es derzeit den schiedsgerichtlichen Regelungen immanent, daß es sich bei der ihnen unterworfenen Angelegenheit um eine Rechtsstreitigkeit handeln muß, die Bindschedler in Art. 5 seines Entwurfs als "justiziable Streitigkeiten" definiert: "Justiziable Streitigkeiten haben die Auslegung und Anwendung des geltenden Völkerrechts zum Gegenstand", wobei zur näheren Bestimmung auf Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut verwiesen wirdl26 . Es könnte daher argumentiert werden, daß jene von Bindschedler benützte und aus dem Mavrommatis-Urteil des StIG bekannte Definition auch für die Zwecke des schiedsgerichtlichen Verfahrens des Übereinkommens heranzuziehen sei. Vgl. die Definition im Mavrommatis-Fall, StIGH, ser. A, no. 2, S. 1l. Siehe dazu Hafner (FN. 13), S. 206 ff.; American Law Institute (Hrsg.), Restatement ofthe Law, Third, Foreign Relations Law ofthe United States, (Bd.2) (1987), S.367. 124 Vgl. insbesondere jene schiedsgerichtlichen Regelungen, die ex aequo et bono Entscheidungen zuließen, so im Delagao Bay-Fall (1872), dem Fall der Grenzregelung zwischen Kolumbien und Ecuador (1907), dem Beringsee-Fall (1893) oder dem Fall der Nordatlantik-Fischerei; in Handbook (FN. 46), S. 62. 125 Gemäß Art. 26 des europäischen Übereinkommens entscheidet mangels entgegenstehender Vereinbarungen das Schiedsgericht "ex aequo et bono, having regard to the general principles of internationallaw, while respecting the contractua1 obligations and the fmal decisions of international tribunals which are binding on the parties". 126 Dok. CSCEIIIIBIl (FN. 15), S. 11. 122 123
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Demgegenüber könnten "nicht-justiziable", d. h. auf eine Änderung des Völkerrechts gerichtete Streitigkeiten dem Vergleichsverfahren unterworfen werden - entsprechend der traditionellen Funktion dieses Verfahrens. Eine Vergleichskornrnission arbeitet Vorschläge in erster Linie mit der Absicht aus, deren Akzeptabilität durch die Parteien zu sichern127 . Die nähere Analyse des Übereinkommens gibt dieser Unterscheidung aber dann nicht recht, wenn zur Auslegung des Begriffs des Streitfalls das von den jeweiligen Streitbeilegungsinstanzen anzuwendende Recht oder die anzuwendenden Regeln herangezogen werden: Dies ist deswegen sinnvoll, weil sich ein Beschwerde- oder Klagsantrag nur an der Funktion des betreffenden Verfahrens orientieren kann und sich die Argumentation der Streitparteien danach ausrichten muß. Eine andere Streitigkeit diesem Verfahren zu unterbreiten hätte nur ein abschlägiges Ergebnis zu gewärtigen, sofern die Kommission nicht überhaupt ihre Unzuständigkeit erklärt. Aus diesem Konnex heraus ist es möglich, aus der Zielsetzung des Verfahrensergebnisses auf den sinnvoll möglichen Beschwerdeantrag zu schließen. Aus der Funktion des Valletta-Mechanismus, "die Parteien bei der Streitbeilegung im Einklang mit dem Völkerrecht und ihren KSZEVerpflichtungen zu unterstützen"128 , ist zu schließen, daß er auf diese Standards, d.h. Völkerrecht und KSZE-Verpflichtungen, gestützte Vorschläge abzugeben berechtigt ist. Somit ist unter einern diesem Verfahren unterbreitbaren Streitfall jener zu verstehen, bei dem die Ansichten der Streitparteien über Auslegung und Anwendung des Völkerrechts und der KSZEBestimmungen divergieren; "politische" oder "nicht-justiziable" Streitigkeiten sind hier ausgeschlossen, sofern die Parteien beabsichtigen, auch die KSZEVerpflichtungen zu ändern. Diese Schranken finden sich im Vergleichsverfahren des Übereinkommens wieder: Dieses Verfahren ist ebenfalls darauf beschränkt, den Parteien zu helfen, "eine Beilegung ihrer Streitigkeit gemäß dem Völkerrecht und ihren KSZE-Verpflichtungen zu finden" (Art. 24). Der Argumentationsweise folgend, die aus dieser Funktion auf den Streitfall schließt, kann der dem Vergleich unterworfene Streitfall demnach zwar über den engen, allein auf Völkerrecht bezogenen Begriff der "justiziablen" Streitigkeit hinausgehen, nicht 127 Vgl. Art. 4 Abs. 1 des Europäischen Übereinkonunens, das das Vergleichsverfahren vor allem für nicht-rechtliche Streitigkeiten vorsieht; der derzeit dem Special Committee on the Charter of the United Nations and on the Strengthening of the Role ofthe Organization vorliegende Entwurf über den Vergleich bestinunt als Hauptaufgabe des Vergleichs "reaching an amicable settlement of the dispute" (Art. 7; UN Doc. A/48/33, S. 42). Vgl. ferner Handbook (FN. 46), S. 45; Restatement (FN. 123), S. 351, wonach die Aufgabe einer Vergleichskommission in der Erzielung eines "amicable settlement" besteht. 128 Abschnitt XI, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. E.l, S. 11.
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jedoch auf eine Änderung des Völkerrechts und der KSZE-Regeln gerichtet sein. Demgegenüber ergibt sich aus der Funktion des schiedsgerichtlichen Verfahrens l29 , daß lediglich Rechtsstreitigkeiten (justiziable i. e. S.) sinnvollerweise Gegenstand des Verfahrens sein können; der Klagsgegenstand kann auch nicht unter Berufung darauf ausgedehnt werden, daß das Vergleichsverfahren obligatorisch vorgeschaltet ist. Der Verweis auf "Streitigkeit mit einem anderen Staat" (Art. 18 Abs. 1) sowie die Funktion der Verfahren, internationale Standards anzuwenden, eliminiert auch Angelegenheiten, die in die inneren Angelegenheiten eines Staates fallen. Schon Bindschedler stellte fest, daß allein deswegen, weil "es sich um eine internationale Streitigkeit handeln müsse, es sich erübrigen dürfe, ausdrücklich jene Angelegenheiten auszunehmen, die zum ausschließlich internen Zuständigkeitsbereich der Vertragsparteien gehören" 130 . Hinsichtlich der Verfahren nach dem Übereinkommen ergeben sich Unterschiede jedoch insoweit, als dem Vergleichsverfahren zum Unterschied vom Schiedsverfahren auch jene Angelegenheiten unterworfen werden können, die zwar noch keine völkerrechtliche Regelung erfahren haben, somit (in verkürzter Weise) als innere Angelegenheiten gelten können l3l , die aber Gegenstand von KSZEVerpflichtungen sind. Dadurch können einige Fragen aus dem Bereich der menschlichen Dimension oder der Minderheitenregelung zwar dem Vergleichs-, nicht aber dem Schiedsverfahren unterbreitet werden. Die Auswirkung der dadurch gegebenen Unterschiedlichkeit des Streitgegenstands läßt sich am Beispiel der Verhandlungen über die Rechtsstellung, Immunitäten und Privilegien der KSZE-Institutionen verdeutlichen: Das Pariser Zusatzdokument und das Stockholmer Schlußdokument verpflichten die Gaststaaten, die KSZE-Institutionen "in die Lage zu setzen, ihre Aufgaben uneingeschränkt zu erfüllen und vertragliche wie auch finanzielle Verpflichtungen einzugehen, und ihnen einen entsprechenden diplomatischen Status zu gewähren" 132 . Mit den Beschlüssen von Helsinki wurde eine Diskussion eingeleitet, die die Zweckmäßigkeit einer Übereinkunft überprüfen sollte, die dem KSZE-Sekretariat, dem Konfliktverhütungszentrum (KVZ) und dem Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) einen 129 Gemäß Art. 30 ist es Aufgabe des Schiedsgerichts, "die ihm unterbreiteten Streitigkeiten gemäß dem Völkerrecht zu entscheiden." 130 Dok. CSCEIIIIBIl (FN. 15), S. 4. \31 l. Brownlie, Principles of Public International Law (4. Aufl. 1990), S. 291; G. Hafner, Schutzmachtfimktion und völkerrechtliches Interventionsverbot (Art. 2 Abs. 7 SVN), in: F ErmacoraIH. Tretter/A. Pelzl (Hrsg.) , Volksgruppen im Spannun~sfeld von Recht und Souveränität in Mitte1- und Osteuropa (1993), S. 133. 1 Abschnitt H, Pkt. 11 des Zusatzdokmnents zur Durchftlhrung der Charta von Paris, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. A.3, S. 8.
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"international anerkannten Status" verleihe 33 . Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben die drei Sitzstaaten von KSZE-Institutionen (Österreich134 , die Tschechische Republik und Polen) durch innerstaatliche Gesetze oder Verwaltungsmaßnahrnen dem Auftrag von 1991 entsprochen. Da es sich dabei aber um keine völkerrechtliche Verpflichtung, sondern eine solche aus KSZEDokumenten handelt, könnte die Erfiillung dieser Verpflichtung nicht vor dem Schiedsgericht, sondern lediglich im Vergleichsverfahren geltend gemacht werden. Eine Besonderheit in der Festlegung des Streitgegenstandes resultiert noch aus Art. 22 Abs. 3 hinsichtlich des Vergleichsverfahrens und Art. 27 Abs. 1 betreffend das Schiedsverfahren: Sollte eine Angelegenheit diesen Verfahren mittels eines Übereinkommens unterbreitet werden, so bedarf es nicht der vorausgehenden Einigung der Parteien über den Streitgegenstand, sondern es bleibt jeder von ihnen unbenommen, ihre eigene Auffassung dazu der Kommission vorzulegen. Auf diese Weise wird aber diese in die Lage versetzt, womöglich über den gemeinsamen Kern des Streitbegehrens hinaus zu urteilen, und muß sich dann dem Vorwurf einer Entscheidung ultra petita aussetzen. Wenngleich ein Nichtigkeitsverfahren auch fiir das Schiedsverfahren ausgeschlossen ist, trägt diese Unschärfe sicher nicht zur Wirksamkeit dieses Übereinkommens bei. 3. Voraussetzung der Befassung a) Die Einleitung des Vergleichsverfahrens
In den Verhandlungen seit 1978 war es lange Zeit umstritten, ob die Befassung von Streiterledigungsinstanzen von vorhergehenden Verfahren, insbesondere Verhandlungen, abhängig sein solle. So wurde gegen diese Voraussetzung eingewendet, daß schwächere Staaten in den Verhandlungen dem Druck eines mächtigeren Staates ausgesetzt und nicht mehr durch das Prinzip der Gleichheit der Staaten geschützt seien sowie zu Zugeständnissen gezwungen werden könnten, die außerhalb des eigentlichen Streitgegenstandes lägen135 . Doch bereits der auf dem Athener Expertentreffen präsentierte Schweizer EntwUrf setzte dem Drittverfahren Verhandlungen voraus136 und wurde durch das Wiener Dokument bestätigt, worin die obligatorische Hin-
133 Abschnitt I, Pkt. 25 der Beschlüsse von Helsinki, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. A.6, S. 5. 134 BGBl. 134/1993. m Hafner (FN. 13), S. 159 f. 136 Dok. CSCEIREA 2; vgl. Hafner (FN. 13), S. 152.
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zuziehung einer Drittpartei gefordert wird, "wenn ein Streitfall durch andere friedliche Mittel nicht beigelegt werden kann,,137 . Dementsprechend verpflichtet der Valletta-Mechanismus die Staaten, eine Beilegung durch Verhandlungen oder Konsultationen zu versuchen, bevor sie den Mechanismus anrufen l38 . Das Übereinkommen macht die Einsetzung einer Vergleichskommission ebenfalls davon abhängig, daß Verhandlungen innerhalb einer angemessenen Zeit erfolglos geblieben sein müssen. Hiebei wurde auf die Alternative der Konsultationen zurecht verzichtet\39; schließlich rührt dieser Begriff in der KSZE vor allem von den Versuchen der früheren kommunistischen Staaten her, auf diese Weise den Verhandlungen Exklusivcharakter unter den Mitteln der Streiterledigung zu verleihen l40 . Die allgemeine Zustimmung zu den Verhandlungen als Voraussetzung rur weitere Verfahren beweist, daß die zur Zeit der Ost-West-Spannung befiirchteten Nachteile dieses Vorverfahrens nicht mehr als gravierend gelten. b) Die Befassung des Schiedsgerichts Das schiedsgerichtliche Verfahren ist im Gegensatz zum Vergleichsverfahren insofern fakultativer Natur, als die Vertragsparteien diese Zuständigkeit entweder durch eine einseitige Erklärung (Art. 26 Abs. 2) oder mittels Vertrag ausdrücklich anerkennen müssen (Art. 26 Abs. 3). Diese einseitige Erklärung kann zeitlich beschränkt sein; zum Unterschied von der Praxis der Erklärungen gemäß Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut kann sie aber nicht auf jede beliebige Kategorie von Streitigkeiten beschränkt werden, sondern lediglich die von den Valletta-Ausnahmenl41 erfaßten Streitigkeiten ausschließen. Die Frage der obligatorischen Vorschaltung eines Vergleichsverfahrens vor dem schiedsgerichtlichen wurde bereits im Bindschedler-Entwurf eingehend erörtert: dieser Entwurf lehnte schließlich eine derartige Bedingung wegen der Unterschiedlichkeit des Streitgegenstandes (nicht-justiziable gegenüber justiziablen Streitigkeiten) ab. Außerdem würde der Staat, dem nach dem Vergleichsverfahren noch die Schiedsgerichtsbarkeit offenstünde, im ersten Verfahren kaum zur Lösung beitragen, sondern auf seinem Recht beharren, daß das zweite Verfahren ihm dies bestätigen werde. Auch könnte eine Partei beim 137 Pkt. 7 des Abschließenden Dokuments des Wiener Folgetreffens, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. B.3, S. 6. 138 Abschnitt I, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. E.l, S. 7. 139 Vgl. K. Zemanek, On Consultations, in: M. MedinaIR. MesaIP. Mariiio (Hrsg.), Pensamiento juridico y sociedad intemacional (FS ftlr A. Truyol y Serra), (Bd. 2), (1986), S. 1259, wo er bereits auf die Austauschbarkeit der Begriffe Konsultationen und Verhandlungen in einigen Abkommen hinwies. 140 Hafner (FN. 13), S. 158 f. 141 Siehe oben, Abschnitt C.I1.2.c).
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vorgeschalteten Vergleichsverfahren "faits accomplis" schaffen, die später nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Gleich dem Europäischen Übereinkommen142 stipulierte dieser Entwurf deshalb nur eine fakultative Vorschaltung l43 . Demgegenüber setzt im Übereinkommen jedoch das einseitig eingeleitete Schiedsverfahren voraus, daß ein Vergleichsverfahren vorausgangen und erfolglos geblieben sein muß 144 • Die von Bindschedler vorgebrachten Einwände kommen aber hier nur eingeschränkt zur Geltung, da das schiedsgerichtliche Verfahren aufgrund des weiteren Zustimmungserfordernisses nicht notwendigerweise dem Vergleichsverfahren folgt. Auf diese Weise ist das Vergleichsverfahren in das Zentrum des gesamten Systems des Übereinkommens gerückt und verleiht diesem seinen eigentlichen Wert.
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Der Spruch
Das Vergleichsverfahren wurde historisch insofern als "politisches Verfahren" konzipiert, als es vor allem zu Vorschlägen zur Rechtsänderung berufen war l45 . Zentrales Prinzip dieses Verfahrens war es, die Annehmbarkeit eines Vorschlags im Interesse eines "amicable settlement" zu erreichen. Schon das Vergleichsverfahren der WVK146 folgt aber nicht diesem Verständnis, da sich dieses Verfahren kaum zur Entscheidung ex aequo et bono eignet, sondern auf die WVK, somit auf Völkerrecht, gestützte Empfehlungen erbringen wird. Diese Beschränkung der Entscheidungsgrundlage des Vergleichsverfahrens, die sich zwar in der WVK nicht wörtlich findet, aber ihrem Sinn schon deswegen entspricht, weil es subsidiär zu gerichtlichen Verfahren ist147 , engt die Funktion des Vergleichsverfahrens deutlich ein und pervertiert dieses Verfahren zu einer Schiedsgerichtsbarkeit mit nicht-bindendem Spruch. In einem derartigen Verfahren ist dann keine dynamische Lösung mehr mögArt. 2 Abs. 2. CSCEIIIIB/l (FN. 15), S. 9. 144 Art. 26 berechtigt einen Staat, erst nach dreißig Tagen einen Antrag aufBildWlg eines Schiedsgerichts zu stellen, nachdem der Bericht gern Art. 25 Abs. 5 übermittelt worden ist. Art. 25 Abs. 5 behandelt lediglich die Nichtannahme eines Vergleichsvorschlags; der Bericht über das Nichterscheinen ist in Art. 25 Abs. 6 geregelt. Erscheint eine der Streitparteien nicht zum Vergleichsverfahren, so kann das Schiedsverfahren fol~lich sofort eingeleitet werden. 45 Vgl. Art. 18 des Bindschedler-Entwurfs, worin ausdrücklich festgehalten wurde, daß die entsprechende Kammer "nicht an das geltende Recht gebWlden" ist; sie habe jedoch "ihren BemühWlgen die GrWldsätze der Gleichheit der Streitparteien, der Billi~eit Wld Zweckmäßigkeit zugrWlde" zu legen; Dok. CSCEIIIIBII (FN. 15), S. 36. 146 Das subsidiär zuständige obligatorische Vergleichsverfahren, das im Annex zur WVK enthalten ist, wurde auch in den späteren KodifIkationskonventionen verwendet, wie z.B. in den Übereinkommen über die Staatennachfolge. 147 Art. 66 WVK. 142 143
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lieh, die zur Änderung des Völkerrechts und einem "peaceful change" führen könnte, sondern ihm verbleibt nur mehr die statische Funktion, Völkerrecht anzuwenden. Von einem "politischen" wird es zu einem "nur" rechtlichen Verfahren, von einem Verfahren, das an der Schaffung neuer völkerrechtlicher Regeln beteiligt ist, zu einem solchen, das Völkerrecht anwendet. Das Problem der Schranken dieses Verfahrens hatte sich auch in Valletta gestellt: Einem Vorschlag, die "Hinweise und Ratschläge" des Mechanismus an keine Beschränkungen durch internationale Standards zu binden (was nur zu einer Begrenzung durch ius cogens geführt hätte) und ihn auf diese Weise auch zu einem politischen Organ zu machen, stand jene Ansicht gegenüber, die eine derartige unbegrenzte Dynamik fürchtete und Schutz hinter dem geltenden Völkerrecht suchte. Die endgültige Formulierung folgt diesem zweiten Ansatz in etwas gemildeter Fassung, da die Hinweise und Ratschläge des Mechanismus in der zweiten Phase zum Ziel haben sollen, "die Parteien bei der Streitbeilegung im Einklang mit dem Völkerrecht und ihren KSZEVerpflichtungen zu unterstützen,,148. Dadurch wurde ausgeschlossen, daß diese Ratschläge und Hinweise in Abänderung der aus völkerrechtlichen Regeln und KSZE-Verpflichtungen gebildeten Standards ergehen. Aus diesem generellen Verweis wird zwar insofern eine bestimmte Offenheit herausgelesen, als ein Ergebnis ex aequo et bono nicht ausgeschlossen sei, sondern "lediglich jene Regelung, die Völkerrecht widersprechen würde,,149. Demnach dürften diese Vorschläge lediglich einem völkerrechtlichen Verfahren zur Rechtsänderung nicht widersprechen, dürften aber eine Rechtsänderung vorschlagen, solange das "gerechte Verfahren" beachtet werde. Dieser Deutung steht aber entgegen, daß Vorschläge zur Rechtsänderung kein Verfahren verletzen können, da sie selbst noch keine Bindungswirkung entfalten und Völkerrecht noch nicht ändernI50 . Demnach ist von einer inhaltlichen Schranke auszugehen, denen diese Vorschläge unterliegen. Wie schon bei der Bestimmung der den Verfahren aus dem Übereinkommen unterworfenen Streitfalle hervorgehoben, sind auch im Übereinkommen den Grundlagen für Vorschläge im Vergleichsverfahren Schranken gesetzt, da dieses darauf beschränkt ist, den Parteien zu helfen, "eine Beilegung ihrer Streitigkeit gemäß dem Völkerrecht und ihren KSZE-Verpflichtungen zu finden" (Art. 24). Dadurch ist hier dem geschlossenen System des Völkerrechts, erweitert um die KSZE-Verpflichtungen, der Vorzug gegenüber einem offenen, dynamischen System gegeben151 . Dem Prinzip der Akzeptabilität Abschnitt XI, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. E.l, S. 11. Oellers-Frahm (FN. 35), S. 79; Hillgenberg (FN. 31), S. 133. 150 Die Änderung bedarf erst der ausdrücklichen Zustimmung der Parteien. 151 Oellers-Frahm spricht von einer "Verrechtlichung", (FN. 35), S. 86. Im Gegensatz hiezu besteht die Aufgabe des in der Anlage 3 enthaltenen Vergleichsverfahrens darin, eine akzeptable Lösung zu erwirken (Abschnitt IX); Text in: Fastenrath 148
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kommt nur mehr die Bedeutung zu, daß eine Einigung der Streitparteien das Verfahren beendet; im übrigen ist es durch die Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und den KSZE-Verpflichtungen ersetzt. Einfach gesprochen, wird das Prinzip der Akzeptabilität durch das der Rechtskonforrnität ersetzt. Dadurch ist die Rolle der Vergleichskornrnission in die Richtung zu einer nicht-bindenden Schiedsgerichtsbarkeit gedrängt. Diese Tendenz bestätigt sich auch dadurch, daß die Zahl der "neutralen" Schlichter normalerweise die Zahl der von den Streitparteien genannten übersteigen wird152 , wodurch dem "objektiven" Element eine größere Rolle zukommt. Wenn auch hiedurch Schutz fiir die kleineren und mittleren Staaten geboten wurde, kann dieser statische Charakter auch bedauert werden. Die Schiedsgerichtsbarkeit hat, entsprechend ihrem Wesen, Entscheidungen auf der Basis des Völkerrechts zu suchen; ex aequo et bono Entscheidungen sind - wie auch im Art. 38 IGH-Statut - nur mit Zustimmung der Parteien zulässig (Art. 30). Entscheidungen über eine Verletzung allein von KSZERegeln sind somit ausgeschlossen, soweit diese Regeln nicht bestehendes Völkerrecht wiedergeben. Die obligatorische Vorschaltung des Vergleichsverfahrens kann somit dann unterschiedliche Ergebnisse der beiden Verfahren bewirken, wenn die KSZE-Regeln, die den Vorschlägen der Schiedskornrnission zugrunde liegen, noch keinen Reflex im Völkerrecht gefunden haben153 . IV. Die Durchsetzung des Spruches Die Wirkung eines Erkenntnisses, sei es der Vergleichskornrnission, sei es eines Schiedsgerichts, wird im wesentlichen durch das Verfahren der Nichtbefolgung bestimmt.
1. Das Verfahrenfür die Nichtbefolgung eines Spruches Das Valletta-System verpflichtet (mit der Wirkung einer KSZEVerpflichtung) die Parteien nach Abschluß der ersten Phase, "alle Hinweise oder Ratschläge des Mechanismus zu prüfen"154 . Ist eine Partei außerstande, (FN. 16), Dok. E.5, S. 4. Die früheren Entwürfe hatten dagegen der Kommission noch immer die Möglichkeit eingeräumt, Lösungen auch entsprechend der Billigkeit neben dem Völkerrecht und den KSZE-Verpflichtungen zu suchen, wobei jedoch die Akzeptabilität entscheidene Zielvorgabe des Kommissionsvorschlags sein sollte (Art. 21 des Entwurfs vom 3. Juli 1992; Dok. CSCElHM/6). U2 Siehe oben, Abschnitt C.I.2. 153 So etwa im Bereich der menschlichen Dimension, einschließlich der MinderheiteIlfwelungen: . Abschnitt IX; Text m: Fastenrath (FN. 16), Dok. E.I, S. 10.
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diese Vorschläge zu befolgen, kann davon der AHB infonniert und die zweite Phase des Verfahrens eingeleitet werden I55 . Die dann ergehenden Hinweise und Ratschläge haben die Parteien "nach Treu und Glauben und im Geiste der Zusammenarbeit" zu prüfenI56 . Diese Verpflichtung ist somit im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben entsprechend Prinzip X sowie des Prinzips IX der Schlußakte von Helsinki auszulegen, wonach die Teilnehmerstaaten keine Maßnahmen setzen dürfen, die dem Prinzip der Zusammenarbeit widersprechen würden. Diese Prinzipien ersetzen die sich aus der Rechtskraft eines Spruches ansonst ergebende Bindungswirkung. Wenngleich für die Nichtbeachtung derartiger Vorschläge kein Verfahren ausdrücklich genannt ist, besteht ein solches dennoch in dem immer wieder bekräftigten Recht jedes Teilnehmerstaates, jede Angelegenheit vor den AHB zu bringen (Abschnitt XV). Allerdings ist dieser Sanktionsmechanismus durch den Vorbehalt der Konsensregel, die für die Zusammenstellung der Tagesordnung des AHB gilt, in seiner Wirkung wesentlich reduziertl57 . Dieser Mechanismus ist auch für die Vergleichsverfahren des Übereinkommens bestimmend: Wie schon der urspÜDgliche französische Entwurf vorgesehen hatte (Art. 22 Abs. 5)158, ist gemäß dem Übereinkommen der Bericht der Vergleichskommission über den AHB dem KSZE-Rat vorzulegen (Art. 25 Abs. 3), sofern die Parteien den Vorschlag nicht innerhalb einer bestimmten First angenommen haben l59 . Es bleibt jedoch offen, wieweit eine Pflicht dieses Organs besteht, diese Angelegenheit tatsächlich auf die Tagesordnung zu setzen und zu diskutieren. Da die übrigen Bestimmungen des Übereinkommens den Schluß zulassenl60 , daß insbesondere die KSZETeilnehmerstaaten, die nicht Partei des Übereinkommens sind, nicht gezwungen werden wollen, derartige Verpflichtungen für die Tagesordnung zu akzeptieren, ist eine derartige Verpflichtung nicht anzunehmen, wodurch der Sanktionsmechanismus eine entscheidende Schwäche aufweist. Eine weitere Sanktionsmöglichkeit für die Nichtbeachtung des Vergleichs, die aus dem Recht einer Streitpartei resultiert, den Streit dem Schiedsverfahren zu unterbreiten, ist aber dadurch wesentlich beschränkt, daß beide Streitparteien die schiedsgerichtliche Zuständigkeit anerkannt haben müssen.
Abschnitt IX, 2. Satz und Abschnitt XI; ebd., S. 11. Abschnitt XI; ebd., S. 11. Anderer Ansicht ist Hillgenberg, siehe oben FN. 39. 158 Dok. CSCEIHM/6 vom 3. Juli 1992. 159 Ähnlich wie schon im Bindschedler-Entwurf vorgesehen (vgl. Hafner [FN. 13], S. 168), haben die Streitparteien innerhalb von 30 Tagen dem Vorsitzenden der Kommission mitzuteilen, ob sie den Vorschlag annehmen (Art. 25 Abs. 3). 160 Dies ergibt sich aus Art. 38; siehe dazu näher unten Abschnitt C. V. I55 156 157
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2. Die Folgen der Abwesenheit einer Streitpartei Die Effizienz eines Verfahrens bestimmt sich aber auch danach, in welcher Weise es auf das Nichterscheinen einer Streitpartei reagiert, da es ein Staat allenfalls in der Hand hätte, durch bloßes Nichterscheinen oder dadurch, daß er seine Schlichter nicht nominiert161 , ein Verfahren zu vereiteln. Das Übereinkommen verhindert die letztere Möglichkeit im Vergleichsverfahren schon dadurch, daß es das Präsidium anstelle der säumigen Partei tätig werden läßt (Art. 22 Abs. 2). Für das Schiedsverfahren ist dies nicht notwendig, da das Listenmitglied jeder Streitpartei ex officio dem jeweiligen Schiedsgericht angehört. Die Abwesenheit einer Streitpartei vom Vergleichsverfahren selbst kann jedoch insofern einen Vergleichsvorschlag verhindern, als der Kommissionsbericht dann nur mehr die Umstände darstellt, unter denen eine Partei zum Verfahren nicht erschienen ist oder es verlassen hat (Art. 25 Abs. 6)162. Insgesamt betrachtet ist im Übereinkommen das System, das den Verfahrensergebnissen zur Wirkung und vermehrten Beachtung verhelfen soll, wenig ausgebildet, so daß die Effizienz dieser Ergebnisse schließlich allein von der Bereitschaft der Streitparteien abhängt, diese auch tatsächlich zu befolgen. V. Die Einbindung des Übereinkommens in die übrige KSZE-Struktur Die Einbindung der Verfahren des Übereinkommens in die KSZE-Struktur war sehr umstritten, da vor allem jene Staaten, die die gesamte Idee des Streitbeilegungsübereinkommens ablehnten, danach strebten, jede Einbettung dieser Verfahren in die übrigen KSZE-Verfahren auszuschalten. Dennoch sind im Übereinkommen, sei es im Vergleichsverfahren, sei es im schiedsgerichtlichen, Verbindungen mit der übrigen Organisationsstruktur der KSZE, insbesondere mit dem KSZE-Sekretariatl63 und dem KSZE-Rat unter Einbeziehung des AHB, vorgesehen. Das Sekretariat dient hiebei ledig161 Es sei an die Fälle der Friedensverträge mit Bulgarien, Rwnänien und Ungarn erinnert; ICJ Reports 1950, S. 65, S. 221. 162 Wie sehr das Recht der Kommission zu einem Kontwnazverfahren wnstritten war, läßt sich daran ermessen, daß noch einer der letzten Entwürfe die Möglichkeit von meritorischen Empfehlungen in Abwesenheit vorgesehen hatte (CSCEIRPDG. 2, Art. 20), diese aber nunmehr durch den Bericht ersetzt wurde. 163 Die Aufgaben des Sekretariats sind im Zusatzdolaunent zur Durchfilluung der Charta von Paris enthalten; Teil I, Abschnitt E; Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. A.3, S.3.
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lieh zur Informationsvermittlung, da es die Liste der Schlichter (Art. 3 Abs. 5) und Schiedsrichter (Art. 4 Abs. 7), die Informationen über die Einleitung des Verfahrens (Art. 15), Vorschläge zur Änderung des Übereinkommens (Art. 35 Abs. 2) sowie alle sonstigen vom Depositär zu übermittelnden Informationen an alle KSZE-Teilnehmerstaaten weiterzuleiten hat (Art. 37), auch wenn diese nicht Parteien des Übereinkommens sind. Diese Informationsversorgung ist damit gerechtfertigt, daß sie auch Nichtparteien von Verfahren, die dann zum Gegenstand der Verhandlungen im AHB oder Rat werden können oder in denen sie intervenieren wollen, in Kenntnis setzt. Der Rat selbst erhält, abgesehen vom jährlichen Bericht über die Tätigkeit des Gerichtshofs (Art. 14), über den AHB im Rahmen des Vergleichsverfahrens Informationen über eine einvernehmliche Einigung der Streitparteien (wobei allerdings nicht notwendigerweise auch das Ergebnis selbst mitgeteilt wird, Art. 25 Abs. 1), über eine Weigerung der Annahme eines Vergleichsvorschlages (Art. 25 Abs. 5) sowie über das Nichterscheinen einer Streitpartei (Art. 25 Abs. 6). Ähnlich wie beim Valletta-Mechanismus ist somit gesichert, daß das Organ mit der allumfassenden Zuständigkeit164 über die Möglichkeit seiner Befassung informiert ist. Besonders heftig wurde die Frage der Einbindung der KSZE-Institutionen in das Verfahren zur Änderung des Übereinkommens diskutiert. Jene Staaten, die das Übereinkommen selbst ablehnten, wollten einerseits eine Belastung durch das Übereinkommen vermeiden; andrerseits sollte entsprechend ihren Wünschen dieses Übereinkommen nicht ohne Mitwirkung des Rates geändert werden können. Gemäß Art. 35 kann zwar die Initiative zur Vertragsänderung nur von den Vertragsparteien ausgehen; diese Änderung bedarf jedoch des Beschlusses des mit Konsens agierenden Rates. Da aber keine explizite Verpflichtung besteht, die Änderung auf die Tagesordnung des Rates zu setzen, ist ein Drittstaat jederzeit imstande, sowohl die Diskussion eines Änderungsvorschlages als auch dessen Annahme zu verhindern. Um ein anderes Änderungsverfahren, das etwa nicht der Zustimmung des Rates bedarf, zu verhindern, qualifiziert Art. 35 Abs. 1 das darin vorgesehene Änderungsverfahren als ausschließlich. Allerdings schlägt diese Absicht fehl, da die Unwiderrufbarkeit von Bestimmungen zugunsten Dritter lediglich aus den daraus anwendbaren Vertragsregelungen (Art. 37 WVK), nicht jedoch aus der Qualifizierung als ausschließlich resultiert. Jede weitere unmittelbare Einbeziehung von KSZE-Institutionen wurde jedoch abgelehnt; dieser Haltung fielen insbesondere das bis zuletzt noch diskutierte Recht des Rates oder AHB zum Opfer, ein völkerrechtliches Gutachten 164 Der Rat "bildet das zentrale Forum fi1r regelmäßige politische Konsultation im KSZE-Prozeß"; Teil I, Abschnitt A, Plct. I des Zusatzdokmnents zur Durchfiihrung der Charta von Paris; Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. A.3, S. 1.
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vom Gerichtshof einzuholenl65 . Offensichtlich befürchteten einige Staaten, durch dieses Recht politisch zur Ratifikation des Übereinkommens gezwungen zu werden, da sie nur als Vertragspartei die Bestellung des betreffenden Entscheidungsgremiumsl66 beeinflussen könnten. Eine indirekte Verknüpfung von KSZE-Institutionen mit den Verfahren des Übereinkommens besteht auch darin, daß sie jene Streitbeilegungsverfahren ergänzen, die darüber hinaus im KSZE-Rahmen bestehen. Während das Übereinkommen mit dem Valletta-Mechanismus und dem auf einem britischen Entwurf basierenden vereinfachten Vergleichsverfahren nur indirekt durch die allgemeinen Bestimmungen über die Beziehungen zu den anderen Streitbeilegungsverfahren verknüpft ist l67 , verweist das von den USA vorgeschlagene Verfahren eines Vergleichs auf Anordnungl68 ausdrücklich darauf: Gemäß diesem Verfahren ist der KSZE-Rat oder der AHB berechtigt, zwei Streitparteien "anzuweisen", sich einem Vergleichsverfahren zu unterziehen - nach Inkrafttreten des Übereinkommens auch dem darin vorgesehenen Vergleichsverfahren, sofern die Streitparteien auch Parteien des Übereinkommens sind. Diese Anordnung hebt sich insofern deutlich vom sonst vom Konsens getragenen KSZE-Modus ab, als die beiden Streitparteien an der Entscheidung über die Anordnung nicht teilnehmen l69 . Doch ist dieses Verfahren wieder sachlich dadurch eingeschränkt, daß diese Anordnung nicht erfolgt, falls der Streit bereits einem anderen Verfahren unterliegtl70, ein anderes Verfahren außerhalb der KSZE anwendbar istl71 oder eine der Parteien der Ansicht ist, daß eine der Ausnahmen des Valletta-Mechanismus vOrliegtl72 . Dieses Vergleichsverfahren auf Anordnung stellt eine bemerkenswerte Neuerung nicht nur im KSZE-Prozeß, sondern sogar im Lichte des gesamten völkerrechtliche Instrumentariums der Streiterledigung dar. Es enthält zwar einige Elemente des Verfahrens vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, bei dessen Beschlußfassung im Fall einer Streitigkeit die Streitparteien 165 Dieses Instrumentarium war noch in den bis zuletzt verhandelten Entwürfen vorgesehen, so z.B. Chainnan's Working Paper No. 4/Rev.2 vom 23. Okober 1992 (Kat>ite1 IV bis); siehe auch Caflisch (FN. 17), S. 16 f. 1 Das Präsidium sollte die zuständige Kommission aus der Liste der Schiedsrichter ernennen. 167 In Abschnitt IV des Beschlusses von Stockholm, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. C.3, S. 16 f. 168 Anlage 4 des Beschlusses von Stockholm, Text in: OAD, Nr. 1, Februar 1993, S. 80 fT. 169 Pkt.4. 170 Pkt. 5 a. 171 Pkt. 5 b. 172 Pkt. 5 c; in diesem letzteren Fall bleibt jedoch das Vergleichsverfahren aus dem Übereinkommen heraus weiterhin zuständig, so daß eine Vertragspartei auf jeden Fall eine andere in diesem Verfahren belangen kann.
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ebenfalls nicht mitstimmen dürfen l73 , räumt aber dem Rat noch über die des Sicherheitsrats hinausgehende Befugnisse ein: Gemäß Art. 37 SVN kann der Sicherheitsrat lediglich Empfehlungen erstatten, wahrend der KSZE-Rat die Streitparteien zu einem Vergleichsverfahren "anweisen" ("direct" bzw. "prescrire") kann. Dessen englische Formulierung ist als "to give authoritative instructions,,174 zu verstehen, somit als mit politischer Autorität versehene Anweisungen. Daraus ist aber zu schließen, daß der KSZE-Rat auf diese Weise (selbst gegen den Willen der Streitparteien) eine "Verpflichtung" im KSZESinn ("commitment") begründen kann, dessen Nichtbefolgung als Verletzung einer KSZE-Verpflichtung mittels der bestehenden Vergleichsmechanismen geltend gemacht werden kann.
D. Eine Bewertung Dieses Übereinkommen provoziert sowohl positive, als auch kritische Bemerkungen. In der Begründung für die von ihm ergriffene Initiative, die in dieses Übereinkommen mündete, sprach Badinter davon, daß Europa zu einem Europa des Rechts werden müsse175 . Mit der Annahme des Textes des Übereinkommens durch Konsens scheinen die KSZE-Staaten seiner Ansicht gefolgt zu sein und ihm recht gegeben zu haben. Der tatsächliche Ratifikationsstand deckt sich aber nicht mit diesem Befund, da mit Mitte 1994 erst sieben Staaten ratifiziert haben. Das Übereinkommen ist somit, wenn nicht von seinem Inkrafttreten, so doch von seiner allgemeinen Anwendbarkeit noch weit entfernt; von jenen sieben Staaten hat lediglich Schweden die schiedsgerichtliche Zuständigkeit anerkannt l76 . Da die Akzeptanz der obligatorischen Streiterledigung vom jeweiligen politischen Grundkonsens zwischen zwei bestimmten Staaten abhängt, wird sich erst erweisen müssen, ob die gesamteuropäischen Beziehungen bereits soweit homogen sind, daß jeder europäische Staaten geArt. 27 Abs. 3 SVN. Webster's New Twentieth Century Dictionary of the English Language, 1980, S.5l6. 175 Badinter (FN. 13), S. 16 f.; das von Badinter zitierte Beispiel der Vorgänge auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens läßt es jedoch zweifelhaft erscheinen, ob diese Ereignisse hätten vermieden werden können, hätte ein solches Instrument wie dieses Dbereinkommen bereits bestanden. Zum einen wäre eher ein Instrument des "peaceful change" notwendig gewesen, zum anderen bestand gerade ein derartiges politisches Instrument in der Form des AHB oder Rates. Doch waren diese auch nicht imstande, diese Ereignisse abzuwenden. 176 Zum Thema dieser Problematik siehe A. R. Korula, Post-Negotiation Impasses in the Environmental Dornain. The Influence of Some Political and Econornic Factors on Environmental Treaty Acceptance, Working Paper, IIASA, WP-92-86, 1992, S. 7 fT. 173
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genüber jedem anderen das Obligatorium dieser Verfahren zu akzeptieren bereit ist. Schon mit seiner Annahme liefert das Übereinkommen jedoch Indizien für den gegenwärtigen Zustand der internationalen Beziehungen: Mit ihm gibt die KSZE-Staatengemeinschaft zu erkennen, daß für sie nicht mehr unterschiedliche, sondern gleiche Standards des internationalen Verhaltens gelten sOllen177 , wie sie durch die grundlegenden KSZE-Dokumente, von der Schlußakte 1975 bis zur Pariser Charta für ein neues Europa, formuliert sind, die von der KSZE als "Wertegemeinschaft" sprechen l78 und damit den Übergang von intersystemaren zu intrasystemaren Beziehungen markieren. Der von Charney angesprochene Zentralisierungsprozeß der Ausformulierung von Standards hat sich hier im regionalen Rahmen bereits durchgesetze 79 . Von dieser Anerkennung der einheitlichen Rahmenbedingungen oder Standards sind aber die Möglichkeiten ihrer Durchsetzung, einschließlich der Rechts- oder Standardsicherung, zu trennen. Das Übereinkommen bildet nun den Versuch, an Stelle einer unilateralen, den einzelnen Staaten überlassenen Sicherung der Rechte oder Standards ein gemeinsames Vorgehen zu setzen. Doch wird hier nicht ein zentrales permanentes Organ wie etwa ein Europäischer Gerichtshof mit bindendem Urteil, sondern nur ein dezentralisierter, bloß - aber auch immerhin - die beiden jeweiligen Streitparteien umfassender Mechanismus tätig. I 80 . Damit bleiben eine beschränkte Subjektivität des Verfahrens und die Gefahr der unterschiedlichen Interpretation der Standards (Rechtszersplitterung) bestehen, der durch die Vertraulichkeit des Verfahrens Vorschub geleistet wird (Art. 23 Abs. 1). Ansätze zu einer über die Bilateralisierung hinausreichenden Objektivierung bestehen lediglich darin, daß einerseits die Zahl der "neutralen" Kommissionsmitglieder die Zahl der von den Parteien genannten überwiegt, und andererseits beim angeordneten Vergleich auch darin, daß den betroffenen Staaten nicht einmal mehr die Entscheidung darüber verbleibt, ob und wie sie den Streit beilegen wollen. Allerdings läuft das Vergleichsverfahren hiebei Gefahr, der Formulierung all177 Vgl. auch A. Ch. Saidov, Koncepcija "evropejskogo pravovogo prostranstva": problemy i perspektivy, Moskovskij zurnal mezdunarodnogo prava, Nr. 3 (1992), s. 50 tI (S. 59, vor allem die Menschenrechte betreffend) sowie l. A. Smimov, "Obsceevropejskij dom" i evropejskoe pravovoe prostranstvo, ebd., S. 95, der die "Verrechtlichung" der KSZE als eine der wesentlichen Bedingungen für die Bildung dieses gemeinsamen Rechtsrawnes sieht; ebd., S. 96. Zu dieser in einem zeitlich früheren Kontext angesiedelten Frage siehe insbesondere Ginther (FN. 15); S. 307 ff. 178 Vgl. Kap. TI der Beschlüsse des Stockholmer Ratstreffens vom 15. Dezember 1992, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. C. 3, S. 13 sowie den Verweis auf die Einheit Europas in der Charta von Paris für ein neues Europa vom 21. November 1990, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. A2, S. 6. 179 J. l. Chamey, Universal International Law, Am.. 87 (1993), S. 540 tI (S. 549). 180 Das schiedsgerichtliche Verfahren kann hiefür wegen seiner fakultativen Natur außer Betracht bleiben.
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gemeiner Standards die Funktion der Streitbeilegung zu opfern; statt Streitigkeiten zu erledigen, wird sich seine Funktion in der Formulierung von Standards erschöpfen. Als wesentliche positive Faktoren dieses Verfahrens zur Standardsicherung sind jedoch zwei hervorzuheben: Zum einen werden auch die KSZE-Verpflichtungen, denen noch keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, vor der Vergleichskommission einmahnbar und dadurch verfestigt; hier geht das Übereinkommen sogar insofern über den Valletta-Mechanismus hinaus, als (allerdings auf Kosten der unmittelbaren Zuständigkeit für alle KSZE-Staaten) die diesem Verfahren inhärenten Ausnahmen nicht zur Geltung gebracht werden können. Neben die Implementierungsverfahren auf den Folgetreffen und die sonstigen KSZEInstrumente zur Konfliktlösung tritt hiemit ein zusätzlicher Mechanismus zur Sicherung der in den KSZE-Dokumenten festgelegten Standards. Zum anderen kommt diesem Verfahren, selbst ohne seine tatsächliche Anwendung, schon durch seine bloße Existenz eine Präventivfunktion zu, die sich aus seiner obligatorischen Zuständigkeit ergibt. Staaten müssen in ihre außenpolitischen Entscheidungen auch den Umstand einbeziehen, daß ihr Verhalten der jederzeitigen Überprüfung und somit Kontrolle durch die jeweilige Kommission unterworfen werden kann. Der Präsident des IGH, Sir Robert Jennings, wies in seiner Rede vor der 6. Kommission der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Oktober 1993 darauf hin, daß die obligatorische internationale Gerichtsbarkeit zu den Mitteln der "preventive diplomacy" zähle, die der Generalsekretär der Vereinten Nationen in seinem Dokument "An Agenda for Peace" betont hatte l81 . Jennings belegte diese - auch auf die Verfahren im Rahmen der KSZE übertragbare - Ansicht mit den beiden vor den IGH gebrachten Fällen Finnland gegen Dänemark und Nauru gegen Australien, die jeweils vor einer gerichtlichen Entscheidung bereits in bilateralen Verhandlungen beigelegt worden waren l82 . Sollten zumindest jene Staaten ratifizieren, die den entscheidenden Entwurf miteingebracht haben l83 , dann wirkt sich das Übereinkommen sicherlich auch 181 Boutros Boutros-Ghali, An Agenda for Peace (1992), S. 13; der Generalsekretär begriff aber die obligatorische Gerichtsbarkeit nicht unter die Mittel der präventiven Dip'lomatie. 182 Markant hiefiir ist auch der Umstand, daß die Mitgliedstaaten der Europäischen Union selten einen anderen Mitgliedstaat wegen Vertrags verletzung gemaß Art. 170 des Unionsvertrages vor dem Europäischen Gerichtshof klagen, sondern eher versuchen, diese Angelegenheit außergerichtlich beizulegen oder die Kommission ersuchen, tätig zu werden; P. Karpenstein, Art. 170 in: E. Grabitz, Kommentar zum EWGVertrag (1990), Rz. 7. .. 183 Insgesamt 19 Staaten (Albanien, Annenien, Osterreich, Bulgarien, Zypern, die Tschechische und Slowakische Föderative Republik, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Liechtenstein, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, die Russi-
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darin positiv aus, daß es vor allem auf jene Staaten anwendbar wird, die bisher zu keinem derartigen Instrument Zugang hatten - nicht nur, weil sie erst neu entstanden sind, sondern auch deswegen, weil derartige Instrumente, die eine Drittpartei in die Entscheidungsfindung einbeziehen, ihrer bisherigen Grundauffassung der zwischenstaatlichen Beziehungen fremd waren. Am Übereinkommen ist aber gleichzeitig zu kritisieren, daß es - abgesehen von der umfassenden Justiziabilität von KSZE-Verpflichtungen im Vergleichsverfahren - vor allem im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit keine wesentlich neuen Elemente in sich birgt und in dieser Hinsicht weithin unbeschadet durch andere bereits bestehende vertragliche Verpflichtungen ersetzt werden kann184 . Es wurde hier womöglich verabsäumt, innovative Verfahren auszuarbeiten, die den heutigen durch nationale Fragen, Migrationen, Umweltverschmutzungen, Drogenhandel und ähnliche Erscheinungen verursachten Konfliktsituationen angepaßt sind. Wenngleich fiir das Budapester Treffen 1994 eine Überprüfung der vereinbarten Verfahren angesetzt ist l85 , ist jedoch zu befiirchten, daß der Zeitraum bis dahin zu kurz ist, als daß aus der Praxis schon bestimmte Schlüsse hinsichtlich einer Änderung gezogen werden können.
sche Föderation, Spanien und die Schweiz) haben die entscheidenden Vorschläge miteingebracht; ihre Zahl WÜrde für das Inkrafttreten des Übereinkommens ausreichen. 184 Es sei neben der Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des IGH oder der Möglichkeit einer Anrufung des Ständigen Schiedshofes nur an die zahlreichen Schiedsklauseln erinnert, die in den verschiedenen Abkommen enthalten sind. Ein weiteres positives Argwnent könnte zwar aus der regionalen Beschränkung dieses KSZE-Streitbeilegungsverfahrens gewonnen werden, die bei einer Unterwerfungserklärung gemäß Art. 36 Abs. 2 des Statuts des IGH nicht gege~ wäre. Diese Regionalisierung kann aber auch mit einer Öffnung des Europäischen Ubereinkommens für alle KSZE-Teilnehmerstaaten erzielt werden; dem Einwand einer fehlenden Regionalisierung der Richterbank des IGH könnte auch durch die Bildung einer ad hoc-Kammer entfs~en getreten werden. Abschnitt IV der Beschlüsse des Stockholmer Ratstreffens, Text in: Fastenrath (FN. 16), Dok. C.3, S. 18.
11. INTERNATIONALE ORGANISATIONEN
12 Zemanek
Einleitung Von Winfried Lang
Modemes Völkerrecht setzt für sein Verständnis voraus, daß der Rolle internationaler Organisationen angemessene Aufmerksamkeit geschenkt wird. Diese Organisationen befassen sich mit einem breiten Spektrum von Aufgaben: Normsetzung und Durchsetzung der Normen; Informationsaustausch und Beistand; Umschuldung und Umweltschutz. Diese Organisationen sind zu vollwertigen Akteuren in den internationalen Beziehungen geworden; ihr Einfluß ist in praktisch allen Bereichen der internationalen Politik spürbar: Sicherheit und Abrüstung, wirtschaftliche Entwicklung und Schutz von Arbeitnehmerinteressen; Schutz der Menschenrechte und humanitäre Angelegenheiten; internationaler Handel und Technologietransfer. Internationale Organisationen werden sowohl auf regionaler als auch universeller Ebene tätig; der Gefahr von Überschneidungen stehen die Chancen der Zusammenarbeit gegenüber; die zwischen den Organisationen bestehenden Unterschiede dürfen ebensowenig wie ihre Ähnlichkeiten vernachlässigt werden. Diese Organisationen kann man aus zwei Blickwinkeln untersuchen: Die rein völkerrechtliche Methode konzentriert sich auf Rechte und Pflichten, auf Fragen der Verantwortlichkeit, auf Verfahrens- und Strukturprobleme sowie auf das Verhältnis zwischen der internationalen und den innerstaatlichen Rechtsordnungen. Die umfassendere Methode der internationalen Beziehungen stellt die Aufgaben der Organisationen in den Vordergrund, die Erfüllung derselben sowie die Befriedigung der in die Organisationen gesetzten Erwartungen. Internationale Organisationen stellen für Lehre und Forschung einen wachsenden Aufgabenbereich dar. Karl Zemanek hat sich seit vielen Jahren der Erforschung des Rechts der internationalen Organisationen gewidmet. Eine diesbezügliche Untersuchung stand sogar am Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn. Seine Habilitationsschrift "Das Vertragsrecht der internationalen Organisationen" (1957) war bestrebt, über die bis in die 50er Jahre reichende ältere Forschung hinauszugehen. Seine Schwerpunkte waren das "Treaty-making" der Organisationen und andere kontraktuelle Verhältnisse innerhalb derselben. Damit beschritt er insoferne neue Wege, als in der Vergangenheit Aktivitäten auf dem Ver12*
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tragssektor als fast ausschließliche Domäne von Staaten und Regierungen betrachtet worden waren. Für Zemanek waren das Vertragsrecht und damit verwandte Überlegungen vor allem jene spezifische Linse, durch die er zum Verständnis der Organisationen selbst vorzustoßen suchte. Demnach erschienen ihm internationale Organisationen als enge Netze von Beziehungen und komplexe Regelungssysteme. Seine Untersuchung beschränkte sich nicht auf die Analyse bestehender internationaler Organisationen in Bezug auf ihre Rechtspersönlichkeit, ihre Organisationsstruktur und die Erfüllung ihrer Aufgaben. Er befaßte sich auch mit der Kodifikation des Vertragsrechtes im Rahmen der Völkerrechtskommission, ein Prozeß der viele Jahre später zur Annahme des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge fuhren sollte. Daß Karl Zemanek bei diesen späteren Verhandlungen die Interessen Österreichs zu vertreten hatte, sei nur am Rande vermerkt. In dieser Habilitationsschrift diente die spezifische kontraktuelle Perspektive dazu, um die verschiedenen Aspekte einer internationalen Organisation zu beleuchten, sei es die Tätigkeit der verschiedenen Organe, sei es den Status des Personals etc. Bei voller Treue zur juristischen Methode hatte Zemanek eine allgemeine Theorie der internationalen Organisationen entworfen, die die politische Dimension derselben nicht aus dem Auge verlor. Sein Ansatz war stets ein internationaler, weshalb er auf allzu weitgehende Rückgriffe auf das innerstaatliche Recht, sowie auf gewisse, dem Verfassungsrecht entlehnte Begriffe, verzichten konnte. Bereits in dieser frühen Schrift erkennt man einen sehr deutlichen Stil, mit dem er um klare Definitionen, präzise Argumente und die Lösung konkreter Probleme bemüht ist. Im Staatslexikon der Görres-Gesellschaft hat er ebenfalls seine Vorstellungen zum Thema "Internationale Organisationen" wiedergegebenl . Sein andauerndes Interesse für dieses Thema dürfte auch in der besonderen Situation Österreichs in den 50er Jahren wurzeln. Damals versuchte Österreich nämlich, nach melujähriger Abwesenheit vom internationalen Geschehen wieder voll und ganz als Handlungssubjekt in die internationale Politik einzutreten. Tatsächlich gelang es Österreich, sowohl durch ein starkes Engagement in internationalen Organisationen, insbesondere in den Vereinten Nationen, als auch mit Hilfe seines besonderen Status der immerwährenden Neutralität eine Rolle zu spielen, die zumindest für längere Zeit darüber hinausging, was sich Staaten vergleichbarer Größe erwarten können. Diese Deutung der Gründe, die Karl Zemanek veranlaßt haben, sich besonders für die internationalen Organisationen zu interessieren, wird auch dadurch bestätigt, daß er im erwähnten Beitrag gerade jene Aufgaben besonders hervorhob, die internationale Organisationen zu erfiillen haben, wenn nach einem Krieg eine neue politische Ordnung hergestellt und sichergestellt werden soll. 1
Bd. 4 (1959), S. 382 tI.
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In seinem Beitrag "Internationale Organisationen als Handlungseinheiten in der Völkerrechtsgemeinschaft" unterstrich Karl Zemanek die politische Natur dieser Organisationen und lenkte die Aufmerksamkeit auf ihren eigentlichen Kern, nämlich Prozesse des Wandels auszulösen und zu steuern, sowie politische Situationen zu gestalten, denen sie selbst als wichtiger Teil angehören2 • Viele Jahre später wurde in der Regime-Theorie diese Doppelnatur der internationalen Organisationen wieder entdeckt, nämlich nicht nur Instrumente eines solchen Regimes zu sein, sondern auch innerhalb desselben als Akteure zu wirken' . Einige Jahre später begann sich Karl Zemanek in seinem Artikel "Was kann die Vergleichung staatlichen öffentlichen Rechts fiir das Recht der internationalen Organisation leisten?" mit den damals noch neuen Phänomenen der europäischen Integration auseinanderzusetzen4 • Dabei hob er ein interessantes Kriteriwn hervor; er unterschied zwischen "intensiven" Institutionen wie etwa der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und "lockeren" Organisationen wie etwa den Spezialorganisationen der Vereinten Nationen. Auf diese Weise ordnete er die Organisationen auf einer Skala wachsender oder abnehmender Dichtheit an und machte gleichzeitig deutlich, wie die entsprechenden Handlungsebenen (regional, universell) den Grad der Dichtheit oder Intensität einer Organisation mitbestimmen. Die Erkenntnis, daß die Intensität der Funktionen einer Organisation sehr stark vom Umfang der Mitgliedschaft abhängt, bestätigt sich im gegenwärtigen Europa, wenn es um den Beitritt neuer Mitglieder zur Europäischen Union oder wn die Erweiterung der Konferenz fiir Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa geht. Da Karl Zemanek in zahlreichen diplomatischen Konferenzen als Verhandler wirkte, konnte er seine praktische Erfahrungen mit seinen wissenschaftlichen Einsichten verknüpfen. Dies war etwa der Fall, als er über "Majority Rule and Consensus Technique in Law-Making Diplomacy" schrieb'. Dort untersuchte er die verschiedenen Methoden der Entscheidungsfindung im internationalen Bereich und fand dabei die philosophischen Wurzeln der Konsensregel in Rousseaus "Contrat Social" (" ... que plus les deliberations sont importantes et graves, plus l'avis qui l'emporte doit approcher de l'unanimite"). Bei dieser Gelegenheit beleuchtete er nicht nur das Spannungsverhältnis zwischen Souveränität und Mehrheitsbeschlüssen sondern zählte auch die Vorund Nachteile des Konsensverfahrens auf. Er kam zum Schluß, daß die Konsensregel den gesellschaftlichen Bedingungen in der internationalen Realität 2 ÖZöR 7 (1956), S. 335 f1 ] Siehe unten W. Lang, Regimes and Organizations in the Labyrinth ofinternational Institutions. 4 ZaöRV 24 (1964), S. 453 tT. , R. Macdonald/D. Johnston (Hrsg.), The Structure and Process of International Law: Essays in Legal Phi1osophy, Doctrine and Theory (1983), S. 857 tT.
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Winfried Lang
der Gegenwart besser entspricht als die Mehrheitsregel. Dies brachte ihn schließlich zu folgender Einsicht: Unter den Gebenden sind zumeist die mächtigen Staaten; es hat wenig Sinn, diese zum Geben zu zwingen; es ist viel sinnvoller, sie von der Nützlichkeit des Gebens zu überzeugen. Sein großes Interesse für internationale Verfahren zeigte sich auch in der Schrift "On Consultations", in der er das breite Spektrum einschlägiger Regelungen, vor allem im Rahmen internationaler Organisationen aufzeigte 6 . Aus dieser Untersuchung ergab sich, daß allen Formen der Konsultation eine Pflicht zur Kommunikation und ein Verbot des einseitigen Handeins innewohnt. Angesichts der von Fall zu Fall sehr unterschiedlichen Anforderungen an Konsultationsverfahren hielt er es für unmöglich, ein einheitliches Modell zu entwickeln. Seiner Ansicht nach macht gerade die Unbestimmtheit des Begriffs "Konsultationen" diese Verfahren für die Staaten besonders interessant. Selbst wenn Regierungen häufig an Verhandlungen denken, ziehen sie oft den Begriff Konsultationen vor, weil dieser nicht im selben Umfang wie jener der Verhandlungen ein bestimmtes Ergebnis erwarten läßt. Außerdem suggeriert der Begriff Konsultationen einen geringen Grad an Förmlichkeit des Verfahrens. Das frühe Interesse Karl Zemaneks für das Vertragsrecht und die internationalen Organisationen verband sich auch mit seiner späteren Erfahrung als Vorsitzender verschiedener Kodifikationskonferenzen. In seinem Bericht über die Konferenz der Vereinten Nationen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen bzw. internationalen Organisationen kam dieses Zusammentreffen der Einsichten des akademischen Lehrers und des diplomatischen Praktikers besonders deutlich zum Ausdruck7 • Zu den positiven Ergebnissen dieser Konferenz zählte er die Tatsache, daß es gelungen war, die Vertragsfähigkeit internationaler Organisationen als Ausfluß des Völkergewohnheitsrechts aufrechtzuerhalten, und damit die begrifiliche Übereinstimmung dieses Vertrages mit der Wiener Vertragsrechtskonvention 1969 sicherzustellen. Auch in der Encyc10pedia of Public International Law referierte er über die "treaty-making-power" internationaler Organisationen8 . Bei diesem Anlaß dürfte er sich auch erstmals auf den Begriff des "Regime" bezogen haben. Da von gewisser Seite derartige Regime nur als zweitrangige Abmachungen verstanden wurden, die nur von internationalen Organisationen abgeschlossen 6 In: M MedinaIR. MesaIP. Mariilo (Hrsg.), Pensiamente Juridico y Sociedad Internacional, FS für Truyol y Serra (Bd. 2), (1986), S. 1247 ff. 7 K.-H. BöckstiegellH.-E. FolzlJ. M. MössnerlK. Zemanek (Hrsg.), Völkerrecht Recht der Internationalen Organisationen - We1twirtschaftsrecht, FS für I. SeidlHohenve1dern (1988), S. 665 tr. I EPIL 5 (1983), S. 168 tr.
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werden, lehnte er diesen Begriff ab; er schien ihm die originäre Vertragsfahigkeit internationaler Organisationen in Frage zu stellen. In diesem Sammelwerk untersuchte Karl Zemanek schließlich den Begriff der Interdependenz, ein Konzept das auch an anderen Stellen seines Werkes immer wieder Beachtung fand 9 • In historischer Perspektive unterschied er zwischen einer primären Interdependenz - die Notwendigkeit eines Minimums an Infrastrukturen, die den grenzüberschreitenden Verkehr erleichtern - und einer sekundären Interdependenz, hauptsächlich wirtschaftlicher Natur. Interdependenz haben auch zahlreiche, ursprünglich private d.h. nicht-amtliche Organisationen herbeigeführt oder gefördert, Organisationen, die sich später oft in echte internationale Organisationen umgewandelt haben. Zemanek verstand Interdependenz als Phänomen, das nach grenzüberschreitender Zusammenarbeit verlangt und fiir den Völkerrechtsjuristen eine natürliche Herausforderung darstellt: Normen und Institutionen müssen entwickelt werden, die diese Zusammenarbeit ermöglichen oder zumindest erleichtern. Internationale Organisationen sind demnach ein wichtiges Instrument dieser Zusammenarbeit; sie verwirklichen einen gewissen Grad der Arbeitsteilung zwischen dem einzelnen Staat und der Staatengemeinschaft. Allerdings mußte Karl Zemanek zugeben, daß angesichts der rasch wachsenden Bedürfnisse nach Zusammenarbeit und der Langsamkeit der Rechtsschöpfung eine immer größere Lücke zwischen der faktischen Interdependenz und der erforderlichen Reaktion auf der Ebene der Normen entsteht. Diese Erkenntnis sollte dazu fUhren, daß dieser negative Trend zumindest aufgehalten und wenn möglich umgedreht wird. Diese Aufgabe verlangt nach sowohl mehr Kreativität bei den Juristen als auch mehr Flexibilität und Voraussicht bei den politischen Entscheidungsträgern. Internationale Organisationen sind ein wichtiges Instrument in der Hand der Staaten, um Interdependenz zu managen und den Wandel in den internationalen Beziehungen zu steuern. Der Völkerrechtsjurist sieht sich der Herausforderung gegenüber, Wege und Mittel zu finden, um den internationalen Organisationen nicht nur eine maximale Wirksamkeit zu verschaffen sondern auch ihre tatsächlichen Leistungen zu überwachen. Karl Zemanek hat sowohl in Lehre und Forschung als auch durch sein persönliches Engagement in internationalen Organisationen wichtige Beiträge zur Entwicklung des Völkerrechts geleistet. Seinen zahlreichen Studenten hat er wertvolle Einsichten in die internationalen Beziehungen vermittelt und ihnen damit auch die Teilnahme an diesen Beziehungen erleichtert.
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EPIL 7 (1984), S. 275 ff.
Regionale Abmachungen: Friedenswahrung und Rechtsdurchsetzung - zum Problem der Allokation internationaler Rechtsdurchsetzungsmacht Von Jost Delbrück
A. Einleitung Mit dem Ende des Kalten Krieges ist das internationale System1 in einen tiefgreifenden Wandlungsprozess eingetreten. Die nicht nur starre, sondern auch stabilisierende Ost/West-Bipolarität ist einer offenen, in einzelnen Bereichen auch instabilen Mächtekonstellation gewichen. Der Status eines souveränen Nationalstaates - vor Jahren als eine "im Abstieg begriffene Kategorie" apostrophiertl - hat eine kräftige Renaissance erlebt, und zwar nicht nur durch die nach Freiheit und Unabhängigkeit strebenden Nationen der zerfallenen Sowjetunion und des desintegrierenden Jugoslawiens, sondern auch durch eine gewisse "Renationalisierungstendenz" einzelner Bevölkerungsgruppen in solchen schon bestehenden Staaten, die sich in den vergangenen Jahrzehnten gestützt auf einen breiten Konsens der Bevölkerung - supranationalen Gemeinschaften angeschlossen haben3 • Dieser Renationalisierungstendenz steht der Wille vieler bedeutender Staaten gegenüber, durch eine Stärkung organisierter und institutionalisierter Zusammenarbeit, namentlich im Rahmen der Vereinten Nationen, aber auch auf regionaler Ebene, das internationale System zu stabilisieren4 • 1 Zwn Verständnis des hier zugnmdegelegten Begriffs des internationalen Systems als dem tatsächlichen Bereich, auf den sich das Völkerrecht als Rechtsordnung bezieht, vgl. G. DahmlJ. DelbrlickIR. Wolf111m, Völkerrecht (Bd.I11), (2. völlig neubearbeitete Auflage 1989), S. 2 ff. 1 Vgl. den Nachweis in DahmIDeibrUckIWolf11lm (FN.I), S. 11. 3 Die veränderten Einstellungen von Wählern in Dänemark, Deutschland und Frankreich gegenüber einer noch engeren Integration der Europäischen Gemeinschaft zu einer Union mit einheitlicher Währung sind indikativ ftlr diese Entwicklung. Zur Bedeutung der neuen Nationalismen, insbesondere in Osteuropa, vgl. D. Senghaas, Vom Nutzen und Elend der Nationalismen im Leben der Völker, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B31-32/92, S. 23 ff. 4 In diesem Sinne sind etwa die verstärkten Bemühungen wn die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft zu einer Union durch den Vertrag von Maastricht, aber
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Jost De1bruck
Indessen ist die erste Euphorie über die wiedergewonnene Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrates als dem mit der Hauptverantwortung für die Wahrung des Friedens und der internationalen Sicherheit betrauten Exekutivorgans der Vereinten Nationen einer deutlichen Ernüchterung gewichen. An die Stelle der optimistischen Einschätzung, der Sicherheitsrat werde unter den neuen Bedingungen des internationalen Systems immer und in jedem Fall zur Wahrung des Friedens und der internationalen Sicherheit - insbesondere auch in nur potentiell internationalen Konflikten wie in Somalia oder BosnienHerzegowinaS - erfolgreich einschreiten können, ist eine realistischere Betrachtung getreten. Nicht nur sind schon im Gefolge des Golfkonfliktes Fragen nach der rechtlichen und politischen Kontrolle des Sicherheitsrates in der Ausübung seiner Kompetenzen aufgeworfen worden. Vielmehr sind einige der Führungsrnächte im Sicherheitsrat, einschließlich der Vereinigten Staaten zunehmend im Zweifel, ob der Sicherheitsrat einer so umfassenden Verantwortung, wie sie ihm im Gefolge des Golfkonfliktes von der Staatengemeinschaft insgesamt, aber auch vom gegenwärtigen Generalsekretär Boutros Boutros Ghali zugedacht wird, gerecht werden kann. Angefangen von der unübersehbar werdenden finanziellen Belastung der Organisation und damit vor allem der finanzstarken Mitglieder bis zu den ebenfalls unübersehbaren Schwierigkeiten, auf wohl fundierten Informationen beruhende, einlösbare Ziele und Strategien rur die Konfliktbeilegung im Rahmen des Sicherheitsrates zu erarbeiten, wachsen die Zweifel, ob der Sicherheitsrat in alle Zukunft als alleiniger Träger der Verantwortung rur die Friedenswahrung und die Rechtsdurchsetzung eingesetzt werden kann. Hinzukommt, daß Kritiker des zentralistischen, allein auf den Sicherheitsrat abgestellten Konzeptes internationaler Friedenssicherung und Rechtsdurchsetzung auf die mangelnde Legitimation des Sicherheitsrates bzw. der Vereinten Nationen insgesamt mit dem Argument hinweisen, daß die Zahl der die Menschenrechte, die Demokratie und eine an der "rule of law" orientierte Staatsordnung achtenden Mitgliedsländer weit in der Minderzahl sei. Angesichts dessen wird als Alternative zu der Überbetonung der zentralen Rolle des Sicherheitsrates in der an einem erweiterten Begriff der Friedensbedrohung orientierten Friedenswahrung und Rechtsdurchsetzung heute verstärkt die Frage nach der möglichen Rolle regionaler Abmachungen bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben gestellt. Es wird auch diejenigen um eine festere Institutiona1isierung der KSZE oder diejenigen um die Revitalisierung und Aktivierung der WEU zu interpretieren. S Vgl. zu dieser Erweiterung des Begriffs der Friedensbedrohung, die der Sicherheitsrat in den vergangenen Jahren, beginnend mit der Res. 688 (1991) vom 5.Apri1 1991, vorgenommen hat, ausführlichJ. Delbrück, Wirksameres Völkerrecht oder neues "Weltinnenrecht"? Perspektiven der Völkerrechtsentwicklung in einem sich wandelnden internationalen System, in: Stiftung Wissenschaft und Politik (Hrsg.), Internationales Umfeld, Sicherheitsinteressen und nationale Planung der Bundesrepublik (Bd. 6), (1993), S. 1 (S. 3 ff.) mit weiteren Nachweisen.
Regionale Abmachungen: Friedenswahrung und Rechtsdurchsetzung
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mit anderen Worten generell die Frage nach der angemessenen Allokation internationaler Rechtsdurchsetzungsmacht aufgeworfen. Der Rolle regionaler Abmachungen im Sinne des Kapitels VIII der Charta der Vereinten Nationen soll im folgenden unter dieser übergreifenden Fragestellung nachgegangen werden.
B. Das System der Kompetenzen im Bereich der Friedenssicherung und Rechtsdurchsetzung in den Vereinten Nationen Es ist heute eine geradezu banale Feststellung, daß das Völkerrecht noch immer einer zentralen Rechtsdurchsetzungsinstanz entbehrt. Die Durchsetzung internationaler Normen und Pflichten erfolgt in den alltäglichen internationalen Transaktionen in dezentralisierter Form. Der einzelne Staat ist dabei seine eigene Rechtsdurchsetzungsinstanz. Akzeptanz und Legitimität des Völkerrechts und das Prinzip der Gegenseitigkeit sind außerordentlich wichtige Voraussetzungen und Anreize für eine allgemeine internationale Rechtsbefolgung. Im einzelnen Fall eines Völkerrechtsbruches stehen dem betroffenen Staat Retorsion, Repressalie und Selbstverteidigung zur Durchsetzung seines Rechts zur Verfügung. 6 Das Recht, vom Rechtsbrecher Schadensersatz zu fordern, ist diesem Katalog von Mitteln der Rechtsdurchsetzung hinzuzufügen. Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, daß das heute den Staaten zur Verfügung stehende Instrumentarium zur Rechtsdurchsetzung erheblich beschräitkter ist, als dies in der klassischen Völkerrechtsperiode, also bis zum Ersten Weltkrieg, der Fall war. Die Beschränkung der rechtlich zulässigen Formen der Rechtsdurchsetzung7 ist durch das umfassende Gewaltverbot des Art. 2 Abs. 4 SVN vorgenommen worden. Dem einzelnen Staat ist es nicht mehr erlaubt, sein Recht oder gar nur - wenn auch wesentliche - Interessen mit offensiver militärischer Gewalt durchzusetzen, eine im klassischen Völkerrecht, das noch das liberum ius ad bellum kannte, durchaus legale und legitime Form der Rechts- und Interessendurchsetzung. Lediglich im Rahmen des auch nach der Charta der Vereinten Nationen noch geltenden Rechts auf Selbstverteidigung ist dem einzelnen Staat oder einzelnen Staaten im Wege individueller oder kollektiver 6 Vgl. zur internationalen Rechtsdurchsetzung DahmIDelbrückIWolfrom (FN.l), S. 90 fT.; zur Durchsetzung von international garantierten Menschenrechten speziell siehe R. A. Müllerson, Monitoring Compliance with International Hwnan Rights Standards, in: W E. Butler (Hrsg.), Control over Compliance with International Law (1991), S. 125 fT.; zur Durchsetzung von Umweltrechtsnormen M. E. O'Connell, Enforcing the New International Law ofthe Environment, GYIL 35 (1992), S. 293 ff. 7 Vgl. die Darstellung der völkerrechtlichen Rechtsdurchsetzungsinstrwnente bei DahmIDelbrückIWolfrom (FN.l), S. 88 fT.
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Selbstverteidigung die Anwendung von militärischer Gewalt zur Rechtswahrung erlaubt. Dem Entzug des liberum jus ad bellum - im Interesse der Befriedung und "Zivilisierung" der internationalen Beziehungen" ein entscheidender Fortschritt in der Entwicklung des Völkerrechts - folgte jedoch zunächst nicht die Bereitstellung verbindlicher Alternativen friedlicher Streitbeilegung bzw. Rechtsdurchsetzung. Zwar ist im Zuge der Illegalisierung der Gewaltanwendung als Rechtsdurchsetzungsmittel zugleich auch der Ausbau der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und der Aufbau des internationalen Gerichtshofes erfolgt. Auch wurden die Formen friedlicher Streitbeilegung verfeinert und ihre Anwendung den Mitgliedstaaten des Völkerbundes und heute der Vereinten Nationen zur Pflicht gemacht (Art. 33 SVN). Jedoch ermangelt die internationale Gerichtsbarkeit der allgemeinen obligatorischen Jurisdiktion und sind die Pflichten zur friedlichen Streitbeilegung - jedenfalls soweit sie außerhalb der Vereinten Nationen zur Anwendung kommen sollen - unvollkommene Pflichten, weil es einen mit letzter Konsequenz durchsetzbaren Einlassungszwang im Verhältnis der streitbeteiligten Staaten nicht gibt. Die so entstandene Lücke im System der Rechtsdurchsetzung sollte mit der Schaffung der Vereinten Nationen als einer mit verbindlicher Entscheidungsmacht und auch mit Kompetenzen zur Rechtsdurchsetzung ausgestatteten internationalen Autorität geschlossen werden. Dem einer Rechtsdurchsetzung mit friedlichen Mitteln - also insbesondere auch der Nutzung internationaler gerichtsförmiger Streitbeilegungsverfahren - widerstrebenden Staat sollte im äußersten Falle, d.h. wenn die Weigerung, sich rechtskonform zu verhalten, zu einer Friedensbedrohung wird, mit internationaler Zwangsgewalt seitens des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen begegnet werden können. Die in dieser Konzeption liegende und aus der Sicht des klassischen, von uneingeschränktem Souveränitätsdenken geprägten Völkerrechts revolutionäre Veränderung der internationalen Rechtsordnung ist jedoch aufgrund der politischen Polarisation in der Nachkriegsepoche kaum wirksam und in der Öffentlichkeit weitgehend unerkannt geblieben. Weder ist von der Möglichkeit, Streitentscheidung durch den Internationalen Gerichtshof zu suchen, in größerem Umfang Gebrauch gemacht worden, noch konnte der Sicherheitsrat aufgrund des Ost-West-Konfliktes seine Entscheidungs- und Sanktionskompetenzen von wenigen Ausnahmen abgesehen - in dem vorgesehenen Sinne ausüben. Für die Weltöffentlichkeit sichtbar blieb im wesentlichen der Rückzug der Staaten auf Gewaltprävention durch den Aufbau stabilisierender Systeme kol8 Vgl. dazu H. W. MaulI, Zivilmacht BWldesrepub1ik Deutschland - Vierzehn Thesen ft1r eine neue deutsche Außenpolitik, EA 47 (1992), S. 269 f1; ferner D. Senghaas, In den Frieden ziehen - Neue Aufgaben der KonfliktforschWlg nach dem Ende des weltbedrohenden Gegensatzes zwischen Ost Wld West, FAZ vom 6.Juni 1992 - Bilder Wld Zeiten; auch J. Delbrilck, Staatliche Souveränität Wld die neue Rolle des Sicherheitsrates, VerfassWlg Wld Recht in Übersee 111993, S. 6 ff.
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lektiver Selbstverteidigung und - besonders schwerwiegend - der Rückfall auf den einseitigen Einsatz auch militärischer Gewalt9 • Das Ende des Kalten Krieges hat auch insoweit eine Chance eröffnet, die Blockaden der Rechtsdurchsetzung zu überwinden und das der Charta der Vereinten Nationen zugrundeliegende Ordnungskonzept zu realisieren. Darüberhinaus zeichnen sich Tendenzen zu einer Erweiterung der Veranwortung des Sicherheitsrates ab, die über bisherige Vorstellungen bezüglich seiner Rolle und Funktionsweise als einer auf die Sanktionierung von friedensbedrohenden Rechtsbrüchen beschränkten Rechtsdurchsetzungsinstanz hinausgehen. Diese Erweiterung der Verantwortung des Sicherheitsrates orientiert sich an den wachsenden Anforderungen internationaler Rechtsdurchsetzung im Hinblick auf den erweiterten Begriff der Friedensbedrohung des Art. 3910 und die verstärkten Bemühungen um den internationalen Menschenrechts- und Umweltschutz. Unter den gegebenen Bedingungen des internationalen Systems steht also der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Mittelpunkt der Überlegungen und tatsächlichen Entwicklungen auf dem Gebiet einer Stärkung der internationalen Rechtsdurchsetzung. Die diesem Organ zustehenden Kompetenzen zur Sachaufklärung von Konflikten sowie ihrer Hintergründe (Art. 34 SVN), zur friedlichen Streitbeilegung und Konfliktprävention und gegebenenfalls zur zwangsweisen Konflikteindämmung (Kapitel VI und VII SVN) - in beidem unterstützt durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen (Art. 99 SVN) sind grundsätzlich geeignet, die Aufgabe der Rechtsdurchsetzung als Grundlage des internationalen Friedens zu bewältigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Sicherheitsrat die restriktive Auslegung des Interventionsverbotes11 beibehält oder sogar noch verstärkt; denn nur unter dieser Bedingung werden die sich abzeichnenden bzw. schon sichtbaren neuen Konfliktsituationen, die sich in ihrem Ursprung vermehrt als innerstaatliche entwickeln, fiir den Einsatz der Autorität des Sicherheitsrates erfaßbar. Die aus dieser Sicht notwendige Zuordnung der an der Friedenssicherung orientierten internationalen Rechtsdurchsetzungsmacht an den Sicherheitsrat ist allerdings nicht problemlos. Zunächst einmal ist zu bedenken, daß eine wirksame Rechtsdurchsetzung durch den Sicherheitsrat auch in Zukunft mit politischen Widerständen zu rechnen haben wird. Die während der akuten Phase der Golfkrise und noch danach herrschende weitgehende Einmütigkeit 9 In der Nachkriegsepoche haben bis zum Ende der 80er Jahre weit über 100 militärisch ausgetragene Konflikte stattgefimden, vgl. dazu F. R. Pletsch (Hrsg.), Konflikte seit 1945 - Daten-Fakten-HintergIilnde (5 Bde.), (1990). 10 Vgl. dazu Text bei FN. 5. 11 Dazu oben Text bei FN. 5 Wld ausführlich J. Delbrück, A Fresh Look at Humanitarian Intervention Wlder the Authority of the United Nations, Ind. LJ 67 (1992), S. 887 ff. (S. 891 fI) mit weiteren Nachweisen.
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der fünf ständigen Ratsmitglieder kann nicht als ein Anzeichen dafür gewertet werden, daß der entscheidungshemmende Gebrauch des Vetorechtes der Vergangenheit angehört. Die Warnung der Volksrepublik China an die Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs vor militärischen Eingriffen im Irak, als die drei Staaten - gestützt auf Res. 688 (1991) ein Flugverbot für irakische Flugzeuge südlich des 32. Breitengrades zum Schutze der schiitischen Minderheit verhängten, ist ein deutlicher Hinweis, daß der Konsens unter den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates noch brüchig ist. Dies wird auch daran deutlich, daß sich die Volksrepublik China während des Sicherheitsratsgipfels als einziges ständiges Ratsmitglied jeder Aufweichung des in Art. 2 Abs. 7 SVN niedergelegten Interventionsverbotes entgegengestellt hat l2 • Es ist also unrealistisch und eine unangemessene Vereinfachung, eine wirksame, friedenssichernde Rechtsdurchsetzung allein dem Sicherheitsrat zuzuordnen. Das Problem der Allokation internationaler Rechtsdurchsetzungsmacht und -autorität ist in der Tat komplexer; denn neben der Unsicherheit hinsichtlich der künftigen politischen Funktionsfähigkeit des Sicherheitsrates ist nämlich auch zu bedenken, daß eine ausschließlich zentral beim Sicherheitsrat angesiedelte Rechtsdurchsetzung keineswegs in jedem Fall zu Lösungen führen muß, die der Vielfalt und Komplexität lokaler oder regionaler Konflikte angemessen sind. Zwar kann der Sicherheitsrat auf verschiedene Formen der Umsetzung seiner verbindlichen Entscheidungen zurückgreifen. Kapitel VII der Charta erlaubt z.B. die Delegation der Durchführung von Maßnahmen, die der Sicherheitsrat zur Wiederherstellung oder Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält, an mehrere oder einzelne Mitgliedstaaten (Art. 48 SVN)13. Damit können durchaus den regionalen oder lokalen Bedürfnissen entsprechende Instrumente der Rechtsdurchsetzung oder Konfliktlösung bereitgestellt werden. Jedoch wird hiermit nicht gewährleistet, daß die vom Sicherheitsrat selbst zu treffende Entscheidung den lokalen oder regionalen Interessen und Bedürfnissen entspricht bzw. überhaupt zustande kommt. Das heißt, daß unter den heute und auf unbestimmte Frist auch weiterhin obwaltenden Umständen auf eine diversifizierte Allokation von Rechtsdurchsetzungmacht und -autorität nicht verzichtet werden kann. Die Gründungsväter der Vereinten Nationen haben dies durchaus im Auge gehabt, indem sie neben dem Sicherheitsrat auch regionale Institutionen in den Kreis der für die Wahrung des Friedens und der Sicherheit verantwortlichen Akteure 12 Treffen der Staats- und Regierungschefs der Mitglieder des VN Sicherheitsrates vom 30. Januar 1992 - UN Doc.SIPV 3046. 13 Vgl. dazuB.-D. Bryde, Art.48, in: B. Simma (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen, Kommentar (1991), Rz. 5; die Aktionen der Golf-Koalition gegen die irakische Aggression gegen Kuwait aufgrund von Res. 678 (1990) dürfte sich jedensfalls auch auf Art. 48 SVN gestützt haben.
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einbezogen haben. Artikel 52 schließt ausdrücklich das "Bestehen regionaler Abmachungen oder Einrichtungen zur Behandlung derjenigen die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit betreffenden Angelegenheiten nicht aus, bei denen Maßnahmen regionaler Art angebracht sind; ... ". Das Wirken dieser regionalen Einrichtungen wird allerdings an die Beachtung der Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen gebunden. Auch setzt der Einsatz von Zwangsmaßnahmen seitens der regionalen Einrichtungen die Ermächtigung des Sicherheitsrates voraus. Das heißt, dezentrale Friedenswahrung und damit auch Rechtsdurchsetzung ist nach der Charta der Vereinten Nationen zulässig. Jedoch bleibt das Instrument dezentraler bzw. regionaler Rechtsdurchsetzung eher stumpf, da bei einem Scheitern regionaler Bemühungen, die sich unterhalb der Schwelle von Zwangsmaßnahmen halten, die Einschaltung des Sicherheitsrates erforderlich wird, um gegebenfalls erforderliche Zwangsmaßnahmen zu autorisieren. Hier wird nach dem geltenden Chartarecht die politische Unsicherheit bezüglich der Entscheidungsfahigkeit des Sicherheitsrates, die keinesfalls notwendigerweise gerade durch den zur Diskussion stehenden regionalen Konflikt beeinträchtigt sein muß, sondern aus anderen Gründen ermangeln kann, in das System regionaler Friedens- und Rechtswahrung hineingetragen. Namentlich in dem Falle, daß der Sicherheitsrat aus nicht mit einem zur Diskussion stehenden regionalen Konflikt zusammenhängenden Gründen entscheidungsunfahig ist, zeigt sich, daß eine effektive Rechtsdurchsetzung auch unter Einbeziehung der dezentralen Elemente des Rechtsdurchsetzungsmechanismus der Vereinten Nationen unzureichend bleiben wird. Damit stellt sich das Problem einer effektive Rechtsdurchsetzung gewährleistenden Allokation von Rechtsdurchsetzungsmacht im Hinblick auf die soeben aufgezeigten Defizite in aller Schärfe: Die Frage ist, ob die Staatengemeinschaft unter Beachtung des Rechts der Charta der Vereinten Nationen in ihren Bemühungen um eine Friedensordnung unter der "rule of law" mit den damit verbundenen Defiziten an effektiver Rechtsdurchsetzung leben muß oder ob sich in der gegenwärtigen Völkerrechtsentwicklung Ansätze ausmachen lassen, die die geschilderten Defizite in der Rechtsdurchsetzung wenn nicht völlig beseitigen, so doch nachhaltig mindern, ohne den Weg in die unilaterale Rechtsdurchsetzung freizumachen, wie sie unter dem klassischen Völkerrecht bestand, jedoch mit einer Völkerrechtsordnung, die sich vom Paradigma des Friedens her versteht14 , nicht mehr vereinbar ist. 14 Vgl. dazu J. Delbrück/K. Dicke, The Christian Peace Ethic and the Doctrine of Just War from the Point of View of International Law, GYIL 28 (1985), S. 194 tT.; T. RendtorjJ, Christian Ethics and the Doctrine of Just War. A Re-evaluation in the Nuclear Age, GYIL 28 (1985), S. 209 tT.; J. Delbrack/K. Dicke, Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung, in: U. NerlichIT. Rendtorff (Hrsg.), Nukleare Abschrekkung. Politische und ethische Interpretationen einer Neuen Realität (1989), S. 797 tT.
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C. Zum Problem dezentraler Rechtsdurchsetzung auf der Grundlage des Chartarechts - Voraussetzungen und Anforderungen L Voraussetzungen Eine erste und wesentliche Voraussetzung fiir eine wirksame, das Rechtsdurchsetzungssystem der Vereinten Nationen ergänzende dezentrale Rechtsdurchsetzung ist selbstverständlich die Existenz von Institutionen, denen die erforderliche regionale Rechtsdurchsetzungsmacht zugeordnet werden kann und die als regionale Abmachungen bzw. Einrichtungen im Sinne des Kapitels VIII SVN eingeordnet werden können. Zweite Voraussetzung ist, daß es rechtliche Grundlagen fiir die regionale Rechtsdurchsetzung gibt, die nicht nur den Einsatz von regionaler Zwangsgewalt legitimieren, sondern dies auch in Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen ermöglichen, ohne durch den Ermächtigungsvorbehalt des Art. 52 SVN begrenzt zu sein. Mit anderen Worten, es stellt sich die Frage, ob das geltende Chartarecht insoweit Raum fiir eine den selbständigen regionalen Einsatz von Zwangsgewalt durch regionale Institutionen legitimierende Interpretation läßt oder ob die Regionalisierung der Rechtsdurchsetzung nur durch eine Chartarevision ermöglicht werden kann. Drittens ist schließlich zu fragen, ob das allgemeine Völkerrecht Ansätze zeigt, dezentrale Rechtsdurchsetzung zu legitimieren, sollten die zuvor aufgezeigten Alternativen zu keinem befriedigenden Ergebnis führen.
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In Betracht kommende regionale Institutionen
Trotz der durch das Ende des Kalten Krieges bewirkten strukturellen Veränderungen des internationalen Systems - zu erinnern ist hier an die Auflösung des Warschauer Paktes und daran anschließend der Sowjetunion - haben sich eine Reihe von regionalen Organisationen innerhalb und außerhalb Europas erhalten, denen regionale Rechtsdurchsetzungsmacht zugeordnet werden könnte. I' Von den Wandlungsprozessen völlig unberührt geblieben ist zunächst einmal das interamerikanische Institutionsgefüge. Seine politische I' Vgl. dazu ausfilhrlich E. Theuermann, Regionale Friedenssicherung im Lichte von Kapitel VIII der Satzung der Vereinten Nationen: Juristische und politische Probleme, in SWP (FN. 5), S. 127 ff. mit ausfilhrlichen weiteren Nachweisen der älteren und jüngeren Lehre und Praxis; ferner T. Farer, The Role ofRegional Organizations in International Peacemaking and Peace-Keeping: Legal, Political and Military Problems, ebd., S. 171 ff. (S. 177 ff.).
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Handlungsfähigkeit ist jedoch durch den sich in Lateinamerika vollziehenden Demokratisierungsprozeß deutlich gestiegen. Mit Ausnahme Kubas, das unter Führung von Fidel Castro bisher erst geringe Anzeichen einer politischen Wende erkennen läßt, sind - wenn auch z.T. noch wenig stabile - demokratische Herrschaftstrukturen etabliert oder in der Durchsetzung begriffen l6 • Im Verhältnis zu den bestehenden Konfliktpotentialen erscheint die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) durchaus in der Lage, etwaige Rechtsdurchsetzungsaufgaben effizient wahrzunehmen. Im südostasiatischen Raum spielt die ASEAN-Staatengruppe erfolgreich eine stabilisierende Rolle, wenngleich die Wahrnehmung von Rechtsdurchsetzungaufgaben im hier verstandenen Sinne bisher keine zentrale Bedeutung gehabt hatl7 • Unter dem Gesichtspunkt regionaler Konfliktträchtigkeit und Rechtsdurchsetzungsfähigkeit ist in diesem Zusammenhang der europäische Raum von besonderem Interesse. Hier haben sich nach der Wende in den Ost-WestBeziehungen mit Ausnahme des Warschauer Paktes die bereits seit der frühen Nachkriegszeit bestehenden Organisationen erhalten, die - ihrem Aktionsraum nach teils auf ganz Europa, teils auf West- und Südeuropa begrenzt - Aufgaben regionaler Konfliktprävention und -lösung sowie politischer Stabilisierung, aber gegebenenfalls auch der Rechtsdurchsetzung wahrgenommen haben bzw. auch weiterhin wahrnehmen sollenl8 • Ihrer vertraglichen Zielsetzung nach sind der Europarat und die Konferenz fiir Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) auf ganz Europa als Aktionsraum ausgerichtet. Jedoch ist der Europarat in seinem Aufgabenkreis auf die Stärkung friedlicher Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten sowie auf den Schutz der Menschenrechte durch den Einsatz gerichtsformiger Durchsetzungsinstrumente begrenzt. Fragen der regionalen Friedenssicherung im engeren Sinne und damit zusammenhängender Rechtsdurchsetzung zählen nicht zu seinen Aufgaben. Der Europarat hält lediglich eine eher lockere, jedoch institutionell gesicherte Verbindung zur Westeuropäischen Union (WEU) und zur Nordatlantischen Verteidigungsorganisation (NATO)19. Die KSZE zählt dagegen Fragen der Sicherheit in Europa zu ihren zentralen Anliegen. Die institutionelle Ausgestaltung der erst in den allerletzten Jahren zu einer regionalen Organisation 16 Siehe dazu näher Th. M. Franck, The Ennergence of a Human Right to Democratic Governance, AJIL 86 (1992), S. 46 fI. (S. 47 und S. 65 f). 17 Dazu näher Theuermann (FN. 15), 133 ff., der auf die Einschaltung der ASEANStaaten in die friedliche Streitbeilegung der Kambodscha-Krise hinweist. 18 Vgl. dazu die Übersicht über die Kooperationsstrukturen in Europa bei J. Delbrück, A European Peace Order and the Gennan Question - Legal and Political Aspects, Michigan Journal ofInternational Law 11 (1990),897 ff. 19 Vgl. den aufgrund des Änderungs- und Ergänzungsprotokolls in den Brüsseler Vertrag neu eingefügten Artikel 4, siehe dazu K. Ipsen, Rechtsgrundlagen und Institutionalisierung der atlantisch-westeueropäischen Verteidigung (1967), S. 65; kuIz auch R. Geiger, Recht der internationalen Organisationen (3.Aufl., 1982), S. 103.
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verfestigten KSZE steht jedoch noch in ihren Anfängen. Die letztlich wenig effektiven Bemühungen der KSZE, den immer gewaltträchtiger werdenden Konflikt zwischen den auseinanderstrebenden jugoslawischen Teilrepubliken einzudämmen und die militärischen Aktionen der ehemaligen jugoslawischen Volksarmee sowie serbischer Freischärler zu beenden, haben die noch geringe Rechtsdurchsetzungsmacht der KSZE deutlich unterstrichen. Immerhin zeigt die Tatsache einer im Rahmen der KSZE geführten Diskussion einer ganzen Reihe von Vorschlägen, wie diesem Defizit abgeholfen werden kann, daß die Mitgliedstaaten darauf hinarbeiten, die KSZE zu einer Rechtsdurchsetzungsmacht zu entwickeln. So ist vorgeschlagen worden, unter der Autorität der KSZE friedenssichernde und Frieden schaffende militärische Blau- oder Grünhelmkontingente zu bilden. Andere Vorschläge zielen auf eine enge Kooperation zwischen der KSZE und der NATO, der insoweit die Funktion des militärischen Arms der KSZE zugedacht wird. Entsprechende Vorstellungen sind auch im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft (EG) entwickelt worden, deren Aufgabenfeld durch den Vertrag von Maastricht um die Bereiche Sicherheit und Verteidigung erweitert worden ist. 20 Hier sind es sowohl die NATO als auch die WEU, die als militärischer Arm der EG im Gespräch sind21 • Anzumerken ist hier jedoch, daß trotz der unter den EGMitgliedstaaten schon weit ausgeprägten politischen Homogenität die Fähigkeit zu einem entschlossenen politischen Handeln in Fragen der Friedenssicherung in Europa viele Wünsche offen läßt, wie die wenig befriedigende Handhabung des Jugoslawienkonflikts gezeigt hat. Wie die vorstehende kurze Skizzierung der in Europa als Subjekte einer Zuordnung regionaler Rechtsdurchsetzungsmacht in Frage kommenden Organisationen zeigt, sind durchaus Strukturen vorhanden, die grundsätzlich zur Übernahme entsprechender Verantwortung in der Lage wären, jedoch derzeit weder organisatorisch noch politisch hinreichend für die Ausfüllung einer solchen neuen Rolle gerüstet sind. Immerhin gibt es klare Anzeichen dafür, daß einflußreiche Mitgliedstaaten der KSZE und der NATOIWEU im Begriff sind, konkrete Vorstellungen über die strukturelle, logistische und politische Ausrichtung der entsprechenden Organisationen zu entwickeln, die diese in die Lage versetzen sollen, als Träger einer regionalen Rechtsdurchsetzungs-
20 Siehe dazu Titel V (Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) des Vertrages über die Europäische Union, Text bei eh. Vedder, Das neue Europarecht, EG Vertrag und Europäische Union -Textausgabe (1992), S.7 fT. 21 Vgl. zur WEU Artikel J.4 Unionsvertrag ebd.; dazu auch schon die Erklärung des amerikanischen Außeruninisters Baker und des Bundesaußeruninisters Genscher vom 11. Mai 1991, vgl. EA 1991, Z 119, sowie jüngst dazu NATO-Generalsekretär Wömer in seiner Ansprache vor dem KSZE-Rat in Rom am 30. November 1993, vgl. NATO Press Release (93)74 vom 30. November 1993.
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macht zu fungieren 22 . Angesichts dessen ist es durchaus sinnvoll, der Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten effektiver friedenssichemder Rechtsdurchsetzung auf regionaler Ebene nachzugehen.
m
Rechtliche Probleme
1. Definitions/ragen
Ein erstes Problem stellt sich im Hinblick auf die Frage, welche regionalen Einrichtungen oder Abmachungen solche im Sinne des Kapitels VIII SVN sind. Die ältere Lehre, die auf eine angesichts des lähmenden Ost-WestKonflikts nur relativ geringe Praxis der Vereinten Nationen im Hinblick auf Kapitel VIII SVN zurückgreifen konnte, neigte zu einer eher restriktiven Auslegung des Begriffes der regional Abmachungen, wiewohl der Text des Art. 52 SVN Anhaltspunkte weder in Richtung auf eine enge noch auf eine weite Auslegung des Begriffes der regionalen Abmachung enthält. Die Konferenz von San Francisco hatte einen Vorschlag, in den Artikel eine Legaldefinition aufzunehmen, ausdrücklich abgelehne3 • In der Gegenwart hat sich jedoch eine weiter ausgreifende Auslegung durchgesetzt, die schon früher vom derzeitigen Generalsekretär der Vereinten Nationen Boutros Boutros Ghali vertreten worden war4 • Besonders nachhaltig zeigt sich die Handschrift des Generalsekretärs in der "Agenda for Peace"25, die hervorhebt, daß die Vereinten Nationen absichtlich auf eine genaue Abgrenzung des Begriffes der regionalen Abmachungen und Einrichtungen verzichtet hätten und damit ein "nützliches Maß an Flexibilität für das Vorgehen einer Gruppe von Staaten im Hinblick auf Angelegenheiten, bei denen regionale Maßnahmen angebracht sind, gewährt"26. Unter Anlegung eines flexiblen Maßstabes kann es nicht zweifelhaft sein, daß die zuvor genannten Organisationen und Einrichtungen, unabhängig davon, ob sie in einem strikt geographischen Sinne regional sind und ihrem eigenen Auftrag entsprechend kollektive Sicherheitssysteme oder 22 Vgl. dazu die ausflihrliche Studie von U. Nerlich, Optionen für kollektive Verteidigung, in: A. Ferdowsi Mir (Hrsg.), NATO - Von kollektiver Verteidigung zur kollektiven Sicherheit: Die Herausforderung der 90er Jahre (im Erscheinen) 23 Vgl. dazu Theuermann (FN.15), S. 129 mit weiteren Nachweisen. 24 Vgl. Boutros Boutros-Ghali, Contribution ci l'etude des Ententes Regionales (1949), S.101 f.; dazu auch Theuermann (FN. 15), S. 129 mit weiteren Nachweisen. 25 UN Doc.Al47/277 und S/241Il vom 17.Juni 1992; deutsche Übersetzung in Vereinte Nationen-Informationsdienst Note 22 vom Juli 1992, hier: Abschnitt VII "Zusammenarbeit mit Regionalen Abmachungen und Organisationen" § 61. 26 Zitiert aus dem deutschen Text der Agenda for Peace (FN. 25). 13·
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nur kollektive Verteidigungssysteme darstellen, unter den Begriff der regionalen Abmachung oder Einrichtung subsumiert werden können. Dies ist im Interesse einer wirksamen Ergänzung des zentralen Friedens- und Sicherheitssystems der Vereinten Nationen auch sinnvoll. Wollte man durch eine - im übrigen kaum leistbare - enge Defintion des Begriffs der regionalen Abmachung die Nutzung des Kapitels VIII SVN einengen, so liefe dies auf eine Verfestigung der Überforderung des Sicherheitsrates in der umfassender gewordenen Friedenssicherungsaufgabe hinaus, die gerade den Anlaß bildete, über eine effektivere Nutzung der dezentralen Elemente der SVN für die Friedenssicherung nachzudenken27 • 2. Ermächtigung zu regionalen Zwangsmaßnahmen durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen Wie zuvor ausgeführt, ordnet die Charta der Vereinten Nationen regionalen Abmachungen oder Einrichtungen nur eine begrenzte Funktion in der internationalen Friedenswahrung und Rechtsdurchsetzung zu. Sie können vorn Sicherheitsrat im Einzelfall "zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen unter seiner Autorität in Anspruch" genommen werden (Art. 53 Abs. 1). Soweit diese regionalen Abmachungen oder Einrichtungen in eigener Verantwortung diejenigen "die Wahrung des Weltfriedens und internationalen Sicherheit betreffenden Angelegenheiten ... , bei denen Maßnahmen regionaler Art angebracht sind" (Art.52 Abs. 1) behandeln, sind sie entweder auf Maßnahmen unterhalb der Schwelle von Zwangsmaßnahmen beschränkt oder auf die Einholung der Ermächtigung des Sicherheitsrates angewiesen. Diese im Falle voller politischer Handlungsfahigkeit des Sicherheitsrates im Interesse einer zentralen Kontrolle über den Einsatz von Zwangsmaßnahmen sinnvolle Beschränkung der Handlungsvollmacht der regionalen Abmachungen und Einrichtungen, stellt für den Fall der politischen Handlungsunfahigkeit des Sicherheitsrates die entscheidende Schwäche des gegenwärtigen Rechtsdurchsetzungssystems dar. Sie entspricht der analogen Situation auf der universalen Ebene, wenn nämlich der Sicherheitsrat politisch handlungsunfahig ist, ein internationaler Konflikt jedoch dringend des Eingreifens der Vereinten Nationen bedarf. Auf der Ebene der Vereinten Nationen ist mit der Anerkennung einer subsidiären Kompetenz der Generalversammlung durch die "Uniting for
27 Zur Überforderung der Vereinten Nationen vor allem unter fmanziellen Gesichtspunkten vgl. E. D. Schoettle, United Nations Financing: The Growing Gap between Demands and Resources, in: SWP (FN. 5), S. 353 ff.
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Peace" Resolution28 der Versuch unternommen worden, die Lücke im Rechtsdurchsetzungssystem jedenfalls insoweit zu schließen, als die Generalverammlung in die Lage versetzt worden ist, militärische Zwangsmaßnahmen empfehlen zu können, wie dies im Falle der nordkoreanischen Invasion in Südkorea geschehen ist. In Fortführung des Gedankens einer subsidiären Veranwortung der Generalversammlung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist es vertretbar, im Falle der politischen Handlungsunfahigkeit des Sicherheitsrates der Generalversammlung auch die Kompetenz zuzusprechen, die nach Art. 53 Abs. 1 SVN erforderliche Autorisierung der Vornahme von Zwangsmaßnahmen durch eine regionale Einrichtung durch eine entsprechende Empfehlung vorzunehmen. Damit wäre immerhin eine teilweise Schließung der Lücke im regionalen Rechtsdurchsetzungssystem geschlossen. Einer Änderung der Charta bedürfte es nicht, da die Grundsatzentscheidung, die Charta im Sinne einer subsidiären Verantwortung der Generalversammlung für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit auszulegen, bereits mit der "Uniting for Peace" Resolution getroffen worden ist. Deren Anwendung auch auf die Entscheidungskompetenz nach Art. 53 Abs. 1 SVN zu übertragen, ist nur eine folgerichtige Interpretation dieser Norm. Auch bleibt es bei der von der Charta gewollten Anbindung der regionalen Abmachungen und Einrichtungen an den Entscheidungsprozeß in den Vereinten Nationen.
3. Regionale Zwangsmaßnahmen ohne Ermächtigung der Vereinten Nationen und außerhalb des Selbstverteidigungsrechts ? Unabhängig von den Vereinten Nationen können die regionalen Abmachungen und Einrichtungen auch militärische Zwangsmaßnahmen ergreifen, wenn sie in Wahrnehmung ihres Rechtes auf kollektive Selbstverteidigung im Falle einer bewaffneten Agression handeln (Art. 51 SVN) - und dies so lange, bis der Sicherheitsrat die zur "Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat". Die Möglichkeit der Ausübung des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung zusammen mit der Möglichkeit, aufgrund einer autorisierenden Empfehlung der Generalversammlung i.S. des Art. 53 Abs. 1 auch militärische Zwangsmaßnahmen ergreifen zu können, engt den Bedarf an zusätzlicher, eigenständiger Rechtsdurchsetzungsmacht, einschließlich der Anwendung von militärischer Gewalt, auf wenige Konstellationen ein. Es sind dies diejenigen Fälle, in denen weder der Sicherheitsrat politisch handlungsfahig ist, noch die Generalverammlung 28 GA Res 377N(1950); dazu J. Delbrück, Das Verhältnis von Sicherheitsrat und Vollversammlung der Vereinten Nationen (1964), S. 87 ff., B. Nolte, Uniting for Peace, in: R. Wolf",m, Handbuch Vereinte Nationen (2. Aufl., 1991), S. 950 ff.
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die für eine Autorisierung von Zwangsmaßnahmen seitens regionaler Einrichtungen erforderliche 2/3-Mehrheit zustande bringt. Wiewohl diese Konstellation in der Praxis nur sehr selten auftreten wird, da es kaum vorstellbar ist, daß eine regionale Organisation auf der Durchführung von Zwangsmaßnahmen beharrt, die weder im Sicherheitsrat noch in der Generalversammlung den für entsprechende Beschlüsse erforderlichen Konsens finden noch ein Recht auf Ausübung individueller oder kollektiver Selbstverteidigung besteht, so ist der Eintritt einer solchen Konstellation auch nicht auszuschließen. Die im Hinblick auf militärische Zwangsmaßnahmen durch regionale Einrichtungen politisch relevante Konstellation ist also die, in der weder eine Ermächtigung seitens der Vereinten Nationen zu erlangen ist noch eine Ausübung des Rechtes auf kollektive Selbstverteidigung der Sach- und Rechtslage nach in Frage kommt, jedoch die Vornahme von Zwangsmaßnahmen, einschließlich des Einsatzes militärischer Gewalt, von der regionalen Organisation im Interesse der Friedens- und Rechtswahrung für unabdingbar gehalten wird. Ein entsprechendes Scenario wäre etwa die schwerwiegende und systematische Verletzung elementarer Menschenrechte, z.B. im Zuge von Verfolgungen von Minderheiten, wie sie sich derzeit in Teilen des ehemaligen Jugoslawien abspielen. Daß militärische Zwangsmaßnahmen zur Behebung von derart schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nicht gegen das Interventionsverbot verstoßen, ist unter Berücksichtigung der oben angeführten erweiterten Auslegung des Begriffs der Friedensbedrohung und der entsprechenden engen Auslegung des Interventionsverbotes, wie sie der Sicherheitsrat neuerdings vornimmt19 , nicht mehr zweifelhaft. Fraglich bleibt jedoch, ob es im geltenden Chartarecht oder im allgemeinen Völkerrecht eine Rechtsgrundlage für ein solches, von autorisierenden Beschlüssen der Vereinten Nationen unabhängiges Vorgehen oder wenigstens Ansätze zu einer entsprechenden Rechtsentwicklung gibt. Was das Recht der Charta angeht, so ist der Befund eindeutig: die Charta geht von einem Sanktionsmonopol der Vereinten Nationen aus, zu dessen voller Realisierung und auch Erweiterung die Charta Interpretationsspielräume eröffnet, wie gerade zuvor aufgezeigt. Eine Interpretation der Charta aber, die eine eigenständige, wenn auch an die materiellen Vorschriften der Charta gebundene Rechtsdurchsetzungsautorität regionaler Einrichtungen legitimieren könnte, gibt c'lie Charta nach Wortlaut, Sinn und Zweck nicht her. Wenn überhaupt, so ist eine Rechtsgrundlage für eine eigenständige regionale Rechtsdurchsetzungsautorität nur aus dem allgemeinen Völkerrecht zu entwickeln, die allerdings vom Grundsatz her mit den Zielen und Vorstellungen der Vereinten Nationen vereinbar sein muß. Andernfalls würde der Fortschritt, der mit der Institutionalisierung und Internationalisierung der Verantwortung •
29
Vgl. dazu oben Text bei FN. 1 I, sowie Delbrück (FN. 1 I), S. 895 ff.
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für die Wahrung von Frieden und Recht in Gestalt der Vereinten Nationen erreicht worden ist, schon vom Grundsatz her aufgegeben.
Ein Ansatz für die Annahme einer Rechtsgrundlage für eigenständige Rechtsdurchsetzung außerhalb des institutionellen Rahmens der Vereinten Nationen seitens regionaler Einrichtungen könnte in der zunehmenden Internationalisierung, vor allem aber in der Vergemeinschaftung der Verantwortung für die Wahrung und Durchsetzung von elementaren Normen des Völkerrechts gesehen werden, denen die Staatengemeinschaft eine Erga-omnesWirkung zuschreibt. Wie oben gezeigt, obliegt die Beachtung solcher Normen allen Staaten, unabhängig davon, ob sie bei der Entstehung der Normen mitgewirkt haben oder sie sonst ausdIiicklich als für sich verbindlich anerkannt haben. Ihre Durchsetzung erfolgt nicht im Einzelinteresse eines bestimmten Staates, sondern im Interesse der Staatengemeinschaft. Insoweit Staaten an Rechtsregimen, die der Wahrung von Erga-omnes-Normen dienen und deren Durchsetzung den beteiligten Staaten zur Pflicht machen, würde eine rechtliche Lage entstehen, auf deren Grundlage auch regionale Institutionen unter näher zu bestimmenden Umständen eigenständig auch militärische Zwangsmaßnahmen durchführen könnten. Die Maßnahmen müßten den materiellen Normen, Zielen und Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen entsprechen. Sie dürften als Konsequenz aus der zuvor genannten Bedingung nur kollektiv, vorzugsweise im Wege institutionalisierter Kooperation regionaler Staatengruppierungen erfolgen. Schließlich wäre die Anwendung von militärischen oder nicht-militärischen Zwangsmaßnahmen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen, d.h. sie dürften nur nach Ausschöpfung aller anderen Mittel und Verfahren der Rechtsdurchsetzung und in einer der Schwere des Rechtsbruches angemessenen Weise durchgeführt werden. Diese Kriterien bzw. Bedingungen bedürfen der Erläuterung. Die Eröffnung der Möglichkeit, in rechtlich zulässiger Weise außerhalb des Rahmens der Vereinten Nationen Rechtsdurchsetzungsmacht auszuüben, darf nicht zu einer neuen Legitimation für einseitige, einzelstaatliche Maßnahmen der Rechtsdurchsetzung führen30 • Dies widerspräche nicht nur ganz grundsätzlich dem Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen, sondern auch dem die Rechtsgrundlage dezentraler Rechtsdurchsetzung bildenden Gedanken vergemeinschafteter Verantwortung rur die Wahrung und Durchsetzung elementarer, mit Erga-omnes-Wirkung ausgestatteter Völkerrechtsnormen. Ob Zwangsmaßnahmen in dem hier diskutierten Kontext institutionalisierter oder auch ad hoc vereinbarter kollektiver Form erfolgen müßten bzw. dürften,
30
Dazu näher Delbrock (FN. 11), S. 890 f.
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hängt - worauf Schreuer kürzlich treffend hingewiesen hat3! - von der Schwere des jeweils erforderlichen Einsatzes ab. Je schwerer der Eingriff, desto nachhaltiger wäre zu fordern, daß institutionalisierte Verfahren der Rechtsdurchsetzung zum Zuge kommen, um eine geordnete, öffentlich überprüfbare Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Daß schließlich derartige Zwangsmaßnahmen den Kriterien der Proportionalität entsprechen müßten, ergibt sich aus der bindenden Wirkung dieses Prinzips auch im Völkerrecht32 • Dabei käme der Anforderung, daß eigenständige regionale Rechtsdurchsetzung mittels Zwangsmaßnahmen nur die ultima ratio sein dürfte, besondere Bedeutung zu. Die Vielfalt der für eine effektive Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehenden Verfahren verlangt, daß das jeweils angemessene Verfahren gewählt wird und namentlich dem an Boden gewinnenden Gedanken Rechnung getragen wird, daß vor allem militärische Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung in einzelnen Lebensbereichen gerade die Rechtsgüter bedrohen, denen die Rechtsdurchsetzung gerade dienen soll, wie etwa im Umweltbereich33 • Werden die genannten Bedingungen erfüllt, so wären eigenständige regionale Rechtsdurchsetzungsmaßnahmen als rechtlich zulässig anzusehen. Dies gälte auch unter dem Gesichtspunkt, daß der innerhalb der Vereinten Nationen bereits anerkannte Grundsatz der Subsidiarität der Zuständigkeiten von Sicherheitsrat und Generalversammlung auf dem Gebiet der Friedenswahrung hier bezüglich des Einsatzes dezentraler Rechtsdurchsetzungsmacht im Interesse der Rechtswahrung und -durchsetzung zum Zuge käme. Die vorstehenden Überlegungen sind im Konditional formuliert worden. Daß sie schon fest etabliertes Recht darstellen, kann angesichts der noch bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich des Geltungsumfangs und der Wirkungen von Erga-omnes-Normen nicht angenommen werden. Es gibt jedoch im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der "rule of law" in den internationalen Beziehungen und im Hinblick auf die wachsenden neuen Bedrohungen der Staatengemeinschaft gute Gründe anzunehmen, daß die hier aufgezeigten Ansätze zur Vervollständigung des Systems völkerrechtlicher Rechtsdurchsetzung Bestandteil des geltenden Völkerrechts werden.
3! Ch. Schreuer, Comment, in: J. Delbrück (Hrsg.). The Future of International Law Enforcement, Veröffentlichungen des Instituts filr Internationales Recht an der Universität Kiel (1993), S. 149. 32 DazuJ. Delbrück, Proportiona1ity, EPlL 7 (1984), S. 396 33 Vgl. zu dem Vordringen des Gedankens alternativer Formen der Rechtsdurchsetzung im Umweltrecht O'Connell (FN. 6).
Is the European Community an InternationalOrganization? By Peter Fischer
A. Introduction Some remarkable developments conceming the European Communityl can be observed in recent times: the Treaty of Maastricht of 7 February 19922 seems to reflect a step forward towards a "federal Europe". For this reason, this "Treaty on European Union" has been challenged in a constitutional action before the German Bundesverfassungsgericht, in which, inter alia, the argument was raised that, by its ratification and entry into force, the Federal Republic of Germany would lose its character as a sovereign State in favour of 1 As it is well known, there exist three Communities: the European Coal and Stee1 Community (ECSC), established 18 April 1951, the European Economic Community (EEC) and the European Atomic Energy Community (EURATOM), both established by the Treaties of Rome, dated 25 March 1957. Although there is one set of institutions (organs), no merger ofthe Communities has yet taken place and is not envisaged by the Treaty on European Union (TEU) of 7 February 1992. This Treaty has entered into force after the completion of the present manuscript. By establishing the European Union (EU) it builds a kind of superstructure on top of the Communities which, however, maintain their separate legal identities. According to Title 11, Art. G para. 1 TEU, the EEC, nevertheless, changed its name to the "European Community" (EC). As before 1 November 1993, it will constitute the political and legal core of the European integration and is, therefore, the principal subject of the subsequent analysis. The EU, on the other hand, is not endowed with an express legal personality by the Maastricht Treaty, although "any European State may ... become a member ofthe Union", Art. 0 para. 1 TEU (emphasis added). This interesting question of EU's legal character must, however, remain outside the scope of the present paper. The same applies to the question as to whether "Union law" has now replaced "Community law". Since a "Union legal system" does not yet seem to have emerged, we shall follow here the traditional notion of the "Community legal system", as developed by the European Court's rulings. See further below C. As to the legal classification of the EU see G. Ress, Die Europäische Union und die neue juristische Qualität der Beziehungen zu den Europäischen Gemeinschaften, in: Juristische Schulung (1992), p. 985. 2 The text of the Maastricht Treaty is to be found in: European Union. Se1ected instruments taken from the Treaties (1993); Note on Post-Maastricht Terminology. Names after Maastricht, CMLR 31 (1994), p. 4.
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the European Cornmunity3; furthermore, the recent jurisprudence of the Court of Justice of the European Cornmunities (European Court) seems to indicate, what we would venture to call, a "progressive constitutionalization" of the Cornmunity legal system4 • In light of these developments, it seems legitimate to revert to an issue which was referred to by the dedicatee of this Festschrift already some thirtyfive years agos . Discussing the "degree of intensity" of an international organization, Karl Zemanek supported the then prevailing theory, according to which a supranational organization is merely a somewhat higher form of international organization in the traditional sense. This proposition was made at a time when there was only one such organization in existence, namely the European COal and Steel Cornmunity (ECSC). Later developments, regarding the other two Cornmunities could not, of course, have been foreseen. In view of the subsequent practice since 1958 the question now arises, as to whether this still applies to the present status ofthe European Cornmunity. MethodologiCally, the following contribution to the Festschrift analyses the specific features of, and the above-mentioned developments, within the European Cornmunity and compares it with traditional international organizations. On that basis, an answer is attempted as to whether the European Cornmunity differs from traditional organizations merely by degree or in kind. Or, in other words, is there a difference only of quantity or also of quality between the European Cornmunity and ordinary international organizations?
3 The constitutional action was launched, of inter alia, by the fonner Chef de Cabinet of Commissioner Bangemann, Mr. Brunner, by four members of the European Parliament ofthe Green Party, and by Mr. Stöcker, Councillor in the Bonn Ministry of Justice. As to the position of the Gennan government represented by the Foreign Minister Mr. Kinkei, who strongly rejected that argument, see Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) of 1 July 1993, p. I and p. 5. The actions were dismissed. Judgment of 12 October 1993. FAZ of 13 October 1993. An English version is to be found in ILM 33 (1994), p. 388. • See further below chapter C; in general see R. Bemhardt, The Sources of Community Law: the 'Constitution of the Community', in: Commission of the European Communities (ed.), Thirty years ofCommunity Law (1981), p. 69 ff. S K. Zemanek, Das Vertragsrecht der internationalen Organisationen (1957), p. 15.
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B. The European Community Distinguished from Traditional International Organizations L General Observations International organizations are not a product of most recent times6 : the medieval Hanseatic League of City States which established and governed an economic area in Europe ranging from England in the West over the Dutch Provinces, the Scandinavian countries, the Northern part of the Empire and the Baltic States to the Russian Principalities of Novgorod and Smolensk in the East', or, more recently, the various river commissions8 or the classic 19th-century Administrative Unions all constitute phenomena which can safely be compared with the modem international organizations. Due to the predominance of the sovereign and independent State which wanted to bind itself as little as possible, the international organization remained, however, the exception rather than the rule in the structure of the international community in the past: therefore, the idea of the international organization on a larger scale has been put into practice only relatively recently. The solution of new technical economic problems, as well as political goals such as peace and security, were some ofthe reasons why States decided to "organize" themselves. Furthermore, the process of decolonization after World War 11 enhanced the proliferation ofinternational organizations9 • No wonder that legal science devoted its attention to this area of international law only relatively recently. One of the first to analyse this new and complex field of law was the dedicatee of this Festschrift, Karl Zemanek, whose definition of an international organization is still valid and will therefore be the starting point of our analysis. According to Zemanek, an international organization denotes "a union of States established by a multilateral agreement under international law, which has its own autonomous organs to pursue the common interests of the com6 A different opinion is expressed by R. Bindschedler, International Organizations, General Aspects EPIL 5 (1983), p. 123. 7 See H. F. KöckIP. Fischer, Grundzüge des Rechtes der internationalen Organisationen (1986), p. 77; a nwnber of docwnents re1ating to the legal position of the Hanseatic merchants is to be found in: P. Fischer, A Collection of International Concessions and Related Instrwnents 1 (vols. TI and III), (1976). 8 See J. L. Kunz, The Danube Regime and the Belgrade Conference, AJIL 43 (1949), p. 104; in general KöckPischer (FN. 7), p. 83. 9 See, in particular, D. W. Bowett, The Law ofInternational Institutions (1988), who describes the major organizations established after 1945. Also KöckPischer (FN. 7), p. 142 ff.
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munity of its members"10 . The following elements can therefore be identified: (a) treaty between States; (b) common interests; and (c) autonomous organs. These three elements may be the linchpin for the following examinations of the European Communities.
II. Special Features of tbe European Community In applying the above definition to the legal phenomenon "European Community", one cannot prima vista discover any signs of distinction: the tripartite structure (treaty between States - common aims and objectives - organs), which characterizes any of the some 300 intergovernmental organizations now in existencell , is also to be found here. This view must not, however, lead to premature conclusions about a possible identity of the European Community with traditional organizations. As stated above, the three elements in Zemanek's definition now deserve some closer attention.
1. Treaties as the Basic Law olthe Community "A treaty", as the late Lord McNair used to sayll, "is a sadly overworked instrument". This is particularly true in the case oftreaties serving as the legal fundament of international organizations. Like in any other international organization, it is the treaty which forms the instrument to govern the Community. But contrary to ordinary international organizations this instrument was not only used to create the Communities13 but had to serve further purposes: the integration of the Community institutionsi., the solution of budget questions lS , the adaptation of the "basic law" to 10 Zemanek (FN. 5), p. 17.
See the Yearbook of International Organizations 1984/85. A. McNair, The Law ofTreaties (1961), p. 740. 13 See FN. 1 above. For further details see A. G. Toth, Community Treaties, in: The Oxford Encyclopedia of European Community Law (vol. I), (1991), p. 103. 14 Such as the "Convention on Certain Institutions Common to the European Communities", signed at Rome on 25 March 1957, re1ating to the European Court and the Assembly (Parliament), and the "Merger Treaty" ("Treaty establishing a Single Council and a Single Commission of the European Communities"), signed at Brussels on 8 Afri11965. OJ 152,13 July 1967, p. 2. I Such as the "Treaty amending Certain Budgetary Provisions of the Treaties establishing the European Communities and ofthe Treaty establishing a Single Council and a Single Commission of the European Communties", signed at Luxembourg on 22 April 1970 (OJ L 2, 2 January 1971, p. I) and the "Treaty amending Certain FinanII
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"newcomers"16, revision l7 and, ultimately, to reach a new stage in the process of integrationl8 . These "basic Treaties" form most of the constitutionallaw of the Communityl9, which is in substance characterized by its dynamic but also ambitious aim to form "an ever closer union among the peoples of EurOpe"20. On the other hand, constitutions (charters) of traditional international organizations follow basically a static concept21 , mainly because they lack the element of integration22 • In addition, the basic Treaties required for their entry into force, the ratification of all signatory States; furthermore, they do not allow any reservations unless accepted by all Member States; they fall, therefore, under the category of "restricted multilateral treaties"23. In practice no reservations have been made by new members: their "reservations" became part of the respective Treaty of Accession after an usually lengthy process of negotiations24 . As far as such accession2s is concemed, the Community system difIers from charters of other organizations in so far as the basic Treaties do not exhausticial Provisions of the Treaties establishing the European Commwrities and of the Treaty establishing a Single Council and a Single Commission of the European Commwrities", signed at Brussels on 22 July 1975 ("Budgetary Treaties"). 16 As to the United Kingdom, Denmark, Ire1and (and Norway), the respective Treaty of Accession was signed on 22 January 1972 (01 L 2, 1 January 1973), p. 1; as to Greece, on 28 May 1979 (01 L 291, 19 November 1979); as to Spain and Portugal, on 12 June 1985 (OJ L 302, 15 November 1985), and as to Austria, Finland, Norwayand Sweden, on 24 June 1994. 17 By the Single European Act (SEA); this treaty, signed on 17 and 28 February 1986, is the fIrst to substantially amend the ECSC, EEC and EURATOM Treaties by laying down provisions also on the European Political Cooperation (EPC). 01 L 169, p. 1. See further Toth (FN. 13), p. 480. 11 See Art. A TEU. Above FN. 1. 19 Bemhardt (FN. 4), p. 71; in accordance with Toth's terminology (FN. 13), p. 103, the founding Treaties ofParis and Rome as weH as the treaties to supplement or amend them are forthwith caHed "basic Treaties". 20 TItis phrase is not a pious platitude but establishes the dynamic principle of integration which distinguishes the Commwrity from other international organizations; see also J. Steiner, EEC-Law (1991), p. 3; see also below B. TI. 2. 21 A c1ear example for that is the UN-Charter which, apart from some minor amendments (increase ofthe number ofmembers and votes in the Security Council and in the ECOSOC) remained unchanged since 1945. See, in general K6ckIFischer (FN. 7), p. 249. 22 "Integration" may be broadly described as the "process as weH as the goal of forming a closer association, wrion or even a federation ofStates". G. Jaenicke, European integration, EPIL 5 (1983), p. 167; as to the various categories ofintegration (political, econornic, legal, etc.) see P. FischerlH. F. K6ck, Europarecht einschließlich des Rechtes der supranationalen Organisationen (1986), p. 7. 23 See P. FischerlH. F. K6ck, Das Recht der völkerrechtlichen Verträge nach der zweiten Session der Wiener Vertragsrechtskonferenz der Vereinten Nationen, ÖZA 9 (1969), p. 279. 24 See above FN. 16. 2S In general see H. F. K6ck, Der Beitritt zu völkerrechtlichen Verträgen, ÖZöRV 20 (1970), p. 217; Toth (FN. 13), p. 3.
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vely contain the conditions for the admission of new members; they are also to be found in subsequent acts and form part of the unwritten constitutional law of the Community26. Thus, according to the "Declaration on Democracy" issued in 197827 by the Heads of EC Governments, "respect for, and maintenance of, representative democracy and human rights in each Member State are essential elements of membership in the European Communities". Another element of distinction vis-a-vis charters of traditional organizations may be found in the nature of the EC Treaty itself, which is essentially a "framework" treaty (traUe cadre)21; for instance, in Art. 2 it sets out the aims to be achieved29 but leaves it to the Community institutions to enact the necessary legislation in order to fill the "blanks left by the Treaty"30. Furthermore, there is also a terminological difIerence: the basic Treaties do not establish "European Organizations" but "Communities". The very meaning of this term relates to a shared commonness and implies a closer and deeper union. Emphasis is placed on the aggregate of intentions. This is also reflected in the principle of "equality of languages": alilanguages of the Member States are ipso facta officiallanguages31 . Such a principle is, to that extent, unknown to traditional international organizations32 . 26 See also R. Bemhardt (FN. 4) p. 80, who states: ".. these principles and values fonn part ofthe unwritten constitutionallaw ofthe Community". 27 Dec1aration of7/8 April 1978, EC-Bull. 3-1978. 28 According to H. SmitlP. Herzog, The Law of the European Economic Community (vol. 5), (1993), p. 610, "(the Treaty) specifies the aims of the Community and lays down the procedures whereby these are to be realized". See also L.-J. Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften. Das institutionelle Recht (1977), p. 236, who states: "... der EWG-Vertrag (ist) im wesentlichen ein Rahmenvertrag, da die Mitgliedstaaten nicht gewillt waren, von vornherein den gesamten nationalen Wirtschaftsprozeß der Gemeinschaftsgewalt zu unterstellen und bereits im Vertrag festen Re~e1ungen zu unterwerfen ... ". 9 The general aims as set out in that provision (e.g. common market, approximation of economic policies, harmonious deve10pment of economic activities, balanced expansion, increase of stability, raising of standard of 1iving) have partly been replaced and also extended by its new version in the Maastricht Treaty of 1992, inc1uding, inter alia, the establishment of an economic and monetary union, non-inflationary growth respecting the environment, high level of employment and of social protecion, the raising of the ... quality of live, and, in particular, the solidarity among Member States, Art. GTEU. 30 SmitIHerzog (FN. 28), p. 610. 31 Art. 248 EC-Treaty declares alilanguages ofthe Member States to be "equally authentie". The official languages of the Community are Danisch, Dutch, English, French, German, Greek, Italian, Portuguese and Spanish. As far as Irish is concemed, it is an authentie but not an officiallanguage; it may, however, be used in a case before the European Court, according to an amendment of the Rules of Procedure. See OJL 165 (1987),p. 1; also Toth(FN. 13),p. 345. 32 For instance, neither German nor Japanese are among the officia11anguages ofthe UN (i.e. Arabic, Chinese, English, French, Spanish and Russian). See Art. 111 UNCharter.
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Finally, the duration of the Community distinguishes it from traditional organizations. While their charters may contain withdrawal- or denunciationclauses33 , or may contain provisions as to their duration allowing, nevertheless, an extension34 or may be silent on that point33 , the EEC Treaty expressly stipulated that "(it) is concluded for an unlimited period"36. Such an express provision is also unknown to other treaties establishing international organizations. In spite ofthese anomalies vis-a-vis traditional organizations the Community's constitution rests, nevertheless, upon treaties which, in turn, are govemed by the law of treaties as codified by the Vienna Convention on the Law of Treaties of 196937 • On that basis, a realistic view must still regard the Member States as the "Lords of the Treaties". This was recently confirmed by the results of the Edinburgh Meeting of the European Council in December 199238, in which one Member State, Denmark, was offered certain exemptions from the TEU. Similarly, the "Agreement of Social Po1icy" which was concluded simultaneously with that Treaty and is designed to implement the 1989 Social Charterl9 , likewise exempted another EC-Member State, the United Kingdom, from its obligations. Hence it may safely be concluded that the Member States of the Community, by using the instrument of the treaty, possess the power to adapt the Union's constitution to 33 Such as Art. I para. 3 of the League of Nations' Covenant, which pennitted a member to withdraw on the giving of two years' notice and the satisfaction of aIl existing obligations. See C. Parry, League ofNations, EPIL 5 (1983), p. 198; see Art. 127 of the European Economic Area Agreement of 2 May 1992. Official Document, Brussels-Luxembourg (Office for Official Publications of the European Comrnunities), 1992, p. 75. 34 Such as Art. 13 NATO-Statute. 3S Such as the UN-Charter and the constituent instruments of most of its Specialized Agencies. See, however, the Statutes of the fmancial organizations (BANK, IMF) which make provision for their possible dissolution. KocklFischer (FN. 7), p. 39. 36 Now Art. Q TEU; this raises, of course, the question of the possibility of withdrawal from the EC (Union). See H. Briggs, Unilateral Denunciation of Treaties: The Vienna Convention and the International Court of Justice, AJIL 68 (1974), p. 51; Dagtoglu, "Recht auf Rücktritt von den römischen Verträgen", in: Festschriftfür Ernst ForsthojJzum 70. Geburtstag (1972), p. 72; U. Everling, Sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft noch Herren der Verträge?, in: Festschrift für Hermann Mosler (1983), p. 173; as to the further question relating to the possibility of expulsion of a "disobedient" member, see H. F. Kock, Die Integrationspflicht im Europäischen Gemeinschaftsrecht, in: Europa im Aufbruch. Festschrift für Fritz Schwind zum 80. Geburtstag (1993), p. 296 ff. 37 See in general P. FischerlH. F. Kock, Allgemeines Völkerrecht (1991), p. 49, H. Neuhold, Die Wiener Vertragsrechtskonvention 1969, A VR 15 (1971), p. 1. 38 EC-Doc. 92/8, European Council Edinburgh 11-12 December 1992, Part 8: Denmark and the Treaty on European Union. 39 The "Agreement on Social Policy between the Member States of the European Comrnunity with the exception of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland" as weIl as the "Protocol on Social Policy" form an annex to the "Treaty on European Union" under the heading "Protocols" TEU, p. 615 and p. 619.
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the political needs and realities. Even the exclusion from the Union of a Member State which would violate the "obligation of Community (Union) loyalty"40 is, in theory, legally possible. Against this background, the German theory of the Gesamtakt as developed in particular by Hans Peter Ipsen41 , deserves attention. According to that theory, the founding States of the Community have established a Gesamtakt (common act) by concluding the basic Treaties. This act is to be distinguished from the "ordinary" conclusion of treaties, because it constitutes the creation of law beyond the terms of the treaty"l. Such law is directed towards the establishment of a legal order outside the national legal systems of the founding States which exercises "autonomous effects upon them"43. The new legal order is, therefore, not derived (abgeleitet) from the national systems and from the powers of the founding States, but exists "independently and autonomously", since it is based on a Gemeinwillen (common will or consent) which is the "melting-together" of their common accord. The consequences of this theory would lead to the negation of a "right to secession" of the Member States, and also to the denial of a dissolution of the Community by contractus contrariu~. Although, for the reasons stated above, the present writer cannot associate hirnself with that theory, it is, nevertheless, of importance. The Gesamtakt is intended to endow the Community with a higher degree of authority which "ordinary" international law is obviously not capable of achieving. As Heribert Franz Köck has convincingly shown4', the Gesamtakt-theory has its deeper roots in the traditional German theory on international law as constituting "external municipallaw" (Außenstaatsrecht)46. A state-like (third) legal system had therefore to be conceived in order to strengthen the authority of Community law within the German legal system. The weakness of this theory lies in the sceptical position vis-a-vis internationallaw in general and the binding nature oftreaties in particul~7; and also 40 A concurrent view is expressed by H. F. Köck (FN. 36), p. 300. 41 H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht (1972), p. 61. The process of
establishing the Communities is designated by this author as the Gesamtakt staatlicher Inteyrationsgewalt. 4 He calls it "Rechtserzeugung über die Einigung hinaus", id., p. 61. 43 "(Eine) Rechtsordnung....• die außerhalb der Staaten existiert und ihnen gegenaber selbständig wirkt". id., p. 62. 44 Id., p. 211. ., H. F. Köck, Der Gesamtakt in der deutschen Integrationslehre. Eine Untersuchung aus dem Grenzbereich von staatlichem Recht und Völkerrecht (1978). 46 Id., p. 51 fT. 47 As Köck states correctly: "... By downgrading the binding nature of 'mere' international treaties, it (the Gesamtakt-theory) weakens the moral force on the states with regard to the strict observance ofinternational treaty obligations";. id., p. 150.
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in the miscomprehension of the treaty as the most important instrument of international law upon which lies the entire Cornrnunity system. It is difficult to imagine an autonomous legal system independently of the basic Treaties. In addition, such a construction does not seem to be necessaryl8, if one is aware of the function oftreaties under internationallaw9 • Nevertheless, Ipsen's theory also has its considerable merits: It attempts to explain the uniqueness of the Cornrnunity and its legal order. It also has, as will be discussed belowo, some influence on the European Court's rulings.
2. Aims and Ohjectives: the Dynamics ofthe Community The general airns and objectives are set out in Art. 2 EC Treaty. In establishing a cornrnon market they are to provide, inter alia. "closer relationship between the states" belonging to the Cornrnunity'l. Art. 1 of the Single European Act (SEA) of 1986 further specifies the objective ofthe Cornrnunity, narnely to contribute "to rnaking concrete progress towards European unity". While the SEA left Art. 2 EEC Treaty unchanged, the TEU extended it considerably. The general aims are now to include, inter aliasl, the establishment of an economic and monetary union, new cornrnon policiess3 and economic and social cohesion and solidarity among Member States. Furtherrnore, the Preamble of the TEU states that the Members are "resolved to continue the process of creating an ever closer union arnong the peoples of Europe".
See also Köck, id., p. 147. Namely to make law, to regulate specific matters (traites lois and traites contrats) and to establish international organizations. The latter category of treaties differs, by its very nature, from the former two, because of its sirnilarity to a municipal legal constitution. To that extent there is no difference between, say, the UN-Charter and the basic Treaties. so Chapter C. SI They also include: harmonious development of econornic activities, continuous and balanced expansion, increased stability, and increased standard of living (Art. 2 EC-Treaty). S2 The airns and objectives set out in the TEU also include: harmonious and balanced development of econornic activities (emphasis added), sustainable and noninflationary growth respecting the environment, a high degree of convergence of econornic performance, a high level of employment and of social proteetion, and the raising ofthe standard ofliving and quality oflive (emphasis added), Art. G.B. 2 TEU. S3 Such as in the social sphere and in the sphere ofthe environment. (New) Art. 3 (i) and (k) EC-Treaty, Art. G.B. (3) TEU. 48
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Although the TEU does not constitute the qualitative leap forward as envisaged in the original "Draft Treaty Establishing the European Union"~, it nevertheless reflects the dynamics55 inherent in the Community system. Apart from the inclusion of new powers entrusted (officially) to the Communities, such as environmental, consumer and civil protection and even tourism, "solidarity" instead of the original "closer relationship" now forms a new objective of the Community. "Solidarity", (however vague this term in the legal sense may bel, nevertheless includes the principled preparedness for common deliberations and joint actions. This is, in particular, relevant in connection with the new areas of the Common Foreign and Security Policy (CFSP), where reference also has been made to that principle56 . As far as the econornic and monetary union is concemed, the TEU envisages a "quasi-federal system"51 in one single area, namely currency and money, hitherto unknown to Community powers and law. These aspects of the Maastricht Treaty do not only offer clear evidence for the dynamics of the Community, but are also a further element of distinction ViS-li-vis traditional international organizations which, as has been said before, are basically static in nature58 . One could, of course, argue that one can find dynamic elements also in ordinary international organizations, whose organs may develop innovative techniques to fulfill their functions. They may include the setting up of new organs, as is the case within the United Nations 59 . Thus they may also develop their "own life". But these "dynamics" differ from those inherent in the Community system in two ways. First, they do not require an amendment to or a revision of the charter; secondly, they likewise do not require any change in 54 See R. Bieber/J.-P. Jacque/J. H. H. Weiler (eds.), An Ever C10ser Union: A Critica1 Analysis of the Draft Treaty Establishing the European Union (1985); Toth, (FN. 13), p. 248. 55 See also Pryce (ed.), The Dynamics of European Union (1987); P. Fischer, Die Zukunft der westeuropäischen Integration. Bemerkungen zwn Tindemans-Papier über die Europäische Union, in: Wiener Blätter zur Friedensforschung 9/10 (1976), p. 16. 56 Art. J.1 para. 4 TEU which provides: "The Member States shall support the Union's external and security policy active1y and unreserved1y in a spirit of loyalty and mutual solidarity... " (emphasis added). The last sentence of this provision is also noteworthy because it contains a kind of mechanism for its enforcement. It reads as follows: "The counci1 shal1 ensure that these princip1es are comp1ied with". As to the imp1ications touching the neutrality, see G. Hafner, Die Europäische Union und ihr Einfluß auf Österreichs völkerrechtliche Stellung, in: H. J. GleasnerlP. GilsdorflD. Thürer/G. Hafner (eds.), Außen- und sicherheitspolitische Aspekte des Vertrages von Maastricht und seine Konsequenzen für neutrale Beitrittswerber (1993), p. 89. 51 See in particu1ar H. J. Hahn, Der Vertrag von Maastricht als völkerrechtliche Übereinkunft und Verfassung (1992), p. 8. 58 See above text at FN. 21. 59 Such as the International Law Commission, or the various peace keeping forces. KöcklFischer (FN. 7), p. 116, p. 22l.
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the internal structures of the Member States. On the other hand, since the Community system has been programmed ab initio with the dynamic element of integration, a "chain-reaction", as Leontin-Jean Constantinesco has called it60 , was the result. It led to the gradual "deepening" of existing areas and "widening" through the inclusion of new areas in the Community's legal system61 . Political scientists have described this phenomenon as the "spill-over effect"62. This means, of course, that structural changes within the municipal legal systems become necessary which, in turn, very often require referenda in the various Member States61 . This aspect also marks a distinction between traditional organizations and the Community. Finally, the question may arise as to whether the European Economic Area (EEA) also possesses dynamics similar to those of the Community. According to the EEA Agreement, its objectives include the establishment of adynamie and homogeneous European Economic Area 64. In spite of that wording however, the answer must be in the negative for the following reasons. First, it may be questionable as to whether the EEA would at all constitute an "international organization"; secondly, by adhering to the EEA Agreement, no basic structural changes become, in general, necessary within the national 60 Constantinesco (FN. 28), p. 140, p. 24l. Re distinguishes betweenfunctional and structural dynamics, the fonner characterizing traditiona1 organizations while the latter is typical for the Community, id., p. 339. In contradiction to that he regards, on the other hand, also the traditional models of international organizations as being "static"; id., p- 338. 6 Apart from the areas mentioned in FN. 52 and FN. 53 above, "the flowering ofthe cu1tures of the Member States" is listed among the Community activities in the TEU (Art. 3 P EC-Treaty). See also Title IX (Art. 128) which is headed "Culture", p. 12, p. 48; See further I. Schöffier, Staatliche Kulturforderung im Gemeinsamen Markt, in: Economy (6/1993), p. 153. 62 See, in particular, the functionalist and neo-functionalist schools. D. Mitrany, International Government (1933); E. B. Haas, The Uniting ofEurope (1958); L. N. Lindberg, The Po1itical Dynamics ofEuropean Economic Integration (1963); Fischer/K6ck (FN. 22), p. 34. 61 See e.g.: Ireland's referendum on the SEA of 1986 which became necessary after the Irish Supreme Court held: "... Each State's foreign policy will move from anational to a European or Community 1evel...the Treaty (=SEA) marks the transfonnation ofthe European Communities from an organization which has so far been essentially economic to one that is political also". Case Raymond Crotty vs. An Troiseach 60rs. Doc. no. 1986 no. 12036 P. Decision of 9 April 1987. See in general P. Fischer, "Rechtliche Aspekte einer Teilnahme Österreichs an den Europäischen Gemeinschaften", in: Österreichs Stellung heute im Europarecht. Festgabe ft1r Fritz Schwind zum 75. Geburtstag (1988), p. 55. Referenda on the Treaty of Maastricht had to be held in France (20 September 1992) and (twice) in Denmark (2 June 1992 and 20 May 1993). 64 Preamb1e, para. 4; Art. 1, on the other hand, setting out the objectives, speaks ·only of "a homogeneous European Economic Area" and omits the term "dynamic". See P. Fischer, EC-EFTA Trade Agreements and Related Instruments. Law & Practice under the GATT and other Trading Arrangements, Part One, Doc. I.R. (1993), p. 4, p.6.
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legal systems6'; and thirdly, the EEA Agreement, as the European Court has also stated66 , "merely creates rights and obligations as between the Contracting Parties and provides for no transfer of sovereign rights". It lacks the aim to achieve further economic integration and must, therefore, be basically regarded as a static instrument67 •
3. Community Institutions and Community Powers
The structure of the European Community as weIl as the powers conferred upon it by the Member States are also decisive criteria of distinction vis-a-vis traditional organizations.
a) The Structure
The Community's structure does not follow any given pattern in international organizations. The "architects of Europe" applied a method similar to that of the Greek-Roman eclecticists, according to which elements of different models were chosen in order to achieve a solution of a given practical problem68 • The Community, therefore, possesses elements common to traditional international organizations, as weIl as elements unknown to such entities, but we/l-known to federal States. Attention is to be focused on the latter. In order to achieve their aims and objectives traditional international organizations use organs which, in turn, usually have a tripartite structure: Assembly (Conference), Board (Council), and Secretariat69 . On the other hand,
6' The only countries which feit that a referendum is necessary were Switzerland and Liechtenstein. On 6 December 1992 the Swiss people casted a negative vote on the EEA-Agreement; Liechtenstein voted in favour. 66 In the Opinion delivered on 14 December 1992 on the draft EEA-Agreement. OJ C 110 of 29 April 1992, .p. 1. See also A. Reinisch, Kritische Bemerkungen zum EWR-Gutachten des EuGH, OJZ 47 (1992), p. 321. 67 The only dynamic element is possibly the "evolutionary clause", as contained in Art. 118 EEA-Agreement, according to which any Contracting party may suggest "to develop the relations established by this Agreement by extending them to fields not covered thereby.. " (emphasis added). Since it will depend on the EEA-Council to take up the matter, it is questionable whether this c1ause will be able to establish dynamics comparable with those ofthe Community. The "evolutionary c1auses" ofthe EC-EFTAfree trade agreements of 1972n3 proved to be unsuccessful. 68 Constantinesco (FN. 28), p. 235, speaks of a "rnissing model of organization". 69 See Zemanek (FN. 5), p. 31 ff.; KäckIFischer (FN. 7), p. 374 ff.
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the Community "organs" are called "institutions"70 which possessed a quadrupie, and now a quintuple, structure71 • The Commission follows no existing model. In the form of the Haute Autorite it was originally conceived as government-like, and thus as the supreme organ ofthe ECSC 72 , but had to give way to the Councif3 in the EURATOM and EAEC, which is now and will also be in the future 74 the Community's (Union's) highest authority. The Council can be compared with bodies ofterritorial representation in federal systems (Länderkammern, Senates, etc.). The European Parliament is not composed of governmental or parliamentary representatives of the Member States, but of members directly elected by the "peoples of the States brought together in the Community"7~. These organs were conceived to achieve a balance between the diverging interests and aims of the Community, in particular those towards progressive integration, and the political interests of its Member States. These often conflicting interests are shown by the activities of EC Commission and EC (EU) CounciF6 • While the Commission, according to Art. 155 of the EC Treaty, acts as the initiator, e.g., for new Community legislation, and is, therefore, widely described as the "motor" of the Community77, the Council, on the other hand, is sometimes blamed of constituting its "brake"78. Also, here the Commission 70 Art. 4 EEC-Treaty, Art. 7 ECSC-Treaty, andArt. 3 ofthe EURATOM-Treaty.
Art. 4 EC-Treaty includes the Court of Auditors. Fischer/Köck (FN. 22), p. 26; Bull.EC 2-1978, p. 22; G. Olmi, The ECSC, the fIrst European federal structure, in: Thirty years ofComrnunity law (1983), p. I. 73 Fischer/Köck (FN. 22), p. 124 ff.; Toth (FN. 13), p. 135. 74 In spite of the "institutional balance" with the European Parliament. See Art. 138 b, Art. 158 n, and in particular, Art. 189 b ofthe Union Treaty. 7~ Art. 137 EC-Treaty, Art. 20 ECSC-Treaty, and Art. 107 EURATOM-Treaty. See also Toth (FN. 13), p. 225; G. Ress, "Über die Notwendigkeit der parlamentarischen Legitimierung der Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaften", in: GedächtnisschriftjUr W. K. Geck (1989), S. 76 See Case 416/85 Commission v. United Kingdom (1988) ECR, p. 3151, and Case 7/68 Commission v. ltaly (1968) ECR p. 428, where the Court makes reference to the balance of powers between the institutions laid down in the Treaty. This "institutional balance" is a principle offundarnental importance. According to Toth (FN. 13), p. 304, it means that, in carrying out the tasks entrusted to it, each of the four institutions is required to act within the limits of the powers conferred upon it by the Treaties and is re~uired to observe the powers and prerogatives ofthe other institutions. 7 See Steiner (FN. 20), p. 12; M. Röttinger, Organisation und Arbeitsweise der Kommission, in: M. Röttinger/c. Weyringer (eds.), Handbuch der europäischen Integration (1991), p. 78; Noel, The Commission's Power ofInitiative, CMLR 10 (1973), p. 123. The most prominent example of such initiative is the Commission's White Book on the Completion ofthe Intemal Market. Doc. COM (85) 310 fmal of 14 June 1985. Proposals were made herein to the European Council on some 300 measures for the completion of the internal market. According to Art. 8a SEA, its deadline was to expire on 31 December 1992. 78 E.g. in the sectors oftransport and energy policy, in which the Council has hindered Comrnunity legislation for decades. See further examples in W. Hummer, Art. 155, 71
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has "the first word" and the Council the "last word"79. According to the TEU, however, the Council will have to share this power to some extent with the European Parliament80 . The European Court of Justice, the fourth 81 principal institution of the Community, is also to be clearly distinguished from the judicial organs in traditional international organizations. First, it possesses compulsory jurisdiction over disputes not only among the Member States, but also between Member States and Community institutions, as weH as between Community institutions inter se 82 • Secondly, it is one of the rare international judicial bodies before which individuals, primarily nationals83 of the Member States (now Union citizens)84, also possess a right of locus standi 8S • In the past, extensive use has been made of these facilities so that the SEA of 1986 had to set up a new body, the Court of First Instance (CFI)86, whose jurisdietion extends to disputes between the Community and its civil servants, to cases touehing eompetition law and issues relating to certain matters of the ECSC87 • The European Court aets as a court of appeal vis-a-vis the CFI88 . In general, such a hierarehy of independent courts is also unknown to ordinary international organizations89 . in: E. Grabitz (ed.), Kommentar zum EWG-Vertrag (1988), Art. 155 Rz. 45; SmitHerzog (FN. 28), p. 410. 79 But only by unanimous vote. See the old Art. 149 EEC-Treaty. Steiner (FN. 20), p. 11. 80 The TEU repeals Art. 149 EEC-Treaty and establishes a new procedure of legislation ("co-decision") by virtue ofthe new Artic1es 189a, 189b and 189c EC-Treaty. 81 According to the TEU, the Court of Auditors is now the fifth Community institution. (New) Art. 4 EC-Treaty. 82 Art. 173 and 175 EC-Treaty which, according to SmitIHerzog (FN. 28), p. 359, provide most important means for reviewing the propriety of acts or commissions of the Council or Commission. According to the new wording in the TEU, the European Parliament as weIl as the European Central Bank will also be inc1uded. The widely held argument raised against "Brussel's centralism" overlooks the fact that there exists a legal control against arbitrary acts of the Community's institutions. See also T. Hartley, Locus standi in Actions under Artic1e 173 EEC, European Law Review 3 (1978), p.209. 83 Art. 173 para. 2 EEC-Treaty (para. 4 of EC-Treaty as amended by the TEU), if a decision is "of direct and individual concern" to the individual. 84 See, however; the Polypropylen-Case, involving third countries citizens. Decision 86/398 ofthe EC-Commission. OJ L 230/1986, p. 1. See further G. LoibllE. Schweighofer, Marktaufteilung Polypropylen, in: Economy (1992), p. 149. 8S As to the difficult question of "direct concern" (see FN. 83), see the case Plaumann v. Commission, Case no. 28/62. 86 See, in general, G. Reichelt, Die Schaffung eines Gerichts Erster Instanz beim EuGH, in: Economy (1990), p. 24. 87 See Art. 168a EC-Treaty. 88 Ibid. 89 The only exceptions are probably the UN and ILO staff administrative tribunals. See H. G. Schermers, International Institutional Law (1980), p. 340.
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b) The Community Powers
In the almost classic case Costa v. E.N.E.L9